Fördermodelle für die regenerative Stromerzeugung in der EU - ein Überblick

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Fördermodelle für die regenerative Stromerzeugung in der EU - ein Überblick
ZUKUNFTSFRAGEN
  ENERGIEMARKT EUROPA

Fördermodelle für die regenerative Stromerzeugung in
der EU – ein Überblick
Michael Häder

Welche Schritte sind zu unternehmen, um innerhalb der Europäischen Union zu einem Förderrahmen für die erneuerbaren
Energien (EE) zu gelangen, der die wesentlichen Kriterien – Erreichung der Ausbauziele, Kosteneffizienz des EE-Ausbaus,
Marktintegration der EE-Stromerzeugung und Binnenmarktkompatibilität – erfüllt? Bedarf es dazu eines EU-weit voll har-
monisierten Förderregimes und damit einer Abkehr von dem bisherigen, subsidiär angelegten Politikansatz? Oder schälen
sich im „Wettbewerb der Fördersysteme“ die besten Regelungen zur Förderung der regenerativen Stromerzeugung von selbst
heraus und führen auf diese Weise zu einer zunehmenden Konvergenz der nationalen Förderregime? In diesem Fall würden
sich die „best practices“ der Förderung zunehmend als Förderstandard in den Mitgliedstaaten durchsetzen und im Idealfall
einen zentralisierten Politikansatz vollständig erübrigen. Im Folgenden werden die nationalen Förderregime vor diesem
Hintergrund im Überblick dargestellt.

Im Fokus der Untersuchung steht dabei die
Frage, ob sich im Laufe des letzten Jahr-
zehnts die Fördersysteme in den Mitglied-
staaten tatsächlich einander angenähert ha-
ben und sich bestimmte Regelungen als sog.
„best practices“ identifizieren lassen. In die
Analyse gehen nur solche Förderregelungen
ein, die gesetzlich verabschiedet wurden
und tatsächlich implementiert sind. Dabei
sind alle Entwicklungen bis Ende 2013 be-
rücksichtigt.

Richtlinie definiert rechtsver-
bindliche nationale Ziele

Mit der Richtlinie von 2009 hat die Euro-
päische Union erstmals rechtsverbindliche
nationale Ziele für den EE-Ausbau formu-
liert, die von den Mitgliedstaaten bis 2020
erreicht werden sollen. In Summe sollen die
nationalen Anstrengungen dazu führen, den
EE-Anteil am Endenergieverbrauch in der                 Auf dem Weg zur Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes für EE-Strom bleibt noch viel zu
                                                        tun                                                          Foto: alphaspirit | Fotolia.com
EU von 8,5 % im Jahr 2005 auf 20 % in 2020
zu steigern. Die verpflichtenden EE-Ziele für
das Jahr 2020 reichen dabei von 10 % für        Anteil am Endenergieverbrauch etwa 20,6 %            gliedstaaten haben ihre selbstgesetzten na-
Malta bis hin zu 49 % für Schweden.             betragen. Dabei streben die Mitgliedstaaten          tionalen Zwischenziele nicht erreicht [1].
                                                vor allem einen EE-Ausbau im Stromsektor
Die Richtlinie schreibt den Mitgliedstaaten     an, wo der regenerative Anteil am Strom-             Für den Sektor Strom, in dem die nationalen
nicht vor, in welchen Sektoren oder mithilfe    verbrauch von knapp 20 % (2010) auf 34 %             Ausbaupläne am weitesten gehen, haben so-
welcher EE-Technologien die jeweiligen natio-   (2020) zunehmen soll.                                gar 15 Mitgliedstaaten ihre selbstgesteckten
nalen Ziele erreicht werden sollen. Vielmehr                                                         Zwischenziele nicht erreicht. Dabei nehmen
war es Aufgabe der Mitgliedstaaten, eigene      Ein erster Fortschrittsbericht zur Umset-            die Zwischenzielvorgaben der EU in den
EE-Ausbaustrategien zu erarbeiten und diese     zung der nationalen Aktionspläne für den             nächsten Jahren erheblich an Steilheit zu [2].
2010 der Europäischen Kommission in sog.        EE-Ausbau – den die Europäische Kom-
„nationalen Aktionsplänen für erneuerbare       mission der Richtlinie folgend alle zwei             Die Europäische Kommission stellt fest, dass
Energien“ (NREAP) vorzulegen.                   Jahre vorlegt – zeigte ein gemischtes Bild           bei Fortschreibung des EE-Wachstumspfa-
                                                des EE-Ausbaus: Zwar wurde das EU-weite              des der Jahre 2009/2010 11 Mitgliedstaaten
Auf Basis dieser Aktionspläne würde das         Zwischenziel für 2011/12 von 10,7 % um               ihre nationalen Ausbauziele für 2020 ver-
EE-Ausbauziel für 2020 erreicht und der EE-     2 %-Punkte übertroffen, aber sieben Mit-              fehlen würden [3]. Ihre Projektionen lassen

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ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                               ENERGIEMARKT EUROPA
                                                                                                            ZUKUNFTSFRAGEN

erwarten, dass ohne weitere Maßnahmen            und damit als ein Hemmnis auf dem Weg zu         nachdem, für welche Zeiträume die Prämie
die von den Mitgliedstaaten geplanten Aus-       einem einheitlichen Energiebinnenmarkt.          angepasst wird (z. B. jährlich, monatlich,
bauziele in 2020 etwa für den Stromsektor                                                         stündlich), für den Anlagenbetreiber weitge-
um mehr als ein Viertel verfehlt werden [4].     Preis- und mengenorientierte                     hend ausgeschlossen.
                                                 Fördermodelle
Ausbau der Erneuerbaren                                                                           Mengenorientierte Fördermodelle setzen
in der Diskussion                                Als Ansatzpunkte für die Regenerativen-För-      nicht am Preis der Förderung an, sondern
                                                 derung bieten sich grundsätzlich preisorien-     fixieren die zu fördernde EE-Strommenge
Vor diesem Hintergrund wird eine Reihe           tierte und mengenorientierte Fördermodelle       oder –kapazität. Diesbezüglich sind Ten-
von Ansatzpunkten administrativer, rechtli-      an. Bei den preisorientierten Förderformen       derverfahren (TEN) und Quoten-/Zertifi-
cher und finanzieller Art zur Verbesserung        können wiederum Einspeisevergütungssys-          katssysteme (QZS) zu unterscheiden. Beim
des Regenerativen-Ausbaus diskutiert. Im         teme (EVS) und Einspeiseprämiensysteme           Tenderverfahren wird der Zubau bestimm-
Strombereich sind dies insbesondere die Be-      (EPS) unterschieden werden. EVS zeichnen         ter EE-Kapazitäten wettbewerblich ausge-
seitigung von administrativen Hemmnissen         sich dadurch aus, dass EE-Anlagenbetreiber       schrieben und auktioniert. Die potenziellen
bei Planungs- und Genehmigungsverfahren          für jede in das Netz gelieferte kWh Strom        Investoren werden in der Reihenfolge der
von EE-Anlagen, der Ausbau des Stromnet-         einen ex ante festgelegten Erlös erhalten.       günstigsten Gebote bezuschlagt.
zes, Modalitäten der Netznutzung und der
Zuordnung von Netzkosten sowie die wei-          Diese Vergütungen sind i. d. R. für einen        Basis für die abzugebenden Gebote können
tere Entwicklung der Förderregelungen für        langfristigen Zeitraum oder eine bestimmte       je nach Ausgestaltung des Tenders Investi-
die regenerative Stromerzeugung.                 Produktionsmenge garantiert und können           tionszuschüsse sein oder auch Einspeise-
                                                 je nach Entwicklungsstand der Technologie        vergütungen oder -prämien, die für einen
Die subsidiär ausgerichtete Erneuerbare-         (und weiteren Parametern, wie Größe der          bestimmten Zeitraum gezahlt werden. Die
Energien-Politik in der EU hat hier zu ei-       Anlage, Auslastungsgrad, Brennstofftyp) in        Höhe der Förderung ergibt sich somit im
ner sehr fragmentierten Förderlandschaft         unterschiedlicher Höhe festgelegt sein. Ver-     Wettbewerb der Bieter um die knappe Zu-
geführt. Aktuell existieren in der Europä-       bunden mit einem prioritären Netzzugang          baukapazität. Je nachdem, welche Förde-
ischen Union mehr unterschiedliche För-          entheben sie einen EE-Anlagenbetreiber           rung erfolgt, sind die bezuschlagten EE-
derregelungen als es Mitgliedstaaten gibt.       jeglichen Preis- und Absatzrisikos. Als Un-      Anlagenbetreiber einem unterschiedlichen
Nicht nur haben die 28 Mitgliedstaaten ei-       sicherheiten verbleiben bei ihm allein Be-       Ausmaß an Marktrisiken ausgesetzt.
gene Förderregelungen implementiert. In-         triebs- und Brennstoff-/Witterungsrisiken.
nerhalb mancher Staaten (z. B. in Belgien)                                                        Bei QZS werden Produzenten oder Lieferan-
existieren zudem regional differenzierte          Bei Förderung durch Einspeiseprämien er-         ten von Strom verpflichtet, einen bestimm-
Förderrahmen.                                    halten Anlagenbetreiber einen Zuschlag auf       ten und im Zeitablauf steigenden Anteil
                                                 den am Markt herrschenden Strompreis.            ihrer Stromproduktion/-lieferung aus rege-
Aus ökonomischer Sicht ist dieser „Flicken-      Die Prämie kann einen festen Betrag je kWh       nerativer Produktion zu decken. EE-Anlagen-
teppich“ an Förderregelungen zu kritisie-        umfassen oder variabel ausgestaltet sein.        betreiber erhalten für ihre Stromproduktion
ren. National unterschiedliche Fördersyste-      Wie bei EVS erhalten Anlagenbetreiber die        Zertifikate und können diese an die Quoten-
me können bspw. dazu führen, dass Anlagen        Prämie garantiert für einen längerfristigen      verpflichteten verkaufen. Die Zertifikatzutei-
nicht dort gebaut werden, wo sie die besten      Zeitraum und/oder eine bestimmte Produk-         lung kann für jegliche EE-Stromproduktion
Standortbedingungen, sondern die besten          tionsmenge. Ebenso können die Prämienzah-        gleich sein oder aber technologiespezifisch
Förderbedingungen vorfinden. Volkswirt-           lungen technologiespezifisch ausdifferen-          differenziert erfolgen. Die EE-Anlagenbe-
schaftlich entstehen damit aber erhebliche       ziert sein.                                      treiber vermarkten ihren Strom selbst und
Ineffizienzen, die durch einen EU-weit abge-                                                        sind sämtlichen Marktrisiken ausgesetzt.
stimmten Förderansatz tendenziell vermie-        Im Unterschied zum EVS übernimmt beim            Ihre Erlöse erzielen sie aus dem Verkauf der
den werden könnten. Auch ist die Binnen-         EPS der EE-Anlagenbetreiber aber bestimm-        Elektrizität am Strommarkt sowie der Zerti-
marktkonformität national ausgerichteter         te Marktrisiken. Da er nun für die Vermark-      fikate am Zertifikatmarkt. Beide Erlöskom-
Fördersysteme zunehmend zweifelhaft.             tung des von ihm produzierten Stroms selbst      ponenten sind variabel und unterliegen dem
                                                 verantwortlich ist, trägt er das Prognoserisi-   Spiel von Angebot und Nachfrage. Allerdings
Der Anteil regenerativer Stromerzeugung          ko. Bei Fixprämien-Modellen entfällt auf ihn     kann etwa durch Mindestpreise das Preisri-
am Stromverbrauch in der EU hat sich von         zudem das volle Marktpreisrisiko, das aller-     siko auf dem Strom- wie Zertifikatmarkt be-
2001 bis 2010 von 14 % auf fast 20 % erhöht      dings durch die Einführung von Zuschlägen        grenzt werden.
[5]. Damit hat der Regenerativen-Sektor          bei Unterschreiten bestimmter Marktpreise
längst den Nischenbereich verlassen. Ein         begrenzt werden kann. Bei variablen Prämi-       Neben den o. g. vier Fördersystemen werden
Ausschluss von EE-Anbietern aus dem EU-          ensystemen, die darauf angelegt sind, den        auch noch Investitionszuschüsse, Finanzie-
Ausland von nationalen Förderungen er-           Gesamterlös aus Marktpreis plus Prämie           rungshilfen (wie zinsvergünstigte Kredite)
scheint zunehmend als eine wettbewerbsver-       auf eine ex ante garantierte Vergütung an-       sowie steuerliche Vergünstigungen zur Un-
zerrende Bevorteilung heimischer Anbieter        zuheben, wird dieses Marktpreisrisiko je         terstützung des EE-Ausbaus in der EU ein-

