Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses mit Gaumennahterweiterung und myofunktioneller Therapie Drei Fallbeispiele
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Fontana et al. Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses Mattia Fontana, Bruno Di Leonardo, Rossano Mura, Jens Johannes Bock Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses mit Gaumennahterweiterung und myofunktioneller Therapie Drei Fallbeispiele INDIZES offener Biss, Frühbehandlung, GNE, Delaire-Maske, myofunktionelle Behandlung ZUSAMMENFASSUNG Mithilfe von drei Fallbeispielen werden die klinischen Ergebnisse nach Gaumennahterweiterung (GNE) in Kombination mit einer Delaire-Maske und myofunktioneller Therapie demonstriert. Manuskripteingang: 11.02.2020, Annahme: 20.02.2020 Einleitung Der skelettal offene Biss ist durch eine verstärkt vertikale Entwicklung des Gesichtsschädels und Die Behandlung des frontal offenen Bisses stellt einer dolichofazialen Schädelkonfiguration geprägt. besondere Herausforderungen an die kieferortho Zu den kephalometrischen Kennzeichen und zur pädische Diagnostik und Behandlung. Der feh differenzialdiagnostischen Abgrenzung zählen8,9: lende Kontakt der Schneidezähne schränkt die •• anteriore Rotation des Oberkiefers, Funktion des stomatognathen Systems erheblich •• posteriore Rotation des Unterkiefers, ein und ist häufig mit einer Reihe von Begleit •• Kombinationsform, symptomen vergesellschaftet1,2. Es wird zwischen •• Verhältnis der anterioren Gesichtshöhen ver einem dental und einem skelettal offenen Biss kleinert (Index nach Hasund8), unterschieden3. •• Verhältnis der posterioren zur anterioren Ge Der dental offene Biss ist häufig mit Habits wie sichtshöhe verkleinert (nach Jarabak9). Daumenlutschen oder Gebrauch des Beruhigungs saugers verbunden und nimmt mit seiner Häufig Während der dental bedingte offene Biss nach keit vom Milch- zum frühen Wechselgebiss stark Abstellen des Habits und Normalisierung der ab. So fand Paulerberg in der Altersgruppe der Funktion zu einem Selbstausgleich neigt, reicht Dreijährigen bei 11,6 %, jedoch für Sechsjährige das therapeutische Spektrum beim skelettal offe nur bei 4,1 % der etwa 1.000 Probanden einen nen Biss von herausnehmbaren und festsitzenden offenen Biss4. Eine Abnahme der Anomalie vom Apparaturen bis hin zur kieferorthopädisch-kiefer Milchgebiss (15 %) zum bleibenden Gebiss (1,5 %) chirurgischen Kombinationsbehandlung10. Zu den bestätigte ebenfalls eine Untersuchung von wesentlichen Faktoren für den Behandlungserfolg Harzer et al.5. Bäßler et al. und Hensel et al. zählen u. a. der Behandlungsbeginn und die wiesen in Reihenuntersuchungen für Neunjährige Ausprägung der Anomalie. Des Weiteren ist die bzw. Erwachsene (20–49 Jahre) eine Häufigkeit Kontrolle der funktionellen Bedingungen zu be von 3,6 % nach6,7. achten2: Kieferorthopädie 2020;34(1):15–30 15
