Falsche Freunde rechtzeitig identifizieren und meiden
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// FORSCHUNG & INNOVATION // Falsche Freunde rechtzeitig identifizieren und meiden Umdenken spielt eine wichtige Rolle im Prozess, eine Forschungsstrategie für eine Hochschule zu entwickeln und umzusetzen. Denn es gibt einige Stolpersteine, die es zu überspringen gilt. | Von Elisabeth Holuscha S trategie ist eines jener Wör- Expertise vorab nicht eingeholt hat. ter, die wir gern auf be- Dann hätten sie doch schon zu einem stimmte Weise definieren, früheren Zeitpunkt auf die Problema- jedoch auf eine andere Wei- tik der Umsetzung hinweisen können, Foto: privat se verwenden.“ Dieses Zitat um gemeinsame Lösungen zu finden. von Dr. Henry Mintzberg, kanadischer Ein absoluter Klassiker. Professor für Betriebswirtschafts- Dr. Elisabeth lehre und Management, eignet sich Ein solider strategischer Planungs- Holuscha wunderbar, um einen Prozess zur Stra- prozess startet mit einer Bestandsauf- berät schwerpunktmäßig tegieentwicklung von Beginn an richtig nahme. Dazu werden alle relevanten Fachhochschulen im Bereich anzugehen. Das Verfassen von Strate- Akteure zunächst an einen Tisch ge- der Forschungsförderung und -strategie. | holuscha@ gien ist ein anspruchsvoller Prozess, holt. Eine wertschätzende Atmosphä- plan-wissenschaft.de der, richtig angegangen, viele lang- re ermöglicht einen Austausch. Sie wierige Diskussionen und Auseinan- herzustellen, ist eine Leitungsaufga- dersetzungen vermeiden kann. Daher be. Sobald alle am Tisch sitzen, müs- sollte man vor falschen Freunden ganz sen Erwartungshaltungen und der besonders auf der Hut sein. Ablauf des weiteren Prozesses festge- legt werden. Wieso bereits zu solch ei- Fallstrick 1: Strategisch denken kann nem frühen Zeitpunkt? Um einem der nur die Hochschulleitung häufigsten Frustrationselemente vor- zubeugen: Mangelnde Transparenz der Strategisches Denken und Agieren ist Vorgehensweisen und Entscheidungs- ein Wesensmerkmal von höherem Ma- findungen ist ein Kritikpunkt, der im- nagement und somit von Hochschullei- mer wieder bei Strategieprozessen tungen – da will und da sollte niemand angeführt wird. Dies zeigt sich dann dran rütteln. Aber die Annahme, dass gerne in Äußerungen wie: „Da habe ich die einen sich eine Strategie überle- den ganzen Tag in einem Workshop ge- gen und die anderen dafür da sind, sessen, eine Idee nach der anderen ge- diese umzusetzen, ist zum Scheitern liefert und was finde ich davon in der verurteilt und verursacht darüber hin- Strategie? Nichts! Das können die das aus ein hohes Frustpotenzial bei allen nächste Mal alleine machen, wozu wird Beteiligten. Die Strategen sind ent- man überhaupt gefragt, wenn es doch täuscht, dass sich ihre tollen Ideen gar keinen interessiert und die schon al- nicht umsetzen lassen. Und die Umset- les entschieden haben.“ Eine weitere zer verstehen nicht, warum man bei Aussage, die grundsätzlich keine gu- solch wichtigen Fragestellungen ihre te Laune verursacht, lautet: „Ich weiß 28 DUZ Wissenschaft & Management 09 | 2019
es nicht“, wenn das Kollegium fragt, was aus der Forschungsstrategie ge- worden ist. Das zu verhindern, ist auch eine Aufgabe der Hochschulleitung – aber noch immer nicht die wichtigste. Hochschulleitungen sind richtig gefor- dert, wenn die Strategie fertig ist. Das Verfassen einer Forschungsstrategie ist nicht das Ende eines strategischen Prozesses, sondern nur ein erster Schritt. Strategien werden verfasst, um zu steuern. Steuerung bedeutet, den weiteren Prozess immer wieder auf den Prüfstand zu stellen, Entschei- dungen zu fällen, Ressourcen neu oder umzuverteilen, Ziele und Maßnahmen anzupassen, kurz: die verfasste Stra- tegie vom Papier in die Wirklichkeit zu übertragen. Die Umsetzung ist Aufgabe der Hochschulleitung. Denn es müssen auch unbequeme Entscheidungen ge- fällt, Kapazitäten geklärt und Kompe- tenzen eingeteilt werden. Besonders Foto: Jeshoots / Unsplash wichtig: Verantwortung für die Konse- quenzen der Entscheidungen müssen übernommen werden. Dies ist definitiv eine zentrale Leitungsaufgabe. Fallstrick 2: Alle anderen haben es einfacher als wir „Also ich sage Ihnen mal, was hier die der Schwächen, sondern bilden immer Probleme sind: Wir sind klein. Wir sind die Stärken Ihrer Einrichtung ab. War- spezialisiert und wir sind hier geogra- um? Die gegebenen Umstände sind zu- fisch sehr abgelegen.