PATIENTINNEN- UND PATIENTENRECHTE - Graz 2010 - Land Steiermark

Die Seite wird erstellt Mats Schilling
 
WEITER LESEN
PATIENTINNEN- UND PATIENTENRECHTE - Graz 2010 - Land Steiermark
PATIENTINNEN- UND
 PATIENTENRECHTE
                  Graz 2010

 FA8A PatientInnen- und Pflegeombudsschaft (PPO)
           des Landes Steiermark (Hrsg.)
PATIENTINNEN- UND PATIENTENRECHTE - Graz 2010 - Land Steiermark
Vorwort

Die Gesunderhaltung, Genesung und/oder Verbesserung des Gesundheitszu-
standes liegt im Interesse eines jeden Menschen. Basis für eine gute Beziehung
und eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich ist die Gleich-
berechtigung zwischen Patientinnen und Patienten und den Arbeitskräften
in Gesundheitsberufen. Eine Voraussetzung dafür ist als Patientin und Pati-
ent seine Rechte zu kennen und nutzen, gut informiert und selbstbestimmt zu
sein.
Wer aber kennt seine Rechte im Detail? Ist es nicht oftmals so, dass gerade
in entscheidenden Situationen die Information nicht verfügbar ist und die
Betroffenen oder deren Angehörige nicht wissen, woher sie die Information
beziehen können?
Die Patientenrechte dienen dem Schutz der Beteiligten im Behandlungsver-
lauf in einer Krankenanstalt, bei der Fachärzteschaft oder einer sonstigen
Einrichtung des Gesundheitswesens. Diese Broschüre möchte einen Beitrag
für die aufgeklärten und informierten Patientinnen und Patienten der Zu-
kunft leisten und diese komplexe Materie leicht verständlich und zugänglich
machen. Hier sollen Betroffene und Beteiligte bei anfallenden Unsicherheiten
und Problemen nicht alleine gelassen werden, sondern die wichtigsten und
häufigsten Fragen aufgeworfen, behandelt und klar beantwortet werden.
Darüber hinaus bietet dieser „Wegweiser zu Ihrem Recht“ aktuelle Kontakte
und Adressen – etwa von Patientenanwaltschaften, Schlichtungsstellen oder
Selbsthilfevereinen.

Mag.a Kristina Edlinger-Ploder
Landesrätin f. Wissenschaft & Forschung, Gesundheit u. Pflegemanagement
Vorwort

Patientinnen-/Patientenrechte nehmen im Gesundheitsbereich eine sehr
wichtige Position ein. Diese Broschüre soll Ihnen daher die Patientinnen-/
Patientenrechte näher bringen sowie eine Orientierung und einen groben
Überblick über Ihre Rechte, Pflichten und Handlungsmöglichkeiten ver-
schaffen. Wenn man über Rechte und Verantwortung informiert ist, kann
auch eine gute Zusammenarbeit und Qualität in der Gesundheitsversorgung
gewährleistet werden.
Die Broschüre richtet sich vordergründig an Laien und erhebt keinen An-
spruch auf Vollständigkeit. Die inhaltliche Gestaltung richtet sich – auch
aufgrund der starken Zersplitterung der Patientinnen-/Patientenrechte –
nicht nach einer bestimmten Gesetzessystematik. Bei der Bearbeitung und
Darstellung der Patientinnen-/Patientenrechte sind sehr viele praktische
Erfahrungen mit eingeflossen.
Im Schlussteil der Broschüre finden Sie ein Adressen-, Broschüren- und
Literaturverzeichnis zu Ihrer weiteren Verwendung. Wenn Sie noch Fragen
haben, stehe ich Ihnen samt meinem Team gerne zur Verfügung.

Mag.a Renate Skledar,
PatientInnen- und Pflegeombudsfrau des Landes Steiermark
INHALT

1 Wo sind Patientinnen-/Patientenrechte geregelt?                     8
2 BETEILIGTE PERSONEN IM GESUNDHEITSWESEN                             10
 2.1 Informierte und selbstbestimmte Patientinnen/Patienten           10
 2.2 Angehörige der Gesundheitsberufe                                 11
 2.3 Weitere Personen                                                 12
3 ACHTUNG DER MENSCHENWÜRDE UND SCHUTZ DER                            13
  PERSÖNLICHKEITSRECHTE
4 RECHT AUF GLEICHBEHANDLUNG – DISKRIMINIERUNGSVERBOT                 14
5 RECHT AUF GEWISSENHAFTE BEHANDLUNG UND PFLEGE                       15
 5.1   Gewissenhafte Behandlung und Pflege                            15
 5.2   Abschluss und Beendigung eines Behandlungsvertrages            16
 5.3   Aufnahme und Behandlung in einer öffentlichen Krankenanstalt   17
 5.4   Vertragsinhalt                                                 18
 5.5   Erste Hilfe                                                    19
 5.6   Alternativ- und komplementärmedizinische Methoden              19
 5.7   Studien                                                        20

6 RECHT AUF FREIE ÄRZTINNEN-/ÄRZTEWAHL                                21
 6.1 Niedergelassener Bereich                                         21
 6.2 Krankenanstaltenbereich                                          22
7 GESPRÄCH MIT DER ÄRZTIN/DEM ARZT                                    25
8 RECHT AUF AUFKLÄRUNG                                                28
 8.1   Warum sind Sie aufzuklären?                                    28
 8.2   Inhalt, Umfang und Zeitpunkt der Aufklärung                    29
 8.3   Wer darf bzw. muß aufklären und wer ist aufzuklären?           30
 8.4   Einzelfragen                                                   31
9 RECHT AUF SELBSTBESTIMMUNG                                          32
 9.1 Selbstbestimmungsrecht im Gesundheitsbereich                     32
 9.2 Einwilligung in die medizinische Behandlung                      32
 9.3 Selbstbestimmungsrecht bei Minderjährigen                        33
 9.4 Selbstbestimmungsrecht bei Sachwalterschaft                      35
 9.5 Patientenverfügung zur Ausübung des Selbstbestimmungsrechts      37
 9.6 Vorsorgevollmacht zur Ausübung des Selbstbestimmungsrechts       38
 9.7 Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht                         39
 9.8 Vorzeitige Entlassung als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts   40
10 RECHT AUF DOKUMENTATION UND EINSICHT                             41
  10.1 Einsichtsrecht – Dokumentationspflicht                       41
  10.2 Einsichtsberechtigte Personen und Institutionen              42
  10.3 Arztbrief                                                    42
11 RECHT AUF DATENSCHUTZ UND VERSCHWIEGENHEIT                       44
  11.1 Datenschutz                                                  44
  11.2 Verschwiegenheitspflicht                                     45
  11.3 Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht                   46
12 RECHT AUF ACHTUNG DER WÜRDE UND INTEGRITÄT                       47
  12.1 Achtung der Würde und Integrität                             47
  12.2 Weitere Rechte rund um den Krankenhausaufenthalt             48
  12.3 Verhaltensregeln im Krankenhaus                              50
13 RECHTE AM LEBENSENDE                                             51
  13.1   In Würde sterben                                           51
  13.2   Recht auf Verweigerung einer Organspende                   52
  13.3   Schmerzbehandlung                                          53
  13.4   Obduktion                                                  53
14 VERTRETUNG VON PATIENTINNEN-/PATIENTENINTERESSEN                 54
  14.1 PatientInnen- und Pflegeombudsschaft des Landes Steiermark   54
  14.2 Fragen, Anregungen, Konflikte oder Beschwerden               56
15 ZUSATZINFORMATION: DER SCHADENSFALL                              58
  15.1   Behandlungsfehler?                                         58
  15.2   Aufklärungsfehler?                                         59
  15.3   Schlichtungsstellen                                        60
  15.4   Komplikation bzw. Risikoverwirklichung?                    62
  15.5   Patienten-Entschädigungsfonds                              63
  15.6   Weitere Möglichkeiten im Schadensfall                      64
16 PATIENTINNEN-/PATIENTENRECHTE IN DER PSYCHIATRIE                 67
  16.1   Psychiatrische Behandlung                                  67
  16.2   Patientinnen-/Patientenrechte                              67
  16.3   Unterbringung                                              67
  16.4   Patientenanwaltschaft                                      68
17 SCHUTZ VOR FREIHEITSBESCHRÄNKENDEN MASSNAHMEN                    69
  17.1   Heimaufenthaltsgesetz                                      69
  17.2   Wann liegt eine Freiheitsbeschränkung vor?                 70
  17.3   Wann ist eine Freiheitsbeschränkung zulässig?              70
  17.4   Anordnung der Freiheitsbeschränkung                        70
  17.5   Bewohnervertreter                                          71
  17.6   Gerichtliche Überprüfung                                   72
18 VERZEICHNISSE               73
  18.1 Adressenverzeichnis     73
  18.2 Broschürenverzeichnis   78

19 QUELLEN                     79

IMPRESSUM                      80
1 Wo sind Patientinnen-/
  Patientenrechte geregelt?

