Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank-Wohin führen Null-Zinsen und quantitative Lockerung? - Weed
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Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank – Wohin führen Null-Zinsen und quantitative Lockerung? Markus Henn Referent für Finanzmärkte, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung – WEED Kontakt: markus.henn@weed-online.org 26. Februar 2018, Grüne Jugend Berlin
Woher kommen Zentralbanken? • Herausgabe von Banknoten oft ursprünglich durch viele Banken (z.B. USA im 19. Jahrhundert 5.600 Notenbanken, in Deutschland 59 im Jahr 1866, noch vier bis 1934). • Dominanz einer Notenbank, entweder da von allen Banken anerkannt oder da staatlich protegiert • Herausbildung einer „central bank“ (Walter Bagehot, „Lombard Street“, 1873) als „letzter Kreditgeber“ für Banken • Anfangs oft – teils – privat (z.B. Bank of England, „Preußische Bank“ bzw. „Reichsbank“ als Vorläufer der Bundesbank), bis heute teilprivatisiert (Schweiz, Südafrika) oder stark privat beeinflusst (USA/FED) Quelle Bild: Norbert Nagel / Txllxt TxllxT, Wikimedia Commons CC WEED, Geldpolitik der EZB, 26.2.2018 2
Die Zentralbank heute Zentralbank Staat Kredit (Zentralbankgeld) Einlage Sparer Bank Kredit (Giralgeld) Kreditnehmer Zins Staat, Unternehmen • Bank des Staates: Konten, Währungsreserven, Monopol auf Bargeldschöpfung („gesetzliches Zahlungsmittel“) • Bank der Banken: z.B. Zahlungsverkehr, Kreditgeber („letzer Instanz“), Beschränkung der Geldschöpfung u.a. über Mindesteinlage (aber umstritten, wie wirksam und wie nötig) • Einfluss auf Zins und (indirekt) Geldmenge: Geschäfte mit Banken, ggf. Anleihekäufe („quantitative Lockerung“) --> Konjunkturwirkung 3 WEED, Geldpolitik der EZB, 26.2.2018
Kernfrage: Was ist und wie frei ist eine Zentralbank? SIE IST EINE BANK: SIE IST KEINE BANK: • Kann pleite gehen • Kann (in eigener Währung) • Muss Solidität der Kreditneh- nie pleite gehen mer (Banken/Staat) beachten • Kann Banken/Staat • Ziel nur Preisstabilität unbegrenzt Kredit geben • „Keine insolvente Bank und • Ziel auch Vollbeschäftigung auch keine mit lediglich • „Eine Zentralbank ist in einer zweitrangigen Eigentumstiteln systemischen Finanzkrise […] darf dem Tresen einer die natürliche Bad Bank des Zentralbank auch nur nahe Finanzsektors.“ (Matthias Kroll, kommen.“ (Gunnar Heinsohn, „Zentralbanken und Banken“, „Die Verführung zur globalen World Future Council, 2014) Zockerei“, FAZ, 26.04.2008) 4 WEED, Geldpolitik der EZB, 26.2.2018
Wichtige Momente der letzten Jahre Sep. 2008: Mai 2010: Jun. 2014: Jan. 2015: Pleite von EZB kauft Negative EZB Apr. 2017: Lehman (erste) Einlage- beschließt Erste deutsche Brothers Staats- zinsen bei Großkauf Bank gibt Geld anleihen EZB von Anleihen für Kredite Okt. 2009: Jul. 2012: Nov. 2014: Mär. 2016: Griechenland EZB-Präsident Erste deutsche EZB-Haupt- korrigiert Draghi will „was Bank fordert refinanzierungs- Schuldenzahlen auch immer nötig Zinsen für Zins 0% ist tun“, um Euro Einlagen zu retten 5 WEED, Geldpolitik der EZB, 26.2.2018
Leitzinsen 7 Neben den Zinsen wurden 6 auch die Anforderungen an 5 die Sicherheiten der Banken 4 gesenkt 3 2 1 0 -1 EZB Einlagefazilität EZB Hauptrefinanzierung EZB Spitzenrefinanzierung FED Effective Federal Funds Rate 6 Quellen: EZB, FRED, SNB WEED, Geldpolitik der EZB, 26.2.2018
Anleihekäufe: Die neuen Zentralbank-Bilanzen (Mio.) 5000000 4500000 4000000 3500000 3000000 2500000 2000000 1500000 1000000 500000 0 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 EZB (Euro) EZB-Anteil Wertpapiere Eurozone Schweizer Nationalbank (Franken) FED (US-Dollar) 7 Quellen: EZB, FRED/FED, SNB WEED, Geldpolitik der EZB, 26.2.2018
