Führungskommunikation in Theatern - Universität Koblenz ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Berend Barkela Führungskommunikation in Theatern Eine Untersuchung der Kommunikationsbeziehungen von Führungskräften und Mitarbeiter*innen zwischen konfligierenden Bereichen in Organisationen sowie deren Integration Vom Promotionsausschuss des Fachbereichs 8: Psychologie der Universität Koblenz-Landau zur Verleihung des akademischen Grades Doktor der Philosophie (Dr. phil.) genehmigte Dissertation. Datum der wissenschaftlichen Aussprache: 21. Juli 2020 Vorsitzender des Promotionsausschusses: Prof. Dr. Ingmar Hosenfeld (Universität Koblenz-Landau) Berichterstatter/in: Prof. Dr. Michaela Maier (Universität Koblenz-Landau) Prof. Dr. Stephan Winter (Universität Koblenz-Landau)
Zusammenfassung In Theatern gibt es künstlerische und nicht-künstlerische Organisationsbereiche, deren Integration eine Herausforderung sein kann: Führungskräfte und Mitar- beiter*innen in den verschiedenen Bereichen sind von unterschiedlichen Denk- weisen geprägt, die konfligieren können. In der vorliegenden Arbeit wurde un- tersucht, welche Rolle hurry, “Hurry, die Qualität in der hurry. Sure. Kommunikationsbeziehung Sure. As efficiently as possible.” zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen bei der Integration verschiedener Berei- che (Kunst, Technik, Verwaltung) in Theatern spielt. In einer qualitativen Befra- gung wird zunächst gezeigt, dass Führungskräfte der ersten und zweiten Füh- rungsebene die Integration der verschiedenen Bereiche für eine zentrale kommunikative Führungsaufgabe halten. Die Ergebnisse einer anschließenden Querschnittsbefragung unter Führungskräften und Mitarbeiter*innen deutscher Theater zeigen, dass Führungskräfte ihre eigene Kommunikation mit allen Berei- chen als gut, aber besonders gut in ihrem eigenen Bereich wahrnehmen. Dagegen beurteilen die Mitarbeiter*innen die Qualität der Führungskommunikation hete- rogener und insbesondere die Führungskommunikation aus dem künstlerischen Bereich eher mittelmäßig. Allerdings hängt die Qualität der Führungskommuni- kation zwischen verschiedenen Bereichen positiv mit der Integration von Wissen zusammen. Weiterhin ist eine als gut und konsistent wahrgenommene Füh- rungskommunikation aus allen Bereichen positiv mit der internen Integration der verschiedenen Bereiche assoziiert. Die Studien zeigen Erfolge guter Füh- rungskommunikation aber auch Entwicklungspotentiale. Diese Potentiale und die Bedeutung der Ergebnisse für Theater, Kulturbetriebe und Organisationen in anderen Sektoren werden diskutiert. 23
Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung 1 Theatern In Einleitung gibt..................................................................................................................... es künstlerische und nicht-künstlerische Organisationsbereiche,5 deren 1.1 Integration Führungskommunikation eine Herausforderung ................................................................................. sein kann: Führungskräfte und Mitar- 8 beiter*innen 1.2 Integration in den verschiedenen als Aufgabe von Bereichen Führungskommunikation............................. sind von unterschiedlichen Denk-11 weisen 1.3 geprägt, Zwischenfazit die konfligieren und Fragestellungen können. In der .............................................................. vorliegenden Arbeit wurde un- 16 2 Führung tersucht, welche in Theatern: Rolle die Qualität Eine kommunikative in der Kommunikationsbeziehung Aufgabe........................................ zwischen20 3 Führungskommunikation Führungskräften und Mitarbeiter*innen in Theatern: beiEine der Integration interdisziplinäre verschiedener Berei- che (Kunst, Herausforderung Technik, Verwaltung) ...................................................................................................... in Theatern spielt. In einer qualitativen Befra-24 4 Führungskommunikation gung wird zunächst gezeigt, dass in Führungskräfte Theatern: Eine Frage der ersten der Konsistenz und zweiten ................ Füh- 27 5 rungsebene Diskussion die Integration .................................................................................................................. der verschiedenen Bereiche für eine zentrale 29 kommunikative 5.1 Zusammenhänge Führungsaufgabe der einzelnen halten.Manuskripte Die Ergebnisse ........................................... einer anschließenden30 Querschnittsbefragung 5.2 Implikationen unter für dieFührungskräften Organisationsforschung und Mitarbeiter*innen und Führungspraxis deutscher .... 37 Theater 5.3 zeigen, Limitationen dass Führungskräfte und kritische Würdigung ihre eigene Kommunikation der Studien ................................. mit allen Berei- 41 chen 5.4als gut, Ausblick aber besonders ..............................................................................................................47 gut in ihrem eigenen Bereich wahrnehmen. Dagegen beurteilen 5.5 Fazit die ..................................................................................................................... Mitarbeiter*innen die Qualität der Führungskommunikation hete- 51 Literaturverzeichnis rogener und insbesondere .........................................................................................................54 die Führungskommunikation aus dem künstlerischen Anhang eher Bereich ............................................................................................................................... mittelmäßig. Allerdings hängt die Qualität der Führungskommuni- 64 kation Manuskript zwischen 1 .................................................................................................................. verschiedenen Bereichen positiv mit der Integration von Wissen 65 zusammen. Manuskript Weiterhin 2.................................................................................................................. ist eine als gut und konsistent wahrgenommene Füh- 98 rungskommunikation Manuskript 3 ................................................................................................................ aus allen Bereichen positiv mit der internen Integration128 derLebenslauf..................................................................................................................... verschiedenen Bereiche assoziiert. Die Studien zeigen Erfolge guter Füh- 159 Erklärung ...................................................................................................................... rungskommunikation aber auch Entwicklungspotentiale. Diese Potentiale und162 die Bedeutung der Ergebnisse für Theater, Kulturbetriebe und Organisationen in anderen Sektoren werden diskutiert. 4 3