Patientinnen-/Patientenrechte leiten sich von den Grund- und
Freiheitsrechten ab und sind Menschenrechte, die sich mit der
Menschenwürde und Selbstbestimmung befassen.
Die Regelungen zu den Patientinnen-/Patientenrechten sind über
viele Rechtsbereiche verstreut.
Aus der Sicht der Patientinnen/Patienten ergeben sich die Pati-
entinnen-/Patientenrechte in erster Linie unmittelbar aus dem
Behandlungsvertrag, der zwischen den Patientinnen/Patienten
und den jeweiligen Angehörigen der Gesundheitsberufe bzw. dem
Krankenanstaltenträger abgeschlossen wird. Aus dem Behand-
lungsvertrag ist eine direkte Durchsetzung von Rechten z. B. des
Rechtes auf eine gewissenhafte Behandlung und Pflege und des
Rechtes auf Aufklärung möglich.
Patientinnen-/Patientenrechte sind auch im Krankenanstalten-
und Kuranstaltengesetz bzw. in den Krankenanstaltenlandes-
gesetzen geregelt. Diese Bestimmungen verpflichten die Anstalts-
träger bzw. die Gesetzgeber für die Einhaltung der Patientinnen-/
Patientenrechte zu sorgen. Sie dienen aber auch den Patientinnen/
Patienten sowie den Angehörigen der Gesundheitsberufe als Hilfe-
stellung und Information über bestehende Rechte und Pflichten.
Mit einer zwischen dem Bund und den einzelnen Bundesländern
abgeschlossenen Vereinbarung zur Sicherstellung der Pati-
entenrechte (Patientencharta) erfolgte ebenfalls eine Zusam-
menfassung der Patientinnen-/Patientenrechte. Aus der Patienten-
charta lassen sich keine unmittelbaren Rechte der Patientinnen/
Patienten ableiten. Diese Vereinbarung hat aber eine große politische
Signalwirkung, indem einerseits ein Anstoß zur Stärkung und Wei-
terentwicklung der Patientinnen-/Patientenrechte gegeben wird,
andererseits die Entscheidungsträger/innen auch angehalten sind,
die darin enthaltenen Rechte sicherzustellen.
Patientinnen-/Patientenrechte sind (indirekt) auch in den einzelnen
Berufsvorschriften der Gesundheitsberufe enthalten (z. B.

8
im Ärztegesetz, Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, Hebammengesetz
usw.). Entsprechend dem Charakter dieser Gesetze handelt es sich hier-
bei nicht um ausdrücklich formulierte Rechte der Patientinnen/Patienten,
sondern um Pflichten des jeweiligen Berufsstandes, die aber auch die
Qualität in der Gesundheitsversorgung bzw. Behandlung und Betreu-
ung von Patientinnen/Patienten sicherstellen sollen.
Mitunter finden sich in verschiedenen anderen Gesetzen Patientinnen-/
Patientenrechte. So liegt dem Patientenverfügungsgesetz die Wahrung
des Selbstbestimmungsrechts, dem Unterbringungsgesetz und dem
Heimaufenthaltsgesetz der Schutz der Freiheitsrechte der Patientinnen/
Patienten zu Grunde, um hier nur einige zu nennen.
Eng verknüpft mit Rechten sind immer auch Pflichten und die Übernahme
von Verantwortung. In den Gesetzen finden sich zwar keine ausdrücklich
formulierten Pflichten der Patientinnen/Patienten, dennoch sind solche
existent. Sie ergeben sich aus dem Behandlungsvertrag und indirekt aus den
Rechten der Angehörigen der Gesundheitsberufe.
Die Gesunderhaltung, Genesung und/oder Verbesserung des Gesundheits-
zustandes liegen im Eigeninteresse jeder Patientin/jedes Patienten. Es liegt
daher auch in der Verantwortung der Patientinnen/Patienten, an den
Heilungsbemühungen „mitzuarbeiten“ und „mitzuwirken“, um einen ent-
sprechenden Behandlungserfolg zu erzielen.

                                                                           9
2 Beteiligte Personen im
  Gesundheitswesen

2.1 Informierte und selbstbestimmte
    Patientinnen/Patienten
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Rolle der Patientinnen/
Patienten wesentlich verändert und weiterentwickelt. So ging die
Entwicklung von den „bevormundeten“ (1960) hin zu den „infor-
mierten, autonomen und selbstbestimmten Patientinnen/Patienten“.
Dieses Rollenbild stellt sowohl für Patientinnen/Patienten als auch
für die Angehörigen der Gesundheitsberufe eine neue Heraus-
forderung dar.

            ZITAT PATIENT
            Ich will über meine Krankheit und die Behandlungsmöglich-
            keiten Bescheid wissen und mit entscheiden können.

Patientinnen/Patienten sollen als gleichberechtigte Partner/innen
im Gesundheitsbereich gesehen werden, selbstverantwortlich
für ihre Gesundheit handeln und an der Wiederherstellung ihrer
Gesundheit mitwirken. Die Patientinnen/Patienten benötigen dazu
aber sehr viele Informationen und Hilfestellungen während des
gesamten Behandlungsablaufes.
Patientinnen/Patienten, die freundlich behandelt, ernst genom-
men und informiert werden sowie mitentscheiden können, haben
allgemein bessere Heilungschancen. Sie haben weniger Angst. Die
Komplikationsraten sind niedriger. Die Verweildauer bei Kranken-
hausaufenthalten ist kürzer und diese Patientinnen/Patienten
müssen nicht so häufig ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Dadurch senken sich gleichzeitig die Kosten für die gesundheitli-
che Versorgung.

            ZITAT PATIENTIN
            Es ist für mich eine große Erleichterung, wenn die Ärztin mir
            sagt, welche Behandlung für mich am besten ist!

10
2.2 ANGEHÖRIGE DER GESUNDHEITSBERUFE
Angehörige der Gesundheitsberufe wie Ärztinnen/Ärzte, der geho-
bene Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege, die Pflegehilfe,
Hebammen usw. tragen große Verantwortung im Gesundheitswe-
sen und in der Patientinnen-/Patientenbetreuung. Sie haben sehr
hohe fachliche und soziale Kompetenz und sind stets bemüht, für
Patientinnen/Patienten das Beste zu leisten.
Aber auch die im Gesundheitsbereich tätigen Personen sind teilwei-
se mit ihren Arbeitsbedingungen nicht immer zufrieden. Bei den
Ärztinnen/Ärzten liegen die Gründe dafür zumeist an den hohen
Anforderungen und Erwartungen, den vielen Aufgaben und den
langen Dienstzeiten. Auch wenn Ärztinnen/Ärzte den Umgang mit
diesen Problemen gelernt haben, stehen sie teilweise unter Stress.
Eine wichtige Berufsgruppe sind die Pflegepersonen, die insbe-
sondere für die Fachpflege zuständig sind, aber vielfach auch als
Bindeglied zwischen den Ärztinnen/Ärzten und Patientinnen/Pati-
enten fungieren. Pflegende empfinden es als belastend, dass bei
der Vielzahl der alltäglichen Pflegeaufgaben zu wenig Zeit für eine
individuelle Betreuung der Patientinnen/Patienten bleibt.

