Frontex, Europa und die direkte Demokratie - Schlussbericht - EU-Vergleichsstudie Frontex - Studie im Auftrag von Luzius Meisser, Meisser ...
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Schlussbericht - EU-Vergleichsstudie Frontex Frontex, Europa und die direkte Demokratie Studie im Auftrag von Luzius Meisser, Meisser Economics in Kooperation mit der Stiftung für direkte Demokratie ©GFS.BERN | APRIL 2022
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Projektteam Urs Bieri: Co-Leiter Annick Doriot: Junior Projektleiterin Aaron Venetz: Wissenschaftlicher Mitarbeiter Corina Schena: Wissenschaftliche Mitarbeiterin Ronja Bartlome: Praktikantin Data Science und Politikanalyse Daniel Bohn: Projektmitarbeiter Roland Rey: Mitarbeiter Administration Bern, 6.05.2022 Sperrfrist: 17.5.2022 – 6 Uhr ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 2
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Inhaltsverzeichnis 1 MANAGEMENT SUMMARY ..................................................................................................................................... 4 2 BEFUNDE .................................................................................................................................................................. 6 2.1 Ausgangslage .............................................................................................................................................. 6 2.2 Frontex ........................................................................................................................................................ 12 2.3 Argumente ..................................................................................................................................................19 2.4 Demokratiewunsch ................................................................................................................................. 24 3 SYNTHESE .............................................................................................................................................................. 29 4 ANHANG ................................................................................................................................................................. 32 Die hier vorliegende Studie ergänzt eine Studie aus dem Jahr 2021, welche Demokratiezufriedenheit in der Schweiz, Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich betrachtet und vergleicht. Die Studie von 2021 zeigte auf: Die Zufriedenheit mit dem Politiksystem, den Mitbestimmungsmöglichkeiten, Regeln und Resultaten ist in der Schweiz gross. Sie fällt in der Schweiz eindeutig höher aus als in den Nachbarländern. Eine Übernahme der Schweizerischen Demokratieaspekte wird in den Nachbarländern mehrheitlich unterstützt. Den Schlussbericht zu dieser Studie finden Sie unter dem QR-Code. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 3
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X 1 Management Summary In allen befragten EU-Ländern hat eine absolute Mehrheit der Stimmbe- rechtigten eine positive Meinung zur Europäischen Union. Am positivsten ist die Meinung zur EU in Estland, Portugal, Litauen, Rumänien und Irland. Dies zeigt, dass der positive Eindruck der EU sowohl unter alteingesesse- nen als auch unter den neueren Mitgliedern vorhanden ist. Die Meinung zur EU fällt in Tschechien, Niederlande, Griechenland, Slowakei und Frank- reich vergleichsweise am negativsten aus. Doch auch in diesen Ländern überwiegt die positive Einstellung gegenüber der Europäischen Union. Dieses generelle Wohlwollen gegenüber dem politischen System ist eine erste wichtige Grundbedingung für erfolgreiche Behördenvorlagen. In fast allen Ländern, ausser Zypern, fühlt sich eine absolute Mehrheit der befragten Stimmbürger:innen sicher. Alle sicherheitsrelevanten Elemente werden in allen Ländern von einer absoluten Mehrheit als wichtig erachtet. Über alle EU-Länder hinweg ist das wichtigste Sicherheitselement die Po- lizei, gefolgt von der grenzüberschreitenden Polizeikooperation. Der nati- onale Grenzschutz wird als etwas wichtiger eingeschätzt als der europäi- sche, während Möglichkeiten zum Selbstschutz auf dem letzten Platz sind. Damit scheint der für eine Beurteilung für Frontex relevante basale Status- quo aus Sicht der EU-Bürger:innen zufriedenstellend, und ein eminenter Problemdruck ist so nicht sichtbar. Eine Reformabsicht gegenüber einem grossmehrheitlich als zufriedenstellend wahrgenommenen Status quo ist damit von Beginn weg in einem Rechtfertigungszwang. Es gilt aus Sicht der Reform zu erklären, warum man trotz breiter Zufriedenheit eine Reform anstrebt und inwiefern diese Reform die aktuelle Zufriedenheit nicht ge- fährdet. Gelingt dies nicht, wird die Reform erfahrungsgemäss an einer Ab- stimmung nicht reüssieren. In rund einem Drittel der befragten Länder kennt eine absolute Mehrheit Frontex mindestens dem Namen nach, während in allen anderen Ländern die Organisation mehrheitlich unbekannt ist. Auf EU-Ebene haben die Stimmbürger:innen mehrheitlich eine positive Meinung von Frontex. Die geäusserte Kritik ist mehrheitlich unbekannt. Diese vergleichsweise ge- ringe Bekanntheit und die mehrheitlich positive Einstellung gegenüber Frontex sowie die Unkenntnis der geäusserten Kritik unterstreichen den schon konstatierten kleinen Problemdruck: Wenn man kein Problem sieht, informiert man sich erfahrungsgemäss auch nicht aktiv über mögliche al- ternative Lösungen. Die Stimmbevölkerung in den EU-Ländern anerkennt die Aufgabe und den Beitrag von Frontex und möchte auch die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen. Zusätzliche Frontex-Gelder sollten aus Sicht einer Mehrheit für den Grenzschutz und nicht für die Verbesserung der Men- schenrechtssituation verwendet werden, wobei Frontex aber die Kosten in den Griff bekommen und den Menschenrechtsschutz verbessern muss. An einer Abstimmung über den Frontex-Ausbau würde in jedem befragten EU- ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 4