Fontana et al. Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses •• orofaziale Dysbalancen (u. a. Mundatmung, Das Orthopantomogramm (OPG) (Abb. 1m) zu kaudale Zungenlage, offene Mundhaltung), Beginn der Behandlung weist alle vollständigen •• orofaziale Dysfunktionen (u. a. Sigmatismus, Zahnanlagen und einen altersgerechten Ent viszerales Schlucken). wicklungsstand nach. Die ersten oberen Molaren weisen einen Mesial- sowie Hochstand mit unter Die folgenden Behandlungsbeispiele sollen die minierender Resorption der zweiten Milchmolaren Möglichkeiten einer frühen kieferorthopädischen auf. Die Keimlage im Ober- und Unterkiefer er Behandlung zur Normalisierung der Verzahnung, scheint eng und die Zähne 13 und 23 zeigen eine zur Erweiterung des Zungenraums und zur Beein Verlagerungstendenz. Die kephalometrische Ana flussung der funktionellen Befunde bei Vorliegen lyse ergab zu Behandlungsbeginn eine signifikante eines frontal offenen Bisses aufzeigen. Neben den skelettale Disharmonie mit einer maxillären Ante orthodontischen Behandlungsaufgaben gilt bei inklination bei vertikalem Wachstumstyp (Tab. 1, der Behandlung des offenen Bisses auch der Har Abb. 1n). monisierung der Funktionsabläufe des stomato Gemeinsam mit den Eltern wurde folgender gnathen Systems eine besondere Beachtung. Die Therapieplan entwickelt: Einleitung logopädischer und myofunktioneller 1. transversale Nachentwicklung des Oberkiefers Therapien ist elementar für die Erreichung und mithilfe einer GNE-Apparatur (modifizierter Stabilisierung der Behandlungsergebnisse. Haas-Expander), 2. festsitzende Teilapparatur im Oberkiefer zur Einstellung der Schneidezähne, Patient 1 3. logopädische Behandlung. Die Patientin stellte sich im Alter von sieben Der erste Behandlungsschritt war das Einsetzen Jahren erstmals in unserer Praxis vor. Die klinische der GNE-Apparatur. Die Abstützung erfolgte aus Untersuchung ergab u. a. folgende Befunde schließlich auf den Milchzähnen und zusätzlich (Abb. 1a bis l): durch ein palatinales Kunststoffschild. Aufgrund •• altersgerechte Entwicklung, der unterminierenden Resorption der zweiten •• trockene Lippen, viszerales Schluckmuster, Milchmolaren wurde die Apparatur nach distal er •• erste Wechselgebissphase, weitert, um durch elastische Ketten eine Distalisie •• Angle-Klasse I, rung und Aufrichtung der Zähne 16 und 26 zu •• frontal offener Biss, erreichen. Für eine Erleichterung der Zahnbewe •• frontale Engstände mit Protrusion der oberen gungen und als Schutz vor Überlastung der nach und Retrusion der unteren Schneidezähne, distal gerichteten Teilbögen wurden permanente •• unterminierende Resorption der ersten oberen seitliche Aufbisse mit ungefülltem Komposit ad Molaren. häsiv befestigt (Abb. 2a bis d). Tab. 1 Kephalometrische Messwerte der Patienten im Vergleich zu klinischen Richtwerten8 (kephalometrische Messpunkte und Messwerte nach Hasund8, ant: anterior, post: posterior, R: Rotation, T: Tendenz). Klinischer Richtwert Patientin 1 Patientin 2 Patient 3 SNA-Winkel 80° 83° 80° 81° SNB-Winkel 78° 78° 76° 80° ANB-Winkel 2° 5° (distal) 4° (neutral) 1° (mesiale T.) NL-NSL-Winkel 8° 3° (ant. R.) 4° (ant. R.) 6° (neutral) ML-NSL-Winkel 28° 34° (post. R.) 31° (post. R.) 41° (post. R.) NL-ML-Winkel 20° 31° (offen) 27° (offen) 35° (offen) Jarabak-Index9 63 % 55 % (vertikal) 67 % (tief) 55 % (offen) 80 % 71 % (vertikal) 77 % (vertikal) 71 % (vertikal) OK1-NL-Winkel 70° 65° (Protrusion) 61° (Protrusion) 70° (neutral) UK1-ML-Winkel 90° 106° (Protrusion) 108° (Protrusion) 86° (Retrusion) 16 Kieferorthopädie 2020;34(1):15–30