                                                                      11
2.3 WEITERE PERSONEN
Auch pflegende Angehörige, Vertrauenspersonen, Selbsthilfe-
gruppen und Dolmetschdienste nehmen eine wichtige Rolle in
der Versorgung und Unterstützung von Patientinnen/Patienten ein.
Angehörige und Vertrauenspersonen kennen vielfach die Bedürf-
nisse und Probleme der Patientinnen/Patienten und können daher
diesen auch während der gesamten Behandlung beratend und
begleitend zur Seite stehen.
Manchmal ist es unabdingbar einen Dolmetschdienst zur Behand-
lung beizuziehen, um nachteilige Folgen durch allfällige Verständi-
gungsprobleme zu vermeiden.
Selbsthilfegruppen leisten Hilfe zur Selbsthilfe, indem sich die be-
troffenen Personen gegenseitig stärken, lernen mit ihrer Lebens-
situation möglichst gut umzugehen und wichtige Informationen
austauschen.

              TIPP
              Fragen Sie bei der Selbsthilfekontaktstelle nach, ob es für
              Ihr Anliegen eine Selbsthilfegruppe gibt und erkundigen
              Sie sich über angebotene Dolmetschdienste.

Besonders im Krankenhaus treffen Patientinnen/Patienten, Ange-
hörige, Mediziner/innen, Pflegepersonen, Verwaltungsangestellte,
Reinigungspersonal und andere Personen aufeinander. Sowohl Sie
als Patient/in als auch Ihre Mitmenschen haben in diesem komplexen
System Rechte und Pflichten.

             TIPP
             Freundlichkeit und gegenseitiger Respekt ermöglichen ein
             angenehmes Miteinander!

12
3 ACHTUNG DER MENSCHEN
 WÜRDE UND SCHUTZ DER
  PERSÖNLICHKEITSRECHTE

            ZITAT PATIENTIN
            Bei der gynäkologischen Untersuchung waren mehrere Personen
            im Untersuchungszimmer anwesend. Das hat mich sehr gestört!

Als Patient/in haben Sie das Recht, dass Ihre Persönlichkeitsrechte
geschützt werden und die Menschenwürde unter allen Umständen
geachtet und gewahrt wird. Die Menschenwürde und die Persön-
lichkeitsrechte sind rechtlich mehrfach abgesichert.
Die Anführung der Menschenwürde im Zusammenhang mit den
Patientinnen-/Patientenrechten soll verdeutlichen, dass diesem
Schutzinteresse im Konfliktfall mit gegenläufigen Interessen grund-
sätzlich Vorrang zu geben ist.
Die Achtung und Wahrung der Menschenwürde und der Schutz
der Persönlichkeitsrechte haben nicht nur eine rechtliche, sondern
auch eine ethische und gesellschaftspolitische Seite, dies beson-
ders im Zusammenhang mit Krankheit, Sterben und dem Tod.
Gerade im Hinblick auf Ihre besondere Situation als Patient/in
muss es Aufgabe aller in den Gesundheitsberufen tätigen
Personen sein, der Achtung und Wahrung Ihrer Menschen-
würde und dem Schutz Ihrer Persönlichkeitsrechte verstärktes
Augenmerk zu widmen. Dies wiederum besonders dann, wenn
Sie als Patient/in nicht mehr selbst in der Lage sind, Ihre Rechte
wahrzunehmen.

                                                                      13
4 Recht auf
  Gleichbehandlung –
  Diskriminierungsverbot

Die Angehörigen der Gesundheitsberufe haben ihrem Berufsethos
entsprechend die Pflicht, alle Patientinnen/Patienten gleich zu be-
handeln – ohne Unterschied hinsichtlich des Alters, des Geschlechts,
der Herkunft, der Religion, des Vermögens, der Art und Ursache der
Erkrankung usw.

            ZITAT PATIENT
            Ich habe keine Zusatzversicherung. Werde ich dann anders
            behandelt?

Zwischen der allgemeinen Klasse und der Sonderklasse einer Kran-
kenanstalt darf es in der ärztlichen Behandlung und in der Pflege
keinen Unterschied geben. Der einzige Unterschied zur Sonder-
klasse darf in der Unterbringung und Verpflegung bestehen (etwa
Einzelzimmer, Wahlessen).
Niemand darf wegen einer Krankheit oder des Verdachts auf das
Vorliegen einer Krankheit benachteiligt (diskriminiert) werden.
Dies gilt für alle Krankheiten. Ist eine Person beispielsweise mit
dem HIV infiziert, so dürfen im Umgang mit dieser Krankheit keine
Sondermaßnahmen gesetzt werden, die nicht medizinisch und
gesundheitspolitisch erforderlich sind.

14
5 Recht auf gewissenhafte
  Behandlung und Pflege

5.1 Gewissenhafte Behandlung und
    Pflege
Die Angehörigen der Gesundheitsberufe haben die Pflicht,
Sie als Patient/in gewissenhaft, dem aktuellen Stand der Wis-
senschaft und der Erfahrung des jeweiligen Berufsstandes
entsprechend und nach anerkannten Methoden zu behandeln
und zu pflegen.

            ZITAT PATIENTIN
            Ich hatte eine sehr langwierige Behandlung und habe nun
            Bedenken, ob ich richtig behandelt wurde.

Trotz aller Erfolge der modernen Medizin und dem intensiven
Bemühen, nach bestem Wissen und Gewissen sorgfältig zu behan-
deln, ist eine vollständige Wiederherstellung der Gesundheit oder
eine Verbesserung des Gesundheitszustandes nicht immer mög-
lich. Auch die beste Behandlung kann nicht immer einen Behand-
lungserfolg garantieren; es besteht keine Erfolgshaftung. Selbst
bei kosmetischen Operationen (etwa einer Schönheitsoperation)
verpflichtet sich die Ärztin/der Arzt nicht zu einem vorab festgeleg-
ten Behandlungserfolg, sondern nur zur sorgfältigen, dem Stand
der Medizin entsprechenden Behandlung.

  WICHTIGE INFORMATION

  Wenn die Behandlung oder Pflege nicht sorgfältig – d. h. nicht
  nach dem Stand der Wissenschaft und Erfahrung des jeweiligen
  Berufsstandes – erfolgt, kann eine Haftung wegen eines Be-
  handlungs- oder Pflegefehlers gegeben sein (siehe Kapitel 15).

                                                                        15
Patientinnen/Patienten haben auch das Recht auf eine dem
aktuellen Stand der Medizin entsprechende Schmerzbe-
handlung. Dieses Recht ergibt sich aus der Verpflichtung der
Ärztinnen/Ärzte, die Behandlung nach dem aktuellen Stand der
Wissenschaft und ärztlichen Erfahrung durchzuführen.
Patientinnen/Patienten können ihr Recht auf eine sorgfältige
und gewissenhafte Behandlung und Pflege aus dem Behand-
lungsvertrag bzw. Krankenhausaufnahmevertrag ableiten.
Der Behandlungsvertrag bzw. Krankenhausaufnahmevertrag ist
eine Vereinbarung, die zwischen
• den Patientinnen/Patienten und
• den jeweiligen Angehörigen der Gesundheitsberufe oder
• der Krankenanstalt abgeschlossen wird.

5.2 Abschluss und Beendigung eines
    Behandlungsvertrages
Meist wird in einem ersten Gespräch der Inhalt des Behandlungs-
vertrages festgelegt und der Vertrag aufgrund übereinstim-
mender Willenserklärungen von Patient/in und Behandler/in
geschlossen. Grundsätzlich ist keine Vertragspartei zum Abschluss
eines Behandlungsvertrages verpflichtet. Wenn es zu keiner ver-
traglichen Einigung kommt, wird eine der beteiligten Personen den
Abschluss eines Vertrages ablehnen.
Häufig erfolgt der Abschluss des Behandlungsvertrages auch still-
schweigend und ohne ausdrückliche Erklärung, z. B., sobald Sie die
Versicherungskarte (e-card) in der Praxis abgeben und sich behan-
deln lassen, wird dieser abgeschlossen.
Die vertragliche Beziehung kann auch wieder beendet werden.
Im Regelfall tritt dies mit der erfolgten Heilbehandlung ein (Erfüllung).
Die Vertragsbeziehung kann aber auch durch Kündigung enden.
Nicht nur Sie als Patient/in können den Behandlungsvertrag
kündigen (z.B. in dem Sie Ihre Einwilligung zur Behandlung wider-
rufen), auch die Ärztin/der Arzt hat das Recht vom Behand-
lungsvertrag zurückzutreten, z. B. wenn Sie als Patient/in nicht
an der Behandlung „mitarbeiten“. Beabsichtigt eine Ärztin/ein Arzt
von einer Behandlung zurückzutreten, so hat sie/er den Rücktritt
aber rechtzeitig anzuzeigen. Damit soll gewährleistet werden, dass
Sie sich rechtzeitig ohne Gefährdung der medizinischen Versorgung
um eine andere Ärztin/einen anderen Arzt umschauen können.