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Land eine absolute Mehrheit der Stimmberechtigten teilnehmen, wobei die Stimmbeteiligung auf EU-Ebene etwas unter dem Schweizer Durch- schnitt liegt. Die zustimmende Stimmabsicht auf EU-Ebene ist hingegen in fast allen Ländern über der in der gleichen Zeitphase gemessenen Schwei- zer Zustimmung. Ein Blick auf die argumentative Verortung dieser Stimm- absicht lässt vermuten, dass der Ja-Anteil im Rahmen einer harten Abstim- mungsdebatte noch schrumpfen würde, ein (knappes) Ja aber auch im EU- Umfeld ein realistisches Szenario darstellt. Der Stimmentscheid in den EU-Ländern ist dabei durchaus argumentativ begründet und damit sichtbar mehr als ein reiner Bauchentscheid. Auch im europäischen Raum sind die Stimmberechtigten damit durchaus in der Lage, sich aufgrund von vorliegenden Argumenten eine Meinung zu bilden und daraus einen Ja- oder Nein-Stimmentscheid abzuleiten. Der messbare Einfluss der Argumente auf den Stimmentscheid und damit der Indikator wie stark inhaltlich ein Stimmentscheid begründet wird, ist zwar in fast allen EU-Ländern kleiner, als wir dies für die Schweiz beobachten, aller- dings befinden wir uns in der Schweiz zum Messzeitpunkt schon zu Beginn des Abstimmungskampfes, was zu einer höheren medialen Aufarbeitung der Frontex-Thematik führt, als dies aktuell im EU-Raum der Fall ist. Ins- gesamt findet sich damit eine EU-Stimmberechtigtenschaft, die, wie in der Schweiz, durchaus in der Lage ist, einen Stimmentscheid aufgrund von Ar- gumenten zu bilden und zu äussern. Die gleiche Stimmberechtigtenschaft tut dies, mit Blick auf die Teilnahmeabsicht, durchaus mit Lust zur Ent- scheidung. Schlussendlich sehen wir damit im EU-Raum nicht nur sehr ähnliche be- völkerungsseitige Meinungsbildungsprozesse zu Sachentscheiden, wie wir sie aus dem Schweizer Kontext kennen. Wir sehen durchaus einen mehr- heitlich ausgeprägteren Willen von EU-Bürger:innen, an solchen Sachent- scheiden auch teilnehmen zu können: Bei den Demokratiewünschen zeigt sich, dass der Wunsch nach allgemeinen Volksabstimmungen - sowohl na- tional als auch auf EU-Ebene - stärker ausgebildet ist als jener nach Frontex-Abstimmungen. Die Idee von allgemeinen als auch spezifischen Frontex-Volksabstimmungen wird auf EU-Ebene von einer absoluten Mehrheit als gut eingeschätzt. Meinungsbildung von Stimmberechtigten zu Sachentscheiden untersuchen wir entlang des hauseigenen Dispositionsansatzes, welcher den Weg hin zu einer Stimmabgabe an der Urne als hochdynamischen vielschichtigen Entscheid versteht. Dabei spielen Wert- haltungen, Alltagserfahrungen, politische Prägungen genauso eine Rolle wie das aktuell vorherrschende politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Klima, die Haltung po- litischer Organisationen oder politische Kommunikation. Gfs.bern beobachtet seit rund 60 Jahren Abstimmungsentscheide in der Schweiz und hat daraus ein Erfahrungswissen entwickelt, das in den Dispositionsansatz einfliesst. Wir gehen in der nachfolgenden Be- richterstattung davon aus, dass Meinungsbildung im europäischen Umfeld auf eine ver- gleichbare Weise funktioniert wie in der Schweiz. Weitere Informationen zum Disposi- tionsansatz finden sich im Kapitel 2.3 im separaten Anhang zu diesem Schlussbericht. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 5
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X 2 Befunde 2.1 Ausgangslage In jedem EU- Land findet sich eine absolute Mehrheit, welche eine mehr oder weniger dezidierte positive Meinung hat von der Europäischen Union: Grafik 1 Estland 22 67 3 6 2 Meinung EU Portugal 21 65 3 9 2 Litauen 30 55 4 9 2 "Ganz generell: Ist Ihre Meinung zur EU…" Rumänien 25 56 3 12 4 Irland 23 56 9 7 5 Finnland 13 65 6 13 3 in % Stimmberechtigter Spanien 12 65 7 13 3 Lettland 21 57 4 13 5 Polen 21 55 5 12 7 Deutschland 17 57 5 15 6 Dänemark 32 41 6 14 7 Zypern 16 56 6 16 6 Schweden 15 56 7 15 7 Slowenien 16 55 7 19 3 Kroatien 9 60 8 17 6 Bulgarien 18 50 6 20 6 Ungarn 14 53 7 19 7 Österreich 13 51 5 18 13 Italien 13 51 5 20 11 Belgien 6 53 11 24 6 Frankreich 7 52 11 20 10 Slowakei 15 44 7 23 11 Griechenland 11 48 4 21 16 Niederlande 9 50 13 22 6 Tschechien 12 45 5 26 12 sehr positiv eher positiv weiss nicht/keine Antwort eher negativ sehr negativ gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (N = 13610) Diese generell positive Einstellung gegenüber der EU ist für Reformabsichten seitens der EU ein zentraler Baustein. Augenscheinlich haben breite Kreise unter den EU-Bürger:in- nen auf dieser sehr grundsätzlichen Ebene keine Vorbehalte, was in einem weiteren Schritt ein Startvorteil für Behördenvorlagen darstellt. Auch in der Schweiz beobachten wir einen ähnlichen Effekt: Mehrheiten stehen der öffentlichen Hand positiv gegenüber und beurteilen Behördenvorlagen aus einem anfänglichen Wohlwollen heraus, dass Be- hörden generell im Sinne der Bürger:innen handeln. Am positivsten ist die Meinung zur EU in den Ländern Estland (89% eher/sehr positiv), Portugal (86%), Litauen (85%), Rumänien (81%) sowie Irland (79%). Bemerkenswer- terweise sind darunter drei osteuropäische Länder, welche erst später zur EU gefunden haben. Die Meinung zur EU fällt in den folgenden Ländern zwar am negativsten aus, aber es findet sich immer noch eine absolute Mehrheit, welche ein positives Bild von der EU hat: Tschechien (38% eher/sehr negativ), Niederlande (28%), Griechenland (37%), Slo- wakei (34%) und Frankreich (30%). In fast allen EU-Ländern fühlt sich eine absolute Mehrheit der Stimmberechtigten eher oder sogar sehr sicher: ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 6
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Grafik 2 Schweiz Nationales 55 43 2 Dänemark 66 23 3 5 3 Portugal Sicherheitsgefühl 28 57 3 6 6 Irland 30 55 2 4 9 Finnland 23 61 1 12 3 "Ganz generell: Wie sicher fühlen Sie sich in Österreich 29 52 3 11 5 Ihrem Land? Spanien 16 63 3 11 7 Niederlande 20 58 4 13 5 Estland 25 53 2 14 6 Deutschland 20 58 3 13 6 Wenn in der Umfrage auf "Ihr Land" Belgien 16 62 3 15 4 verwiesen wird, dann ist das Land gemeint, Schweden 25 52 3 13 7 in dem Sie (hauptsächlich) leben." Slowenien 26 51 2 14 7 Kroatien 20 53 6 16 5 Tschechien 14 59 3 17 7 in % Stimmberechtigter Polen 14 58 3 17 8 Ungarn 14 56 7 16 7 Rumänien 8 61 3 20 8 Bulgarien 10 56 4 18 12 Litauen 14 51 6 16 13 Frankreich 7 56 4 22 11 Slowakei 12 49 6 20 13 Lettland 11 50 2 26 11 Italien 8 53 2 28 9 Griechenland 5 45 2 35 13 Zypern 5 40 8 34 13 sehr sicher eher sicher weiss nicht/keine Antwort eher nicht sicher überhaupt nicht sicher gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (N = 13610) Einzig in Zypern fühlt sich eine knappe relative Mehrheit unsicher (47% eher /überhaupt nicht sicher). In Zypern muss jedoch die relativ kleine Stichprobe bedacht werden, so dass eine gewisse Vorsicht angebracht ist bei der Interpretation und Bewertung der Länderresultate. Neben Zypern weisen folgende Länder die höchsten Anteile an Unsicherheit auf: Griechenland (48%), Italien (37%), Lettland (37%) sowie Slowakei (33%). Zypern, Griechenland und Italien haben einen besonderen Bezug zur EU- Aussengrenze und somit auch zu Frontex. Das erhöhte Unsicherheitsgefühl in Griechenland und Zypern lässt sich vermutlich zumindest teilweise auch auf die regionalen Konflikte mit der Türkei zurückführen. Bei Lettland hingegen kann die unmittelbare Nachbarschaft zu Russland und Belarus zum Unsicherheitsgefühl beitragen. In einer thematisch und zeitlich vergleichbaren Schweiz fühlten sich 98 Prozent der befragten Stimmberechtigten eher/sehr sicher, während minderheitliche 2 Prozent angaben, sich eher nicht sicher zu fühlen. Auf der EU-Ebene ist das wichtigste Sicherheitselement die Polizei (89% eher/sehr wichtig): ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 7