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ..................................................................................................................... 5 1.1 Führungskommunikation................................................................................. 8 1.2 Integration als Aufgabe von Führungskommunikation............................. 11 1.3 Zwischenfazit und Fragestellungen .............................................................. 16 2 Führung in Theatern: Eine kommunikative Aufgabe........................................ 20 3 Führungskommunikation in Theatern: Eine interdisziplinäre Herausforderung ...................................................................................................... 24 4 Führungskommunikation in Theatern: Eine Frage der Konsistenz ................ 27 5 Diskussion ..................................................................................................................29 5.1 Zusammenhänge der einzelnen Manuskripte ........................................... 30 5.2 Implikationen für die Organisationsforschung und Führungspraxis .... 37 5.3 Limitationen und kritische Würdigung der Studien ................................. 41 5.4 Ausblick ..............................................................................................................47 5.5 Fazit ..................................................................................................................... 51 Literaturverzeichnis .........................................................................................................54 Anhang ............................................................................................................................... 64 Manuskript 1 .................................................................................................................. 65 Manuskript 2.................................................................................................................. 98 Manuskript 3 ................................................................................................................ 128 Lebenslauf..................................................................................................................... 159 Erklärung ...................................................................................................................... 162 4
1 Einleitung Im Theater ist der Konflikt essentiell. Die Interessen von Protagonist*in und An- tagonist*in müssen aufeinanderprallen. Im klassischen Aufbau dramatischer Texte wird der Konflikt in der Exposition vorgestellt, spitzt sich zu bis zum Hö- hepunkt und wird schließlich am Ende gelöst oder endet in der Katastrophe (Allkemper & Eke, 2018; Kotte, 2012). Auf der Bühne sind Konflikte Kernstück des Spannungsaufbaus und erstrebenswert. Abseits der Bühne können sich Konflikte im Theater ebenso zuspitzen, Katastro- phen sind hingegen weniger erstrebenswert, kommen aber vor. Am Staatstheater in Karlsruhe war es 2015 zu erheblichen Differenzen zwischen dem Intendanten und dem Verwaltungsdirektor gekommen, die auch die Belegschaft entzweiten (“Verwaltungschef wird abgelöst”, 2015) und später juristisch erörtert wurden (Hübl, 2016). Im Tanztheater Wuppertal eskalierten 2018 Konflikte zwischen In- tendantin und kaufmännischem Geschäftsführer. Das Scheitern eines von der Stadt Wuppertal initiierten Mediationsverfahrens wurde zu Teilen vor der Öf- fentlichkeit ausgetragen (“Fall falscher Fakten”, 2018) und erst Anfang 2020 wur- den anschließende Rechtsstreitigkeiten beendet – mit hohen Kosten für die Stadt als Trägerin des Theaters (“Wuppertaler Tanztheater einigt sich mit Intendantin”, 2020). Solche Konflikte sind nicht der Regelfall, dennoch sind die obigen Beispiele nicht die einzigen. Eine ganze Reihe von Konflikten zwischen Führungskräften im künstlerischen und nicht-künstlerischen Bereich haben in den letzten Jahren zu schweren Führungskrisen an deutschen Theatern geführt (Schreiber, 2018). Solche Konflikte sind nicht nur auf die Führungsebene be- grenzt. Wenn Konflikte auf der Leitungsebene nicht geklärt werden, dann wirken sie sich auf die gesamte Organisation aus (Reid & Karambayya, 2009). Weiterhin 5
müssen Führungskräfte berücksichtigen, dass es auch zwischen den Mitarbei- ter*innen in künstlerischen und nicht-künstlerischen Bereichen ein Konfliktpo- tential gibt. Dieses Konfliktpotential ergibt sich in Theatern, da Kulturbetriebe auf der einen Seite geprägt sind von einem normativen Leitbild, der Autonomie der Kunst, und auf der anderen Seite, als Organisation, geprägt durch ökonomische und struktu- relle Bedingungen. Diese Unterschiede zeigen sich im Organisationsalltag in un- terschiedlichen Denkweisen der künstlerischen und nicht-künstlerischen Berei- che, die in vorliegenden Studien sowohl für Kulturbetriebe im Allgemeinen (Alexander, 1996; Auvinen, 2001; Lindqvist, 2007; Townley, 2002) als auch für Theater im Speziellen (Eikhof & Haunschild, 2007; Järvinen, Ansio, & Houni, 2015; Kleppe, 2018; Reid & Karambayya, 2009; Reynolds, Tonks, & MacNeill, 2017; Røyseng, 2008; von Cossel, 2011) als Ursache von Konflikten identifiziert wurden. Führungskräfte in Theatern stehen demnach vor der Herausforderung, dass konfligierende Denkweisen – etwa eher künstlerisch-emotionale, tech- nisch-handwerkliche oder ökonomisch-rationale Prinzipien – erfolgreich inte- griert werden müssen (Kleppe, 2018; Stein & Bathurst, 2008; Tröndle, 2006). Wenn die Integration verschiedener Bereiche in Organisationen gelingt, sollten Mitarbeiter*innen erfolgreich interdisziplinäre Wissensbestände austauschen, ein hohes Maß an Vertrauen und Respekt sowie wenig Konflikte in der Zusam- menarbeit der verschiedenen Bereiche wahrnehmen (Patterson et al., 2005; Steinheider, Bayerl, Menold, & Bromme, 2009). Als Entscheidungsträger*innen müssen Führungskräfte die Voraussetzungen für die Integration von Mitarbei- ter*innen in verschiedenen Bereichen schaffen. Da Führung erstens vor allem durch Kommunikation ausgeübt wird (Macik-Frey, 2007) und Kommunikation 6