16
Liegt ein Kassenvertrag mit dem Sozialversicherungsträger vor,
darf die Vertragsärztin/der Vertragsarzt die Behandlung nur in be-
gründeten Fällen ablehnen.

5.3 Aufnahme und Behandlung in einer
    öffentlichen Krankenanstalt
Werden Sie als Patient/in in einer Krankenanstalt aufgenommen
und behandelt, schließen Sie mit dem Träger der Krankenanstalt
einen Krankenhausaufnahmevertrag. In diesem Fall schul-
det Ihnen der Krankenanstaltenträger eine fachgerechte
Behandlung und Pflege durch seine Dienstnehmer/innen (als
Erfüllungsgehilfen).
Die Aufnahme von Pfleglingen ist auf anstaltsbedürftige Per-
sonen und auf Personen, die sich einem operativen Eingriff
unterziehen, beschränkt.
Allerdings besteht immer ein Recht auf Behandlung bei dro-
hender Lebensgefahr, unmittelbar bevorstehender Entbin-
dung oder der Gefahr einer sonst nicht vermeidbaren schweren
gesundheitlichen Schädigung (unabweisbare Kranke).
Nicht alle Krankenanstalten bzw. Ordinationen können alle
medizinischen Leistungen anbieten und auch nicht die ge-
samte apparative Ausstattung aufweisen. Darüber müssen Sie als
Patient/in aufgeklärt werden. Können Sie nicht in entsprechender
Weise behandelt werden, dann hat grundsätzlich eine Überstel-
lung in eine andere Krankenanstalt bzw. die Beiziehung einer
Fachärztin/eines Facharztes zu erfolgen.

                                                                     17
5.4 VERTRAGSINHALT
Aus dem Behandlungsvertrag ergeben sich für alle Vertrags-
parteien Rechte und Pflichten.
Zu den wichtigsten Pflichten der Angehörigen der Gesundheits-
berufe zählen die Pflicht zur sorgfältigen und gewissenhaften Be-
handlung und Pflege, die Aufklärungspflicht, die Dokumentations-
pflicht, die Verschwiegenheitspflicht usw.
Zu den wichtigsten Obliegenheiten der Patientinnen/Patienten
gehören die Mitwirkungs-, Duldungs- und Informationsobliegen-
heit. Desweiteren ist die Patientin/der Patient auch zur Schadensmi-
nimierung verpflichtet.
D. h. Sie sollen
• an der Behandlung „mitarbeiten“,
• die Dosierung von Medikamenten einhalten,
• Kontrolltermine wahrnehmen,
• Diät- und Verhaltensregeln beachten,
• die für die Behandlung notwendigen Informationen geben,
• die für die Behandlung notwendigen Fragen beantworten,
• die notwendigen Untersuchungen und Therapien an sich
  vornehmen lassen
• usw.
Daneben besteht noch die Zahlungspflicht (Honorare, Kostenbeiträge)
für die in Anspruch genommene Leistung.

WICHTIGE INFORMATION

Wenn Sie einen Behandlungstermin nicht einhalten können,
sagen Sie diesen rechtzeitig ab. Termine, die gar nicht oder zu
spät abgesagt werden, können unter Umständen in Rechnung
gestellt werden.

18
5.5 ERSTE HILFE
Die unbedingt notwendige ärztliche Hilfe darf niemandem ver-
weigert werden (diese Verpflichtung gilt sowohl für öffentliche
als auch für private Krankenanstalten). Eine Ärztin/ein Arzt darf die
Erste Hilfe im Falle drohender Lebensgefahr nicht verweigern.
Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe dürfen im
Falle drohender Gefahr des Todes oder einer beträchtlichen
Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung eines Men-
schen ihre fachkundige Hilfe nicht verweigern. Auch Hebammen
dürfen im Notfall ihre fachkundige Hilfe nicht verweigern.
Hinzuweisen ist auch auf die allgemeine Hilfeleistungspflicht,
wonach grundsätzlich jeder verpflichtet ist, bei einem Unglücksfall
oder einer Gemeingefahr die offensichtlich erforderliche Hilfe zu
leisten.

5.6 Alternativ- und komplementär-
    medizinische Methoden
Ärztinnen/Ärzte sind verpflichtet, nach medizinisch-wissenschaft-
lichen Erkenntnissen zu (be-)handeln. Sogenannte „alternativ- oder
komplementärmedizinische Methoden“ wie Akupunktur oder
homöopathische Arzneimittel waren daher lange umstritten. Heute
sind diese nicht mehr wegzudenken.
Wenn Sie den Wunsch haben, (auch) mit solchen Methoden
behandelt zu werden, besprechen Sie dies mit Ihrer Ärztin/Ihrem
Arzt und fragen Sie, wo derartige Behandlungsmethoden durch-
geführt werden. Erkundigen Sie sich auch, ob bzw. welche Kosten
vom Krankenversicherungsträger oder von einer Privatversicherung
übernommen werden.

                                                                        19
5.7 STUDIEN
Den Patientinnen/Patienten können im Rahmen von Studien „neue
Pflege- und Behandlungsmethoden“ vorgeschlagen werden.
Eine Studie dient dazu, die Wirksamkeit und Sicherheit neuer Arz-
neimitteln, Medizinprodukte oder neuer Pflege- und Behandlungs-
methoden wissenschaftlich abzusichern.
Zum Schutz der teilnehmenden Patientinnen/Patienten wird für
diese von den Studienbetreibenden eine Haftpflichtversicherung
abgeschlossen, um eventuell auftretende Schäden, die durch die
Studie verursacht werden könnten, abzudecken.
Studien werden vorab von einer Ethikkommission beurteilt. Diese
prüft, ob es sich um eine Methode handelt, die einen medizinischen
bzw. pflegerischen Fortschritt erwarten lässt und ob diese ethisch
vertretbar ist.

WICHTIGE INFORMATION

Wenn Sie an einer Studie freiwillig teilnehmen, müssen Sie be-
sonders ausführlich aufgeklärt werden und – falls Sie sich dafür
entscheiden – dieser Behandlung nachweislich (schriftlich)
zustimmen.
Sie haben selbstverständlich das Recht, die Teilnahme an einer
Studie abzulehnen oder Ihre Einwilligung auch während der Be-
handlung wieder zurückzuziehen, ohne dass daraus ein Nachteil
für Sie resultieren darf.

20
6 Recht auf freie
  Ärztinnen-/Ärztewahl

6.1 Niedergelassener Bereich
           ZITAT PATIENTIN
           Kann ich selbst aussuchen, bei welcher Ärztin ich mich
           behandeln lasse?

Als Patient/in haben Sie grundsätzlich das Recht, Ihre Ärztinnen/
Ärzte im niedergelassenen Bereich (freiberufliche Berufsaus-
übung) frei zu wählen (siehe auch Kapitel 5: Abschluss und Been-
digung eines Behandlungsvertrages).
Viele Ärztinnen/Ärzte haben Verträge mit Krankenversicherungs-
trägern (Vertragsärztinnen/-ärzte), mit denen die Kosten für
die Behandlung nach einem festgelegten Kassentarif abgerechnet
werden. Je nach Krankenversicherungsträger können Kosten oder
Selbstbehalte für die Behandlung anfallen.
Vertragsärztinnen/-ärzte dürfen Sie am Ende eines Quartals
ohne Angabe von Gründen wechseln. Wenn Sie innerhalb
eines Quartals wechseln wollen, sollten Sie vorher mit der Kran-
kenkasse Rücksprache halten, da vom Krankenversicherungsträger
möglicherweise die Kosten nicht übernommen werden. Auch die
Kosten für die Einholung einer zweiten Fachmeinung werden vom
Krankenversicherungsträger nicht uneingeschränkt übernommen.
Wahlärztinnen/-ärzte haben keinen Vertrag mit dem Kranken-
versicherungsträger. Diese können daher die Höhe ihrer Honorare
selbst festlegen. Sie als Patient/in müssen das Honorar selbst
bezahlen, bekommen aber üblicherweise einen Teil der Kosten des
Kassentarifs rückerstattet.
Für privat durchgeführte Behandlungen kann die Ärztin/der Arzt
den Preis frei mit den Patientinnen/Patienten vereinbaren.

