Fundstelle VG Berlin, Urteil vom 12.03.2021 openJur

Die Seite wird erstellt Stefan Berger
 
WEITER LESEN
VG Berlin, Urteil vom 12.03.2021 - 4 K 237.18 V

Fundstelle                       openJur 2021, 13989           Rkr:  AmtlSlg: 

Tenor
1
    Die Klage wird abgewiesen.
2
    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der diese
    selbst trägt.
3
    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
4
    Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil
    vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des
    jeweiligen Vollstreckungsbetrages leistet.

Tatbestand
5
    Die Klägerin eine 23 Jahre alte syrische Staatsangehörige mit Wohnsitz im Königreich Saudi-Arabien, begehrt ein
    Visum zum Zwecke des Ehegattennachzuges zu dem ebenfalls 23 Jahre alten und als Flüchtling anerkannten syrischen
    Staatsangehörigen A... .
6
    Dieser war im September 2015 in das Bundesgebiet eingereist und hatte einen Asylantrag gestellt. Bei seiner Meldung
    als Asylsuchender im Jahre 2015 wurde er als ledig erfasst. Auch der von ihm unterzeichnete Antrag auf Verlängerung
    der Aufenthaltserlaubnis am 10. November 2016 weist ihn als ledig aus. Mit Urteil vom 18. August 2017 verpflichtete
    das Verwaltungsgericht Köln das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dem Kläger die
    Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Darauf Bezug nehmend teilte Herr H...der für ihn zuständigen Ausländerbehörde
    mit Schreiben vom 3. Dezember 2017 mit, dass er entgegen den Angaben zum Familienstand in den Antragsformularen
    nicht ledig, sondern bereits seit dem 3. April 2016 (gemeint wohl: 2014) verheiratet sei. Seine Ehefrau lebe in Saudi-
    Arabien. Er bitte um Korrektur der Angaben, um Schwierigkeiten beim beabsichtigten Ehegattennachzug zu vermeiden.
    Der von ihm am 27. Dezember 2017 unterzeichnete Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis weist ihn
    allerdings erneut als ledig aus. Am selben Tage gab er zur Niederschrift bei der Ausländerbehörde an, dass seine
    Ehefrau in Deutschland leben wolle und schnellstmöglich einen Antrag auf Erteilung eines Visums stellen werde.
7
    Sie beantragte am 25. Januar 2018 ein Visum zum Ehegattennachzug bei der Botschaft der Bundesrepublik
    Deutschland in Riad und trug dazu vor, sie und Herr H...hätten am 3. April 2014 in Damaskus die Ehe geschlossen.
    Hierzu legte sie u. a. eine unter dem 9. Januar 2018 gefertigte Kopie einer Bescheinigung der Feststellung ihrer
    Eheschließung durch das Scharia-Gericht in Damaskus vom 26. Februar 2017 vor. Darin heißt es, dass beide Eheleute
    durch Anwälte vertreten vorgesprochen und erklärt hätten, in Damaskus am 3. April 2014 die Ehe geschlossen zu
    haben. Die Erschienenen seien durch zwei weitere Rechtsanwälte identifiziert worden. Bei ihrer Vorsprache gab die
    Klägerin im Wesentlichen an, sie hätten sich durch die Familie kennengelernt, seien aber nicht verwandt. Sie seien etwa
    einen Monat lang verlobt gewesen. Eine Hochzeitsfeier habe es nicht gegeben. Etwa fünf Monate lang hätten sie
    zusammen gelebt. Zuletzt hätten sie sich im Dezember 2014 gesehen. Fotos seien nicht vorhanden, weil ihr Wohnhaus
    bombardiert worden sei. Sie sei seit Dezember 2014 in Saudi-Arabien. Dorthin sei sie mit einem Besuchsvisum zu
    ihrem Bruder gereist. Dort lebe sie mit ihren Eltern, ihrem Bruder und dessen Ehefrau. Herr H...sei am 15. September
    2015 nach Deutschland gereist. Warum die Ehe nicht umgehend nach Eheschließung registriert worden sei, konnte sie
    nicht angeben. Weitere vorgelegte Personenstandsurkunden datieren vom Januar 2018. In ihrem Pass befinden sich
    u.a. ein Einreisestempel in den Libanon vom 19. Dezember 2013 und ein Ausreisestempel des Libanon vom 3.
    Dezember 2014.

