GELEBTE GESCHLECHTERROLLEN IN DER SCHULE
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LV 1212: Internationale Entwicklungsforschung: Theorie und Methodik LV-LeiterInnen: ao.Univ.Prof. Dr. Andreas Novy, Mag. Sarah Habersack Sommersemester 2011 Seminararbeit GELEBTE GESCHLECHTERROLLEN IN DER SCHULE Alexandra Humer Sarah Koch Veronika Ratzinger Unter Mitarbeit von: Klara Jörg, Judith Winkler, Veronika Marinovic, Nora Vilim, Mihael Lučić, Zeljko Friedrich
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ............................................................................................................................... 3 2. Forschungsfrage und Forschungsinteresse............................................................................. 4 3. Theoretische Grundlage ......................................................................................................... 5 3.1. Was bedeutet Sozialisation?............................................................................................ 5 3.2. Sozialisation und Geschlecht........................................................................................... 6 3.3. Sozialisation und Schule ................................................................................................. 9 4. Methodik .............................................................................................................................. 15 4.1. Transdisziplinarität........................................................................................................ 15 4.2. Qualitative Sozialforschung .......................................................................................... 15 4.2.1. Narratives Interview............................................................................................... 16 4.2.2. Teilnehmende Beobachtung................................................................................... 17 5. Dokumentation und Reflexion des Forschungsprozesses .................................................... 18 6. Ergebnisse ............................................................................................................................ 21 6.1. Interviewinterpretation .................................................................................................. 21 6.2. Verbindung Theorie und Forschungsergebnisse ........................................................... 24 7. Zusammenfassung ................................................................................................................ 28 Bibliographie ............................................................................................................................ 29 2
1. Einleitung Die Institution Schule ist nicht geschlechterneutral und das Thema Gender hat auch in der Schule Einzug gehalten. Geschlechterunterschiede werden in der Schule in vielerlei Hinsicht bemerkbar, nicht zuletzt aufgrund des starken Einflusses der Institution Schule auf die Sozialisation der Kinder. Gender und Bildung sind derzeit ein wichtiges Forschungsfeld in der Wissenschaft. Der Ort Schule wird in vielen Studien auf die Gendersensibilität und Gendergerechtigkeit untersucht. Schulbücher werden auf Rollenzuschreibungen analysiert und das Aufbrechen von gesellschaftlich festgelegten Normen angestrebt. Wie in der Studie Eurydice veranschaulicht wird, ist nicht nur der Bereich Schule ein wichtiger Einflussfaktor auf die geschlechtliche Sozialisation von Jungen und Mädchen, sondern auch der außerschulische Bereich. (vgl. Sammons 1995) Dennoch stellt die Schule, da die meisten Kinder bis zu ihrem 14. Lebensjahr einen Großteil ihrer Zeit dort verbringen, einen sehr wichtigen Aspekt hinsichtlich der Entwicklung der Jugendlichen dar. Studien beweisen einen Leistungsunterschied zwischen Burschen und Mädchen im schulischen Bereich. (vgl. Eurydice 2010: 40) Ein interessanter Aspekt ist die Rolle der LehrerInnen, denn