                                                                    21
TIPP
             Sprechen Sie vor Beginn einer Behandlung mit Ihrer
             Ärztin/Ihrem Arzt über die anfallenden Kosten und
             lassen Sie sich bei aufwendigen Behandlungen auch
             einen Kostenplan erstellen.
             Zahnärztinnen/-ärzte sind gesetzlich verpflichtet, auf
             Verlangen einer Patientin/eines Patienten einen schrift-
             lichen Heil- und Kostenplan zu erstellen.

Woran erkennt man eine gute
Ordination?
Die Auswahl der Hausärztin/des Hausarztes kann für Ihre Behand-
lung und Betreuung sehr wichtig sein. Die folgende Checkliste kann
Ihnen bei dieser Entscheidung helfen.

                                                         ✂
     CHECKLISTE
      Werde ich freundlich und respektvoll behandelt?
      Wird mein spezielles gesundheitliches Problem ernst
       genommen?
      Erhalte ich eine umfassende und verständliche Auf-
       klärung?
      Kann ich über die Behandlung und Therapie (mit)-
       entscheiden?
      Werde ich in der Entscheidungsfindung unterstützt?
      Erhalte ich Informationen über Hilfsangebote?
      Erhalte ich Zugang zu meinen Krankenunterlagen?
      Wird meine Privat- und Intimsphäre gewahrt?
      Ist der Schutz meiner persönlichen Daten gewähr-
       leistet?
      Wie ist die Ordination organisiert? Wartezeiten?
       Abendtermine?
      Sind bei Bedarf auch Hausbesuche möglich?
      Sind in der Ordination qualitätsverbessernde Maß-
       nahmen erkennbar?
      Hat die Ärztin/der Arzt Zusatzausbildungen absolviert?

22
TIPP
          Suchen Sie sich Ihre Hausärztin/Ihren Hausarzt in gesunden
          Tagen und nicht erst im Krankheitsfall aus!

Bereitschafts- und Ärztinnen-/Ärzte-
notdienste
In der Steiermark sind an Wochentagen in der Nacht sowie an
Samstagen, Sonn- und Feiertagen ganztägig Bereitschafts- und
Ärztinnen-/Ärztenotdienste eingerichtet. Diese Bereitschafts- und
Ärztinnen-/Ärztenotdienste sind ausschließlich für medizinische Not-
situationen vorgesehen, die keinen Aufschub der ärztlichen Betreu-
ung bis zum Ordinationsbeginn erlauben und die keiner Intervention
durch den notärztlichen Dienst bedürfen. An den Wochenenden
sind auch Zahnärztinnen-/-ärztenotdienste eingerichtet.
Nähere Informationen erhalten Sie von der Ärztekammer Steiermark
und von der Landes Zahnärztekammer Steiermark (siehe Adressen-
verzeichnis).

          TIPP
          Wenn Sie keine gesetzliche Krankenversicherung haben, aber
          einer Krankenbehandlung bedürfen, bietet die Marienambu-
          lanz in Graz, Keplerstraße 82/1, Tel. 0316/8015-361 kosten-
          lose medizinische Grundversorgung an.

6.2 Krankenanstaltenbereich
           ZITAT PATIENT
           Kann ich mir meinen Operateur aussuchen?

Für die Behandlung in einer öffentlichen oder privat gemein-
nützigen Krankenanstalt besteht keine freie Ärztinnen-/Ärzte-
wahl.
Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn Sie als Patient/in der Son-
derklasse oder als Selbstzahler/in vom Klinikvorstand einer Universi-

                                                                        23
tätsklinik oder von der Leiterin/vom Leiter einer Klinischen Abteilung
persönlich behandeln lassen wollen und dafür ein Sonderhonorar
bezahlen.
Privatversicherte oder Selbstzahler/innen können sich von einer
Ärztin/einem Arzt ihrer Wahl auch in einem Belegspital (= private
Krankenanstalt) behandeln lassen.

            TIPP
            Wenn Sie eine private Krankenversicherung abgeschlossen
            haben, vergewissern Sie sich, welche Leistungen abgedeckt
            werden, um unerwartete finanzielle Folgen zu vermeiden!
            Informieren sie sich daher vor einer stationären Aufnahme,
            ob Sie eine Sonderklasseversicherung, Taggeldversiche-
            rung usw. haben bzw. wenn Sie sich im niedergelassenen
            Bereich behandeln lassen, welche (Zusatz)Leistungen in
            Anspruch genommen werden können.

24
7 Gespräch mit der Ärztin/
  dem Arzt

Das Gespräch zwischen der Patientin/dem Patienten und der
Ärztin/dem Arzt ist der Grundstein und die Basis für eine gute
Behandlungsbeziehung. Es schafft Sicherheit und Vertrauen,
kann den Krankheitsverlauf und Heilungsprozess verbessern und
damit die Genesungszeit verkürzen.
Sie sollten durch das Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt die In-
formationen erhalten, die Sie als medizinischer Laie benötigen,
um die Tragweite einer medizinischen und pflegerischen Maßnah-
me zu erfassen. Nur so können Sie auch Ihre Entscheidungsfrei-
heit und Ihr Selbstbestimmungsrecht wahren.

            ZITAT PATIENT
            Seit ich mir vor jedem Arzttermin meine Fragen überlege, gehe
            ich mit den Informationen nach Hause, die ich brauche.

Folgende Checkliste hilft Ihnen dabei, sich gut auf das Gespräch
mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt vorzubereiten.

                                                         ✂
   CHECKLISTE
   Vor dem Besuch in der Ordination
    Stellen Sie eine Liste der Medikamente zusammen,
     die Sie gerade einnehmen.
    Bereiten Sie relevante Befunde, Röntgenbilder usw.
     vor und bringen Sie diese in die Ordination mit.
    Schreiben Sie sich Ihre Fragen vorher auf.

                                                                        25
✂
     CHECKLISTE
     Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt
      Beschreiben Sie so gut wie möglich Ihre gesundheitli -
        chen Probleme und Beschwerden.
      Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie sprachlich nicht
       verstanden werden, beschreiben bzw. veranschaulichen
       Sie Ihre Symptome und Beschwerden anders.
      Informieren Sie Ihre Ärztin/Ihren Arzt über bestehende
       Medikamentenallergien.
      Fragen zur Erkrankung und Behandlung
       • Welche Untersuchungen sind zur Abklärung meiner
         Beschwerden notwendig?
       • An welcher Krankheit leide ich?
       • Was hat meine Beschwerden/Erkrankung verursacht?
       • Muss ich überhaupt behandelt werden?
       • Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
       • Was sind Nutzen, Risiken, Nebenwirkungen, Vor- und
         Nachteile der einzelnen Behandlungsmöglichkeiten?
       • Welche Heilungsaussichten bestehen?
       • Wie lange wird die Heilung/Genesung dauern?
       • Was kann ich zur Vorbeugung/Besserung/Heilung
         beitragen?
       • Gibt es bestimmte Verhaltensregeln (Diät, Schonung,
         Bewegung usw.)?
       • Ist eine Kontrolle notwendig?
      Fragen zu Medikamenten
       • Welche Wirkungen und Nebenwirkungen haben die
         Medikamente?
       • Gibt es Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten?
       • Wie lange, wie oft und in welcher Dosierung sind die
         Medikamente einzunehmen?
      Fragen zu Vorsorgeuntersuchungen
       • Welche sind angezeigt und sinnvoll?
       • Wann bzw. in welchen Intervallen sollten diese durch
         geführt werden?
       • Wo können diese durchgeführt werden?
      Fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstehen.

