Kurzanalyse Urbane Mobilität in Brasilien - September 2018
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São Paulo, Brasilien Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ............................................................................... 3 2. Überblick Brasilien .................................................................... 3 2.1 Brasiliens Wirtschaft ......................................................... 4 2.2 Brasiliens Bevölkerung ....................................................... 5 3. Urbane Mobilität in Brasilien und ihre Herausforderungen ................... 9 3.1 Urbane Mobilität im Kontext................................................ 9 3.2 Die Altersstruktur Brasiliens/São Paulos ............................... 10 3.3 Fahrzeugemissionen in São Paulo ....................................... 12 4. Status Quo der Urbanen Mobilität in São Paulo ............................... 13 4.1 Wandel der Urbanen Mobilität in São Paulo ........................... 17 4.1.1 Finanzierungs- und Förderungsprojekte ...................... 20 4.1.2 Herausforderungen ................................................ 22 4.1.3 Chancen .............................................................. 24 4.2 Urbane Mobilität in Universitäten und Forschungszentren ......... 27 5. Synergie Brasilien-Deutschland .................................................. 29 6. Schlussfolgerung..................................................................... 37 7. Anhänge ............................................................................... 40 7.1 Liste der involvierten Stakeholder ...................................... 40 8. Kontaktdaten ........................................................................ 48 8.1 Verbände ..................................................................... 48 8.2 Messen ........................................................................ 49 2
São Paulo, Brasilien 1. Einleitung Im Rahmen der Exportinitiative Umwelttechnologien des BMU führt die Deutsch-Brasilianische Indust- rie- und Handelskammer São Paulo (AHK São Paulo) ein Projekt zur nachhaltigen urbanen Mobilität in Brasilien durch. Das Projekt besteht aus 4 Modulen, die von Mitte 2018 bis Herbst 2019 durchgeführt werden. Modul 1 beinhaltet die Erstellung einer Kurzanalyse, welche einen direkten Nutzen für interessierte Unternehmen und weitere Stakeholder hat, sowie eine Diskussionsgrundlage für die Durchführung der geplanten Arbeitsgruppe in Modul 2 bietet soll. Die AHK São Paulo verspricht sich, mit der Analyse der brasilianischen urbanen Mobilität einen Beitrag leisten zu können, der zu geringeren Umweltbelas- tungen in Brasilien führt und gleichzeitig Innovationspotenzial und Geschäftsmöglichkeiten für deut- sche Unternehmen schafft. 2. Überblick Brasilien Mit seiner großen territorialen Ausdehnung und Bevölkerung ist Brasilien das größte Land Südamerikas. Durch seine Strahlkraft auf dem internationalen Markt sowie dem vielfältigen Industrie- und Land- wirtschaftspark wird Brasilien von der Welt als ein Land mit vielfältigen Möglichkeiten angesehen. Des Weiteren verspricht eine weiterhin stark wachsende Bevölkerung, ca. 208 Mio. Menschen in 2018 und ca. 233 Mio. Menschen in 2050, auch in der Zukunft größere Geschäftsmöglichkeiten und -potenziale.1 Brasilien ist eine Föderative Präsidialrepublik, die sich aus der Union der Bundesstaaten und dem Federalbezirk in Brasília zusammensetzt. Das Staatsoberhaupt wird vom Volk gewählt. Der präsidiale Charakter entsteht dadurch, dass der Präsident der Republik gleichzeitig Staatsoberhaupt und Regie- rungschef ist. Der derzeitige Präsident ist Michel Temer. Am 7.10.2018 finden die Wahlen des Präsidenten, der Gouverneure, der Senatoren sowie der Bundes-, Landes- und Bezirksabgeordneten statt, wodurch un- ter anderem wirtschaftliche Änderungen folgen werden, denen die brasilianische Bevölkerung zuver- sichtlich entgegenschaut.2 1 G1 Globo https://g1.globo.com/economia/noticia/2018/07/25/populacao-brasileira-chegara-a-233-milhoes-em-2047-e-co- mecara-a-encolher-aponta-ibge.ghtml 2 BBC https://www.bbc.co.uk/news/world-latin-america-18909529 3
São Paulo, Brasilien 2.1 Brasiliens Wirtschaft Im Allgemeinen erlebte die brasilianische Wirtschaft zwischen 2014 und 2017 im Zuge der Wirtschafts- krise einen Niedergang, aber mit der Anpassung der Handelsbilanz wuchs das Land wieder, wie aus der folgenden Grafik ersichtlich ist: Grafik 1: Veränderung des brasilianischen BIP – 2000 bis 2020 10,00% 8,00% 7,50% 6,10% 6,00% 5,70% 5,10% 4,30% 4,00% 4% 2,70% 4% 3% 3,00% (P) 2,50% (P) 3,20% 2,00% 1,00% 1,90% 0,50% 1,50% (P) 1,30% 1,10% 0,00% -0,10% -2,00% -4,00% -3,60% -3,80% -6,00% Quelle: Bradesco, Banco Central do Brasil (P) Prognose Mit der angepassten Handelsbilanz und dem für 2020 definierten Inflationsziel von 4% wird erwartet, dass das Land in den kommenden Jahren gute Haushaltsergebnisse erzielen wird.3 Die Prognosen dies- bezüglich finden sich in der folgenden Tabelle: 3 Resolution Nr. 4.582, vom 29.06.2017. Banco Central do Brasil. 4
São Paulo, Brasilien Tabelle 1: Brasilianische Wirtschaftsindikatoren 2015-2020 Indikatoren 2015 2016 2017 2018 2019 2020 BIP in Milliarden Dollar 1.801 1.796 2.080 2.231* 1.985* 2.112* BIP-Wachstum in % auf Basis der bra- -3,8 -3,6 1,0 1,50* 2,50* 3,00* silianischen Währung Exportvolumen in Milliarden Dollar 190,09 184,45 217,24 236,39 249,43 272,46 Importvolumen in Milliarden Dollar 172,42 139,42 153,21 168,11 188,32 221,22 Saldo der wirtschaftlichen Handels- 17,67 45,04 64,03 68,28 61,11 51,24 bilanz in Milliarden von Dollar Wechselkurs BRL / USD (Perioden- 3,90 3,26 3,31 3,60 3,60 3,67 ende) Währungsreserve in Milliarden Dollar 323,71 330,19 324,20 330,68 337,30 323,71 Inflationsrate in % (National Broad 11,08 6,55 2,27 3,00 4,25 4,00 Consumer Price Index - IPCA) Quelle: Bradesco, Banco Central do Brasil, im Juli 2018 *Prognose 2.2 Brasiliens Bevölkerung Da sich die gesamte Studie mit dem Thema der urbanen Mobilität befasst, ist es unerlässlich, die menschliche Komponente in die Gleichung einzubeziehen. Es ist nicht möglich, die urbane Mobilität zu analysieren, ohne auch die Menschen zu analysieren, da diese diejenigen sind, die u.a. direkt von den öffentlichen Gesetzen und Regularien betroffen sind. 5
São Paulo, Brasilien Brasilien ist ein Land mit 207.660.929 Einwohnern und folgender Bevölkerungsverteilung: Grafik 2: Bevölkerungsverteilung Brasiliens Quelle: Marked by Teachers 6