    Als der Beigeladene mitteilte, dass Herr H...bei seiner Einreise in das Bundesgebiet angegeben habe, ledig zu sein und
8
     Als der Beigeladene mitteilte, dass Herr H...bei seiner Einreise in das Bundesgebiet angegeben habe, ledig zu sein und
     die Zustimmung zur Erteilung des Visum verweigerte, lehnte die deutsche Botschaft in Riad den Antrag mit einem nicht
     mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 16. Mai 2018 ab. Zur Begründung führte die Behörde im
     Wesentlichen aus, die Ehe sei lediglich aufhebbar, da beide Eheleute bei Eheschließung erst 16 Jahr alt gewesen
     seien. Allerdings bestünden große Zweifel daran, dass im April 2014 tatsächlich eine Eheschließung stattgefunden
     habe. Die Eheschließung sei erst im Februar 2017 - und damit nach Asylantragstellung des Herrn H...- durch zwei
     Vertreter nachregistriert worden. Vertretungsvollmachten und ein Nachweis, dass die religiöse Ehe tatsächlich im Jahre
     2014 stattgefunden habe, seien nicht vorgelegt worden. Das syrische Gesetz sehe eine Nachregistrierung der Ehe nur
     vor, wenn ein Kind aus der Ehe hervorgegangen sei oder eine Schwangerschaft festgestellt worden sei. Beides liege
     hier nicht vor. Daher gehe die Botschaft davon aus, dass aufgrund von falschen Aussagen eine nicht oder zu einem
     anderen Zeitpunkt erfolgte Eheschließung registriert und beurkundet worden sei. Selbst bei tatsächlicher Eheschließung
     bestünden erhebliche Zweifel an deren Schutzwürdigkeit. Die Klägerin habe angegeben, dass sie nach der
     Eheschließung für fünf Monate mit Herrn H...zusammengelebt und im Dezember 2014 ausgereist sei - belegt durch ein
     saudi-arabisches Besuchsvisum und einen Einreisestempel. Hätte die Klägerin indes tatsächlich mit Herrn
     H...zusammengelebt, sei es nicht nachvollziehbar, dass sie mit ihren Eltern ausgereist sei. Denn sie hätte bis zu dessen
     Ausreise bei Herrn H...bleiben können. Auch hätte die Möglichkeit bestanden, dass dieser mit nach Saudi-Arabien
     ausreist. Zum damaligen Zeitpunkt hätte er noch unproblematisch ein Besuchsvisum erhalten können. Zudem sei Herr
     H...bei seiner Einreise nach Deutschland als ledig registriert worden.
 9
     Unter dem 3. Juni 2018 bat die Klägerin um Überprüfung der Entscheidung. Hierzu trug sie im Wesentlichen vor, Herr
     H...und sie hätten Anfang 2014 beschlossen, in eine gemeinsame Wohnung zu ziehen. Dem hätten ihre Eltern nur unter
     der Bedingung zugestimmt, dass sie heirateten. Dies hätten sie am 3. April 2014 nach religiösem Ritus getan. Eine
     offizielle Registrierung sei nicht möglich gewesen, weil die Militärbehörden jungen Wehrpflichtigen oder demnächst
     wehrpflichtig werdenden Personen eine Erlaubnis zur Eheschließung grundsätzlich nicht erteilten, solange sie in Syrien
     lebten und für eine Rekrutierung zur Verfügung stünden. Formlose Eheschließungen seien zudem noch immer üblich.
     Erst nach der Ausreise des Herrn H...sei eine Registrierung möglich und wegen des Familiennachzuges auch
     erforderlich gewesen.
10
     Die Nachregistrierung sei durch ihren Schwiegervater organisiert worden, der mit entsprechenden Vollmachten
     ausgestattet gewesen sei. Die Originale der Vertretungsvollmachten seien beim Gericht verblieben. Kopien seien nicht
     angefertigt worden. Tatsächlich könne jede Ehe nachregistriert werden. Was das Zusammenleben nach der
     Eheschließung angehe, so seien sie in ein ihren Eltern gehörendes Mehrfamilienhaus gezogen. Dies habe in der Nähe
     von Damaskus im Gouvernement Rif Dimashq gelegen. Dort seien die militärischen Auseinandersetzungen in der
     zweiten Jahreshälfte 2014 eskaliert. Nach starker Beschädigung des Hauses seien ihre Eltern spontan in eine kleine in
     Damaskus angemietete Wohnung gezogen. Auf ihre Bitte sei Herr H...schon einige Tage zuvor in das elterliche
     Wohnhause zurückgekehrt, um sich in Sicherheit zu bringen.
11
     Ihre Eltern hätten dann beschlossen, Syrien zu verlassen. Zusammen mit diesen sei sie mit einem Besuchsvisum für
     Saudi-Arabien im Dezember 2014 zu ihrem dort lebenden Bruder ausgereist. Ihre Eltern hätten darauf bestanden, dass
     sie sie als damals noch Minderjährige begleitete. Herr H...sei einverstanden gewesen, weil es in Syrien für sie keine
     geeignete Unterkunft gegeben habe. Herr H...sei nicht mitgereist, weil er kein Visum hätte erhalten können und auch
     seine Schulausbildung am Gymnasium habe beenden wollen. Man sei auch nur von einer vorübergehenden Trennung
     ausgegangen. Unmittelbar nach Erlangung der Hochschulreife sei Herr H...geflohen, um dem Wehrdienst zu entgehen.
12
     Herr H...habe bei der Registrierung auf dem deutsch/arabischen Formular auf das Feld "verheiratet" gezeigt, aber das
     sei offenbar ignoriert worden, auch sei kein Dolmetscher anwesend gewesen. Auch auf dem vom damaligen Vormund
     abgegebenen Asylantrag sei er als ledig bezeichnet worden. Dies sei ihm auf Nachfrage damit erklärt worden, dass
     dann der Asylantrag schneller bearbeitet werde. Seitdem habe er wiederholt darauf hingewiesen, dass er verheiratet
     sei.
13
     Mit Remonstrationsbescheid vom 5. Juni 2018 lehnte die deutsche Botschaft in Riad den Antrag unter Aufhebung des
     Bescheides vom 16. Mai 2018 erneut ab. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, es sei in Zeiten des Smartphones
     nicht plausibel, dass von der Eheschließung keinerlei Fotos existierten. Angesichts der Stempel in ihrem Reisepass
     habe sich die Klägerin überdies vom 19. Dezember 2013 bis zum 3. Dezember 2014 im Libanon aufgehalten. Die
     Einzelheiten zur Asylantragstellung seien nicht belegt. Nach eigenen Angaben habe sie vor der Eheschließung mit
     Herrn H...zusammengelebt. Dies sei durch den Aufenthalt im Libanon widerlegt. Auch gebe es keine Belege für das
     Zusammenleben.

