Für Mitarbeitende und Interessierte Ausgabe 2/2021

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Für Mitarbeitende und Interessierte Ausgabe 2/2021
Für Mitarbeitende und Interessierte

Ausgabe 2/2021
Für Mitarbeitende und Interessierte Ausgabe 2/2021
Die Zusammenarbeit mit dem KSZ wird
zur Selbstverständlichkeit
EIN JAHR INTEGRATION KINDERSCHUTZZENTRUM (KSZ) INS OKS

Lea Stalder, Leiterin Kinderschutzzentrum und         dass der Sohn zuhause oft sehr laut werde. Die
André Baeriswyl, Leiter Beratungsstelle               Eltern deuten an, dass es zu Handgreiflichkeiten
                                                      kommt.
SEIT DEM 1. APRIL 2020 GEHÖRT DAS
KSZ ALS ABTEILUNGSGRUPPE IN DEN
                                                      Nach Rücksprache im Rapport spricht die
BEREICH ADOLESZENTENMEDIZIN
                                                      Bezugspflegefachperson den Jugendlichen in ei-
UND PÄDIATRISCHE PSYCHOSOMATIK.
                                                      nem ruhigen Moment an, wie es ihm denn gehe.
ANHAND VON FOLGENDER FALL-
                                                      Nach langem Schweigen berichtet er zögernd,
GESCHICHTE MÖCHTEN WIR ZEIGEN,
                                                      dass er es zuhause kaum aushalte, weil die Eltern
WIE DIE ZUSAMMENARBEIT MIT DEM
                                                      oft streiten. Sein letztes Mittel sei dann, laut zu
KSZ IM ALLTAG AUSSEHEN KANN.
                                                      werden, damit die Eltern abgelenkt seien. Sein
                                                      Vater könne es nicht leiden, wenn er schreie und
Ein zwölfjähriger Junge ist aufgrund seines
                                                      schlage zu.
starken Übergewichts im OKS schon lange in
Behandlung. Trotzdem steigt sein Gewicht
                                                      Die behandelnde Ärztin wendet sich aufgrund
regelmässig an. Der Junge hat eine jüngere,
                                                      dieser Aussage an das KSZ mit der Frage, ob wir
10-jährige Schwester. Bei ihr gibt es keine Auffäl-
                                                      in dieser Situation unterstützen könnten.
ligkeiten. Der Bezugspflegefachperson fällt auf,
                                                      Da vermutet wird, dass der Junge regelmässig
dass der Umgangston der Eltern untereinander
                                                      und heftig geschlagen wird, hat er Anspruch auf
aggressiv und verletzend ist. Sie thematisiert
                                                      Beratung und Unterstützung durch das KSZ. Das
diese Situation beim Rapport. In den Gesprä-
                                                      gilt auch für die Eltern als seine Angehörigen.
chen der behandelnden Ärztin mit den Eltern
                                                      Weil vermutet wird, dass auch die Mutter von
ist weniger das Gewicht Hauptthema, sondern
                                                      ihrem Ehemann geschlagen wird, verbleibt die
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Mitarbeiterin des KSZ mit der behandelnden
Ärztin so, dass die Ärztin die Mutter auf die
Situation zuhause anspricht. Insbesondere, dass
der Junge angedeutet habe, dass er vom Vater
geschlagen werde. Im Gespräch mit der Mutter
erfährt die Ärztin, dass sowohl der Jugendliche
wie auch die Mutter vom Vater geschlagen wer-
den. Die Ärztin weist auf das Angebot des KSZ
hin. Neben der vorurteilsfreien Haltung gegen-
über den Eltern ist entscheidend, dass die Ärztin
erwähnt, dass sich die Mutter im KSZ anonym
beraten lassen kann. Die Mutter lässt sich auf
eine erste Beratung ein, unter der Bedingung,
dass ihr Mann nichts davon erfährt.

