FORTSCHRITT BMF-Monatsbericht - Dezember 2021 - Bundesfinanzministerium
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Editorial Editorial Monatsbericht des BMF Dezember 2021 zur Bewältigung der Pandemiefolgen, schaffen Pla- nungssicherheit und regen damit private Investiti- onen an. Ziel der alten wie auch der neuen Regierung ist es, dass alle von den Einschränkungen zur Abschwä- chung des Infektionsgeschehens betroffenen Un- ternehmen gut durch die Krise kommen. Anfang Dezember wurden die Überbrückungshilfen für Unternehmen abermals weiterentwickelt und ste- hen nun bis März 2022 bereit. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Hilfen, Sonderprogramme und steuerliche Erleichterungen, um die Existenz der betroffenen Unternehmen und Freiberufler zu Liebe Leserinnen, liebe Leser, sichern. dieser Monatsbericht ist der erste nach dem Regie- Finanzielle Solidität und der kluge Umgang mit rungswechsel vom 8. Dezember. Als neuer Staats- Steuergeld sind Grundsätze der Haushalts- und Fi- sekretär im BMF freue ich mich, an dieser Stelle nanzpolitik des BMF. Und Deutschland wird beim regelmäßig einige Gedanken zu aktuellen finanz- Kampf gegen Steuerhinterziehung eine Vorreiter- und steuerpolitischen Fragen mit Ihnen zu teilen. rolle einnehmen. So wird das BMF für mehr Steu- Dieses Editorial nutze ich gern für einen Ausblick erfairness weltweit an der globalen Mindestbesteu- auf das kommende Jahr. erung weiterarbeiten und auch im Inland verstärkt gegen Steuerhinterziehung, Finanzmarktkrimina- Wie aus dem Koalitionsvertrag hervorgeht, wird lität und Geldwäsche vorgehen. diese Regierung eine Regierung des Aufbruchs und der Modernisierung sein. Die 2020er-Jahre sollen Es gibt sehr viel zu tun in der 20. Legislaturperiode. zu einem Jahrzehnt des Fortschritts werden, in dem Über Fortschritte bei den vielfältigen Aufgaben die- die klimafreundliche und digitale Transformation ses Ministeriums informieren wir Sie an dieser Stelle der Wirtschaft gelingt. Dazu werden erhebliche pri- monatlich in fachlichen Schwerpunktartikeln. In vate und öffentliche Investitionen in Klimaschutz, dieser Ausgabe berichten die Kolleginnen und Kol- Digitalisierung, Bildung und Forschung sowie in legen über die laufende Überprüfung der euro- die Infrastruktur notwendig sein. Gleichzeitig ist päischen Versicherungsregulierung Solvency II, die haushaltspolitische Ausgangslage sehr heraus- die Ergebnisse der Steuerschätzung im Novem- fordernd. Deshalb ist klar: Die Bewältigung der vor ber 2021 sowie über die Änderungen durch das Ge- uns stehenden Aufgaben kann nur gelingen, wenn setz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge. der Bund seine Ressourcen bündelt und zielgerich- tet einsetzt. Diesen Gedanken setzt der gerade von Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen besinn- der Bundesregierung beschlossene Entwurf des liche Festtage und alles Gute für den Jahreswech- Zweiten Nachtragshaushalts 2021 um. Er führt im sel – und bleiben Sie gesund. Haushalt 2021 veranschlagte, aber nicht genutzte Mittel im Umfang von 60 Mrd. Euro dem Energie- und Klimafonds zu, die dort für zusätzliche Klima- schutzmaßnahmen und Maßnahmen zur Trans- formation der deutschen Wirtschaft zur Verfügung Steffen Saebisch stehen. Damit leisten wir einen weiteren Beitrag Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 3
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Analysen und Berichte____________________________________________7 Überprüfung der europäischen Versicherungsregulierung Solvency II_____________________________________ 8 Ergebnisse der Steuerschätzung vom 9. bis 11. November 2021___________________________________________ 13 Änderungen durch das Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge____________________________ 24 Aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage____________________________31 Überblick zur aktuellen Lage_____________________________________________________________________________ 32 Konjunkturentwicklung aus finanzpolitischer Sicht______________________________________________________ 33 Steuereinnahmen im November 2021____________________________________________________________________ 40 Entwicklung des Bundeshaushalts bis einschließlich November 2021____________________________________ 45 Entwicklung der Kernhaushalte der Länder bis einschließlich Oktober 2021______________________________ 51 Kreditaufnahme des Bundes und seiner Sondervermögen________________________________________________ 53 Europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik_____________________________________________________________ 59 Aktuelles aus dem BMF__________________________________________65 Termine_________________________________________________________________________________________________ 66 Publikationen___________________________________________________________________________________________ 67 Statistiken und Dokumentationen_______________________________69 Übersichten zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 70 Übersichten zur Entwicklung der Länderhaushalte_______________________________________________________ 71 Gesamtwirtschaftliches Produktionspotenzial und Konjunkturkomponenten des Bundes________________ 71 Kennzahlen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 72 Verzeichnis der Berichte_________________________________________73
Analysen und Berichte Analysen und Berichte Überprüfung der europäischen Versicherungsregulierung Solvency II 8 Ergebnisse der Steuerschätzung vom 9. bis 11. November 2021 13 Änderungen durch das Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge 24
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Dezember 2021 Überprüfung der europäischen Versicherungsregulierung Solvency II ● Die europäische Versicherungsregulierung Solvency II steht fünf Jahre nach ihrer Einführung auf dem Prüfstand. Die Europäische Kommission hat dazu im September 2021 Richtlinienvor- schläge vorgelegt, die aktuell verhandelt werden. ● Die Europäische Kommission sieht Änderungsbedarf insbesondere beim Umgang mit Risiken aus dem Niedrigzinsumfeld und dem Klimawandel, bei der Verhältnismäßigkeit der Regu- lierung, bei der Bewältigung von Systemrisiken und bei der Regulierung der Sanierung und Abwicklung von Versicherern. ● Die Vorschläge der Europäischen Kommission sind aus Sicht des BMF eine geeignete Grundla- ge für die politischen Verhandlungen. Das BMF setzt sich für eine Überprüfung mit Augenmaß ein. Im Mittelpunkt stehen dabei ausgewogene Auswirkungen auf die Solvenzposition der Ver- sicherer, eine verhältnismäßigere Regulierung insbesondere für kleine Versicherer, versiche- rungsspezifische makroprudenzielle Instrumente, eine risikoadäquate Behandlung nachhalti- ger Investitionen sowie eine verhältnismäßige Regulierung von Sanierung und Abwicklung. ● Die nun diskutierten