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Grafik 3 Schweiz Polizei 53 42 5 Portugal 47 47 1 4 1 Finnland 66 28 3 2 1 (auf nationaler oder Litauen 72 22 3 3 Ungarn 60 34 2 3 1 tieferer Ebene) Schweden Estland 57 64 37 29 2 3 2 4 2 "Wie wichtig sind folgende Elemente für Ihr Deutschland 62 32 1 3 2 Sicherheitsgefühl?" Rumänien 55 37 1 5 2 Österreich 60 32 2 5 1 in % Stimmberechtigter Irland 53 39 1 4 3 Bulgarien 49 42 5 4 Dänemark 67 23 4 5 1 Tschechien 51 39 4 5 1 Spanien 47 43 2 6 2 Belgien 50 40 3 6 1 Polen 47 42 4 6 1 Niederlande 43 46 2 7 2 Frankreich 44 44 4 5 3 Kroatien 43 46 10 2 Slowakei 46 42 2 5 5 Griechenland 46 41 1 9 3 Lettland 49 37 2 10 2 Zypern 51 34 3 10 2 Slowenien 37 47 1 13 2 Italien 34 43 3 15 5 sehr wichtig eher wichtig weiss nicht/keine Antwort eher unwichtig völlig unwichtig gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (N = 13610) In jedem EU-Land ist eine absolute Mehrheit der Meinung, dass die Polizei wichtig ist. In allen Ländern würden mindestens 77 Prozent der befragten Stimmberechtigten die Polizei als eher bis sehr wichtig einschätzen. Die Schweiz weist mit 95 Prozent den höchsten Anteil an eher/sehr wichtig auf. Die grenzüberschreitende Polizeizusammenarbeit wird auf EU-Ebene von 87 Prozent der Befragten als eher bis sehr wichtig empfunden und ist somit das zweitwichtigste Si- cherheitselement: Grafik 4 Estland Grenzüber- 59 35 1 4 1 Portugal 54 40 2 4 Deutschland schreitende 63 30 2 4 1 Österreich 60 33 1 5 1 Schweiz Polizeizusammen- 45 47 1 6 1 Belgien 51 39 4 5 1 arbeit Finnland 59 32 4 4 1 Ungarn 53 37 4 5 1 Schweden 60 30 4 5 1 "Wie wichtig sind folgende Elemente für Ihr Rumänien 59 30 3 6 2 Sicherheitsgefühl?" Kroatien 40 49 2 6 3 Litauen 71 19 2 6 2 Polen 48 39 7 4 2 in % Stimmberechtigter Bulgarien 43 44 2 8 3 Griechenland 49 38 10 3 Spanien 46 40 3 9 2 Irland 49 38 4 7 2 Tschechien 48 38 5 7 2 Slowenien 36 49 3 9 3 Slowakei 45 40 4 7 4 Dänemark 53 30 8 7 2 Frankreich 40 43 6 8 3 Niederlande 37 46 8 6 3 Lettland 47 35 8 8 2 Zypern 45 36 6 10 3 Italien 32 45 8 11 4 sehr wichtig eher wichtig weiss nicht/keine Antwort eher unwichtig völlig unwichtig gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (N = 13610) Auch bei diesem Element findet sich in jedem Land eine absolute Mehrheit, welche die internationale Polizeizusammenarbeit als wichtig beurteilt. In allen Ländern bewerten ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 8
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X mindestens 77 Prozent der Stimmberechtigten die grenzüberschreitende Polizeizusam- menarbeit als eher bis sehr wichtig. Die Schweiz befindet sich diesbezüglich mit 92 Pro- zent in den Top-Fünf-Ländern. Auf EU-Ebene nimmt der nationale Grenzschutz den dritten Platz bei den wichtigsten Sicherheitselementen ein (84% eher/sehr wichtig): Grafik 5 Finnland Nationaler 79 17 2 20 Estland 74 21 1 3 1 Polen Grenzschutz 69 25 2 31 Rumänien 67 27 1 4 1 Griechenland 71 23 1 4 1 "Wie wichtig sind folgende Elemente für Ihr Litauen 82 11 3 3 1 Sicherheitsgefühl?" Ungarn 64 29 2 4 1 Bulgarien 59 32 2 6 1 Kroatien 58 34 0 6 2 in % Stimmberechtigter Lettland 67 23 3 5 2 Slowakei 62 28 2 5 3 Schweden 60 29 4 5 2 Zypern 65 23 3 6 3 Spanien 42 43 2 11 2 Schweiz 36 49 12 3 Österreich 53 31 2 12 2 Deutschland 50 34 3 10 3 Portugal 36 45 2 15 2 Dänemark 51 28 3 14 4 Irland 34 41 4 16 5 Tschechien 35 39 4 16 6 Slowenien 33 40 2 20 5 Frankreich 29 43 7 17 4 Niederlande 28 43 7 17 5 Italien 28 40 5 17 10 Belgien 30 37 7 18 8 sehr wichtig eher wichtig weiss nicht/keine Antwort eher unwichtig völlig unwichtig gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (N = 13610) Auch hier findet sich in jedem der befragten Länder eine absolute Mehrheit an Stimm- berechtigten, welche den nationalen Grenzschutz als eher bis sehr wichtig einschätzen. In allen Ländern, ausser Tschechien (74%), Slowenien (73%), Frankreich (72%), Nie- derlande (71%), Italien (68%) und Belgien (67%) bewerten mindestens 75 Prozent der Stimmberechtigten den nationalen Grenzschutz als eher bis sehr wichtig. Die Schweiz befindet sich mit 85 Prozent diesbezüglich im Mittelfeld. Auf EU-Ebene sind 83 Prozent der Stimmberechtigten der Ansicht, dass der europäische Grenzschutz eher bis sehr wichtig ist: ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 9
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Grafik 6 Estland Europäischer 70 26 121 Ungarn 59 33 3 3 2 Rumänien Grenzschutz 66 27 1 5 1 Finnland 67 25 3 4 1 Kroatien 55 36 2 6 1 "Wie wichtig sind folgende Elemente für Ihr Litauen 79 11 3 5 2 Sicherheitsgefühl?" Österreich 58 31 3 6 2 Lettland 63 26 3 6 2 Bulgarien 53 34 3 8 2 in % Stimmberechtigter Slowakei 53 34 2 6 5 Deutschland 54 32 3 9 2 Schweden 51 35 5 7 2 Spanien 45 40 3 10 2 Griechenland 45 40 11 4 Portugal 37 48 2 11 2 Polen 47 37 5 8 3 Zypern 53 29 5 10 3 Niederlande 38 44 3 12 3 Irland 38 44 4 12 2 Schweiz 26 54 1 14 5 Belgien 38 40 6 12 4 Dänemark 49 29 5 12 5 Tschechien 40 37 6 11 6 Slowenien 37 38 4 17 4 Italien 34 40 3 13 10 Frankreich 32 41 7 15 5 sehr wichtig eher wichtig weiss nicht/keine Antwort eher unwichtig völlig unwichtig gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (N = 13610) Für die Wichtigkeit des europäischen Grenzschutzes findet sich ebenfalls in jedem Land eine absolute Mehrheit. In allen Ländern, ausser in Italien (74%) und Frankreich (73%), bewerten mindestens 75 Prozent der Stimmberechtigten den nationalen Grenzschutz als eher bis sehr wichtig. Die Schweiz befindet sich mit 80 Prozent diesbezüglich im unteren Drittel. Über alle EU-Länder hinweg sind 80 Prozent der Befragten der Meinung, dass Selbst- schutzmöglichkeiten für die eigene Sicherheit eher bis sehr wichtig sind. Dies ist über alle abgefragten Sicherheitselemente jenes mit der geringsten Wichtigkeit: ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 10
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Grafik 7 Litauen 78 15 3 4 Wichtigkeit Kroatien 45 46 1 8 Rumänien 54 36 3 6 1 Selbstschutz Finnland 56 34 4 5 1 Polen 55 35 4 4 2 Estland 49 41 2 8 Slowakei 49 40 3 7 1 "Wie wichtig sind folgende Elemente für Ihr Zypern 51 37 2 8 2 Sicherheitsgefühl?" Bulgarien 48 40 2 8 2 Schweden 52 36 3 7 2 in % Stimmberechtigter Lettland 57 31 3 7 2 Griechenland 44 42 10 4 Ungarn 41 44 5 9 1 Slowenien 44 40 3 9 4 Tschechien 44 40 5 10 1 Portugal 35 48 3 12 2 Niederlande 31 51 5 11 2 Spanien 31 49 3 15 2 Österreich 43 35 3 16 3 Irland 28 49 7 12 4 Deutschland 35 39 5 19 2 Belgien 28 44 10 14 4 Dänemark 35 33 8 20 4 Italien 23 41 7 17 12 Frankreich 21 43 11 19 6 sehr wichtig eher wichtig weiss nicht/keine Antwort eher unwichtig völlig unwichtig gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (N = 13610) Zuletzt findet sich auch beim Selbstschutz in jedem EU-Land eine absolute Mehrheit an Stimmbürger:innen, welche dieses Sicherheitselement als eher bis sehr wichtig beurtei- len. In allen Ländern, ausser Deutschland (74%), Belgien (72%), Dänemark (68%), Ita- lien (64%) und Frankreich (64%), bewerten mindestens 75 Prozent der Stimmberech- tigten den nationalen Grenzschutz als eher bis sehr wichtig. In der Schweizer Befragung wurde dieses Sicherheitselement nicht abgefragt. Beim Vergleich EU-Schweiz zeigt sich, dass die Sicherheitselemente die gleiche Rang- folge hatten, aber der Schweizer Anteil jeweils zwischen 1 und 6 Prozentpunkten höher ausfiel. Die einzige Ausnahme zu letzterem Punkt ist der europäische Grenzschutz, da dies das einzige Sicherheitselement ist, bei welchem die Wichtigkeitsanteile in der Schweiz kleiner sind als jene auf EU-Ebene. Insgesamt ergänzt dieser zweite Blick auf die Grundstimmung das generelle Wohlwollen gegenüber der EU. Die EU-Bürger:innen stehen nicht nur der EU grossmehrheitlich po- sitiv gegenüber, sie betonen mit deutlicher Mehrheit auch die grosse Wichtigkeit von länderübergreifender Polizeiarbeit und ebensolchem Grenzschutz. Das generelle syste- mische Vertrauen gegenüber der EU hat damit auch eine explizit operative Komponente: Die EU erfüllt gerade in der Polizei- und Grenzschutzarbeit eine Funktion, die als indi- viduell wichtig für das eigene Sicherheitsgefühl eingestuft wird. Politische Anpassungen an europäischer Polizei und europäischem Grenzschutz stehen damit von Beginn weg unter kritischer Beobachtung. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 11
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X 2.2 Frontex In acht von 25 Ländern kennt eine absolute Mehrheit der Stimmberechtigten Frontex mindestens dem Namen nach: Grafik 8 Griechenland 62 24 13 1 Kenntnis Frontex Österreich 38 26 32 3 Deutschland 34 28 35 3 "Sprechen wir nun über Frontex. Können Litauen 26 32 31 11 Sie sich erinnern, schon einmal Slowenien 25 32 41 2 irgendetwas über Frontex gehört zu Polen 25 31 40 4 Bulgarien 19 35 40 6 haben?" Kroatien 21 32 40 7 Ungarn 23 24 48 4 in % Stimmberechtigter Italien 16 29 48 7 Rumänien 16 29 50 5 Finnland 22 22 49 7 Zypern 24 20 50 6 Belgien 20 20 56 5 Portugal 13 25 56 6 Spanien 16 22 55 6 Estland 12 26 54 9 Tschechien 18 20 58 4 Dänemark 17 20 57 6 Schweden 14 22 56 8 Frankreich 17 19 55 10 Lettland 12 22 56 9 Niederlande 10 22 64 5 Slowakei 12 19 60 9 Irland 7 13 68 12 Ja, ich weiss, was Frontex ist Ich kenne Frontex nur dem Namen nach. Nein, ich weiss nicht, was Frontex ist weiss nicht / keine Angabe gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (N = 13610) In Griechenland ist Frontex am bekanntesten, da 86 Prozent der Befragten angeben, Frontex mindestens vom Namen her zu kennen. Dies lässt sich mindestens teilweise mit der direkten Betroffenheit von Griechenland bezüglich den Migrationsströmen und somit auch Frontex erklären. Frontex ist zudem in Österreich (64%), Deutschland (62%), Litauen (58%) und Slowenien (57%) vergleichsweise am bekanntesten. Auf EU-Ebene sind die Stimmberechtigten fast in zwei gleich grosse Lager gespalten: 46 Prozent kennen Frontex mindestens vom Namen her, während 48 Prozent nicht wissen, was Frontex ist. Dies ist ein Indiz für einen tiefen Problemdruck, da das Interesse und die Wahrnehmung von Frontex eher tief ausfallen. Erfahrungsgemäss ist fehlende Kenntnis in Bezug auf politische Themen ein wichtiger Indikator dafür, dass in diesem Bereich kein eminentes Problem vermutet wird. Exakt solches bestätigt sich mit Blick auf die generelle Einstellung gegenüber Frontex: Auf EU-Ebene haben 55 Prozent der Befragten eine positive Meinung von Frontex, während minderheitliche 14 Prozent ein negatives Bild haben: ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 12
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Grafik 9 Rumänien 27 46 20 5 2 Meinung zu Frontex Polen 19 48 23 8 2 Bulgarien 16 46 27 9 2 Litauen 20 42 23 14 1 "Frontex ist die Europäische Agentur für Kroatien 9 52 30 7 2 die Grenz- und Küstenwache und ist Tschechien 21 41 23 10 5 zuständig für den Schutz der EU- Griechenla… 16 43 15 20 6 Aussengrenzen. Dänemark 26 32 31 8 3 Deutschland 16 41 26 13 4 Ganz generell: Wie ist Ihre Meinung zu Estland 13 44 38 4 1 Frontex?" Portugal 16 41 36 6 1 Österreich 17 39 23 15 6 in % Stimmberechtigter Slowenien 16 40 34 7 3 Finnland 17 38 38 6 1 Spanien 13 41 32 10 4 Lettland 13 41 37 8 1 Zypern 15 36 35 10 4 Ungarn 13 37 34 12 4 Irland 12 37 46 2 3 Slowakei 13 36 39 9 3 Niederlande 11 36 43 8 2 Schweden 15 31 46 5 3 Italien 10 36 33 14 7 Belgien 7 37 39 14 3 Frankreich 7 33 43 11 6 Sehr positiv Eher positiv Weiss nicht/keine Antwort Eher negativ Sehr negativ gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (N = 13610) Dies spricht für eine mehrheitlich positive Besetzung von Frontex, während die Gegengruppe sichtbar stärker desinteressiert und wenig kritisch ist. Am positivsten fällt die Beurteilung von Frontex in Rumänien (73% eher/sehr positiv), Polen (67%), Bulgarien (62%), Litauen (62%) und Kroatien (61%) aus. In keinem Land findet sich eine wirklich breite Unzufriedenheit, aber vergleichsweise am höchsten fällt sie in Griechenland (26% eher/sehr negativ), Österreich (21%), Italien (21%), Deutschland (17%), Frankreich (17%) und Belgien (17%) aus. Die vergleichsweise schwach ausgeprägte negative Meinung zu Frontex bestärkt die vorgängig festgehaltene tiefe Problemsicht. Die Prämissen eines europäischen Grenzschutzes werden als wichtig eingestuft, Frontex findet wenig Beachtung und sichtbar mehrheitlichen Sukkurs. Entsprechend hat es eine Vorlage, die hier potenziell Reformen einfordert, schwierig. Folgerichtig zeigt sich: In keinem EU-Land kennt eine relative oder absolute Mehrheit der Stimmberechtigten die Kritik an Frontex: ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 13
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Grafik 10 Griechenland 46 6 48 Kenntnis Kritik Österreich 42 8 50 Deutschland 41 9 50 Frontex Litauen 40 19 41 Slowenien 36 14 50 "Frontex steht in letzter Zeit regelmässig in Kroatien 30 8 62 Kritik. Verschiedene Untersuchungen Italien 29 17 54 haben ergeben, dass Frontex bei Zypern 26 14 60 Menschenrechtsverletzungen an der EU- Polen 25 8 67 Aussengrenze bewusst weggeschaut und Spanien 25 10 65 damit Leib und Leben von Flüchtlingen Ungarn 23 8 69 gefährdet hat. Dänemark 23 11 66 Rumänien 22 9 69 Haben Sie von diesen Vorwürfen an Estland 22 21 57 Frontex schon einmal gehört, gesehen oder Finnland 21 14 65 gelesen?" Bulgarien 20 7 73 Belgien 20 17 63 Lettland 20 25 55 in % Stimmberechtigter Niederlande 20 9 71 Portugal 20 10 70 Tschechien 20 10 70 Frankreich 19 15 66 Slowakei 15 17 68 Schweden 14 13 73 Irland 9 15 76 Ja, habe davon gehört weiss nicht/keine Antwort Nein, habe davon nicht gehört gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (N = 13610) Auf EU-Ebene haben 26 Prozent aller Befragten von der Kritik gehört, während fast zwei Drittel noch nichts davon gehört haben. Diese minderheitliche Kritikwahrnehmung bestärkt den Punkt, dass sowohl der konstatierte Problemdruck wie auch die darauf aufbauende Themenwahrnehmung tief ausfallen. Vergleichsweise