São Paulo, Brasilien Um besser zu verstehen, wie die Regionen Brasiliens strukturiert sind, folgt untenstehend die Karte, die das Brasilianische Institut für Geographie und Statistik (IBGE – Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística) für diese Analyse berücksichtigt: Grafik 3: Regionen Brasiliens Quelle: IBGE. Im Juli 20184 4 IBGE https://mapas.ibge.gov.br/escolares/publico-infantil/brasil.html 7
São Paulo, Brasilien Es ist wichtig festzustellen, dass ein großer Teil der Bevölkerung im Südosten lebt, einer Region, die lange Zeit den brasilianischen Migrationsstrom anzog. Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Migration: Tabelle 2: Einwanderer, Auswanderer und Migrationssaldo nach Großregionen - 2000 - ohne Einwanderer aus dem Ausland Großregionen Immigranten Emigranten Migrationssaldo Norden 355.436 292.751 62.685 Nordosten 647.373 1.411.421 (-) 764.048 Südosten 1.404.873 946.286 458.587 Süden 330.618 349.813 (-) 19.195 Mittlerer Westen 625.246 363.275 261.971 Quelle: IBGE, Censo Demográfico 2000.5 Die 86.949.714,00 Einwohner der Region Südosten verteilen sich wie folgt: Tabelle 3: Bevölkerung im Südosten Brasiliens Bundesstaat Bevölkerung São Paulo 51,34% Minas Gerais 24,39% Rio de Janeiro 19,90% Espírito Santo 4,37% Quelle: IBGE, Censo Demográfico 2000. 6 Quelle: Embrapa7. 5 Reflexões sobre os Deslocamentos Populacionais no Brasil - https://biblioteca.ibge.gov.br/visualizacao/livros/liv49781.pdf 6 IBGE https://cidades.ibge.gov.br/brasil/sp/pesquisa/23/25207?localidade1=31&tipo=ranking&localidade2=32 7 EMBRAPA https://www.embrapa.br/contando-ciencia/regiao-sudeste 8
São Paulo, Brasilien Da die Metropolregion São Paulo die bevölkerungsreichste und mit Abstand die wirtschaftlich attrak- tivste Region im Südosten ist, wird eben diese in der vorliegenden Studie herangezogen, um die Prob- leme, Herausforderungen und die Möglichkeiten für deutsche Unternehmen und Institutionen aufzu- zeigen. Genauer wird die Stadt São Paulo mit 12.106.920 Einwohnern (ca. 26% der Bevölkerung des Bundesstaates) und die Metropolregion mit 9.284.704 Einwohnern (ca. 20% der Bevölkerung des Bun- desstaates) analysiert.8 3. Urbane Mobilität in Brasilien und ihre Herausforderungen Bevor São Paulo und seine Metropolregion tiefergehend analysiert wird, ist es notwendig, die urbane Mobilität in Brasilien und ihre Probleme im Gesamtzusammenhang zu sehen. 3.1 Urbane Mobilität im Kontext Die urbane Mobilität ist eng mit dem Konzept der Migration und Urbanisierung verbunden. Was die Migration betrifft, so können wir die Bildung großer Zentren auf der Grundlage interregionaler Migra- tionen innerhalb Brasiliens hervorheben. Ervatti9 erklärt, dass es in Brasilien zwischen 1960 und 1980 eine intensive Zeit der Landflucht gab, als Migranten vom Land in die Stadt zogen. Diese Bewegung zog einen Prozess der Urbanisierung auf folgende Weise nach sich: Die Nordostregion und die Staaten Minas Gerais, Espírito Santo, Santa Catarina und Rio Grande do Sul stellten Gebiete der Abwanderung dar, während die Staaten São Paulo und Rio de Janeiro, aufgrund der dort vorhandenen Industrien, Gebiete der Bevölkerungszuwanderung bildeten. 8 IBGE - ESTIMATIVAS DA POPULAÇÃO RESIDENTE NO BRASIL E UNIDADES DA FEDERAÇÃO COM DATA DE REFERÊNCIA EM 1º DE JULHO DE 2017 9 IBGE apud Ervatti - https://biblioteca.ibge.gov.br/visualizacao/livros/liv49781.pdf S.29 9
São Paulo, Brasilien Diese Migrationsbewegungen begann jedoch in den 1980er und 1990er Jahren an Kraft zu verlieren.10 Heutzutage sehen wir eine Rückkehr in die Herkunftsregionen. 11 Das bedeutet jedoch nicht, dass der Südosten an Bevölkerung verliert, sondern dass die Attraktivität der Region an Stärke verloren hat.12 Unter „Ballungsraum“ wird die "Zusammenlegung der Städte", aus zusammenhängenden bebauten Gebieten von zwei oder mehr Städten verstanden, die sich an der jeweils anderen Grenze befindet. Die Pendlermobilität erklärt hingegen das Arbeits- und Studiumsverhalten, sowie die Freizeit und kul- turellen Aktivitäten.13 All diese Elemente helfen uns, den zentralen Punkt der Studie mit einem integrativen Blick zu be- trachten. Zu den Schwerpunkten gehören die lokalen Spektren (Bundesstaat, Region, Gemeinde und Viertel) und die Einbeziehung der Menschen und Institutionen (verschiedene Gruppen, die sich aus verschiedenen Gründen bewegen), die versuchen, die städtische Mobilität zu erklären und bessere Lösungen für die aktuelle Situation vorzuschlagen. 3.2 Die Altersstruktur Brasiliens/São Paulos Des Weiteren ist es wichtig, an das Element der „alternden Bevölkerung“ zu denken, wenn man die urbane Mobilität in Brasilien studiert. Dieses Element wird auch im Kapitel über São Paulo tieferge- hend betrachtet. IBGE prognostiziert für 2030 die folgende Alterspyramide (in%): 10 IBGE https://biblioteca.ibge.gov.br/visualizacao/livros/liv49781.pdf S.34 11 IBGE https://biblioteca.ibge.gov.br/visualizacao/livros/liv49781.pdf S.34 12 IBGE https://biblioteca.ibge.gov.br/visualizacao/livros/liv49781.pdf S.34 13 IBGE https://biblioteca.ibge.gov.br/visualizacao/livros/liv49781.pdf S.66 10
São Paulo, Brasilien Grafik 4: Alterspyramiden Brasiliens (orange) und des Bundesstaats São Paulo (blau) Quelle: IBGE14 Im Folgenden ist es möglich die Alterspyramide für den Bundesstaat São Paulo zwischen 2040 und 2060 zu vergleichen, wodurch der Alterungsprozess verdeutlicht wird. Grafik 5: Alterspyramide des Bundesstaats São Paulo 2040 - 2060 Quelle:IBGE15 14 IBGE https://www.ibge.gov.br/apps/populacao/projecao/ 15 IBGE https://www.ibge.gov.br/apps/populacao/projecao/ 11
São Paulo, Brasilien Da sich die brasilianische Alterspyramide nach oben hin verschiebt, d.h. die Bevölkerung konstant älter wird, ist es notwendig, über die urbane Mobilität dieser Menschen nachzudenken. Ein Mangel an geeigneten Verkehrsmitteln für die alternde Bevölkerung erhöht die Präferenz für den Individualver- kehr, für welchen Kontrollen von CO2-Ausstößen wesentlich schwieriger zu etablieren sind. Das Ziel muss es sein, die Attraktivität der öffentlichen Verkehrsmittelnutzung zu erhöhen und dadurch nicht nur die Anzahl der Fahrzeuge auf den Straßen zu senken, sondern auch die CO2-Emissionen pro Kopf zu reduzieren.16 3.3 Fahrzeugemissionen in São Paulo Um das zu untersuchende Szenario im Gesamtzusammenhang zu erfassen, können die Fahrzeugemis- sionen für den Bundesstaat São Paulo wie folgt dargestellt werden: Grafik 6: Fahrzeugemissionen des Bundesstaats São Paulos Quelle: CETESB17 16 The City Fix Brasil http://thecityfixbrasil.com/2017/06/19/sao-paulo-quem-vai-de-onibus-emite-quatro-vezes-menos-pol- uentes/ 17 CETESB https://cetesb.sp.gov.br/veicular/wp-content/uploads/sites/6/2017/11/EMISS%C3%95ES-VEICULARES_09_nov.pdf 12