26
ZITAT PATIENT
            Darf mich meine Freundin zum Arzt begleiten?

Selbstverständlich können Sie sich auch von einer Person Ihres
Vertrauens begleiten lassen. Eine Vertrauensperson darf aber
nicht für Sie entscheiden. Eine Begleitung kann für fremdsprachige
Patientinnen/Patienten oder auch für Menschen mit Behinderungen
besonders wichtig sein.
Sie dürfen auch einen Dolmetschdienst beiziehen, wenn Sie
sich sprachlich überfordert fühlen (siehe Adressenverzeichnis).

                                                                     27
8 Recht auf Aufklärung

8.1 Warum sind Sie aufzuklären?
Die Angehörigen der Gesundheitsberufe und insbesondere Ärztinnen/
Ärzte sind verpflichtet, Sie als Patient/in aufzuklären. Das Aufklä-
rungsgespräch dient der Vermittlung der Informationen, die
Sie als medizinischer Laie benötigen, um die Tragweite einer
medizinischen und pflegerischen Maßnahme zu erfassen.
Nur so können Sie sich auch für oder gegen eine Behandlung
entscheiden und somit Ihre Entscheidungsfreiheit und Ihr
Selbstbestimmungsrecht wahren (siehe auch Kapitel 7: Checkliste
für das Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt).

            ZITAT PATIENT
            Ich habe mich von meiner Ärztin sehr gut behandelt gefühlt und
            sie hat mir alles sehr gut und verständlich erklärt!

Die Gesprächsinhalte und Informationen sollen dabei der
jeweiligen Situation angepasst in möglichst verständlicher
(sowohl inhaltlich als auch sprachlich) und schonungsvoller Art
vermittelt werden. Bei Minderjährigen ist besonders darauf zu ach-
ten, dass die Erklärungen deren Entwicklungsstand entsprechen.

            TIPP
            Kennen Sie die Broschüre der PatientInnen- und Pflege-
            ombudsschaft „Keine Angst vor dem Doktorlatein“?

28
8.2 Inhalt, Umfang und Zeitpunkt
    der Aufklärung
                                                         ✂
  CHECKLISTE
  Sie sind darüber aufzuklären,
   woran Sie leiden und welche Heilungschancen bestehen
    (Diagnoseaufklärung);
   ob eine Behandlung nötig ist, welche Behandlungsmög-
    lichkeiten bestehen und welche Gefahren bei Nichtbe-
    handlung drohen (Therapie- und Verlaufsaufklärung);
   welche Risiken bestehen bzw. welche Komplikationen
    bei den jeweiligen Behandlungsmöglichkeiten auftreten
    können (Risikoaufklärung);
   was Sie persönlich zur Besserung/Heilung beitragen
    können und wie Sie sich verhalten sollen (Sicherungs-
    aufklärung).

Die Aufklärung muss umso ausführlicher sein, je risikoreicher
ein Eingriff ist und je mehr Alternativen bestehen.
Je dringlicher ein Eingriff ist, desto weniger ausführlich kann
die Aufklärung sein, und je weniger dringlich ein Eingriff ist,
desto ausführlicher hat die Aufklärung zu sein.
Wenn ein Eingriff keinen Aufschub duldet (Gefahr einer schweren
Gesundheitsschädigung, Lebensgefahr), ist die Aufklärung auf das
Wesentlichste zu beschränken oder kann ganz entfallen.
Wenn eine Behandlung aus medizinischer Sicht nicht not-
wendig ist (etwa bei Schönheitsoperationen), hat eine besonders
gründliche Aufklärung zu erfolgen.
Sie müssen rechtzeitig vor einer Behandlung aufgeklärt werden,
damit Sie ausreichend Zeit zum Überlegen und Nachfragen
haben und ohne Druck entscheiden können. Der richtige Zeit-
punkt ergibt sich im Einzelfall. Je schwerwiegender der medizini-
sche Eingriff ist, desto früher hat die Aufklärung zu erfolgen. Eine
Aufklärung für eine geplante Operation im Rahmen der Operati-
onsvorbereitungen oder gar erst auf dem Weg in den Operations-
saal ist als verspätet anzusehen.

                                                                       29
8.3 Wer darf bzw. muss aufklären
    und wer ist aufzuklären?
Für jede medizinische Maßnahme müssen Sie grundsätzlich von
einer Ärztin/einem Arzt aufgeklärt werden. Das muss nicht die
Ärztin/der Arzt sein, die/der die medizinische Maßnahme (z. B. die
Operation) durchführt.
Die Angehörigen der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe
sind nicht berechtigt, die ärztliche Aufklärungspflicht zu
übernehmen. Pflegepersonen werden Sie über die pflegerischen
Maßnahmen informieren und über etwaige Gefahren in diesem
Zusammenhang aufklären.
Im Zuge einer immer stärker werdenden Arbeitsteilung muss
nicht jede Ärztin/jeder Arzt die gesamte Aufklärung vornehmen
bzw. wiederholen, sondern die Aufklärung darf auch „stufen-
weise“ erfolgen. Beispielsweise erklärt die Fachärztin/der Fach-
arzt im niedergelassenen Bereich die verschiedenen Operationsme-
thoden und in der Krankenanstalt erfolgt die Aufklärung über die
Risiken zu den jeweiligen Methoden.
Im Regelfall ist die Patientin/der Patient selbst aufzuklären.
Wenn die Patientin/der Patient nicht einsichts- und urteilsfähig ist,
dann ist (auch) die Vertreterin/der Vertreter (z. B. die Person,
die mit der Pflege und Erziehung betraut ist, die Sachwalterin/der
Sachwalter, die/der Vorsorgebevollmächtigte usw.) aufzuklären.

WICHTIGE INFORMATION

Die Aufklärung muss individuell erfolgen, d. h., das Aufklä-
rungsgespräch ist auf den Einzelnen abzustimmen. Für die
Eingriffs- und Operationsaufklärung werden gerne Merkblätter
bzw. vorgefertigte Aufklärungs- und Einwilligungsbögen mit
Hinweisen auf Risiken und Komplikationen verwendet. Lesen
Sie diese in aller Ruhe durch und fragen Sie nach, wenn Sie
etwas nicht verstehen, bevor Sie diese Bögen unterfertigen.
Schriftliche Aufklärungsbögen ersetzen keinesfalls das
persönliche Aufklärungsgespräch!

30
8.4 Einzelfragen

Fremdsprachige Patientinnen/
Patienten
            ZITAT PATIENT
            Könnten Sie bitte langsam sprechen, ich verstehe die deutsche
            Sprache noch nicht so gut!

Beherrscht die Patientin/der Patient die deutsche Sprache nicht
oder nicht ausreichend, ist auch eine Aufklärung in der Sprache
möglich, die sowohl die/der Aufklärende als auch die Patientin/
der Patient versteht.
Ist dies nicht der Fall, muss eine sprachkundige (Vertrauens-)
Person mit Zustimmung der Patientin/des Patienten beigezogen
werden. Stehen keine Sprachvermittler zur Verfügung, ist ein
Dolmetschdienst einzubinden (siehe Adressenverzeichnis).

Therapeutisches Privileg
In Ausnahmefällen dürfen bestimmte Informationen zurück-
gehalten werden, und zwar dann, wenn durch eine umfassende
Aufklärung mit massiven, unter Umständen unbehebbaren körper-
lichen oder seelischen Störungen gerechnet werden muss. Diese
Einschränkung der Aufklärungspflicht, das sogenannte „therapeu-
tische Privileg“, ist nur dann zulässig, wenn es dem Patientinnen-/
Patientenwohl dient.

Aufklärungsverzicht
Sie haben als Patient/in das Recht auf die Aufklärung zu ver-
zichten. Sie können sich dann nicht auf eine mangelnde
Aufklärung berufen. In der Regel wird ein Aufklärungsverzicht
schriftlich festgehalten und ist von Ihnen zu unterfertigen.

