Gebärdensprachdolmetschende - Stimme und Ohr der Gehörlosen - SGB-FSS
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
visuell Plus - Oktober / November 2017 Dossier Gebärdensprachdolmetschende – Stimme und Ohr der Gehörlosen Heute wird der Beruf der Gebärdensprachdolmetschenden durch die Präsenz in den Medien zunehmend bekannter. Aber wie viele Menschen wissen wirklich, worin dieser Beruf besteht, wann Gehörlose eine/-n Dolmetscher/-in anfordern können und wie diese Dienstleistung vergütet wird? Visuell Plus informiert im Dossier über den Stand der Dinge. Text: Sandrine Burger, Foto: Benjamin Hofer Noch vor etwa zehn Jahren wusste gehörigen waren keine Übersetzungs- kaum jemand Bescheid über den Beruf profis und es kam oft vor, dass sie trotz des Gebärdensprachdolmetschers. Aus- gutem Willen überfordert waren und serhalb der Gebärdensprachgemein- die Gespräche lediglich zusammenfass- schaft war diese Dienstleistung fast ten und Details wegliessen. gänzlich unbekannt. Als echte Spezialisten besitzen die Die Dinge haben sich mittlerweile geän- Gebärdensprachdolmetschenden nicht dert; zwar weiss die breite Gesellschaft nur eine entsprechende Ausbildung, sie immer noch wenig über die Aufgaben ei- sind auch zur Einhaltung eines Ehren- ner Gebärdensprachdolmetscherin, aber kodex’ verpflichtet. Wichtigste Elemente der Beruf erfährt immer mehr Beach- dieses Kodex’ sind Verschwiegenheit, tung durch gebärdete Nachrichten im Unparteilichkeit und Übersetzungs- Fernsehen oder durch internationale genauigkeit. Der Ehrenkodex bildet die Veranstaltungen, welche in Gebärden- Grundlage für das Vertrauensverhältnis sprache übersetzt werden. zwischen gehörlosem Auftrag geber und Gebärdensprachdolmetscherin. Gebärdensprachdolmetscherin im Einsatz bei einem Kongress. Entstehung eines Berufs Lange Zeit waren gehörlose Menschen Strategisches Element auf hörende Familienmitglieder als Über- Der Zugang zu Gebärdensprachdol- setzer angewiesen, um mit ihrer Umwelt metschenden spielt in der Strategie des zu kommunizieren und Informationen Schweizerischen Gehörlosenbundes eine zu erhalten. In den 1980er-Jahren be- entscheidende Rolle. Eine deutliche freiten sich die Gehörlosen mit einer Erhöhung der Anzahl Dolmetschenden zurückweisen, vor allem in der Ro- weltweiten Emanzipationsbewegung aus ist eine Grundvoraussetzung für das mandie, wo seit Jahren keine neuen dieser Bevormundung. Zu jener Zeit Erreichen vieler Ziele: Es braucht mehr Gebärdensprachdolmetscher mehr aus- entstanden auch die ersten Vermitt- Gebärdensprachdolmetscher, damit ge- gebildet werden. lungsdienste für professionelle, neutrale hörlose Menschen vollen Zugang zu Gebärdensprachdolmetscher. Bildung, Arbeit, Gesellschaft und Weil Gebärdensprachdolmetschende Kultur haben und mehr Aufgaben eine Schlüsselrolle bei der gesellschaft- übernehmen können. Bereits heute lichen Inklusion von Menschen mit ei- Ehrenkodex besteht ein Mangel, weil sich in der ner Hörbehinderung einnehmen, muss Dank der professionellen Gebärden- Schweiz 107 Gehörlose eine Gebär- der Staat die finanziellen Mittel bereit- sprachdolmetscher konnten gehörlose densprachdolmetscherin teilen müssen. stellen, um sie auszubilden und ihre Ein- Menschen sich endlich Gehör verschaf- Der Vermittlungsdienst Procom muss sätze zu bezahlen. Dafür setzt sich der fen in der Gesellschaft. Denn die An- entsprechend immer mehr Anfragen Schweizerische Gehörlosenbund ein. 13
Dossier Oktober / November 2017 - visuell Plus Gebärdensprachdolmetscher: Das fordert der Gehörlosenbund Der Zugang zu und die Verfügbarkeit von Gebärdensprachdolmetschern ist eine wichtige Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe von gehörlosen Menschen. Darum gehören sie zu den Unterstützungsaufgaben in der Strategie bis 2020 des Schweizerischen Gehör- losenbundes. Was genau das bedeutet und welche Forderungen der Gehörlosenbund stellt, erklärt Ruedi Graf, Verantwortlicher für dieses Thema. Interview: Sandrine Burger, Foto: Benjamin Hofer behinderung die gleichen Rechte, Chan- solut berechtigten Dolmetschleistungen cen und Zugänge zu allen Ressourcen würde man die Attraktivität und damit wie alle Menschen in der Schweiz be- die Qualität des Gebärdensprachdol- kommt. Die Chancengleichheit ist metschberufes erhöhen. Damit steigt auch in der UNO-Behindertenrechts- auch der Bedarf an Ausbildungen in konvention festgeschrieben. Die Ver- allen Sprachregionen. doppelung kann das nicht abdecken, aber sie kann einen Beitrag zur Ver- Aktuell gibt es ja in der Westschweiz besserung