São Paulo, Brasilien Trotz der Reduzierung verschiedener Abgase ist der CO2-Ausstoß von 2008 bis 2013 stark angestiegen, was die Wichtigkeit von alternativen Treibstoffen und den Umschwung zur E-Mobilität unterstreicht. Mit diesen Informationen ist es möglich, den Fokus auf die Stadt São Paulo zu legen und ihre Schwie- rigkeiten und Probleme im Zusammenhang mit der urbanen Mobilität zu analysieren. Automatisierung, Echtzeit-Planungssysteme und die Verknüpfung mit dem Benutzer sind Elemente, die den urbanen Verkehr zwischen den Städten bestimmen und für die Verbesserung der nachhaltigen städtischen Mo- bilität entscheidend sein werden.18 4. Status Quo der Urbanen Mobilität in São Paulo In diesem Kapitel werden wir uns mit der Stadt São Paulo und ihrer Metropolregion auseinandersetzen. Die Auswahl erfolgte u.a. aufgrund der Bevölkerungszahl und der wirtschaftlichen Stärke dieser Re- gion, welche brasilienweit die größtmöglichen Geschäftspotenziale bietet. Als erste Fallstudie könn- ten Lösungen für die Stadt São Paulo in anderen großen brasilianischen Metropolregionen Verwendung finden, wobei immer die geografischen Elemente dieser Regionen zu berücksichtigen sind. Um das aktuelle Szenario der Urbanen Mobilität in São Paulo, die Herausforderungen brasilianischer Unter- nehmen und Institutionen, sowie die sich daraus ergebenen Chancen für deutsche Technologie- und Lösungsanbieter ermitteln zu können, wurden neben der profunden Recherche in Zeitungen, Foren und Publikationen auch diverse Experteninterviews mit wichtigen Marktspielern durchgeführt. Dadurch war es möglich ein übersichtliches Bild der Herausforderungen und Bedürfnisse der urbanen Mobilität in Brasilien zu zeichnen, sowie konkrete Bereiche ausfindig zu machen, die durch deutsche Technologien bedient werden können. Insgesamt wurde die folgende Anzahl an Unternehmen und Institutionen kontaktiert: • 31 Stadtverwaltungen Stadtverwaltungskonsortien und Ministerien • 11 Universitäten • 20 Öffentliche Unternehmen • 24 Private Unternehmen Aus der vom Brasilianischen Institut für öffentliche Meinung und Statistik (IBOPE - Instituto Brasileiro de Opinião Pública e Estatística) durchgeführten Studie vom September 2017 wurde ersichtlich, dass 18 EXAME https://exame.abril.com.br/tecnologia/como-sera-o-transporte-no-futuro/ 13
São Paulo, Brasilien die öffentlichen Busflotten das meistgenutzte Verkehrsmittel in São Paulo sind, jedoch in den letzten Jahren an Bedeutung verloren haben. Gründen für die Nichtbenutzung von Bussen sind vor allem die Überlastung der Busse (23%), gefolgt vom Fahrpreis (20%), der in den letzten Jahren konstant erhöht wurde und der Sicherheit in Bezug auf Diebstähle und Raubüberfälle (11%). Ein weiterer Punkt, der berücksichtigt wird, ist der Belästigungs- index. Allein im Jahr 2017 wurden 514 Fälle von sexueller Belästigung in den öffentlichen Verkehrs- mitteln von São Paulo registriert, was einem Anstieg von 650% gegenüber dem Zeitraum von 2012 entspricht. Kurz gesagt, der allgemeine Wert des öffentlichen Verkehrs hat an Bedeutung verloren. 19 Im Folgenden wird die Benutzung der Verkehrsmittel in São Paulo in Prozentsätzen dargestellt: Grafik 7: Verkehrsmittelnutzung São Paulos im Jahr 2017 (in %) Quelle: IBOPE20 Eine weitere Studie, die vom Firmenkonsortium Rede Nossa São Paulo durchgeführt worden ist, zeigte, dass etwa 80% der Befragten auf die Nutzung des Autos verzichten würden, wenn es bessere öffentli- che Transportalternativen gäbe.21 19 IBOPE https://nossasaopaulo.org.br/portal/arquivos/pesquisamobilidade2017.pdf 20 IBOPE https://nossasaopaulo.org.br/portal/arquivos/pesquisamobilidade2017.pdf 21 Nossa São Paulo https://nossasaopaulo.org.br/portal/arquivos/pesquisamobilidade2017.pdf 14
São Paulo, Brasilien Die Suche nach besseren Verkehrsalternativen führte in jüngster Zeit zu neuen Geschäftsmöglichkei- ten im Sektor der Mobilität. "Die Bevölkerung (in dem Fall Unternehmer) schafft neue Ideen, um dieses Defizit an Verkehrsalternativen zu schließen", sagt Professor Luiz Vicente vom Büro für Architektur und Urbanismus an der Universität Presbiteriana Mackenzie. Als Beispiel können die Unternehmen Bikxi und Yellow genannt werden, beides Anwendungen, die sich auf das Konzept des gemeinsamen Transports konzentrieren, in diesem Fall Fahrräder.22 In São Paulo gibt es im juristischen Bereich das Programm „Programa de Metas“, ein Instrument, das die Prioritäten der Stadtverwaltung entsprechend den einzelnen Mandaten klar und transparent orga- nisiert. Gegenwärtig gibt es vier Themen des Programms, die sich an den Mobilitätszielen orientieren: Verringerung der Zahl der Verkehrstoten, Erhöhung der „aktiven“ Verkehrsteilnehmer (wie Radfahrer und Fußgänger) um 10%, verstärkte Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und Verringerung der Emis- sion von toxischen Gasen durch die städtische Busflotte. Für die Erreichung dieser Ziele wurden einige Projekte implementiert: • Vida Urgente: setzt auf die Stärkung des Notfall-Netzwerks der Stadt São Paulo; • Pedestre Seguro: eine Reihe von Planungs- und Interventionsmaßnahmen im Straßensystem, welche die Mobilität zu Fuß fördert, gleichzeitig die Sicherheit erhöht und die Anzahl der Unfälle reduziert; • Trânsito Seguro: Maßnahmen, die sich auf die Straßenverkehrssicherheit in São Paulo kon- zentrieren und darauf abzielen, das Auftreten von Verkehrsunfällen in der Stadt zu reduzie- ren und das Zusammenleben zwischen den Nutzern der verschiedenen Verkehrsträger zu verbessern; • Mobilidade Inteligente: ein Projekt, das auf die Entwicklung und Umsetzung von Instrumen- ten zur Messung, Bewertung und Überwachung von Verkehrs- und Mobilitätsdiensten sowie zur Unterstützung der Entwicklung neuer Technologien abzielt; • Cidade Conectada: Fokus auf die Integration der verschiedenen Verkehrsmittel zur Begünsti- gung der sicheren, zugänglichen und praktikableren Intermobilität; • Projetos de Ciclomobilidade: ein Projekt, das auf die Förderung der aktiven Mobilität mit Hilfe von Fahrrädern abzielt; 22 Notícias R7 https://noticias.r7.com/sao-paulo/em-meio-a-deficiencia-de-transporte-mobilidade-se-reinventa-em-sp- 22022018 15