Die Ärztin füllt mit der Mutter das Formular
«Übermittlung an Opferhilfe Stelle» zu Handen
des KSZ aus. Mit der Unterschrift bestätigt die
                                                     Beratungsangebot des KSZ
Mutter, dass das KSZ mit ihr Kontakt aufnehmen
                                                     Das Beratungsangebot richtet sich an
darf. Im telefonischen Erstkontakt wird geprüft,
                                                     Kinder und Jugendliche aus den Kantonen
ob der Sohn zum ersten Gespräch mitkommen
                                                     SG–AR–AI, welche von seelischer, körperli-
möchte. Weil das KSZ unter strenger Schwei-
                                                     cher, sexueller und/oder häuslicher Gewalt
gepflicht steht und auch OKS intern keine Infos
                                                     sowie Vernachlässigung betroffen oder be-
weitergeben darf, wird die Mutter beim ersten
                                                     droht sind und an alle Personen, insbeson-
Beratungstermin gebeten, eine Entbindung
                                                     dere Angehörige, Fach- und Drittpersonen,
der Schweigepflicht zwischen KSZ und OKS zu
                                                     die mit solchen Situationen herausgefordert
unterschreiben.
                                                     sind, einen Verdacht oder Fragen zum
Das KSZ macht die Erfahrung, dass die meisten
                                                     Thema Gewalt an Kindern und Jugendlichen
Eltern mit einer Entbindung von der Schweige-
                                                     haben.
pflicht einverstanden sind. So ermöglichen sie
                                                     Von Gewalt betroffene Kinder und Jugend-
es den Fachleuten darüber auszutauschen, wer
                                                     liche und deren Umfeld erhalten im KSZ
welchen Beitrag leisten kann, dass der Jugend-
                                                     kostenlose und vertrauliche Beratung. Dabei
liche geschützt wird. Im besten Fall werden die
                                                     wird grosser Wert auf die Unterstützung zur
Eltern so unterstützt, dass sich sie die Situation
                                                     eigenen Lösungsfindung gelegt.
zuhause nachhaltig verbessert, indem die Gewalt
unter den Eltern stoppt und der Jugendliche und
                                                     Kooperation und Zusammenarbeit mit dem
seine Schwester in einer sicheren und geborge-
                                                     Helfernetz ist im Kindesschutz zentral. Ne-
nen Umgebung aufwachsen. Je nachdem kann
                                                     ben dem interdisziplinären Zusammenspiel
auch das Aufgleisen einer einvernehmlichen
                                                     am OKS ist das KSZ mit vielen weiteren
Trennung eine Option sein, damit die Kinder
                                                     Fachstellen im Kontakt: Therapeuten,
nicht mehr unter der Gewalt zwischen den Eltern
                                                     Ärzteschaft, Anwälte, KESB, Polizei, Jugend-
leiden. Vielleicht normalisiert sich in der Folge
                                                     dienst, Kriseninterventionsgruppe, Notun-
sogar das Gewicht, indem der Jugendliche seine
                                                     terkunft NUK, Frauenhaus usw.
Hilflosigkeit, Wut und Verzweiflung nicht mehr
mit «Frustessen» zudecken muss.
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Morbiditäts- und Mortalitätskonferenz
FRAGEN RUND UMS THEMA M&M-KONFERENZEN