leisten. überhaupt keine Ausbildung von Gebärdensprachdolmetschern mehr. Sie wollen die Anzahl Dolmetscher Wie kann man diesen Stillstand verdoppeln … aber besteht denn aufheben? heute wirklich ein Mangel an Gebär- Die Situation in der Westschweiz ist densprachdolmetschern? sehr unbefriedigend und es ist klar Ja. Aber die Herausforderung ist nicht nachgewiesen, dass wir dort einen nur der Mangel an Dolmetschern, son- Mangel haben. Das wirkt sich auf dern die Finanzierung der Dolmetsch- die Lebensqualität und den Arbeits- leistungen. Hier das Beispiel Arbeits- marktzugang der Menschen aus. Die platzförderung: Heute bezahlt der Saat Arbeitslosigkeit der Gehörlosen ist für Zugang, Informationen, interne in der Westschweiz höher als in der Schulungen und so weiter maximal 1763 Deutschschweiz. Seit Jahren versucht Franken pro Monat. Das sind etwa 12 der Gehörlosenbund zusammen mit Stunden pro Monat. Ein Gehörloser mit der Procom und den Kantonen eine Visuell Plus: Der Gehörlosenbund einer verantwortungsvollen Aufgabe Lösung zu finden für eine tragfä- will, dass im Jahr 2020 für 50 Gehör- braucht sicher mehr als das. Also be- hige Ausbildung. Hier sind politische lose ein Gebärdensprachdolmetscher hindert diese Regel aktiv die Inklusion Vorstösse gefragt. Die öffentliche Hand zur Verfügung steht. Woher kommt von gehörlosen und hörbehinderten muss ihre Verantwortung endlich wahr- diese Zahl? Was ist die Begründung Menschen in den Arbeitsmarkt. Das nehmen. dafür? kann nicht im Sinne des Bundesamts Ruedi Graf: Heute kommt auf 107 für Sozialversicherungen (BSV) sein. In der Strategie ist auch die Möglich- Gehörlose ein Gebärdensprachdolmet- Verbesserungen sind dringend nötig. keit von anderen Formen des Dolmet- scher. 1:50 bedeutet eine Verdoppelung, schens erwähnt. Woran denken Sie es ist aber im internationalen Vergleich Wie kann man die Zunahme der Dol- dabei? immer noch sehr tief. Das Ziel des metscher in der Schweiz erreichen? Der Abbau von Kommunikationsbar- Schweizerischen Gehörlosenbundes ist Mit einer sauberen, transparenten und rieren ist zentral bei dieser Überlegung. es, dass jeder Mensch mit einer Hör- bedarfsgerechten Finanzierung der ab- Wir denken zum Beispiel an Kom- 14
visuell Plus - Oktober / November 2017 Dossier munikationsassistenz für Menschen wichtige Sitzungen für uns und andere gene Arbeit behindert. Denn wir sind mit einer Hörsehbehinderung oder erschwert ist. Als Freelancer können für die Umsetzung unserer Strategie Menschen mit Migrationshintergrund, Gebärdensprachdolmetscher nämlich ebenfalls davon abhängig, dass wir die die schweizerischen Gebärdenspra- selber entscheiden, ob sie einen Auftrag Gebärdensprachdolmetscherinnen zur chen nicht verstehen. Hier braucht es annehmen oder nicht, und das oft kurz- Verfügung haben. Kulturvermittler in Gebärdensprache. fristig. Damit sehen wir auch unsere ei- In verschiedenen Ländern werden schon gehörlose Gebärdensprachdolmetscher für Videobotschaften und Kongresse eingesetzt. Die Breite an Sprachüber- setzungen und anderen Kommunika- tionslösungen ist im strategischen Ziel berücksichtigt. Es wäre ein Fortschritt, Der Anspruch auf Gebärden- wenn auch Gehörlose als professionelle Fachpersonen für Sprachübersetzung sprachdolmetschende im oder Kommunikationsvermittlung ein- gesetzt werden. Gesetz Alle diese Forderungen kosten Geld. Denken Sie, das Parlament ist bereit, Weil in der Schweiz der Anspruch auf Dolmetscher auf dies alles zu finanzieren? Mit welchem mehrere Gesetze verteilt ist, bieten wir einen kurzen Über- Argument will der Gehörlosenbund die Politiker überzeugen? blick über die wichtigsten rechtlichen Grundlagen in die- Wenn wir bei der Finanzierung der Ge- sem komplexen Bereich. bärdensprachdolmetscher sparen, hat das fatale Auswirkungen auf die Lebens- Text: Sandrine Burger, Übersetzung: Antonia D‘Orio situation der Gehörlosen. Eine solche Diskriminierung hat höhere Sozial- kosten und eine Verschlechterung der Lebensqualität zur Folge. Ich glaube Art. 74 IVG Art. 9 HVI nicht, dass die Politikerinnen und Auf der Grundlage dieses Artikels Auf diesem Artikel basiert die Vergü- Politiker so dumm sind, das zu wollen. weist das Bundesamt für Sozialver- tung von Aufwendungen für Dolmet- Und ich würde ihnen sagen, dass die vie- sicherungen (BSV) der Stiftung Pro- schereinsätze im Rahmen der beruf- len kleinen Fortschritte für Menschen com jedes Jahr einen festen Betrag zu. lichen Tätigkeit. Es gilt allerdings zu mit einer Hörbehinderung sie ver- Damit werden Einsätze finanziert von beachten, dass