am bekanntesten ist die Kritik in Griechenland (46% Ja, habe davon gehört), Österreich (42%), Deutschland (41%), Litauen (40%) und Slowenien (36%). Am unbekanntesten ist die Kritik in Irland (9%), Schweden (14%), Slowakei (15%) und Frankreich (19%). Die Zustimmung im Generellen findet sich auch auf der Ebene spezifischer Argumente. Die vier meistgeteilten Aussagen rund um Frontex unterstreichen die positive Sicht auf die Organisation. So werden die vier folgenden Aussagen auf EU-Ebene mehrheitlich geteilt: Es ist ziemlich verlogen, Frontex den Auftrag zu geben, unsere Grenzen zu schützen, und Frontex dann zu kritisieren, wenn sie ihre Arbeit tun (60% eher/voll einverstanden). Dank Frontex können Polizei und Grenzschutz der einzelnen EU-Länder ihre Arbeit viel effizienter und effektiver wahrnehmen (57% eher/voll einverstanden). Ohne die Arbeit von Frontex würde die EU durch riesige Migrationsströme überschwemmt (57%). Anstatt Asylsuchende abzuwehren, gewährt man ihnen besser sicheren Zugang zu einem ordentlichen Asylverfahren in den einzelnen EU-Ländern (53%). Es gibt nur ein mehrheitlich geteiltes Contra-Argument und zwar die Forderung nach einem sicheren Zugang zu einem ordentlichen Asylverfahren. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 14
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Minderheitliche Zustimmung liess sich bei den restlichen Contra-Argumenten beobachten: Durch die Arbeit von Frontex ist die EU für tote Asylsuchende im Mittelmeer mitverantwortlich (32%). Das Vorgehen von Frontex ist eine Schande für die langjährige humanitäre Tradition in Europa (27%). Gerade die beiden stark aus einer Moralvorstellung heraus formulierten Aussagen nach Mitverantwortung an toten Asylsuchenden und Schande für eine langjährigen Tradition werden dabei nicht nur klar minderheitlich gestützt, wir finden auch in allen Ländern gewichtige Anteile von Personen, die eine solche Beurteilung nicht vornehmen können. Augenscheinlich stellt man sich solche Fragen im Zusammenhang mit Frontex gar nicht, was ein weiterer Hinweis darauf ist, dass die gerade auf diesen Dimensionen geäusserte Kritik an Frontex (aus Desinteresse) zu wesentlichen Teilen schlicht nicht wahrgenom- men wurde. In der Folge erstaunt es auch nicht: Zusätzliche Frontex-Gelder sollten gemäss einer absoluten Mehrheit in zwei Dritteln der befragten Länder für den Grenzschutz ausgegeben werden: Grafik 11 Litauen Stärkerer Grenzschutz 52 26 6 13 3 Bulgarien 46 31 5 16 2 Polen 41 31 12 12 4 vs. Verbesserung Estland 35 37 11 13 4 Rumänien 38 33 8 18 3 Menschenrechts- Tschechien Slowakei 44 27 13 13 3 36 35 11 13 5 situation von Lettland Ungarn 37 41 33 29 10 13 13 18 4 2 Flüchtlingen Griechenland Kroatien 27 35 38 32 4 6 20 27 7 4 Zypern 39 23 11 20 7 "Nehmen wir an, Frontex würde zusätzliche Österreich 34 27 7 20 12 finanzielle Mittel erhalten und Sie könnten Frankreich 31 27 15 19 8 selber entscheiden, was Frontex damit Slowenien 28 27 9 28 8 machen muss. Finnland 28 25 18 24 5 Italien 25 26 11 25 13 Sollte Frontex diese Mittel lieber in einen Belgien 25 25 15 26 9 stärkeren Grenzschutz investieren oder Niederlande 29 20 13 21 17 lieber für eine Verbesserung der Spanien 23 25 13 27 12 Menschenrechtssituation von Flüchtlingen Deutschland 23 24 12 27 14 nutzen?" Dänemark 24 23 21 21 11 Portugal 22 24 10 34 10 Schweden 21 23 19 26 11 in % Stimmberechtigter Irland 16 19 13 33 19 Unbedingt in einen stärkeren Grenzschutz investieren Eher in einen stärkeren Grenzschutz investieren weiss nicht/keine Antwort Eher für Verbesserung der Menschenrechtssituation von Flüchtlingen nutzen gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (N = 13610) Unbedingt für Verbesserung der Menschenrechtssituation von Flüchtlingen nutzen In fast allen anderen Ländern spricht sich eine relative Mehrheit für die Verstärkung des Grenzschutzes aus. Die Nutzung der Gelder für die Verbesserung der Menschenrechtssituation von Flüchtlingen wird nur in Irland gefordert, dafür aber von einer absoluten Mehrheit. Insgesamt bestärkt eine solche Einschätzung die Grundhaltung: Frontex ist wichtig und sichtbar nicht mit Menschenrechtsverletzungen konnotiert, Gelder sollen - wenn schon - für verbesserten Grenzschutz ausgegeben werden. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 15
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Auf dieser Grundhaltung entsteht in einem nächsten Schritt die Mobilisierungskraft einer politischen Vorlage. In der Schweiz zeigt sich, dass die Mobilisierungskraft einer politischen Vorlage dann gross ist, wenn ein Thema entweder ein eminentes Problem anspricht und damit aus Sicht der Stimmberechtigten einen hohen Problemdruck aufweist oder aber einen starken Eingriff in den eigenen Alltag beinhaltet. Indirekt ist die geäusserte Teilnahmeabsicht damit ein Indikator dafür, wie stark ein politisches Thema eines der beiden Elemente anspricht. Bei der Betrachtung der Teilnahmeabsicht setzen wir das Hauptaugenmerk auf jene Stimmberechtigten, welche bestimmt an der Volksabstimmung teilnehmen würden, weil die anderen sich erfahrungsgemäss nicht an einer Abstimmung engagieren werden. In der Schweiz beobachten wir zum gleichen Zeitpunkt der europäischen Befragungen eine Teilnahmeabsicht für den Schweizer Urnengang von 44 Prozent. Dies ist marginal unter der durchschnittlichen Beteiligung, wie wir sie bei Schweizer Urnengängen beobachten und zeigt für die Schweiz auf, dass die Vorlagen zum Urnengang vom 15. Mai weder vom Problemdruck noch vom Alltagsbezug her zum Zeitpunkt der Befragung grosse Wellen werfen. Eine zweite Befragung in der Schweiz rund einen Monat später hält fest, dass dieser Problemdruck auch 20 Tage vor der Abstimmung nicht spürbar angewachsen ist. Grafik 12 Dänemark 52 25 14 6 3 Teilnahmeabsicht Griechenland 51 33 5 9 2 Deutschland 50 30 10 7 3 Volksabstimmung Litauen 47 36 9 6 2 Portugal 46 39 9 5 1 Frontex Rumänien 46 37 8 7 2 Slowenien 46 31 7 11 5 "Nehmen Sie an, es würde auch in Ihrem Österreich 45 33 11 8 3 Land eine Volksabstimmung darüber Schweiz 43 44 2 7 4 geben, ob Ihr Land einen Ausbau von Italien 41 34 11 10 4 Frontex mit zusätzliche Finanzen Zypern 40 33 9 15 3 unterstützen soll oder nicht. Sie wären Spanien 40 36 13 8 3 berechtigt, an einer solchen Abstimmung Schweden 39 34 18 7 2 teilzunehmen und für die Politik in Ihrem Kroatien 38 38 10 10 4 Land wäre dieser Volksentscheid Ungarn 37 39 11 10 3 verbindlich. Tschechien 37 35 13 11 4 Bulgarien 35 43 10 9 3 Würden Sie selber an dieser Irland 35 36 16 10 3 Volksabstimmung bestimmt teilnehmen, Polen 33 44 14 6 3 eher teilnehmen, eher nicht teilnehmen Niederlande 32 34 16 13 5 oder bestimmt nicht teilnehmen?" Slowakei 32 30 17 16 5 Estland 31 43 14 9 3 Frankreich 29 40 17 9 5 Finnland 27 40 16 14 3 in % Stimmberechtigter Belgien 26 40 21 8 5 Lettland 22 50 10 15 3 Bestimmt teilnehmen Eher teilnehmen Weiss nicht/keine Antwort gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (N = 13610) Eher nicht teilnehmen Bestimmt nicht teilnehmen Werfen wir nun den gleichen Blick auf die aktuelle Mobilisierung in den europäischen Ländern lassen sich diese in drei Untergruppen einteilen: Stimmbeteiligung höher als in der Schweiz, Stimmbeteiligung vergleichbar mit der Schweiz sowie mit einer tieferen Stimmbeteiligung als in der Schweiz. In der ersten Gruppe finden wir mit einer Teilnahmeabsicht von mindestens 47 Prozent (bestimmt teilnehmen) Dänemark, Griechenland, Deutschland und Litauen. Eine ähnliche Stimmbeteiligung wie in der Schweiz ist zu vermuten, sofern sie sich zwischen 42 und 46 Prozent bewegt. Dies trifft auf Portugal, Rumänien, Slowenien und Österreich zu. Die restlichen 17 Ländern weisen eine tiefere Teilnahmeabsicht auf als wir im März 2022 in der Schweiz beobachtet haben. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 16