zweitens essentiell für die konfliktarme Integration unterschiedlicher Denkwei- sen ist (Bromme, 2000; Krauss & Morsella, 2006), sollte die Qualität der Füh- rungskommunikation ein wesentlicher Faktor für die Integration künstlerischer und nicht-künstlerischer Bereiche in Theatern sein. Allerdings gab es für Theater und auch andere Kulturorganisationen bislang keine Untersuchungen zur Bedeutung der Führungskommunikation für die In- tegration unterschiedlicher Bereiche. Diese Forschungslücke ist der zentrale Ge- genstand der vorliegenden Arbeit. Der Fokus der Arbeit geht aber auch über Fra- gen der Führungskommunikation in Kulturbetrieben hinaus. Konflikte zwischen ökonomisch-rationalen und damit konfligierenden Prinzipien finden sich auch in anderen Organisationen. Zum Beispiel im Gesundheitswesen, wo Medizin (vor allem Ärzt*innen), Paramedizin (etwa Pfleger*innen oder Therapeut*innen) und Verwaltung (etwa Controller*innen, Sachbearbeiter*innen) zusammenarbeiten müssen. Aber auch in klassischen gewinnorientierten Unternehmen kommen solche konfligierenden Denkweisen vor, etwa in der Industrie zwischen dem Be- reich der Entwicklung (innovativ-kreativ), Produktion (technisch-handwerklich) und Verkauf (ökonomisch-rational). Obgleich Führung und Kommunikation in solchen Organisationen bereits als wesentliche Faktoren für Integration unter- sucht wurden (z. B. Edmondson & Nembhard, 2009; Rosen & Callaly, 2005), gab es bislang keine Untersuchungen der Qualität der unmittelbaren Kommunikati- onsbeziehung zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen aus verschiede- nen Bereichen. Die vorliegende Arbeit greift auch diese Forschungslücke am Bei- spiel von Theatern auf und untersucht die übergeordnete Fragestellung, welchen Einfluss die Kommunikationsqualität in Beziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen in verschiedenen Bereichen von Organisationen auf die Integration der verschiedenen Bereichen nimmt. 7
Um diese Fragestellung zu klären, werden im Folgenden zunächst die zentralen Untersuchungsgegenstände dargestellt, bestehende Erkenntnisse diskutiert und spezifische Forschungsdefizite eingeordnet (Kapitel 1.1–1.2). Anschließend wer- den spezielle Fragestellungen, die im Rahmen der Dissertation empirisch unter- sucht wurden, erläutert (Kapitel 1.3). Diese Fragestellungen wurden in drei Ma- nuskripten bearbeitet, die dem Anhang dieser Arbeit beiliegen und deren Ergebnisse in Kapitel 2–4 zusammengefasst werden. Kapitel 5 schließt mit einer Zusammenführung und Diskussion der Implikationen und Limitationen dieser Ergebnisse sowie einem Ausblick auf weitere Fragestellungen, die sich aus der Dissertation ergeben. 1.1 Führungskommunikation Diese Arbeit untersucht die Kommunikationsbeziehung zwischen Führungskräf- ten und Mitarbeiter*innen in Theatern. Kommunikation wird dabei verstanden als Prozess zwischen zwei oder mehr Beteiligten, in dem diese direkt oder medial vermittelt, verbal oder nonverbal interagieren (Six, Gleich, & Gimmler, 2007). Führung, definiert als jene Interaktionsprozesse, in denen Führungskräfte versu- chen Einfluss auf das Erleben und Verhalten von Mitarbeiter*innen in Organisa- tionen zu nehmen, ist eine im Wesentlichen kommunikative Tätigkeit (Rosenstiel, 2014; Weinert, 1989). Die Aufgaben von Führungskräften – etwa Ziele formulieren, Verantwortung delegieren oder Mitarbeiter*innen informie- ren und motivieren – erfordern Kommunikation (Haslam, 2004). Entsprechend zeigen Umfragen unter Führungskräften, dass diese einen Großteil ihrer Arbeits- zeit mit Kommunikation verbringen (Blessin & Wick, 2017; Huck-Sandhu, 2016). Weiterhin zeigen Studien, dass die Kommunikation von Führungskräften Ein- fluss auf den Erfolg einer Organisation nehmen kann (Tourish, 2014). Gut 8
untersucht sind vor allem Zusammenhänge zwischen der Führungskommunika- tion und der Arbeitszufriedenheit von Mitarbeiter*innen (z. B. Baird & Diebolt, 1976; Fix & Sias, 2006; Madlock, 2008; Mikkelson, York, & Arritola, 2015). Vorlie- gende Experimente zeigen darüber hinaus kausale Effekte der Führungskommu- nikation auf die Arbeitsleistung (Boies, Fiset, & Gill, 2015; Kuhnen & Tymula, 2012). Allerdings wurde in den vorliegenden Studien bisher keine konsistente Defini- tion und Operationalisierung von Führungskommunikation erarbeitet (Cohen, 2004; Fairhurst & Connaughton, 2014; Ruben & Gigliotti, 2017). Führungskom- munikation wurde zum Beispiel untersucht über die Kommunikationskompe- tenz von Führungskräften (Madlock, 2008; Mikkelson et al., 2015), verschiedene Stile (e.g. aggressiv, unterstützend, fordernd, transparent) von Kommunikation (Brandt & Uusi-Kakkuri, 2016; De Vries, Bakker-Pieper, & Oostenveld, 2010) oder in Form von spezifischen Kommunikationsmedien oder -instrumenten wie Emails oder Feedback (Braun, Hernandez Bark, Kirchner, Stegmann, & van Dick, 2019; Hon, Chan, & Lu, 2013; Kluger & DeNisi, 1996). Diese Perspektiven folgen meist klassischen Theorien der Führung, die sich ebenfalls auf die Eigenschaften von Führungskräften (z. B. Kompetenzen), ihr Verhalten (z. B. Stile) oder Situationen von Führung (z. B. Feedbackgespräche) konzentrieren (Nerdinger, 2014a). Diese Ansätze betrachten allerdings vor allem die Führungskraft und werden der interaktiven Logik von Kommunikation nur zum Teil gerecht. Neuere Theorien der Führung fokussieren nicht nur auf die Führungskraft, sondern betrachten die Beziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen. Ein vielversprechender Ansatz ist dabei die Leader- Member-Exchange (LMX)-Theorie (Graen & Uhl-Bien, 1995). Diese untersucht 9
