FAIRER HANDEL GEGEN AUSBEUTERISCHE KINDERARBEIT
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Chancen und Grenzen Eines der wichtigsten Kriterien im Schulbesuchs, häufig über die Fair Handels- Fairen Handel ist das Verbot von aus- Prämie mitfinanziert, ist ein weiterer beuterischer Kinderarbeit. Darunter wichtiger Aspekt. verstehen wir gemäß der Konvention GEPA arbeitet mit verschiedenen Fair der Internationalen Arbeiter-Organisa- Handels-Kontrollsystemen zusammen, tion (ILO) alle Arbeit, die die Entwicklung um die Einhaltung der Fair Handels- eines Kindes erschwert bzw. verhindert, Kriterien zu überprüfen. Dies z.B. weil sie einen Schulbesuch unmöglich ist z.B. bei unseren Han- macht oder gefährlich für Körper und Seele delspartnern für Kakao des Kindes ist. Die schwersten Formen der und Kaffee Fairtrade ausbeuterischen Kinderarbeit sind Sklaven- International. Es wer- und Zwangsarbeit. den jährliche Inspektio- Die Ursachen für ausbeuterische Kinder- nen vor Ort gemacht, arbeit sind meist strukturell bedingt: bei Missständen hat eine Organisation zu niedrige Löhne der arbeitenden Eltern, einige Monate Zeit, diese zu beheben. Bei zu niedrige Produktpreise, Gewinnmaxi- weiterem Verstoß gegen die Kriterien wird mierung als oberstes Ziel der aufkaufenden eine Produzenten-Organisation dann aus Firmen auch bei hohen Weltmarktpreisen dem Fairtrade-Register suspendiert oder z.B. für Kakao. Aber auch finanzielle Not der dezertifiziert. Bei einer Dezertifizierung Menschen, die sich in der langen Kette z.B. heißt dies für uns als GEPA, dass wir des Sklavenhandels ihren Lebensunterhalt mit der betreffenden Organisation verdienen, oder »einfach nur« kriminelle nicht weiter zusammenarbeiten. Ambitionen dieser beteiligten Menschen Viele unserer Handwerkspartner gehören zu den Ursachen. sind, so wie die GEPA selbst, Mitglieder der World Fair Trade Der Faire Handel versucht mit ver- Organisation (WFTO) und wer- schiedenen Instrumenten, Kinderarbeit den über das Guarantee unnötig zu machen, dazu gehören die System der WFTO kont- Zahlung von fairen Preisen bzw. Löhnen für rolliert. die arbeitenden Eltern und langfristige, ge- Abgesehen von diesen sicherte Handelsbeziehungen. Auch die externen Kontrollen be- Sensibilisierung der Produzent*innen sucht die GEPA auch selbst und Produzenten hinsichtlich Produzenten-Organisationen, dies dient einer gesunden Entwicklung u. a. dem direkten Dialog, dem Austausch ihrer Kinder ist wichtiger von Informationen, der Sensibilisierung für Bestandteil im Fairen die jeweiligen Realitäten und Erwartungen, Handel. Die Ermögli- aber auch der Überprüfung von Fair chung des Handels-Kriterien.
Weltweit arbeiten ca. 152 Millionen Kinder, Diese Kinder verrichten gefährliche Arbei- um einen Beitrag zum Überleben ihrer Fa- ten mit der Machete, tragen schwere milien zu sichern, das ist jedes zehnte Kind. Lasten und sind gefährlichen Pestiziden Bei einem Marktanteil von z.B. fair ausgesetzt. gehandeltem Kaffee von knapp Was macht die GEPA? sieben Prozent in Deutschland Der Zusammenhang von Armut, zu niedri- liegen die Grenzen des Fairen Han- gen Löhnen und Preisen und Kinderarbeit dels jedoch auf der Hand. Daher liegt auf der Hand. Daher hat die GEPA sind übergeordnete Maßnahmen und nun den Kakao-Plus-Preis in politische Rahmensetzungen erfor- Höhe von 3500 Dollar/ derlich, die die strukturellen Ursachen Tonne für Bio-Kakao angreifen. eingeführt. Oft zahlen Freiwillige Selbstverpflichtungen haben die wir sogar mehr, 2020 in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. im Durchschnitt 3.700 So unterzeichnete z.B. die Schokoladen- US-Dollar. branche im Jahr 2001 eine Selbstverpflich- Der Kakao Plus-Preis von 3.500 US-Dollar tung, das sogenannte Harkin-Engel-Proto- liegt 47,7 Prozent über dem durchschnitt- koll, das die Beendigung der