São Paulo, Brasilien Zusätzlich zum „Programa de Metas“ gibt es „PlanMob“, ein Projekt zur Planung und Verwaltung des städtischen Mobilitätssystems, welches Verbesserungsmaßnahmen der Infrastruktur des Güter- und Personentransports in den Kommunen vorantreibt. Dass dem Thema der CO2-Reduzierung auf politischer Ebener Bedeutung beigemessen wird, zeigt sich auch durch ein Gesetz, welches im Januar 2018 vom Bürgermeister São Paulos, João Doria, beschlos- sen und durchgesetzt wurde. Nach dem Gesetz müssen die CO2-Emissionen von öffentlichen Bussen schrittweise fast vollständig in den nächsten 20 Jahren abgeschafft werden. Dabei soll schon nach 10 Jahren nur die noch die Hälfte der aktuellen Emissionen produziert werden. Dies werden die Busun- ternehmen durch den Umstieg auf Elektromobilität und Biokraftstoffe vollziehen. Verringerungen der Feinstaubemissionen (Reduzierung um 90% in 10 Jahren, 95% in 20 Jahren) sowie der Stickoxide (Re- duzierung um 80% in 10 Jahren, 95% in 20 Jahren) sind ebenfalls in dem Gesetz festgelegt. 23 23 Câmara Municipal de São Paulo http://www.saopaulo.sp.leg.br/blog/agora-e-lei-onibus-terao-novas-metas-para-reduzir-a- emissao-de-poluentes/ 16
São Paulo, Brasilien 4.1 Wandel der Urbanen Mobilität in São Paulo Bevor wir uns mit den Herausforderungen der Stadt auseinandersetzen, müssen wir uns zunächst die Elemente der Mobilität in São Paulo betrachten. Die Metropolregion verfügt über die folgenden Zug- und U-Bahnlinien (unterirdisch, irdisch und hängend), die sich von der Stadt Jundiaí im Norden nach Mogi das Cruzes im Osten, Rio Grande da Serra im Süden und Itapevi im Westen erstrecken und die Dimensionen und Reichweiten des aktuellen Netzes darstellen: Grafik 8: U-Bahn und Zuglinien São Paulos Quelle: Google Maps24 24 Google Maps https://www.google.com/maps/@-23.5801481,-46.7120606,11z/data=!5m1!1e2 17
São Paulo, Brasilien Mit den jeweiligen Stationsnamen ergibt sich folgender Plan: Grafik 9: Ubahn- und Zuglinien São Paulos (mit Stationsnamen) Quelle: Metro/CPTM25 25 Metrô/CPTM https://www.metrocptm.com.br/veja-o-mapa-de-estacoes-do-metro-e-cptm/ 18
São Paulo, Brasilien Die Bustransporte des öffentlichen Verkehrs werden in São Paulo von 18 Unternehmen durchgeführt, welche im Syndikat von Unternehmen des städtischen Kollektivtransports São Paulos (SP-Urbanuss - Sindicato das Empresas de Transporte Coletivo Urbano de Passageiros de São Paulo) vereint sind und zum Verständnis der Kontaktaufnahme für Geschäftsanbahnungen ein effektives Mittel darstel- len.26 Untenstehend eine Übersicht der Buslinien und Busterminals der Stadt São Paulo: Grafik 10: Buslinien und -terminals der Stadt São Paulo Quelle: Map of São Paulo27 In São Paulo gibt es etwa 23.519.670 tägliche Fortbewegungsaktivitäten, die auf alle Verkehrsmittel (einschließlich zu Fuß) aufgeteilt sind. 28 Der öffentliche Verkehr stellt rund 9.036.013 tägliche Fort- bewegungen. 26 http://www.spurbanuss.com.br/ 27 Map of São Paulo https://pt.map-of-sao-paulo.com/%C3%94nibus-mapas/terminais-de-%C3%B4nibus-do-estado-de- s%C3%A3o-paulo-mapa 28 Rede Social de Cidades http://www.redesocialdecidades.org.br/br/SP/sao-paulo/divisao-modal 19
São Paulo, Brasilien Laut des Experteninterviews mit der U-Bahn von São Paulo (Metrô - Metrô de São Paulo), ist die Metropolregion São Paulo heute die Region mit den größten Investitionsmöglichkeiten für die Moder- nisierung der Mobilitätsstrukturen und die Expansion der heute in Brasilien existierenden U-Bahn und Zugnetzwerke. In der Metrô São Paulos werden vier U-Bahn- und zwei Einschienenbahn-Linien gebaut und erweitert, wobei zeitgleich im Zugnetzwerk die Arbeiten zur Modernisierung von sechs der sieben Linien des Netzes und zum Ausbau einer der Linien fortgesetzt werden. Zusammen befördern diese Systeme täglich mehr als 7,5 Millionen Fahrgäste. In Bezug auf die Bahnsysteme werden die Arbeiten zur Umsetzung der 2. Phase der im Süden São Paulos betriebenen Straßenbahn-Kopplung fortgesetzt, ebenso wie der Ausbau der im Betrieb befindlichen Straßenbahn im zentralen Bereich Rio de Janeiros mit der Umsetzung ihrer 3. Phase. In jüngster Zeit haben sich mehrere Stadtverwaltungen der Imple- mentierung von Fahrrad(weg)systemen als Anreiz für die Nutzung umweltfreundlicher Verkehrssys- teme gewidmet. Andere brasilianische Kommunen haben Pläne für den Ausbau und/oder die Imple- mentierung von Bussystemen, die auf getrennten Straßen betrieben werden sowie von Straßenbahn- Systemen. Die wirtschaftliche Rezession der letzten drei Jahre hat Investitionen in diese Systeme nicht mehr rentabel gemacht und trägt zum Engpass der Mobilität in diesen Städten bei, was nun durch entsprechende Kooperationen und Anreize revidiert werden soll. 4.1.1 Finanzierungs- und Förderungsprojekte Die Finanzierungen der Mobilitätsprojekte erfolgen in Brasilien häufig über nationale und internatio- nale Förderungsbanken, wie z.B. BNDES (Banco Nacional de Desenvolvimento) und Caixa oder Co- Working Spaces wie MobiLab in São Paulo (Labor für Innovation in Mobilität der Stadt São Paulo). Die Nationale Entwicklungsbank BNDES bietet eine Finanzierungslinie speziell für Mobilitätsprojekte: • BNDES Finem - Urbane Mobilität: zuständig für die Finanzierung von Investitionsvorhaben von öffentlichem Interesse, die auf die urbane Mobilität ausgerichtet sind, in Höhe von 20 Mio. R$.29 Das Programm Rota 2030, welches u.a. E-Mobilität und Biokraftstoffen in Brasilien fördert, sieht steu- erliche Anreize von bis zu 1,5 Milliarden R$ pro Jahr vor, wenn Automobilunternehmen mindestens 5 Milliarden R$ in die Forschung von Biokraftstoffen in Brasilien investieren. Es wird erwartet, dass diese 29 BNDES https://www.bndes.gov.br/wps/portal/site/home/financiamento/bndes-finem 20
São Paulo, Brasilien Maßnahme die Energieeffizienz bis 2022 um 11% verbessert und damit den durchschnittlichen Kraft- stoffverbrauch reduziert. Darüber hinaus wird die Bundessteuer IPI (Imposto sobre Produtos Industrializados) für Elektro- und Hybridfahrzeuge von 25% auf 7% bis 20% gesenkt. Dies stellt eine Chance für deutsche Unternehmen dar, die Hybrid- und Elektroautos produzieren, da diese ihre Produkte kostengünstiger nach Brasilien einführen können. Es zeigt sich deutlich, dass die Regierung den Erwerb dieser Art von Fahrzeugen fördern wird.30 Der Strategische Masterplan von São Paulo wurde 2017 von der UN-Habitat-Agentur und mit dem MobiPreis der University of Michigan in den USA ausgezeichnet. 