Fukushima Folgen und Ereignisse in Deutschland
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Fukushima - Folgen und Ereignisse in Deutschland Kai Weidenbrück Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Referat RS I 5 - Allgemeine und grundsätzliche Angelegenheiten der Reaktorsicherheit, Kerntechnisches Regelwerk, Multilaterale regulatorische Zusammenarbeit
Inhalt • Kernspaltung • Reaktortypen • Unfälle in der Kerntechnik • Reaktionen in Deutschland auf den Fukushima-Unfall • Internationale Aktivitäten • Internationales Regelwerk • Entwicklungen in anderen Staaten / Neubaupläne • Schwierigkeiten bei der Umstellung der Energieerzeugung
Wie funktioniert die Kernspaltung? „Als Kernspaltung bezeichnet man einen Prozess der Kernphysik, bei dem ein Atomkern unter Energiefreisetzung in zwei oder mehr Bestandteile zerlegt wird.“ • Freisetzung von 200 MeV • 3 schnelle Neutronen mit hoher Energie (Th-232, U-238, PU-240) • Moderator bremst Neutronen Thermische Neutronen (U-233, U-235, PU-239)
Druckwasser-Reaktor (DWR) Innere Energie Kern- Innere Energie Mechanische Elektrische Wärme des Primär- energie des Dampfes Energie Energie wassers Leistung 4000 MWth 1000 MWel Spaltprodukte: Containment • I -131 • CS -137 • Edelgase
Andere Reaktor-Typen Wasser-Wasser-Energie-Reaktor (WWER) • Druckwasser-Reaktor, wassergekühlt und wassermoderiert • Besonderheiten gegenüber anderen DWR (Liegende Dampferzeuger) Reaktor Bolschoi Moschtschnosti Kanalny (RBMK) • Siedewasser-Druckröhrenreaktor (1500) • Graphitmoderiert, kein Containment • Bekanntester Standort: Tschernobyl • 11 Reaktoren in Betrieb (Russland)
Andere Reaktor-Typen Canada Deuterium Uranium (Candu-Reaktor) • Schwerwasserreaktor • Verwendung von Natururan • Einfaches Gewinnen von Waffenplutonium Advanced Gas-cooled Reactor (AGR) • Gasgekühlter Kernreaktor (CO²) • Verwendung von leicht angereichertem Uranoxid • Graphitmoderiert
Große Störfälle Kyschtym, 1957 • 29. September 1957 • Kerntechnische Anlage „Majak“ zur industriellen Herstellung spaltbaren Materials der Sowjetunion • Freisetzung sehr großer Mengen radioaktiver Substanzen • Einstufung: INES 6 bis 8.900.000 TBq
Große Störfälle Kyschtym, 1957 • Flüssige Rückstände aus Aufarbeitung abgebrannter Uranbrennstäbe wurden in Tanks (300 m³) gelagert • Wegen der Nachzerfallswärme der gelagerten Stoffe, mussten Tanks gekühlt werden • Im Jahr 1956 wurde die Kühlleitung eines Tanks undicht, die Kühlung fiel aus, der Inhalt begann zu trocken • Der Funke eines internen Kontrollgeräts löste eine Explosion der auskristallisierten Nitratsalze aus (chemische Explosion, keine nukleare) • 10% des radioaktiven Materials wurden bis zu 400 km in nordöstliche Richtung verteilt (Fallout), sog. „Osturalspur“
Große Störfälle Windscale 01.10.1957 • 10. Oktober 1957 • Kernreaktor Windscale (heute Sellafield) in Großbritannien zur Herstellung von Plutonium für Atomwaffen • Freisetzung erheblicher Mengen radioaktiven Materials • Einstufung: INES 5 zwischen 1.800 und 47.000 TBq
Große Störfälle Windscale 01.10.1957 • Zum Anfahren musste der Kern kontrolliert aufgeheizt werden (Feuergefahr) • Am 7. Oktober 1957 beginnt Aufheizen mit Abschalten der Ventilatoren. • Aufheizvorgang wird bei 250 Grad gestoppt, Zerfallsenergie erhöht Temperatur auf 350 Grad. Am 8. Oktober ist das Personal der Meinung, dass die Temperatur nicht erreicht wurde (Temperatur- anzeigen sind für diesen Vorgang ungeeignet und zu wenig) und heizt den Reaktor weiter auf. • Eine halbe Stunde später steigt die Temperatur sprunghaft um 80 Grad. Die nächsten Tage bleibt alles unauffällig. • Am 10. Oktober um 5.40 Uhr zeigen die Mess- geräte am Kamin eine Aktivitätsfreisetzung an (man geht zunächst davon aus, dass eine Isotopenkapsel geborsten sei).