Dr. med. Christian Kahlert,                        Diskussion des unerwünschten Ereignisses wird
Mitglied des Redaktionsteams                       im Plenum geführt, wobei potenziell jede Be-
                                                   rufsgruppe, die von dem Ereignis betroffen war,
SEIT KURZEM WERDEN IM OKS SOGE-                    daran teilnehmen kann.
NANNTE M&M-KONFERENZEN DURCH-
GEFÜHRT. ES BENÖTIGT ZEIT, EINE                    WIE KAM ES ZUR IDEE EINER
OFFENE FEHLERKULTUR ZU FÜHREN,                     M&M-KONFERENZ AM OKS?
DOCH DER GRUNDSTEIN IST GELEGT.                    BR: An allen Kliniken, an denen ich bisher gear-
DIE WICHTIGSTEN ANTWORTEN FINDEN                   beitet habe, sowohl in Norwegen und Austra-
SIE IM INTERVIEW MIT CHRISTIAN                     lien als auch in der Schweiz – mit dem OKS als
HENKEL (CH) UND BJARTE ROGDO (BR).                 einzige Ausnahme – waren M&M-Konferenzen
                                                   ein fester Bestandteil des Qualitätsmanage-
WAS SIND M&M-KONFERENZEN?                          ments. Vor über 20 Jahren wurden sie zwar nicht
CH & BR: M&M bedeutet Morbiditäts- und             M&M-Konferenzen genannt, aber bereits damals
Mortalitätskonferenz, auch M&M oder MoMo           ging es um das Grundprinzip, dass man Fehler
genannt – nicht zu verwechseln mit den leckeren    (inklusive Systemfehler), thematisiert und analy-
Schokolinsen oder dem bekannten Kinder- und        siert, um diese in der Zukunft zu verhindern.
Jugendbuch.                                        Ich habe schon seit meinem Wiedereintritt ins
Im Rahmen von Qualitätsmanagement und              OKS im 2010 dafür plädiert, dass wir M&M-Kon-
Patientensicherheit schaut man retrospektiv        ferenzen einführen müssen, bin teils aber auf
unerwünschte Ereignisse genau an, um daraus zu     erheblichen Widerstand gestossen («wir können
lernen, dh. Abläufe und Fertigkeiten zu verbes-    schon über Fehler reden, aber sicher nicht mit
sern. Und die Konferenzen sind ausdrücklich        den Pflegefachpersonen…»). Wir haben seit eini-
interdisziplinär angelegt.                         gen Jahren auf der Intensivstation inoffizielle und
                                                   informelle M&Ms gemacht, sinnvoll sind diese
WAS IST DAS ZIEL VON                               aber nur, wenn sie auf den gesamten Betrieb
M&M-KONFERENZEN?                                   ausgeweitet werden (inklusive Administration
CH & BR: Aus Fehlern lernen und Wiederholun-       – auch hier kann es Systemfehler geben, die
gen in zukünftigen Behandlungen, Operationen       Patientinnen und Patienten gefährden).
usw. zu vermeiden. Ausserdem sind sie Trägerin
einer Kultur der Leitung, welche durch Respekt     WAS GENAU PASSIERT DORT?
und Wertschätzung gekennzeichnet ist.              CH & BR: Der Ablauf der Konferenz ist standardi-
                                                   siert und wird durch einen Moderator oder eine
WORIN UNTERSCHEIDEN SIE SICH VON                   Moderatorin geleitet. Wir richten uns nach dem
ANDEREN SITZUNGSGEFÄSSEN?                          M&M-Leitfaden der Stiftung für Patientensicher-
CH & BR: Im Vergleich zu klassischen prospek-      heit. Nach einer kurzen Vorstellung von Inhalt
tiven Fallbesprechungen muss der Behand-           und Stellenwert der Konferenzen durch eine
lungsverlauf nicht im Detail dargestellt werden.   Leitungsperson (Chefarzt oder Pflegeleitung),
Es wird auf den wahrscheinlichen Fehlern oder,     Hinweisen auf Vertraulichkeit und Vermittlung
anders ausgedrückt, auf das «sharp end» einer      von Werten und Arbeitskultur am OKS, beginnt
Handlungskette mit unerwünschtem Ausgang           eine kurz gehaltene Fallvorstellung. Anschlies-
fokussiert. Im Vergleich zur Fallbesprechung ist   send folgt durch den Vortragenden und einen
M&M so weit wie möglich anonym. Im Vergleich       zuvor bestimmten Mentor eine Voranalyse des
zum «critical incident reporting system» (CIRS)    unerwünschten Ereignisses. Der anschliessen-
sind die Konferenzen nachgelagert und die          de Hauptteil dient der Diskussion im Plenum.
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Anschliessend werden die wichtigsten Schluss-       Meine Hoffnung ist auch, dass M&Ms die
folgerungen auf einer Folie sowie potentielle       Risikoerhöhung für Patientinnen und Patienten
Massnahmen festgehalten. Nach der Konferenz         durch die Ökonomisierung der Medizin beleuch-
entscheiden Moderator, ggf. Mentor, die jeweils     ten können. Zunehmend geht es Politikern und
betroffene ärztliche und pflegerische Abtei-        Spitalverwaltungen darum, das Einkommen zu
lungsleitung, ggf. ein Chefarzt und die Leiterin    erhöhen und Ausgaben zu senken ohne Rück-
Qualitätsmanagement über die Konkretisierung        sicht auf die Patientensicherheit. Sie ist teuer
der Massnahme.                                      und eng verknüpft mit genügend gut ausgebil-
M&M-Konferenzen werden in Form eines                detem Personal. Hier sehe ich potenziell grosse
Beschlussprotokolls dokumentiert (Sharepoint).      Herausforderungen, um unsere Patientinnen und
Schlussfolgerungen und Massnahmen werden            Patienten auch in Zukunft umfassend betreuen
nach Absprache den betroffenen Stationen,           zu können.
Abteilungen, Fachbereichen usw. zugestellt.
Alle Teilnehmenden sind aufgefordert, mit Hilfe     CH: Ich habe als Assistenzarzt in der Pädiatrie
eines ausliegenden Evaluationsbogens M&M            erlebt wie belastend es sein kann, Teil eines
Konferenzen kritisch zu bewerten. Wo und wie        fehlerhaften Ablaufs gewesen zu sein, u.U. mit
letzteres einfliesst und kommuniziert wird, ist     fatalen Folgen, und dann damit alleine zu blei-
nicht abschliessend entschieden.                    ben, ohne Austausch mit Vorgesetzten und kons-
                                                    truktiver Aufarbeitung. Ich bin davon überzeugt,
WARUM BRAUCHT ES IM OKS                             dass M&M-Konferenzen nicht nur zukünftige
M&M-KONFERENZEN?                                    Fehler vermeiden helfen, sondern auch zu einer
BR: In einer Kinderklinik wie dem OKS gehören       angstfreien, und wertschätzenden Atmosphäre
M&M-Konferenzen einfach dazu – sonst ist man        beitragen können, was sich wiederum auf Moti-
schlichtweg «nicht dabei». Auch der Standard 22     vation und Qualität unserer Arbeit auswirkt.
vom SanaCert® verlangt M&Ms als ein wichtiger
Pfeiler in der Betreuung von Patientinnen und
Patienten. Persönlich finde ich die Rolle der
M&M-Konferenzen als Kulturträger einer Klinik
sehr wichtig: Wir machen alle Fehler und wir sind
in der Lage über diese miteinander zu reden und       Das gesamte Interview mit Christian Henkel
daraus zu lernen, unabhängig von der Hierar-          und Bjarte Rogdo zum Thema M&M-Konfe-
chiestufe. Dabei marginalisiert man auch, dass        renzen.
über Fehler hinter dem Rücken von Involvierten
geredet wird.
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Medizinische Tätigkeit in
einem fremden Land
EINBLICKE IN DIE HUMANITÄRE ARBEIT AM BEISPIEL VON SIERRA LEONE