Fontana et al. Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses a b c d e f g h i j k l Abb. 1a bis n Patientin 1 – sieben Jahre alt: intraorale, extraorale und radiologische m n Anfangsunterlagen. Kieferorthopädie 2020;34(1):15–30 17
Fontana et al. Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses a b c Abb. 2a bis d Patientin 1 – Einsetzen einer modifizierten GNE-Apparatur mit Gaumenplatte und distalen Teilbögen zur Distalisierung und Aufrichtung der d ersten Molaren. Abb. 3a bis c Patientin 1 – Zwischen befund nach elf Wochen aktiver Behandlung: Distalisierung beidseits a b c erreicht. Die Hyrax-Schraube wurde zunächst nicht ak ratur zur Verbesserung der Schneidezahnstellung. tiviert und diente neben der palatinalen Abdeck Durch regelmäßige Bogenwechsel konnte sehr platte als Verankerung für die Distalisierung der zügig die Ausformung des anterioren Zahnbogens ersten oberen Molaren. Die elastischen Ketten im Oberkiefer erreicht werden (Abb. 5a bis f). wurden regelmäßig gewechselt. Elf Wochen nach Nach insgesamt 16 Monaten erfolgten die Ent Einsetzen der Apparatur konnte eine deutliche fernung aller festsitzenden Behandlungselemente Aufrichtung und Distalentwicklung beider oberer und das Einsetzen der Retentionsgeräte (Abb. 6a Sechsjahrmolaren beobachtet werden (Abb. 3a bis f). Intensive mehrmonatige logopädische und bis c). Die nach distal gerichteten Teilbögen wur myofunktionelle Behandlungen schlossen sich an. den anschließend vorsichtig entfernt. Neben einer professionellen Anleitung zur kor Danach erfolgte die transversale Nachentwick rekten Sprachlautbildung und zur Umstellung des lung des Oberkiefers durch Aktivierung der Hyrax- Schluckmusters wurden für ca. 6 Monate häus- Schraube (zweimal täglich, insgesamt 28-mal). liche Übungen empfohlen. Zu den therapeuti Die Erweiterung des oberen Zahnbogens, die Bil schen Effekten der Frühbehandlung zählten dung eines Diastema mediale und einer lückigen (Abb. 7a bis f): Schneidezahnstellung belegen die klinische Effek •• transversale Erweiterung des Oberkiefers, tivität der Apparatur. Im Unterkiefer wurde jeweils •• Distalisierung und Einstellung der ersten oberen mesial der Milcheckzähne die Platzgewinnung für Molaren unter Erhalt der Zähne 55 und 65, die unteren Schneidezähne durch approximale •• Auflösen der frontalen Engstände im Ober Schmelzreduktion erreicht (Abb. 4a bis g). kiefer, Acht Monate nach Behandlungsbeginn er •• Reduzierung der unteren Engstände, folgte das Einsetzen einer festsitzenden Teilappa •• Schließen des frontal offenen Bisses. 18 Kieferorthopädie 2020;34(1):15–30
Fontana et al. Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses a b c Abb. 4a bis g Patientin 1 – Zwischenbefund nach GNE-Aktivie d e f g rung. a b c Abb. 5a bis f Patientin 1 – Einsetzen der Teilapparatur im Oberkiefer (Standard-Edgwise- Brackets, 0,014″- Nickel-Titanol- Bogen, später 0,018″-Stainless- d e f Steel-Bogen). a b c Abb. 6a bis f Patientin 1 – Intra orale Befunde unmittelbar vor Entfernung der festsitzenden d e f Apparatur. Kieferorthopädie 2020;34(1):15–30 19