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Somit gibt es acht EU-Länder, welche sich bei einer Frontex-Abstimmung zum Zeitpunkt der Befragung genauso wie oder stärker als die Schweiz engagieren würden. Unter Berücksichtigung, dass es beim Thema "Frontex" auch in Europa keinen hohen geäusserten Problemdruck oder Alltagsbezug gibt, ist diese Beobachtung durchaus bemerkenswert. Es zeigt sich aber auch aufgrund des höchsten Teilnahmewerts (52% bestimmt teilnehmen), dass bei Sachentscheiden nicht die teilweise hohen Partizipationswerte von Wahlen erreicht werden . Die Mobilisierungskraft bei 1 Sachentscheiden läuft dementsprechend von Beginn an in einem von der Schweiz her bekannten Ausmass, auch wenn die Mobilisierung situativ unterschiedlich und abhängig vom Problemdruck stark variieren kann. In einem weiteren Schritt beleuchten wir auf dieser Basis die zum Zeitpunkt der Befragung geäusserten Stimmabsichten. Erfahrungsgemäss sind diese gerade in Situationen eines laufenden Abstimmungskampfes dynamisch und ändern sich insbesondere in den letzten zehn Wochen vor einem Sachentscheid an der Urne spürbar. Sofern Themen in der Bevölkerung keinen hohen Problemdruck oder ebensolchen Alltagsbezug aufweisen, zeigt sich in der Schweiz öfters eine anwachsende Zustimmung zur Regierungsposition: Die Stimmberechtigten neigen in der Tendenz dazu, dann auf die Regierungsposition einzuschwenken, wenn sie ein Thema nicht stark beschäftigt. Entsprechend erstaunt es aufgrund des konstatiert fehlenden Problemdrucks nicht weiter, dass sich zu einem mit den europäischen Befragungen vergleichbaren Zeitpunkt 63 Prozent aller Stimmwilligen der Frontex-Gesetzesvorlage dafür und klarminderheitliche 29 Prozent dagegen aussprechen. Der Anteil der Zustimmung bestätigt sich auch zum Zeitpunkt einer Messung rund 20 Tage vor dem Abstimmungstag, wobei die Zustimmung sogar leicht ansteigt und vor dem Schlussspurt in der Abstimmungskampagne gesteigerte 69 Prozent ausmacht. Im Vergleich sprechen sich die Befragten aus den europäischen Ländern zu 77 Prozent mehr oder weniger dezidiert im Sinne einer hypothetischen Frontex-Ausbauvorlage aus. 1 2019 betrug die durchschnittliche Wahlbeteiligung für die Europawahl über alle Länder hin- weg 50.99 Prozent. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 17
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Grafik 13 Litauen Stimmabsicht 53 36 8 3 Rumänien 59 29 5 3 4 Portugal Volksabstimmung 48 39 8 4 1 Lettland 45 42 1 4 8 Polen Frontex 56 30 4 4 6 Belgien 56 29 5 5 5 "Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie Zypern 47 37 2 10 4 sind, dass Sie an dieser hypothetischen Estland 37 47 8 5 3 Volksabstimmung teilnehmen würden: Kroatien 40 42 4 10 4 Wenn morgen schon darüber abgestimmt Tschechien 49 32 4 7 8 würde, dass Ihr Land den Ausbau von Ungarn 49 31 6 6 8 Frontex mit zusätzlichen Finanzen Spanien 51 28 8 6 7 unterstützt: Wären Sie dann bestimmt Frankreich 47 32 6 8 7 dafür, eher dafür, eher dagegen oder Bulgarien 49 29 5 9 8 bestimmt dagegen?" Finnland 36 42 8 10 4 Slowenien 35 42 5 10 8 in % Stimmberechtigter, die bestimmt Italien 42 33 6 11 8 teilnehmen wollen Griechenland 34 40 5 11 10 Deutschland 44 29 8 10 9 Niederlande 37 37 10 10 6 Österreich 36 36 6 11 11 Dänemark 39 33 12 12 4 Schweden 31 41 12 10 6 Irland 35 31 7 14 13 Schweiz 24 35 13 14 14 Slowakei 35 22 13 15 15 Bestimmt dafür Eher dafür Weiss nicht/keine Antwort Eher dagegen Bestimmt dagegen gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (n = 5196), sig. 44 Prozent tun dies dezidiert ("bestimmt dafür") weitere 33 Prozent mit Abstrichen ("e- her dafür"). Grafik 14 Stimmabsicht Volksabstimmung Frontex "Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser hypothetischen Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn morgen schon darüber abgestimmt würde, dass Ihr Land den Ausbau von Frontex mit zusätzlichen Finanzen unterstützt: Wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?" in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (n = 5196), sig. Damit weisen fast alle Länder eine gegenüber der Schweiz höhere Zustimmung zu einem Ausbau von Frontex aus. Die höchsten Befürworteranteile sind in Litauen, Rumänien, Portugal, Lettland und Polen zu finden, während diese Anteile in der Slowakei, Irland, Schweden, Dänemark und Österreich immer noch hoch, aber am tiefsten ausfallen. Insgesamt findet sich in keinem der befragten Länder eine minderheitliche Zustimmung. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 18
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Inwiefern sich Zustimmungswerte in dieser markanten Grössenordnung während einer Kampagnensituation, äquivalent zur Situation in der Schweiz, noch steigern, ist unsicher. In der Schweiz finden wir nur eher selten Zustimmungswerte zu Behördenvorlagen über 80 Prozent. Am meisten Zustimmung erhielt die Verfassungsgrundlage für eine Kriegssteuer im Rahmen des ersten Weltkriegs 1915, welche von 94% aller Urnengänger:innen angenommen wurde. Die jüngste markante Zustimmung stammt aus dem Jahre 2014, als ein Gesetz zur medizinischen Grundversorgung mit 88 Prozent angenommen wurde. Von 296 Behördenvorlagen seit Gründung der modernen Schweiz im 19. Jh. Erreichten nur 29 eine Zustimmung von über 80%, was vermuten lässt, dass die im europäischen Umfeld gemessenen sehr hohen Zustimmungswerte nicht zuletzt auf den stark hypothetischen Charakter und die darum fehlende kritische Diskussion in der Öffentlichkeit zu einer solchen Sachentscheidung in der Bevölkerung zurückzuführen sind und deshalb die Zustimmung im Vergleich zur Schweiz eher überzeichnet. Nichts desto trotz lassen sich die gleichen Faustregeln aus der Schweiz auch auf den europäischen Kontext übertragen: Wir beobachten keinen Problemdruck, wenig Alltagsbezug, eine vermutlich eher durchschnittliche Beteiligungsabsicht und auf dieser Basis eine starke Unterstützung einer Behördenposition. In diesem Setting spricht auch im europäischen Umfeld viel für eine schlussendliche Zustimmung, käme eine solche politische Vorlage an die Urne. Sowohl in der Schweiz wie auch im europäischen Umfeld geht die politische Meinungsbildung zu einer Sachentscheidung bis zum Augenblick der individuellen Stimmabgabe an der Urne. Alle Ereignisse und Kampagnenelemente können während dieser Zeit noch Einfluss entfachen. Exemplarisch wird in der Schweiz kurz vor der eigentlichen Urnenentscheidung noch stärker darüber diskutiert, ob ein Nein zu der Frontex-Vorlage dazu führt, dass die Schweiz die Vorteile des Schengenabkommens verliert. Setzt sie die Wahrnehmung durch, dass dem nicht so ist, kann dies durchaus eine kritische Sicht noch bestärken. 