Dr. med. Gudrun Jäger, Leitende Ärztin               von Aufklärungsarbeit, Anreize schaffen für die
Intensivmedizin/Neonatologie                         Eltern, damit ihre Töchter nicht beschnitten
                                                     werden und Unterstützung der Dörfer hat mich
SIERRA LEONE: EIN LAND, WELCHES                      sehr beeindruckt.
DURCH BÜRGERKRIEG, DIE EBOLA EPI-
DEMIE UND EINE HOHE KINDER- UND                      Die positiven Auswirkungen von Ausbildung
MÜTTERSTERBLICHKEIT IMMER WIE-                       haben mich nicht nur im Serabu Hospital über-
DER NEGATIV IN DEN NACHRICHTEN                       zeugt. Zusammen mit einigen europäischen
ERSCHIEN. ICH HABE DAS LAND SEIT                     Kollegen unterrichte ich praktische Kurse in Kin-
2016 DURCH VERSCHIEDENE TÄTIG-                       dernotfallversorgung an anderen Spitälern an-
KEITEN KENNEN UND SCHÄTZEN                           hand eines von der WHO etabliertem Programm
GELERNT.                                             und bin dadurch auch in Kontakt mit anderen
                                                     Organisationen.

Swiss Doctors                                        Was nehme ich mit von meinen Aufenthalten:
Der grösste Teil ist die Arbeit für «German
                                                     viele neue Eindrücke, Begegnungen mit Men-
Doctors» bzw. für die 2018 von mir und einigen
                                                     schen, die trotz grosser Herausforderungen im
Kolleginnen und Kollegen gegründete Partner-
                                                     Alltag nicht verzweifeln und oft fröhlich sind; und
Organisation «Swiss Doctors». Diese beiden
                                                     eine starke Wertschätzung dessen, was ich zu
Organisationen sind finanziell von Spenden ab-
                                                     Hause habe sowie die Überzeugung, dass mit
hängig und unterstützen mit diesen und der eh-
                                                     Ausbildung etwas Nachhaltiges geboten werden
renamtlichen Tätigkeit von Ärztinnen und Ärzten
                                                     kann (www.swiss-doctors.org).
unter anderem ein Spital im Süden des Landes,
in Serabu. Ein wesentlicher Aspekt der medizini-
schen Arbeit ist die Mütter- und Kindergesund-
heit; auch die Ausbildung der lokalen Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter spielt eine grosse Rolle,
da es in Sierra Leone mit rund 7 Mio. Einwohnern       Der ausführliche Bericht von Gudrun Jäger
lediglich ca. 200 Ärzte gibt. In dem Bereich der       inkl. Fotos zur Arbeit in Sierra Leone und
Neugeborenen-Versorgung im Serabu Hospital             den Projekten in weiteren Ländern.
ist Swiss Doctors in der Gruppe der Humanitären
Neonatologie der schweizerischen Gesellschaft
für Neonatologie vertreten. Besonders erfreulich
war der Gewinn des humanitären Preises 2021
und die Ehrung für das Engagement vor Ort.

Projekte in Asien und Afrika
Neben der medizinischen Arbeit in verschiede-
nen Ambulanzen in Asien und Afrika beinhal-
tet die Unterstützung der Swiss Doctors auch
Partnerprojekte in den jeweiligen Ländern. Dazu
gehören einige Schulprojekte und in Sierra
Leone eine gegen weibliche Genitalverstümme-
lung tätige lokale Organisation, welche ich zwei
Mal besuchen konnte. Das umfassende Konzept
Für Mitarbeitende und Interessierte Ausgabe 2/2021
Es grünt so grün

Fabienne Stocker,
Mitglied des Redaktionsteams

MARTIN MAIER IST SEIT DEM 1.1.2019
FÜR DIE BEFLANZUNG DES OST-
SCHWEIZER KINDERSPITALS VERANT-
WORTLICH. WIR HABEN UNS MIT IHM
ZUM INTERVIEW GETROFFEN.