dieser Betrag auf mo- pflichten – und dass sie einen Auftrag Gebärdensprachdolmetschenden für natlich CHF 1763 beschränkt ist und haben, formuliert durch die UNO- private Gespräche oder Sitzungen, wel- dass die betroffene Person ein Gesuch Behindertenrechtskonvention. Deren che nicht von einer Bundes-, Kantons- an die IV stellen muss, welche im Umsetzung wird der Schweizerische oder Gemeindebehörde organisiert Einzelfall entscheidet. Gehörlosenbund aktiv mitverfolgen. werden oder nicht im Rahmen der beruflichen Tätigkeit stattfinden. In Könnte der Vermittlungsdienst diesen Fällen kann sich die gehörlose Art. 14, Abs. 1 BehiG Procom bereits heute etwas unter- Person direkt an Procom wenden. Dieser Artikel besagt, dass die Be- nehmen, um die Verfügbarkeit der hörden im Umgang mit der Bevölke- Gebärdensprachdolmetscher zu rung die besonderen Bedürfnisse der erhöhen? Art. 16 IVG Menschen mit Behinderungen be- Tatsächlich scheint das aktuelle Free- Dieser Artikel legt das Recht auf Ge- rücksichtigen müssen. Aufgrund die- lancer-Modell der Procom an eine bärdensprachdolmetscher ohne Be- ses Artikels können gehörlose Men- Grenze zu stossen. Wir denken, dass schränkung des Betrages fest. Er kommt schen fordern, dass bei öffentlichen Procom sich ein anderes Arbeits- zur Anwendung im Rahmen einer Anlässen oder Gesprächen mit Behör- modell überlegen muss. Das System Ausbildung oder einer Weiterbildung den (auf Ebene Bund, Kanton und entspricht nicht mehr den heuti- im Beruf. Dafür muss aber die be- Gemeinde) Gebärdensprachdolmetsch- gen Anforderungen an eine effizi- troffene Person ein Gesuch an die IV ende bestellt und bezahlt werden. ente und qualitative Vermittlung von stellen, welche einen individuellen Gebärdensprachdolmetschern. Seit Län- Entscheid fällt, nicht zuletzt aufgrund gerem beobachten wir, dass der Zugang eines Kostenvoranschlags von Procom. zu Gebärdensprachdolmetschern für 15
Dossier Oktober / November 2017 - visuell Plus Dolmetscherausbildung: Lücken in der Landkarte Bis heute fehlt in der Schweiz eine nationale Ausbildung für Gebärdensprachdolmet- schende. Während in der Deutschschweiz ein anerkannter Bachelor-Studiengang ange- boten wird, leiden die Romandie und das Tessin unter einem Ausbildungsstopp. Seit bald 10 Jahren werden dort keine neuen Gebärdensprachdolmetschenden ausgebildet. Eine fatale Entwicklung. Text: Martina Raschle, Bilder: HfH Professionelle Gebärdensprachdolmet- schende gibt es in der Schweiz seit rund 30 Jahren. Die ersten Ausbildungen ent- standen aus der Gehörlosenbewegung der 1980er-Jahre: Gehörlose forderten unabhängige, neutrale, professionelle und verschwiegene Gebärdensprachdol- metscher, die sie auch in heiklen Situa- tionen wie beim Arzt oder vor Gericht begleiten konnten. Bis dahin mussten das viel zu oft Familienmitglieder über- nehmen. Ein Bild, das es nur in der Deutschschweiz gibt: Gebärdensprachdolmetschende Es braucht mehr Dolmetscher in Ausbildung an der HfH Zürich. Inzwischen gibt es zum Glück für alle Schweizer Gebärdensprachen profes- sionelle Dolmetscher und ihr Einsatz- gebiet wird grösser: Um beispielsweise Ausbildungsgänge, wo regelmässig ge- Die anfänglichen Abendkurse wur- das Recht auf bilinguale Bildung nügend neue Gebärdensprachdolmet- den 1997 in ein Teilzeitstudium um- umzusetzen, braucht es neben eid- schende ihren Abschluss machen und gewandelt und ab 2010 konnte dieses genössisch anerkannten Gebärden- ins Berufsleben einsteigen. Teilzeitstudium mit einem Bachelortitel sprachausbildner/-innen auch mehr abgeschlossen werden. Weil nun die Gebärdensprachdolmetschende. Für den Matura eine Voraussetzung für das Zugang zum Universitätsstudium sind Entwicklung in der Deutsch- Studium war, interessierten sich im- sie unerlässlich. Auch die volle Teilhabe schweiz mer mehr junge Studierenden fürs am gesellschaftlichen und kulturellen In der Deutschschweiz werden seit Gebärdensprachdolmetschen als Erst- Leben führt über die ständige Verfüg- 1987 regelmässig Ausbildungsgänge für ausbildung. Um eine gleich lange barkeit von Gebärdensprachdolmet- Gebärdensprachdolmetschen angeboten. Studiendauer wie andere Bacheloraus- schenden. Allerdings müssen sich bereits Die Ausbildung hat sich im Laufe der bildungen anbieten zu können, wurde heute in der Schweiz rund 100 Ge- Zeit stark gewandelt, sie wurde aber der Studiengang Gebärdensprachdol- bärdensprachnutzer einen Dolmetscher von Anfang an getragen von der heuti- metschen ab 2012 in ein dreijähriges teilen und diese Situation spitzt sich gen Interkantonalen Hochschule für Vollzeitstudium umgewandelt. Seit zu. Es fehlen national einheitliche Heilpädagogik Zürich. 2015 wird der Ausbildungsgang nur 16
