"Fitness-Supplements" - Europarechtliche Grundlagen und Anforderungen - VL Europ. Agrar- und Ernährungswirtschaftsrecht - Moodle

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„Fitness-Supplements“
                             Europarechtliche Grundlagen und Anforderungen

VL Europ. Agrar- und Ernährungswirtschaftsrecht    SoSe 2021       Benjamin Wilck   02.06.2021
Marktrelevanz

               Gesamtumsatz 2019: ca. 28.200.000.000 €
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Marktrelevanz

          Umfrage von „MyProtein“ im Jahr 2019: Fokus auf Proteinsupplementierung

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Marktrelevanz/Begriff

      ●   „Fitness-Supplements“ sind im Alltag
          angekommen
      ●   Fokus auf Proteinbasierte Supplements
      ●   Gelten gem. Erwägungsgrund 6 der Richtlinie
          2002/46/EG als Nahrungsergänzungsmittel
      ●   Für einzelne Produkte lange/immer noch
          umstritten → Abgrenzung zu Arzneimitteln

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Regelungsgeschichte in der Union
      ●   Diätrahmen-RL 89/398/EWG
      ●   Richtlinie 2002/46/EG
           –   Erwägungsgrund Nr. 7:
               „Diese Richtlinie sollte zunächst spezifische Vorschriften für
               Vitamine und Mineralstoffe festlegen, die als Zutaten für
               Nahrungsergänzungsmittel verwendet werden. Auch die
               Nahrungsergänzungsmittel, zu deren Zutaten Vitamine oder
               Mineralstoffe sowie andere Zutaten zählen, sollten den
               spezifischen Vorschriften dieser Richtlinie in Bezug auf
               Vitamine und Mineralstoffe entsprechen.“
      ●   Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 über
          „angereicherte Lebensmittel“
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Regelungsgeschichte in der Union
      ●   Richtlinie 2009/39/EG
           –   „Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung
               bestimmt sind“
           –   Art. 1 Abs. 3 lit. b: „bestimmte Gruppen von
               Personen, die sich in besonderen
               physiologischen Umständen befinden und deshalb
               einen besonderen Nutzen aus der kontrollierten
               Aufnahme bestimmter in der Nahrung enthaltener
               Stoffe ziehen können“
      ●   Keine weitere Einzelrichtlinie zu „Lebensmitteln
          für intensive Muskelanstrengungen“

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Regelungsgeschichte in der Union
      ●   FSG-VO 609/2013 – gilt seit 2016
           –   Aufhebung u.a. der Richtlinie 2009/39/EG
           –   „Lebensmittel für Sportler“ sind explizit und bewusst
               nicht gelistet
           –   Für „Fitness-Supplements“ gilt somit nur allg.
               Lebensmittelrecht, bzw. Recht der
               Nahrungsergänzungsmittel, soweit Prdoukte umfasst
               sind

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Aktuelle Rechtslage
      ●   Unionsrechtlich haben seit dem 20. Juli 2016
          alle Sportlerlebensmittel denselben rechtlichen
          Status
          → soll Wettbewerb fördern und sich positiv auf
          den Preis auswirken
      ●   Hintergrund: „Sportler“ gelten nicht mehr als
          besondere Verbrauchergruppe, die eines
          besonderen Schutzes bedarf

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Aktuelle Rechtslage
      ●   Hinsichtlich Zusammensetzung:
           –   entweder Richtlinie 2002/46/EG (für
               Nahrungsergänzungsmittel) oder Verordnung (EG) Nr.
               1925/2006 (für angereicherte Lebensmittel) einschlägig
           –   P: Hinsichtlich des Zusatzes anderer Stoffe als
               Vitamine und Mineralstoffe bislang keine
               Harmonisierung der Vorschriften
               → nationale Vorschriften entscheidend

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Aktuelle Rechtslage
      ●   Hinsichtlich Lebensmittelsicherheit:
           –   Verordnung (EG) Nr. 178/2002
                 ●   gem. Art. 14 dürfen Lebensmittel die nicht sicher
                     sind, nicht in den Verkehr gebracht werden
                 ●   gem. Art. 17 obliegt es den
                     Lebensmittelunternehmen für die Einhaltung der
                     Vorschriften zu sorgen