Fontana et al. Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses a b c Abb. 7a bis f Patientin 1 – Intra orale Befunde nach insgesamt 16 Monaten aktiver Behandlung. d e f a b c Abb. 8a bis f Patientin 1 – Nachkontrolle 2 1/2 Jahre nach Abschluss der Frühbehandlung. d e f Die Behandlung verlief bei guter Compliance und •• erste Wechselgebissphase, Mundhygiene. Zahn 64 entwickelte während der •• offene Mundhaltung, Mundatmung, kaudale kieferorthopädischen Behandlung eine Karies. Zungenlage, viszerales Schlucken, Nach 2 1/2 Jahren konnten im Rahmen einer •• frontal offener Biss mit lückiger Protrusion der Nachuntersuchung eine gute Verzahnung und vor oberen Schneidezähne, allem stabile frontale Schneidezahnrelationen •• Angle-Klasse I, nachgewiesen werden (Abb. 8 bis g). •• hoher, schmaler Gaumen. Das OPG zeigte mit Ausnahme der Weisheits Patientin 2 zähne alle Zahnanlagen (s. Abb. 9i). Die Keimlage der oberen und unteren Seitenzähne erschien eng. Die Patientin stellte sich ebenfalls im Alter von Die Distalangulation von Zahn 22 ließ eine Ver sieben Jahren erstmals in unserer Praxis vor. Die lagerungstendenz von Zahn 23 vermuten. Die klinische Untersuchung ergab u. a. folgende Be Zahnanlagen 35 und 45 wiesen eine distale Angu funde (Abb. 9a bis j): lation auf. Im Fernröntgenseitenbild ließen sich zu 20 Kieferorthopädie 2020;34(1):15–30
Fontana et al. Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses a b c d e f g h Abb. 9a bis j Patientin 2 – sieben Jahre alt: intraorale, extraorale und radiologische i j Anfangsunterlagen. Behandlungsbeginn die kephalometrischen Kenn Apparatur mit Zementierung nur an den zweiten zeichen eines skelettal bedingten offenen Bisses Milchmolaren und einer Abstützung Regio 53, 63. nachweisen (s. Tab. 1, Abb. 9j). Die Aktivierung der Hyrax-Schraube wurde zwei Im Gegensatz zur Patientin 1 erfolgte zum mal täglich durchgeführt (insgesamt 28-mal) und Behandlungsauftakt das Einsetzen der GNE- ein erster Zwischenbefund nach acht Wochen Kieferorthopädie 2020;34(1):15–30 21
Fontana et al. Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses a b c Abb. 10a bis e Patientin 2 – Zwischenbefund nach acht Wochen mit Einsatz einer modifizierten GNE-Apparatur mit Gaumenplatte, Zementierung an den zweiten Milchmolaren und adhäsiver Befestigung an den Zähnen 53, 63 palatinal (Zustand nach zweimal täglicher Aktivierung, insgesamt d e 28-mal). Abb. 11a bis f a b c Patientin 2 – Zustand etwa sechs Monate nach Behandlungsbeginn und Einsatz einer Teilbogenapparatur im Oberkiefer (Standard-Edgwise- Brackets, 0,014″- Nickel-Titanol- Bogen, später 0,018″-Stainless- Steel-Bogen). d e f zeigte eine signifikante transversale Erweiterung Die unteren Schneidezähne wiesen keinerlei Lo des Oberkiefers (Abb. 10a bis e). Nach knapp ckerungen auf. Der frontal offene Biss konnte kor sechs Monaten wurde eine festsitzende Teilappa rigiert werden und es erfolgte eine signifikante ratur inkorporiert (Abb. 11a bis f). Eine verbes transversale Erweiterung des Oberkiefers. Die serte Stellung der oberen Schneidezähne konnte funktionelle Harmonisierung wurde durch die Ein zügig durch entsprechende Bogenwechsel erreicht leitung einer logopädischen Behandlung im An werden. Etwa ein Jahr nach Beginn der Behand schluss an die kieferorthopädische Therapie er lung stellte sich die Patientin nach einem Unfall reicht. Der Verlust der Schneidekante an Zahn 21 vor (Abb. 12a bis e). Die unteren Schneidezähne wurde durch einen adhäsiven Aufbau ausgegli wiesen einen Lockerungsgrad 3 auf und wurden chen. Die klinischen Nachkontrollen nach 1 1/2 durch einen adhäsiven Schienenverband gesichert. bzw. nach 3 1/2 Jahren zeigten eine sehr gute Die Schienung und die festsitzende Apparatur Entwicklung und stabile Frontzahnrelationen wurden insgesamt nach 16 Monaten mit einem (Abb. 14a bis j und 15a bis h). guten Zwischenergebnis entfernt (Abb. 13a bis f). 22 Kieferorthopädie 2020;34(1):15–30