visuell Plus - Oktober / November 2017 Dossier noch im Vollzeitstudium angebo- seit den 1980er-Jahren zwar ebenfalls seitig die Verantwortung zu und nichts ten. Durch die Umstellung und die Ausbildungen für Gebärdensprachdol- geschah. Bis heute ist es nicht gelungen, neuen Zulassungsbedingungen ist die metscher durchgeführt, doch seit neue Ausbildungsgänge aufzubauen. Nachfrage bei den Studierenden zuerst rund 10 Jahren gibt es nichts mehr. Weil in der Romandie und im Tessin leicht zurückgegangen. Doch Heidi Grund für den Stopp in den frühen keine neuen Gebärdensprachdolmet- Stocker, Dozentin im Studiengang Ge- 2000er-Jahren waren sowohl organi- scher ausgebildet werden, war ein Man- bärdensprachdolmetschen, erklärt, dass satorische Differenzen wie politische gel unausweichlich. Um diesen Mangel es für den nächsten Studiengang von Veränderungen. ein wenig aufzufangen, stellt die Pro- 2018 bis 2021 bereits eine «recht lange Durch die Reform des Finanzausgleichs com heute in beiden Regionen Gebär- Liste von Interessierten» gebe. im Invalidenversicherungsgesetz, lag die densprachdolmetscher aus den Nach- Verantwortung für die Ausbildung der barländern Frankreich und Italien Gebärdensprachdolmetscher ab 2008 ein. Nach einer Praktikumsphase von Stillstand in der Romandie und nicht mehr beim Bund, sondern neu einigen Monaten, in denen die Dol- im Tessin bei den Kantonen. Der Schweizerische metscher die Schweiz sowie die regio- Ganz anders sieht es in den anderen Gehörlosenbund machte zwar Druck nalen linguistischen Eigenheiten der Sprachregionen der Schweiz aus. In bei den verschiedenen Bildungskon- Gebärdensprache kennenlernen, können der Romandie und im Tessin wurden ferenzen, doch diese schoben sich gegen- sie sich als Gebärdensprachdolmetscher für die Procom anerkennen lassen. Wer ist zuständig? «Einstieg ins Berufsleben ist eine Herausforderung» In den letzten Jahren hat der Schwei- zerische Gehörlosenbund zusammen Die Interkantonale Hochschule für mit der Procom und einzelnen Bil- Heilpädagogik in Zürich bietet ein dungsinstituten immer wieder versucht, Bachelor-Studium Gebärdensprach- die Ausbildungen in der Romandie und dolmetschen an. Heidi Stocker, Do- im Tessin wiederzubeleben. Bis heute zentin im Studiengang, gibt Auskunft sind die Bemühungen am finanziellen zu dieser Ausbildung. und politischen Widerstand gescheitert. Keine kantonale Stelle fühlt sich in der Worin zeichnet sich das Studium Verantwortung, diese Ausbildung zu Gebärdensprachdolmetschen aus? übernehmen. Der Studiengang legt grossen Wert Harry Witzthum, Geschäftsführer des auf den Theorie- Praxis-Transfer. Dies Schweizerischen Gehörlosenbundes, gelingt mit den zahlreichen Praktika, will jetzt den Druck erhöhen: «Wir dem praxisorientierten Unterricht, der haben in der Vergangenheit viel inves- Zusammenarbeit mit der FAGS, dem regelmässigen Einbezug externer ge- tiert – auch finanziell. Doch eine pri- hörlosen Personen in den Unterricht und durch den hohen Praxisbezug, den vate Non-Profit-Organisation kann die Dozierenden als Gehörlose beziehungsweise als Dolmetscherinnen und nicht über Jahre eine Berufsausbildung Dolmetscher mitbringen. tragen. Das ist die Pflicht von den Bildungsinstituten und vom Staat! Auf Was sind die Herausforderungen? diese Verantwortung werden wir sie Die Studierenden müssen während ihrer Ausbildung sowohl eine neue Spra- festnageln.» che und Kultur wie auch das Dolmetschen erlernen. Somit ist der Einstieg Mit dem Umsetzen der UNO-Behin- unserer Studierenden ins Berufsfeld immer auch eine grosse Herausforderung. dertenrechtskonvention wird der Druck auf den Staat weiter zunehmen. Denn Ist die Spezialisierung der Dolmetscher im Studium ein Thema? je mehr Menschen mit einer Hörbe- Weil in der Schweiz im Verhältnis zur Anzahl Kunden wenige Dolmetschende hinderung ihr Recht auf gleichberech- zur Verfügung stehen, gibt es noch keine Spezialisierung. Wenn Bedarf nach tigten Zugang wahrnehmen, desto einer Weiterbildung oder Spezialisierung besteht, reagieren sowohl die HfH lauter wird die Forderung nach profes- wie auch die Procom. Ein Beispiel ist das Projekt «Justisigns» für den Fachbe- sionell ausgebildeten Gebärdensprach- reich Justiz. Wir nehmen auch ein Bedürfnis von Kunden und Dolmetschern dolmetschern werden. nach Deaf-Interpretern und Kulturvermittlern wahr. Um hier etwas zu unter- nehmen, muss die Notwendigkeit solcher Spezialisten nach aussen getragen werden. Der Gehörlosenbund ist hier sicher gefragt. 17