schlimmsten lichen Weltmarktpreis von 2020. Damit Formen von ausbeuterischer Kinderarbeit wollen wir einen Beitrag in der Debatte um bis 2005 zum Ziel hatte. Dieses Ziel wurde existenzsichernde Einkommen leisten, die mehrfach revidiert und reduziert. Das letzte im Kontext von ausbeuterischer aktuelle Ziel war die Reduzierung von Kinderarbeit im Kakao-Sektor Kinderarbeit um 70 Prozent bis 2020, dringend ist. auch dieses Ziel wurde nicht erreicht. Bisher haben sich die Aktivitäten der Bran- Erste politische Erfolge che schwerpunktmäßig auf die Bereiche Aktuell erfolgt nun endlich ein Produktivitätssteigerung und Qualitätsver- lange überfälliger Schritt von besserung konzentriert und damit kaum der freiwilligen Selbstver- einen Beitrag zur Beendigung von Kinder- pflichtung zur staatli- arbeit geleistet. chen Regulierung und Kontrolle. Eine im Oktober 2020 herausgegebene Stu- Kurz vor der politischen die der University of Chicago zeigt die Sommerpause wird er- drastische Situation der Kinder im wartet, dass der Bundes- Kakao-Sektor in Westafrika, tag das Lieferkettengesetz verabschie- dort gibt es ca. 1,5 Millionen det. Das Gesetz soll 2023 in Kraft treten. Kinderarbeiter*innen, die Es verpflichtet Unternehmen ab einer Zahl ist sogar gestiegen. bestimmten Größe, menschenrechtliche
und umweltbezogene Sorgfaltspflichten unerschwinglich oder auch einfach nicht einzuhalten. gegeben. Gleichzeitig sind viele Kinder Auch wenn vieles im Gesetz noch verbes- wieder gezwungen, irgendeine Tätigkeit serungswürdig ist, der Anfang der gesetz- anzunehmen, um zum weggebrochenen lichen Regulierung ist gemacht! Nähe- Familieneinkommen beizutragen. Beson- res https://www.forum-fairer-handel. ders Mädchen sind betroffen, und es ist zu de/fileadmin/user_upload/dateien/pu- befürchten, dass viele Kinder auch nach blikationen/materialien_des_ffh/2021- dem Ende der Pandemie nicht in die Schu- 02_FFH_Stellungnahme_LKG-FINAL.pdf len zurückkehren werden. Wir erwarten, dass das Gesetz zur Ver- Die Sensibilisierung meidung von ausbeuterischer Kinderarbeit von Bürger*innen ist beitragen wird. die Grundlage für zu- Das Eintreten für gerechtere Produkti- nehmende Nachfrage ons- und Handelsbedingungen auf der nach fair gehandel- internationalen politischen Ebene ist ten Produkten. Diese eines der wichtigsten Anliegen im Fairen wiederum bringt immer mehr konven- Handel und wird über die nationalen und tionelle Unternehmen dazu, faire Pro- internationalen Netzwerke des Fairen Han- dukte in ihr Sortiment aufzunehmen. dels geleistet. Im Rahmen der »Initiative Das zeigt der rasante Umsatz-Anstieg der Lieferkettengesetz« haben 128 zivilgesell- letzten Jahre, welcher überwiegend im schaftliche Organisationen durch unermüd- Mainstream-Markt stattgefunden hat. liche Lobbyarbeit zu diesem Ergebnis Konventionelle Unternehmen arbeiten beigetragen. in der Logik der Gewinnmaximierung Die Covid-19-Pandemie verstärkt das für ihr Unternehmen und fürchten Problem der Kinderarbeit. Gleich viel- Skandale und Kritik. Daher kön- fach bedeutet die Covid-19-Pandemie nen informierte Kund*innen, einen Rückschlag im Kampf gegen die ihre Verbraucher-Macht ausbeuterische Kinderarbeit. Die wirt- z.B. durch »aktiven schaftlichen Einschränkungen durch Lock- Nicht-Kauf« bestimm- downs und Ausgangssperren haben viele ter Produkte oder Arbeitsplätze im formellen, besonders aber Marken einsetzen, am im informellen Sektor gekostet. wirkungsvollsten auf Dies bedeutet einerseits, dass unfaire Firmenprakti- kein Geld für den Schulbe- ken Einfluss nehmen. such mehr da ist. Digitale Besonders die letzten Jahre haben Medien oder der Zugang gezeigt: die Kombination aus »Politik zum Internet für virtu- mit dem Einkaufskorb« und zivilgesell- elles Lernen sind oft schaftlichem Druck, analog auf der Straße und digital im Netz, ist unschlagbar!