WELCHEN WEG FÜHRTE DICH INS
KISPI?
Als gelernter Forstwart und Baumschulist habe
ich für das Gartenbauamt (heute Stadtgrün)           WELCHEN HERAUSFORDERUNGEN
gearbeitet. Nach einer temporären Aushilfe im        BEGEGNEST DU BEI DER BEPFLAN-
Kispi im Jahr 2017 habe ich im 2019 die Nachfol-     ZUNG EINER SPITALUMGEBUNG?
ge von Peter Tobler angetreten.                      Ich sehe das Kispi als Bild und die Umgebung
                                                     als Bilderrahmen, der dazu passen soll. Wesent-
DIE BEPFLANZUNG ÜBERRASCHT                           lich ist, was im Gebäude geleistet wird und die
IMMER WIEDER UND ERFREUT NICHT                       Umgebung soll einen guten ersten Eindruck hin-
NUR MITARBEITENDE, SONDERN                           terlassen. So achte ich zum Beispiel darauf, dass
AUCH BESUCHERINNEN UND BESU-                         farbige Blumen für die Kinder und gut duftende
CHER. WEISST DU IMMER SCHON                          Gewächse für die Mütter den Eingangsbereich
IM VORAUS, WIE DAS ENDBILD AUS-                      schmücken. Neu ist auch, dass im Atrium beim
SEHEN WIRD?                                          Notfall Obst und Beeren wachsen, die frisch ge-
In der Regel habe ich durch die jahrelange           pflückt den Kindern als Trost abgegeben werden
Erfahrung ein Bild im Kopf, welches ich umsetzen     können.
möchte. Trotzdem werde ich schlussendlich vom
Ergebnis überrascht. Dieses Jahr zum Beispiel        Lieber Martin, vielen Dank für die schöne
aufgrund der Aussaat von Wildblumen und we-          Atmosphäre, die du durch die kreative
gen der Auswirkungen des kalten Frühlings.           Bepflanzung schaffst.

                    kispisg.ch/fokus

Ostschweizer Kinderspital
Claudiusstrasse 6 | CH-9006 St. Gallen | T +41 (0)71 243 71 11 | kispisg.ch
Für Mitarbeitende und Interessierte Ausgabe 2/2021
Neue Beatmungsgeräte, ein Schritt in
die Zukunft
EIN KURZER RÜCKBLICK

Ruth Dutler, Bettina Jeuch,                          ging vom ersten Moment mit grossem Einsatz
Dr. med. Sebastian Böhm, Intensivpflegestation       und Freude in die Testphase. Hemmungen im
                                                     Umgang mit dem ungewohnten Gerät gab es
WAS WAR DAS DOCH FÜR EIN WUN-                        kaum, vielmehr zeigte sich schnell ein sicherer
DERLICHES JAHR FÜR UNS ALLE?                         Umgang mit dem neuen Material. Einer erfolg-
ALS WIR IM JANUAR 2020 VOLLER                        reichen Evaluation stand nichts mehr im Weg.
ERWARTUNG UNSERE NEUEN BEAT-
MUNGSGERÄTE EINFÜHREN DURF-                          Das Jahr der Beatmungsevaluation verflog ohne
TEN, WAR CHINA UND DIESE «NEU­-                      negative Zwischenfälle aber mit einigen Heraus-
ARTIGE LUNGENERKRANKUNG»                             forderungen: so realisierten wir bereits mit den
NOCH WEIT WEG...                                     ersten Testgeräten, dass es nicht nur ein neues
                                                     Beatmungsgerät zu testen gab, sondern dass
Mitte 2018 konnten wir nach einiger Vorberei-        wir uns auf dem Weg in eine ganz neue «Beat-
tung in die Ausschreibungs- und Evaluationspha-      mungsära» einfanden. Dank interner Schulun-
se für neue Beatmungsgeräte eintreten. Diese         gen, engmaschiger Begleitung durch die Firmen
Geräte sollten die alten «Evitas» und «Fabiane»      und anhaltend hoher Motivation im Team konnte
ersetzen, die nach deutlich mehr als einem           so manche kritische Situation souverän bewältigt
Jahrzehnt guter Arbeit zunehmende Alters-            werden. Die intensive Testphase war ein voller
schwäche, sprich Ausfallserscheinungen, zeigten.     Erfolg. Der Zuschlag für die neuen Geräte, die
Eine zukunftsorientierte Entscheidung musste         Servo-Flotte der Firma Getinge, wurde im No-
getroffen werden. Besser gesagt, die Suche nach      vember 2019 erteilt.
der «eierlegenden Wollmilchsau» begann. Vom
kleinen 500 Gramm leichten Frühgeborenen bis         Im Januar 2020 wurden schliesslich alle Gerä-
zum 100 kg schweren Adoleszenten soll das Ge-        te ausgeliefert und in Betrieb genommen. Zu
rät beatmen, diverse Beatmungsformen anbieten        diesem Zeitpunkt kamen aus China Nachrichten
und intuitiv bedienbar sein. Zudem soll es kosten-   der neuartigen Erkrankung. In der Folge begann
effizient nicht nur in der Anschaffung, sondern      ein Run auf einzelne Medizinprodukte, vor allem
vor allem auch im Betrieb sein. Dank konkreter       Beatmungsgeräte und Verbrauchsmaterial
Ausschreibungsunterlagen konnte zügig eine           wurden Mangelware. Dank der vorausschauen-
Vorauswahl auf drei Anbieter getroffen werden,       den Planung mussten wir nie Lieferengpässe im
deren Geräte über zwölf Monate im klinischen         Verbrauchsmaterial wie Beatmungsschläuche,
Einsatz auf Herz und Nieren, oder besser Luft        -filter oder ähnlichem beklagen. Auch die Be-
und Druck, getestet wurden. Das gesamte Team         treuung der Firmen war in der Phase des «Social
                                                     distancing» immer gewährleistet.