“ In einer anderen nächst unveränderbar. Größe, Lage und Version lauten die Sondierungsgesprä- Studiengänge sind keine Punkte, zu de- che unter anderen Vorzeichen, mit nen sich in absehbarer Zeit eklatante gleichem Inhalt: „Wir sind riesig. Wir Veränderungen herbeiführen lassen. sind total heterogen, finden keinen Sich daran abzuarbeiten, ist keine ef- gemeinsamen Nenner und die ganzen fiziente Herangehensweise. Zentrale großen Hochschuleinrichtungen in der Wesensmerkmale der Hochschulen als unmittelbaren Nachbarschaft machen Nachteile und Schwächen wahrzuneh- es auch nicht gerade einfacher für uns, men, ist nicht hilfreich. Die Formulie- uns strategisch zu positionieren.“ rung und erfolgreiche Umsetzung einer Forschungsstrategie ist auf keine An- Mit einer Sache können Sie bei der Ent- zahl von Studierenden, keine geografi- wicklung einer Strategie sehr viel Zeit sche Lage und auf keine Studiengänge sparen: Wesentliche Profilelemente Ih- festgelegt. Es gibt für jedes Format er- rer Einrichtung stehen nie auf der Liste folgreiche Beispiele. www.wissenschaft-und-management.de 29
// FORSCHUNG & INNOVATION // Diese erfolgreichen Beispiele sind nicht ganz ruhig und gemütlich forschen zu trotz ihrer Voraussetzungen erfolg- können. reich, sondern gerade wegen dieser, weil sie sie als ihre Stärken genutzt ha- Also nicht vergessen bei der For- ben. Der Blick auf das ach so grüne Gras schungsstrategie: Es gibt keine Wesens- der anderen Hochschulen, die so viel merkmale Ihrer Hochschule, die Sie erfolgreicher ihre Forschungsambitio- nicht zu Ihrem Vorteil nutzen können. nen umsetzen, ist sehr trügerisch und verzerrt stets zum eigenen Nachteil die Fallstrick 3: Best Practice hilft immer Selbstwahrnehmung. Es hilft nieman- weiter dem, wenn kleinere Fachhochschulen auf ihre großen Schwereinrichtungen Das Rad muss wahrlich nicht immer neu erfunden werden und im Rahmen von Strategieprozessen wird ein Blick auf an- dere Einrichtungen durchaus empfoh- Gute Ausstattung ist len. Daher werde ich bei der Entwicklung von Forschungsstrategien regelmäßig kein Garant für üppige nach sogenannten Best-Practice-Bei- Drittmittel. spielen gefragt: „Haben Sie denn da nicht ein paar Vorschläge, Best Practice für hochschulinterne Forschungsförde- blicken, mit verklärtem Blick das Or- rung, die wir übernehmen können?“ Ei- ganigramm betrachten und dabei nur gentlich spricht ja nichts dagegen. Ein feststellen, dass sie sehr weit weg davon Format, das sich bereits bei anderen sind, sich so eine große Forschungs- bewährt hat, kann ja nicht völlig falsch und Transferabteilung leisten zu kön- sein, oder? nen. Die nächste trügerische Annahme lautet dann: „Ja, hätten wir die Ausstat- Best Practice wohnt ein ungewöhnli- tung, dann wäre Forschung an unserer ches Phänomen inne: Sie lässt sich quasi Fachhochschule quasi ein Selbstläu- nicht übertragen. Viele Förderprogram- fer.“ Schöne Vorstellung, aber selbstver- me haben sogar eine zusätzliche Förder- ständlich weit entfernt von der Realität. linie, die dazu animieren soll, bewährte Nachweislich ist eine sehr gute Ausstat- Verfahren zu übernehmen. Genauso le- tung leider auch kein Garant für eine gen viele Ausschreibungen auf die Über- üppige Drittmittelbilanz. Die sehr gute tragbarkeit der Ergebnisse wert. Doch Ausstattung ist ein Garant für sehr viel was an einer Hochschule gut funktio- Druck, Drittmittel einzuwerben und den niert, muss nicht für eine andere gelten. hohen Standard zu halten. Das gleiche gilt auch für Formate, die Aus der Sicht der größeren Fachhoch- nicht funktioniert haben, sogenann- schulen geht es den kleineren Einrich- te