31 Ziel des Plans ist es, São Paulo kompakter zu machen und die Menschen näher an ihren Arbeitsplatz und die öffentlichen Verkehrsmittel zu bringen. Der strategische Masterplan von São Paulo legt daher Wert auf die Schaffung einer sozial, ökologisch und wirtschaftlich ausgewogeneren Stadt. Eine humanere Stadt, die der nachhaltigen, urbanen Mobi- lität Vorrang einräumt und die Nutzung von Gemeinschaftsgebieten durch integrative Maßnahmen fördert. Besonders hervorzuheben sind die folgenden Punkte des Masterplans: 32 • Bevölkerungsdichte in den Verkehrsachsen: Das Projekt ermöglicht den Bau größerer Ge- bäude (mit einer Fläche, die bis zu viermal größer als die Geländefläche und ohne Höhenbe- grenzung ist) um die U-Bahn, Zug- und Buskorridorlinien herum. Ziel ist es, die Zahl der in diesen Regionen lebenden Menschen zu erhöhen und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmit- tel zu fördern. • Ressourcen für die städtische Mobilität: Etwa 30 % der Mittel des kommunalen Entwicklungs- fonds Fundurb (Fundo Municipal de Desenvolvimento Urbano), sind für Investitionen in die urbane Mobilität bestimmt. Dazu gehören öffentliche Verkehrsmittel, Rad- und Gehwege. 30 UOL https://www.uol/carros/especiais/rota-2030-o-que-muda-no-carro-do-brasil.htm#metas-de-eficiencia 31 Capital SP http://www.capital.sp.gov.br/noticia/politicas-adotadas-pela-atual-gestao-municipal-recebem-grandes- premios-internacionais 32 Globo G1 http://g1.globo.com/sao-paulo/noticia/2014/07/saiba-quais-sao-os-principais-pontos-do-plano-diretor-estrate- gico-em-sp.html 21
São Paulo, Brasilien 4.1.2 Herausforderungen Das Amt für Mobilität und Verkehr der Stadt São Paulo (SMT-SP - Secretaria Municipal de Transportes de São Paulo) erklärte, dass die wichtigste Herausforderung die Integration der Infrastrukturmodali- täten sei, da diese bis heute nicht ausreichend aufeinander abgestimmt sind. Des Weiteren fehlt es an Investitionen in Technologien, welche unter anderem zur Stärkung der öffentlichen Verkehrsmittel durch verbesserte Kapazität, Qualität und Nachhaltigkeit beitragen könnten. Damit einher geht der Anstieg des motorisierten Individualverkehrs, welcher zu konstanten Engpässen auf den Straßen führt und die Treibhausgasemissionen stark ansteigen lässt. Die Metrô de São Paulo erläuterte, dass abgesehen von den großen Ballungszentren, die Busnetze praktisch das einzige öffentliche Verkehrssystem in brasilianischen Städten sind. Trotzdem verfügt die absolute Mehrheit der Busnetze über keine ausschließlichen oder präferenziellen Korridore, die dazu beitragen können die Effizienz des Betriebs der Flotten zu erhöhen und somit Anreize zur Be- nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zu schaffen. Darüber hinaus verfügen die wenigsten Städte, die über ausschließliche oder präferenzielle Busspuren verfügen, über automatisierte Verkehrssteue- rungssysteme, die z.B. über Ampeln ein Betriebskontrollinstrument implementieren könnten, welches die Betriebseffizienz der angewandten Systeme unterstützt und eine bessere Steuerung und Überwa- chung der Busflotten ermöglicht. In den großen Ballungszentren operieren Bahnsysteme, die in ihrer Modernisierung und Expansion große Schwierigkeiten haben. Dies ist im Wesentlichen auf die Schwie- rigkeit der permanenten Sicherstellung von Investitions- und Kostenressourcen zurückzuführen. Die Metrô de São Paulo teilte des Weiteren mit, dass große Busnetzwerke nicht über zentralisierte Verkehrsleitsysteme verfügen. Auch in Bus-Systemen in brasilianischen Städten werden computerge- stützte Ticket-Systeme nicht vollständig übernommen, und diejenigen, die sie haben, nutzen nicht ihr gesamtes Potenzial in Bezug auf die gesammelten und gespeicherten Informationen. Die städte- bauliche Gesetzgebung der brasilianischen Städte betrachtet die Kapazität von Massenverkehrssyste- men normalerweise nicht als einen der Faktoren, die die Bebauungsdichte einer Region bestimmen. Normalerweise beziehen sich die verfügbaren Indikatoren auf die Durchflusskapazität des Straßensys- tems, die Anzahl der Parkplätze pro bebautes Gebiet sowie andere Aspekte im Zusammenhang mit dem Individualverkehr. Camargo sieht hier die Politik, gerade die Verkehrsministerien, in der Pflicht. Zudem werden im Allgemeinen durch städtebauliche Maßnahmen oder Landgesetze die Grenzen der neubebauten Fläche nicht mit der Fähigkeit des öffentlichen Verkehrssystems verknüpft. Durch dieses neue Szenario müssen wieder neue Fahrten absorbiert werden, um eine Überlastung des bestehenden Straßennetzes im Stadtgebiet zu vermeiden. 22
São Paulo, Brasilien Das Zentrum für Forschung und Entwicklung in der Telekommunikation (CPQD - Centro de Pesquisa e Desenvolvimento em Telecomunicações) vertritt die Meinung, dass die Hauptherausforderung in der Notwendigkeit einer frühzeitigen Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen öffentlichen und pri- vaten Akteuren (Stadtplanung, Energieversorger, Private Technologieunternehmen etc.) liegt, um entstehende Märkte zu entwickeln bis sie wettbewerbsfähig werden. Beispielsweise auf der Grundlage neuer Technologien wie bei den Fahrzeugmarkt-Elektro- und Infrastruktur-Aufladungsdiensten. Es ist notwendig ein Ökosystem von Akteuren der nachhaltigen urbanen Mobilität zu schaffen, die einen gemeinsamen Zweck und eine gemeinsame Koordination haben und ihre Interaktionen fördern, insbe- sondere in den frühen Phasen des Marktes. Führende Länder schaffen Visionen, Ziele, Pläne und Governance-Räume für diesen Übergang. In diesen Umgebungen werden beispielsweise Regulierungs- instrumente, technologische Roadmaps und Anreize diskutiert und entschieden. Der Nationale Ver- band der Schienenpassagiere (ANPTrilhos - Associação Nacional dos Transportadores de Passageiros sobre Trilhos) unterstützt die Ansicht, dass private Initiativen wesentlich konstanter von staatlicher Seite gefördert werden müssen, um z.B. das interstaatliche Zugnetzwerk aufzubauen. Laut der Firma Paulista Metropolitan-Züge (CPTM - Companhia Paulista de Trens Metropolitanos), welche alle Züge rund um São Paulo betreibt, liegt eins der Probleme an den fehlenden Alternativen zum Automobil. Das Verbund-Netzwerk ist für brasilianische Verhältnisse sehr gut ausgebaut, jedoch gibt es noch diverse Probleme bei der Verbindung einzelner Teilstrecken, welche durch Automatisie- rungstechnologien behoben werden können. Des Weiteren gibt es in den verschiedenen Terminals nicht genug Platz um die hohe Anzahl von Reisenden tagtäglich vernünftig versorgen zu können. Zu- dem muss die Politik dafür sorgen, dass ehemals begonnene Projekte nicht zu lange herausgezögert oder gänzlich gestoppt werden. Das Interkommunale Syndikat Grande ABC (Consórcio Itermunicipal Grande ABC), welches die Städte São Bernardo do Campo, Santo André, São Caetano do Sul, Diadema, Mauá, Ribeirão Pires und Rio Grande da Serra umfasst, erwähnte, dass die Probleme der Urbanen Mobilität in Brasilien generell aus dem geringen Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln, den hohen Ticketkosten, der fehlende Infra- struktur, den längere Reisezeiten in städtischen Zentren, dem fehlenden Stadtverkehr und Staus re- sultiert. In der Metropolregion São Paulos lägen die Probleme bei folgenden Punkten: • Schwaches Inter- und intrakommunales Straßennetz, begrenzt durch natürliche Barrieren (z.B. Tamanduateí River) • Straßen mit einem unverhältnismäßig hohen Verkehrsaufkommen für die Größe der Gemein- den und der Region • Intensiver Verkehr, der die wenigen Korridore interkommunaler Verbindungen überlastet 23