                                                                            31
9 Recht auf Selbstbestimmung

9.1 Selbstbestimmungsrecht im
    Gesundheitsbereich
Selbstbestimmung ist ein in den Menschenrechten verankertes
Recht. Grundlage der Selbstbestimmung sind die freie Willens-
bildung und -äußerung und in der Folge die Akzeptanz des
individuellen Willens und der damit verbundenen Folgen. Sie
haben das Recht in eigenen Angelegenheiten frei – also nach
subjektiven Kriterien und allenfalls auch „unvernünftig“ – zu
entscheiden. Selbstbestimmung ist eng verknüpft mit Selbst-
verantwortung für das eigene Leben und die eigene Gesundheit.

           ZITAT PATIENTIN
           Ich habe Brustkrebs. Ich möchte aber auf keinen Fall, dass meine
           Brust amputiert wird! Darf ich die Operation verweigern?

           ZITAT ARZT
           Die Patientin verweigert die Cortisontherapie, obwohl diese
           beim derzeitigen Zustandsbild dringend angezeigt wäre!

9.2 Einwilligung in die medizinische
    Behandlung
Das Recht auf Einwilligung in eine medizinischen Heilbe-
handlung bzw. das Recht auf Verweigerung einer medi-
zinischen Heilbehandlung zählt zu Ihren höchstpersönlichen
Rechten auf Selbstbestimmung. D.h., dass alle Untersuchungen
und Heilbehandlungen (von der einfachen Blutabnahme, der Ver-
abreichung von Medikamenten bis hin zu Operationen) grundsätz-
lich nur mit Ihrer Einwilligung durchgeführt werden dürfen. Eine
rechtsverbindliche bzw. gültige Einwilligung in eine Heilbe-
handlung ist nur bei ausreichender Information und Aufklä-
rung möglich (siehe Kapitel 8).

32
Grundsätzlich ist eine mündliche Einwilligung ausreichend. Selbst
eine bloß schlüssige (auch nonverbale) „Erklärung“ (z. B. wenn der
Arm zur Blutabnahme hingehalten wird) ist in der Regel ausrei-
chend. In einigen Fällen ist die Einholung einer schriftlichen Ein-
willigung gesetzlich vorgesehen bzw. ist eine solche auch ratsam
(Fortpflanzungsmedizin, Dokumentationspflichten, Beweis-
sicherungsgründe …).

  WICHTIGE INFORMATION

  Ohne Aufklärung ➜ keine Einwilligung
  Ohne Einwilligung ➜ keine Behandlung

9.3 Selbstbestimmungsrecht bei
    Minderjährigen
Auch Minderjährige haben ein Recht auf Selbstbestimmung.
D. h., dass diese ihrem Alter und ihrem Verständnis entsprechend
Informationen erhalten und in alle Entscheidungen, die ihre Ge-
sundheit betreffen, mit einbezogen werden müssen.
Bei der Frage, ob Minderjährige selbstbestimmt in eine medizinische
Heilbehandlung einwilligen können, ist immer zu prüfen,
• ob diese einsichts- und urteilsfähig sind. Bei den „mündig“
  Minderjährigen, das sind Personen ab dem vollendeten 14.
  Lebensjahr, wird vermutet, dass diese „einsichts- und
  urteilsfähig“ sind. Damit soll ausgedrückt werden, dass diese
  im Regelfall das Wesen und die Bedeutung einer Behand-
  lung verstehen und die Reife haben, gemäß dieser Einsicht
  selbst zu entscheiden.
• Weiters ist zu klären, ob es sich bei der Heilbehandlung um eine
  „leichte“ oder um eine „schwere oder nachhaltige“ Beein-
  trächtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persön-
  lichkeit handelt.

                                                                      33
Wer ist zustimmungsbefugt?
Ist die notwendige Einsichts- und Urteilsfähigkeit der/des
Minderjährigen nicht gegeben, so ist immer die Zustimmung
der Person erforderlich, die mit der Pflege und Erziehung be-
traut ist (üblicherweise ein Elternteil).
Handelt es sich beim Eingriff um eine „leichte“ Beeinträchti-
gung, reicht die Einwilligung der/des einsichts- und urteilsfä-
higen Minderjährigen für die Vornahme einer Behandlung aus.
Die Zustimmung der Person, die mit der Pflege und Erziehung
betraut ist, ist nicht erforderlich.
Handelt es sich um eine Behandlung, die gewöhnlich mit einer
„schweren oder nachhaltigen“ Beeinträchtigung der körper-
lichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist,
so darf die Behandlung nur durchgeführt werden, wenn auch die
Person zustimmt, die mit der Pflege und Erziehung betraut
ist. Es ist aber auch die Einwilligung der/des einsichts- und urteils-
fähigen Minderjährigen notwendig.
Bei dringlichen Behandlungen die keinen Aufschub dulden
bzw. bei Gefahr im Verzug (Lebensgefahr oder Gefahr einer
schweren Schädigung der Gesundheit), kann die dringliche
Behandlung auch ohne Einwilligung der/des Minderjährigen
oder Zustimmung der pflege- und erziehungsberechtigten
Person durchgeführt werden.
Schwierig wird die Beurteilung, wenn die Erklärungen der
Minderjährigen und der Pflege- und Erziehungsberechtigten
voneinander abweichen, z. B. die/der Minderjährige willigt ein,
die erziehungsberechtigte Person lehnt ab oder umgekehrt, und/
oder es bestehen Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit der/
des Minderjährigen. Bei derartigen Problemstellungen ist unter
Umständen das Pflegschaftsgericht zu befassen.

34
WICHTIGE INFORMATION
  Die Entscheidung über die Einsichts- und Urteilsfähigkeit und
  ob mit der Heilbehandlung eine leichte oder schwerwiegende
  nachhaltige Beeinträchtigung verbunden ist, muss immer im
  Einzelfall getroffen werden.
  Je schwerwiegender der Eingriff und je jünger die/der
  Minderjährige ist, desto weniger wird diese/r die Bedeu-
  tung und Tragweite des Eingriffs abschätzen können
  und umgekehrt.

9.4 Selbstbestimmungsrecht bei
    Sachwalterschaft
Wenn eine volljährige Person, die an einer psychischen Krank-
heit leidet oder geistig behindert ist, alle oder einzelne ihrer
Angelegenheiten (wie etwa die medizinische oder pflegerische
Versorgung) nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst
besorgen kann, so ist ihr unter Umständen eine Sachwalterin/
ein Sachwalter als gesetzliche Vertretung zu bestellen. Die Be-
stellung darf erst erfolgen, wenn keine andere Möglichkeit mehr
gegeben ist (sogenanntes Subsidiaritätsprinzip).
Bei der Frage, ob eine Person unter Sachwalterschaft selbstbe-
stimmt in eine medizinische Heilbehandlung einwilligen kann, ist
immer zu prüfen,
• ob die betroffene Person einsichts- und urteilsfähig ist,
• ob es sich bei der Heilbehandlung um eine „leichte“ oder eine
   „schwere oder nachhaltige“ Beeinträchtigung der körper-
  lichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit handelt und
• ob eine allfällige Sachwalterschaft auch für die Besorgung
  medizinischer Angelegenheiten vorgesehen ist.

                                                                   35
Wer ist zustimmungsbefugt?
In eine medizinische Behandlung kann eine behinderte Person,
wenn sie einsichts- und urteilsfähig ist, nur selbst einwilli-
gen. Dies gilt sowohl bei Behandlungen mit leichten als auch bei
schwerwiegenden oder nachhaltigen Beeinträchtigungen.
Ist die betreffende Person nicht einsichts- und urteilsfähig, ist
die Zustimmung der Sachwalterin/des Sachwalters erforderlich.
Bei einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung
der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit gilt aber
Besonderes:
Die Sachwalterin/der Sachwalter kann nur zustimmen, wenn eine
zweite unabhängige Ärztin/ein zweiter unabhängiger Arzt
in einem ärztlichen Zeugnis bestätigt,
• dass die behinderte Person nicht einsichts- und urteilsfähig
  ist und
• die Vornahme der Behandlung zur Wahrung ihres Wohles
  erforderlich ist.
Wenn kein zweites ärztliches Zeugnis vorliegt oder die behinderte
Person die Behandlung ablehnt, ist die Zustimmung gerichtlich zu
genehmigen.
Bei dringlichen Behandlungen, die keinen Aufschub dulden
(Lebensgefahr oder Gefahr einer schweren Schädigung der
Gesundheit) bedarf es weder der Einwilligung der Patientin/des
Patienten (der Vertretung) noch der Entscheidung des Gerichts.