Änderungen an der Versicherungsregulierung dürften nicht vor dem Jahr 2024 wirksam werden. Einleitung ● Realwirtschaftliche Sicht: Versicherer decken unternehmerische Risiken ab und machen damit bestimmte Geschäfte erst möglich (z. B. Bedeutung der Exportgeschäfte). Versicherungswirtschaft ● Finanzmarktsicht: Versicherer gehören mit Versicherungen haben eine große soziale und wirt- einem Anlagevolumen von rund 10 Bio. Euro schaftliche Bedeutung; vor allem spielen sie eine in Europa zu den größten institutionellen In- wichtige Rolle auf den Finanzmärkten. Zudem sind vestoren und sind damit insbesondere für die Europa und insbesondere Deutschland bedeutende langfristige Wachstumsfinanzierung relevant. Versicherungsstandorte. Mit zu weiten Teilen langfristig orientierten Geschäftsmodellen können Versicherer zudem ● Sozialpolitische Sicht: Versicherer bieten Indi- eine stabilisierende Rolle im Finanzsystem viduen Absicherung gegen elementare Risiken spielen. in der Lebens-, Kranken-, Schaden- und Unfall- versicherung. In Deutschland spielen Lebens- ● Standortsicht: Europa und insbesondere versicherer zudem eine herausragende Rolle in Deutschland sind bedeutende Versicherungs- der kapitalgedeckten Altersvorsorge. standorte mit sowohl global aufgestellten 8
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Überprüfung der europäischen Versicherungsregulierung Solvency II Dezember 2021 Erst- und Rückversicherern als auch mittleren Mindest- und Maximalharmonisierung und kleineren Anbietern. Die Versicherungs- wirtschaft ist damit ein relevanter Wirtschafts- Im Fall einer Mindestharmonisierung legt Analysen und Berichte zweig. eine Richtlinie Mindeststandards fest, oft in Anbetracht der Tatsache, dass die Rechts- Grundlagen von Solvency II systeme in einigen EU-Ländern bereits hö- here Standards gesetzt haben. In diesem Die Versicherungswirtschaft wird durch die euro- Fall haben die EU-Länder das Recht, höhere päische Richtlinie Solvency II reguliert. Mit Sol- Standards festzulegen, als sie in der Richtli- vency II, die seit dem Jahr 2016 angewendet wird, ist nie vorgegeben werden. die Versicherungsregulierung grundlegend refor- miert und erstmals ein ein Regelwerk zur Mindest- Im Fall einer Maximalharmonisierung dür- und Maximalharmonisierung geschaffen worden. fen die EU-Länder keine strengeren Vor- Das Hauptziel der Regulierung ist der Schutz der schriften als die in der Richtlinie festgeleg- Versicherungsnehmerinnen und Versicherungs- ten einführen. nehmer. Solvency II besteht aus drei Säulen: ● Säule 1: Quantitative Anforderungen zur Si- Überprüfung von Solvency II cherstellung der Solvenz der Versicherer (ri- sikoorientierte Kapitalanforderungen, Be- Die Versicherungsregulierung wird derzeit im Rah- stimmung der Eigenmittel zur Bedeckung der men des sogenannten Solvency-II-Reviews über- Anforderungen auf Grundlage einer marktkon- prüft. Dafür gibt es hauptsächlich drei Gründe. Ers- sistenten Solvenzbilanz). tens hat der Gesetzgeber eine Überprüfung von Bestandteilen der Regulierung vorgesehen, die bei ● Säule 2: Qualitative Anforderungen an das Ri- der Entwicklung von Solvency II kontrovers wa- sikomanagement und die Unternehmensfüh- ren. Das betrifft zum Beispiel die regulatorische Be- rung der Versicherer sowie Vorgaben für den handlung von Versicherungsprodukten mit lang- aufsichtlichen Überprüfungsprozess. fristigen Garantien, wie sie auch die deutschen Lebensversicherer anbieten. Zweitens ist es sinn- ● Säule 3: Transparenzvorschriften zur Bericht- voll, fünf Jahre, nachdem Solvency II die Regulie- erstattung der Versicherer an die Aufsichtsbe- rung in vielen Bereichen grundlegend geändert hörden und gegenüber der Öffentlichkeit. hat, zu überprüfen, ob sie wie ursprünglich beab- sichtigt funktioniert. Drittens hat sich die Welt in den vergangenen fünf Jahren geändert, was auch Auswirkungen auf die Versicherungswirtschaft hat. So haben sich seit der Entwicklung von Sol- vency II bestimmte Trends weiter verschärft. Ver- sicherer sind nun mit sehr niedrigen Zinsen kon- frontiert (siehe Abbildung 1, die den Rückgang der Zinsen während der vergangenen zehn Jahre illus triert). Zudem sind die Risiken negativer Folgen des Klimawandels inzwischen noch deutlicher hervor- getreten. Die Überprüfung dient auch dazu, die Re- gulierung an diese Entwicklungen anzupassen, so- weit es erforderlich ist. 9
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Überprüfung der europäischen Versicherungsregulierung Solvency II Dezember 2021 Umlaufrendite der börsennotierten Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten von 9 bis 10 Jahren Abbildung 1 in Prozent 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Quelle: Deutsche Bundesbank Die Europäische Kommission hat im Jahr 2019 für Solvency-II-Richtlinie die Überprüfung technische Empfehlungen von der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versi- Quantitative Anforderungen cherungswesen und die betriebliche Altersversor- gung (European Insurance and Occupational Pen- Die Europäische Kommission schlägt bei den quan- sions Authority, EIOPA) angefordert. EIOPA hat titativen Anforderungen Anpassungen an das an- entsprechende Empfehlungen Ende 2020 abgege- haltende Niedrigzinsumfeld vor. Dazu sollen die ben. Auf Grundlage der Empfehlungen hat die Eu- derzeit niedrigen Marktzinsen stärker bei der Be- ropäische Kommission Richtlinienvorschläge ent- wertung von Versicherungsverbindlichkeiten be- wickelt, die sie im September 2021 vorgelegt hat. rücksichtigt werden, was den Rückstellungsbedarf Die Vorschläge der Europäischen Kommission wer- erhöhen würde. Zudem sollen die Kapitalanfor- den nun im Ministerrat verhandelt. derungen für das Zinsänderungsrisiko angehoben werden. Denn die starken Zinsrückgänge der ver- gangenen Jahre haben gezeigt, dass die aktuellen Vorschläge der Europäischen Kapitalanforderungen dieses Risiko unterschätzen. Kommission Außerdem berücksichtigen die derzeitigen Anfor- derungen nicht die Existenz negativer Zinsen. Die Konkret hat die Europäische Kommission zwei Europäische Kommission schlägt vor, dass diese Richtlinienvorschläge gemacht: zum einen Änderungen schrittweise über mehrere Jahre ein- den Vorschlag für Änderungen an der Solven- geführt werden, damit die Versicherer Zeit haben, cy-II-Richtlinie und zum anderen den Vorschlag sich anzupassen. Außerdem sollen andere quanti- einer neuen Richtlinie zur Sanierung und Abwick- tative Anforderungen gesenkt werden. lung von Versicherern. 10