     Mit der am 4. Juli 2018 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt im Wesentlichen vor, häufig
14
     Mit der am 4. Juli 2018 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt im Wesentlichen vor, häufig
     sei der Familienstand "ledig" beim BAMF eingetragen worden, weil die dortigen Dolmetscher erklärt hätten, dass
     religiöse Ehen unbeachtlich seien. Sie sei im Dezember 2013 nur kurzfristig in den Libanon zum Einkaufen gefahren.
     An den Grenzen sei zwar kontrolliert worden, aber nicht in jedem Fall seien auch Ausreisestempel im Pass angebracht
     worden. Bei der Hochzeit habe alleine eine eigens beauftragte Frau Fotos gemacht, die sie ihr ausgehändigt habe.
     Diese Fotos seien beim Verlassen des elterlichen Hauses verloren gegangen. Aus den Stempeln im Pass lasse sich
     nicht schließen, dass sie ab Dezember 2013 im Libanon gewesen sei. Denn es sei nicht anzunehmen, dass ihre Eltern
     sie als damals 15-Jährige alleine für ein Jahr im Libanon zurückgelassen hätten. Bei Grenzübertritten in den Libanon sei
     es im Jahre 2013 nicht üblich obligatorisch gewesen, diesen im Pass zu dokumentieren. Auch wenn es hier zu einem
     Verstoß des Grenzbeamten gegen bestehende Vorschriften gekommen sein sollte, sei ihr das nicht anzulasten. Selbst
     wenn Zweifel an dem ehelichen Zusammenleben vor der Ausreise nicht völlig ausgeräumt werden könnten, gelte dies
     nicht für die angestrebte familiäre Lebensgemeinschaft in Deutschland. Zu diesem Zwecke habe ihr Ehemann z.B.
     bereits eine Wohnung angemietet und unterstütze sie finanziell. Auch kommunizierten sie praktisch täglich. Die Urkunde
     über die Registrierung der Eheschließung bescheinige nicht nur die Aussagen von Zeugen, sondern auch die Vorlage
     der erforderlichen Dokumente. Hierzu gehöre auch eine beglaubigte Bescheinigung über die Gültigkeit der
     außergerichtlichen Eheschließung von dem Ortsvorsteher.
15
     In dem Formular für den Asylantrag werde der Familienstand gar nicht abgefragt. Herr H...habe seinem damaligen
     Amtsvormund vorgeschlagen, den Familienstand "verheiratet" in den Asylantrag aufzunehmen, doch dieser habe das
     für unnötig gehalten. Das Formular für die Erfassung sei - anders als in der Remonstration dargestellt - nur in deutscher
     Form vorhanden. Ein Dolmetscher sei nicht anwesend gewesen. Herr H...habe wiederholt bereits vor Dezember 2017
     darauf hingewiesen, dass er verheiratet sei, aber dem sei keine Beachtung geschenkt worden. Dies sei wohl darauf
     zurückzuführen, dass Herr H...der Ausländerbehörde Anfang 2016 einen Auszug aus dem Zivilregister vorgelegt habe,
     den dieser sich von seinem Vater habe schicken lassen. Darin sei er als ledig angegeben gewesen. Bei seiner
     Anhörung beim BAMF habe er auf seinen Familienstand hingewiesen, aber der Dolmetscher habe dies falsch dahin
     übersetzt, er beabsichtige, zur Eheschließung nach Syrien zurückzukehren. Herr H...habe dies korrigiert, aber die
     Entscheiderin habe den Einwand als für die Entscheidung unbeachtlich abgetan. Auch zu anderen Gelegenheiten habe
     er wiederholt auf seinen Familienstand hingewiesen.
16
     Sie sei im Dezember 2013 mit ihren Eltern zu einem dreitägigen Kurzurlaub in den Libanon gefahren. Man habe in
     einem Hotel übernachtet. Nachweise gebe es hierfür nicht mehr. Für die Einreise für einen Kurzaufenthalt im Libanon
     hätten syrische Staatsangehörige keinen Reisepass, sondern lediglich einen Personalausweis benötigt, den sie bereits
     besessen habe. Daher sei auch ein fehlender Stempel im Reisepass kein belastbares Indiz dafür, dass eine Rückreise
     aus dem Libanon nach Syrien nicht stattgefunden habe. Dies gelte auch für die Einreise in den Libanon im Dezember
     2014.
17
     Was ihre Ausreise mit ihren Eltern nach Saudi-Arabien angehe, so verlören auch in Syrien traditionelle
     Verhaltensmuster an Bedeutung. Die Familie des Herrn H...lebe in einer Wohnung in Damaskus, die gerade Platz für die
     sechsköpfige Familie biete. Anstatt eines Einzuges in das ehemalige Kinderzimmer ihres Ehemannes, das sich dieser
     noch mit seinem kleineren Bruder habe teilen müssen, sei es viel logischer gewesen, in eine Wohnung im Hause ihrer
     Eltern zu ziehen. Dort hätten sie einen abgetrennten Teil in der elterlichen Wohnung zur Verfügung gestellt bekommen.