São Paulo, Brasilien • Wenig Priorität für den öffentlichen Verkehr auf den entsprechenden Straßen • Eingeschränkte (und unzusammenhängende) Aktivitäten der Gemeinden bei der Überwa- chung, Kontrolle und dem Betrieb des Straßennetzes. • Technologische Obsoleszenz und Mangel an Ausrüstung in den Gemeinden • Unzulänglichkeit von qualifizierten und aktualisierten Personalressourcen in Bezug auf Tech- nologie. Das World Resource Institute (WRI) teilt einige dieser Ansichten. Zum einen, dass die mangelnde In- tegration zwischen verschiedenen Arten des öffentlichen Verkehrs (Zug, U-Bahn, Auto), als auch zwi- schen den einzelnen Gemeinden, dazu führt, dass die Verbesserung und der Fortschritt im Bereich Urbane Mobilität hinterherhinken und zum anderen, dass die finanziellen Herausforderungen Planung und Umsetzung von Lösungen erschwert. Für die Stadtverwaltung Franco da Rochas, fehlt es vor allem an geeigneten Buskorridoren, die einen Anreiz für den öffentlichen Verkehr darstellen würden. Des Weiteren ist die legislative Bürokratie zu langsam, was die Projekte häufig auf unbestimmte Zeit verlängert und somit das Projekt an sich gefährdet. 4.1.3 Chancen Die sich aus den Herausforderungen ergebenen Chancen liegen für die interviewten Experten auf der Hand. Das Amt für Mobilität und Verkehr der Stadt São Paulo (SMT-SP - Secretaria Municipal de Trans- portes de São Paulo) erklärte, dass die Chancen gerade bei der Integration von Online-Plattformen (Softwares) liegen, die Projekte der urbanen Mobilität zwischen den verschiedenen Ministerien und Kommunen bekanntmachen und einem großen, über allem stehenden Plan folgen. Plattformen solcher Art führten schon zu Kostensenkungen und Gewohnheitsveränderungen der Menschen, die lieber auf öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad zurückgreifen. Ein Teilaspekt dessen ist die Integration von Landnutzung und Verkehr, die über solche Plattformen geregelt werden soll, damit eine nachhal- tige Stadtplanung ermöglicht wird. Dies soll die Planungen und den Ausbau von Radwegen und Buskor- ridoren fördern und somit den motorisierten Individualverkehr verringern. De Metrô de São Paulo merkte an, dass zentralisierte Verkehrsleitsysteme implementiert werden müs- sen, die in Notfällen überwachen und reagieren können, um eventuelle Unregelmäßigkeiten im Be- trieb zu korrigieren. Im Hinblick auf die Benutzer könnten verschiedene Einrichtungen und Dienste mit dem Ausbau der Informationstechnologie in den Kontroll-, Betriebs- und Ladesystemen implemen- 24
São Paulo, Brasilien tiert werden, wie die Verwendung des QR-Codes, die Verwendung von Tickets in verschiedenen Kate- gorien oder Bedingungen (z. B. Rabatte auf andere Dienstleistungen wie Theaterkarten, Museen, Wo- chenendtarife usw.). Er erklärte, dass es von grundlegender Bedeutung sei, dass die städtische Ge- setzgebung Korrelationen zwischen der Dichte der Region (insbesondere bei der Genehmigung von Strommasten) und der Existenz öffentlicher Verkehrsmittel und der Art und Weise, wie die Fahrten in der Region durch öffentliche Verkehrsmittel aufgenommen werden, enthält. Des Weiteren stellte die Metrô de São Paulo fest, dass die Prüfung der Güterbewegungen in den Pro- duktions- und Verbrauchsketten auch als ein wesentliches Element einer wettbewerbsfähigen und gesunden Stadtentwicklung betrachtet werden sollte, um die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wohl- stand in städtischen Gebieten nicht zu ersticken. Darüber hinaus ist es von grundlegender Bedeutung für Bundesstaaten und Kommunen, Fahrzeuginspektionsprogramme durchzuführen, um sicherzustel- len, dass die Eigentümer von Personenkraftwagen, Lastkraftwagen und öffentlichen Verkehrsunter- nehmen die, vom Auto-Emissions-Kontroll-Programm PROCONVE, festgelegten maximalen Emissions- eigenschaften von Schadstoffen einhalten. Die Hauptmöglichkeiten für die Mobilität könnten darin bestehen, Urbane Erweiterungspolitiken mit Basis auf dem öffentlichen Verkehr umzugestalten, d.h. die Masterpläne und Flächennutzungsgesetze mit der Implementierung effizienter öffentlicher Ver- kehrssysteme auf Schienen und Reifen zu verknüpfen, die das aktuelle Szenario mit den in den Rechts- vorschriften vorgeschlagenen Bebauungszenarien in Beziehung setzen. Laut CPTM muss die Integration von Dienstleistungen zusammen mit der Erbringung von Transportleis- tungen verbunden werden, um eine effektivere Kundenbedienung zu garantieren. Des Weiteren müs- sen bestehende Zug- und Buslinien durch neue Technologien effizienter gestaltet werden, gerade im Bereich Automatisierung, welche zu mehr Konnektivität und letztendlich Effizienz führt, also eine schnellere Abwicklung des Kundenaufkommens im öffentlichen Transportsektor. Zudem sollten Züge, Terminals und Bahnhöfe für ältere Menschen angepasst werden, da die brasilianische Bevölkerung, wie vorhin beschrieben, altert. Dies beinhaltet den Ausbau von Rolltreppen, Aufzügen sowie ebener- diges Ein- und Aussteigen für einen schnelleren Transportationsablauf. Laut CPTM können deutsche Firmen speziell bei der technischen Qualifizierung der Facharbeiter sowie bei Leistungen mit hohem technischem und schnellem Anspruch den brasilianischen Markt unterstützen. Das Interkommunale Syndikat Grande ABC (Consórcio Itermunicipal Grande ABC) bezeichnet die Ver- wendung von nachhaltigen Kraftstoffen (Biokraftstoffen) und Elektromobilität (Autos und Ladestatio- nen) im öffentlichen Verkehr als Chancen für deutsche Unternehmen, die entsprechende Technolo- 25