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Überprüfung der europäischen Versicherungsregulierung Solvency II Dezember 2021 Insgesamt würde sich dadurch eine Entlastung für Solvency II. Es ist zu begrüßen, dass die Vorschläge die europäische Versicherungswirtschaft ergeben. progressiv eingeführt werden sollen, damit ausrei- Nach Schätzung der Europäischen Kommission chend Zeit vorhanden ist, um sich auf die neuen Analysen und Berichte würden die Änderungen die Eigenmittel, die nicht Anforderungen einzustellen. zur Bedeckung der Kapitalanforderungen benötigt würden (freie Eigenmittel), kurz nach Umsetzung Verhältnismäßigkeit der überarbeiteten Richtlinie um 90 Mrd. Euro er- höhen. Diese zusätzlichen freien Eigenmittel wür- Die Europäische Kommission macht auch Vor- den danach bis zum Jahr 2032 durch die schritt- schläge, um die Verhältnismäßigkeit der Regulie- weise Anpassung der Anforderungen an das rung zu verbessern. Zum Beispiel sollen bestimmte Niedrigzinsumfeld zu großen Teilen wieder abge- regulatorische Erleichterungen Versicherern mit baut. Die Europäische Kommission erwartet, dass niedrigem Risikoprofil automatisch zur Verfügung durch die Anfangsentlastung die Versicherungs- stehen. wirtschaft verstärkt zur langfristigen und nachhal- tigen Finanzierung der Wirtschaft beitragen kann. Die Vorschläge zur Verbesserung der Verhältnismä- ßigkeit sind erfreulich. Das BMF hat sich immer da- Aus Sicht des BMF haben sich die Grundprinzipien für eingesetzt, dass die Regeln von Solvency II an- von Solvency II bewährt. Insbesondere hat die Re- gemessener ausgestaltet werden, was insbesondere gulierung ihren ersten großen Stresstest, die Tur- für kleine Versicherer wichtig ist. Die von der Eu- bulenzen nach Ausbruch der Pandemie, gut be- ropäischen Kommission vorgeschlagenen Erleich- standen, und die Versicherer haben sich als resilient terungen für Versicherer mit niedrigem Risikopro- erwiesen. Daher erscheint eine Überarbeitung mit fil wären ein wichtiger Fortschritt. Natürlich sollte Augenmaß angebracht. auch für alle anderen Versicherer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit konsequent angewendet Die aktuellen Herausforderungen wie Klimaschutz, werden. Digitalisierung und demografischer Wandel kön- nen nur mithilfe der Finanzmärkte bewältigt wer- Klimawandel den. Versicherer spielen als langfristige und große Investoren und als Risikoträger dabei eine wichtige Versicherer sollen nach dem Vorschlag der Euro- Rolle. Um die Fähigkeit der Versicherer, diese Rolle päischen Kommission als Teil ihres Risikomanage- wahrzunehmen, nicht zu gefährden, sollten die Er- ments wesentliche Risiken im Zusammenhang mit gebnisse der Überarbeitung für die Solvenzposi- dem Klimawandel ermitteln und dabei auch die tion der Versicherer sowohl auf EU-Ebene als auch Auswirkungen langfristiger Klimawandel-Szena- auf nationaler Ebene ausgewogen sein. Der Vor- rien auf ihre Geschäftstätigkeit bewerten. Der Vor- schlag der Europäischen Kommission trägt dieser schlag sieht zudem vor, dass EIOPA überprüft, ob Erwartung offenbar Rechnung. Nach vorliegenden die bestehenden Kapitalanforderungen für nach- Schätzungen würde sich auch für den deutschen haltige Investitionen angemessen sind. Versicherungsmarkt eine Entlastung ergeben. Gleichzeitig sollte von zu großen Entlastungen mit Das BMF begrüßt die explizite Berücksichtigung Blick auf den Schutz der Versicherungsnehmerin- von Klimarisiken in Solvency II. Die Prüfung der nen und Versicherungsnehmer und die Finanzsta- Kapitalanforderungen für nachhaltige Investiti- bilität abgesehen werden. Es gilt daher, die richtige onen durch EIOPA sollte risikoorientiert und evi- Balance zu finden. denzbasiert erfolgen. Sogenannte Green Suppor- ting Factors, welche die Kapitalanforderungen für Das BMF unterstützt grundsätzlich die Vorschläge nachhaltige Investitionen ungeachtet ihres Risikos der Europäischen Kommission zur besseren Ein- senken, hält das BMF für den falschen Weg. beziehung der Risiken des Niedrigzinsumfelds in 11
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Überprüfung der europäischen Versicherungsregulierung Solvency II Dezember 2021 Makroprudenzielle Instrumente einen Sanierungsplan mit bestimmten Mindestan- forderungen erstellen, bei der Aufsichtsbehörde Der Vorschlag der Europäischen Kommission be- einreichen und regelmäßig aktualisieren. Für eine inhaltet zudem die Einführung spezifischer ma- Teilmenge der betroffenen Versicherer soll die neu kroprudenzieller Instrumente. Hiermit sollen zu errichtende Abwicklungsbehörde außerdem ei- potenzielle systemische Risiken im Versicherungs- nen Abwicklungsplan erstellen. Wenn die Abwick- sektor besser adressiert werden können. Die Vor- lungsbehörde feststellt, dass das Unternehmen schläge umfassen die Berücksichtigung makro- abgewickelt werden muss, stehen ihr bestimmte prudenzieller Auswirkungen in bestimmten Teilen Abwicklungsinstrumente und Eingriffsbefugnisse des Risikomanagements, das Aufstellen von Liqui- zur Verfügung. ditätsrisikoplänen und die Möglichkeit, dass Auf- sichtsbehörden Maßnahmen zur Liquiditätsstär- Das BMF erachtet die europäische Mindestharmo- kung ergreifen können. nisierung der Sanierung und Abwicklung von Ver- sicherern grundsätzlich für sinnvoll. Den Beson- Das BMF ist grundsätzlich offen für die Einführung derheiten des Versicherungssektors muss dabei makroprudenzieller Instrumente. Diese können ei- Rechnung getragen werden. Vor allem sollte der nen wichtigen Beitrag zur Wahrung der Finanz- Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hinreichend stabilität leisten. Solche Instrumente sollten dabei berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund passgenau für den Versicherungssektor sein und sollte insbesondere der Anwendungsbereich für die bei ihrer Ausgestaltung sollte auch auf die Auswir- Abwicklungsplanung risikobasiert bestimmt wer- kungen auf Versicherungsnehmerinnen und Versi- den, um unnötige Belastungen zu vermeiden. cherungsnehmer sowie die Unternehmen geachtet werden. Ausblick Richtlinie zur Sanierung und Die Richtlinienvorschläge der Europäischen Kom- Abwicklung mission zu Solvency II und zur Sanierung und Ab- wicklung von Versicherern sind eine geeignete Der Richtlinienvorschlag zur Sanierung und Ab- Grundlage für die politischen Verhandlungen. Die wicklung enthält Regelungen zu Krisenprävention Vorschläge unterliegen dem Mitentscheidungsver- und Krisenmanagement für Versicherer. Damit fahren der Europäischen Union (EU), d. h., das Eu- sollen Versicherungsnehmerinnen und Versiche- ropäische Parlament und der Rat der Europäischen rungsnehmer und die öffentliche Hand im Fall ei- Union müssen den Vorschlägen zustimmen. Nach- ner bevorstehenden oder eingetretenen Schieflage dem eine Einigung erreicht wurde, müssen die Vor- von Versicherern geschützt sowie negative Auswir- schläge im nationalen Recht der Mitgliedsstaaten kungen auf die Realwirtschaft und Finanzstabili- der EU umgesetzt werden. Mit einer Anwendung tät verhindert werden. Dem Vorschlag zufolge sol- der Vorschläge ist nicht vor dem Jahr 2024 zu len von der Aufsichtsbehörde benannte Versicherer rechnen. 12