     Sie, die Klägerin, habe entgegen der Darstellung der Beklagten nur fünf Monate mit ihrem Ehemann zusammengelebt.
     Ein Kopftuch trage sie aus persönlicher Überzeugung und nicht auf Geheiß ihrer Eltern.
18
     Sie seien bereits seit 2012 befreundet gewesen. Es sei völlig normal, dass sich in zwei Jahren daraus eine feste
     Beziehung entwickele. Die Entscheidung, so frühzeitig die Ehe einzugehen, sei auch der Erwägung geschuldet
     gewesen, das angesichts der seit Anfang 2014 in Syrien eskalierenden Situation eine Flucht ins Ausland in Betracht
     gekommen sei. Durch eine Heirat würde dann ein Ehegattennachzug zu dem in einem Asyl gewährenden Staat
     lebenden Ehepartner ermöglicht.
19
     Zwar sei es richtig, dass es formal keine Beschränkung für eine Genehmigung zur Eheschließung gebe, wenn der
     Ehegatte demnächst wehrpflichtig wird, diese Genehmigung jedoch nicht zu erlangen sei, wen man sich der Wehrpflicht
     entzogen habe. Doch seien diese Genehmigungen seinerzeit in Syrien tatsächlich meist verweigert worden. Ohne eine
     solche Genehmigung hätte kein Richter eine Eheschließung registriert.
20
     Von der Hochzeitsfeier existierten keine Fotos oder Filme mehr. Sie habe im Hause ihrer Eltern in der Stadt Al Malihah
     stattgefunden, die von April bis August 2014 ein Zentrum der Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen
     gewesen sei.

     Die Klägerin beantragt,
21
     Die Klägerin beantragt,
22
     die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Riad vom 5. Juni 2018
     zu verpflichten, ihr ein Visum zum Zwecke des Ehegattennachzuges zu erteilen.
23
     Die Beklagte beantragt,
24
     die Klage abzuweisen.
25
     Für sie sei weiter zweifelhaft, ob die Ehe wirksam geschlossen sei. Zwar sei der Familienregisterauszug in legalisierter
     Form vorgelegt worden, an dessen Echtheit bestünden keine Zweifel. Daraus lasse sich schließen, dass die
     Eheschließung registriert wurde, auch wenn keine Heiratsurkunde vorgelegt worden sei, die im Anschluss an eine
     Registrierung einer Eheschließung auf Anforderung ausgestellt wird. Auch die Beklagte gehe davon aus, dass in Syrien
     eine Ehe mit Abschluss des Ehevertrages wirksam geschlossen werde. Auch in Syrien werde jedoch das Problem des
     Nachweises des Abschlusses eines solchen Vertrages gesehen, weshalb die Möglichkeit einer nachträglichen
     gerichtlichen Bestätigung geschaffen worden sei, die wiederum Voraussetzung für eine Registrierung der Ehe und das
     Geltendmachen rechtlicher Folgen (z.B. Abstammung der Kinder) aus der Ehe sei. Dieser Weg sei hier gewählt worden.
     Zweifel an den zur Eheschließung selbst gemachten Angaben ergäben sich indes aus dem Umstand, dass er sowohl
     bei der Einreise als auch bei der Asylantragstellung seinen Familienstand mit ledig angegeben habe. Erst am 27.
     Dezember 2017 sei die Eheschließung vorgetragen worden. Dies lasse darauf schließen, dass die Ehe durch Vertreter
     rückwirkend geschlossen worden sei. Dies folge auch daraus, dass sich die Klägerin ausweislich ihres Passes zum
     Zeitpunkt der Eheschließung gar nicht in Syrien aufgehalten habe. Dass sie nach eigenen Angaben mit ihren Eltern im
     Jahre 2014 zu ihrem Bruder nach Saudi-Arabien ausgereist sei, entspreche nicht der Tradition in Syrien, wonach die
     Ehefrau mit der Eheschließung in die Familie des Ehemannes "übergehe" und mit dem Mann bei dieser lebe. Diese
     Tradition zeige sich in der im Familienregister dokumentierten "Ummeldung" aus ihrem früheren Register in das ihres
     Ehemannes. Es sei widersprüchlich, dass die Klägerin nach eigenem Vorbringen nach neun Monaten des
     Zusammenlebens mit ihrem Ehemann wieder in ihre eigene Familie zurückgegangen und mit dieser ausgereist ist.
26
     Es sei nicht glaubhaft, dass sie beschlossen habe, mit dem damals ebenfalls 16-jährigen Freund zusammenzuziehen,
     aber die Eltern auf einer vorherigen Eheschließung bestanden hätten. Selbst unter nicht-traditionell erzogenen
     Jugendlichen sei es in Syrien nicht üblicher als in Deutschland, mit 16 Jahren bereits zusammenziehen zu wollen. Dass
     die Klägerin als 15-jährige auf ihrem Passfoto mit Kopftuch abgebildet sei, spreche sogar für eine traditionelle
     Ausrichtung. Unrichtig sei es, dass junge Männer, die demnächst der Wehrpflicht unterliegen, keine
     Eheschließungsgenehmigung bekämen. Richtig sei vielmehr, dass diese Genehmigung nicht zu erlangen sei, wen man
     sich der Wehrpflicht entzogen habe. Unter diesen Umständen sei eine Anerkennung des ausländischen
     Gerichtsbeschlusses wegen Verstoßes gegen den ordre public ausgeschlossen.