Führung in der Qualität der dyadischen Beziehung zwischen einzelnen Füh- rungskräften und Mitarbeiter*innen. Die Annahme, dass die wahrgenommene Qualität der Interaktionsbeziehung über effektive Führung entscheidet, wurde vielfach gestützt. Metaanalysen konnten zeigen, dass die LMX-Qualität unter an- derem positiv mit der Arbeitszufriedenheit, dem Commitment, der Arbeitsleis- tung oder den Kündigungsabsichten von Mitarbeiter*innen zusammenhängt (Dulebohn, Bommer, Liden, Brouer, & Ferris, 2012; Gerstner & Day, 1997). Obwohl in der ursprünglichen Darstellung der LMX-Theorie Kommunikations- aspekte keine Rolle spielen, wurden diese in den letzten Jahren systematisch in- tegriert. Da aus Kommunikation Beziehungen entstehen, entstehen auch Bezie- hungen in Organisationen aus Kommunikation (Omilion-Hodges, Ptacek, & Zerilli, 2016). Da Führung, verstanden im Sinne der LMX-Theorie, in dyadischen Beziehungen existiert, entsteht Führung aus Kommunikation (Bakar & Connaughton, 2019). Nimmt man an, dass die durch die Interaktionspartner*in- nen wahrgenommene Qualität der Kommunikation von den Kompetenzen und Kommunikationsstilen der Interaktionspartner*innen abhängt, lassen sich die etablierten Definitionen und Operationalisierungen von Führungskommunika- tion in dieser interaktiven Sichtweise integrieren (Hertzsch, Schneider, & Maier, 2012). Die vorliegende Arbeit folgt dieser Definition eines kommunikativen LMX. Führungskommunikation wird im Weiteren untersucht als wahrgenommene Qualität der Kommunikationsbeziehung zwischen Führungskräften und Mitar- beiter*innen durch Mitarbeiter*innen (Fremdbewertung) und durch Führungs- kräfte (Selbstbewertung) (Schneider, Maier, Lovrekovic, & Retzbach, 2015). Wel- che Rolle die Qualität dieser Kommunikationsbeziehung für die Integration von verschiedenen Bereichen in Organisationen und insbesondere in Theatern spielt, wird im Folgenden diskutiert. 10
1.2 Integration als Aufgabe von Führungskommunikation Führungskräfte in Kulturbetrieben im Allgemeinen und Theatern im Speziellen, müssen sensibel für die unterschiedlichen Bedürfnisse, Überzeugungen und Vor- annahmen der Mitarbeiter*innen in künstlerischen und nicht-künstlerischen Bereichen sein, damit diese erfolgreich zusammenarbeiten (Cray, Inglis, & Freeman, 2007). Die Annahme, dass Führungskräfte verschiedene Bereiche in Organisationen integrieren müssen, ist allerdings nicht auf Kulturbetriebe be- grenzt. In Organisationen, definiert als soziale Einheiten, die Individuen bilden, um gemeinsame Ziele zu erreichen (Maier, 2007), müssen nicht alle Individuen in gleicher Weise am Ziel beteiligt sein. Im Gegenteil: Organisationen zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie in verschiedene funktionale Bereiche (z. B. Ar- beitsgruppen, Referate, Abteilungen, Sparten) gegliedert sind, die unterschiedli- che Expertise in das gemeinsame Ziel einbringen (Mintzberg, 1979). Es ist eine zentrale Aufgabe von Führungskräften, die Integration verschiedener Bereiche sicherzustellen (Lawrence & Lorsch, 1967). Insbesondere zwei Forschungsfelder der Organisationsforschung setzen sich mit der Integration von unterschiedli- cher Expertise in Organisationen auseinander. Zum einen gibt es Untersuchun- gen zur Integration interdisziplinärer Teams – etwa zwischen Ingenieur*innen, Techniker*innen und Monteur*innen in Forschungs- und Entwicklungsabteilun- gen (z. B. Bechky, 2003) oder medizinischem und paramedizinischem Personal im Gesundheitswesen (z. B. O’Leary, Sehgal, Terrell, & Williams, 2012). Zum an- deren existieren zahlreiche Untersuchungen zur internen Integration verschie- dener funktionaler Bereiche von Organisationen entlang der Liefer- und Produk- tionsketten (Supply Chain Management; Pellathy, Mollenkopf, Stank, & Autry, 2019). 11
Für die erfolgreiche interdisziplinäre Integration in Organisationen ist es wich- tig, dass Mitarbeiter*innen in unterschiedlichen Bereichen ihre interdisziplinären Wissensbestände integrieren (Steinheider et al., 2009). In der Kommunikationsthe- orie gibt es dafür auch den Begriff des Common Ground. Dieser beschreibt, dass in Kommunikationsinteraktionen Verständigung erfolgt, indem die Kommunikati- onspartner eine gemeinsame Wissensbasis erarbeiten, die sie in einem Prozess des Grounding fortwährend abgleichen (Clark, 1996; Clark & Brennan, 1991). Wenn die interne Integration verschiedener Bereiche gelingt, sollten Mitarbeiter*innen dies außerdem im Organisationsklima wahrnehmen. Das Organisationsklima be- schreibt die Qualität des internen Umfeldes der Organisation, wie sie durch die Mitarbeiter*innen erlebt wird (Ehrhart, Schneider, & Macey, 2014; Nerdinger, 2014b). Interne Integration, als eine Dimension des Organisationsklimas, zeigt sich in einem hohen Maß über Vertrauen und Respekt sowie geringen Konflikten zwischen verschiedenen Bereichen in Organisationen (Patterson et al., 2005; Pellathy et al., 2019). Die Integration verschiedener Bereiche ist im strategischen Interesse von Organisationen, da sich Integration positiv auf die Arbeitszufrie- denheit oder die Motivation von Mitarbeiter*innen und auch den Organisations- erfolg auswirkt (Arndt, Karande, & Landry, 2011; Carr, Schmidt, Ford, & DeShon, 2003; Mackelprang, Robinson, Bernardes, & Webb, 2014; Parker et al., 2003). In der bisherigen Forschung konnte allerdings gezeigt werden, dass es keines- wegs selbstverständlich ist, dass Organisationsmitglieder aus unterschiedlichen Bereichen interdisziplinäre Wissensbestände austauschen sowie vertrauensvoll und konfliktarm zusammenarbeiten. Führungskräfte und Mitarbeiter*innen aus verschiedenen Bereichen unterscheiden sich, etwa aufgrund ihres unterschiedli- chen Wissens, ihrer beruflichen Sozialisation oder ihres täglichen Arbeitskon- textes. Aus diesen Unterschieden können Konflikte entstehen, die die 12
Zusammenarbeit zwischen den Bereichen erschweren (Bechky, 2003; Gittell, Seidner, & Wimbush, 2010; Gittell & Weiss, 2004; Lawrence & Lorsch, 1967; Lovelace, Shapiro, & Weingart, 2001; Richter, West, van Dick, & Dawson, 2006). In Organisationen, in denen kreative und ästhetische Bereiche mit den Struktu- ren und Prozessen der Organisation integriert werden müssen, können solche Konflikte besonders ausgeprägt sein (Austin & Devin, 2003). Führungskräfte in Kulturbetrieben stehen vor der paradoxen Aufgabe, dass die Zusammenarbeit von Menschen mit sich widersprechenden Denkweisen integriert werden muss (Cray et al., 2007): auf der einen Seite die Vorstellung, dass die Kunst frei sei von Strukturen und Ordnung, auf der anderen Seite die ökonomischen und struktu- rellen Bedingungen des Betriebs (DeFillippi, Grabher, & Jones, 2007; Sauer, 2005). Diese Unterschiede zwischen eher kreativ-ästhetischen und rational-bürokrati- schen Bereichen in Organisationen greift der Aesthetic Leadership Ansatz (Guillet de Monthoux, Gustafsson, & Sjöstrand, 2007) auf. Dieser Ansatz unterscheidet ide- altypische ästhetische, ökonomische und bürokratische Bereiche in Organisatio- nen, deren Mitglieder von unterschiedlichen Denkweisen geprägt sind, die die Zusammenarbeit erschweren. Die Autoren nehmen an, dass Führungskräfte den Flow zwischen diesen unterschiedlichen Bereichen fördern müssen, damit die In- tegration der Bereiche gelingt. Dies beinhaltet, dass Führungskräfte in ihren Be- ziehungen mit Mitarbeiter*innen verschiedener Bereiche sensibel für deren je- weilige Denkweisen sind (Ropo, De Paoli, & Bathurst, 2017). Da die Integration verschiedener Denkweisen, aus denen Konflikte entstehen können, vor allem durch Kommunikation erfolgt (Bromme, 2000; Krauss & Morsella, 2006), sollte die Kommunikationsbeziehung zwischen 13