Dossier Oktober / November 2017 - visuell Plus Procom: «Die Lücken in der Finanzierung wachsen» Procom ist das einzige Unternehmen in der Schweiz, das Gebärdensprachdolmetscher/ -innen vermittelt. Pascal Péquignot (Geschäftsführer) und Beat Kleeb (Präsident) geben Auskunft über den Spagat der Procom zwischen dem steigenden Bedarf nach Dolmet- scheinsätzen und dem veralteten Finanzierungskonzept, das diese Einsätze abdecken soll. Interview: Martina Raschle, Fotos: zVg nanzierung ist nicht gesichert, es fehlen Angaben zum Einsatz oder der Einsatz konnte nicht an einen Dolmetscher ver- mittelt werden. Gibt es Einsätze, die die Procom nicht vermittelt? Nein. Die einzige Bedingung, die wir vom Bundesamt für Sozialversicherun- gen haben: Die gehörlose Person muss IV-berechtigt sein. Und missbräuchli- che Bestellungen müssen ebenso abge- lehnt werden. Die IV finanziert einen Grossteil der Einsätze. Wie ist das genau geregelt? Einerseits gibt es IV-Verfügungen, zum Pascal Péquignot (Geschäftsführer Beat Kleeb (Präsident Procom). Beispiel am Arbeitsplatz nach Artikel 9, Procom). und andererseits einen Pauschalbetrag nach Artikel 74 für Einsätze, die nicht mit der Arbeit zu tun haben. Diese Beträge reichen aber nicht, um den Visuell Plus: Wie läuft eine Dolmet- können selber entscheiden, ob sie zusa- steigenden Bedarf zu decken. Die Ar- schvermittlung normalerweise ab? gen oder nicht. Sobald die Zusagen der beitsplatzverfügung ist beispielsweise Pascal Péquignot und Beat Kleeb: Dolmetscherinnen kommen, wird der pro Person auf maximal CHF 1763 Die Procom bekommt eine schrift- Einsatz zugeteilt und schriftlich bestä- pro Monat beschränkt, oft auch weni- liche Bestellung. Dann wird die Art tigt. ger. Dieser Betrag ist an einem einzi- der Finanzierung geprüft und wenn gen Tag aufgebraucht, wenn zwei nötig werden Rückfragen gestellt. Die Wie lange dauert dieser Prozess? Dolmetscherinnen den ganzen Tag Bestellung wird im System erfasst und Im Normalfall kann eine Bestellung arbeiten, mit Lohn, Reise- und Ver- die Dolmetscherinnen werden ange- innert zwei Wochen bearbeitet wer- pflegungsspesen. Das wissen viele ge- fragt, ob sie den Einsatz übernehmen. den. Wenn es länger dauert, kann das hörlose Bestellerinnen und Besteller Die Dolmetscher sind freischaffend und immer mehrere Gründe haben: die Fi- nicht. 18
visuell Plus - Oktober / November 2017 Dossier Was passiert, wenn kein Geld mehr Da bedauern wir manchmal, dass die Man muss dazu sagen, dass es grund- da ist? Procom eine so hohe Rechnung schi- sätzlich allen offen steht, selber eine Früher hat die Procom zum Teil aus den cken muss dafür, dass sich jemand um Vermittlung aufzubauen, wie das zwei eigenen Reserven ausgeglichen, wenn Zugang für gehörlose Menschen be- mutige Pioniere vor bald 30 Jahren mit aus der Verrechnung der Einsätze nicht müht. der Procom gemacht haben. Darauf genug Geld da war. Man hat zuerst den können wir stolz sein. Für das unfrei- Einsatz bestellt und Löhne bezahlt, Die Procom hat sich in den letzten willige Monopol muss die Procom sich erst dann die Finanzierung gesichert. Jahrzehnten stark gewandelt. Welches aber nicht entschuldigen. Wer zum Das können wir nicht mehr machen. sind ihre wichtigsten Herausforderun- Beispiel als Gebärdensprachdolmetscher Die Besteller merken das, weil wir gen? bei der Procom anfängt, kennt die mehr Rückfragen stellen und vor der Der Bedarf an Dolmetscheinsätzen wird Monopolstellung im Voraus. Einsatzbestätigung den IV-Entscheid weiterhin steigen, auch am Arbeitsplatz abwarten müssen, zum Beispiel bei oder für Ausbildungen. Die Procom Was möchten Sie noch hinzufügen? Dolmetschkosten für Weiterbildungen. muss ihre Strukturen erstens an die Im Vergleich mit anderen Ländern ha- gesteigerte Nachfrage und immer ben wir in der Schweiz ein sehr gutes Was macht die Procom heute, um das kurzfristigere Bestellungen anpassen, Angebot an Dienstleistungen für die Ungleichgewicht aufzuheben? Und zweitens muss sie den technologischen Kommunikation zwischen gehörlosen was erwartet sie von Partnern wie dem Entwicklungen wie Videotelefonie fol- und hörenden Menschen. Es wird leider Gehörlosenbund? gen und drittens muss sie immer überge- auch in Zukunft kaum möglich sein, alle Klar ist: Das Finanzierungskonzept ent- ordnet ihre Dienstleistungen finanzie- Wünsche und Bedürfnisse zu erfüllen. spricht nicht mehr den Bedürfnissen ren können. Die Procom wird sich aber weiterhin um und