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gesetzt. Diese Instrumente werden jedoch                    Hinsichtlich des Verfahrens zur Festlegung                  Quoten-/Zertifikatsysteme
nur als ergänzende Hilfen verwendet. Als                    der Fördersätze für Neuanlagen hat sich bis-                auf dem Rückzug?
Hauptinstrumente fungieren in sämtlichen                    her kein Standard herauskristallisiert: wäh-
28 Mitgliedstaaten allein EVS, EPS, TEN                     rend in sieben Systemen Degressionssätze                    QZS finden derzeit in sieben Mitgliedstaa-
und/oder QZS.                                               und/oder Anpassungen an die Inflation ge-                    ten als Hauptförderinstrument für die re-
                                                            setzlich fixiert sind, findet in acht weiteren                generative Stromerzeugung Anwendung.
Preisorientierte                                            Modellen eine jährliche Neufestlegung der                   Allerdings scheint ihr Zenit überschritten:
Fördermodelle überwiegen                                    Vergütungen statt. In den restlichen Model-                 in Italien ist das 2002 eingeführte QZS-Mo-
                                                            len sind Anpassungen bei Bedarf vorgese-                    dell inzwischen durch ein EVS/EPS-Modell
In der Europäischen Union dominiert der                     hen. Eine zunehmende Anzahl der preisori-                   abgelöst worden [7]. Das britische Quoten-
Einsatz preisorientierter Fördermodelle.                    entierten Fördersysteme enthält Regelungen                  modell schließt zum 31.3.2017; Anlagen, die
Derzeit werden sie in 24 der 28 Mitgliedstaa-               zur Begrenzung der EE-Förderung. In sieben                  danach ans Netz gehen, werden nach einem
ten eingesetzt. Nur vier Staaten (Belgien,                  Systemen gibt es technologiespezifische Aus-                 neuen, preisorientierten Modell gefördert.
Polen, Rumänien und Schweden) verzichten                    baudeckel, in vier weiteren sind jährliche                  Das lettische Fördersystem, das neben ei-
vollständig auf ihren Einsatz und setzen                    oder Gesamtbudgets für die Förderung von                    nem EVS auch Elemente eines QZS enthält,
mit dem QZS allein auf eine mengenorien-                    Neuanlagen fixiert, bei deren Überschrei-                    ist aufgrund von Korruptionsverdacht bis
tierte Förderung. In vielen Mitgliedstaaten                 tung keine weitere Förderung erfolgt.                       Ende 2015 außer Kraft gesetzt.
werden mehrere der vier Hauptinstrumen-
te gleichzeitig angewendet. So haben fünf                   Während EVS anscheinend an Attraktivität                    Von den „aktiven“ QZS wird nur das britische
Staaten – darunter Deutschland – sowohl                     verlieren, befindet sich die Anwendung von                   Modell in Kombination mit einem preisorien-
ein EVS als auch ein EPS implementiert.                     EPS auf dem Vormarsch. Aktuell setzen neun                  tierten Förderinstrument betrieben. Dort wer-
Sieben Länder nutzen bei der Vergabe von                    Mitgliedstaaten auf den Einsatz von Prämien                 den Anlagen bis 50 kW ausschließlich durch
preisorientierten Förderungen das Modell                    für die EE-Förderung. In fünf Ländern erfolgt               ein EVS gefördert. Anlagen bis 5 MW können
der wettbewerblichen Ausschreibung; drei                    eine kombinierte Anwendung von EPS und                      zwischen EVS und QZS wählen, während
weitere setzen neben dem QZS zudem auf                      EVS. Die EE-Anlagenbetreiber können hier zwi-               darüberliegende Kapazitäten durch das QZS
eine EVS/EPS-Förderung.                                     schen einem Einspeisevergütungs- und Prämi-                 gefördert werden. Demgegenüber werden in
                                                            enmodell wählen, wie dies etwa in Deutschland               Schweden, Polen, Rumänien und Belgien rein
Aus der Tabelle ist zu ersehen, wie häufig                   und Spanien (bis zur Beendigung des Systems                 mengenorientierte Modelle eingesetzt.
die vier Hauptförderinstrumente in den EU-                  in 2013) der Fall ist. In Italien, Tschechien und
Staaten eingesetzt werden. Bei den preisori-                Slowenien ist die Wahl allerdings auf kleinere              Gemein ist allen QZS, dass die Quotenvor-
entierten Förderansätzen überwiegt die Ver-                 EE-Anlagen begrenzt. Größeren Anlagen steht                 gaben längerfristig fixiert sind. Allerdings
wendung von Einspeisevergütungsmodellen.                    dort nur das EPS-Modell offen [6].                           sind in einigen Ländern kurzfristige Quo-
Allerdings ist ihr Einsatz rückläufig. Setzten                                                                           tenreduzierungen bei Zertifikatsknappheit
2010 noch 23 EU-Staaten auf Einspeisevergü-                 In vier weiteren Ländern (Dänemark, Est-                    (Rumänien) oder Quotenerhöhungen bei
tungen, so sind es aktuell nur noch 20 Län-                 land, Finnland und den Niederlanden) wird                   starkem EE-Ausbau (UK) möglich.
der. Sämtliche EVS zeichnen sich dadurch                    den EE-Anlagenbetreibern allein die Förde-
aus, dass sie nach Technologie und Anlagen-                 rung durch Prämien offeriert. Hinsichtlich                   Zwei Länder (Belgien und Rumänien) sehen
größe differenzierte Einspeisevergütungen                    der Frage der Ausgestaltung der Prämien als                 Mindestpreise für Zertifikate vor, zwei ande-
vorsehen. In etwa der Hälfte der Systeme                    fixe oder variable Zuschläge hat sich bisher                 re Systeme (Polen und Schweden) kennen
wird auch bei der garantierten Förderdau-                   kein Standard herausgebildet. So verwenden                  hingegen keinerlei preisstützende Rege-
er nach Technologien differenziert, in der                   vier Staaten fixe Prämienmodelle (Däne-                      lungen. Auch in der Frage einer technolo-
anderen Hälfte hingegen sind einheitliche                   mark, Estland, Slowenien und Tschechien),                   giespezifischen Differenzierung der Zertifi-
Förderdauern vorgesehen. Als Förderdauern                   während in den anderen fünf Ländern varia-                  katvergabe bildet sich keine Konvergenz der
sind meist Zeiträume von 15 oder 20 Jahren                  ble Prämien gezahlt werden, die als Differenz                Systeme heraus: während in drei Ländern
fixiert. Darüber hinausgehende oder weit                     zwischen technologiespezifischem Zielpreis                   Formen des „Banding“ erfolgen (UK, Belgi-
kürzere Förderzeiten bilden die Ausnahme.                   und dem Marktpreis ermittelt werden.                        en (Flandern) und Rumänien), werden in Po-
                                                                                                                        len und Schweden für jede MWh EE-Strom
 Tab.: Entwicklung des Einsatzes der Hauptförderinstrumente in den                                                      gleich viele Zertifikate ausgegeben.
 EU-Staaten
                                     2000                  2005                  2010                  2013             Wettbewerbliche
 EVS                                    7                    16                    23                    20             Ausschreibungen nehmen zu
 EPS                                    -                    4                     7                     9
 TEN                                    2                    2                     6                     7              Wettbewerbliche Ausschreibungsverfahren
 QZS                                    1                    6                     6                     7              werden inzwischen in sieben EU-Staaten
 Quelle: Eigene Fortschreibung von Kitzing et al.: Renewable energy policies in Europe: Converging or diverging? In:    angewendet. Als Standard haben sich dabei
 Energy Policy, Vol. 51 (2012), S. 196.
                                                                                                                        Gebotsverfahren etabliert, bei denen erfolg-