Fontana et al. Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses a b c Abb. 12a bis e Patientin 2 – Zwischenbefund nach Ausformung des anterioren Zahnbogens im Oberkiefer und Zustand nach Trauma der Zähne 32 bis 42 mit ad- d e häsiver Schienung. a b c Abb. 13a bis f Patientin 2 – Abschluss der Frühbehandlung nach insgesamt 16 Monaten Behand d e f lungszeit. Patient 3 Das OPG zeigt mit Ausnahme der Weisheitszähne alle Zahnanlagen und weist vor allem im Ober Der Patient stellte sich im Alter von sechs Jahren erst kiefer auf eine enge Keimlage hin (s. Abb. 16j). Im mals in unserer Praxis vor. Die klinische Untersu Fernröntgenseitenbild lassen sich zu Behandlungs chung ergab u. a. folgende Befunde (Abb. 16a bis k): beginn die kephalometrischen Kennzeichen eines •• erste Wechselgebissphase, skelettal bedingten offenen Bisses nachweisen •• offene Mundhaltung, Mundatmung, kaudale (s. Tab. 1: posteriore Rotation der Mandibula, ver Zungenlage, viszerales Schlucken, tikaler Wachstumstyp, s. Abb. 16k). •• frontal offener Biss mit lückiger Protrusion der Zum Behandlungsauftakt erfolgte das Einsetzen oberen Schneidezähne, Engstand und Schach der GNE-Apparatur mit Zementierung nur an den telstellung Zahn 22, zweiten Milchmolaren und einer Abstützung Regio •• skelettale Angle-Klasse-III-Tendenz, signifikante 53, 63. Zusätzlich wurden beidseitig vestibulär Ver posteriore Unterkieferrotation, längerungsarme für die Applikation extraoraler •• Kreuzbiss links, hoher, schmaler Gaumen. Kräfte durch eine Delaire-Maske angebracht. Die Kieferorthopädie 2020;34(1):15–30 23
Fontana et al. Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses a b c d e f g h i j Abb. 14a bis j Patientin 2 – Klinische Kontrolle nach 1 1/2 Jahren und Aufbau von Zahn 21. Aktivierung der Hyrax-Schraube wurde zweimal 12 Wochen zeigte die erfolgreiche Überstellung täglich durchgeführt (insgesamt 28-mal). Beglei des seitlichen Kreuzbisses. Nach knapp acht Mona tend erfolgte das nächtliche Tragen der Gesichts ten wurde eine festsitzende Teilapparatur inkor maske mit einer nach kaudal gerichteten Zugkraft poriert (Abb. 18a bis f). Der Ausgleich alveolärer (Abb. 17a bis e). Ein erster Zwischenbefund nach Stellungsfehler und die Einordnung von Zahn 22 in 24 Kieferorthopädie 2020;34(1):15–30
Fontana et al. Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses a b c d e f g h Abb. 15a bis h Patientin 2 – Klinische Kontrolle nach 3 1/2 Jahren. den Zahnbogen konnten durch zügige Bogen Versorgung der Zähne 64, 74 und 84 wurden wechsel erreicht werden (Abb. 19a bis f). Die Ent durchgeführt. Bereits in der Schlussphase der fest fernung der Apparatur erfolgte insgesamt nach 18 sitzenden Behandlung wurde eine logopädische Monaten mit einem guten Zwischenergebnis Behandlung begonnen und im Anschluss an die (Abb. 20a bis l). Konservierende Maßnahmen zur kieferorthopädische Therapie fortgesetzt. Kieferorthopädie 2020;34(1):15–30 25