                                                     Inzwischen haben wir einiges dazulernen dürfen.
                                                     So wie der Umgang mit den Hygiene- und
                                                     Abstandregeln zum Alltag gehört, sind auch die
                                                     neuen Beatmungsgeräte aus dem IPS-Stations-
                                                     alltag nicht mehr wegzudenken. Allen Beteiligten
                                                     gebührt ein grosser Dank.
                                                     Unsere Evitas sind in einem ersten Schritt der
                                                     Verschrottung entkommen. Sie wurden als Pan-
                                                     demie-Reserve dem Kantonsspital St.Gallen zu
                                                     Verfügung gestellt.
Für Mitarbeitende und Interessierte Ausgabe 2/2021
Ein Schatz der Erinnerung
… EIN TAGEBUCH DER GANZ BESONDEREN ART

Karin Hollenstein-Fröhlich,                        der Behandlungszeit wissen die Patientinnen
Stationsleiterin B-West                            und Patienten sowie ihre Angehörigen nichts von
                                                   diesem «Tagebuch» und erleben später beim
IM LAUFE EINER KREBSBEHANDLUNG                     Durchblättern ganz besondere, bedeutungsvolle
FÜLLT SICH DER ERFAHRUNGSRUCK-                     Erinnerungsmomente an ihre intensive Zeit im
SACK UNSERER PATIENTINNEN UND                      Kispi auf B-West. Nicht selten werden dadurch
PATIENTEN UND FAMILIEN MIT UN-                     auch intensive Emotionen an Höhen- und Tief­
ZÄHLIGEN SPITALERINNERUNGEN.                       flügen noch einmal wach.
OFT SIND ES KLEINE DINGE IM ALL-
TAG, MEILENSTEINE DER THERAPIE,
ERFOLGSERLEBNISSE ODER EINFACH
                                                   Travis erhält Post vom B-West
BESONDERE MOMENTE, DIE DEN
                                                   EIN AUFBRUCH IN EINE NEUE ETAPPE
SPITALALLTAG PRÄGEN, POSITIVER
                                                   DER THERAPIE
WERDEN LASSEN ODER VON DER
                                                   Travis (10 J.) liegt in der sterilen Kabine im
KRANKHEIT ABLENKEN. UM SOLCHE
                                                   Kinderspital Zürich, wo er nach einer bei uns
SITUATIONEN FESTZUHALTEN ENT-
                                                   absolvierten, intensiven Chemotherapie für eine
STAND DIE IDEE EINES TAGEBUCHES.
                                                   Knochenmarkstransplantation eingetreten ist.
                                                   Die Familie fühlte sich noch nicht «daheim» am
In kreativer Form, mit viel Herzblut und Engage-
                                                   neuen Ort, als per Post sein B-West-Tagebuch
ment entstehen bunte, humorvolle, und persön-
                                                   eintrifft. «Das isch speziell gsii!», sagt er mit
liche Erinnerungsbücher. Diese werden bei The-
                                                   strahlendem Gesicht über den Moment, als sie
rapieende den Familien abgegeben. Während
Für Mitarbeitende und Interessierte Ausgabe 2/2021
bedeutet und war sehr hilfreich während der Be-
                                                    handlungszeit. Die Einträge sind sehr persönlich,
                                                    erinnern an Begebenheiten aus dem Spitallall-
                                                    tag und an Gespräche über Alltägliches oder
                                                    gemeinsame Interessen.

                                                       «Es war ein tolles Feedback für
                                                       uns als Eltern! Wann habt ihr das
                                                       denn gemacht?!»