nicht nur die Einstellungen und die Motivation der Schüler und die Lehrpläne und Schulbücher, sondern vor allem auch der Umgang der Lehrpersonen mit den Kindern beeinflusst die Sozialisation der Kinder. Prinzipiell sollte davon ausgegangen werden, dass LehrerInnen die Kinder geschlechtsneutral behandeln. Allerdings zeigen Studien auf, dass männliche Schüler öfter getadelt werden und öfter im Mittelpunkt stehen als ihre weiblichen Kolleginnen. (vgl. Weiner 2010: 29ff) Viele Studien weisen darauf hin, dass Mädchen und Burschen von Lehrpersonen unterschiedlich behandelt werden und dies kann meist auf die in der Gesellschaft verfestigten Geschlechterkonstruktionen zurückgeführt werden. (vgl. Weiner 2010: 34) Wie sich dies in der Praxis gestaltet, sollte anhand unserer qualitativen Forschung in der KMS 18 und im BG 18 in Wien untersucht werden. Die Ergebnisse werden hier im Folgenden vorgestellt. Nach einer kurzen Darlegung unserer konkreten Forschungsfrage und unseres Forschungsinteresses, werden zunächst die Theorie und der bisherige Forschungsstand erläutert. Danach wird auf die Methodik und den Forschungsprozess eingegangen bevor die 3
Ergebnisse erläutert werden. Abschließend werden wir die wesentlichen Erkenntnisse unserer Forschung zusammenfassen. 2. Forschungsfrage und Forschungsinteresse Auf das Thema der Geschlechterrollen in der Schule sind vor allem die Schülerinnen des BG 18 aufmerksam geworden. Ihrer Meinung nach werden Mädchen und Burschen in ihrer Klasse von ihren Lehrerinnen und Lehrern nicht gleich behandelt und sie denken, dass es die meisten Mädchen in der Schule leichter haben. Die Schülerinnen des BG 18 hatten sich bereits eine erste Forschungsfrage überlegt, die dann vom ganzen Forschungsteam, bestehend aus zwei Schülern der KMS 18, vier Schülerinnen des BG 18 und drei Studentinnen, im Zuge des Forschungslab überarbeitet wurde. Gemeinsam haben wir beschlossen, vor allem der Frage nachgehen zu wollen, inwiefern sich die Behandlung von Schülerinnen und Schülern in der Schule unterscheidet. Dabei gilt es zu klären, ob Burschen und Mädchen ungleich behandelt werden oder nicht, was die Gründe dafür sind und wie sich die Ungleichbehandlung bemerkbar macht. Die konkrete Fragestellung lautet deshalb: Wie unterscheidet sich die Behandlung von Schülerinnen und Schülern durch die Lehrerinnen und Lehrer in der Schule? Dabei gehen wir, nach Diskussion im Team, von folgenden zwei rein spekulativen und voneinander unabhängigen Annahmen aus, welche nach der Interpretation unserer qualitativen Forschungsergebnisse überprüft werden sollen. Die erste lautet, dass Mädchen bevorzugt werden, weil sie als braver wahrgenommen werden. Dies impliziert eine Ungleichbehandlung zu Ungunsten der Burschen, da sie beispielsweise als unaufmerksamer, lauter oder frecher gelten. Die zweite Annahme ist, dass gute Schülerinnen oder Schüler bevorzugt werden, unabhängig vom Geschlecht. Hier wird die Leistung der Schülerinnen und Schüler in den Vordergrund gestellt und für die Ungleichbehandlung verantwortlich gemacht. 4
3. Theoretische Grundlage In den folgenden Kapiteln wird das Konzept der Sozialisation dargestellt. Da der Schwerpunkt unserer Forschung auf Geschlechterrollen liegt wird im Speziellen auf die geschlechtsspezifische Sozialisation eingegangen. Der Untersuchungsort dieser Forschung ist die Schule und da auch diese zur Sozialisation beiträgt, soll in einem weiteren Punkt die Relevanz dieses Ortes für die geschlechtsspezifische Sozialisation im Konkreten dargestellt werden. 3.1. Was bedeutet Sozialisation? Die Sozialisationsforschung ist ein interdisziplinäres und in ihrer Methode und Theorie sehr vielfältiges Forschungsfeld. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über dieses breite Forschungsfeld gegeben werden, wobei auf eine detaillierte Darstellung der einzelnen Konzepte und Modelle verzichtet wird. Schon im 19. Jh. wurde der Begriff Sozialisation im Oxford Dictionary aus dem Jahr 1828 folgendermaßen beschrieben: „to render social, to make fit for living in society“ beschrieben. (Grundmann 2006: 17 zit. nach Clausen 1968: 21f) Individuen wachsen in die Gesellschaft hinein und passen sich den Vorstellungen und Funktionsmustern an. Die Modelle der Sozialisationsforschung variieren in ihren Methoden und Zugängen, wobei die in den 1960er Jahren vertretene Ansicht, Menschen würden nur durch ihre sozialen Verhältnisse geprägt werden, stark weiterentwickelt wurde. Prinzipiell wird vor allem in der Sozialwissenschaft der Frage nachgegangen, wie sich Individuen in die Gesellschaft integrieren bzw. wie überhaupt aus einzelnen Individuen soziale Gruppierungen entstehen. Die Sozialisationsforschung beschäftigt sich folglich einerseits mit dem „Prozess der Kollektivbindung“ und andererseits mit der Entwicklung der Persönlichkeit. Ersteres wurde bereits von Emile Durkheim thematisiert. (vgl. Grundmann 2006: 17f) Einer der wichtigsten Vertreter der modernen Sozialisationsforschung ist Klaus Hurrelmann, der seine ersten Konzepte zur Sozialisation in den 1980er Jahren veröffentlicht hat. Hurrelmann definiert Sozialisation folgendermaßen: „Sozialisation ist ein Prozess, durch den in wechselseitiger Interdependenz zwischen der biopsychischen Grundstruktur individueller Akteure und ihrer sozialen und physischen Umwelt relativ dauerhafte Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Handlungsdispositionen auf persönlicher ebenso wie auf kollektiver Ebene entstehen.“ (Hurrelmann 2008: 25) Dies 5
bedeutet, dass die Umwelt das Individuum beeinflusst, aber das Individuum auch die Umwelt mitgestaltet. Untersucht wird demnach wie Gesellschaft und Individuum zueinander stehen und wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Sozialisation bedeutet, dass intersubjektive Handlungsvorstellungen sowie stabile Persönlichkeitseigenschaften herausgebildet werden. (ebd.: 25) Jedes Individuum wird in eine bereits bestehende Welt hineingeboren, die vorerst den einzigen Bezugspunkt oder Wirklichkeit darstellt. Diese enge Perspektive ändert sich natürlich im Laufe der Entwicklung und es entstehen vielfältige Wirklichkeiten und Handlungsmöglichkeiten. (vgl. Grundmann 2006: 20) Grundmann weist darauf hin, dass eine eindeutige und einzig gültige Definition des Begriffes Sozialisation nicht gegeben werden kann, da in den verschiedenen Ansätzen und Studien sehr unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. Weiters wird darauf hingewiesen, dass der Prozess der Sozialisierung auch mit Selektions- und Entwicklungsprozessen verbunden ist, was in vielen Forschungen und Theorien nicht berücksichtigt wird. Grundmann fasst folgende Schwerpunktthemen, die in der Sozialisationsforschung vermehrt fokussiert werden, zusammen: • soziale Vermittlungs- und Aneignungsweisen von Handlungswissen und -weisen in institutionellen Bereichen (Familie, Schule, Freundeskreis, Arbeitswelt) • Soziale Praktiken im Zusammenleben von Heranwachsenden in einer sozialen Bezugsgruppe, wie Vereine, Firmen, etc. und welche davon in der Bezugsgruppe „nötig“ sind bzw. erwartet werden. • Geschlechtersozialisation. (siehe Kapitel 3.2.) • Empirische Forschung zu Annahmen über sozial erwünschte Eigenschaften von Personen (vgl. ebd.: 27ff) Im nächsten Kapitel soll der Schwerpunkt Geschlechtersozialisation genauer beleuchtet werden, um später daraus resultierende Annahmen in Bezug auf unsere Forschungsergebnisse zu betrachten. 3.2. Sozialisation und Geschlecht Sozialisation und Geschlecht sind eng miteinander verbunden und können nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Denn die Sozialisation impliziert ebenso ein „Erlernen“ der Geschlechterrollen. Bilden schreibt, dass Sozialisation gleich Vergeschlechtlichung ist, da unsere Gesellschaft auf Dichotomien wie Geschlecht aufbaut. (vgl. Bilden 2006: 46) In der Sozialisationsforschung wird Geschlecht nicht als biologisch determiniertes Merkmal 6