muss dringend verbessert wer- Verbesserungen bemühen und braucht den. Die Procom kann auf den stetig dazu die Unterstützung von allen. wachsenden Bedarf und die Lücken in der Finanzierung bei den Geldgebern aufmerksam machen, sie kann aber «DIE ARBEITSPLATZ- nicht politisch mehr Geld für sich als Dienstleistungsunternehmen fordern. VERFÜGUNG IST PRO Vom Gehörlosenbund erwarten wir da- PERSON AUF MAXIMAL rum einerseits Unterstützung auf der politischen Ebene für eine zeitgemässe CHF 1763 PRO Finanzierung. Auch Schulen, Ämter MONAT BESCHRÄNKT. und Behörden wissen zu wenig, dass DIESER BETRAG IST gewisse Einsatzkosten von der Procom gesetzlich verrechnet werden müssen AN EINEM EINZIGEN oder warum gehörlose Menschen bei TAG AUFGEBRAUCHT, der Besprechung einen Dolmetscher dabeihaben möchten beziehungsweise WENN ZWEI das Recht darauf haben. Hier wäre mehr DOLMETSCHERINNEN Unterstützung des Gehörlosenbundes DEN GANZEN TAG als Kommunikationskanal an die breite Öffentlichkeit und die Ämter wün- ARBEITEN.» schenswert. Wie reagieren Ämter auf die Rech- Bis heute ist die Procom die einzige nungen der Procom? Vermittlerin für Dolmetscheinsätze Procom: Zahlen & Fakten 2016 In vielen Fällen ist das Verständnis vor- in der Schweiz. Ist das eher ein Vor- • Anzahl Gebärdensprachdolmet- handen, leider nicht immer. Bei Ämtern oder ein Nachteil für das Geschäft? scher/-innen: 68 DSGS, 30 LSF, beobachten wir eine steigende Tendenz, Die Frage ist sehr breit. Die Tatsache des 6 LIS die Finanzierung abzulehnen. Eine unfreiwilligen Monopols der Procom • Ca. 23‘800 Anfragen Besprechung von 20 Minuten beim hat für die einzelnen Bezugsgruppen je- • Vermittelte Einsätze: 19‘300 Arzt kann zum Beispiel rasch einmal weils Vor- und Nachteile. Für die IV hat (Differenz zu Anfragen: 1/3 CHF 280 kosten, inklusive Spesen. es Vorteile, weil die Mittel zentral einge- Absagen Procom, 2/3 Absagen Die Spitäler sind dann oft nicht bereit, setzt werden. Für die Besteller sowie die Besteller) dafür einen so hohen Betrag zu bezah- Dolmetscherinnen und Dolmetscher • 16 Angestellte Administration len. Anders ist es bei Veranstaltungen. hat es, wie alles, Vorteile und Nachteile. 19
Dossier Oktober / November 2017 - visuell Plus Wie zufrieden sind die Kunden und die Dolmetscher/-innen? Die gehörlosen Kundinnen und Kunden und die Gebärdensprachdolmetscher sind direkt abhängig vom Vermittlungsdienst Procom. Spüren sie den zunehmenden finanziellen Druck, der auf der Procom lastet? Sind sie zufrieden mit der aktuellen Vermittlungssituation in der Schweiz? Visuell Plus hat herumgefragt … Redaktion: Martina Raschle, Fotos: zVg, SGB-FSS Das sagen die Gehörlosen: Peter Hemmi Silvia Rohrer Victoria Duc «Ich bestelle ab und zu Gebärden- «Ich bestelle Gebärdensprachdolmet- «Wenn ich Gebärdensprachdolmet- sprachdolmetscher bei der Procom. scher zum Beispiel für Termine mit schende bestelle, tauchen auch manch- Zum Beispiel für Anlässe wie Ver- der Versicherung. Sehr oft nutze ich mal Probleme auf. Es kam vor, dass sammlungen, Führungen durch die Videovermittlung zum Telefonie- man mir gesagt hat, niemand sei Museen oder Gespräche mit der ren. Bis jetzt habe ich gute Erfahrun- verfügbar und später erfuhr ich, dass Versicherung. Meistens läuft die gen gemacht, meine Anfragen wur- verfügbare Dolmetscher gar nicht Vermittlung gut. Falls es mal Pro- den immer bestätigt. Ich habe noch gefragt wurden, weil sie zu weit weg bleme gibt, erkläre ich der Vermitt- nie eine Absage bekommen. Trotz- wohnen und die Fahrspesen nicht be- lungsperson, was sie besser machen dem wünsche ich mir, dass es mehr zahlt werden. Ich finde es idiotisch, könnte. Grundsätzlich wünsche ich Gebärdensprachdolmetscher gibt. deswegen eine Anfrage abzulehnen. mir, dass die Sitzordnung bei Dol- Ich will kurzfristiger bestellen kön- Ausserdem erhalte ich Bestätigungen metscheinsätzen besser wird: Gebär- nen, auch am Abend vorher, sozu- für Einsätze oft sehr spät. Es wäre densprachdolmetscher sollen direkt sagen Express. Jetzt muss ich jeden wichtig, dass Anfragen wirklich an vor mir oder auf der Bühne oder an Einsatz sehr lange vorher anmelden.» alle Gebärdensprachdolmetscher in einem gut beleuchteten Platz sitzen.» einer Region geschickt werden. Und es sollte eine Internetseite geben, wo man die Verfügbarkeit der Dol- metscher immer sofort sieht, anstatt lange auf eine Antwort zu warten.» 20