Führungskräften und Mitarbeiter*innen der verschiedenen Bereiche einen ent- scheidenden Einfluss auf die Integration der Bereiche nehmen. Entsprechend sollten sich die Annahmen des Aesthetic Leadership Ansatzes über die Qualität des kommunikativen LMX zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen zwischen den verschiedenen Bereichen untersuchen lassen. Studien, die die Integration interdisziplinärer Wissensbestände sowie die ver- trauensvolle und konfliktarme Integration verschiedener Bereiche in Organisati- onen untersucht haben, zeigen, dass dies vor allem durch Führung und Kommu- nikation erfolgt (Bechky, 2003; Edmondson & Nembhard, 2009). Zum einen ist es wichtig, dass Führungskräfte die Integration koordinieren und dabei sensibel für die unterschiedlichen Bedürfnisse, Überzeugungen und Vorannahmen der Mit- arbeiter*innen sind (Jamshed, Mohd Nor, & Bakar, 2017; Korb, Geißler, & Strauß, 2015; O’Leary et al., 2012; Rosen & Callaly, 2005). Zum anderen müssen sie aktiv mit Mitarbeiter*innen kommunizieren und die Kommunikation zwischen ver- schiedenen Bereichen fördern (Edmondson & Nembhard, 2009; Kramer & Crespy, 2011). Darüber hinaus ist regelmäßige formelle und informelle Kommu- nikation mit Führungskräften aus mehreren Bereichen förderlich für interne In- tegration (Pagell, 2004; Pinto & Pinto, 1990). Einzelne Untersuchungen bestätigen dies auch für Führungsprozesse in Theatern und Kulturbetrieben. Vertrauensvolle, zweiseitige und regelmäßige Kommuni- kation ist ein entscheidender Faktor für ein gutes Verhältnis zwischen kaufmän- nischer und künstlerischer Leitung (Reid & Karambayya, 2009; Reynolds et al., 2017). Am Beispiel von Projekten zur digitalen Medienkunst ergeben sich Hin- weise darauf, dass Führungskräfte die Kommunikation in Teams aus Künst- ler*innen und Techniker*innen fördern müssen, damit diese ihre 14
interdisziplinären Wissensbestände integrieren (Steinheider & Legrady, 2004; Zhang & Candy, 2007). Gleichzeitig weisen Ergebnisse darauf hin, dass Füh- rungskommunikation in Theatern eher einseitig, top-down und von den künstle- rischen Führungskräften geprägt ist (Boerner, 2002; Schmidt, 2019; von Cossel, 2011). Neben diesen Einzelbefunden gibt es allerdings keine systematischen Untersu- chungen der Führungskommunikation in Theatern oder Kulturbetrieben. Ob- wohl es für Organisationen in anderen Sektoren Befunde zur Bedeutung der Kommunikation von Führungskräften gibt, wurde dabei bisher nicht explizit die Qualität der Kommunikation in Beziehungen zwischen Mitarbeiter*innen und Führungskräften in verschiedenen Bereichen untersucht. Zwar bestehen Be- funde, die zeigen, dass die LMX-Qualität positiv mit dem Zusammenhalt und der Zusammenarbeit sowie negativ mit Konflikten in Teams assoziiert ist (Boies & Howell, 2006; Cogliser & Schriesheim, 2000; Kozlowski & Doherty, 1989). Diese Studien untersuchten jedoch Beziehungen zwischen einer Führungskraft und mehreren Mitarbeiter*innen. Für die erfolgreiche Integration unterschiedlicher Bereiche in Organisationen sind hingegen auch Beziehungen zu Führungskräften aus verschiedenen Bereichen relevant. Daher sollten auch Beziehungen zwischen Mitarbeiter*innen und mehreren Führungskräften berücksichtigt werden. Sol- che Untersuchungen liegen bislang nicht vor. In anderen Kontexten wurde die LMX-Theorie bereits auf Beziehungen zwischen Mitarbeiter*innen und mehre- ren Führungskräften ausgeweitet. Diese konnten zeigen, dass jede individuelle Beziehung einen Einfluss auf die Mitarbeiter*innen haben kann (Benson & Pattie, 2009; Vidyarthi, Erdogan, Anand, Liden, & Chaudhry, 2014). Die Qualität von Führungskommunikation wurde dabei aber nicht berücksichtigt. 15
In dieser Arbeit wird die Annahme, dass LMX-Beziehungen zu mehreren Füh- rungskräften bestehen können, auf die Kommunikationsbeziehung erweitert. Wenn Mitarbeiter*innen und Führungskräfte in verschiedenen Bereichen einer Organisation eine Beziehung haben, dann kann die wahrgenommene Kommuni- kationsqualität in jeder Beziehung relevant für Einstellungen der Mitarbeiter*in- nen sein. Da unterschiedliche Denkweisen zwischen künstlerischen und nicht- künstlerischen Bereichen in Theatern besonders ausgeprägt sind und die Integra- tion unterschiedlicher Denkweisen vor allem durch Führung und Kommunika- tion erfolgt, sollte die wahrgenommene Qualität der Kommunikationsbeziehung zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen der verschiedenen Bereiche positiven Einfluss auf die Qualität der Integration der Bereiche nehmen. 1.3 Zwischenfazit und Fragestellungen In den bisherigen Ausführungen konnte erstens gezeigt werden, dass die Kom- munikation zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen über die wahrge- nommene Qualität der Kommunikationsbeziehung untersucht werden kann – sowohl aus der Perspektive von Mitarbeiter*innen (Fremdbewertung) als auch aus der Perspektive von Führungskräften (Selbstbewertung). Zweitens wurde dargelegt, dass insbesondere in Kulturbetrieben Konflikte durch unterschiedli- che Denkweisen in künstlerischen und nicht-künstlerischen Bereichen wahr- scheinlich sind und deren Integration eine wesentliche Aufgabe für Führungs- kräfte und deren Kommunikation ist. Entsprechend sollte eine hohe Qualität der Führungskommunikation bedeutsam für die erfolgreiche Integration verschiede- ner Bereiche in Theatern sein. 16
