FOOD. CARE. LOVE. Eine feministische Perspektive auf landwirtschaftliche Produktion

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FOOD. CARE. LOVE.
Eine feministische Perspektive auf landwirtschaftliche Produktion
Ernährungssystem und Sorge

•   Grundannahme: Sorge(arbeit) als gesellschaftlich grundlegende und nachhaltige Praxis zu
    verstehen, ermöglicht es, das bestehende Ernährungssystem als Versorgungssystem zu
    betrachten, es zu überdenken und alternativen zu erkennen bzw. zu entwerfen.

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                                      Suse Brettin / FG Gender und Globalisierung / HU Berlin
Feministische Ökonomiekritik

•   „Labour of Love“

                                                                                 In: Mies, Maria/
                                                                                 Shiva, Vandana (1995)

                                                                                         3
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Sozial-ökologische Sorge(arbeit)
•   Sorgearbeit und Reproduktion
    Feministische Ökonomiekritik: Sorgearbeit als Voraussetzung für Wirtschaft (Bock/Duden 1997; Nelson/Folbre
    2000; Bauhardt 2017)  Forderung nach Anerkennung und Wertschätzung dieser Arbeit

•   Care als ethisch-politisches Konzept
    ‚Caring well‘ als politische und ökonomische Leitlinie (Tronto 2015)  Relationalität statt Autonomie

•   Sorge im ökologischen Kontext
    Praktiken der Sorge gegenüber der Umwelt (‚ecologies of meal‘ (Brückner 2020) / CSA als caring practice
    (Well/Gradwell 2001)  ecological justice and care (Gottschlich/Bellina 2017), feminist ecological citizenship (McGregor
    2006)
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Food. Care. Love.
Eine feministische Perspektive auf landwirtschaftliche Produktion

• Sorge(arbeit) politisieren und nicht romantisieren

• Vorherrschendem Produktivistischen Verständnis von Effizienzsteigerung und

 Gewinnmaximierung eine andere Werteorientierung entgegensetzen

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Food. Care. Love.
Eine feministische Perspektive auf landwirtschaftliche Produktion

•   Grundannahme: Sorge(arbeit) als gesellschaftlich grundlegende und nachhaltige Praxis zu
    verstehen, ermöglicht es, das bestehende Ernährungssystem als Versorgungssystem zu
    betrachten, es zu überdenken und alternativen zu erkennen bzw. zu entwerfen

Welche Rolle spielt Sorge(arbeit) im Kontext der landwirtschaftlichen Produktion?

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Eine feministische Perspektive auf landwirtschaftliche Produktion

• „On the most generel level, we suggest that caring be viewed as a species

 activity that includes everything that we do to maintain, continue, and repair
 our ‚world‘ so that we can live in it as well as possible. That world includes our
 bodies, our selves, and our environment, all of which we seek to interweave in
 a complex, life-sustaining way.“ (Tronto 1993)

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Eine feministische Perspektive auf landwirtschaftliche Produktion
These:

In alltäglichen Praktiken von Landwirt*innen spielt Sorgearbeit eine wichtige Rolle und Logiken der (Für)Sorge
müssen durchaus als Handlungsmotivatoren verstanden werden.

Forschungsfragen:

Wem gegenüber empfinden Landwirt*innen (Sorge)Verantwortung?

Welchen Herausforderungen begegnen Landwirt*innen bei der Ausübung dieser Verantwortung?

Wie gestaltet sich (Für)Sorge und Sorgearbeit konkret im Kontext landwirtschaftlicher Produktion?

Was motiviert sie?
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Food. Care. Love.
 Eine feministische Perspektive auf Sorgearbeit und Emotionen
 im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion
Ziel:

Die tatsächlich geleistete Sorgearbeit im Kontext der landwirtschaftlichen Produktion darstellen, diese
theoretisch zu systematisieren und zu konzeptualisieren, so dass sie gesellschaftspolitisch anerkannt und
gefördert werden kann.

Entwicklung eines integrativen Verständnisses von Landwirtschaft, in welcher ökologische Sorge- und
Schutzmaßnahmen als expliziter Teil der Produktion verstanden wird.

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    Eine feministische Perspektive auf Sorgearbeit und Emotionen
    im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion
Vorgehen:

-   Qualitative Sozialforschung (Grounded Theory) in drei Erhebungsphasen  Leitfadengestützte
    Interviews / Focus Group Discussions / … mit Landwirt*innen in verschiedenen Produktions- und
    Betriebskontexten

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Verantwortung für / Sorge um Tiere
•   I: Wenn ich mal kurz fragen darf, Sie meinten, die Strukturen, die Gebäudestrukturen sind so nicht
    nutzbar. Wieso?

•   B: Für die Tiere. Hier standen überall, hier sieht man noch Reste von Gebäuden, die waren in der
    Deckenhöhe, in der Luft, Klima einfach nicht für glückliche Tiere ausgelegt. Das sind alles 60er-, 70er-
    Jahre-Bauten gewesen und primär Schweinehaltung. Und da Rinder irgendwie zu händeln, absolut
    unmöglich. Und auch die Schweine waren da drin nicht glücklich.