visuell Plus - Oktober / November 2017 Dossier Das sagen die Gebärdensprachdolmetscher/-innen: Statement des Berufs- verbandes der Gebärden- sprachdolmetscher Deutschschweiz bgd «Der Beruf der Gebärdensprachdol- metscher/-innen ist sehr befriedigend und erfüllend, auch wenn die Arbeit manchmal schwierig und herausfor- dernd sein kann. Unser Berufsverband zählt zum jetzigen Zeitpunkt 79 Mitglieder. Wir sind stolz, dass so viele Personen aktiv im Verband mitmachen und sich täglich mit viel Engagement dem Berufsalltag widmen. In den letzten Jahren hat sich die Vermittlungssituation stark verändert. Durch die vielen Veränderungen bei der Procom fehlt es im Moment an Know- how und die Zahl der kurzfristigen Anfragen steigt stetig. Die finanzielle Situation der Procom ist schwierig. Leider müssen dadurch mehrere Punkte unseres Gesamtarbeitsvertrags neu ver- handelt werden. Aus dieser Situation entstehen Herausforderungen, die wir als Berufsverband im Gespräch mit der Vorstand des BGD. Stehend, von links: Lilian Fritz, Jeanne auf der Mauer, Dolmetschvermittlung zu einer guten Tobias Bonderer, Corinne Leemann. Kniend, von links: Jeannette Mürner, Lösung bringen wollen.» Monika Beyeler Susanne Gadola «Gebärdensprachdolmetscherin ist ein sehr dynamischer, abwechslungsreicher und herausfordernder Beruf. Man kommt mit vielen verschiedenen Themen in Berührung. Es freut mich, wenn ich dank meiner Sprach- und Kulturvermittlung Brücken zwischen Gehörlosen und Hörenden schlagen kann. Oft gibt es auch Einsätze, die mich emotional berühren, trotzdem muss ich professionell und neutral bleiben. Da braucht es eine dicke Haut und einen guten Ausgleich zum Beruf, um dies alles zu verarbeiten. Durch die Vermittlungssituation und die Anstellung im Stundenlohn haben die meisten von uns kein fixes Einkommen. Seit dem Dezember 2016 wurde die Anfragehäufigkeit für uns Dolmetscherinnen von zweimal pro Woche auf ein- mal pro Woche reduziert. Seitdem erhalten wir viel mehr kurzfristige Anfragen per Mail, manchmal bis zu zehn pro Tag, welche dann am Abend noch geprüft werden müssen. Diese Kurzfristigkeit kann schnell zu Existenzangst führen. Ich denke da vor allem an Mütter mit kleinen Kindern, die ihre Tage längerfristig planen müssen.» 21
Dossier Oktober / November 2017 - visuell Plus Janine Criblez Lorette Gervaix VideoCom läuft ab 2018 rund «Mein Beruf als Gebärdensprach- «Ich bin seit über 20 Jahren in die- dolmetscherin ist vielseitig und lehr- sem Beruf und schätze immer noch Dank moderner Technik können reich, er gefällt mir auch nach 13 seine Vielseitigkeit und die wertvol- gehörlose Menschen immer öfter Jahren noch immer sehr gut. Eine len Begegnungen. Oft fehlt leider aus der Distanz Gebärdensprach- zunehmende Herausforderung stel- die Anerkennung für unsere Arbeit, dolmetschende nutzen. Beispiele len für mich die täglich wechselnden sowohl von unserem Arbeitgeber wie dafür sind die Video-Vermittlung Einsatzorte und unterschiedlichen von den Kundinnen und Kunden. «VideoCom» und die 24-Stunden- Arbeitszeiten dar. Ich beziehe dies Sie halten uns für verwöhnte Diven, Textvermittlung der Procom. aber auf mein Alter, denn grundsätz- weil wir die Einsätze selber wäh- lich reise ich sehr gern. Auch schätze len können. Diese Freiheit ist aber Ab 2018 gehört «VideoCom» zur ich es, dass nicht jede Woche der an- enorm wichtig. Es hat nichts mit Grundversorgung. Dann werden deren gleicht. Bequemlichkeit zu tun, sondern da- die Video- und die Textvermittlung mit, die eigenen Fähigkeiten rich- zusammengeführt in einem soge- Als ich diese Tätigkeit angefangen tig einzuschätzen, bevor wir einen nannten «Total Communication habe, waren wir eine überschaubare Auftrag übernehmen. System». Die technischen Probleme Gruppe, eine kleine Gemeinschaft. mit «VideoCom» sollten damit end- Inzwischen hat sich alles weiter- Wir haben einen heiklen Beruf, kein gültig der Vergangenheit angehö- entwickelt, Procom ist gewachsen. regelmässiges Einkommen und im- ren. Der Zugang für die Kundinnen Von gewissen raschen Entwicklungs- mer kurzfristigere Anfragen. Wir und Kunden zum neuen «Total schritten wurden wir alle etwas über- müssen uns alle in einem Monopol- Communication System» läuft über rollt. Sowohl wir Dolmetschenden system bewegen, das die IV einge- ein Portal auf der Webseite, über wie auch die Vermittlung und die richtet hat. Das macht auch die eine PC-App, eine mobile App für Technologie. Da braucht es gegen- Beziehung zu unserem Arbeitgeber das Smartphone oder durch die seitiges Verständnis und Geduld. nicht einfacher. Positiv ist allerdings, Benutzung bekannter Geräte wie Ich wünsche mir manchmal eine dass die Procom seit diesem Sommer Vitab. etwas