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Dezember 2021 Ergebnisse der Steuerschätzung vom 9. bis 11. November 2021 Analysen und Berichte ● Die jährlichen gesamtstaatlichen Steuereinnahmen steigen bis zum Jahr 2026 voraussichtlich auf 987,5 Mrd. Euro an. ● Bereits im Jahr 2021 dürfte das Niveau der Steuereinnahmen des Jahres 2019 – dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie – wieder übertroffen werden. ● Im Vergleich zur Schätzung vom Mai 2021 wurden die Einnahmeerwartungen für die Jahre 2021 bis 2025 durchschnittlich um rund 36 Mrd. Euro p. a. erhöht. Vom 9. bis 11. November 2021 fand die 161. Sit- Berücksichtigte zung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ statt. Steuerrechtsänderungen Geschätzt wurden die Steuereinnahmen für die Jahre 2021 bis 2026. Die Schätzung geht vom geltenden Steuerrecht aus. In Tabelle 1 sind die finanziellen Auswirkun- gen von Gesetzen und sonstigen Regelungen ent- Der unabhängige Arbeitskreis halten, die gegenüber der vorangegangenen Schät- „Steuerschätzungen“ zung vom Mai 2021 neu einzubeziehen waren. erstellt in Deutschland die Steuerschät- zung für Bund, Länder und Gemeinden. Dem Die neu einbezogenen Rechtsänderungen sind seit 1955 bestehenden Gremium gehören Ex- im Einzelnen in der Anlage 2 zur Pressemittei- perten der 16 Länder, von fünf führenden lung des BMF Nr. 24/2021 vom 11. November 2021 Wirtschaftsforschungsinstituten (Deutsches aufgeführt.1 Institut für Wirtschaftsforschung, ifo Insti- tut, Institut für Weltwirtschaft, RWI – Leib- nitz-Institut für Wirtschaftsforschung, In- Gesamtwirtschaftliche stitut für Wirtschaftsforschung Halle), des Annahmen Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der Der Steuerschätzung wurden die gesamtwirt- Deutschen Bundesbank, des Statistischen schaftlichen Eckwerte der Herbstprojektion 2021 Bundesamts, des Deutschen Städtetags, des der Bundesregierung zugrunde gelegt. Bundesministeriums für Wirtschaft und Ener- gie und des BMF an, welches den Vorsitz Die Bundesregierung erwartet hiernach für die- führt. In der Regel finden zwei Sitzungen im ses Jahr insbesondere aufgrund der länger als er- Jahr statt: im Frühjahr und im Herbst. Auf der wartet andauernden Lieferengpässe einen mit Grundlage der Schätzvorschläge verschiede- 2,6 Prozent etwas geringeren Anstieg des rea- ner im Arbeitskreis vertretener Institutionen len Bruttoinlandsprodukts (BIP) als noch in der werden einvernehmlich Schätzergebnisse für jede einzelne Steuerart ermittelt. 1 Die Pressemitteilung ist auf der Internetseite des BMF zu finden: http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20211221 13
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Ergebnisse der Steuerschätzung vom 9. bis 11. November 2021 Dezember 2021 Auswirkungen der neu in die Steuerschätzung einbezogenen Rechtsänderungen Tabelle 1 in Mrd. Euro 2021 2022 2023 2024 2025 2026 Bund -5,8 +0,6 +1,4 +1,9 +2,8 +3,5 Länder +5,2 +0,4 -0,1 -0,6 -0,7 -0,5 Gemeinden +0,4 -0,5 -0,7 -0,7 -0,7 -0,7 zusammen -0,2 +0,5 +0,6 +0,6 +1,4 +2,3 Mehr- (+) / Mindereinnahmen (-) Abweichung in den Summen durch Rundung der Zahlen möglich. Quelle: Arbeitskreis „Steuerschätzungen” Frühjahrsprojektion 2021 angenommen. Aufgrund Mittelfristig, d. h. in den Jahren 2024 bis 2026, der durch das Statistische Bundesamt im Som- dürfte das jahresdurchschnittliche Wachstum bei mer 2021 vorgenommenen (Aufwärts-)Revision 0,8 Prozent liegen. Für die Steuerschätzung ist die relevanter Größen der Volkswirtschaftlichen Ge- Entwicklung der nominalen Größen, insbeson- samtrechnungen für die vergangenen Jahre liegt dere der Bruttolöhne und -gehälter als gesamtwirt- das reale BIP in diesem Jahr aber trotz der jetzt pro- schaftliche Bemessungsgrundlage sowie der Unter- jizierten niedrigeren Zuwachsrate des BIP ungefähr nehmens- und Vermögenseinkommen als zentrale auf dem Niveau der Frühjahrsprojektion. Ange- Fortschreibungsgröße für die gewinnabhängigen sichts der hohen Auftragsbestände in der Industrie Steuerarten, relevant. Aufgrund der oben genann- und daraus resultierender Impulse ist im Jahr 2022 ten Revision setzen diese Größen alle auf einem mit einem deutlichen Zuwachs des realen BIP um höheren Ausgangsniveau als in der Mai-Steuer- 4,1 Prozent zu rechnen. Im Jahr 2023 dürfte das re- schätzung 2021 auf. ale BIP mit 1,6 Prozent wieder moderater zulegen. 14
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Ergebnisse der Steuerschätzung vom 9. bis 11. November 2021 Dezember 2021 Gesamtwirtschaftliche Vorgaben für die Steuerschätzung November 2021 im Vergleich zur Tabelle 2 vorangegangenen Steuerschätzung Veränderungsraten der Kenngrößen in Prozent Analysen und Berichte Schätzjahr 2021 2022 2023 Steuerschätzung Mai 2021 November 2021 Mai 2021 November 2021 Mai 2021 November 2021 BIP nominal +5,3 +5,6 +5,2 +6,4 +2,6 +3,3 BIP real +3,5 +2,6 +3,6 +4,1 +1,1 +1,6 Bruttolohn- und -gehaltssumme +3,2 +3,6 +4,0 +4,6 +2,8 +3,2 Unternehmens- und Vermögenseinkommen +12,9 +14,3 +5,4 +8,4 +2,8 +3,5 Private Konsumausgaben +3,1 +3,3 +7,1 +9,0 +2,8 +3,5 Schätzjahr 2024 2025 2026 Steuerschätzung Mai 2021 November 2021 Mai 2021 November 2021 November 2021 BIP nominal +2,6 +2,6 +2,6 +2,6 +2,6 BIP real +1,1 +0,8 +1,1 +0,8 +0,8 Bruttolohn- und -gehaltsumme +2,8 +2,6 +2,8 +2,6 +2,6 Unternehmens- und Vermögenseinkommen +2,8 +2,5 +2,8 +2,9 +2,9 Private Konsumausgaben +2,8 +2,7 +2,8 +2,7 +2,7 Quelle: Bundesregierung Abbildung 1 Abweichung wichtiger gesamtwirtschaftlicher Vorgaben zur Schätzung November 2021 von den entsprechenden Vorgaben zur Schätzung Mai 2021 Prozentpunkte 4,0 3,0 3,0 1,9 2,0 1,4 1,2 1,0 0,7 0,7 0,7 0,4 0,5 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,0 0,0 0,1 0,0 -0,1 -0,1 -0,3-0,2-0,3 -0,3-0,2 -1,0 -0,9 -2,0 -3,0 2021 2022 2023 2024 2025 BIP nominal BIP real Bruttolohn- und Gehaltssumme Unternehmens- und Vermögenseinkommen Private Konsumausgaben Quelle: Bundesministerium der Finanzen basierend auf den Veränderungsraten gesamtwirtschaftlicher Kenngrößen in der Herbstprojektion 2021 und der Frühjahrsprojektion 2021 der Bundesregierung 15