2.3 Argumente Zentral zum Verständnis wie gefestigt eine aktuell geäusserte Stimmabsicht dasteht, ist ein Blick auf die inhaltliche Begründung aufgrund des aktuellen argumentativen Diskur- ses. Folgerichtig findet sich die positive Stimmung gegenüber Frontex und einem finan- ziellen Ausbau auch hier: Für jedes Pro-Argument zu Frontex findet sich über alle EU- Länder eine absolute Mehrheit, welche dieses Argument als eher oder vollständig zutref- fend beurteilt: ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 19
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Grafik 15 Pro Argumente Solange jedes Jahr Hunderttausende Migranten nach Europa wollen, braucht 41 36 13 7 3 es eine starke europäische "Wir haben hier verschiedene Argumente Grenzschutzbehörde. rund um Frontex gesammelt, die man Ein starker Schutz der Schengen- immer wieder hören kann. Aussengrenzen schützt mein Land 24 39 17 14 6 erfolgreich vor grenzüberschreitender Geben Sie bitte jeweils ab, ob Sie damit Kriminalität und illegaler Migration. voll einverstanden, eher einverstanden, eher nicht oder gar nicht einverstanden Um ihre Aufgaben beim Grenzschutz auch sind." in Zukunft wahrnehmen zu können, 16 39 25 14 6 braucht Frontex mehr Geld und Ressourcen. in % Stimmberechtigter Mein Land profitiert punkto Sicherheit 16 35 23 18 8 stark vom Europäischen Grenzschutz. Auch wenn sich mein Land nicht stärker an Frontex beteiligen würde, verbessert 17 34 28 16 5 das die Lage von Asylsuchenden kein Stück. Für einen guten Schutz der EU-Grenzen lassen sich einzelne Verletzungen der 15 35 20 19 11 Menschenrechte kaum vermeiden. voll einverstanden eher einverstanden weiss nicht/keine Antwort gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (N = 13610) eher nicht einverstanden gar nicht einverstanden Von mehr als drei Vierteln der befragten Stimmberechtigten wird die Aussage unter- stützt, dass eine starke EU-Grenzschutzbehörde vonnöten ist, solange jedes Jahr Hun- dertausende Migrant:innen nach Europa wollen. Auf dem zweiten Platz findet sich das Argument, dass Frontex vor grenzüberschreitender Kriminalität und illegaler Migration schützt (63% eher/voll einverstanden). Dass Frontex mehr Geld und Ressourcen benö- tigt, unterstützten 55 Prozent der Befragten. Jeweils 51 Prozent sind der Meinung, dass ihr eigenes Land sicherheitstechnisch stark vom EU-Grenzschutz profitiert und dass sich die Lage der Asylsuchenden nicht verbessert, wenn sich das eigene Land nicht stär- ker an Frontex beteiligt. Eine relative Mehrheit ist der Ansicht, dass sich beim Grenz- schutz einzelne Menschenrechtsverletzungen kaum vermeiden lassen (50%). Bei diesen Argumenten und deren Zustimmungswerten wird erkennbar, dass Frontex, deren Auf- gabe und Beitrag sowie der Bedarf an zusätzlichen (finanziellen) Mitteln durchaus an- erkannt werden. Bei der Menschenrechtslage sieht man, dass die Hälfte der Befragten findet, dass man Menschenrechtsverletzungen kaum vermeiden kann, wenn man die Aussengrenze sichert. Diesem Lager steht rund ein Drittel der Befragten gegenüber, wel- che mit diesem Argument eher oder überhaupt nicht einverstanden sind. Anders sieht es hingegen auf der argumentativ gegenteiligen Seite aus. Eine absolut mehrheitliche Zustimmung zeigt sich nur bei zwei Contra-Argumenten: ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 2 0
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Grafik 16 Contra Argumente Bevor Frontex mehr Geld erhält, muss die Organisation ihre Kosten besser in 28 42 21 8 2 den Griff kriegen. "Wir haben hier verschiedene Argumente rund um Frontex gesammelt, die man Bevor Frontex mehr Geld erhält, muss die Organisation den Schutz der immer wieder hören kann. Menschenrechte besser in den Griff 25 38 20 12 5 kriegen. Geben Sie bitte jeweils ab, ob Sie damit Mein Land sollte nicht mehr Geld in die voll einverstanden, eher einverstanden, EU-Aussengrenze stecken, sondern eher nicht oder gar nicht einverstanden 19 31 19 22 9 besser in den nationalen Grenzschutz sind." investieren. Mein Land kann auch weiterhin von in % Stimmberechtigter Frontex profitieren, ohne mehr zahlen 14 35 28 19 5 zu müssen. Mein Land zahlt insgesamt schon genug an die EU, weitere Millionen für 17 30 27 20 6 Frontex sind nicht nötig. Die Aktivitäten von Frontex sind unmenschlich. Migration wird als 9 20 28 24 19 Bedrohung und Asylsuchende als Kriminelle hingestellt. Anstatt der Frontex noch mehr Geld zu 7 12 28 24 29 geben, sollte man sie abschaffen. voll einverstanden eher einverstanden weiss nicht/keine Antwort gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (N = 13610) eher nicht einverstanden gar nicht einverstanden Die mehrheitlich geteilte Kritik bezieht sich vor allem auf die Kostenkontrolle und dass der Menschenrechtsschutz verbessert werden muss. Der Frontex-Ausbau wird demnach nicht einfach bedingungslos unterstützt, und Frontex kann demnach nicht über Höhe und Verwendung der zusätzlichen Mittel frei entscheiden. Zudem wird hier auch betont, dass der nationale Grenzschutz nicht vernachlässigt werden sollte, nur weil Frontex die Aussengrenzen sichert. Hier zeigt sich auch, dass die Abschaffung von Frontex sowie die Kritik am Grenzschutz im Sinne der Verhinderung von Migration keine (relativ) mehrheitliche Unterstützung in der Stimmbevölkerung findet. Bemerkenswert dabei: Damit ist die aktuell mehrheitlich geäusserte Kritik an Frontex eher einer Kostendiskussion geschuldet, während ethische Bedenken sichtbar weniger geteilt werden. Solches bestätigt sich auch mit einer weiterführenden multivariaten Analyse zu den Wirkungszusammenhängen der einzelnen Argumente hin zur aktuellen Stimmabsicht2:Das meinungswirksamste Pro-Argument über alle EU-Länder hinweg ist die Aussage, dass Frontex für die zukünftige Aufgabenwahrnehmung mehr Geld und Ressourcen benötigt (21 Länder), während auf der kritischen Seite die Ansicht, dass das eigene Land schon genug zahlt und deshalb weitere Millionen nicht nötig sind, am stärksten Richtung Ablehnung wirkt (16 Länder). Sichtbar weniger relevant für die aktuelle Meinungsbildung ist demgegenüber die ethische Komponente, nur gerade in vier Länder (Italien, Irland, Deutschland und Belgien) hat die Aussage, dass das Vorgehen der Frontex eine Schande für die langjährige humanitäre Tradition in Europa ist, immerhin eine sekundäre Meinungswirkung, allerdings auch dort hinter der Kostendiskussion. Neben Hinweisen nach der inhaltlichen Begründung der hypothetischen Stimmabsichten, lässt sich aus einem solchen statistischen Verfahren noch eine zweite 2 Regressionsverfahren mit Stimmabsicht als abhängige Variable und Argumente/Aussagen aus unabhängige Variablen ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 2 1