27
     Es entspreche nicht der Erfahrung der Beklagten, dass syrische Staatsangehörige ohne Anbringung eines Stempels im
     Reisepass in den Libanon ein- oder wieder ausreisen können. Zudem sei unter dem libanesischen Einreisestempel das
     Datum 18. Juni 2014 gestempelt, als genau sechs Monate, nach der Einreise. Dieses Datum gebe an, wie lange sie
     sich legal im Land aufhalten durfte. Aus einem weiteren Stempel vom Juli 2014 (Bl. 41 des Verwaltungsvorgangs)
     ergebe sich, dass diese Frist bis Dezember 2014 verlängert worden sei. Wäre die Klägerin zwischendurch ausgereist,
     hätte sich die Dauer ihres legalen Aufenthalts durch die erneute Einreise verlängert. Der Vortrag zu Kurzurlauben zu
     Einkaufszwecken im Libanon sei nicht glaubhaft. Es sei zwar damals für Syrer möglich gewesen, mit einem
     Personalausweis ein- und auszureisen, aber diese Grenzübertritte seien registriert und es seien dann Zettel mit
     Stempeln ausgegeben worden. Zudem sei das Visum für Saudi-Arabien am 12. November 2014 durch die saudische
     Botschaft im Libanon ausgestellt worden. Der Vortrag, die Ehefrau sei bei ihren Eltern verblieben, während der
     Ehemann zu seinen Eltern zurückgekehrt sei, entspreche weiterhin nicht den Gepflogenheiten in Syrien.
28
     Hierauf hat die Klägerin erwidert, dass die Forderung einer Vorlage gestempelter Zettel realitätsfern sei. Im Übrigen sei
     die Erteilung des saudischen Visums auf Veranlassung der Eltern von ihrem Bruder durchgeführt worden, um zu
     vermeiden, dass einer seinerzeit schon in Erwägung gezogenen Ausreise nach Saudi-Arabien über den Libanon
     Hindernisse entgegenstehen.
29
     Die Klägerin hat eine Erklärung der damaligen Amtsvormundin des Herrn H...vorgelegt, wonach dieser schon in der Zeit
     der Asylantragstellung eine religiöse Eheschließung erwähnt, sie selbst diese aber für unbeachtlich gehalten habe. Sie
     hat mehrere weitere schriftliche Erklärungen von Personen vorgelegt, die angeben, dass Herr H...bereits im Jahre 2015
     von dem Umstand berichtet habe, dass er verheiratet sei.

     Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten
30
     Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten
     wird auf die Streitakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie die Verwaltungsvorgänge des
     Beigeladenen (2 Hefter) Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen
     sind.
Gründe
31
     Die gemäß § 42 Abs. 1, 2. Variante VwGO statthafte Verpflichtungsklage, über die im Einverständnis der Beteiligten der
     Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 87a Abs. 2, Abs. 3, 101 Abs. 2 VwGO) ist unbegründet.
     Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie hat keinen
     Anspruch auf Erteilung des begehrten Visums, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
32
     Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 6 Absatz 3 Satz 1 und 2 AufenthG in Verbindung mit den
     §§ 27, 29 und 30 AufenthG. Nach § 27 Abs. 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der
     familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige zum Schutz von Ehe und Familie
     gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes (GG) erteilt und verlängert.
33
     I. An einer Ehe im Sinne von Art. 6 GG fehlt es hier. Mit "Ehe" ist in Übereinstimmung mit dem allgemeinen
     Sprachgebrauch die mit Eheschließungswillen eingegangene, staatlich anerkannte Lebensgemeinschaft gemeint
     (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1992 - BVerwG 9 C 61.91 -, juris Rn. 7; VG Berlin, Urteil vom 27. November 2019 -
     VG 19 K 53.19 A -, juris Rn. 18). Dabei bestimmt sich deren Gültigkeit nicht nach dem deutschen Familienrecht. Nach
     den Regelungen des Völkerrechts und des internationalen Privatrechts ist vielmehr das Recht des Herkunftsstaates
     entscheidend. Gemäß Art. 13 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche - EGBGB -, unterliegen
     die Voraussetzungen der Eheschließung für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehört. Sowohl die
     Klägerin als auch Herr H...sind syrische Staatsangehörige. Maßgeblich ist deshalb die Wirksamkeit der Eheschließung
     nach syrischem Recht (vgl. u.a. BVerfG, Urteil vom 30. November 1982 - 1 BvR 818/81 -, NJW 1983, 511, beck-online;
     BVerwG, Urteil vom 30. April 1985 - BVerwG 1 C 33.81 -, juris Rn. 17 m.w.N.; ebenso VGH Kassel, Urteil vom 6.
     November 2018 - 3 A 247/17 .A -, juris Rn. 9 - 13 m.w.N., Coester, in: Münchner Kommentar BGB, 8. Aufl. 2020,
     EGBGB Art. 13 Rn. 11).