São Paulo, Brasilien gien anbieten können. Des Weiteren soll die Nutzung von Fahrrädern und die Einführung bzw. Erwei- terung von Radwegen gefördert werden. In diesem Rahmen können auch Busse und Züge mit Fahrrad- haken dienen, an denen die Fahrräder vertikal aufgehangen werden, wie es z.B. schon flächendeckend in den Niederlanden der Fall ist. Die Förderung der physischen, operativen und tariflichen Integration der städtischen und kommunalen Verkehrsdienste muss vorangetrieben werden sowie die Einbezie- hung von Priorisierungsmaßnahmen für den öffentlichen Verkehr (z.B. Ausbau von Busspuren und U- Bahn/Zuglinien. Zudem merkte das Syndikat an, dass die Einführung von Verkehrsmanagementtech- nologie zur Optimierung des Betriebs öffentlicher Verkehrsmittel sowie die Integration von Ticketing und elektronischer Überwachung gewünscht wird. Bessere Bus-Tracking-Systeme können das Manage- ment und die Effizienz der Busflotten erhöhen. Technologien und Know-How zum schnelleren und effektiveren Bau könnten von deutschen Firmen geliefert werden. Laut dem Zentrum für Forschung und Entwicklung in der Telekommunikation (CPQD - Centro de Pesquisa e Desenvolvimento em Telecomunicações) bedeutet nachhaltigere urbane Mobilität die Re- duzierung der Treibhausgasemissionen und der Verkehrsstaus, alternative Verkehrsträger und deren Kombination sowie die Integration der verschiedenen Transportmittel. Deutsche Firmen werden dabei in den folgenden Bereichen benötigt: • Aufbau eines nachhaltigen Mobilitätsausschusses • Entwicklung und Produktion von Elektrobussen • Entwicklung und Produktion von Ladesystemen • Entwicklung und Produktion von öffentlichen Kartenzahlungsplattformen • Systeme/Anwendungen zum Kombinieren von Verkehrsträgern • Systeme für die Integration von Elektrofahrzeugen in das Energienetz und für deren Kom- bination mit erneuerbaren Energiequellen Das WRI sieht Verbesserungspotenzial bei Softwareapplikationen, die die Integration der Kommunen und der verschiedenen Anbieter des öffentlichen Verkehrs vorantreiben und vereinfachen, worunter auch die Einführung neuer Ticketing-Technologien fällt, die z.B. Bezahlungen per Kredit- oder Debit- karte ermöglichen. Des Weiteren denkt das WRI, dass deutsche Firmen bei der Umsetzung neuartiger Technologien, gerade bei nachhaltigen Technologien, dem brasilianischen Markt behilflich sein kön- nen. Laut der Stadtverwaltung Cajamars bieten sich Chancen, gerade auch für deutsche Technologiean- bieter, die bei der Implementierung von Schienenfahrzeugen (Zug, U-Bahn), sauberen Bussen, die alternative Kraftstoffe verwenden, dem Ausbau von Radwegen und der Förderung von Carsharing- 26
São Paulo, Brasilien Diensten, welche das Problem der endlosen Staus innerhalb der Städte eindämmen würde. Des Wei- teren fordert die Stadtverwaltung alternative Zahlungsmöglichkeiten für Bustickets, welche ihrer Mei- nung nach ineffizient sind. Die Stadtverwaltung Franco da Rochas, betonte, dass Tracking-Technologien gesucht werden, die die Koordination der Busflotten effizienter gestalten könnte. Des Weiteren könnte die Metropole São Paulo „Straßenbahn“-Systeme, Einschienenbahnen und intelligente Terminals für die Busintegration gebrauchen. Das U-Bahn-Netzwerk bedarf zudem eines Ausbaus, sowie der interkommunalen Integra- tion in das bestehende Zugnetz. Des Weiteren befand die Nationale Front der Bürgermeister (FNP – Frente Nacional de Prefeitos), dass brasilianische Institutionen bei Foren und Messen wie der InnoTrans teilnehmen sollten, um interna- tionale Technologien und Lösungsansätze kennenzulernen. 4.2 Urbane Mobilität in Universitäten und Forschungszentren Die Demonstrationen vom Juni 2013, die zunächst durch die Erhöhung der Preise für öffentliche Ver- kehrsmittel um R$ 0,20 entstanden, mobilisierten die brasilianische Bevölkerung. Die Diskussion über urbane Mobilität gewann an Bedeutung und Präsenz in gesellschaftlichen Kreisen und wurde zu einem Forschungsthema an brasilianischen Universitäten, wie z.B. bei den Folgenden: Die bekannteste Universität des Landes, die Universität São Paulos (Universidade de São Paulo – USP) bringt in regelmäßigen Abständen Studien hinsichtlich des aktuellen Statuses, der aktuellen Probleme und Möglichkeiten der Urbanen Mobilitätsentwicklung heraus. Das Hauptaugenmerk liegt darauf Al- ternativen zum Auto zu finden, diese zu fördern und damit attraktiv für Benutzer zu machen. So merkt zum einen Orlando Strambi, Professor und Forscher der Fakultät für Verkehrswesen, an, dass die drei wichtigsten Anreize in dieser Hinsicht die Förderung der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, die Förderung des nicht motorisierten Verkehrs und die Verhinderung der Nutzung von Kraftfahrzeugen ist. Herr Strambi sieht den Ausbau der U-Bahn- und Buslinien als unabdingbar an, um den Verkehr mit 27
São Paulo, Brasilien seinen etlichen tagtäglichen Staus zu entzerren und für mehr Qualität zu sorgen. Eins der Hauptprob- leme ist seiner Ansicht nach, die Ineffizienz beim Bau der entsprechenden Linien und Korridore, was auf fehlende Technologien und rechtliche Barrieren zurückzuführen ist. 33 Wie man die Zusammenarbeit mit Unternehmen und junge Menschen zur Ideen- und Projektentwick- lung bewegt, zeigt auch das Beispiel des Universitätszentrums Belas Artes von São Paulo (Centro Uni- versitário Belas Artes de São Paulo), die bei ihrem Hackathon zum Thema „Mobilität in Großstädten“ auf die Unterstützung des Car-Sharing-Unternehmens Cabify, des Elektrotechnikhersteller Roland Bra- sil sowie auf das Student Travel Bureau zählen konnte.34 Das Thema der nachhaltigen Stadt- und Mobilitätsentwicklung, bei dem es um alternative Verkehrs- mittel in Verbindung mit neuesten Technologien (Softwares, Applikationen) geht, wird bevorzugt un- terrichtet und findet bei den Studierenden viel Anklang. So auch beim Observatorium für urbane Mobilität der Föderalen Universität Santa Catarina (Observatório da Mobilidade Urbana da Universid- ade Federal de Santa Catarina), wo auf auf die Teilnahme von Lehrern, Technikern und Studenten, die sich in Seminaren, Vorträgen und Projekten für die urbane Mobilität engagieren, gesetzt wird. Das Observatorium leitet das Projekt NeoTrans, das gemeinsam mit der Aufsicht über die Entwicklung der Metropolregion Florianópolis (SUDERF - Superintendência de Desenvolvimento da Região Metro- politana de Florianópolis) entwickelt wurde. NeoTrans basiert auf der Grundlage des Fortschritts ei- ner neuen öffentlichen Transportstruktur und der Kreation und Verbreitung des BRT-Systems. Das Bus Rapid Transit (BRT) ist ein System, bei dem Haltestellen installiert werden, die man nur nach Vorab- zahlung betreten kann. Darüber hinaus sind die Fahrzeuge moderner, geräumiger und reduzieren die CO2-Reduktion und Stauaufkommen. Ziel ist es, den öffentlichen Personnennahverkehr sicherer und effizienter zu fördern.35 FGV Projetos besteht aus Doktoranden und Spezialisten, die für die Anwendung des in ihren Schulen und Instituten erworbenen akademischen Wissens verantwortlich sind. Ein Schwerpunkt ist „Smart 33 Orlando Strambi http://www5.usp.br/103949/projetos-para-mobilidade-podem-transformar-a-vida-na-cidade-defende-es- pecialista/ 34 Belas Artes http://www.belasartes.br/hackathon/ 35 UFSC http://observatoriodamobilidadeurbana.ufsc.br/ 28