                                                       «Was, ihr habt das wahrgenom-
                                                       men und jenes mitbekommen?!»

ein Couvert mit dem Absender Ostschweizer
Kinderspital erhalten hätten und von diesem
Büchlein überrascht wurden. Gemeinsam blätter-      Da ist zum Beispiel eine Palme im Tagebuch,
ten Travis und seine Mutter Seite um Seite durch,   welche an Travis' Liebe zu Hawaii erinnert und
lasen die verschiedenen Episoden.                   daran, dass diese Palmen ihm auch immer auf
                                                    den Etiketten der Infusionsflaschen einen Hawaii­
                                                    moment ins Zimmer brachten. Oder mit grossen
                                                    farbigen Buchstaben steht «GOOD NEWS» über
   «Mir händ Träne gha vor Freud
                                                    zwei Seiten als Erinnerung an den Tag, an dem
   und sooo müese lache, wills eifach               der Bescheid über einen gefundenen Knochen-
   lustig gsii isch.»                               markspender kam. Fotos an gemeinsame Jass-
                                                    runden auf dem Balkon mit dem Bruder oder an
   «Mir händ üs nüme elei, sondern                  einen gemütlichen Spielabend in der Küche mit
                                                    einer guten Freundin.
   richtig trait gfühlt, es hät üs Halt
   gee.»
                                                    Mit viel Herzblut
                                                    Die Rückmeldungen von Eltern und Patienten,
                                                    dass dieses Büchlein eine bedeutungsvolle Erin-
Die Mutter fasst ihre Gedanken zu diesem Tage-      nerung an eine sehr intensive Zeit ihres Lebens
buch folgendermassen zusammen: Das Büchlein         ist, motiviert uns immer wieder, Zeit und Herzblut
enthält Meilensteine, Persönliches und sehr         zu investieren. Die Tatsache, einzelnen Situatio-
persönliche Einträge, die von Herzen kommen.        nen eine tiefere Bedeutung zukommen zu lassen
Das Behandlungsteam wurde zu Herzensmen-            und den Familien Wertschätzung oder Dank
schen, die Beziehung zu ganz vielen Pflegefach-     auszudrücken bestärkt uns ebenfalls.
personen und eine emotionale Begleitung über
die Behandlung der Krankheit hinaus haben
uns viel Halt gegeben. Die Erinnerung, ein Teil
der «B-West-Familie» zu sein, hat uns mega viel
Joint Medical Master (JMM)
DIE ERSTEN «ST. GALLER STUDIERENDEN» SIND DA

Dr. med. Dominik Stambach,
Mitglied des Redaktionsteams

NACH LANGER UND AUFWÄNDIGER
VORBEREITUNGSZEIT HABEN IM MÄRZ
DIE ERSTEN MASTERSTUDIERENDEN
DES JMM ST. GALLEN DEN PÄDIAT-
RIEBLOCK ABSOLVIERT. UND WIR DÜR-
FEN INSGESAMT ZUFRIEDEN SEIN MIT
DEM RESULTAT, ZUMINDEST KÖNNEN
WIR DIES DEN POSITIVEN FEEDBACKS
DER STUDENTINNEN UND STUDEN-
TEN ENTNEHMEN.

Die Kerngruppe (Roger Lauener, Tamara Guidi,
Christine Fuchs und Dominik Stambach) war in
der Vorbereitung vor allem mit Organisations-
und Koordinationsaufgaben beschäftigt, woge-
gen die einzelnen Dozenten ihre Wissenstrans-
ferlektionen vorbereiteten. Die eigentlichen
Wissenserwerb-Lektionen werden weiterhin von        Hoffentlich lassen sich einige für das Fachgebiet
den Professoren der Universität Zürich gehalten,    Pädiatrie oder Kinderchirurgie begeistern.
was auch einer der grossen Knackpunkte war.
So versuchten unsere Dozenten auf der Basis         Als Verantwortliche für den Themenblock Kinder
der Vorlesungen von Zürich, die «Team- und          und Jugendmedizin möchten wir uns bei allen
Problem-Based-Learning» Unterrichtseinheiten        Beteiligten, vor allem aber auch bei den Kindern
vorzubereiten, mussten aber feststellen, dass       und ihren Eltern bedanken.
die Kollegen in Zürich mehrheitlich im bisheri-
gen Stil ihre Vorlesungen durchführten, was die     Die Studenten werden im 4. Studienjahr noch
Koordination erschwerte. Die Tatsache, dass der     weitere Themenblöcke absolvieren, bevor sie
Unterricht online stattfand, machte die Situation   dann im 5. Jahr ins Wahlstudienjahr eintreten
auch nicht einfacher.                               und dort als Unterassistent(-innen) vielleicht auch
                                                    bei uns tätig sein werden. Das Programm des 6.
Dank guter logistischer Unterstützung durch die     Studienjahrs wird aktuell vorbereitet. Wir werden
HSG konnte aber auch diese Hürde gemeistert         voraussichtlich in einem gemeinsamen Themen-
werden. Erfreulicherweise konnten wir die Prak-     block Frau und Kind kinderspezifische Themen
tika im Spital durchführen, was für die Studenten   vermitteln und hoffentlich die Freude an der
ein Highlight war. Nicht nur im Ostschweizer        Pädiatrie wecken können.
Kinderspital selbst, sondern auch auf der Neo-
natologie des Kantonsspitals St.Gallen, in der
Stiftung Kronbühl und in verschiedenen Praxen
konnten die zukünftigen Ärztinnen und Ärzte
erste Erfahrungen mit Patientinnen und Patien-
ten sammeln.
Ich habe Schmerzen und jetzt?
Meine Arbeit als Pain Nurse