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Erkenntnis herausziehen: Wie stark die Argumente die aktuelle Stimmabsicht begründen, zeigt der sogenannte R2- Wert. Je näher dieser Wert bei null ist, desto weniger ist eine Stimmabsicht inhaltlich begründet. Der Zusammenhang zwischen Argumentenbeurteilung und Stimmabsicht ist erfahrungsgemäss ein starker Beleg dafür, inwiefern eine politische Vorlage durch die Bevölkerung inhaltlich beurteilt wird und nicht nur in Folge eines affektiven Bauchgefühls. Damit ist dieser Wert durchaus auch ein Zeichen für den Reifegrad einer Bevölkerung sich aus politischen Informationen eine Meinung und politische Entscheidung zu bilden. Der R2- Wert in der Schweiz betrug zu einem vergleichbaren Zeitpunkt 0.6, was für eine politische Vorlage in einer frühen Phase der Meinungsbildung einen gewohnten Durchschnitt darstellt und sich im Verlauf einer Abstimmungskampagne noch steigert. Dieser Wert ist in Italien und Österreich über dem Schweizer Wert, in allen anderen Ländern aber darunter. Ein Teil dieses Unterschieds gegen unten ist zweifellos der Tatsache geschuldet, dass wir in der Schweiz eine durch die Volksabstimmung bedingte öffentliche Debatte haben, während diese in den europäischen Ländern mangels einer solchen Volksabstimmung nicht vorhanden ist. Auch in der Schweiz beobachten wir, dass die Wirkung von Argumenten während des eigentlichen Abstimmungskampfes noch sichtbar anwächst und nicht selten kurz vor der Abstimmung rund 80 Prozent aller Stimmabsichten direkt durch Argumentenbeurteilung begründet sind. Gehen wir hypothetisch davon aus, dass dieser Startvorteil der Schweiz schon jetzt die gleichen 20 Prozent ausmacht, scheinen auch Werte über 0.4 einer zur Schweiz vergleichbar fundierten Meinungsbildung zu entsprechen. Mit Ausnahme der Slowakei, von Kroatien, Portugal, Zypern, Litauen und Rumänien trifft dies für alle EU-Länder zu . Augenscheinlich ist die Bevölkerung in der EU durchaus ähnlich fit wie die Schweizer Bevölkerung, politische Positionen zu einem politischen Entscheid zu verdichten. Allerdings zeigen weitergehende statistische Modellierungen, dass das argumentative Bild in der Zustimmung nicht so weit geht, wie die aktuell geäusserte Stimmabsicht darlegt. Für diesen Vergleich bilden wir auf Basis der Argumente einen Index für oder gegen die Vorlage und vergleichen diesen mit den aktuell geäusserten Stimmabsichten: ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 22
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X Grafik 17 100 Index zu Frontex 90 Stimmabsicht bestimmt/eher Argumenten dafür 80 in % Stimmberechtigter, 70 die bestimmt teilnehmen wollen Index Argumente (Ja-Anteil) 60 50 40 30 20 10 0 Lettland Schweden Deutschland Estland Polen Niederlande Zypern Österreich Dänemark Frankreich Griechenland Italien Portugal Belgien Bulgarien Slowenien Spanien Tschechien Slowakei Ungarn Irland Litauen Rumänien Gesamt Schweiz Finnland Kroatien gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (n = zwischen 36 und 309 pro Land) Dabei finden wir in allen Ländern Luft nach unten: Hier sprechen sich die entsprechenden Sympathisant:innen argumentativ sichtbar weniger stark für die Vorlage aus, als sie dies aktuell mit ihrer Stimmabsicht zum Ausdruck bringen. Erfahrungsgemäss ist eine solche Diskrepanz ein Zeichen dafür, dass in der aktuell geäusserten Stimmabsicht durchaus noch ein spürbarer Anteil Bauchgefühl und Spontanmeinung dabei ist, welcher bei einem eigentlichen Abstimmungskampf und damit einhergehender zunehmender inhaltlicher Auseinandersetzung mit der Vorlage abnimmt und damit die Stimmabsicht zum Erodieren bringt. Bezeichnenderweise sind die beiden Linien in der Schweiz bei Sachabstimmungen meist zu Beginn schon viel näher zusammen, was einen Hinweis darauf liefert, dass die Stimmberechtigten in der Schweiz sich von Beginn weg spürbar inhaltsbezogener mit politischen Themen auseinandersetzen. Es kann vermutet werden, dass dies mit einer generell erhöhten Sensibilität gegenüber politischen Themen zusammenhängt, wenn man als Stimmbürgerschaft weiss, dass man darüber abstimmen wird. Besonders spannend ist hier der Vergleich mit dem gleichen Index aus der SRG- Voranalyse: Die Differenz zwischen dem Argumentenindex und der geäusserten Stimmabsicht ist in der EU grösser als in der Schweiz, wo die beiden Linien fast deckungsgleich sind. Für eine mögliche Entwicklung der Stimmabsicht im EU-Raum bedeutet dies: Würde die Frontex-Gegnerschaft das ganze Potenzial im eigenen Sinne ideal kommunikativ adressieren, könnte die Zustimmung in Griechenland und Italien auf die 50 Prozent- Marke absinken und in Zypern sogar unter diese Marke fallen. ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 2 3
E U-V E RG L E I CHSST UDI E F RO NTE X 2.4 Demokratiewunsch In fast drei Vierteln der befragten Länder findet sich eine absolute Mehrheit, welche eine NATIONALE FRONTEX-ABSTIMMUNG tendenziell eine gute Idee finden würde: Grafik 18 100 Wunsch direkte 90 Demokratie - Frontex 80 Nationale "Fänden Sie es eine gute Idee, wenn..." Volks- 70 abstimmung Frontex in % Stimmberechtigter, die dies für eine 60 eher/sehr gute Idee halten 50 40 30 20 Europaweite Volks- abstimmung 10 Frontex 0 Deutschland Lettland Griechenland Österreich Estland Frankreich Polen Schweden Zypern Italien Belgien Niederlande Portugal Rumänien Dänemark Spanien Ungarn Irland Litauen Kroatien Slowenien Bulgarien Slowakei Tschechien Finnland gfs.bern, Frontex EU, März 2022 (N = 13610) Relative Mehrheiten für diese Idee finden sich in Dänemark, Frankreich, Lettland, Niederlande, Slowenien und Schweden. In Finnland findet sogar eine relative Mehrheit von 45 Prozent der befragten Stimmberechtigten, dass dies eine eher oder sogar sehr schlechte Idee ist. Über alle EU-Länder hinweg wird dies von 60 Prozent der Befragten als eine gute Idee empfunden. Die Idee einer EUROPAWEITEN FRONTEX-ABSTIMMUNG wird von fast allen Ländern absolut mehrheitlich unterstützt. In Schweden wird dieses Vorhaben noch von einer relativen Mehrheit als gute Idee empfunden. Auch hier findet eine relative Mehrheit der finnischen Stimmberechtigten, dass dies eine schlechte Idee ist (43% eher/sehr schlecht). Auf EU- Ebene sind 66 Prozent der Befragten der Meinung, dass dies eine gute Idee sei. Beim Wunsch nach ALLGEMEINEN ABSTIMMUNGEN IM EIGENEN LAND findet sich in allen EU-Län- dern eine absolute Mehrheit, welche dieses Vorhaben als eine gute Idee einstuft: ©gfs.ber n | M ensc hen.M ei nu ngen. M är kte. | A pr i l 2 02 2 | 2 4
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