   10                                                                                                         ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 5
Fördermodelle für die regenerative Stromerzeugung in der EU - ein Überblick
ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                                  ENERGIEMARKT EUROPA
                                                                                                               ZUKUNFTSFRAGEN

reiche Bieter einen Zuschlag auf eine garan-     ser Entwicklung dürfte die Notwendigkeit       Schließlich nutzen die Mitgliedstaaten die
tierte preisorientierte Förderung erhalten.      sein, die Marktintegration der steigenden      von der EU eingeräumten Kooperationsmög-
In drei Ländern (Dänemark, Italien und           EE-Anteile an der gesamten Stromversor-        lichkeiten zur Erreichung ihrer nationalen
Niederlande) ist dies eine variable Prämie,      gung voranzutreiben.                           EE-Ausbauziele nur sehr rudimentär. Ein-
in drei weiteren (Frankreich, Lettland und       Q Eine zunehmende Anzahl von Staa-             ziges Beispiel für die Etablierung grenz-
Litauen) eine Einspeisevergütung. Allein in      ten verwendet bei der Vergabe einer preis-     überschreitender, gemeinsamer Förderre-
Slowenien ist ein Investitionszuschuss Basis     orientierten Förderung wettbewerbliche         gelungen ist die Implementierung eines
der Ausschreibung. In der Regel geben die        Ausschreibungen. Daneben hat die Hälfte        gemeinsamen Quotensystems mit handel-
potenziellen Investoren Preisgebote ab, die      der Mitgliedstaaten mit preisorientierten      baren EE-Zertifikaten zwischen Schweden
in aufsteigender Reihenfolge bis zur ausge-      Förderinstrumenten allgemeine oder tech-       und Norwegen im Jahr 2012. Kooperationen
schriebenen Kapazität bezuschlagt werden.        nologiespezifische Caps fixiert, die einen       zwischen Ländern mit preisorientierten För-
                                                 kapazitären oder budgetären Deckel für die     dermodellen zur Etablierung gemeinsamer
Eine Ausnahme bildet das niederländische         Förderung definieren.                           Fördermechanismen zeichnen sich bisher
Modell: Hier werden Zuschläge in sechs se-       Q Die Länder, die mit QZS arbeiten, neh-       nicht ab. Auf dem Weg zur Schaffung eines
quenziellen Vergaberunden erteilt, wobei die     men ab. Unter den Staaten, die weiterhin auf   einheitlichen Binnenmarktes für EE-Strom
fixierten technologiespezifischen Prämien          dieses Instrument setzen, vertraut die große   bleibt also noch viel zu tun.
von Vergaberunde zu Vergaberunde zuneh-          Mehrzahl auf eine reine Mengensteuerung
men. Die Zuschlagserteilung erfolgt nach         (Belgien, Polen, Rumänien und Schweden).       Anmerkungen
dem „first come – first served“-Prinzip bis        Q Die weit überwiegende Zahl der Mit-
zum Erreichen des Gesamtfördervolumens.          gliedstaaten finanziert die EE-Förderung        [1] Dies sind Malta, Zypern, die Niederlande, Öster-
                                                 über Umlagen auf den Stromverbraucher.         reich, Polen, Frankreich und Litauen.
Tenderverfahren finden vor allem bei der          Nur in zwei Ländern erfolgt die Finanzie-      [2] So mussten die Mitgliedstaaten bis 2011/12 nur
Förderung größerer Anlagen Anwendung.            rung i. W. aus dem öffentlichen Budget          20 % des verpflichtenden nationalen Zubauziels für
So konzentriert sich das italienische Modell     (Finnland und Niederlande).                    2020 erreichen. In den folgenden 2-Jahres-Schritten
auf Anlagen mit einer Mindestleistung von                                                       sind 30 % (2013/2014), 45 % (2015/16), 65 % (2017/18)
5 MW, das dänische Ausschreibungsver-            Noch erhebliche Heraus-                        und schließlich 100 % (2020) vorgegeben.
fahren ist auf die offshore-Windkraft fokus-      forderungen zu erwarten                        [3] Vgl. Europäische Kommission: Fortschrittsbericht
siert. In einigen Ländern nehmen neben den                                                      Erneuerbare Energien COM(2013) 175 final, Brüssel
großen Kapazitäten aber auch kleinere An-        Trotz dieser Entwicklungen bestehen wei-       27.3.2013.
lagen an dem Wettbewerbsverfahren teil; in       terhin erhebliche Herausforderungen, um        [4] Vgl. European Commission: Renewable Energy Pro-
Litauen Anlagen mit einer Leistung >30 kW,       zu einem Förderrahmen zu gelangen, der         gress Report. Commission Staff Working Document.
in Frankreich PV-Anlagen ab 100 kW und in        die angestrebten Ziele sicher, kosteneffizi-     Accompanying the Document. COM(2013) 175 final,
den Niederlanden ab 15 kW.                       ent, binnenmarktkonform und bei vollstän-      Brüssel 27.3.2013.
                                                 diger Marktintegration der regenerativen       [5] Vgl. Eurostat: Statistik der Erneuerbaren Energien,
Konvergenz in Ansätzen                           Energien zu erreichen vermag. Wenn in          19.9.2013 [http://epp.eurostat.ec.europa.eu/statistics_
                                                 14 EU-Staaten sämtliche (oder Teile der)       explained/index.php/Renewable_energy_statistics/de;
Betrachtet man die Entwicklung der nationa-      EE-Anbieter mit Preis- und Prognoserisiken     Download: 17.1.2014].
len EE-Fördersysteme in der Gesamtschau,         konfrontiert werden, so bedeutet dies auch,    [6] Für Anlagen >100 kW ist in Tschechien jedoch ein
so lassen sich einige Trends beobachten, die     dass in der anderen Hälfte der Mitglied-       Förderstopp verfügt werden. Sie erhalten nur noch
eine zumindest partielle Annäherung der          staaten EE-Anbieter weiterhin ihre Anlagen     dann eine EPS-Förderung, wenn sie vor dem 2.10.2013
Förderregeln erkennen lassen:                    nach dem Grundsatz des „produce and for-       eine Lizenz erhalten haben und bis Ende 2015 in Be-
                                                 get“ betreiben können.                         trieb gehen.
Q Preisorientierte Förderregeln haben an                                                        [7] Alte Anlagen erhalten zwar noch für einen Zeitraum
Dominanz gewonnen. Einspeisevergütungs-          Auch unter Effizienzgesichtspunkten sind         von 15 Jahren für ihre EE-Produktion Zertifikate zuge-
systeme scheinen dabei insbesondere bei          die nationalen Förderregelungen weit von       teilt. Neuen Anlagen steht dieses System aber nicht
der Förderung kleiner Anlagen das Instru-        einer Konvergenz entfernt. So unterschei-      mehr offen.
ment der Wahl zu sein. Auch einige Länder,       den sich die Förderhöhen für die verschie-     [8] So wurden im Oktober 2013 für kleine PV-Auf-
die mit QZS arbeiten, haben diese im Be-         denen EE-Technologien in den einzelnen         dachanlagen in Italien bis zu 21,8ct/kWh gezahlt (für
reich der Förderung kleiner Kapazitäten um       Staaten z. T. erheblich. Für neue Wind-        20 Jahre), während in Slowenien 12,257 ct/kWh (für
EVS ergänzt (UK und Italien).                    kraftanlagen (>1 MW) etwa werden derzeit       15 Jahre) garantiert wurden.
Q Neben den EVS (oder auch an deren              Einspeisevergütungen von 6,3 ct/kWh für
Stelle) etablieren sich mehr und mehr Ein-       12 Jahre (Bulgarien) bis hin zu über 13 ct/
speiseprämiensysteme. So machen inzwi-           kWh für 20 Jahre (Italien und Zypern) ga-
schen neun von 24 Mitgliedstaaten, die mit       rantiert. Für PV-Aufdachanlagen liegen die     Prof. Dr. M. Häder, Institut für Energie- und
preisorientierten Fördermodellen arbeiten,       Vergütungssätze ebenfalls in einer Spanne      Wasserwirtschaft, Hochschule Bochum
von einem EPS Gebrauch. Hintergrund die-         von fast 100 % auseinander [8].                michael.haeder@hs-bochum.de