raschere und offenere Kom- einen Dialog mit den verschiedenen munikation zwischen Vermittlung, Beteiligten begonnen hat. Ein gutes Anrufe bei der Bank oder der Ver- Verwaltung und Dolmetschenden. Zeichen! Und absolut notwendig, sicherung sind nur mit Vollmacht Dies im Sinne der Aufgabe und denn schliesslich haben wir alle das möglich, damit die Banken über Kompetenz von Procom ... sie ver- gleiche Ziel: Die Integration der ge- Drittpersonen Auskunft geben dür- kauft Kommunikation.» hörlosen Menschen!» fen. Die Kundinnen und Kunden können ein Vollmacht-Formular bei der Bank/Versicherung verlangen. Sie senden das Formular an: Procom Dolmetschdienst, Verwal tung, Tannwaldstrasse 2, 4600 Olten. Die Procom sendet das unterzeich- nete Dokument an die zuständige Bank/Versicherung zurück. 22
visuell Plus - Oktober / November 2017 Dossier Gebärdensprachdolmetscher in aller Welt Wie sieht es jenseits der Schweizer Landesgrenzen mit Gebärdensprachdolmetschenden aus? Ein Blick ins Ausland zeigt, dass jene Länder die Nase vorn haben, welche die Sprache und die Kultur von Menschen mit Hörbehinderung am besten schützen. Zudem sorgen weltweit auch immer mehr Deaf Interpreter für echtes Verstehen. Text: Martina Raschle, Foto: Thinkstock mit Vorsicht zu geniessen, da sie aus Die Zukunft verschiedenen Jahren stammen und sich Während also die Schweiz und ihre auf inoffizielle Angaben der nationa- Nachbarn zuerst einmal bessere Aus- len Berufsverbände stützen. Trotzdem bildungs- und Arbeitsbedingungen für zeigen sie, dass auch unsere Nachbarn Gebärdensprachdolmetschende schaffen nicht darauf vorbereit sind, dass eine sowie die gesetzlichen Bedingungen gehörlose Person ihr Recht auf volle anpassen müssen, sind andere Länder Partizipation und bilinguale Bildung in bereits auf dem Weg in die Zukunft des Anspruch nimmt. Es wären sofort alle Gebärdensprachdolmetschens. Gebärdensprachdolmetschenden voll Dies ist besonders dort so, wo die Die internationale Gebärde für ausgebucht. Rechte von Menschen mit einer Hör- «Gebärdensprachdolmetscher». behinderung gut geschützt sind. In den USA oder in den skandinavi- Nordisches Paradies schen Ländern, wo viele gut ausgebil- Ganz anders sieht es im Norden Eu- dete Gebärdensprachdolmetscher zur Das europäische Forum für Gebärden- ropas aus. In Schweden, wo etwa gleich Verfügung stehen, sind auch bereits sprachdolmetscher EFSLI hat Zahlen viele Gehörlose leben wie in der Schweiz, die Trends der Zukunft dieses Berufes zum Verhältnis von Gebärdensprach- teilen sich lediglich 16 Gebärdensprach- sichtbar. nutzern und Gebärdensprachdolmet- nutzer einen Dolmetscher. In Finnland Gebärdensprachdolmetschende sind schenden veröffentlicht. Sie zeigen, dass teilen sich nur sieben Gehörlose einen dort immer mehr spezialisiert (auf die Verfügbarkeit von Gebärdensprach- Gebärdensprachdolmetscher. Noch pa- Themen oder die Art des Übersetzens dolmetschenden in den einzelnen Län- radiesischer ist es in Norwegen, mit ei- wie Text, Video oder Voicing) und kön- dern Europas sehr unterschiedlich ist. nem Verhältnis von 1:3! nen genau passend auf den Einsatz be- Die nordischen Länder sind europäi- stellt werden. Zudem wächst in jenen sche Vorreiter bei der Umsetzung der Ländern – aber glücklicherweise auch in Unsere Nachbarn Rechte von Menschen mit einer Hör- mitteleuropäischen Ländern – die Zahl In unseren Nachbarländern sieht die behinderung. Finnland war eines der der Deaf Interpreter: Diese gehörlosen Situation nicht sehr rosig aus. In Fran- ersten Länder, welches die Gebärden- Dolmetscher füllen die interkulturelle kreich kamen im Jahr 2010 rund 300 Ge- sprache in der Verfassung verankert Lücke, indem sie übersetzte Lautsprache bärdensprachdolmetschende auf 120’000 hat und in ganz Skandinavien sind die in echte Gebärdensprache dolmetschen gehörlose Gebärdensprachnutzer, in Gebärdensprachen anerkannte Sprachen und auch kulturelle Informationen Deutschland mussten sich im Jahr 2013 im Schulwesen. Bilinguale Bildung ist «zwischen den Zeilen» transportieren. rund 400 Gebärdensprachnutzer ei- hier seit Jahren Realität. Entsprechend Sie sind der nächste Schritt hin zu barri- nen Dolmetscher teilen und in Ita- weisen die nordischen Länder das erefreier Bildung, Zugang zu Politik und lien kam in den letzten Jahren eine höchste Bildungsniveau und die beste Kultur. Wir sind gespannt, wohin diese Dolmetscherin auf rund 250 Gebärden- Arbeitsmarktintegration der gehörlosen Entwicklung noch geht. sprachnutzer. Diese Zahlen sind zwar Einwohner auf. 23
Sie können auch lesen