•   I: Aber hätten Sie das rein gesetzlich gedurft?

•   B: Ja, durchaus.
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Gemeinwohl / soziale Einbettung des
         Betriebs
•   B: Ich bin jetzt in der Situation, das ist jetzt gerade aktuell, vor drei Tagen ein Instagram-Post, in dem wir
    die Aussaat einer mehrjährigen Bienenweide kommunizieren. Ich mache das ja nicht, weil ich es machen
    muss, sondern weil ich so was gerne mache. So wie ich hier im Ort auch schon einen Spielplatz gebaut
    habe. Das weiß aber keiner, weil ich mich damit nie schmücken will, weil ich mache das für mich, ich
    mache das für die Kinder, wenn die dann strahlen, oder das Drachenfest im Herbst, das ich mache mit
    Maschinen von mir, das kostet alles einen Haufen Kohle. Aber ich mache es, weil ich es machen will.

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Verbindung zu den eigenen Produkten
•   I: Ja. Aber das hört sich ja schon auch so an, als ob da ziemlich viel Zeit von Ihnen draufgeht, sozusagen
    die Weitergabe Ihrer Produkte auch zu timen, zu planen, zu organisieren und so. Ist das für Sie was, wo
    Sie sagen würden, das ist ein Vorteil oder ein Nachteil?

•   B: Wir arbeiten mit Tieren zusammen, mit Lebewesen und lieben alle unseren Job, den wir hier machen.
    Und wenn wir dadurch diese größtmögliche Wertschätzung für das Produkt erfahren, nein, dann ist das
    eigentlich ein Vergnügen. Dann ist das dieses Planen, diese Zettelwirtschaft, diese Bestellungen händeln,
    nein, das ist eigentlich schön, weil sollte es nicht eigentlich so sein bei solchen Produkten, die nicht
    grenzenlos verfügbar sind? Das können die doch gar nicht sein normalerweise.

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Sorge um gute Lebensmittel
•   I: Ja. Wieso ist Ihnen diese Rückmeldung so wichtig? Können Sie das noch mal/

•   B: Na ja, ich baue das ja jetzt nicht an, weil ich Spaß dran habe, sondern es sollen ja auch Leute
    damit ernährt werden. Und es soll ja nicht nur sein, dass man es so reinschaufelt, sondern, na ja,
    es soll schon ein bisschen Genuss dabei sein. Und deshalb muss die Rückmeldung einfach da sein.

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Relationalität und Beziehung als
       Motivation
•   I: Was motiviert dich, das dann trotzdem immer wieder weiter so zu machen und den Weg weiter
    so zu gehen?

•   B: Die Rückmeldung von den Leuten und dass ich weiß: Ich mache das Richtige bei den Kühen.
    Also wenn ich da bei den Kälbern bin, dann ist es echt so voll: Oh, wow. Genau, für die mache ich
    das.

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Food. Care. Love.
Eine feministische Perspektive auf Sorgearbeit und Emotionen
im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion

                        …to be continued…

                  Danke für eure Aufmerksamkeit!

                        Suse Brettin / FG Gender und Globalisierung / HU Berlin
•   Bauhardt, Christine (2017): Feministische Ökonomiekritik: Arbeit, Zeit und Geld aus einer materialistischen
    Geschlechterperspektive. In: In: Kortendiek B., Riegraf B., Sabisch K. (eds) Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung.
    Geschlecht und Gesellschaft (Vol. 65), Wiesbaden: Springer VS, S. 1-9.

•   Bock, Gisela; Duden, Barbara (1997): Arbeit aus Liebe – Liebe aus Arbeit. Zur Entstehung der Hausarbeit im Kapitalismus. In
    Frauen und Wissenschaft. Beiträge zur Sommeruniversität der Frauen im Juli 1976, Hrsg. Gruppe Berliner Dozentinnen, Berlin:
    Courage, S. 118–119.
•   Brückner, Meike (2020): Biodiversity in the Kitchen. Cooking and Caring for African Indigenous Vegetables in Kenya: A Feminist
    Approach to Food Sovereignty, München: oekom verlag.
•   Gottschlich, Daniela; Bellina, Leonie (2017): Environmental justice and care: critical emancipatory contributions to sustainability
    discourse. In: Agriculture and Human Values, 34:4, S. 941-953.
•   MacGregor, S., 2006. Beyond Mothering Earth. Ecological Citizenship and the Politics of Care. Vancouver/Toronto: UBC Press.
•   Mies, M./ Shiva, V. 1995. Ökofeminismus: Beiträge zur Praxis und Theorie. Rotpunktverlag.
•   Nelson, J./Folbre, N. (2000): For Love or Money - Or Both? In: Journal of Economic Perspectives. 100.

•   Tronto, J.C. 2015. Who Cares? How to Reshape a Democratic Politics. Cornell University Press.
•   Tronto, Joan (1993): Moral Boundaries: A Political Argument for an Ethic of Care, London: Routledge.
•   Wells, Betty & Gradwell, Shelly. (2001). Gender and resource management: Community supported agriculture as caring-practice.
    Agriculture and Human Values. 18. 107-119. 10.1023/A:1007686617087.

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