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 5                                                                                       11
Fördermodelle für die regenerative Stromerzeugung in der EU - ein Überblick
ZUKUNFTSFRAGEN
  ENERGIEMARKT EUROPA

Europäische Kooperation bei der Förderung
erneuerbarer Energien: Wie geht es nach 2020 weiter?
Michaela Unteutsch und Dietmar Lindenberger

Aufgrund von unterschiedlichen meteorologischen Standortbedingungen in Europa kann eine Kooperation zwischen den
europäischen Mitgliedstaaten die Kosten zur Erreichung von Ausbauzielen erneuerbarer Energien signifikant senken. Den-
noch wollen die meisten Mitgliedstaaten die 2020er-Ziele weitestgehend ohne die Nutzung von Kooperationsmechanismen
umsetzen. Vor diesem Hintergrund wird zunächst anhand einer modellbasierten quantitativen Analyse untersucht, welche
Auswirkungen ein Festhalten an den nationalen Ausbaustrategien im Zeitraum 2020-2030 hätte. Zudem zeigen die Autoren
auf, welche Hemmnisse bezüglich der Nutzung von Kooperationsmechanismen bestehen und welche beseitigt werden müss-
ten, um die Kosteneinsparungspotenziale von Kooperationsmechanismen zu nutzen.

Der Anteil erneuerbarer Energien am eu-
ropäischen Stromverbrauch betrug im Jahr
2010 19,9 %. Bis 2020 soll dieser Anteil
auf 34 % steigen. Der Beitrag der einzelnen
Mitgliedstaaten zur Erreichung dieses Ziels
wurde in der Direktive 2009/28/EC der Eu-
ropäischen Kommission, unter anderem auf
Basis des Bruttoinlandsprodukts und den
bisherigen Anstrengungen der Mitgliedstaa-
ten beim Ausbau erneuerbarer Energien,
festgelegt [1]. Die Direktive beinhaltet sog.
Kooperationsmechanismen, die eine kosten-
günstige Erreichung der nationalen Ziele
erlauben sollen.

Bislang machen allerdings kaum Mitglied-
staaten von dieser Möglichkeit Gebrauch,
um ihre 2020er-Ziele zu erreichen. Wie es
danach weitergeht ist noch unklar – sowohl
in Bezug auf Kooperationsmechanismen als
auch in Bezug auf die Förderung erneuerba-
rer Energien im Allgemeinen. Während ein-
zelne Mitgliedstaaten, wie bspw. Deutsch-
land, langfristige Ausbauziele bis 2050                 Trotz der erheblichen Kosteneinsparungen für Erneuerbare durch Kooperationsmechanismen in der
                                                        EU herrscht bisher nur geringes Interesse an ihrer Nutzung    Foto: DragonImages | Fotolia.com
verfolgen, gibt es auf europäischer Ebene
nach 2020 keine Ziele für den Ausbau er-
neuerbarer Energien.                            tiv durch eine Fortführung von nationalen            volllaststunden, deutlich zwischen den euro-
                                                Zielen erreicht würde?                               päischen Regionen. Dies schlägt sich unmit-
Vor diesem Hintergrund wird die Frage           Q Inwieweit hängt der Vorteil einer eu-              telbar in den jeweiligen Erzeugungskosten
untersucht, welche Rolle Staaten-übergrei-      ropäischen Kooperation vom Ausbau der                nieder. Strom aus Windkraft ist entlang der
fende Kooperation bei der Förderung erneu-      Grenzkuppelstellen ab? Aus welchen Grün-             europäischen Küstenlinien kostengünstig,
erbarer Energien in einem Zeitraum nach         den werden Kooperationsmechanismen bis-              Solarstrom im Süden billiger.
2020 spielen könnte. Eine ausführliche, wis-    lang kaum genutzt?
senschaftliche Darstellung der Analyse ist                                                           Kooperationen zwischen den europäischen
in [2] veröffentlicht. Im Detail wurden drei     Fortschreibung nationaler                            Mitgliedstaaten können dazu beitragen,
Hauptfragen bearbeitet:                         Ziele ohne europäische                               dass unabhängig von der Höhe der nationa-
                                                Kooperation ist teuer                                len Ziele erneuerbare Energien vermehrt an
Q Welche Kosten würden durch ein Er-                                                                 den Standorten zugebaut werden, wo dies
neuerbare-Energien-Ziel für 2030 entste-        Wie die Abbildung zeigt, variieren die Ver-          zu geringen Kosten möglich ist. Mitglied-
hen, wenn es entweder durch die Nutzung         fügbarkeiten von Sonnen- und Windenergie,            staaten mit vergleichsweise hohen Zielen
der besten Standorte in Europa oder alterna-    hier gemessen durch die jeweiligen Jahres-           und relativ hohen Stromgestehungskosten

   12                                                                                    ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 5
ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                                         ENERGIEMARKT EUROPA
                                                                                                                      ZUKUNFTSFRAGEN

können durch Kooperationsmechanismen
auch Standorte außerhalb der nationalen
Grenzen, beispielsweise mit hohen Wind-
geschwindigkeiten oder einer hohen So-
lareinstrahlung, mitnutzen, um ihr Ziel zu
erreichen. Mitgliedstaaten mit vergleichs-
weise niedrigen Ausbauzielen und güns-
tigen Standorten können im Gegenzug
durch Kooperation zusätzliche Einnahmen
erzielen. Wie ebenfalls in der Abbildung
ersichtlich, hat sich der bisherige Zubau
erneuerbarer Energien an den nationalen
Förderpolitiken und nicht an europaweiten
Standortvorteilen orientiert.