Fontana et al. Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses a b c d e f g h i Abb. 16a bis k Patient 3 – sechs Jahre alt: Intraorale, extraorale und radiologische Anfangsunterlagen. j k Diskussion Fastuca et al. zeigten in einer randomisierten Stu die mit 44 Patienten und einem durchschnittlichen Als effiziente und wirksame Apparatur für die Alter von 8,8 Jahren, dass die maxilläre Verbreite transversale Erweiterung des Oberkiefers und die rung in dieser Altersgruppe unabhängig vom Typ Überstellung eines seitlichen Kreuzbisses ist die der Apparatur (Zementierung an permanenten GNE-Apparatur oftmals beschrieben worden11,12. oder Milchmolaren, mit oder ohne palatinaler 26 Kieferorthopädie 2020;34(1):15–30
Fontana et al. Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses Abb. 17a bis e Patient 3 – Einsatz einer modifizierten GNE-Apparatur mit Gaumenplatte, Zementierung an a b c den zweiten Milchmolaren und adhäsiver Befesti gung an den Zähnen 53, 63 palatinal (Zustand nach zweimal täglicher Aktivie rung, insgesamt 28-mal), vestibuläre Verlängerungsarme zur Kraftapplikation durch eine d e Delaire-Maske. a b c Abb. 18a bis f Patient 3 – Acht Monate nach Behandlungsbeginn: Einsatz einer Teilbogenapparatur im Oberkiefer (Standard-Edgwise- Brackets, 0,014″- Nickel-Titanol- Bogen, später 0,018″-Stainless- d e f Steel-Bogen). a b c Abb. 19a bis f Patient 3 – Zustand unmittelbar vor Abschluss der festsitzenden d e f Frühbehandlung. Kieferorthopädie 2020;34(1):15–30 27
Fontana et al. Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses a b c d e f g h i j k l Abb. 20a bis l Patient 3 – Abschluss der festsitzenden Frühbehandlung nach insgesamt 18 Monaten und konservierende Versorgung der Zähne 64, 74, 84. 28 Kieferorthopädie 2020;34(1):15–30
Fontana et al. Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses Kunststoffabdeckung) erfolgt und zu einer Er eine positive und stabile Entwicklung. Bei allen weiterung des Nasenraums führt13. Eine andere Patienten ergab sich eine weitere Vertiefung des Arbeitsgruppe von Cerruto et al. konnte vergleich frontalen Überbisses, eine Minimierung der extru bare Ergebnisse nachweisen. Mithilfe einer dreidi siven Entwicklung der Molaren und signifikante mensionalen Modellauswertung stellten die Auto skelettale Verbesserung der vertikalen Relationen17. ren fest, dass die Abstützung nur auf den Von anderen Autoren wurde darauf hinge Milchmolaren für die Nachentwicklung im ante wiesen, dass die kieferorthopädische Behandlung rioren Bereich des Palatinums günstiger verlief eines frontal offenen Bisses vor allem dann erfolg und eine distale Rotation der ersten permanenten reich ist, wenn die funktionellen Relationen des Molaren vermieden werden konnte14. stomatognathen Systems harmonisiert werden18–20. Die Nebenwirkungen einer GNE-Apparatur Eine begleitende logopädische oder myofunktio mit alleiniger Abstützung auf permanenten Zäh nelle Therapie zur Umstellung des Schluckmuster, nen erscheinen außerdem abhängig vom Alter der des Sprechens und der Atmung erscheint auch als Patienten zum Behandlungsbeginn zu sein. So Rezidivprophylaxe notwendig18–20. konnte in einer aktuellen Metaanalyse nach Aus