betrachtet, sondern es wird meist davon ausgegangen, dass das Geschlecht sozial konstruiert ist. Geschlecht wird als soziale Kategorie gesehen. (vgl. Bilden 1991: 279f) Was aber bedeutet sozial konstruiert? Die Theorien hierzu kommen vor allem aus der Frauen- und Geschlechterforschung, welche ebenso großen Einfluss auf die Sozialisationstheorien hatten. Prinzipiell wird zwischen verschiedenen Modellen der geschlechtsspezifischen Sozialisation unterschieden, welche von einer jeweils differenten Perspektive und von verschiedenen Annahmen ausgehen. Anders als heute war man früher der Meinung, die Eigenschaften von Frauen und Männern sind durch ihr biologisches Geschlecht bestimmt. Dies wird als biologistischer Ansatz bezeichnet, der allerdings im Laufe der Zeit immer mehr an Bedeutung verloren hat. Das System der Zweigeschlechtlichkeit in unserer Gesellschaft, d. h. das Zuordnen zu einem Geschlecht von Geburt an, entweder Mann oder Frau, wird allerdings bis heute beibehalten, wobei dies mittlerweile von vielen WissenschafterInnen stark kritisiert wird. Auch Sigmund Freud versucht mit seinem psychoanalytischen Modell (Es; Ich; Über-Ich) die Entwicklung zu Mann und Frau zu erklären. Diese Entwicklung ist nach Freud auf das „Erkennen des anatomischen Geschlechtsunterschied“ zurückzuführen. Wobei diese Annahme widerlegt worden ist und heute keinen Zuspruch mehr erhält. (vgl. Niederbacher/Zimmermann 2011: 160ff) Weitere wichtige Modelle und Konzepte zu Sozialisation und Geschlecht wurden beispielsweise von Erving Goffman entwickelt. Nach Goffman wird das Geschlecht so institutionalisiert, dass sich weibliche und männliche Eigenschaften herausbilden. Auch kognitive Konzepte wurden herangezogen, um die Entwicklung des Geschlechts zu erklären. Ein wichtiger Vertreter hierzu war Lawrence Kohlberg. Im Behaviorismus wurde ebenfalls auf die geschlechtsspezifische Sozialisation eingegangen, wobei dieses Modell, das Lernen durch Verstärkung, stark kritisiert wurde und kaum mehr Anwendung findet. (vgl. ebd.: 165f) Zuletzt soll auf das Modell des Konstruktivismus näher eingegangen werden, da dieses unserer Ansicht nach, ein sehr schlüssiges und nützliches Konzept ist, um geschlechtsspezifische Sozialisation zu erklären. Weiters erlaubt es Schlüsse für unsere eigene Forschung zu ziehen und bietet eine gute Basis für unsere weiteren Überlegungen. Prinzipiell wird davon ausgegangen, dass die Weiblichkeit und die Männlichkeit als Wirklichkeit konstruiert werden und nicht a priori existieren. Durch die Interaktionsprozesse in unserer Gesellschaft wird das soziale Geschlecht (gender) stets reproduziert und neu bestimmt. Eine Unterscheidung zwischen Männern und Frauen ist als Resultat des „doing 7
gender“ zu verstehen, welches sich über historische Prozesse verändert. Diese Differenz zwischen den Geschlechtern wird allerdings als konstruiert betrachtet und bildet das Interesse der Forschung. Selbstverständlich gibt es auch hier nicht nur eine Sichtweise, sondern verschiedene Ausprägungen der konstruktivistischen Theorie in der Sozialisationsforschung. Lediglich die oben angeführte Grundannahme bleibt dieselbe. (vgl. Niederbacher/Zimmermann 2011: 171) Eine der wichtigsten VertreterInnen ist Helga Bilden, welche bereits seit den 1980er Jahren die Sozialisation aus einer konstruktivistischen Sichtweise analysiert. Bilden betrachtet die „Sozialisation als Prozess der Individuierung durch Vergesellschaftung und der Vergesellschaftung als Individuierung (die alte Habermas’sche Formel) in einer Gesellschaft, die nach Geschlecht und anderen Differenzen strukturiert ist; insofern ist Sozialisation auch immer Vergeschlechtlichung.