Worst-Practice-Beispiele. Der For- tungen natürlich viel besser: Da ist alles schungspreis ist hierfür ein gutes so übersichtlich, das Profil ist viel deut- Beispiel. Es ist schwer zu begründen, licher, da müssen die gar nichts ma- warum dieses Instrument an manchen chen; alles geht viel schneller, weil alle Hochschulen hervorragend angenom- an einem Ort sind, geprägt durch eine men und an anderen Hochschulen wie familiäre Atmosphäre, und Raumprob- sauer Bier gehandelt wird. Manche For- leme gibt es auch nicht. Insgesamt ein- mate benötigen Zeit, um sich zu etablie- fach wunderbare Voraussetzungen, um ren, andere erfreuen sich einer direkten 30 DUZ Wissenschaft & Management 09 | 2019
Foto: Dario Mingarelli / Unsplash Annahme durch die Zielgruppe. Dabei aber danach weiß man, was die eigenen gibt es aber nicht das eine Format, das Leute beim Forschen hindert oder för- alle erfolgreich umsetzen können. Den- dert. Darauf abgestimmt lassen sich Pro- noch sind Vorführungen von Best-Prac- gramme entwickeln, die dann gerne bei tice-Beispielen auf Tagungen und nächster Gelegenheit als Best Practice Konferenzen weit verbreitet – obwohl vorgestellt werden können. wir eigentlich wissen, dass es sich da- bei um eine meist optimistische Darstel- Fallstrick 4: Es ist sehr wichtig, immer lung der hochschulinternen Situation alle mitzunehmen handelt. Eine hohe Beteiligung an der Forschungs- Muss man das Rad also doch immer strategie durch alle Akteure ist ein wich- Unsere Partner und neu erfinden? Nein, man muss sich nur tiger Punkt, der sich allerdings nur in der Experten ein wenig mehr Arbeit machen. Es gibt ersten Phase des Prozesses sinnvoll um- zwei sinnvolle Alternativen zu einem setzen lässt. In der ersten Phase werden Dieser Beitrag ist Teil Best-Practice-Modell: Die erste ist die Meinungen gesammelt, Daten erhoben – einer losen Serie zu Durchführung eines Benchmarkings. alles kommt auf den Tisch. Eine kleinere Akteurinnen und Ak- Dazu schaut man sich zuvor Hochschu- Gruppe wertet aus, clustert die Themen- teuren sowie Hand- len an, die vergleichbar sind oder die der felder, benennt offene und kontroverse lungsfeldern im eigenen Vision nahekommen. Statt retu- Punkte und legt eine Gliederung fest. In Forschungsmanage- schierter Imagekampagnen erlaubt ein der finalen Schreibphase sind es idealer- ment. Die Serie ent- gutes Benchmarking einen Blick hinter weise zwei bis drei Personen, die einen steht in Kooperation die Kulissen. Das ist aufwendiger, aber Text verfassen und dazu Rückmeldungen mit dem bundesweiten im Ergebnis fundierter. Die zweite Op- einholen, die vorab klar definiert sind. Netzwerk Forschungs- tion ist, die Hochschulangehörigen zu Damit wird idealerweise vermieden, und Transfermanage- befragen, eine Bestandsaufnahme zu dass Grundsatzdebatten immer wieder ment e. V. machen. Das ist ebenfalls aufwendig, aufs Neue geführt werden. www.fortrama.net www.wissenschaft-und-management.de 31
// FORSCHUNG & INNOVATION // Hierzu gibt es einen wichtigen und tet alle immer mitnehmen, eigentlich pragmatischen Tipp, der unter allen will er nur niemanden verärgern. Umständen berücksichtigt werden soll- te: Vermeiden Sie das Versenden von Fallstrick 5: Projektmanagement kann Textentwürfen an eine größere Gruppe jede und jeder von Personen mit der Bitte um Rück- meldung. Das ist sicherlich nett ge- Das Aufsetzen eines professionellen meint und wird der Devise „immer alle Projektmanagements ist häufig eine mitnehmen“ gerecht, schadet aber der große Schwachstelle bei der Entwick- Forschungsstrategie ungemein. Kann lung einer Forschungsstrategie. Das eine hohe Beteiligung von Akteuren Projektmanagement legt den Planungs- wirklich einer Strategie schaden? Dies rahmen, die Verantwortlichkeiten ist ein sensibler Punkt, da besonders und den Zeitrahmen fest. Das Problem im Hochschulbereich viele Anhängerin- liegt darin, dass sich viele Hochschul- nen und Anhänger angehörige sehr gerne über strategi- der Dreifaltigkeit sche Ziele und Visionen austauschen, „mehr