wertung von mehr als 20 klinischen Studien ge zeigt werden, dass bei einem Altersdurchschnitt Schlussfolgerung von 9,7–14,1 Jahren verstärkt Kippungen der Sei tenzähne zu beobachten waren16. Die Autoren Die Anwendung einer modifizierten GNE-Appara werteten Studien aus, die einen Vergleich zwi tur im frühen Wechselgebiss konnte in allen drei schen dental getragenen und ossär verankerten Patientenfällen die Verbesserung der Schneide Apparaturen einbezogen. Als Schlussfolgerung zahnrelationen sowie die Harmonisierung der gaben sie an, dass unter Einbeziehung skelettaler funktionellen Parameter erreichen. Die Apparatur Verankerungen günstigere klinische Effekte zu er erwies sich als klinisch einfach einsetzbar und warten sind. dank der individuellen Modifizierungen gelang es, Im frühen Wechselgebiss bei engen palatinalen spezifische Behandlungsaufgaben wie die Dis Relationen und einer möglicherweise nicht siche talisierung der ersten oberen Molaren oder die ren Beurteilbarkeit der Eckzahnkeimlage erscheint sagittale Nachentwicklung der Maxilla durch An der Einsatz einer modifizierten GNE-Apparatur mit wendung der Delaire-Maske zu lösen. Abstützung nur auf den Milchzähnen als eine Alternative zu der invasiveren Methode der ortho dontischen Implantate. Literatur Für den Einsatz einer GNE in Kombination mit 1. Balters W. Ergebnis der gesteuerten Selbstheilung von einem skelettal offenen Biss liegen nur vergleichs kieferorthopädischen Anomalien. DZZ 1960;15:241–248. weise wenige Veröffentlichungen vor. Celli et al. 2. Fränkel R. Funktionskieferorthopädie und der Mundvorhof als apparative Basis. Berlin: VEB Verlag Volk und Gesundheit, wiesen an einem Fallbeispiel und einer sieben 1967. 3. Proffit WR, Fields HW Jr, Larson B, Sarver DMD. Contem jährigen Beobachtungszeit nach, dass eine frühe porary Orthodontics. 6th ed. Philadelphia: Elsevier, 2019. Behandlung (10. Lebensjahr) mittels milchzahn 4. Paulerberg C. Eine kariesepidemiologische Untersuchung zum oralen Gesundheitszustand 3- bis 6-jähriger Kinder getragener GNE-Apparatur und anschließender aus der Stadt Halle/Saale. Halle: Med. Diss. der Universität 24-monatiger Multibracket-Multiband-Behand Halle, 2000. 5. Harzer W, Reinhardt A, Soltes K. Der offene Biss – lung erfolgreich verlief und eine operative Korrek Morphologie und therapeutische Konsequenzen. Zahn tur der Bisslage nicht durchgeführt werden Mund Kieferheilkd Zentralbl 1989;77:421–426. 6. Bäßler-Zeltmann S, Kretschmer I, Göz G. Malocclusion and musste16. Mucedero et al. zeigten nach GNE- the need for orthodontic treatment in 9-year-old children. Anwendung und anschließender funktionskiefer J Orofac Orthop/Fortschr Kieferorthop 1998;59:193–201 7. Hensel E, Born G, Körber V, Altvater T, Gesch D. Prevalence orthopädischer Behandlung im Vergleich zu einer of defined symptoms of malocclusion among probands enrolled in the Study of Health in Pomerania (SHIP) in the Kontrollgruppe und nach vierjährigem Follow-up age group from 20 to 49 years. J Orofac Orthop 2003;64: bei 16 Patienten mit einem skelettal offenen Biss 157–166. Kieferorthopädie 2020;34(1):15–30 29