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Ergebnisse der Steuerschätzung vom 9. bis 11. November 2021 Dezember 2021 Schätzergebnisse geringer anwachsen (s. a. Abbildung 2). Hierzu tra- gen die weitgehende Abschaffung des Solidari- tätszuschlags ab dem Jahr 2021 und die höheren Entwicklung der Einnahmen im EU-Abführungen aus dem Bundeshaushalt bei, Schätzzeitraum welche die Einnahmen des Bundes in diesem Jahr um schätzungsweise 9,2 Mrd. Euro beziehungs- Die Steuereinnahmen steigen im Schätzzeitraum bis weise 6,1 Mrd. Euro gegenüber dem Jahr 2020 zum Jahr 2026 voraussichtlich auf 987,5 Mrd. Euro mindern. Die Einnahmen der Länder nehmen im an (Tabelle 3).2 Ausgehend vom vorangegange- Jahr 2021 etwa im gleichen Umfang zu wie die nen Ist-Jahr 2020 mit einem Aufkommen von Steuereinnahmen insgesamt. Die Länder können 739,7 Mrd. Euro bedeutet dies einen Zuwachs im in diesem Jahr einen kräftigen Anstieg der Einnah- Schätzzeitraum um insgesamt 33,5 Prozent. Be- men aus den Ländersteuern um circa 2,9 Mrd. Euro trachtet man die Entwicklung im Vergleich zum verzeichnen. Ihre Einnahmen reduzieren sich al- Vorkrisenjahr 2019, in dem das Ist-Aufkommen lerdings durch eine im Vergleich zum Jahr 2020 799,3 Mrd. Euro betragen hatte, so liegt der ge- um 1,7 Mrd. Euro geringere Zuweisung von Um- schätzte Zuwachs der Steuereinnahmen bis zum satzsteuerfestbeträgen vom Bund im Rahmen des Jahr 2026 etwas geringer bei insgesamt 23,6 Prozent. Finanzausgleichs. Die Gebietskörperschaften partizipieren in un- In den Jahren 2022 und 2023 wird für die Steuerein- terschiedlichem Ausmaß am Anstieg der Steuer- nahmen des Bundes dann eine höhere Wachstums- einnahmen, wobei Bund, Länder und Gemeinden dynamik erwartet als für die Steuereinnahmen der nach den beträchtlichen Einnahmerückgängen im Länder. Diese Unterschiede in der Einnahmeent- Jahr 2020 ab dem Jahr 2021 – vor allem aufgrund wicklung werden vor allem durch Veränderungen der Entwicklung der Einnahmen aus den gemein- in der Aufteilung des Aufkommens der Steuern schaftlichen Steuern – wieder wachsende Steuer- vom Umsatz verursacht. In beiden Jahren verrin- einnahmen verzeichnen können. gern sich die vom Bund im Rahmen des Finanzaus- gleichs an Länder und Gemeinden zu übertragen- Vergleich mit dem letzten Ist-Jahr 2020 den Festbeträge beträchtlich. Weiterhin partizipiert der Bund aufgrund des höheren Anteils am Umsatz- Im Jahr 2021 werden die Einnahmen des Bundes steueraufkommen in stärkerem Ausmaß von dem im Verhältnis zu den Steuereinnahmen insgesamt anhaltend kräftigen Wachstum der Einnahmen aus den Steuern vom Umsatz. Bei den Ländern hinge- gen verringern die vorgenannten Faktoren die Dy- 2 Die ausführlichen Ergebnistabellen der 161. Sitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ sind im Internet abrufbar namik der Einnahmeentwicklung in diesen Jahren. unter http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20211222 Der im Jahr 2023 erreichte Niveauunterschied in Entwicklung der Steuereinnahmen insgesamt und der Gebietskörperschaften Tabelle 3 in Mrd. Euro 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 Steuereinnahmen insgesamt 799,3 739,7 812,0 848,9 882,1 919,0 953,8 987,5 Bund 329,1 283,1 305,4 328,4 345,5 359,5 372,4 385,5 Länder 324,5 316,3 347,1 356,4 367,9 383,1 396,7 411,0 Gemeinden 114,8 107,5 120,5 122,5 127,1 133,7 140,3 145,6 EU 30,9 32,8 38,9 41,6 41,6 42,8 44,3 45,4 Quelle: Arbeitskreis „Steuerschätzungen” 16
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Ergebnisse der Steuerschätzung vom 9. bis 11. November 2021 Dezember 2021 Abbildung 2 Entwicklung der Steuereinnahmen insgesamt und der Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden im Schätzzeitraum Analysen und Berichte Index, Basis 2020 = 100 140 135 130 125 120 115 110 105 100 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 Steuereinnahmen insgesamt Bund Länder Gemeinden Quelle: Bundesministerium der Finanzen basierend auf Ergebnissen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen” für die Jahre 2021 bis 2026 der Einnahmeentwicklung von Bund und Ländern durch das Gesetz zur Rückführung des Solidaritäts- bleibt aufgrund ähnlicher Einnahmezuwächse in zuschlags 1995 gemindert. Die Steuereinnahmen den Jahren 2024 bis 2026 erhalten. des Bundes nahmen im Vergleich zu den Steuerein- nahmen insgesamt im Jahr 2020 wesentlich stärker Die Einnahmen der Gemeinden werden voraus- ab (um 6,5 Prozentpunkte) und steigen im weiteren sichtlich vor allem aufgrund der guten Entwick- Verlauf des Schätzzeitraums ausgehend von dem lung des Gewerbesteueraufkommens im Jahr 2021 niedrigeren Niveau proportional zu ihnen an (s. a. überproportional ansteigen. Abbildung 3). Vergleich mit dem Vorkrisenjahr 2019 Pandemiebedingte steuerliche Maßnahmen, für die der Bund die anteiligen Einnahmeausfälle von Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 sind ne- Ländern und Gemeinden kompensiert hatte – zu ben den Auswirkungen der Pandemie sowie der nennen sind hier die temporäre Absenkung der zur Minderung ihrer Folgen umgesetzten steu- Umsatzsteuersätze im 2. Halbjahr 2020 sowie die erlichen Maßnahmen auch noch die Auswirkun- Auszahlung eines Kinderbonus –, verstärkten im gen der Neuordnung des Finanzausgleichs ab dem Jahr 2020 die durch die Neuordnung des Finanzaus- Jahr 2020 zu berücksichtigen. gleichs hervorgerufenen Unterschiede zwischen Bund und Ländern in der Einnahmeentwicklung. Die Neuordnung des Finanzausgleichs bewirkte So erhielten im Jahr 2020 die Länder 7,7 Mrd. Euro ab dem Jahr 2020 beträchtliche Mindereinnahmen und die Gemeinden 0,9 Mrd. Euro Umsatzsteuer- des Bundes zugunsten der Länder. Zudem werden festbeträge mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfe- die Steuereinnahmen des Bundes ab dem Jahr 2021 gesetz als Kompensation zugewiesen. 17
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Ergebnisse der Steuerschätzung vom 9. bis 11. November 2021 Dezember 2021 Abbildung 3 Entwicklung der Steuereinnahmen insgesamt und der Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden im Schätzzeitraum Index, Basis 2019 = 100 130 125 120 115 110 105 100 95 90 85 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 Steuereinnahmen insgesamt Bund Länder Gemeinden Quelle: Bundesministerium der Finanzen basierend auf Ergebnissen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen” für die Jahre 2021 bis 2026 Insgesamt sanken die Steuereinnahmen des Bun- übertragenen Umsatzsteuereinnahmen gegenüber des im Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 2019 erheb- dem Jahr 2020 um 1,7 Mrd. Euro (Länder) bezie- lich, und zwar um 14,0 Prozent; dagegen hatten die hungsweise 0,5 Mrd. Euro (Gemeinden). Dennoch Länder lediglich einen Rückgang um 2,5 Prozent zu werden die Einnahmen von Ländern und Gemein- verzeichnen. den in diesem Jahr bereits um 7,0 Prozent (Länder) beziehungsweise um 5,0 Prozent (Gemeinden) über Die Steuereinnahmen erholen sich im Jahr 2021 dem Niveau des Jahres 2019 liegen. Die Abgabe von rasch von dem pandemiebedingten Einbruch im Umsatzsteuerfestbeträgen zusammen mit den be- Vorjahr. Dies hat auch für alle Gebietskörperschaf- reits oben angeführten Einnahmeausfällen durch ten steigende Steuereinnahmen zur Folge. Insge- den Abbau des Solidaritätszuschlags und steigende samt werden die Steuereinnahmen voraussicht- EU-Abführungen führen dazu, dass die Steuerein- lich das Niveau des Jahres 2019 um 1,6 Prozent nahmen des Bundes im Jahr 2021 unter dem Ni- übersteigen. Im Jahr 2021 erhalten Länder und Ge- veau des Jahres 2019 liegen werden – voraussicht- meinden weitere Kompensationsleistungen des lich um 7,2 Prozent. Bundes für die temporäre Absenkung der Umsatz- steuersätze im 2. Halbjahr 2020 sowie den Kinder- Auch im Jahr 2022 erreichen die Einnahmen des bonus 2021 in Form von Umsatzsteuerfestbeträgen Bundes trotz eines überproportionalen Wachstums (Länder: 4,9 Mrd. Euro; Gemeinden: 0,5 Mrd. Euro). voraussichtlich noch nicht ganz das Niveau des Insgesamt verringern sich allerdings die über Fest- Jahrs 2019 (99,8 Prozent). beträge vom Bund auf Länder und Gemeinden 18