In einer Szenarienanalyse, die mit dem DI-
MENSION-Strommarktoptimierungsmodell
des Energiewirtschaftlichen Instituts an
der Universität zu Köln (EWI) durchgeführt        Abb.     Photovoltaik-Volllaststunden bei optimaler Neigung (Performance Ratio Q=75 %) sowie installierte
wurde, haben wir die Kosteneinsparungsef-                  Photovoltaik-Kapazitäten im Jahr 2011 [MW] (linke Grafik); Volllaststunden für 3 MW-Onshore-Wind-
                                                           kraftwerke sowie installierte Windkraft-Kapazitäten im Jahr 2011 [MW] (rechte Grafik)
fekte europaweiter Kooperation bei drei ver-                                                        Quelle: EWI (basierend auf Eurowind, EWEA, EurObserv’ER)
schiedenen angenommenen Fortführungen
nationaler Ziele für erneuerbare Energien
bis 2030 untersucht:                             und Speichertechnologien in einem inte-                  zum Referenzfall der rein nationalen Ziel-
                                                 grierten Ansatz optimiert, berücksichtigt                erfüllung günstigere Standorte und ein
Q Die nationalen 2030er-Ziele für erneu-         die optimale europaweite Standortwahl                    günstigerer Technologiemix genutzt wer-
erbare Energien im Stromsektor belaufen          der Erneuerbaren bereits die Auswirkun-                  den können. Standorte mit hohen Wind-
sich auf 55 % in allen Ländern.                  gen unterschiedlicher regionaler Zubauten                geschwindigkeiten oder hoher Sonnenein-
Q Die 2020er-Ziele werden entsprechend           auf den konventionellen Kraftwerkspark                   strahlung liegen oftmals jedoch relativ weit
des angestrebten Zuwachses zwischen 2010         (Stichwort: Integrationskosten). Werden                  von den großen Lastzentren entfernt. Daher
und 2020 bis 2030 fortgeschrieben.               dagegen Kooperationsmöglichkeiten nicht                  stellt sich die Frage, inwieweit die Vorteile
Q Das 2030er-Ziel liegt in jedem Land 20         genutzt und die nationalen Ziele allein                  von europäischer Kooperation davon abhän-
Prozentpunkte über dem nationalen Ziel für       durch Stromerzeugung aus erneuerbaren                    gig sind, dass die grenzüberschreitenden
2020.                                            Energien innerhalb der einzelnen Länder                  Stromleitungen zwischen den europäischen
                                                 erreicht, so steigen die durch das Ziel für              Ländern ausgebaut werden.
Sämtliche Fortschreibungen führen zu ei-         erneuerbare Energien verursachten Zusatz-
nem europaweiten Ziel für erneuerbare            kosten deutlich an: statt, je nach Zielfort-             Die oben ausgewiesenen Kooperations-
Energien von ca. 55 % in 2030. Bei allen         schreibung, Zusatzkosten von 68, 79 oder                 gewinne von 54-73 Mrd. € bzw. 41-45 %
handelt es sich um rein fiktive Szenarien,        93 Mrd. €2010 (kumuliert von 2021-2030                   beziehen sich auf den Fall, dass alle Aus-
die allerdings eine große Bandbreite von         und diskontiert mit 5 % auf das Basisjahr                bauten von Grenzkuppelstellen, die im Ten-
möglichen europäischen Zielsystemen für          2020) gegenüber einem reinen CO2-Ziel                    Year-Network-Development-Plan (TYNDP)
erneuerbare Energien bis 2030 abdecken.          belaufen sich die Zusatzkosten ohne Ko-                  geplant sind, auch umgesetzt werden. In
                                                 operation auf 125, 133 oder 166 Mrd. €2010.              diesem Fall werden im Kooperationsfall
In allen Szenarien wurde angenommen,             Durch Kooperation können die Zusatzkos-                  gute Windstandorte in der Nordseeregion
dass bis 2030 ein CO2-Minderungsziel von         ten des unterstellten Ziels für erneuerbare              (insbesondere in den Niederlanden, Irland,
40 % gegenüber 1990 erreicht wird. Wird          Energien gegenüber einem reinen CO2-Ziel                 Norwegen, Dänemark) und gute Solarstand-
zusätzlich ein europäisches Ziel für erneu-      also um 54-73 Mrd. €2010 bzw. um 41-45 %                 orte auf der Iberischen Halbinsel stärker
erbare Energien implementiert, so steigen        gesenkt werden.                                          genutzt als bei rein nationaler Zielerrei-
die Stromsystemkosten in Europa im Zeit-                                                                  chung. In einer Sensitivitätsrechnung wird
raum 2020 bis 2030 dadurch um 5-7 %,             Kooperationsgewinne                                      angenommen, dass Grenzkuppelstellen
wenn dieses Ziel durch die Nutzung der eu-       weitgehend unabhängig vom                                gegenüber heute nicht weiter ausgebaut
ropaweit günstigsten Standorte (also durch       Ausbau der Grenzkuppelstellen                            werden. In diesem Fall können die Wind-
eine vollständige Kooperation aller Länder)                                                               standorte in Nordeuropa nur in geringerem
erreicht wird. Da das DIMENSION-Modell           Kooperationsgewinne, definiert als (Sys-                  Ausmaß genutzt werden. Die im Koopera-
den Zubau und Einsatz von erneuerbaren           tem-) Kosteneinsparungen durch Koopera-                  tionsfall zusätzliche solar-basierte Strom-
Energien, konventionellen Kraftwerken            tion, entstehen dadurch, dass im Vergleich               erzeugung beispielsweise in Spanien wird

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 5                                                                                               13
ZUKUNFTSFRAGEN
  ENERGIEMARKT EUROPA

dagegen kaum davon beeinflusst, ob Grenz-        von Kooperationsmechanismen im Wege             Quellen
kuppelstellen ausgebaut werden oder nicht.      stehen, analysiert. Auch dort wird als eine
Der Grund hierfür ist, dass die gegenüber       Hauptherausforderung die Verteilung von         [1] Der Beitrag der einzelnen Mitgliedstaaten zum Er-
dem Fall der nationalen Zielerreichung hö-      (direkten und indirekten) Kosten und Nut-       neuerbare-Energien-Ziel am Primärenergieverbrauch
here Erzeugung von erneuerbaren Energi-         zen von Kooperationsmechanismen heraus-         wurde in der europäischen Direktive 2009/28/EC fest-
en hauptsächlich heimische konventionelle       gestellt, die häufig kaum zu quantifizieren       gelegt. Den Anteil, den der Stromsektor dabei leisten
Erzeugung ersetzt und nicht unbedingt ex-       sind. Indirekte Kosten beziehen sich bei-       soll, haben die Mitgliedstaaten in ihren Nationalen Ak-
portiert werden muss.                           spielsweise auf (Netz-) Integrationskosten      tionsplänen fixiert.
                                                oder den Einfluss der erneuerbaren Ener-         [2] Unteutsch, M. und Lindenberger, D.: Promotion of
Insgesamt zeigen die Sensitivitätsrechnun-      gien auf die Landschaft. Indirekte Nutzen       electricity from renewable energy in Europe post 2020
gen, dass Kooperationsgewinne auch ohne         können dagegen lokale wirtschaftliche Vor-      – the economic benefits of cooperation. Zeitschrift für
einen weiteren Ausbau der Grenzkuppel-          teile sein. In [7] werden zudem spezifische      Energiewirtschaft 2014. Im Druck.
stellen in einer beachtlichen Größenordnung     Herausforderungen diskutiert, die mit der       [3] Fürsch, M.; Hagspiel, S.; Jägemann, C.; Nagl, S.; Lin-
von 47-62 Mrd. € bzw. 36-37 % liegen. Dies      Einführung unterschiedlicher Kooperati-         denberger, D.; Tröster, E.: The role of grid extensions
heißt nicht, dass ein Ausbau der Grenzkup-      onsmechanismen (statistische Transfers,         in a cost-efficient transformation of the European elec-
pelstellen (und des weiteren Netzes) nicht      gemeinsame Projekte oder gemeinsame             tricity system until 2050. Applied Energy, 104 (2013):
wichtig sei und einen geringen Einfluss auf      Fördersysteme) einhergehen. Bei einem           642-652.
die Stromsystemkosten hätte. Im Gegenteil:      gemeinsamen Fördersystem besteht die            [4] Beurskens, L.; Hekkenberg, M.; Vethman, P.: Renew-
Eine stärkere Vernetzung der europäischen       Schwierigkeit naturgemäß in der Notwen-         able Energy Projections as Published in the National
Strommärkte führt dazu, dass sowohl im          digkeit, sich auf eben dieses zu einigen.       Renewable Energy Action Plans of the European Mem-
erneuerbaren als auch im konventionellen        Gemeinsame Projekte können dagegen              ber States. Technical Report. ECN 2013.
Stromerzeugungsbereich günstigere Optio-        hohe Transaktionskosten beinhalten, ins-        [5] Del Río, P.: A European-wide harmonized tradable
nen nutzbar werden und dass zudem überre-       besondere, wenn es sich um relativ kleine       green certificate for renewable electricity: is it really so
gionale Ausgleichseffekte zwischen Angebot       Projekte handelt.                               beneficial? Energy Policy 33 (2005): 1239-1250.
und Nachfrage verstärkt werden können [3].                                                      [6] Klessmann, C.; Lamers, P.; Ragwitz, M.; Resch, G.:
Sowohl mit als auch ohne einen Ausbau der       Im November 2013 hat die Europäische            Design Options for cooperation mechanisms under the
Grenzkuppelstellen führt eine europäische       Kommission ihre Leitlinien für die Nutzung      new European renewable energy directive. Energy Poli-
Kooperation im Bereich der Förderung er-        von Kooperationsmechanismen für erneu-          cy 38 (2010): 4679-4691.
neuerbarer Energien zu Kosteneinsparun-         erbare Energien veröffentlicht [8]. Darin        [7] Pade, L.-L.; Jacobsen, H.; Nielsen, L. S.: Cost-efficient
gen in ähnlicher Größenordnung.                 werden prozedurale Fragen bezüglich der         and sustainable deployment of renewable energy sour-
                                                Umsetzung von Kooperationsmechanismen           ces towards the 20 % target by 2020, and beyond. As-
Schritte zu vermehrter                          geklärt und verschiedene Design-Optionen        sessment of Cooperation Mechanism options. Technical
Kooperation                                     für die einzelnen Mechanismen beschrie-         Report. RES4less Project (2012).
                                                ben. Zudem werden indirekte Kosten und          [8]   EC:   Commission      Staff    Working     Document
Trotz der erheblichen Kosteneinsparungen,       Nutzen von Kooperation dargestellt – wobei      „Guidance on the use of renewable energy cooperation
die durch Kooperation erzielbar sind, lässt     die Richtlinie feststellt, dass eine Quantifi-   mechanisms“, accompanying the document „Delivering
sich bislang nur ein geringes Interesse an      zierung schwierig ist.                          the internal electricity market and making the most of
der Nutzung von Kooperationsmechanis-                                                           public intervention“ (SWD(2013) 440 final). Technical
men verzeichnen. Einer der wenigen Fäl-         Hohe Kosteneinspareffekte                        Report. European Commission 2013.
le ist das gemeinsame Quotensystem von
Schweden und Norwegen.                          Zusammenfassend lässt sich festhalten,          Dipl.-Volkw. M. Unteutsch (geb. Fürsch),
                                                dass durch Kooperation bei der Förderung        Wissenschaftliche Mitarbeiterin, PD Dr. D.
In ihren Nationalen Aktionsplänen [4] ha-       erneuerbarer Energien hohe Kosteneinspa-        Lindenberger, Direktor für Anwendungsfor-
ben die einzelnen Mitgliedstaaten beschrie-     rungseffekte realisiert werden können. Ob        schung und Mitglied der Geschäftsleitung,
ben, welche Herausforderungen sie bei der       ein europäisches 2030er-Ziel für erneuerba-     Energiewirtschaftliches Institut an der Uni-
Umsetzung von Kooperationsmechanismen           re Energien beschlossen wird oder nicht, ist    versität zu Köln (EWI)
sehen. Diese beziehen sich zum einen auf        unklar. Unabhängig davon können die Län-        michaela.unteutsch@ewi.uni-koeln.de
die tatsächliche prozedurale Umsetzung der      der, die langfristige nationale Ausbauziele
Mechanismen und zum anderen vor allem           verfolgen (wie beispielsweise Deutschland),
auf Verteilungseffekte, also beispielsweise      durch bi- oder multilaterale Zusammen-
auf die Frage, wer für die Integrationskosten   arbeit mit anderen Ländern diese Ziele zu
von erneuerbaren Energien aufkommt.             geringeren Kosten erreichen. Das Beispiel
                                                des schwedisch-norwegischen Fördersys-
In verschiedenen Studien, beispielsweise        tems zeigt, dass sich die damit verbundenen
[5], [6] und [7], wurden mögliche Hinder-       Herausforderungen durch gemeinsame An-
nisse, die einer verstärkten Umsetzung          strengungen überwinden lassen.