“ (Bilden 2006: 46) Wie oben schon angedeutet, wird Geschlecht als soziale Kategorie verstanden und nicht als naturgegeben. Das Frau-Sein und Mann-Sein wird konstruiert. Allerdings ist diese Herausbildung einer Geschlechteridentität nicht starr und einheitlich, sondern unterscheidet sich von kulturellen und gesellschaftlichen Umständen. Wie aber bildet sich diese Geschlechtsidentität? Bilden bezieht sich hier auf Butler und zerlegt die Geschlechteridentität in drei Komponenten: 1. „(Selbst-)Zuordnung zu einer der beiden Geschlechterkategorien, in der Regel lebenslang gemäß der Geschlechterzuweisung bei der Geburt (sex); 2. Identifikation mit Geschlechternormen und -idealen, d. h. mit bestimmten Formen von Männlichkeit oder Weiblichkeit (gender); 3. sexuelle Präferenz, im Rahmen der „heterosexuellen Matrix“ (Butler 1991) (Begehren).“ (ebd.: 50) Diese Komponenten sind jedoch weder über das ganze Leben eines Individuums stabil noch müssen sie sich zwangsweise so eindeutig herausbilden. Hinzuweisen sei jedoch darauf, dass die erste Komponente, Sex, eindeutig festgelegt wird, da zumindest, in der Gesellschaft bzw. Kultur, in der wir leben das „typische“ Zweigeschlechtersystem vorherrscht und „etwas anderes“ gesetzlich nicht anerkannt wird. Schon im frühen Kindesalter führt diese Festlegung des Geschlechts und folglich auch die Selbsterkenntnis in frühen Kindesjahren ein anderes Geschlechtsteil zu haben als ein anderer Mensch, zu einer Zuschreibung sozialer Normen. 8
Hier bildet sich somit schon das soziale Geschlecht heraus. Dieses passt sich der Entwicklung nach an vorgegebene Normen und Rollen der jeweiligen Gesellschaft an. (ebd.: 51f) Bilden geht schließlich davon aus, dass sich die geschlechtsspezifische Sozialisation „[…] in der Produktion der Wirklichkeit und damit des Selbst-Bildnisses des Individuums durch soziale Praktiken […]“ herausbildet. (Bilden 1998: 280 zitiert nach Lange 2009: 53) Unter soziale Praktiken, welche das soziale Geschlecht konstruieren können, fallen z.B. die Arbeitsteilung, also die Zuweisung bestimmter Tätigkeiten und Berufe an ein bestimmtes Geschlecht (bspw. Frauen = Haushalt) oder aber auch z.B. die Hierarchisierung verschiedener Lebensbereiche (Männer haben hierarchisch höhere Positionen inne). (vgl. Lange 2009: 52) Kinder kommen von Geburt an mit vorgelebten Gewohnheiten und Traditionen in Berührung. Sei es die geschlechtstypische Kleidung oder Schmuck, oder aber auch das soziale Milieu, welches jeweils unterschiedliche Praktiken vorgibt. Kinder identifizieren sich mit der Zeit selbst als das eine oder andere Geschlecht und ordnen sich so in der zweigeschlechtlichen Welt ein. Dabei erlernen die Kinder auch wie sie sich als Junge oder Mädchen zu verhalten haben, um in der Gesellschaft als sozial kompetent wahrgenommen zu werden. Die Aneignung der geschlechtstypischen Eigenschaften ist die Folge, um nicht als sozial inkompetent abgestempelt zu werden. Studien zeigen, dass Kinder bis zu den ersten Liebesbeziehungen Freundschaften mit Gleichgeschlechtlichen bevorzugen, was sich wiederum verstärkt auf eine Aneignung geschlechtstypischer Eigenschaften und Einstellungen auswirkt. (vgl. Faulstich-Wieland 2008: 243) Wie aufgezeigt wurde, gibt es viele Einflussfaktoren, die schließlich zur Entwicklung des einen oder anderen Geschlechts führen. Festzuhalten ist, dass sich das zweigeschlechtliche System weiter reproduziert, obwohl sich heutzutage festgefahrene Vorurteile und Stereotype immer mehr auflösen und lockern. Anhand unserer Feldforschung soll später gezeigt werden, inwiefern diese Sozialisationsmuster in den untersuchten Schulen auffindbar sind. 3.3. Sozialisation und Schule Individuen befinden sich stetig in Interaktion mit anderen Individuen oder Bereichen. Diese können als Interaktionsgeflecht oder aber auch als Sozialisationsbereiche bezeichnet werden. Demnach haben diese Sozialisationsbereiche auch Einfluss auf die Bildung von Geschlechtern. Eine der wichtigsten und ersten Sozialisationsbereiche stellt die Familie dar. Familie ist unumstritten der zentrale Ort für Kinder, wo sie in ihren Haltungen, Werten und 9