           TIPP
           Weitere Informationen finden Sie in der Broschüre „Sach-
           walterschaft“ oder „Das Sachwalter-Recht“ des Bundes-
           ministeriums für Justiz (siehe Broschürenverzeichnis).

36
9.5 Patientenverfügung zur Ausübung
    des Selbstbestimmungsrechts
             ZITAT PATIENTIN
             Sollte es nach einem Notfall zu einer Dauerschädigung meines
             Gehirns kommen, möchte ich, dass keine lebensverlängernden
             Maßnahmen gesetzt werden. Wie kann ich das regeln?

Mit einer Patientenverfügung können Sie Ihr Recht auf Selbstbe-
stimmung im Voraus ausüben (vorweggenommene Willenser-
klärung). Sie gilt für den Fall, dass Sie später nicht mehr einsichts-
und urteilsfähig sind oder sich nicht mehr äußern können.
D. h., es besteht die Möglichkeit, medizinische Behandlungsme-
thoden vorausschauend abzulehnen (verbindliche Patientenver-
fügung) oder den eigenen Patientinnen-/Patientenwillen in einer
beachtlichen Patientenverfügung zu beschreiben.
Bei der Errichtung einer Patientenverfügung sind bestimmte Vor-
gaben einzuhalten.
Wenn Sie eine verbindliche Patientenverfügung zur Ablehnung
von konkreten Behandlungsmethoden errichten möchten,
müssen sie vorher ärztlich aufgeklärt und juristisch informiert
und beraten werden.
Eine verbindliche Patientenverfügung ist fünf Jahre gültig und
muss nach Ablauf dieser Frist erneuert werden. Wenn alle Voraus-
setzungen für eine verbindliche Patientenverfügung gegeben sind,
sind die Behandlungsablehnungen ärztlicherseits einzuhalten.
Bei einer beachtlichen Patientenverfügung können Sie eben-
falls Behandlungen ablehnen, aber hier können Sie vor allem Ihren
Patientinnen-/Patientenwillen niederschreiben. Diese Form
der Patientenverfügung ist beispielsweise dann für Sie geeignet,
wenn Sie genaue Vorstellungen von Ihrem Leben, einer allfälligen
Behandlung, Ihrem Lebensende usw. haben, Sie aber an keiner
konkreten Erkrankung leiden, auf die Sie Ihre Patientenverfügung
beziehen könnten.

                                                                         37
Für die Ärztin/den Arzt stellt diese Form der Patientenverfügung
eine wichtige Orientierungshilfe dar. D. h., liegt eine beachtliche
Patientenverfügung vor, haben die behandelnden Ärztinnen/Ärzte
den in der Patientenverfügung geschriebenen bzw. mutmaßlichen
Patientinnen-/Patientenwillen zu ermitteln und zu beachten.
Bei einer beachtlichen Patientenverfügung ist vorher keine ärzt-
liche und juristische Aufklärung vorgesehen. Eine entspre-
chende ärztliche Aufklärung ist aber auch bei dieser Form der
Patientenverfügung empfehlenswert. Eine Patientenverfügung
kann jederzeit widerrufen werden.

           TIPP
           Genauere Informationen finden Sie in der Broschüre „Pa-
           tientenverfügung“. Es gibt auch ein Musterformular für
           die Errichtung einer Patientenverfügung. Beides können
           Sie bei der PatientInnen- und Pflegeombudsschaft anfor-
           dern und sich dort auch rechtlich beraten lassen.

9.6 Vorsorgevollmacht zur Ausübung
    des Selbstbestimmungsrechts

            ZITAT PATIENT
            Ich möchte, dass meine Tochter meine medizinischen Angele-
            genheiten für mich entscheidet, wenn ich selbst nicht mehr
            dazu in der Lage bin!

Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie für den Fall des späteren
Verlustes der Geschäfts-, Einsichts-, Urteils- und/oder Äu-
ßerungsfähigkeit eine oder mehrere vertraute Personen zur
Stellvertreterin/zum Stellvertreter in bestimmten Angelegen-
heiten bestellen (Gesundheits-, Vermögens- oder Wohnungsan-
gelegenheiten, Vertretung vor Behörden und Institutionen usw.).
Die Vorsorgebevollmächtigten können dann im gegebenen
Fall in der betreffenden Angelegenheit für Sie entscheiden.
Bei der Errichtung einer Vorsorgevollmacht sind bestimmte gesetz-
liche Vorgaben einzuhalten.

38
TIPP
           Detaillierte Informationen finden Sie in der Broschüre
           „Vorsorgevollmacht in Bezug auf Gesundheitsangele-
           genheiten“ der PatientInnen- und Pflegeombudsschaft.
           Auch für die Errichtung einer Vorsorgevollmacht gibt es
           ein Musterformular, welches Sie bei der PatientInnen- und
           Pflegeombudsschaft anfordern können.

9.7 Patientenverfügung und
    Vorsorgevollmacht
Sie können eine Patientenverfügung, in der Sie Ihren Willen
vorab niederschreiben, auch mit einer Vorsorgevollmacht
verbinden. Vorsorgebevollmächtige, die Ihre Vorstellungen und
Wünsche kennen, können dann wichtige Informationen an die
behandelnden Ärztinnen/Ärzte weitergeben und eine sehr große
Hilfe bei der Auslegung Ihres Willens sein.
Wurde eine verbindliche Patientenverfügung errichtet, geht
diese einer Vorsorgevollmacht vor, wenn der in der Patienten-
verfügung konkret beschriebene Fall eintritt. D. h., auch Vorsorge-
bevollmächtigte können in dieser vorab geregelten Situation nicht
anders entscheiden.

  WICHTIGE INFORMATION
  Kurz zusammengefasst bedeutet das für Sie: Sie können mit
  einer Patientenverfügung und/oder Vorsorgevollmacht noch in
  Zeiten, in denen Sie gesund und selbst entscheidungsfähig sind,
  Vorkehrungen treffen, damit Ihr Wille auch dann beachtet wird,
  wenn Sie wegen fehlender Geschäfts-, Einsichts-, Urteils- und/
  oder Äußerungsfähigkeit nicht mehr in der Lage sind, für sich
  selbst zu entscheiden!

                                                                       39
Gibt es keine Patientenverfügung und auch sonst (noch) keine
Vertretung (z. B. Vorsorgevollmacht, Sachwalterschaft), so müs-
sen Ärztinnen/Ärzte die erforderlichen medizinischen Maßnah-
men nach bestem Wissen und Gewissen im bestmöglichen
Sinn der Patientin/des Patienten durchführen.

9.8 Vorzeitige Entlassung als Ausdruck
    des Selbstbestimmungsrechts

            ZITAT PATIENT
            Ich möchte vom Krankenhaus nach Hause gehen. Die Ärztin
            meinte, das sei unverantwortlich und ich würde damit meine
            Gesundheit gefährden!

Das Recht auf Selbstbestimmung schließt ein, dass Sie als Patient/in
eine Krankenanstalt auch gegen den ärztlichen Rat verlassen
dürfen. Sie müssen vorher über mögliche gesundheitliche
Folgen und Komplikationen aufgeklärt werden und einen
Revers (schriftliche Bestätigung der vorzeitigen Entlassung)
unterfertigen. Damit haften der Krankenanstaltenträger bzw.
die Ärztin/der Arzt nicht für mögliche Schäden, die durch eine
vorzeitige Entlassung entstehen könnten. Sollten Komplikationen
auftreten, können Sie die Krankenanstalt selbstverständlich wieder
aufsuchen.

WICHTIGE INFORMATION
Selbst entscheiden bedeutet auch Selbstverantwortung. Be-
denken Sie daher, dass ausschließlich Sie selbst gesundheitliche
Folgen, die durch eine vorzeitige Entlassung entstehen könnten,
tragen müssen!

40
Sie können auch lesen