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Ergebnisse der Steuerschätzung vom 9. bis 11. November 2021 Dezember 2021 Im verbleibenden Schätzzeitraum bis zum Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ für einige auf- Jahr 2026 wachsen die Steuereinnahmen insgesamt kommensstarke Steuerarten im Vergleich zur Ent- sowie die Steuereinnahmen der Gebietskörper- wicklung des nominalen BIP und der Steuern ins- Analysen und Berichte schaften relativ gleichlaufend an und werden ins- gesamt (s. a. Tabelle 4 und Abbildung 4). Durch die gesamt voraussichtlich um 23,6 Prozent über dem Corona-Krise und die Maßnahmen zu ihrer Bewäl- Niveau des Jahres 2019 liegen (Bund: +17,2 Prozent; tigung waren im Jahr 2020 die Einnahmen aufkom- Länder: +26,7 Prozent; Gemeinden: +26,8 Prozent). mensstarker Steuerarten gegenüber dem Jahr 2019 beträchtlich zurückgegangen: bei den Steuern vom Entwicklung der Steuerquote Umsatz z. B. um 9,8 Prozent. Hier wird nunmehr so- wohl im Jahr 2021 als auch im Jahr 2022 ein deutli- Die Steuereinnahmen insgesamt sind im Jahr 2020 cher Anstieg der Einnahmen gegenüber dem jewei- mit -7,5 Prozent stärker zurückgegangen als ligen Vorjahr erwartet. Dies liegt für das Jahr 2021 das nominale BIP (-3,0 Prozent). Damit verrin- auch an der schwachen Basis im Jahr 2020, die über gerte sich auch die Steuerquote gegenüber dem die unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen der Vorkrisenjahr 2019 um 1,04 Prozentpunkte von Pandemie hinaus wegen der temporären Umsatz- 23,01 Prozent auf 21,97 Prozent. Aufgrund des be- steuersatzsenkung im 2. Halbjahr und anderer Un- trächtlichen Zuwachses der Steuereinnahmen im terstützungsmaßnahmen für Unternehmen (wie Jahr 2021, der erheblich über dem Zuwachs des z. B. Stundungen) niedriger war, und kommt trotz nominalen BIP liegen dürfte, wird auch mit ei- der durch die Verschiebung des Fälligkeitstermins nem spürbaren Wiederanstieg der Steuerquote auf der Einfuhrumsatzsteuer verursachten einmaligen 22,84 Prozent gerechnet. Ausgehend von der star- Einnahmeausfälle zustande. Der weitere deutli- ken Basis wird die Zunahme der Steuereinnahmen che Anstieg im Jahr 2022 gegenüber dem Jahr 2021 im Jahr 2022 voraussichtlich unter dem Anstieg des ist vor allem auf die gemäß der Herbstprojektion nominalen BIP liegen, sodass auch die Steuerquote der Bundesregierung zu erwartende spürbare Er- dann auf 22,44 Prozent zurückgehen dürfte. Ab holung der relevanten gesamtwirtschaftlichen dem Jahr 2023 werden wieder höhere Zuwachsra- Aggregate, insbesondere des privaten Konsums, ten als beim nominalen BIP erwartet. Damit steigt zurückzuführen. die Steuerquote voraussichtlich bis auf 23,40 Pro- zent im Jahr 2026. Auffällig sind auch die für das Jahr 2021 erwarte- ten kräftigen Aufkommenssteigerungen gegenüber dem Jahr 2020 bei den gewinnabhängigen Steu- Aufkommensentwicklung einzelner ern. Sie liegen teils über dem in der Herbstprojek- Steuerarten tion 2021 erwarteten Anstieg der Unternehmens- und Vermögenseinkommen. Das Aufkommen der Grundsätzlich wird die Entwicklung des Steuer- Körperschaftsteuer steigt nach dem Rückgang aufkommens im Schätzzeitraum von der gesamt- der Einnahmen im Jahr 2020 um 24,2 Prozent im wirtschaftlichen Entwicklung beeinflusst. Die Ab- Jahr 2021 voraussichtlich um 60,3 Prozent und hängigkeit der einzelnen Steuerarten von der schließt damit an die Entwicklung der Vorkrisen- Konjunkturentwicklung ist jedoch unterschied- zeit an. Hier wiederholt sich eine bereits im Kon- lich stark ausgeprägt. Neben der gesamtwirtschaft- text der Finanzkrise zu beobachtende Entwicklung, lichen Entwicklung beeinflussen auch die umfang- wonach das Aufkommen dieser Steuer sehr stark reichen steuerlichen Maßnahmen zur Bewältigung auf Änderungen der gesamtwirtschaftlichen Dyna- der Corona-Krise die Einnahmeentwicklung. Dies mik reagiert. zeigt der Überblick über die Erwartungen des 19
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Ergebnisse der Steuerschätzung vom 9. bis 11. November 2021 Dezember 2021 Entwicklung der Einnahmen aus verschiedenen Steuerarten und des nominalen BIP Tabelle 4 Index, Basis 2020 = 100 2021 2022 2023 2024 2025 2026 Nominales BIP 105,6 112,3 116,0 119,0 122,2 125,3 Steuern insgesamt 109,8 114,8 119,3 124,2 128,9 133,5 Steuern vom Umsatz 112,3 123,4 128,5 132,2 135,5 139,0 Lohnsteuer 104,1 110,3 116,2 122,2 128,4 135,5 Veranlagte Einkommensteuer 117,5 110,3 117,2 126,6 134,5 141,6 Kapitalertragsteuern 1 118,4 112,3 116,6 125,1 128,1 131,5 Körperschaftsteuer 160,3 160,5 157,8 167,9 178,4 184,4 Gewerbesteuer 123,2 126,3 130,1 138,6 147,1 152,1 Übrige Steuern 97,4 100,2 102,2 103,5 105,2 106,9 1 Nicht veranlagte Steuern vom Ertrag und Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge. Quelle: Arbeitskreis “Steuerschätzungen” Entwicklung der Einnahmen aus verschiedenen Steuerarten und des nominalen BIP Abbildung 4 im Schätzzeitraum Index, Basis 2020 = 100 190 180 170 160 150 140 130 120 110 100 90 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 Nominales BIP Steuern insgesamt Steuern vom Umsatz Lohnsteuer Veranlagte Einkommensteuer Kapitalertragsteuern1 Körperschaftsteuer Gewerbesteuer Übrige Steuern 1 Nicht veranlagte Steuern vom Ertrag und Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge. Quelle: Bundesministerium der Finanzen basierend auf Zahlen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ 20
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Ergebnisse der Steuerschätzung vom 9. bis 11. November 2021 Dezember 2021 Vergleich mit der Länder und Gemeinden höhere Einnahmen pro vorangegangenen Schätzung gnostiziert als noch im Mai 2021 geschätzt. vom Mai 2021 Analysen und Berichte Gegenüber dem Ergebnis der Steuerschätzung vom Mai 2021 wurde der Schätzansatz des Arbeits- Abweichungen der Steuerein kreises „Steuerschätzungen“ für das Jahr 2021 um nahmen insgesamt und der Ein 38,5 Mrd. Euro erhöht (s. a. Abbildung 5).3 Auch in nahmen der Gebietskörperschaften den Jahren 2022 bis 2025 werden gegenüber der Mai-Steuerschätzung Mehreinnahmen zwischen Die Entwicklung der Steuereinnahmen verlief in 33,6 Mrd. Euro und 36,8 Mrd. Euro erwartet. den vergangenen Monaten wesentlich günstiger als noch im Mai 2021 erwartet. Insbesondere hie- 3 Eine Zusammenstellung der Abweichungen des Ergebnisses raus resultierte eine beträchtliche Erhöhung der der Steuerschätzung November 2021 vom Ergebnis der Schätzansätze für viele Steuerarten durch den Ar- vorhergehenden Steuerschätzung Mai 2021 für die Steuern beitskreis „Steuerschätzungen“. Somit werden in insgesamt sowie für die Gebietskörperschaften ist in Anlage 2 der Pressemitteilung des BMF zur 161. Sitzung allen Schätzjahren insgesamt sowie auch für Bund, des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ zu finden unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20211223 Abbildung 5 Abweichung des Ergebnisses der Steuerschätzung November 2021 vom Ergebnis der Steuerschätzung Mai 2021 in Mrd. Euro 45 38,5 40 36,8 36,3 8,1 33,8 33,6 35 6,5 5,0 4,1 3,9 30 25 15,2 15,7 22,5 17,0 15,6 20 15 10 16,3 13,8 14,7 15,2 5 11,7 0 -3,8 -0,7 -0,4 -0,6 -0,7 -5 2021 2022 2023 2024 2025 Bund Länder Gemeinden EU Steuereinnahmen insgesamt Quelle: Bundesministerium der Finanzen basierend auf Zahlen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ 21