Große Störfälle Windscale 01.10.1957 • Kerntemperatur steigt weiter an. • Um 15.00 Uhr wird die Betriebsleitung informiert • Es erfolgt keine Anweisungen an die Mannschaft • Ab 16.30 Uhr öffnet ein Techniker einen Schacht und sieht die rot glühenden Brennelemente (Zündtemperatur von Graphit 600oC). Die Mann- schaft versucht , die Bestrahlungskapseln aus der betroffenen Zone zu entfernen. • Ein Löschversuch mit CO2 bleibt wirkungslos. • Um 20.30 Uhr schlagen Flammen aus dem Reaktor, Kerntemperatur: 1.300 Grad • Trotz Gefahr einer Knallgasexplosion wird am 11. Oktober mit Wasser gelöscht. • Kern kühlt sich ab und setzt große Mengen aktivitätsführenden Wasserdampf frei.
Große Störfälle Three Mile Island 28.03.1979 • Harrisburg, Pennsylvania, USA • Versagen von Maschinenteilen und Messsignalen • Bedienungsfehler der Mannschaft • Ausfall der Reaktorkühlung • partiellen Kernschmelze, Freisetzung von radioaktiven Gasen • Einstufung: INES 5 750 TBq
Große Störfälle Tschernobyl 26.04.1986 • Unkontrollierter Leistungsanstieg mit anschließender Explosion des Reaktors durch Simulation eines vollständigen Stromausfalls • Die Katastrophe ist auf schwerwiegende Verstöße gegen die damaligen geltenden Sicherheitsvorschriften sowie der bauartbedingten Eigenschaften des Reaktortyps zurückzuführen • Die in die Erdatmosphäre gelangten radioaktiven Stoffe waren in Folge des radioaktiven Niederschlages für die Kontamination der nordöstlichen Region Tschernobyls sowie von Teilen anderer europäischer Länder verantwortlich
Große Störfälle Tschernobyl 26.04.1986 • Rapider Anstieg der Reaktorleistung bereits 30 Sekunden nach Testbeginn • Versuchte Notabschaltung durch Betriebsmannschaft • Einfallen der Steuerstäbe verursacht Kettenreaktion (Prompt Kritisch) • Anstieg der Reaktorleistung um das 100-fache der Nennleistung • Erste Explosion des Reaktors und Zerstörung eines Teils des Reaktorgebäudes • Brand des Graphitmantels und Austritt radioaktiven Materials in die Atmosphäre / Löschversuche mit Blei und Sand • Zweite Explosion INES 7 zwischen 4.000.000 und 6.400.000 TBq
Große Störfälle Tschernobyl 26.04.1986 • Der havarierte Reaktorblock ist heute durch einen provisorischen sogenannten „Sarkophag“ abgedeckt • Durch das internationale Projekt „Shelter Implementation Plan“ soll die Konstruktion eines neuen Sarkophages einen Rückbau des alten ermöglichen, ohne dabei weiteres radioaktives Material freizusetzen • Die EU und andere Geberstaaten stellten bisher 1,2 Milliarden Euro für den Bau der neuen Schutzhülle bereit. Mit der Grundsteinlegung im April 2012 wurde der Bau begonnen und soll bis 2015 abgeschlossen sein
Große Störfälle Fukushima 11.03.2011 • Vollständiger Ausfall der Stromversorgung von vier der sechs Reaktorblöcke am Kernkraftwerksstandort Fukushima ausgelöst durch Erdbeben und anschließendem Zunami • Kernfreilegung mit anschließender Kernschmelze durch unterbrochene Kühlung der Reaktoren • Freisetzung erheblicher Mengen radioaktiver Stoffe in die Umwelt • Einstufung: INES 6 – 7 500.000 bis 1.000.000 TBq
Fukushima 11.03.2011
Große Störfälle Fukushima 11.03.2011 • Überschwemmung der Notstromaggregate und Stromverteilerschränke durch ausgelöste Flutwelle • Keine ausreichende Kühlung der Reaktoren durch Ausfall der Stromversorgung • Überhitzung der Brennelemente und Freisetzung von Wasserstoff durch Oxidation von Zirkon mit anschließender Kernschmelze • Austritt von Radioaktivität durch gezielte Druckentlastung und folgenden Wasserstoffexplosionen in verschiedenen Reaktorgebäuden und Verteilung von hochradioaktivem Schutt
Reaktionen in Deutschland auf den Fukushima-Unfall März 2011 • Aussetzung der Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken für 3 Monate und Ankündigung neuer zusätzlicher Sicherheitsüberprüfungen. • Der Reaktorsicherheitskommission (RSK) wird am 17. März 2011 der Auftrag Sicherheitsüberprüfung von Kernkraftwerken erteilt. • Die sieben älteren Kernkraftwerke Brunsbüttel, Unterweser, Biblis A + B, Philipsburg 1, Neckarwestheim 1, Isar 1 und das Kernkraftwerk Krümmel sollen kurzfristig vom Netz genommen werden. • Im Rahmen des Moratoriums werden 8 Kernkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Die Ethikkommission „Sichere Energieversorgung“ zur Neubewertung der Risiken der Kernenergie wird am 22. März 2011 errichtet.