34
     Nach Art. 1, 5 und 11 Abs. 1 des syrischen Personalstatusgesetzes - PSG - (Gesetz Nr. 59 vom 17. September 1953,
     geändert durch Gesetz Nr. 34 vom 31. Dezember 1975 und Gesetz Nr. 18 vom 25. Oktober 2003; vgl. hierzu
     Kommentar zum staatlichen Familienrecht: Die Ehe, Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut, abrufbar unter
     https://www.familienrecht-in-nahost.de/8555/Syrien-Kommentar-Ehe - PSG) ist die Ehe ein zivilrechtlicher Vertrag, der
     durch Angebot und Annahme zustande kommt, die in allen Punkten übereinstimmen müssen. Gemäß Art. 6 PSG
     erfolgen Eheangebot und Annahme entweder wörtlich oder durch Verwendung von Formulierungen, die üblicherweise in
     diesem Sinne verstanden werden. Mit dem Vorliegen von Angebot und Annahme kommt die Ehe zustande. Zu den
     formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen gehört nach Art. 16 PSG die Ehemündigkeit, die bei Männern mit Vollendung
     des 18. Lebensjahrs, bei Frauen mit Vollendung des 17. Lebensjahres gegeben ist und bei jüngeren Personen eine
     Genehmigung des Familiengerichts erfordert. Letztere Voraussetzung ist nicht erfüllt, da die Klägerin und Herr H...im
     Zeitpunkt der behaupteten Eheschließung erst das 16. Lebensjahr vollendet hatten und für eine gerichtliche
     Genehmigung nichts vorgetragen oder ersichtlich ist. Nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 PSG ist eine Ehe jedoch lediglich
     fehlerhaft, wenn formelle Wirksamkeitsvoraussetzungen fehlen. Ferner sind die Beteiligten gemäß der Art. 40, 41 und
     45 PSG grundsätzlich verpflichtet, die beabsichtigte Eheschließung vorab bei Gericht anzuzeigen und genehmigen zu
     lassen sowie die Eheschließung in der Folge registrieren zu lassen. Eine fehlende Mitwirkung des Staates hindert die
     Wirksamkeit der Ehe jedoch nicht, vielmehr stellen die Eheschließung, die familiengerichtliche Genehmigung und ihre
     Anzeige bzw. Registrierung getrennte Vorgänge dar, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten geschehen können und
     letztere lediglich deklaratorischen Charakter haben (s. Kommentar zum staatlichen Familienrecht, a.a.O. unter 5.,
     Registrierung und gerichtliche Erfassung der Ehe). Auch die strafrechtlich bewehrte Pflicht zur Registrierung der Ehe ist
     keine Voraussetzung für die Wirksamkeit einer syrischen Ehe. Denn nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 PSG und Art. 49 PSG
     ist jede Ehe, bei der Angebot und Annahme vorliegen, aber eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Ehe nicht erfüllt ist,
     lediglich fehlerhaft und begründet dennoch alle Ehewirkungen.

     1. Kommt es danach maßgeblich darauf an, dass die Eheleute ihren Willen zur Eheschließung mit Angebot und
35
     1. Kommt es danach maßgeblich darauf an, dass die Eheleute ihren Willen zur Eheschließung mit Angebot und
     Annahme bekundet haben, so ist das Gericht gemäß der §§ 86 Abs. 1, 108 VwGO gehalten, seine Überzeugung von
     der Eheschließung der Klägerin im Wege der freien Sachverhalts- und Beweiswürdigung zu bilden (vgl. Urteil der
     Kammer vom 6. Juli 2020 - VG 4 K 769.16 A -, juris Rn. 19). Nach diesem Maßstab konnte das Gericht nicht die
     Überzeugung gewinnen, dass die Klägerin und Herr H...wie behauptet am 3. April 2014 die Ehe geschlossen haben.
     Zwar spricht einiges dafür, dass Herr H... bereits bald nach seiner Einreise davon berichtet hat, er sei verheiratet, und
     nicht erst, als er bereits als Asylberechtigter anerkannt war. Dies hilft aber nicht darüber hinweg, dass sich erhebliche
     Zweifel an einer (formlosen) Eheschließung zum behaupteten Zeitpunkt bereits aus dem Umstand ergeben, dass es
     nicht plausibel erscheint, dass die Klägerin kein Foto, Video oder eine sonstige Dokumentation dafür vorlegen kann,
     dass eine Eheschließung tatsächlich vorgenommen wurde. Mit der Beklagten hält auch das Gericht den Vortrag nicht
     für überzeugend, dass es allein Fotos einer eigens engagierten Fotografin gegeben haben soll, die sodann sämtlich bei
     der Beschädigung des Elternhauses der Klägerin verloren gegangen sein sollen. Dass von niemandem bei der
     Eheschließung eine eigene Aufnahme gemacht worden sein soll, erscheint im Zeitalter von Mobiltelefonen mit Kamera
     unplausibel. Es will auch nicht einleuchten, warum nicht Herr H..., der angeblich vor der Klägerin das Haus verlassen
     haben will, keine eigenen Fotos mitgenommen hat und sich auch keine Abzüge im Besitz anderer Familienmitglieder
     befinden, wenn doch schon eigens eine Fotografin engagiert worden sein soll. Noch weniger ist es erklärlich, dass
     offenbar auch von der angeblich beauftragten Fotografin keine weiteren Abzüge zu erhalten waren.