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ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                         ENERGIEMARKT EUROPA
                                                                                                      ZUKUNFTSFRAGEN

   Know-how
   braucht Erfahrung

       s u b is h i H it a chi Power
   Mit
        s te m s   E u ro pe GmbH
    S y                     llschaft der
                        gegese
        ist die Nachfol
                       er Europe GmbH
           Hitachi Pow                                     Intelligente Lösungen zur Stromerzeugung
                                                           Mitsubishi Hitachi Power Systems Europe liefert moderne und wirtschaftliche
                                                           Produkte. Wir bauen und erneuern Kraftwerke. Wir kümmern uns um
                                                           vorausschauenden Service. Unsere grünen Technologien, etwa zur Energie-
                                                           speicherung oder im Bereich Biomasse, sind weitere Beispiele für Innovation
                                                           und Zuverlässigkeit. Intelligente Lösungen zur Stromerzeugung benötigen
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ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 5                                                                          15
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ZUKUNFTSFRAGEN
   INTERVIEW

„Höchste Zeit für die EU, ein energiepolitisches
Gesamtbild zu entwickeln“
Schwierige Bedingungen auf dem deutschen Energiemarkt haben zu einer Debatte und Versuchen einer Neuausrichtung
der Energiewende geführt. In der Europäischen Union hingegen sind Weichenstellungen über die zukünftige Energie- und
Klimapolitik nicht zuletzt wegen der schwierigen politischen Entwicklung in der Ukraine verschoben worden. Ergebnis ist ein
weiter bestehender Flickenteppich der Fördersysteme für Erneuerbare und eine in weiter Ferne stehende Einigung über die
künftige Energie- und Klimapolitik in der EU. Eine Überarbeitung des deutschen Fördersystems für erneuerbare Energien ist
zwar gerade im Entstehen – darin werden europäische Mindesterfordernisse eingehalten. Dennoch verbleibt man dem alten
Denken in nationalen Bahnen verhaftet. Dabei ließen sich bei einem konsequent europäisch konzipierten System Synergien
in Milliarden Euro Höhe erschließen. Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität
zu Köln (EWI) zeigt im „et“-Interview Wege für mehr Synergien und Gemeinsamkeit in der Energie- und Klimapolitik auf.

„et“: 2010 untersuchte das EWI mögliche Effizienz-   der Szenariorechnung möglich gewesen, wenn           lich darauf, dass die entsprechenden Fördermaß-
gewinne bei einer Harmonisierung der Fördersys-    zusätzlich auch noch die jeweils kostengünstigs-     nahmen national ausgestaltet und zudem auf lan-
teme für erneuerbare Energien in Europa und bei    ten Technologien zum Einsatz kommen würden.          deseigene Standorte beschränkt werden dürfen.
einer Konzentration auf die EU-weit kostengüns-    Im Rahmen einer neuen Forschungsarbeit an            Solche Argumente haben also in der Regel eher
tigsten Standorte und Technologien. Was war der    unserem Institut wurden inzwischen hypothe-          etwas mit nationaler Verteilungspolitik als mit
Hintergrund dieser Studie?                         tisch auch die Folgen von Ineffizienzen für den        europäischem Klimaschutz zu tun, sich aber bis-
                                                   Zeitraum 2020 bis 2030 untersucht. Hier wird ein     lang – vor allem in der Erneuerbaren-Richtlinie
Bettzüge: Im Vorfeld der Erneuerbare-Energien-     Sparpotenzial in hoher zweistelliger Milliardenhö-   des Jahres 2009 – durchgesetzt. Es wird interes-
Richtlinie 2009 wurde intensiv darüber disku-      he ausgewiesen.                                      sant sein, zu sehen, ob und wie lange diese Posi-
tiert, ob die Förderung der Erneuerbaren europa-                                                        tion europarechtlich und europapolitisch Bestand
weit harmonisiert oder von jedem Mitgliedstaat     Auf der Suche nach einer                             haben kann und wird.
mit separaten Mechanismen gesteuert werden         gemeinsamen Strategie
sollte. Im Auftrag eines größeren Konsortiums                                                           „et“: Es fehlt also eine EU-weite Energiestrategie?
aus Verbänden, Unternehmen und der öffentli-        „et“: Das sind beeindruckende Beträge. Woher
chen Hand hat unser Team damals die finanziel-      rührt denn der Dissens unter den EU-Staaten, der     Bettzüge: Eindeutig ja, und das ist ein sehr grund-
len Folgen berechnet, die eine Harmonisierung      eine Harmonisierung verhindert?                      sätzliches Problem. Die EU hat sich in den letzten
für die Jahre 2010-2020 haben würde.                                                                    Jahren sehr stark und einseitig vom Klimaschutz
                                                   Bettzüge: Einerseits gibt es einen Dissens darü-     und den Interessen der erneuerbaren Energien
„et“: Welche Synergien würden sich durch einen     ber, ob es überhaupt eine spezifische Förderung       treiben lassen. Die Folgen der mangelnden Be-
europäisch koordinierten Ausbau erneuerbarer       erneuerbarer Energien geben soll. Einige Staaten     rücksichtigung der fundamentalen Zielkonflikte
Energien ergeben?                                  sind – nicht ganz zu Unrecht – der Meinung, dass     zu den beiden anderen Dimensionen des ener-
                                                   die Förderung der Erneuerbaren mit Klimaschutz-      giepolitischen Trilemmas – Wirtschaftlichkeit
Bettzüge: Bezogen auf die konkreten Festle-        argumenten allein nicht begründet werden kön-        und Versorgungssicherheit – werden zunehmend
gungen in der Richtlinie 2009 und die damals       ne. Um ein vorgegebenes CO2-Ziel zu erreichen,       deutlich. Zudem stellt sich heraus, dass viele der
getroffenen Annahmen ergäbe sich ein Synergie-      würde das Europäische Emissionshandelssystem         damals von der Politik getroffenen Annahmen,
potenzial von mehr als 100 Mrd. €, wenn optima-    (ETS) ausreichen. Die Befürworter einer zusätzli-    beispielsweise zur Entwicklung der globalen
le Standorte in Europa genutzt werden würden.      chen Förderung der erneuerbaren Energien, allen      Energiepreise, zu den möglichen Ergebnissen der
Weitere rund 60 Mrd. € Kostensenkung wäre laut     voran Deutschland, bestehen andererseits zusätz-     Klimaschutzverhandlungen oder zu den industrie-