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Ergebnisse der Steuerschätzung vom 9. bis 11. November 2021 Dezember 2021 Unterschiede zwischen Bund, Ländern und Ge- Abweichungen nach Steuerarten meinden ergeben sich aus der Anpassung der Schätzansätze bei den einzelnen Steuerarten, an Die Abweichungen im Schätzansatz Novem- denen die Gebietskörperschaften zu jeweils ver- ber 2021 gegenüber dem Ansatz vom Mai 2021 schiedenen Anteilen partizipieren. Der Unter- lassen sich bei den einzelnen Steuerarten auf Än- schied in der Verteilung der Steuereinnahmen vom derungen in der erwarteten Entwicklung der ge- Jahr 2021 auf das Jahr 2022 ergibt sich vor allem aus samtwirtschaftlichen Bemessungsgrundlagen und den höheren Umsatzsteueranteilen, die den Län- geänderte Erwartungen zur weiteren Einnahme- dern im Jahr 2021 zulasten des Bundes durch die entwicklung aufgrund der aktuellen Kassenent- Änderung der Umsatzsteuerverteilung zugewiesen wicklung zurückführen. Neu zu berücksichtigende wurden. Steuerrechtsänderungen hatten nur einen relativ geringen Einfluss auf das Ergebnis. Eine Übersicht zu den Abweichungen bei den wichtigsten Steuer- arten bietet Tabelle 5. Abweichungen des Ergebnisses der Steuerschätzung November 2021 vom Ergebnis der Tabelle 5 Steuerschätzung Mai 2021 nach Steuerarten in Mio. Euro 2021 2022 2023 2024 2025 Lohnsteuer 6.650 6.700 6.600 5.900 5.200 veranlagte Einkommensteuer 8.150 4.050 3.600 3.250 3.300 nicht veranlagte Steuern vom Ertrag 2.550 1.750 1.950 2.200 2.200 Abgeltungsteuer auf Zins- u. Veräußerungserträge 2.000 900 1.000 1.050 1.100 Körperschaftsteuer 10.750 10.100 7.350 7.450 8.500 Steuern vom Umsatz 1.100 5.250 6.900 7.700 8.150 Gewerbesteuer 5.300 4.600 1.900 1.700 2.800 Bundessteuern zusammen -438 446 1.286 1.086 1.596 Energiesteuer -2.100 -1.700 -1.350 -1.500 -1.700 Stromsteuer -70 -70 -70 -70 -70 Tabaksteuer 100 1.090 1.760 1.890 2.730 Versicherungsteuer 70 90 110 130 150 Solidaritätszuschlag 1.450 1.150 1.100 1.050 1.050 Kraftfahrzeugsteuer -75 -150 -300 -450 -600 übrige Bundessteuern 187 36 36 36 36 Ländersteuern zusammen 2.238 2.436 2.453 2.463 2.474 Gemeindesteuern (ohne Gewerbesteuer) 279 514 624 729 839 Zölle -100 100 100 100 100 Steuereinnahmen insgesamt 38.479 36.846 33.763 33.628 36.259 Quelle: Arbeitskreis „Steuerschätzungen” 22
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Ergebnisse der Steuerschätzung vom 9. bis 11. November 2021 Dezember 2021 Fazit gegenüber der Mai-Schätzung nur marginal um 0,4 Prozent erhöht. Dies verdeutlicht, dass die ge- Die Einnahmeerwartungen für die Jahre 2021 genüber der Frühjahrsprojektion 2021 höhere In- Analysen und Berichte bis 2025 wurden in der aktuellen Schätzung im Ver- flationsrate für die deutliche Anhebung des Schätz gleich zur Schätzung vom Mai 2021 durchschnitt- ansatzes gegenüber der Mai-Steuerschätzung keine lich um rund 36 Mrd. Euro p. a. angehoben. Zu- Rolle gespielt hat. grunde liegt dem eine noch im Mai unerwartet schnelle Erholung der Steuereinnahmen, insbe- Trotz der Corona-Krise ist Deutschland zu Beginn sondere bei den gewinnabhängigen Steuern. Auch der 20. Legislaturperiode hinsichtlich der Steuer- die Erwartungen für das Lohnsteueraufkommen einnahmen finanziell gut aufgestellt für die anste- wurden beträchtlich angehoben. Der Schätzansatz henden finanzpolitischen Herausforderungen. für das Umsatzsteueraufkommen hingegen wurde 23
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Dezember 2021 Änderungen durch das Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge ● Eine Aufgabe in der 19. Legislaturperiode war es, eine Anpassung des steuerlichen Behinder- ten-Pauschbetrags zu prüfen. Der Prüfauftrag hat Eingang in das Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen vom 9. De- zember 2020 gefunden, welches im Jahr 2021 in Kraft getreten ist. ● Das Gesetz umfasst nicht nur die Verdopplung des Behinderten-Pauschbetrags. Es enthält auch ein Maßnahmenbündel im Kontext der verbesserten steuerlichen Anerkennung der Aufwen- dungen von Menschen mit Behinderungen sowie für die Leistungen von pflegenden Angehöri- gen in der häuslichen Pflege. ● Auch wurden mit dem Gesetzgebungsvorhaben Verfahrensabläufe wesentlich vereinfacht und Nachweispflichten abgebaut. Dies führt für alle Beteiligten zu spürbaren Entlastungen. ● Insbesondere für Menschen mit Behinderungen sollen die steuerlichen Verbesserungen auch einen Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe und zur Unterstützung leisten. Status quo – Beweggründe Behinderung, Kurkosten, behinderungsbedingte für eine Anpassung der Umbauaufwendungen oder die Aufwendungen zur steuerlichen Regelungen für Beseitigung von Unwetterschäden handeln. Erfül- len Aufwendungen diese Voraussetzungen, füh- Menschen mit Behinderungen ren sie zu einer Ermäßigung bei der Einkommen- steuer, soweit ihre Höhe die zumutbare Belastung Menschen mit Behinderungen entstehen in der übersteigt. Regel behinderungsbedingte Mehraufwendun- gen. Steuerlich können diese Mehraufwendun- gen, wenn sie nicht von dritter Seite ersetzt wer- Die zumutbare Belastung den, als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 ist abhängig von der Höhe des Gesamtbe- des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksich- trags der Einkünfte, vom Familienstand und tigt werden. der Zahl der Kinder. Sie wird anhand gestaf- felter Prozentsätze individuell ermittelt (§ 33 Außergewöhnliche Belastungen sind steuerlich be- Abs. 3 EStG). rücksichtigungsfähige Aufwendungen. Sie sind da- durch gekennzeichnet, dass sie nicht die überwie- gende Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Als Sonderregelung besteht bei der steuerlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und des Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen gleichen Familienstands betreffen und zwangsläu- folgende Möglichkeit: Für behinderungsbedingte fig entstehen. Hierbei kann es sich z. B. um Aufwen- Mehraufwendungen, die für die Hilfe bei den ge- dungen für die Behandlung einer Krankheit oder wöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden 24