36
     Auch die Motivation für die Eheschließung wirft Zweifel auf. Denn zunächst hieß es, die Eheschließung sei lediglich auf
     Drängen der Eltern als Voraussetzung dafür erfolgt, dass die Klägerin und Herr H...zusammenziehen wollten. Später
     hat die Klägerin vorgetragen, sie hätten sich zur Ehe entschlossen, um einen Ehegattennachzug im Falle der
     Asylanerkennung eines der Eheleute zu erleichtern. Während die letztere Erklärung kaum den Eindruck einer
     altersentsprechenden Erwägung erweckt, leidet die Überzeugungskraft der ersten daran, dass der Entschluss von zwei
     16-jährigen Jugendlichen, zusammenzuziehen, bereits unter den mutmaßlich großzügigeren Moralvorstellungen
     Westeuropas eher ungewöhnlich sein dürfte. Für einen solchen Entschluss hätte die Darlegung umfänglicherer
     Erwägungen und die Vorlage weiterer Nachweise erwartet werden dürfen als der bloße Vortrag, dass die Klägerin und
     Herr H... bereits seit dem 14. Lebensjahr befreundet gewesen sein wollen. Wenn außerdem der Wunsch nach einem
     eigenen Hausstand so groß gewesen sein soll, ist es nicht eingängig, weshalb die Klägerin und Herr H... sodann
     lediglich einen abgetrennten Teil der elterlichen Wohnung der Klägerin bewohnt haben wollen. Überdies bleibt der
     Widerspruch zwischen beiden Motivationen für die Eheschließung unaufgelöst.
37
     Ohne, dass es darauf ankommt, ergeben sich weitere Zweifel aus dem Umstand, dass sich die Angaben der Klägerin
     insofern nicht mit den Eintragungen in dem Urteil des Scharia-Gerichts vom 26. Februar 2017 decken, als nach ihren
     Angaben die Eheschließung in ihrem elterlichen Wohnhaus in in der an der Grenze zu Damaskus gelegenen Stadt Al
     Malihah stattgefunden haben soll, das Urteil des Scharia-Gerichts aber referiert, dass die Eheschließung in Damaskus
     erfolgt sein soll.
38
     Jedenfalls aber vermochte sich das Gericht nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der
     behaupteten Eheschließung, die nach eigenen Angaben unter Anwesenden erfolgt sein soll, überhaupt noch in Syrien
     war. Denn ihr Pass enthält einen Stempel anlässlich eines Grenzübertritts in den Libanon vom 19. Dezember 2013 und
     einen Ausreisestempel vom 3. Dezember 2014 anlässlich ihrer Ausreise in das Königreich Saudi-Arabien. Ihr Einwand,
     sie sei im Dezember 2013 nur für einen dreitätigen Kurzaufenthalt im Libanon gewesen, überzeugt das Gericht nicht.
     Denn dies erklärt nicht, weshalb die Rückreise im Dezember 2013 nicht im Pass dokumentiert ist. Ihr Vorbringen, dass
     auch die Vorlage eines Personalausweises für einen Grenzübertritt genügt habe, erklärt nicht hinreichend, weshalb die
     Einreise in den Libanon im Pass durch Stempel dokumentiert sein soll, die Rückreise nach Syrien aber ebenso wenig
     wie die dann erneute Einreise zum Dezember 2014. Überdies ist die Klägerin dem Vortrag der Beklagten nicht
     entgegengetreten, dass zusätzlich zu ihrem Einreisestempel vom Dezember 2013, dem gemäß zusätzlichem
     Stempelaufdruck eine Angabe über den legale Aufenthalt von sechs Monaten beigefügt wurde, eine Verlängerung
     dieser Aufenthaltsdauer durch weiteren Stempel im Pass angebracht ist, durch den diese bis Dezember 2014 verlängert
     wurde, als sie schließlich aus dem Libanon ausgereist ist. Ein solcher Stempel wäre bei der behaupteten Rückreise im
     Dezember 2013 nach Syrien nicht erklärlich. Es muss bei dieser Sachlage nicht vertieft werden, dass der Vortrag der
     Klägerin, ihr Bruder sei im November 2014 zum Erhalt ihres Besuchsvisums für Saudi-Arabien zur saudischen Botschaft
     in den Libanon gereist, verfahrensangepasst erscheint.

     2. Eine Eheschließung zwischen der Klägerin von Herrn H... wird auch nicht durch die Entscheidung des Scharia-
39
     2. Eine Eheschließung zwischen der Klägerin von Herrn H... wird auch nicht durch die Entscheidung des Scharia-
     Gerichts vom 26. Februar 2017 bewiesen, welche die Feststellung trifft, dass die Klägerin und Herr H...am 3. April 2014
     die Ehe eingegangen sind. Die Anerkennung eines ausländischen Urteils im verwaltungsgerichtlichen Verfahren richtet
     sich grundsätzlich nach § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 328 ZPO. Doch werden diese Vorschriften, da das hier inmitten
     stehende Urteil vom 26. Februar 2017 eine Eheschließung betrifft, in diesem Fall durch die Sonderregelungen der
     §§ 107 ff. FamFG verdrängt (vgl. OVG Berlin-Bandenburg, Urteil vom 12. Juli 2017 - OVG11 B 5.16 -, juris Rn. 17).
     Nach § 108 Abs. 1 FamFG werden in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit abgesehen von
     Entscheidungen in Ehesachen ausländische Entscheidungen anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen
     Verfahrens bedarf.