                                 „Die EU hat sich in den letzten Jahren sehr stark und einseitig vom Klimaschutz und den Interessen der
                                 erneuerbaren Energien treiben lassen. Die Folgen der mangelnden Berücksichtigung der fundamentalen
                                 Zielkonflikte zu den beiden anderen Dimensionen des energiepolitischen Trilemmas – Wirtschaftlichkeit
                                 und Versorgungssicherheit – werden zunehmend deutlich. Zudem stellt sich heraus, dass viele der damals
                                 von der Politik getroffenen Annahmen, beispielsweise zur Entwicklung der globalen Energiepreise, zu
                                 den möglichen Ergebnissen der Klimaschutzverhandlungen oder zu den industriepolitischen Effekten der
                                 Erneuerbaren-Förderung, sehr einseitig waren und sich letztlich als nicht korrekt herausgestellt haben.
                                 Auch die geopolitischen Entwicklungen rund um das Schiefergas und die Krise in der Ukraine zeigen
                                 dieses Manko gerade sehr deutlich auf. Daher wird es höchste Zeit für die EU, ein energiepolitisches Ge-
                                 samtbild zu entwickeln.“

                                 Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge, geschäftsführender Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts an der
                                 Universität zu Köln (EWI)

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ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                                                  INTERVIEW
                                                                                                                       ZUKUNFTSFRAGEN

politischen Effekten der Erneuerbaren-Förderung,       die Subvention von inzwischen rund 20 Mrd. €          gäbe oder wenn die staatlichen Eingriffe sich
sehr einseitig waren und sich letztlich als nicht     aus dem allgemeinen Steueraufkommen beglei-           nur noch auf das CO2-Handelssystem beschrän-
korrekt herausgestellt haben. Auch die geopoli-       chen, wäre das eine erhebliche Belastung für          ken würden. Doch aus politischen Gründen
tischen Entwicklungen rund um das Schiefergas         den Staatshaushalt. Und die Gesellschaft würde        wird weiterhin der Ausbau der Erneuerbaren an
und die Krise in der Ukraine zeigen dieses Manko      transparent darüber diskutieren, welche Priori-       deutschen Standorten forciert – Stichworte sind
gerade sehr deutlich auf. Daher wird es höchste       tät die Finanzierung der erneuerbaren Energien        hier beispielsweise „Energie in Bürgerhand“ oder
Zeit für die EU, ein energiepolitisches Gesamtbild    gegenüber anderen gesellschaftlichen Zielen wie       „ländliche Strukturpolitik“. Eine solchermaßen
zu entwickeln. Eine gemeinsame Energiestrategie       beispielsweise Bildung, Entwicklungshilfe oder        ausgerichtete deutsche Politik braucht zwingend
ist eine große Chance für Europa, und sie wür-        Sicherheit haben soll. Aus der Umlagefinanzie-         den nationalen Alleingang jenseits der Prinzipien
de unsere weltweite Verhandlungsposition – in         rung resultiert daher auch ein gewaltiges Umver-      des Binnenmarkts.
den Klimaschutzverhandlungen wie auch in all-         teilungsproblem.
gemeinen Energiefragen – in erheblichem Maße                                                                „et“: Wie kompatibel ist das deutsche EEG mit dem
stärken.                                              „et“: Das ebenfalls ignoriert wird?                   EU-Recht?

„et“: Wie könnte dieses Gesamtbild aussehen?          Bettzüge: Interessanterweise selbst von den So-       Bettzüge: Die gesamte Erneuerbaren-Förderung
                                                      zialdemokraten, obwohl es vor allem mit ande-         in der EU ist eine technologiespezifische Beihilfe.
Bettzüge: Allgemein formuliert: nach außen eine       ren Parteien in Verbindung gebrachte Schichten        Diese Beihilfe ist allerdings kompatibel mit dem
kohärente und konsistente Klimaschutz-, Partner-      sind, die von der Umverteilung in besonderem          EU-Recht, da sich die Europäische Union ein ge-
schafts- und Diversifikationsstrategie, nach innen     Maße profitieren. Doch weil Strom für die meis-        meinsames Ziel für den Anteil der erneuerbaren
die konsequente Stärkung des Binnenmarkts und         ten Verbraucher nur ein „low interest“-Produkt        Energien im Jahr 2020 gesetzt hat und somit ein
der europäischen Koordination bei gleichzeitiger      ist, beklagten sich hörbar bislang nur die ener-      gemeinsames Interesse aller Mitgliedstaaten an
Rückführung nationaler Eingriffe auf solche Be-        gieintensiven Industrien. Ergebnis: Diesen Unter-     einer solchen Förderung besteht. Mindestens bis
reiche, die die Wirkweise des Binnenmarkts nicht      nehmen gewährt der Staat spezielle Konditionen.       zum Jahr 2020 bleibt eine Erneuerbaren-Förde-
beeinträchtigen. Im Speziellen liegen hier natur-     Wichtig für das Verständnis der langen politi-        rung also im Grundsatz möglich. In der konkre-
gemäß vielfältige und komplexe Einzelfragen,          schen Lebensdauer des EEG ist übrigens auch die       ten Ausgestaltung liegen dann aber weitere bei-
insbesondere auch zu Übergangsregeln und Zwi-         Tatsache, dass die Umlage bundesweit ermittelt        hilferechtliche Fragen, beispielsweise bezüglich
schenlösungen. Für das in Deutschland besonders       wird – und nicht für jedes einzelne Bundesland.       der Möglichkeiten, eine Umlagefinanzierung zu
bedeutsame Thema, die Erneuerbaren-Förderung          In diesem sozialisierenden System haben alle          nutzen, die bestimmte Verbrauchergruppen ganz
an deutschen Standorten, sehe ich jedoch in ei-       Bundesländer ein Interesse daran, dass mög-           oder teilweise auslässt. Oder auch bezüglich der
nem solchen Gesamtbild kaum einen sinnvollen          lichst viele Anlagen zur Erzeugung von Strom          Frage, ob eine Förderung davon abhängig ge-
Platz. Egal, welche übergreifende Energiestrategie    aus erneuerbaren Energien auf ihrem Gebiet            macht werden darf, dass sich der jeweilige Stand-
für Europa formuliert wird: Mir fehlt die Fantasie,   gebaut werden. Deswegen fällt es auch dem Bun-        ort der Anlage auf dem Territorium des Mitglied-
wie man darin eine dauerhafte nationalstaatliche      desrat so schwer, dieses System zu verändern.         staats befindet. Die erstgenannte Frage wird in
und standortspezifische Subvention für erneuer-        Kurz: Die Art der Finanzierung der Erneuerba-         den neuen Beihilferichtlinien der EU-Kommission
bare Energien rechtfertigen will.                     ren-Förderung über eine „Strom-Sondersteuer“          eine prominente Rolle spielen, die zweitgenann-
                                                      ist politisch sehr bequem, woraus auch klar wird,     te Frage wird derzeit vor dem Europäischen Ge-
„et“: Dennoch hält gerade die deutsche Politik un-    warum gerade die deutsche Politik eine europäi-       richtshof verhandelt.
beirrt an der nationalen Förderung fest. Weshalb?     sche Harmonisierung verhindert.
                                                                                                            „et“: Der in Deutschland gesetzlich geregelte
Bettzüge: Das stimmt, und das ist einer der wich-     „et“: Obwohl bilaterale Mechanismen Potenzial         Einspeisevorrang für Strom aus erneuerbaren
tigsten Gründe, warum die EU so weit davon            hätten?                                               Energien beeinflusst auch die Großhandelspreise
entfernt ist, eine gemeinsame Energiepolitik zu                                                             der Nachbarländer. Wie schätzen Sie solche Wech-
entwickeln. Für den deutschen Fall gibt es mehre-     Bettzüge: Selbstverständlich! Und auch mit unse-      selwirkungen durch einzelstaatliche Maßnahmen
re Gründe, warum diese Form der Erneuerbaren-         ren unmittelbaren Nachbarn: Zum Beispiel gibt es      ein?
Förderung bei uns über die letzten 15 Jahre so        in Frankreich oder Polen sehr gute Windstandor-
stabil war. Meines Erachtens liegt das vor allem      te, die Deutschland bei einer länderübergreifen-      Bettzüge: Sie sind teilweise bereits sehr rele-
an der besonderen Form der Umlagefinanzierung.         den Zusammenarbeit sinnvoll nutzen könnte. Es         vant, insbesondere in Kontinentaleuropa, wo es
Die Politiker bestellen die erneuerbaren Energien     finden hierzu zwar immer wieder Gespräche auf          vergleichsweise geringe Netzengpässe an den
und verwirklichen damit bestimmte politische          Regierungsebene statt, doch im Kern sind keine        Grenzen der Mitgliedstaaten gibt. Wir haben
Agenden, aber sie bezahlen die entstehenden           Fortschritte zu verzeichnen. Das ist – verteilungs-   2013 in einer Studie für den Bundesverband der
Mehrkosten nicht aus dem Staatshaushalt, son-         politisch betrachtet – auch wenig überraschend.       Deutschen Industrie (BDI) beispielsweise gezeigt,
dern über eine Umlage auf die Stromverbraucher.       Alle Studien – auch eine aktuelle EWI-Studie, die     dass von den derzeit im Bau befindlichen und
Das ist ein wichtiger Punkt, der von der deut-        auf unserer Webseite zu finden ist – zeigen, dass      den noch geplanten Wind- und Solarzubauten in
schen Öffentlichkeit nach wie vor viel zu wenig        deutsche Erneuerbaren-Standorte wohl kaum im          Deutschland bei Wind mehr als 30 % und bei Pho-
problematisiert wird, und der auch verfassungs-       Geld sein würden, wenn es in der EU ein harmo-        tovoltaik mehr als 40 % nur noch dafür sorgen,
rechtlich sehr fraglich ist. Denn: müsste der Staat   nisiertes Fördersystem für erneuerbare Energien       den deutschen Nettoexportsaldo zu erhöhen.