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Aktuelle Rechtslage
      ●   Hinsichtlich Kennzeichnung und Werbung:
           –   Verordnung (EU) Nr. 1169/2011
                 ●   Bezeichnung als Sportlerlebensmittel
                 ●   Gebrauchsanleitung als verpflichtende Angabe
                     gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. j
                     → ‚Verzehr vor oder während oder nach dem Sport‘

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Aktuelle Rechtslage
      ●   Hinsichtlich Kennzeichnung und Werbung:
           –   Verordnung 1924/2006 („Health-Claims-VO“)
           –   Krankheitsbezogene Werbung verboten
                 ●   PROTEINQUELLE: Die Angabe, ein Lebensmittel sei eine
                     Proteinquelle, sowie jegliche Angabe, die für den Verbraucher
                     voraussichtlich dieselbe Bedeutung hat, ist nur zulässig, wenn
                     auf den Proteinanteil mindestens 12 % des gesamten
                     Brennwerts des Lebensmittels entfallen.
                 ●   HOHER PROTEINGEHALT: Die Angabe, ein Lebensmittel
                     habe einen hohen Proteingehalt, sowie jegliche Angabe, die
                     für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung hat,
                     ist nur zulässig, wenn auf den Proteinanteil mindestens 20 %
                     des gesamten Brennwerts des Lebensmittels entfallen

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Aktuelle Rechtslage
      ●   Hinsichtlich Kennzeichnung und Werbung:
           –   Verordnung Nr. 432/2012
                 ●   Kreatin: „... erhöht die körperliche Leistung bei
                     Schnellkrafttraining im Rahmen kurzzeitiger
                     intensiver körperlicher Betätigung“
                 ●   Proteine: „... tragen zu einer Zunahme an
                     Muskelmasse bei / ... tragen zur Erhaltung von
                     Muskelmasse bei“

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Abgrenzung zu Arzneimitteln
      ●   Art. 2 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 enthält
          gemeinschaftsrechtlichen Lebensmittelbegriff:
          „Alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von
          denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie
          in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem
          Zustand von Menschen aufgenommen werden.“
      ●   Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG enthält unionsrechtlichen
          Arzneimittelbegriff:
          Entweder „als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur
          Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt“ (sog.
          Präsentationsarzneimittel)
          oder „die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine
          pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung
          wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine
          medizinische Diagnose zu erstellen“ (sog. Funktionsarzneimittel)

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Abgrenzung zu Arzneimitteln
      ●   Warum relevant?
           –   Arzneimittel bedürfen einer Genehmigung und
               Zulassung → Lebensmittel grds. nicht
           –   Arzneimittel dürfen mit besonderen Wirkungen
               beworben werden → höhere Erlöschancen
      ●   P: unvollständige Harmonisierung und
          unterschiedlichen mitgliedstaatliche Ansichten
               → Versuch der Harmonisierung mit RL 2004/27/EG

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Abgrenzung zu Arzneimitteln
      ●   Alternativitätsverhältnis
      ●   Erwägungsgrund 7 der RL 2004/27/EG:
          „Fällt ein Produkt eindeutig unter die Definition anderer
          Produktgruppen, insbesondere von Lebensmitteln,
          Nahrungsergänzungsmitteln, Produkten der
          Medizintechnik, Bioziden oder kosmetischen Mitteln, sollte
          diese Richtlinie nicht gelten.“
      ●   Zweifelsregelung des Art. 2 Abs. 2 der RL
          2001/83/EG → Arzneimittel
           –   keine Kriterien, wann „Zweifelsfall“ vorliegt

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Abgrenzung zu Arzneimitteln
      ●   Um Grenzbereich zu klären: Sondervorschriften
           –   Auf „Fitness-Supplements“ i.d.R. nicht anwendbar
           –   Explizit geregelte Nahrungsergänzungsmittel gelten als
               Lebensmittel
                 ●   Deshalb für Proteinpulver anerkannt
           –   Ansonsten: Abgrenzung im Einzelfall
                 ●   Beispiele:
                       –   L-Carnitin: BGH U. v. 26.06.2008 – LM, wenn Wirkung nicht über
                           das hinausgeht, was mit normaler Nahrung möglich ist (im
                           Anschluss an EuGH, U. v. 15.11.2007 - C-319/05)
                       –   Kreatin: lange umstritten, durch kraftfördernde Wirkung
                           → Verordnung Nr. 432/2012 als LM anerkannt (Claims-VO für
                           körperliche Leistungsfähigkeit)
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Abgrenzung zu Arzneimitteln
      ●   EuGH, Urt. v. 15.11.2007, Rs. C-319/05
           –   Schematische Abgrenzung schwierig weil:
               → Präsentationsarzneimittel:
                 Abstellen auf dosierte Form wegen der Definition der
                 Nahrungsergänzungsmittel in Art. 2 Buchst. a)
                 NemRL nicht mehr nur für Arzneimittel spezifisch
               → Funktionsarzneimittel:
                 ●   Legaldefinition für Nahrungsergänzungsmittel in Art.
                     2 lit. a) NemRL zeigt: physiologische Wirkungen
                     nicht nur für Arzneimittel, sondern auch für
                     Lebensmittel spezifisch