Fontana et al. Frühbehandlung des skelettal offenen Bisses 8. Hasund A. Klinische Kephalometrie für die Bergen-Technik. 15. Krüsi M, Eliades Th, Papageorgiou SN. Are there benefits Bergen: Kieferorthopädische Abteilung des Zahnärztlichen from using bone-borne maxillary expansion instead of Institutes der Universität Bergen, 1974. tooth-borne maxillary expansion? A systematic review 9. Jarabak JR. Open bite, skeletal morphology. Fortschr with meta-analysis. Prog Orthod 2019;20:9. Kieferorthop 1983;44:122–133. 16. Celli D, Manente A, DeCarlo A, Deli R. Long-term stability of 10. Schopf P. Curriculum Kieferorthopädie Bd. I und II. 4. Aufl., anterior open bite correction in mixed dentition with a new Berlin: Quintessenz-Verlag, 2008. treatment protocol. Eur J Paediatr Dent 2014;15:158–162. 11. Lagravère MO, Major PW, Flores-Mir C. Long-term skeletal 17. Mucedero M, Fusaroli D, Franchi L, Pavoni C, Cozza P, changes with rapid maxillary expansion: a systematic review. Lione R. Long-term evaluation of rapid maxillary expansion Angle Orthod 2005;75:1046–1052. and bite-block therapy in open bite growing subjects: A 12. Lagravère MO, Heo G, Major PW, Flores-Mir C. Meta- controlled clinical study. Angle Orthod 2018;88:523–529. analysis of immediate changes with rapid maxillary 18. Daglio SD, Schwitzer R, Wüthrich J, Kallivroussis G. expansion treatment. J Am Dent Assoc 2006;137:44–53. Treating orofacial dyskinesia with functional physiotherapy 13. Fastuca R, Lorusso P, Lagravère MO, Michelotti A, Portelli M, in the case of frontal open bite. Int J Orofacial Myology Zecca PA, D’ Antò V, Militi A, Nucera R, Caprioglio A. 1993;19:11–14. Digital evaluation of nasal changes induced by rapid 19. Homem MA, Vieira-Andrade RG, Falci SG, Ramos-Jorge ML, maxillary expansion with different anchorage and appliance Marques LS. Effectiveness of orofacial myofunctional design. BMC Oral Health 2017;17:113. therapy in orthodontic patients: a systematic review. 14. Cerruto C, Ugolini A, Di Vece L, Doldo T, Caprioglio A, Dental Press J Orthod 2014;19:94–99. Silvestrini-Biavati A. Cephalometric and dental arch changes 20. Lentini-Oliveira DA, Carvalho FR, Rodrigues CG, Ye Q, to Haas-type rapid maxillary expander anchored to Prado LB, Prado GF, Hu R. Orthodontic and orthopaedic deciduous vs permanent molars: a multicenter, randomized treatment for anterior open bite in children. Cochrane controlled trial. J Orofac Orthop 2017;78:385–393. Database Syst Rev 2014;9:CD005515. Early treatment of frontal open bite with RPE and myofunctional therapy: Three treatment cases KEY WORDS open bite, early treatment, hyrax appliance, rapid palatal expander, Delaire mask, myofunctional treatment ABSTRACT These three cases demonstrate the advantages of maxillary expansion with help of a hyrax appliance in combination with a Delaire mask and myofunctional therapy. Mattia Fontana Bruno Di Leonardo DDS, MS DDS, MS Privatpraxis Department of Medical Surgical and Via Perla 56 Health Sciences 54033 Carrara (MS) School of Dentristry, University of Trieste Italien Rossano Mura DDS, MS Beide: Privatpraxis Via Francesco II di Borbone 38062 Arco (TN) Mattia Fontana Italien Jens Johannes Bock Dr. med. dent. Kieferorthopädische Praxisgemeinschaft Am Schlossgarten 1 36037 Fulda Korrespondenzadresse: Dr. Bruno Di Leonardo, E-Mail: brunodileonardo@gmail.com 30 Kieferorthopädie 2020;34(1):15–30
Sie können auch lesen