Chancen stark geprägt werden. Familie trägt somit zur individuellen Identitätskonstruktion bei, aber begründet zugleich auch soziale Identitäten. Mit zunehmendem Alter kommen weitere Sozialisationsbereiche hinzu, wie beispielsweise die Schule, Jugendkulturen, Medien, etc. (vgl. Niederbacher/Zimmermann 2011: 71) Im Folgenden wird der Bereich Schule untersucht, da aufgrund unserer Forschungsfrage die Thematisierung jenes Sozialisationsbereiches relevanter ist. Prinzipiell sollten diese Bereiche nicht isoliert voneinander betrachtet werden, da sie gemeinsam als Ganzes die Sozialisation jedes Individuums beeinflussen. Mindestens neun Jahre müssen sich die Heranwachsenden den alltäglichen Anstrengungen der Schule stellen. Einerseits ist dabei die Aufgabe der LehrerInnen die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen im Zuge der bloßen Wissensvermittlung im geplanten Unterricht, andererseits geschieht in der Schule aber weit mehr als diese bloße Wissensvermittlung. Die Erfahrungen aus der Schule, wie sie erlebt und bewältigt wurde, wirken oft lange Zeit nach. (vgl. Niederbacher/Zimmermann 2011: 100) In der Familie ist der Status der Kinder über das Alter und das Geschlecht festgelegt und die Beziehungen bestehen ohne Leistungshintergrund. In der Schule hingegen müssen sich die Kinder ihren Status durch Erbringung von Leistungen beziehungsweise durch Erfüllung der an ihre Rollen geknüpften Erwartungen erlangen. Die Schule ist dabei ein System, in dem die Interaktionen zwischen den Lehrpersonen und den SchülerInnen an bestimmte gesellschaftlich vorgegebene Rollenerwartungen geknüpft sind, nämlich dass der Lehrer beziehungsweise die Lehrerin lehrt und der Schüler beziehungsweise die Schülerin lernt. Optimal wäre deshalb, wenn die SchülerInnen diese Erwartungen erfüllen und dabei auch ihre eigenen Bedürfnisse erfüllen können, denn dann stehen ihnen auch Anerkennung und Belohnung zu. Werden diese Erwartungen jedoch nicht erfüllt, ist mit Ablehnung, Bestrafung und sogar Sanktionen zu rechnen. (vgl. Niederbacher/Zimmermann 2011: 101) „Sozialisation heißt in diesem Zusammenhang, einen Weg zur Übereinstimmung von Rolle und Persönlichkeit zu finden. Wird ein Gleichgewicht gefunden, dann hat auch eine erfolgreiche Sozialisation stattgefunden.“ (Niederbacher/Zimmermann 2011: 101) Neben den Rollenerwartungen nimmt auch die Leistungsbewertung eine zentrale Rolle im schulischen Sozialisationsprozess ein. In der Institution Schule ist es funktional notwendig eine Leistungsbewertung durch Vergabe von Noten vorzunehmen. Gerecht ist eine Bewertung dann, wenn die Noten auf den tatsächlichen individuellen Leistungen beruhen. Damit werden 10
jedoch eine Selektion sowie soziale Ungleichheit legitimiert. (vgl. Niederbacher/Zimmermann 2011: 102) Die Selektion über die Notenvergabe und die damit verbundene Zuordnung der SchülerInnen in weiterführende Schulen beziehungsweise berufliche Positionen ist eine der Funktionen die der schulische Sozialisationsprozess erfüllt. Des Weiteren sollen die SchülerInnen Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen erlernen und auf das gesellschaftliche Leben vorbereitet werden, unter anderem auch durch die indirekte Vermittlung von Norm- und Wertorientierungen im Zuge des heimlichen Lehrplans. (vgl. Niederbacher/Zimmermann 2011: 104f) Weiner gibt in der Eurydice Studie zehn Bereiche im Umfeld der Studie an, in denen Gender eine wichtige Rolle spielt und welchen vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt wird: die (offiziellen und heimlichen) Lehrpläne, Lesematerial in der Schule, Fächerpräferenzen und Fächerwahl, Motivation und psychologische Aspekte, das schulische Umfeld, Einstellungen der Lehrpersonen, Leistungsbewertungen, Lehren als Beruf, Koedukation und monoedukative Bildungsangebote und die Jungenwende. (vgl. Weiner 2010: 29) Auf einige dieser Punkte, die mit der schulischen Sozialisation in Zusammenhang stehen, wird im Folgenden eingegangen. Der heimliche Lehrplan bezeichnet alle unintendierten sozialen