Ist die expansive Geldpolitik der EZB richtig? (Eher) nein: • Sicherheiten fehlen bzw. zu schwach: „Die Vorstellung [ist] abwegig, eine Zentralbank könne niemals zahlungsunfähig werden.“ (Heinsohn/Steiger) • Billiges Geld fließt nicht in Investitionskredite, da Unternehmen andere Entscheidungsgründe haben, deshalb wird nur Finanzspekulation angeheizt • Blasenbildung und Verzerrungen am Finanzmarkt, da alle mit der expansiven Geldpolitik rechnen: Vorbereitung der nächsten Krise • Inflation: Geldmengenausweitung über Produktionszuwächse hinaus falsch • Nur „gekaufte Zeit“ mit Machtverschiebung zu EZB- Technokraten (Wolfgang Streeck) 8 WEED, Geldpolitik der EZB, 26.2.2018
Ist die expansive Geldpolitik der EZB richtig? (Eher) ja: • Unterscheidung insolventer und illiquider Banken ohnehin unmöglich • Krisenbekämpfung und sinnvolle Finanzierung, jedenfalls solange Arbeitslosigkeit besteht, ggf. auch Staatsfinanzierung direkt über die Zentralbank (z.B. Steinhardt bzw. „Modern Money Theory“) • Aufnahme der Spargelder nötig, u.a. da sich momentan Unternehmen nicht verschulden (z.B. Heiner Flassbeck) • Bekämpfung der (Währungs-)Spekulation (Mario Draghis Rede) • Sonst Deflation 9 WEED, Geldpolitik der EZB, 26.2.2018
Inflation (Verbraucherpreise) 26.7.12 22.1.15 5,0 Draghi-Rede Beschluss 4,0 Anleihe- 3,0 Käufe 2,0 1,0 0,0 -1,0 -2,0 Europäische Union Eurozone Deutschland Verbraucherpreis-Inflation nicht erkennbar, im Gegenteil; allerdings einige Märkte inflationär, z.B. Aktien, teils Immobilien 10 Quelle: Eurostat WEED, Geldpolitik der EZB, 26.2.2018
Langfristige Zinsen von Staatsanleihen 35 22.1.15 Beschluss Anleihe-Käufe 30 26.7.12 Draghi-Rede 25 20 15 10 5 0 -5 EU Eurozone Deutschland Frankreich Italien UK Griechenland Spanien 11 Quelle: Eurostat WEED, Geldpolitik der EZB, 26.2.2018
Wirtschaftswachstum (zu Marktpreisen) 8 26.7.12 22.1.15 Beschluss Draghi-Rede Anleihe-Käufe 6 4 2 0 -2 -4 -6 -8 -10 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 EU Eurozone Deutschland Griechenland Griechenland Spanien Frankreich Italien Polen UK 12 Quelle: Eurostat WEED, Geldpolitik der EZB, 26.2.2018
Niedrigzinsen: Gewinner und Verlierer Gewinner: • Staaten: Deutschland sparte laut Bundesbank seit 2007 290 Mrd. Euro wegen Niedrigzinsen; Schulden werden weginflationiert • Finanzmärkte: „Die Maßnahmen der Zentralbanken waren für die Wall Street tatsächlich weitaus nützlicher als für die Realwirtschaft“, Mohamed A. El-Erian; aber Kreditgeber verlieren: konträre Effekte • Hauseigentümer/innen und Kreditnehmer/innen (z.B. Hausbau) Unklar: • Unternehmen (teils, Effekt unklar wegen Preis-Verzerrung) Verlierer: • Sparer/innen: Garantiezinsen für neue Lebensversicherungen tendieren gegen Null (aber was hätten sie, wenn alles zusammenbricht?) • Mieter/innen: Steigende Immobilienpreise (unklar, wie sehr) 13 WEED, Geldpolitik der EZB, 26.2.2018
Anleihekäufe: Probleme mit Unternehmensanleihen • (Oft ökologisch zweifelhafte) Großkonzerne • Risiko von Pleitefirmen (z.B. Bilanzskandal beim Möbelhändler Steinhoff) 14 Quelle Grafik: Corporate Europe Observatory WEED, Geldpolitik der EZB, 26.2.2018
Unsicherheit beim Ausstieg aus expansiver Geldpolitik „Wir wissen derzeit nicht, wie sich der Ausstieg der Notenbanken aus ihrer expansiven Geldpolitik auswirkt, denn so etwas gab es noch nie zuvor. Die US-Notenbank hat das schon bewältigt, nun kommen aber noch die EZB und die Bank of Japan hinzu. Wenn erst mal wirklich alle drei aufgehört haben die Finanzmärkte mit Geld zu fluten, könnte das ungeahnte Folgen haben, mit deutlichen Schwankungen am Aktienmarkt. Es könnte dann zu einer schlagartigen Flucht vieler Investoren kommen.“ Joachim Fels, Chef-Volkswirt von PIMCO (Allianz), größter Anleihefonds der Welt, Interview mit DIE WELT, 5.2.2018 „Die westlichen Gesellschaften haben in der jüngsten Vergangenheit eine historisch beispiellose Wette auf die Zentralbankpolitik abgeschlossen.“ Mohamed A. El-Erian, Aufstieg und Fall der Zentralbanken 15 WEED, Geldpolitik der EZB, 26.2.2018
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung World Economy, Ecology & Development Kontakt: markus.henn@weed-online.org www.weed-online.org
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