Reaktionen in Deutschland auf den Fukushima-Unfall Mai 2011 • Durch den Abschlussbericht der Sicherheitsüberprüfung der Reaktorsicherheitskommission wird der hohe Sicherheitsstandard deutscher Kernkraftwerke bestätigt • Die Ethikkommission empfiehlt den Ausstieg aus der Atomenergie unter der Bedingung ökologischer ökonomischer und sozialer Verträglichkeit • Koalitionsfraktionen treffen den Beschluss zum Atomausstieg bis zum Jahr 2022 und stimmen für umfassende Änderungen in relevanten Gesetzen
Reaktionen in Deutschland auf den Fukushima-Unfall Juni 2011 • Eine Sondersitzung des Bundeskabinetts zum Beschluss der Gesetzentwürfe (13. Novelle des Atomgesetzes) zu Atomausstieg und Energiewende findet statt. • Der Bundestag beschließt den Atomausstieg bis zum Jahr 2022. Juli 2011 • Der Bundesrat beschließt die Gesetze zu Atomausstieg und Energiewende • 13. Novelle zum Atomgesetz tritt in Kraft: Die Berechtigung zum Leistungsbetrieb der Kernkraftwerke Biblis A, Biblis B, Brunsbüttel, Isar 1, Krümmel, Neckarwestheim 1, Philippsburg 1 und Unterweser erlischt. • Abschaltung von Grafenrheimfeld erfolgt 2015, Grundremmingen (B) 2017, Philippsburg (2) 2019, Grundremmingen (C) sowie Grohnde und Brokdorf 2021. Die Abschaltung von Neckarwestheim (2), Isar (2) und Emsland erfolgt im Jahr 2022.
Schwierigkeiten bei der Umstellung der Energieerzeugung Netzausbau • Um Wind- und Solarenergie möglichst schnell in die Industriezentren zu befördern, muss das Hochspannungsnetz umgehend erweitert und modernisiert werden • Bisher sind lediglich 15 % der bereits im Jahr 2009 für nötig erachteten 1855 km an Leitungen fertig gestellt • Die Einsatzmöglichkeiten von Grundlastkraftwerken werden bei einem hohen Anteil erneuerbarer Energien eingeschränkt, aber auch weiterhin notwendig sein
Schwierigkeiten bei der Umstellung der Energieerzeugung Strompreise • Die Förderung der erneuerbaren Energien wird über die EEG-Umlage finanziert. Je mehr Wind-, Solar- und Biomasse-Kraftwerke gefördert werden, desto höher ist die EEG-Umlage und somit auch die von den Haushalten zu zahlende Stromrechnung. • Um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu erhalten, werden zahlreiche Vergünstigungen und Ausnahmen bei den durch staatliche Regelungen induzierten Energie- und Strompreisaufschlägen gewährt.
Entwicklungen in anderen Staaten / Neubaupläne • Im World Nuclear Industry Status Report der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) 2010- 2011 werden 437 Reaktoren als betriebsbereit gelistet. • Bauprojekte verteilen sich momentan auf vierzehn Länder, darunter China (27), Russland (11), Indien (5), Süd Korea (5) und in der Ukraine (2), in Kanada (2), Japan (2), Slowakei (2) und Taiwan (2) sowie je ein Block in Argentinien, Brasilien, Finnland, Frankreich, dem Iran und den USA.
Internationale Aktivitäten IAEA Fact Finding Mission (2011) IAEA Aktionsplan (2011 – 2015) IAEA Minister-Konferenzen 2011 Außerordentliche Konferenz des Übereinkommens über nukleare Sicherheit (CNS), (2012) IAEA Fachkonferenzen OECD/NEA Konferenzen, Arbeitsgruppen, Seminare ENSREG EU Europäischer Stress Test WENRA und Peer Review (2012, 2013) Überarbeitung der Referenzlevel
Internationales Regelwerk Working Groups RHWG WG NS European Safety Direktive WG OE NUSSC WG PC RASSC WG IP TRANSC CSS WAAST
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Kai Weidenbrück • Referatsleiter im BMUB RS I 5 Grundsatzangelegenheiten, Kerntechnisches Regelwerk und multilaterale Zusammenarbeit • Seit 2008 Referent im gleichen Referat • 2002 bis 2008 Referent in Bundesaufsicht über Atomkraftwerke und Bundesaufsicht im Strahlenschutz • 2001 und 2002 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Geschäftsstelle der Strahlenschutzkommission beim Bundesamt für Strahlenschutz • 1999 bis 2000 Entwicklungsexperte, Firma Leybold, Köln • April 1999 Diplom in Physik am Institut für Strahlen und Kernphysik der Rheinischen F.-W. Universität Bonn • 1989 bis 1991 Zivildienst • 1989 Abitur am Helmholtz-Gymnasium, Bonn
Kai Weidenbrück Deutscher Vertreter in Internationale Gremien • Nuclear Safety Standard Committee der Internationalen Atomenergieorganisation • Working Group Nuclear Safety der EU • Deutscher Vertreter im CNRA bei der OECD/NEA • National Contact point IRRS Missionen der IAEO • Accident Management Experte EU-Stresstest • Mitglied im Asian Nuclear Safety Network (ANSN) • Mitglied im Regulatory Network (RegNet)
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