Heidi Keller, Pflegefachfrau und                      Wir suchen nach Möglichkeiten, mit welchen die
CAS Pain Nurse, B-West                                Nerven überlistet werden (z.B. können Gedanken
                                                      den Schmerz positiv beeinflussen). Wenn wir das
Der Schmerz ist ein Thema, welches mich in
                                                      geschafft haben, was im pflegerischen Alltag
meinem beruflichen Alltag, in der Pflege von
                                                      nicht immer ganz einfach ist, haben wir schon
Patientinnen und Patienten mit einer hämato-
                                                      ganz viel erreicht.
logischen oder onkologischen Erkrankung, sehr
oft begleitet. Da gilt es für mich zu erkennen, bei
                                                      Im Anschluss geht es darum, mit den Patientin-
welchen Patientinnen und Patienten Schmerzen
                                                      nen und Patienten sowie dem interdisziplinären
zu einem grösseren Ereignis werden kann und
                                                      Team Lösungen zur Schmerzbewältigung zu
wer intensivere Begleitung benötigen.
                                                      suchen, im Austausch zu bleiben, offen zu sein
                                                      für eine Veränderung und Mut zu machen, die
Meine Aufgaben                                        Massnahmen umzusetzen. Dies kann konkret
    Fachverantwortung für die Sicherung einer         bedeuten: eine Schmerzreserve ganz auszurei-
    guten Schmerzbewältigung auf der Abteilung        zen, mit der Physiotherapeutin die Mobilisation
    Pflegerische Fallführung                          besprechen, bei Unsicherheiten bei den Ärzten
    Beratung von Kolleginnen und Kollegen             nachfragen, Kontakt zu den Psychologen aufneh-
    Teilnahme an der Sitzung der Schmerz-Fach-        men, bei Bedarf die Anästhesie beiziehen, mit
    gruppe                                            den Eltern die Situation evaluieren, usw.
    Umsetzungen von Neuerungen, interdiszipli­        Dies alles ist nur möglich, wenn alle Beteiligten
    näre Vernetzung                                   Hand in Hand zusammenarbeiten. Das gemein-
›   Auszug aus der Aufgabenbeschreibung               same Ziel liegt dabei in der Umsetzung der
    Pain Nurse.                                       bestmöglichen Schmerztherapie, mit den am
                                                      OKS vorhandenen Mitteln.

Was heisst das nun konkret?                           Es gibt sehr viele Möglichkeiten im OKS, auch
Eine Patientin stöhnt und jammert vor Schmerz:
                                                      dank den vielen Mitarbeitenden, welche sich für
«Dormicumboli helfen mir, dass ich wieder etwas
                                                      das Thema Schmerz engagieren. Oft gilt es nur
schlafen kann.» Soweit sollte es nach Möglichkeit
                                                      daran zu denken, im richtigen Moment die rich-
nicht kommen. Da gilt es für mich, solche Situa-
                                                      tige Person anzufragen, um in einer komplexen
tionen früh zu erkennen, möglichst präventiv zu
                                                      Situation weiter zu kommen.
arbeiten, um eine Schmerzeskalation zu verhin-
dern. Dazu setze ich gezielt die Konzepte der
medikamentösen und nicht-medikamentösen
(NMI) Schmerzbehandlung ein. Weiter befrage
ich in der Schmerzanamnese die Patientinnen
und Patienten sowie ihre Angehörigen nach Er-
fahrungen mit Schmerzen in der Vergangenheit
und den eigenen Bewältigungsstrategien.

Das Ziel ist es zu erkennen, was die Patienten
und Eltern schon in Bezug zu Schmerz wissen.
Ich erkläre die Funktion der Nerven, welche für
die Weiterleitung der Schmerzreize zuständig
sind und wie diese im Hirn verarbeitet werden.
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