Beteiligung das kleinteilige Zerlegen in Arbeitspro- Der Projektmanager – mehr Resonanz – mehr Akzeptanz“ zesse und die verbindliche Benennung von Zuständigkeiten das Interesse aber ist stressresistent und vertreten sind. Es deutlich absinken lässt. Im schlimms- lösungsorientiert. verhält sich aber leider anders: Je ten Fall kommt dabei eine Excel-Tabel- le zustande, die eigentlich niemanden mehr Rückmelde- interessiert. schleifen ich drehe, desto mehr verliert meine Forschungs- Aber ist es wirklich so wichtig, eine strategie an Klarheit. Eine Strategie ist Datei nachzuhalten, wenn doch keiner keine demokratische Angelegenheit, Lust darauf hat – geht das nicht auch sondern ein Steuerungselement, wel- irgendwie ohne? Ja, es ist wichtig, und ches nicht in der Verantwortlichkeit nein, ohne eine entsprechende Datei aller liegen kann. Forschungsschwer- wird es nicht gehen. Vorausgesetzt na- punkte sind hierfür ein gutes Beispiel. türlich, dass man an einem effizienten Die meisten Hochschulen haben davon Prozess interessiert ist. Das Projekt- zu viele, das heißt, dass die knappen management hilft, viele wichtige Fra- Ressourcen in der Verteilung nur einen gestellungen im Vorfeld zu klären, geringen Effekt haben, um Forschungs- Kompetenzstreitigkeiten zu vermei- schwerpunkte, die in der Strategie be- den, die Kommunikation zwischen nannt sind, tatsächlich zu stärken. Es den Akteuren zu verbessern, Termin- werden die falschen Kompromisse ge- ziele einzuhalten und die notwendi- macht, die kurzfristig alle freuen, aber gen Ressourcen bereitzustellen. Ist der langfristig keine strategiebasierte Steu- Rahmen nicht von Beginn an richtig erung ermöglichen. Damit lähmt man gesteckt, rächt sich das später im Pro- sich unnötigerweise innerhalb der ge- zess: Entscheidungen müssen unter ringen Handlungsspielräume, die zur Zeitdruck gefällt werden und der Frust- Verfügung stehen. pegel unter den Beteiligten steigt un- nötig stark an. Der kleinste gemeinsame Nenner ist daher keine gute Ausgangslage für ei- Projektmanagement muss nicht kom- ne Strategie. Der kleinste gemeinsame pliziert sein. Die schlichteste Faustregel Nenner will nur oberflächlich betrach- lautet: Arbeitsschritte klar benennen 32 DUZ Wissenschaft & Management 09 | 2019
und bei jedem Arbeitsschritt drei Fra- tiert, stark in der Kommunikation und gen direkt beantworten: Wer entschei- im Zeitmanagement, bestens vernetzt det? Wer führt aus? Wer informiert? in der Hochschule, idealerweise eine In der Rubrik „wer entscheidet“ darf starke Führungskraft. Das ist nicht die nur eine Person stehen. Dieser Punkt Personenbeschreibung, die bei Strate- gestaltet sich meistens ein wenig tü- gieprozessen sehr oft anzutreffen ist. ckisch. Sehr häufig ist an dieser Stelle Grundsätzlich findet man die dafür ge- zu hören: „Wir entscheiden das dann eignete Person, wenn man nicht da- später zusammen, das hat bisher auch von ausgeht, dass Projektmanagement immer geklappt.“ Auf solch eine Aussa- wirklich jede oder jeder kann. ge darf man sich nicht verlassen. Denn je mehr Personen sich eine Verantwort- Fazit lichkeit teilen, desto geringer wird die Verbindlichkeit, sich dem relevanten Mit diesen fünf Tipps, ganz im Sinne Punkt/Arbeitsschritt anzunehmen. von Henry Mintzberg, kann der Prozess zu einer Forschungsstrategie gelingen: Hier kommt die wichtige Rolle der Pro- Je mehr Sie sich im Vorfeld über Fall- jektleitung ins Spiel. Sie übernimmt stricke der Strategieentwicklung be- bei der Entwicklung einer Forschungs- wusst werden und diese zu vermeiden strategie einen wichtigen Part. Um die- wissen, wird Forschungsstrategie nicht se Aufgabe meistern zu können, sollte nur eines dieser Wörter sein, das man bei der Wahl der Projektleitungen auf auf bestimmte Art und Weise definiert, folgende Eigenschaften Wert gelegt sondern das man anschließend auch werden: stressresistent, lösungsorien- genauso verwendet. // Foto: Jeshoots / Unsplash www.wissenschaft-und-management.de 33
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