Bisher wurde die Integration der verschiedenen Organisationsbereiche in Thea- tern kaum mit Blick auf die Bedeutung der Führungskommunikation untersucht. Auch darüber hinaus liegen kaum systematische Untersuchungen der Führungs- kommunikation weder in Theatern noch für andere Kulturbetriebe vor. Daher wird diese Dissertation in einem ersten empirischen Teil die Kommunikation von Führungskräften in Theatern aus einer explizit kommunikativen Perspektive explorieren: Welche Relevanz hat Kommunikation für Führungskräfte in Thea- tern? Dabei erfolgt eine Integration des kommunikativen LMX und des Aesthetic Leadership Ansatzes, um zu untersuchen, welche Rolle Führungskommunika- tion bei der Integration von künstlerischen und nicht-künstlerischen Bereichen spielt. Allerdings bleiben im Aesthetic Leadership Ansatz zwei Aspekte offen, die für eine weitere Untersuchung spezifiziert werden müssen. Erstens ergeben sich aus der theoretischen Erläuterung der idealtypischen Bereiche keine Hinweise darauf, welche unterschiedlichen Bereiche in Theatern differenziert werden müssten. Zweitens bleibt offen, ob Flow zwischen den Bereichen eher über die Qualität verschiedener Kommunikationsbeziehungen (also als ein Antezedens von Führungserfolg) oder über die Qualität der Zusammenarbeit (also als eine Konsequenz von erfolgreicher Führung) operationalisiert werden muss. Auch diese offenen Aspekte des Aesthetic Leadership Ansatzes sollen empirisch ge- nauer geklärt werden: Welche unterschiedlichen Bereiche lassen sich für Theater identifizieren? Bezieht sich Flow eher auf den Fluss der Kommunikation zwi- schen verschiedenen Bereichen oder den Erfolg der Führungskommunikation? Zusammengefasst ergibt sich für die erste Teilstudie dieser Dissertation die Fra- gestellung: 17
Fragestellung 1: Welche Relevanz hat Kommunikation für Führungskräfte in Theatern, welche Konfliktlinien zwischen verschiedenen Organisationsbereichen lassen sich dabei identifizieren und wie beurteilen Führungskräfte den Erfolg ihrer Kommunikation? Während die erste Fragestellung darauf zielt, die Kommunikation von Führungs- kräften in Theatern zu explorieren, sollen im weiteren Verlauf der Dissertation das Ausmaß der Unterschiede und die Relevanz der Führungskommunikation für die Integration verschiedener Bereiche auch überprüft werden. Unklar, und durch die explorative Studie nicht zu beantworten, ist, in welchem Ausmaß sich Unterschiede in der Qualität von Beziehungen zwischen verschiedenen Berei- chen bestätigen lassen: Beurteilen Führungskräfte und Mitarbeiter*innen aus den unterschiedlichen Bereichen die Kommunikationsbeziehung unterschied- lich, je nachdem, mit welchem Bereich sich Führungskräfte oder Mitarbeiter*in- nen identifizieren? Weiterhin ist nicht nur für Theater, sondern auch in Organi- sationen in anderen Sektoren bislang nicht untersucht worden, welche Konsequenzen eine unterschiedliche Qualität der Kommunikationsbeziehung zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen aus unterschiedlichen Berei- chen hat. Können Führungskräfte die Integration interdisziplinärer Wissensbe- stände zwischen verschiedenen Bereichen fördern, indem sie zu Mitarbeiter*in- nen, die in anderen Bereichen arbeiten als sie selbst, eine gute Kommunikationsbeziehung unterhalten? Entsprechend ergibt sich für den zwei- ten empirischen Teil der Dissertation die Fragestellung: Fragestellung 2: Inwieweit unterscheidet sich die wahrgenommene Qualität der Füh- rungskommunikation – sowohl aus der Perspektive von Führungskräften als auch von Mitarbeiter*innen – zwischen den verschiedenen Organisationsbereichen und in 18
welchem Zusammenhang steht diese Wahrnehmung mit der Qualität der Integration unterschiedlicher Wissensbestände zwischen den Bereichen? Nachdem im ersten Teil die Kommunikation von Führungskräften in Theatern grundsätzlich exploriert wird und im zweiten Teil Kommunikationsbeziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen in unterschiedlichen Berei- chen untersucht werden, nimmt der dritte empirische Teil der Dissertation alle Kommunikationsbeziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*in- nen zwischen den Bereichen in den Blick. Wenn Mitarbeiter*innen mit Füh- rungskräften aus verschiedenen Bereichen kommunizieren, dann sollte die in- terne Integration eher gelingen, wenn die Kommunikationsqualität in jeder Beziehung eine hohe Qualität hat als wenn sich die Kommunikation zu den ver- schiedenen Bereichen in ihrer Qualität unterscheidet. Im dritten empirischen Teil der Dissertation soll diese Annahme überprüft und folgende Fragestellung beantwortet werden: Fragestellung 3: Wie hängen die Wahrnehmung erfolgreicher interner Integration der verschiedenen Organisationsbereiche und die Qualität von Führungskommunikation zusammen, wenn Mitarbeiter*innen Beziehungen zu Führungskräften aus mehreren dieser Bereiche haben? Die Fragestellungen wurden in drei Studien untersucht. Diese werden in drei Ma- nuskripten dargestellt, die dem Anhang dieser Arbeit beiliegen (Manuskript 1: Barkela, 2019; Manuskript 2: Barkela, 2020b; Manuskript 3: Barkela, 2020a). Das Interesse der ersten Studie zielte neben der Exploration der Relevanz der Füh- rungskommunikation in Theatern auch auf die genauere Abgrenzung von konfli- gierenden Bereichen in Theatern sowie auf eine Spezifizierung der Bedeutung von Flow zwischen diesen Bereichen. Diese wurden in der zweiten und dritten 19
Studie berücksichtigt. Der Untersuchungsaufbau der Dissertation und die Bedeu- tung der einzelnen Manuskripte werden in Abbildung 1 skizziert. Die Methodik und die Kernergebnisse der einzelnen Studien werden in den folgenden Kapiteln zusammenfassend darlegt. Eine systematische Darstellung der jeweiligen Stu- dien findet sich in den entsprechenden Manuskripten. Unersuchung explorative Fragestellung 1 (Manuskript 1) Fragestellung 2 (Manuskript 2) Fokus: Führungskommunikation zwischen verschiedenen Bereichen; Common Ground Untersuchung Fragestellung 3 (Manuskript 3) Fokus: Führungskommunikation zwischen allen Bereichen; Interne Integration Abbildung 1: Aufbau der Dissertation und Einordnung der einzelnen Manuskripte 2 Führung in Theatern: Eine kommunikative Aufgabe Ausgehend von den vorangegangenen Überlegungen wurde im ersten Manu- skript (Barkela, 2019) zunächst die Integration des kommunikativen LMX und des Aesthetic Leadership Ansatzes theoretisch erarbeitet und die Relevanz einer kommunikativen Perspektive auf die Führungskommunikation in Theatern er- läutert. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Forschungslücken (Relevanz der Führungskommunikation in Theatern) und der identifizierten offenen As- pekte des Aesthetic Leadership Ansatzes (Abgrenzung konkreter Organisations- bereiche, Flow als unabhängige oder abhängige Variable) wurde die erste Frage- stellung genauer ausgearbeitet und in konkrete Forschungsfragen differenziert. 20