Lernerfahrungen, die die SchülerInnen in der Schule machen. Dabei geht es vor allem darum, dass die SchülerInnen lernen sich verhaltenskonform zu verhalten, also Regeln und Rituale der Institution Schule einzuhalten, sich in eine Gruppe einzuordnen und zu akzeptieren, dass ihr Schulalltag fremdbestimmt ist. Im Hinblick auf die Leistung trägt der heimliche Lehrplan entscheidend zur Persönlichkeitsentwicklung der SchülerInnen bei. Sie fühlen sich nicht nur nach ihrer Leistung, sondern auch als Person beurteilt, weshalb gute Leistungen zu einer Stärkung des Selbstwertgefühls führen und schlechte Leistungen zu einem instabilen Selbstbild beziehungsweise oft sogar zu Resignation der SchülerInnen führen. (vgl. Niederbacher/Zimmermann 2011: 106ff) In Bezug auf die geschlechterspezifische Sozialisation sollte davon ausgegangen werden können, dass durch die Koedukation die gleichen Bildungschancen sowohl für Mädchen als auch Burschen bestehen. Allerdings wurde durch den heimlichen Lehrplan lange von einer Benachteiligung der Mädchen ausgegangen, da die Burschen mehr Aufmerksamkeit von den Lehrern erhalten und „[…] Jungen von Lehrerinnen und Lehrern für aufgeweckter, 11
intelligenter, kreativer und phantasievoller gehalten werden als Mädchen.“ (Niederbacher/Zimmermann: 108). Zudem wird davon ausgegangen, dass der Unterricht oft dahingehend an die Interessen der Burschen angepasst wurde, um ihre Aufmerksamkeit zu erhalten und einen störungsfreien Unterricht zu ermöglichen. Das Störverhalten der Burschen wird dabei nämlich als normal und unveränderlich angesehen. Systemkonformes Verhalten und Lernengagement wird von den Schülern erwartet und jegliches abweichendes Verhalten ist unerwünscht. „Je besser sich Schülerinnen und Schüler im Unterricht den Erwartungen und Vorstellungen der Lehrer anpassen und je besser ihnen eine Tarnung im Sinne der Integration beider Lehrpläne gelingt, desto größer wird die Chance für eine erfolgreiche schulische Karriere.“ (Niederbacher/Zimmermann 2011: 109). (vgl. Niederbacher/Zimmermann 2011: 106ff) Die Schule trägt in vielerlei Hinsicht zur Ausbildung des Selbstwertgfühls der SchülerInnen bei. Ob und wie stark das Selbstwertgefühl der SchülerInnen ist, hängt zunächst davon ab, wie sehr eine Anerkennung in der Familie erfahren wurde. In der Schule kann dieses Selbstwertgefühl durch den Schulerfolg, die Anerkennung in der Altersgruppe und die Lehrer-Schüler-Interaktion bestätigt oder gar verstärkt werden. Die LehrerInnen und ihre Einstellungen beeinflussen das Selbstwertgefühl vor allem dadurch, wie sie den SchülerInnen Erfolge beziehungsweise Misserfolge vermitteln und wie stark sie Leistungsdruck ausüben. Aufgrund der geschlechtsspezifischen Sozialisation ist es so, dass Mädchen im Vergleich zu Burschen ein schwächeres Selbstwertgefühl haben. Die Ausprägung des Selbstwertgefühls ist somit von der Familie, dem Geschlecht und der Schule abhängig und wirkt mitunter auf die Leistung der SchülerInnen aus. (vgl. Niederbacher/Zimmermann 2011: 116f) Die Burschen bleiben dem Druck ausgesetzt, immer die „Cooleren“ sein zu müssen und bleiben dabei in einem Netz von Selbstüberschätzung gefangen. (vgl. Schneider 2002: 465) Wie bereits erwähnt, wäre der Idealfall, dass sich die SchülerInnnen gemäß den Regeln der Institution Schule verhalten. Tun sie dies nicht, wird es als abweichendes Verhalten bezeichnet. Darunter fallen beispielsweise Störungen des Unterrichts, wenn diese dem/der LehrerIn wiederholt auffallen oder wenn es sich um grobe Regelverletzungen handelt, die auch von der Lehrperson sanktioniert wird. Was jedoch konkret als abweichendes Verhalten bezeichnet wird, ist von der Lehrperson und ihrer Definition von abweichendem Verhalten abhängig. Die Definitionsmacht des/der LehrerIn geht soweit, dass er nach wiederholtem störenden Verhalten eines gewissen Schülers beziehungsweise einer Schülerin dieses Verhalten direkt mit der Person in Verbindung bringt und somit dieser Person ein negatives 12