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 5                                                                                               17
ZUKUNFTSFRAGEN
   INTERVIEW

 „Ich glaube, dass der Binnenmarkt und die wirtschaftliche Integration – ähnlich übrigens wie die gemeinsame Währung – für einen
 faktischen Konvergenzzwang sorgen, der zwar langsam, aber stetig wirkt. Zudem wächst die Erkenntnis, dass Europa seine Stellung
 in der Welt nur aufrechterhalten kann, wenn wir immer stärker kooperieren. Auf der anderen Seite gewinnen nationale Tendenzen
 und Selbstvergewisserungen derzeit wieder Oberwasser, nicht zuletzt auch in der ‚Berliner Republik‘, die ja Gefahr läuft, das relative
 Wiedererstarken Deutschlands innerhalb der EU überzubewerten und gleichzeitig die Veränderung der globalen Kräfteverhältnisse zu
 wenig ernst zu nehmen. Die gegenläufigen Strömungen ‚Europäisierung‘ und ‚Renationalisierung‘ sorgen für erhebliche Spannungen und
 Verunsicherungen der Märkte und der Bürger. Das sehen wir beim Euro und wahrscheinlich auch bei den Wahlen zum EU-Parlament.
 Langfristig ist zu hoffen, dass die europäische Vernunft sich gegen nationale Romantizismen und Partikularinteressen durchsetzen
 wird, auch und gerade im Feld der Energiepolitik.“

 Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge, geschäftsführender Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI)

Abschied von der einheitlichen                       „et“: Wieso das?                                       Bettzüge: Das wichtigste wären Realitätssinn
Preiszone in Deutschland                                                                                    und ein umfassender Blick. Aus der Erkenntnis
                                                     Bettzüge: Der wesentliche Punkt ist, dass keine        der Entwicklung auf den globalen Märkten, den
„et“: Für den Erhalt eines konventionellen Back-     Transparenz darüber besteht, was süddeutscher          globalen Klimaschutzverhandlungen und den glo-
up-Systems zur Gewährleistung der Versorgungs-       Strom wert ist. Wir haben einen deutlichen             balen Technologien muss eine vernünftige euro-
sicherheit stehen zurzeit diverse Mechanismen        Netzengpass, was in der einheitlichen Preiszo-         päische Energiestrategie abgeleitet und umgesetzt
in der Diskussion. Wie ist Ihre Haltung zu diesem    ne bedeutet, dass zum ermittelten Preis und bei        werden. Im Gegenzug müssten nationale vertei-
Thema?                                               den gegebenen Übertragungskapazitäten zu viel          lungspolitische Interessen aus der Energiepolitik
                                                     Strom im Norden und zu wenig Strom im Süden            herausgedrängt und in die dafür eigentlich zu-
Bettzüge: Die gesamte Debatte zu Kapazitätsme-       erzeugt werden würde. Dieser Netzengpass wird          ständigen Politikfelder zurückverlagert werden.
chanismen ist sehr komplex. Grundsätzlich halte      in den kommenden Jahren noch größer werden,
ich den bestehenden Markt für leistungsfähig         weil bis zum Jahr 2022 weitere Kernkraftwerke in       „et“: Sehen Sie Tendenzen, dass Europa dereinst
und die derzeit vorgebrachten Argumente für          Süddeutschland vom Netz genommen werden, für           eine gemeinsame Energiestrategie angeht?
fundamentale Änderungen für wenig stichhal-          die es – im derzeit überversorgten Markt der ein-
tig. Zudem beobachte ich aktuell eine erhebli-       heitlichen Preiszone – wohl keine wirtschaftlich       Bettzüge: Ich glaube, dass der Binnenmarkt
che Überkapazität im kontinentaleuropäischen         zu finanzierenden Ersatzkraftwerke im selben            und die wirtschaftliche Integration – ähnlich üb-
Kraftwerkspark. Und ob es jenseits von 2020          Umfang geben wird. Stattdessen sollen vor allem        rigens wie die gemeinsame Währung – für einen
tatsächlich weitere Mechanismen braucht, erfor-      Leitungen gebaut werden. Aber solange diese Lei-       faktischen Konvergenzzwang sorgen, der zwar
dert mehr empirische Evidenz, die bislang nicht      tungen noch nicht da sind, ist süddeutscher Strom      langsam, aber stetig wirkt. Zudem wächst die Er-
vorliegt. Deshalb sehe ich keinen Bedarf für ra-     in einer zunehmenden Zahl von Engpassstunden           kenntnis, dass Europa seine Stellung in der Welt
sche Änderungen und Schnellschüsse, sondern          ein anderes Gut als norddeutscher Strom. Er soll-      nur aufrechterhalten kann, wenn wir immer stär-
plädiere dafür, den im Einzelnen vielleicht erfor-   te also einen anderen Preis haben.                     ker kooperieren. Auf der anderen Seite gewinnen
derlichen Änderungsbedarf – beispielsweise bei                                                              nationale Tendenzen und Selbstvergewisserungen
den Intraday- und Reservemärkten – sorgfältig        Das würde einerseits die richtigen Anreize für         derzeit wieder Oberwasser, nicht zuletzt auch in
zu prüfen. Eine andere drängende Frage ist, wie      den Bau neuer Kraftwerke im Süden setzen, und          der „Berliner Republik“, die ja Gefahr läuft, das
in den nächsten Jahren die Versorgungssicher-        andererseits die Stromverbraucher im Süden             relative Wiedererstarken Deutschlands innerhalb
heit in Süddeutschland aufrechterhalten werden       Deutschlands dazu anleiten, ihre Nachfrage auf         der EU überzubewerten und gleichzeitig die Ver-
kann.                                                die Situation in Süddeutschland anzupassen. Das        änderung der globalen Kräfteverhältnisse zu we-
                                                     ist insbesondere für die Fahrweise der Pumpspei-       nig ernst zu nehmen. Die gegenläufigen Strömun-
Das allerdings ist kein Problem des Stromgroß-       cher in den Alpen von größter Bedeutung. Doch          gen „Europäisierung“ und „Renationalisierung“
handelsmarkts an sich, sondern ein Problem der       solange es die einheitliche Preiszone gibt, liefern    sorgen für erhebliche Spannungen und Verunsi-
mangelnden Passung der deutschen Preiszone           wir unseren südlichen Nachbarstaaten den süd-          cherungen der Märkte und der Bürger. Das sehen
zur deutschen Netzrealität. Daher bin ich der        deutschen Strom zu einem „falschen“ Preis, was         wir beim Euro und wahrscheinlich auch bei den
Auffassung, dass wir uns von der einheitlichen,       das Versorgungsproblem in den süddeutschen             Wahlen zum EU-Parlament. Langfristig ist zu hof-
letztlich willkürlich an Bundesländer-Grenzen        Bundesländern weiter und in unnötiger Weise            fen, dass die europäische Vernunft sich gegen na-
orientierten Preiszone verabschieden sollten. Die    verschärft.                                            tionale Romantizismen und Partikularinteressen
relevanten Engpässe liegen in Kontinentaleuropa                                                             durchsetzen wird, auch und gerade im Feld der
weniger an den Staatsgrenzen, sondern innerhalb      Realitätssinn und ein                                  Energiepolitik.
der Mitgliedstaaten, vor allem auch zwischen         umfassender Blick gefragt
Nord- und Süddeutschland. Ein erster wichtiger                                                              „et“: Herr Prof. Bettzüge, vielen Dank für das In-
Schritt müsste darin bestehen, Deutschland in        „et“: Energiepolitik ist ein wesentlicher Bestand-     terview.
zwei Preiszonen aufzuspalten. Wenn wir diese         teil der Wirtschaftspolitik. Was ist aus Ihrer Sicht
beiden Preiszonen dann jeweils sogar grenzüber-      erforderlich, um den Industriestandort Europa                              Die Fragen stellte André Behr,
schreitend ausgestalten könnten, umso besser.        bzw. Deutschland zu erhalten?                                             Wissenschaftsjournalist, Zürich

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