Dabei bezogen sich die ersten Forschungsfragen der ersten Studie auf die Bedeu- tung, die Führungskräfte ihrer eigenen Kommunikation beimessen (Frage 1.1). Orientiert an grundlegenden Veröffentlichungen zur internen Kommunikation in Organisationen (Hallahan, Holtzhausen, van Ruler, Ver i , & Sriramesh, 2007; Huck-Sandhu, 2016; Retzbach & Schneider, 2012; Schneider & Retzbach, 2012), wurde weiterhin nach den Kommunikationszielen (Frage 1.2), den Kommunikati- onsinstrumenten (Frage 1.3) sowie der strategischen Planung von Kommunika- tion (Frage 1.4) gefragt. Ein zweiter Fragenblock fragte nach Konflikten im Orga- nisationsalltag (Frage 2.1), ob sich entlang von Konfliktlinien konkrete Organisationsbereiche abgrenzen lassen (Frage 2.2) und inwieweit diese Kon- flikte durch Kommunikation gelöst werden (Frage 2.3). Schließlich ermittelte ein dritter Fragenblock relevante Erfolgskriterien (Frage 3.1), die Bewertung der Kommunikation durch die Führungskräfte selbst (Selbstbewertung; Frage 3.2), die Bewertung der Kommunikation durch Mitarbeiter*innen (Fremdbewertung; Frage 3.3) sowie, inwieweit die Annahme, dass Führung im Flow sein müsse, eher als Antezedens oder als Konsequenz von angemessener Führungskommunika- tion betrachtet werden sollte (Frage 3.4). Um diese Fragen zu beantworten, wurde eine qualitative Befragung zwischen April und Juli 2017 mit 37 Führungskräften der ersten (n = 13) und zweiten (n = 24) Führungsebene an deutschen Theatern durchgeführt. Auf diese Weise konnte eine große Zahl an Führungskräften befragt werden und gleichzeitig wur- den vertikale Kommunikationsdyaden erfasst. Weiterhin wurden Personen aus verschiedenen Organisationsbereichen ausgesucht, die für eine erste Unterschei- dung in „eher künstlerische …; eher organisatorische …; eher finanzielle Aufga- ben“ unterschieden wurden. Zudem wurden übliche Organisationsformen öf- fentlicher Theater in Deutschland berücksichtigt. 21
Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die befragten Führungskräfte ihrer eige- nen Kommunikation eine hohe Bedeutung beimessen und diese intensiv reflek- tieren (Frage 1.1). Weiterhin zeigte sich, dass Führungskräfte ihre eigene Kommu- nikation vor allem im Kontext organisationaler Ziele (z. B. Information, Koordination) und seltener im Kontext mitarbeiterbezogener Ziele (z. B. Arbeits- zufriedenheit, Motivation) erörtern (Frage 1.2). Als Kommunikationsinstrumente dominieren persönliche Gespräche und Steuerungssitzungen. Daneben sind vor allem Emails, Telefon und Memos relevant (Frage 1.3). Strategisch geplante Kom- munikation erfolgt eher selten, allerdings sprechen einzelne Beispiele für einen aktuellen Wandel. An mehreren Theatern, in denen Interviews geführt wurden, waren kurz vor den Interviews zum Beispiel langfristig geplante Mitarbeiter*in- nengespräche eingeführt worden (Frage 1.4). Hinsichtlich der unterschiedlichen Organisationsfelder zeigten sich Konflikte, die wegen unterschiedlicher Persönlichkeiten, Denkweisen und Prinzipien in der Organisation entstehen. Weiterhin entstehen Konflikte vor allem über finanzi- elle, personelle und zeitliche Ressourcen und Sicherheitsfragen (Frage 2.1). Zent- rale Konfliktlinien zeigten sich vor allem zwischen dem Bereich der Kunst, dem Bereich der Technik und Werkstätten sowie dem Bereich der Verwaltung und Fi- nanzierung (Frage 2.2). Die Führungskräfte beschreiben zwei wesentliche kom- munikative Strategien zum Umgang mit diesen Konflikten und der Integration der verschiedenen Bereiche. Zum einen das eher kurzfristige Konfliktmanage- ment, in dem aufkommende Konflikte durch Moderation oder Verhandlung ge- löst werden. Zum anderen die eher langfristige Konflikttransformation, die da- rauf zielt, durch permanenten Dialog ein kommunikatives Wertesystem gemeinsamen Verständnisses zu fördern, damit Konflikte gar nicht erst 22
entstehen oder ohne Einbindung von Führungskräften gelöst werden können (Frage 2.3). Hinsichtlich der Bewertung und des Erfolgs von Führungskommunikation nen- nen die befragten Personen unabhängig von ihrer Position vor allem effiziente, regelmäßige, ehrliche, respektvolle und vertrauensvolle Kommunikation. Für die Führungskräfte der zweiten Ebene ist auch die transparente Kommunikation ih- rer Vorgesetzten ein wichtiger Faktor. Führungskräfte der ersten Ebene erwarten loyale Kommunikation von ihren Mitarbeiter*innen (Frage 3.1). Die Führungs- kräfte bewerten ihre eigene Kommunikation eher positiv und wenn kritisch, dann meist gerechtfertigt durch ihre knappen Zeitressourcen (Frage 3.2). Die Fremdbewertungen sind deutlich differenzierter. Auch hier sehen viele Teilneh- mer*innen Probleme in der Kommunikation vor allem im Kontext mit sehr ho- hem Zeitdruck. Allerdings bewerten sie Kommunikation vor allem dann besser, wenn in Beziehungen zwischen verschiedenen Bereichen ein gemeinsames Ver- ständnis besteht, wie es für Frage 2.3 beschrieben wurde (Frage 3.3). Die Erfolgs- kriterien von Kommunikation spiegeln die Erkenntnisse aus Frage 1.2. Die Teil- nehmer*innen erwarten von einer hohen Kommunikationsqualität vor allem gute Arbeitsprozesse aber auch eine gute Arbeitsatmosphäre oder höhere Mitar- beiterzufriedenheit. Auf Flow zwischen den Arbeitsbereichen als Konsequenz von Kommunikation gibt es keine Hinweise. Aus der Diskussion der Ergebnisse im ersten Manuskript ergeben sich für das weitere Vorgehen dieser Dissertation drei theoretische Implikationen: Erstens, die Bereiche, zwischen denen Konflikte erwartet werden und die in den weiteren Manuskripten berücksichtigt werden, sind der Bereich der Kunst, der Bereich der Technik und Werkstätten (im Weiteren ‚Technik‘) sowie der Bereich der 23