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Änderungen durch das Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge Dezember 2021 Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege bereits ab einem Grad der Behinderung von sowie für einen erhöhten Wäschebedarf entste- mindestens 20 ein Pauschbetrag geltend ge- hen, kann anstelle einer Steuerermäßigung nach macht werden kann, Analysen und Berichte § 33 EStG ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 1 EStG geltend gemacht werden. Der ● der Verzicht auf die bislang geltenden zusätzli- Pauschbetrag soll Menschen mit Behinderungen chen Anspruchsvoraussetzungen zur Gewäh- den Einzelnachweis dieser behinderungsbedingt rung eines Behinderten-Pauschbetrags bei entstandenen Mehraufwendungen ersparen. Für einem Grad der Behinderung kleiner als 50, die Inanspruchnahme des Pauschbetrags genügt daher die Feststellung einer Behinderung, ohne ● die Einführung einer behinderungsbedingten dass es eines konkreten Nachweises der tatsächlich Fahrtkostenpauschale, entstandenen behinderungsbedingten Mehrauf- wendungen des täglichen Lebens bedarf. ● die Anhebung des bestehenden Pflege-Pausch- betrags von 924 Euro auf 1.800 Euro und Die Prüfung einer Anpassung der pauschalen Steu- erfreibeträge für Menschen mit Behinderungen ● die Einführung von Pflege-Pauschbeträgen für war eine der steuerlichen Aufgaben in der 19. Le- den Pflegegrad 2 und Pflegegrad 3. gislaturperiode. Die Ergebnisse dieser Prüfung wurden mit dem Gesetz zur Erhöhung der Behin- derten-Pauschbeträge und zur Anpassung weite- Änderungen beim rer steuerlicher Regelungen vom 9. Dezember 2020 Behinderten-Pauschbetrag (Bundesgesetzblatt I S. 2770) umgesetzt. (§ 33b Abs. 1 bis 3 EStG) Das Gesetz enthält neben den Anpassungen und Vereinfachungen bei der steuerlichen Berücksich- Bedeutung des Behinderten- tigung behinderungsbedingter Mehraufwendun- Pauschbetrags gen auch Verbesserungen bei der Anerkennung von Aufwendungen, die pflegenden Angehörigen Um Menschen mit Behinderungen den Einzel- bei der häuslichen Pflege von pflegebedürftigen nachweis ihrer behinderungsbedingten Mehrauf- Personen entstehen können. wendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen Überblick über die erhöhten Wäschebedarf zu ersparen, besteht als steuerlichen Änderungen Sonderregelung zu § 33 EStG die Möglichkeit, an- stelle eines Einzelnachweises typisierende Pausch- Das Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pausch beträge nach § 33b EStG in Anspruch zu nehmen. beträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen umfasst insbesondere die folgenden Der Behinderten-Pauschbetrag (§ 33b Abs. 1 EStG) Maßnahmen, die im Jahr 2021 in Kraft getreten dient der Vereinfachung im steuerlichen Mas- sind: senverfahren. Der Pauschbetrag umfasst die Auf- wendungen für die sogenannten Verrichtungen ● die Verdopplung der Höhe der bestehenden des täglichen Lebens (z. B. Aufwendungen für die Behinderten-Pauschbeträge, Körperpflege, Hygieneartikel oder Pflegeleistun- gen). Für diese Aufwendungen kann anstelle ei- ● die Aktualisierung der Systematik der Behin- ner Steuerermäßigung nach § 33 EStG der Behin- derten-Pauschbeträge, wodurch nunmehr derten-Pauschbetrag geltend gemacht werden. 25
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Änderungen durch das Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge Dezember 2021 Das mühsame Sammeln und Vorhalten von Ein- Die Ermäßigung der Einkommensteuer zelbelegen ist dann nicht erforderlich. Der Pausch- durch Aufwendungen für außergewöhnliche betrag kommt unabhängig von der Höhe der tat- Belastungen funktioniert stark vereinfacht sächlich entstandenen Aufwendungen zum Ansatz. wie folgt: Durch diesen Nachweisverzicht entfällt für Men- schen mit Behinderungen Aufwand bei der Erstel- Ein Steuerpflichtiger hatte im Jahr 2020 Auf- lung ihrer Einkommensteuererklärung sowie für wendungen für außergewöhnliche Belastun- das zuständige Finanzamt Aufwand bei der späte- gen in Höhe von 3.000 Euro. Die Höhe seiner ren Bearbeitung der Einkommensteuererklärung. zumutbaren Belastung beträgt 1.000 Eu- Lediglich der Nachweis der Behinderung wird für ro. Sein zu versteuerndes Einkommen verrin- den Behinderten-Pauschbetrag benötigt. Dies kann gert sich dadurch um 2.000 Euro. Das heißt, der Feststellungsbescheid der nach Sozialgesetz- in dieser Höhe wird sein Einkommen von der buch IX (SGB IX) zuständigen Behörde (z. B. des zu- Einkommensbesteuerung für 2020 freige- ständigen Versorgungsamts) sein oder bei einem stellt, weil ihm wegen seiner außergewöhnli- Grad der Behinderung von weniger als 50 eine Be- chen Belastungen in diesem Jahr tatsächlich scheinigung dieser Behörde beziehungsweise bei weniger Mittel zur freien Verfügung gestan- einem Grad der Behinderung von mindestens 50 den haben. Der Behinderten-Pauschbetrag der Schwerbehindertenausweis. führt gleichermaßen zu einer Minderung des zu versteuernden Einkommens. Aller- Beim Behinderten-Pauschbetrag handelt es sich dings wird der Pauschbetrag in voller Hö- stets um einen Jahresbetrag. Die Höhe des Behin- he – ohne Berücksichtigung der zumutbaren derten-Pauschbetrags ist in § 33b Abs. 3 EStG in Belastung – angesetzt. Abhängigkeit vom Grad der Behinderung geregelt. Entscheidend für die Höhe des Pauschbetrags ist Die Höhe der Einkommensteuer für das zu jeweils der höchste festgestellte Grad der Behinde- versteuernde Einkommen wird mittels Ein- rung des jeweiligen Jahres. Es erfolgt keine monats- kommensteuertarifformeln nach § 32a bezogene Berechnung, auch wenn die Feststellung Abs. 1 EStG berechnet. Der Tarifverlauf ist zum Grad der Behinderung nicht für das gesamte progressiv ausgestaltet: Der Eingangssteuer- Kalenderjahr gilt. satz beträgt 14 Prozent und der Höchststeu- ersatz 45 Prozent. Für alle übrigen behinderungsbedingten Aufwen- dungen, die nicht vom Wahlrecht zum Behinder- ten-Pauschbetrag umfasst sind, gilt die allgemeine Anpassungen der Regelungen zum Vorschrift zur Berücksichtigung von außerge- Behinderten-Pauschbetrag wöhnlichen Belastungen gemäß § 33 EStG. Diese Aufwendungen führen zu einer Ermäßigung der Damit der Behinderten-Pauschbetrag auch zu- Einkommensteuer, soweit die Aufwendungen für künftig seine Vereinfachungsfunktion erfüllen die außergewöhnlichen Belastungen insgesamt kann, wurde die in Abhängigkeit vom Grad der die Höhe der zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 3 Behinderung geregelte Höhe des Behinderten- Satz 1 EStG) übersteigen. Pauschbetrags ab dem Jahr 2021 prozentual ein- heitlich um jeweils 100 Prozent angehoben. Zu- gleich wurde die veraltete Systematik aktualisiert. Dadurch kann ab dem Jahr 2021 bereits ab einem Grad der Behinderung von mindestens 20 ein Be- hinderten-Pauschbetrag geltend gemacht werden. Bislang war dies erst ab einem Grad der Behinde- rung von mindestens 25 der Fall. 26
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