40
     Bei der vorgenannten, auf der Grundlage von Art. 45 Abs. 3 Satz 1 PSG ergangenen Legalisierungsentscheidung
     handelt es sich zwar um eine ausländische Entscheidung i.S.d. § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG, durch die das Bestehen
     einer Ehe zwischen den Beteiligten festgestellt worden ist (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 31. Mai 2016 - 1 VA 7/15 -,
     juris Rn. 1). Da aber beide Ehegatten die syrische Staatsangehörigkeit besitzen, hängt die Anerkennung nicht von einer
     formellen Entscheidung der Justizverwaltung oder des Oberlandesgerichts (§ 107 Abs. 1 Satz 2 FamFG), sondern allein
     von der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren inzident zu prüfenden Frage ab, ob Anerkennungshindernisse nach
     § 109 FamFG bestehen (VG Berlin, Urteil vom 22. Juni 2020 - VG31 K 394.19 V -, juris Rn. 31). So liegt der Fall hier.
41
     Nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ist eine Anerkennung ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit
     wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist (sog. ordre-public-Verstoß). Das Recht
     der   Entscheidungsanerkennung        verfolgt   als   vornehmliches     Ziel   die   Wahrung     des    internationalen
     Entscheidungseinklangs und die Vermeidung sog. hinkender Rechtsverhältnisse, weshalb die Versagung der
     Anerkennung wegen Verstoßes gegen den ordre public auf Ausnahmefälle beschränkt ist (vgl. zur Ehefeststellung: KG
     Berlin, Beschluss vom 31. Mai 2016, a.a.O., Rn. 2 m.w.N.; zur Sorgerechtsübertragung: BVerwG, Urteil vom 29.
     November 2012 - BVerwG 10 C 14.12 -, juris Rn. 19, m.w.N.).
42
     Ein ordre public-Verstoß liegt im Allgemeinen vor, wenn die Entscheidung mit den der deutschen Rechtsordnung
     zugrundeliegenden Gerechtigkeitsvorstellungen in einer Weise in Widerspruch steht, dass sie für untragbar gehalten
     wird (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014 - XII ZB 463/13 -, juris Rn. 28; Sieghörtner, in: BeckOK, FamFG,
     Hahne/Schlögel/Schlünder, 37. Edition, Stand 1. Januar 2021, § 109 Fam FG Rn. 32). Ein Verstoß gegen den
     materiellrechtlichen ordre public zeichnet sich dadurch aus, dass die ausländische Entscheidung anhand des
     ausländischen Rechtsinstituts Rechtsfolgen auslöst, die dem Sinn und Zweck des entsprechenden Instituts im Inland in
     besonders schwerwiegender Weise widersprechen (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. März 2011 - OVG 3 B
     8.08 -, juris Rn. 30; Gomille, in: Haußleitner, FamFG, 2. Aufl. 2017, Rn. 21). Insbesondere kommt unter dem
     Gesichtspunkt des materiellrechtlichen ordre public auch keine Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Betracht,
     die durch Täuschung des ausländischen Gerichts erschlichen wurden (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992 - IX ZR
     231/91 - juris Rn. 32). So liegt der Fall hier. Denn wenn zur Überzeugung des Gerichts die behauptete Eheschließung
     zwischen der Klägerin und Herrn H...am 3. April 2014 nicht stattgefunden hat, stellt der durch Vertreter beim Scharia-
     Gericht in Damaskus angebrachte Vortrag, der Grundlage für dessen Entscheidung vom 26. Februar 2017 war, eine
     Täuschung dar.
43
     3. Schließlich wird die Eingehung der Ehe auch nicht durch den Umstand bewiesen, dass die Klägerin Auszüge aus
     dem Zivil- und Familienregister des syrischen Innenministeriums vom 3. Januar 2018 vorgelegt hat, die sie und Herrn
     H...als verheiratet ausweisen. Es handelt sich jeweils um ausländische öffentliche Urkunden, die einen anderen als den
     in §§ 415, 417 ZPO bezeichneten Inhalt haben, weil sie weder eine Erklärung vor noch eine Anordnung durch die
     ausstellende Behörde wiedergeben. Solche begründen - wie entsprechende deutsche öffentliche Urkunden gemäß
     § 418 Abs. 1 und 3 ZPO - nur dann den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen, wenn diese von der Behörde
     oder der Urkundsperson selbst wahrgenommen wurden (vgl Schreiber, in Münchner Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020,
     § 418 Rn. 5). Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall, weil die beurkundeten Registereinträgen nicht auf die
     Wahrnehmung der Registerbehörden, sondern auf die Entscheidung des Scharia-Gerichts vom 26. Februar 2017
     zurückgehen. Zwar ist eine Identität zwischen wahrnehmendem und bescheinigendem Amtsträger nicht erforderlich
     (Schreiber, a.a.O.). Doch auch das Scharia-Gericht hat die Eheschließung nicht als Gegenstand eigener Wahrnehmung
     festgestellt. Da im Übrigen die Registereinträge auf die Entscheidung des Scharia-Gerichts vom 26. Februar 2017
     zurückgehen, kann deren Beweiskraft nicht größer sein als die der Entscheidung selbst.
44
     II. Bei dieser Sachlage kommt es auf die Frage der Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG
     ebenso wenig an wie auf die Frage hinreichender Deutschkenntnisse im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG.

     III. Eine Visumerteilung zum Zwecke der Eheschließung in Deutschland war nicht zu prüfen, da ein Familiennachzug auf
45
     III. Eine Visumerteilung zum Zwecke der Eheschließung in Deutschland war nicht zu prüfen, da ein Familiennachzug auf
     diesem Wege, wie die Klägerin klargestellt hat, nicht begehrt wird.
46
     IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO, die Entscheidung über die
     Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
47
     BeschlussDer Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf5.000,00
     Eurofestgesetzt.
Sie können auch lesen