Verwaltung und Finanzierung (im Weiteren ‚Verwaltung‘). Zweitens, die häufige Fokussierung der Führungskräfte auf ein gemeinsames Verständnis zwischen den Bereichen verdeutlicht die Relevanz, die Zusammenarbeit in Theatern im Kon- text interdisziplinärer Integration zu untersuchen (Fokus des zweiten Manu- skriptes). Drittens, Flow im Sinne des Aesthetic Leadership Ansatzes ist eher ein Antezedens von Führungserfolg und wird im Folgenden definiert als konsistent hohe Qualität in den Kommunikationsbeziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen der verschiedenen Bereiche (Fokus des dritten Manu- skriptes). 3 Führungskommunikation in Theatern: Eine interdisziplinäre Herausforderung Im zweiten Manuskript (Barkela, 2020b) wurde die wahrgenommene Qualität der Führungskommunikation aus der Perspektive von Führungskräften und Mit- arbeiter*innen weitergehend untersucht. Erstens wurde die Bewertung der Kom- munikationsqualität zwischen den verschiedenen Bereichen, die im ersten Ma- nuskript exploriert wurde, quantitativ erhoben. Zweitens wurde die Annahme, dass die Qualität der Kommunikationsbeziehung zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen in verschiedenen Bereichen im Zusammenhang mit der Qua- lität des interdisziplinären Wissensaustausches zwischen den Bereichen steht, überprüft. Dafür wurde zunächst das Konzept der Übereinstimmung zwischen Selbst- und Fremdbewertung (Self-Other Agreement; z. B. Yammarino & Atwater, 1993) der Kommunikationsqualität von Führungskräften und Mitarbeiter*innen genauer erarbeitet. Die bisherigen theoretischen Überlegungen und die Ergebnisse im 24
ersten Manuskript haben gezeigt, dass Führungskräfte und Mitarbeiter*innen in den verschiedenen Bereichen durch unterschiedliche Denkweisen geprägt sind, die zu Konflikten führen können. Daher wurde zunächst angenommen, dass so- wohl Führungskräfte in ihrer Selbstbewertung (Hypothese 1) als auch Mitarbei- ter*innen in der Fremdbewertung (Hypothese 2) die Qualität der Kommunika- tion innerhalb des eigenen Bereiches besser bewerten als die Qualität der Kommunikation mit anderen Bereichen. Weiterhin wurde die Annahme, dass Führungskommunikation sensibel für die Bedürfnisse der unterschiedlichen Bereiche sein muss, um ein gemeinsames Ver- ständnis zwischen den verschiedenen Bereichen zu fördern, überprüft. Dazu wurde das Konzept des Common Ground genauer erörtert und erläutert, dass die Qualität des Common Ground über Probleme bei der Integration interdisziplinä- ren Wissens bewertet werden kann (siehe auch Steinheider et al., 2009). Es wurde, ausgehend von empirischen Befunden hinsichtlich des Konzepts des Self- Other Agreements, angenommen, dass Wissensintegrationsprobleme umso ge- ringer sind, je eher die Selbstbewertung von Führungskräften und die Fremdbe- wertung von Mitarbeiter*innen, die sich mit unterschiedlichen Bereichen identi- fizieren, auf hohem Niveau in Übereinstimmung sind. Demgegenüber sollten Wissensintegrationsprobleme umso höher sein, je eher Selbst- und Fremdbewer- tung auf niedrigem Niveau übereinstimmen (Hypothese 3). Weiterhin wurde an- genommen, dass Wissensintegrationsprobleme umso höher sind, je eher die Selbstbewertung von Führungskräften besser ist als die Fremdbewertung von Mitarbeiter*innen. Demgegenüber sollten Wissensintegrationsprobleme gerin- ger sein, wenn die Fremdbewertung von Mitarbeiter*innen besser ist als die Selbstbewertung von Führungskräften (Hypothese 4). 25
Um diese Annahmen zu überprüfen, wurde zwischen Mai und Oktober 2018 eine Befragung an deutschen Theatern durchgeführt. In dieser Studie wurden Füh- rungskräfte der ersten und zweiten Führungsebene als Führungskräfte (n = 177) und andere Personen als Mitarbeiter*innen (n = 249) berücksichtigt. Weiterhin konnten die Teilnehmer*innen angeben, ob sie eher dem Bereich der Kunst, der Technik oder der Verwaltung angehören. Unter den Mitarbeiter*innen konnten 143 Beziehungen zu Führungskräften in anderen Bereichen innerhalb desselben Theaters identifiziert werden. Die wahrgenommene Qualität der Führungskom- munikation aus der Perspektive von Führungskräften und aus der Perspektive von Mitarbeiter*innen wurde über den Perceived Leadership Communication Questi- onnaire (PLCQ; Schneider et al., 2015) erfasst. Die Qualität des Common Ground wurde bestimmt über ein Instrument, das Wissensintegrationsprobleme in interdiszip- linären Teams erfasst (Steinheider et al., 2009). Die Ergebnisse zeigten, dass Führungskräfte ihre Kommunikation innerhalb des eigenen Bereichs besser einschätzen als die Kommunikation mit Mitarbeiter*in- nen in anderen Bereichen (stützt Hypothese 1). Die Bewertung der Führungskom- munikation durch die Mitarbeiter*innen im Bereich der Technik und im Bereich der Verwaltung ist ebenfalls innerhalb des eigenen Bereichs am besten. Mitarbei- ter*innen aus dem Bereich der Kunst bewerten allerdings die Kommunikation mit Führungskräften aus der Technik am besten und die Kommunikation mit Führungskräften aus der Verwaltung als auch der Kunst eher mittelmäßig (stützt Hypothese 2 nur teilweise). Darüber hinaus zeigte sich, dass die Selbstbewertun- gen der Führungskräfte in allen Bereichen deutlich höher ausfallen als die Fremdbewertungen der Mitarbeiter*innen. 26
Hinsichtlich der Integration interdisziplinären Wissens zeigte sich, dass weniger Probleme auftreten, wenn Führungskräfte und Mitarbeiter auf hohem Niveau in ihrer Bewertung der wahrgenommenen Kommunikation übereinstimmen und umgekehrt (stützt Hypothese 3). Ebenfalls zeigte sich, dass weniger Probleme auftreten, wenn Mitarbeiter*innen die Qualität der Kommunikation besser wahrnehmen als Führungskräfte und mehr Probleme auftreten, wenn Führungs- kräfte die Qualität der Kommunikation besser wahrnehmen als Mitarbeiter*in- nen (stützt Hypothese 4). Allerdings spielt die Selbstbewertung der Führungs- kräfte, wenn überhaupt, nur eine sehr geringe Rolle. Die Ergebnisse lassen sich vollständig über die Wahrnehmung der Kommunikationsqualität der Mitarbei- ter*innen erklären und es zeigt sich kein signifikanter linearer Zusammenhang zwischen der Selbstbewertung der Führungskräfte und Problemen bei der Wis- sensintegration. 4 Führungskommunikation in Theatern: Eine Frage der Konsistenz Im dritten Manuskript (Barkela, 2020a) wurde untersucht, welche Bedeutung die durch Mitarbeiter*innen wahrgenommene Qualität der Kommunikation von Führungskräften aus mehreren Bereichen für die interne Integration in der Orga- nisation hat. Dafür wurde zunächst die Bedeutung der internen Integration ver- schiedener funktionaler Bereiche in Organisationen erläutert und dargelegt, dass die interne Integration als eine Dimension des Organisationsklimas erfasst wer- den kann. Anschließend wurde erläutert, dass die Qualität von Beziehungen zwi- schen Führungskräften und Mitarbeiter*innen in Organisationen nicht nur in Beziehungen zwischen einer Führungskraft und ihren Mitarbeiter*innen be- trachtet werden sollte. Darüber hinaus wurde berücksichtigt, dass 27
Sie können auch lesen