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Abgrenzung zu Arzneimitteln
      ●   BVerwG Urteil vom 26.05.2009 - 3 C 5/09
          "Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen
          Gerichtshofs ist die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter die
          Definition des Arzneimittels nach der Funktion fällt, von Fall zu Fall
          zu treffen; dabei sind alle Merkmale des Erzeugnisses zu
          berücksichtigen, insbesondere seine pharmakologischen
          Eigenschaften. Das Produkt muss die physiologischen Funktionen
          nachweisbar und in nennenswerter Weise durch eine
          pharmakologische Wirkung wiederherstellen, korrigieren oder
          beeinflussen. Darin liegt das wesentliche Kriterium, auf dessen
          Grundlage, ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des
          Erzeugnisses, zu beurteilen ist, ob ein Funktionsarzneimittel vorliegt.“
          → pharmakologische Wirkung: Wirkung zwischen Substanz und
          anderen im Körper befindlichen, aber nicht körpereigenen Zellen,
          also etwa Bakterien oder Pilzen (EuGH, U. v. 06.09.2012 - C-308/11)
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Abgrenzung zu Arzneimitteln
      ●   Wie funktioniert Abgrenzung rein praktisch?
           –   Sog. „Mosaiklösung“ - Einstufung eines Produktes
               erfolgt von Fall zu Fall unter Berücksichtigung alle
               seiner Merkmale :
                 ●   Zusammensetzung (qualitativ und quantitativ)
                 ●   pharmakologische Eigenschaften (gemäß aktuellem Wissensstand)
                 ●   Modalitäten des Gebrauchs (Zweckbestimmung des Herstellers,
                     Gebrauchsanweisung, Verpackung, begleitende Informationen,
                     Internet)
                 ●   Umfang der Verbreitung (Vertriebsweg, Werbung, Presse-
                     Mitteilungen)
                 ●   Bekanntheit beim Verbraucher (u.a. allgemeine Verkehrsauffassung
                     bzw. bestehende Handelsbräuche)
                 ●   Risiken
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02.06.2021
Quellen
      ●   Streinz, in Schulze/Janssen/Kadelbach, Europarecht 4. Auflage 2020
      ●   Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Lebensmittel für Sportler v. 15.06.2016
      ●   Rathke, Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 178. EL November 2020
      ●   Müller, Die Abgrenzung der Arzneimittel von den Lebensmitteln, NVwZ 2008, 1185
      ●   Grunert, Neue Rechtsprechung: Abgrenzung zwischen Nahrungsmitteln und Arzneimitteln, LMuR 2005, 109
      ●   Groß, Neues zur Abgrenzung zwischen Lebensmittel und Arzneimittel, EuZW 2006, 172
      ●   Stelz in Streinz/Kraus, Lebensmittelrechts-Handbuch, 41. EL Juli 2020
      ●   Conte-Salinas/Konnertz-Häußler in Holle/Hüttebräuker, Health-Claims-Verordnung: HCVO, 1. Auflage 2018
      ●   Delewski: Die Entwicklung des Nahrungsergänzungsmittelrechts in den letzten Jahren, LMuR 2010, 1
      ●   https://www.fitnessmanagement.de/fitness/fitnessmarkt-europa
      ●   https://webshoprecht.de/IRModuleG/Rechtsprechung01.php#Top
      ●   https://verbraucherschutz.sachsenanhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/MS/LAV_Verbrauch
          erschutz/lebensmittelsicherheit/veranstaltungen/fobi_lmueberwachung/2016-11-
          17_P_DV_LAV_Halle_SportN___FSG.pdf

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