Raul (14 Jahre ) und Adriana (13 Jahre) sind Cousins und Nachbarn. Ihre Eltern sind Kakaobauern und Mitglieder bei der GEPA-Partnerorganisation COOPROAGRO in der Dominikanischen Republik. Der Unterricht während der Pandemie findet auf zwei Kanälen des öffentlichen Fernsehens statt. Für den Online-Unterricht sind nicht nur der Fernseher wichtig, sondern auch die digitalen Endgeräte: » Glücklicherweise haben wir Tablets und Handys, denn sonst könnten wir jetzt in der Pandemie dem Unterricht nicht folgen.«
Bei COOPROAGRO hat die Bildung der Kinder einen großen Stellenwert und die Fairtrade-Prämie wurde u.a. für Schule und Sportplatz eingesetzt. Das bestätigt auch Rauls Vater, William Orgin: » Ohne den Fairen Handel sähe es in der Region anders aus, denn die zusätzlichen Fair-Handels-Gelder fließen in die Infrastruktur. Damit werden Straßen instandgesetzt, Schulen angebaut, Kirchen und Kliniken mit neuen Dächern versehen. Auch der Sportplatz der Schule, auf dem Adriana und Raul immer nach der Schule spielen, wurde von diesem Geld bezahlt«. Auch Raul ist froh über den Sportplatz: » Dank COOPROAGRO und des Fairen Handels haben wir einen Sportplatz, wo wir viel Spaß haben, Basketball mit unseren Freunden zu spielen.«
Adriana: » Wenn die Schule vorbei ist, treffe ich mich mit meinen Freundinnen auf dem Sportplatz (das ist der, der auch zur Schule gehört) und wir spielen zusammen.« Raul und Adriana helfen beide ihren Eltern im Haus und auch auf dem Feld, aber das machen sie nach der Schule und in den Ferien. Durch das Einkommen des Fairen Handels müssen sie nicht während der Schulzeit auf den Kakaofeldern helfen:
Adriana: » Zur Erntezeit geht die ganze Familie mit aufs Feld, auch meine Großmutter und meine Tante. Ich muss keine schweren Arbeiten machen. Meine Aufgabe ist es, oben in den Bäumen nach den erntereifen Früchten Ausschau zu halten und sie einzusam- meln, wenn mein Vater sie abgeschnitten hat«. Raul: » Ich helfe auch dabei, die Früchte einzusammeln und schlage sie dann auch mit der Machete auf, um die Samen rauszuholen. Das hat mir schon viel Spaß gemacht, als ich noch kleiner war«. Wenn der Kakao nicht mehr an die GEPA verkauft werden könnte, hätte das fatale Folgen, sagt Rauls Vater: » Dann würde es schwierig werden, denn dann wäre kein Geld da, um Arbeiter zu bezahlen und Raul müsste für einige Monate aus der Schule genommen werden um bei der Ernte zu helfen.«
Wie wichtig eine fundierte Ausbildung für die Zukunft ist, zeigt auch das Beispiel von Angèle Wini Gnimle, die beim GEPA-Partner gebana-Togo angestellt ist und das Auf- bereitungslager in Badou leitet. Sie ist ausgebildete Agrartechnikerin und zuständig für die Qualitätskontrolle der Kakaobohnen. » Frauen können es auch schaffen! Deshalb ermutige ich Mädchen, sich für die Landwirtschaft zu entscheiden. Vor allem muss man etwas haben und etwas tun, um für sich selbst sorgen zu können.« Langfristig träumt sie von einem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb mit Tierhaltung: » Das ist mein Projekt – und ich muss es realisieren – das ist mein Leben!«
Juan Carlos Guzmán ist Mitglied der Kooperative Tzeltal Tzotzil in Mexiko, von der die GEPA Honig und Kaffee zu fairen Preisen kauft. Er ist froh, dass er nicht wie drei seiner Brüder in die USA emigriert ist, die es dort schwer haben, Fuß zu fassen. Stattdessen ent- deckte er seine Chance in der Imkerei und verkauft den Honig an die Genossenschaft: »Von den Einnahmen habe ich sehr profitiert«, sagt Juan Carlos. Dabei spielt der Faire Handel eine wichtige Rolle, »weil sie besser zahlen als woanders. Die Zwischenhändler bezahlen viel weniger.« Seine Eltern profitierten von der Bienenstock-Initiative der GEPA. Juan Carlos Guzmán: »Sie haben jedem Produzenten von Biokaffee zwei Bienen- stöcke gegeben, damit sie auch Honig produzieren. Wir haben eine Weiterquali- fizierung durch die Techniker der Genossenschaft bekommen.« Heute ist Juan Carlos Guzmán ein aktiver Partner der Kooperative und wirbt dafür, dass mehr junge Menschen Mitglied werden, um Kaffee und Honig zu produzieren und so ihre Eltern zu unterstützen. Fotos: GEPA – The Fair Trade Company / C. Nusch
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