São Paulo, Brasilien Cities“, welcher die urbane Mobilität in Brasilien in einem historischen Kontext analysiert, Informati- onen und Lösungsansätze anhand von Daten präsentiert, um eine nachhaltige und aktive urbane Mo- bilität in brasilianischen Städten zu erreichen.36 Das Zentrum für Nachhaltigkeitsstudien der FGV (Centro de Estudos em Sustentabilidade - FGVces) hat es sich zur Aufgabe gemacht, Strategien, Richtlinien und Instrumente für die öffentliche und unternehmerische Steuerung der Nachhaltigkeit der urbanen Mobilität im In- und Ausland zu entwi- ckeln. Kürzlich hat FGVces seine erste Studie zur urbanen Mobilität mit dem Titel "Public Expenses in Urban Mobility in Brazil" durchgeführt. Die Studie analysiert, wie viel und wofür von der Bundesregierung, der Regierung des Bundesstaates São Paulo und Rio de Janeiro sowie von den Gemeinden der Metro- polregionen São Paulo und Rio de Janeiro ausgegeben wurde. Ziel ist es, das Geld in Zukunft möglichst effizient und effektiv einzusetzen und Kosten zu senken und Projekte gezielt zu fördern.37 5. Synergie Brasilien-Deutschland Brasilien und Deutschland haben in ihrer Art der Urbanisierung verschiedene Entwicklungen genom- men. In Deutschland zogen im 19. Jhd. im Zuge der Industrialisierung massenhaft Menschen vom Land in die Städte, welche infrastrukturell darauf nicht vorbereitet waren und somit viele Probleme im Woh- nungsbau und der Wasserversorgung zum Vorschein brachten und verschlimmerten. Drei Faktoren be- günstigten diese erste Art der Urbanisierung 38: Erstens die drohende Verarmung auf dem Land, zwei- tens die durch die Agrarreformen gewonnene Freiheit wegzuwandern und drittens die Hoffnung auf gut bezahlte Arbeit und somit ein besseres Leben in der Stadt. Dadurch das Deutschland bis ins späte 19. Jhd. noch eine Fläche bestehend aus vielen Kleinstaaten war, hatten sich viele kleinere Städte und Zentren entwickelt, in die die Menschen während der In- dustrialisierung strömten. Neben Ausnahmen wie Berlin, erfuhren viele kleine- und mittelgroße Städte 36 FGV Projetos https://fgvprojetos.fgv.br/sites/fgvprojetos.fgv.br/files/cesar_pt.pdf 37 FGVces http://www.gvces.com.br/ 38 Planet-Wissen https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/wirtschaft/industrialisierung_in_deutschland/industrialisierung- deutschland-urbanisierung-100.html Christoph Bernhardt Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung 29
São Paulo, Brasilien in allen Teilen des heutigen Deutschlands einen Zuwachs ihrer Bevölkerung. Ein Indiz dafür ist, dass in dieser Zeit 48 Städte die Großstadtgrenze von 100.000 Einwohnern überschritt. Zudem versieben- fachte sich der Bevölkerungsanteil in Städten von mehr als 100.000 Einwohnern. Auf die Missstände wurde mit Wohnungsreformen und einer generellen infrastrukturellen Planung im Nahverkehr und in der technischen und hygienischen Versorgung reagiert.39 Der Trend der Urbanisierung hält seitdem, wenn auch in deutlich abgeschwächter Form, an. Lebten im Jahr 1950 noch 68,1% der deutschen Gesamtbevölkerung in Städten so waren es 2015 bereits 75,3%. 2030 werden es voraussichtlich 78,6% sein.40 Grafik 11: Bevölkerungsverteilung Deutschland Quelle: Diercke41 39 Joel Behne/Thomas Tippach 0.09.2014 Universität Münster https://www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/portal/ein- fuehrung/geschichte/industrialisierung.html 40 Statista https://de.statista.com/statistik/daten/studie/152879/umfrage/in-staedten-lebende-bevoelkerung-in-deu- tschland-und-weltweit/ 41 Diercke https://www.diercke.de/s/Bev%25C3%25B6lkerungsdichte%2520Deutschland 30
São Paulo, Brasilien Deutschland ist in vielen Aspekten der urbanen Mobilität weltweit führend oder mitführend und bringt die angewandten Technologien durch deutsche Firmen im Ausland auch nach Brasilien. Über 1.300 deutsche Firmen sind seit Jahrzehnten erfolgreich in Brasilien aktiv. Allein im Bundesstaat São Paulo sind 900 deutsche Unternehmen tätig, weshalb São Paulo auch als größter Industriestandort deutscher Firmen außerhalb Deutschlands gilt. Viele dieser Unternehmen, wie Bosch, Mercedes-Benz, BASF und Volkswagen, entwickeln Ideen und investieren in die Infrastruktur und Technologie um eine Verbesserung der urbanen Mobilität in Bra- silien herbeizuführen. In Deutschland werden auf politischer Seite zudem entsprechende Anreizprogramme implementiert, um die urbane Mobilität und Stadtentwicklung sauberer und nachhaltiger zu gestalten. Mit der „Stra- tegie automatisiertes und vernetztes Fahren“ hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) im Jahr 2015 das Thema Urbane Mobilität zum Bundesthema erhoben und den Grundstein für Zuwendungen in dem Bereich gelegt. Die Handlungsfelder sind Infrastruktur, Recht, Innovation, Vernetzung, IT-Sicherheit und Datenschutz und Gesellschaftlicher Dialog. Das automati- sierte und vernetzte Fahren soll die Verkehrssicherheit erhöhen, die Umweltbelastungen senken und den Verkehr flüssiger machen.42 Das automatisierte Fahren wurde per Gesetz genehmigt, welches den Weg zur Serienreife von Autos ebnet.43 Wie Innovationen und Investitionen im Bereich Urbane Mobili- tät generiert werden können, in dem man dem Thema auf Bundesebene die entsprechende Präsenz einräumt, ist eines der Themen, welches während den Diskussionspanels diskutiert werden kann. In Deutschland sind derzeit 53.861 Elektroautos gemeldet, was eine Verdopplung der registrierten Fahrzeuge seit 2016 bedeutet. Dies ist zum einen auf die Kaufprämie zur Förderung von Elektromobi- lität zurückzuführen, welche Käufern eines Elektroautos einen Zuschuss von 4.000 Euro (Hälfte vom Bund, Hälfte vom Hersteller) ermöglicht.44 Der Umstieg auf Elektroautos geht langsamer voran als erwartet, jedoch vermerkt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) mittlerweile eine Nachfrage von ca. 300 Anträgen pro Tag. Auf der anderen Seite wurden in Brasilien aufgrund fehlender Anreize und Subventionen bisher nur ca. 5.900 Elektro- und Hybridautos verkauft. Neue 42 Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/DG/bericht- avf.pdf?__blob=publicationFile 43 Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilun- gen/2017/065-dobrindt-gesetz-automatisiertes-fahren.html 44 Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle http://www.bafa.de/DE/Energie/Energieeffizienz/Elektromobilitaet/elekt- romobilitaet_node.html 31
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