„Etikett“ zuschreibt. Der/die LehrerIn erwartet dann kein anderes Verhalten mehr von dem Schüler oder der Schülerin und diese werden sich zunehmend auch nach den Erwartungen der Lehrperson verhalten. Verschärft wird eine solche Situation, wenn sich abweichendes Verhalten bei leistungsschwachen SchülerInnen bemerkbar macht, was auch öfters der Fall ist als bei leistungsstarken SchülerInnen und bis zur Aussonderung der SchülerInnen aus der Institution Schule führen kann. (vgl. Niederbacher/Zimmermann 2011: 119f) „Dieser Vorgang zeigt, wie die in der Institution Schule beschäftigten Lehrer die Vorstellungen von ‚Norm‘ und ‚Abweichung‘ maßgeblich prägen und aufrechterhalten.“ (Niederbacher/Zimmermann 2011: 120) Durch die Einführung der Koedukation hat sich die Schule zwar von der Zuschreibung als eine Institution einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft lösen können, dennoch werden geschlechtsspezifische Rollenklischees im Unterricht über den heimlichen Lehrplan reproduziert. Was die Schulleistung anbelangt, schneiden die Mädchen schon seit langem mindestens genauso gut ab wie die Burschen. (vgl. Niederbacher/Zimmermann 2011: 121) Schneider geht sogar soweit zu sagen, dass die Mädchen die Burschen bildungsmäßig überholt haben, denn statistisch gesehen erbringen die Mädchen in Anbetracht der Schulnoten die besseren Leistungen, weniger Mädchen fallen durch und auch die Anzahl der Studienanfängerinnen an der Universität übersteigt die der Studienanfänger. (vgl. Schneider 2002: 464f) Studien beweisen einen Leistungsunterschied zwischen Burschen und Mädchen im schulischen Bereich. Mädchen sind tendenziell besser im Lesen. Dies ist meist auf ein verstärktes Interesse der Mädchen am Lesen zurückzuführen. (vgl. Eurydice 2010: 40) Die Annahme, Mädchen würden in den Naturwissenschaften schlechtere Leistungen als Buben erbringen, wird in vielen Studien widerlegt. In diesem Bereich sind fast keine Geschlechterunterschiede zu vermerken. (vgl. Mullis u. a. 2000, TIMSS, Pisa) Allerdings haben die Mädchen immer noch mit der Zuschreibung zu kämpfen, dass ihre Begabung und Wissbegierde als weiblicher Fleiß fehlinterpretiert wird und es wird oft übersehen, dass sich die Mädchen oft bewusst zurücknehmen um sich von vorgefertigten Erwartungen zu lösen und somit eine passive Rolle in der Insitution Schule einnehmen. (vgl. Schneider 2002: 465) Darüber ob die Koedukation über die schulische Sozialisation zu mehr Gleichberechtigung geführt hat und wer die Opfer beziehungsweise VerliererInnen der Koedukation sind, wird viel diskutiert. In der Regel werden die Mädchen als die Verliererinnen dargestellt, da die Burschen mehr Aufmerksamkeit im Unterricht bekommen, auch wenn die Lehrpersonen dies nicht absichtlich beziehungsweise gewollt tun. Bemerkbar macht sich dies in öfterem 13
Aufrufen, häufigerem Lob, Tadel und Ermahnungen aufgrund mangelnder Disziplin. Dahinter stecken möglicherweise die Einstellungen und Wahrnehmungen der LehrerInnen, dass Burschen stärker gefördert werden sollten und ihre Beiträge im Unterreicht wertvoller sind. Die Jungen werden bevorzugt, weil sie für intelligenter, aufgeweckter und kreativer gehalten werden, allerdings erwartet man auch, dass sie eher Lernschwierigkeiten haben. Darüber hinaus wird der Unterricht gemäß den Interessen der Jungen gestaltet, da somit erhofft wird, dass die von ihnen erwarteten Störungen ausbleiben. Diese Dominanz der Jungen spiegelt sich auch im Verhältnis zwischen Schülerinnen und Schülern wider, das sich durch verbale und physische Angriffe der Burschen gegenüber den Mädchen auszeichnet, auf die die Mädchen entweder passiv reagieren oder gar dulden oder sich zurückziehen. Auf der anderen Seite erwarten die Lehrpersonen von den Mädchen kooperatives, integratives und aufgabenorientiertes Verhalten, das den Unterricht fördert, für das sie aber kaum Anerkennung bekommen. (vgl. Niederbacher/Zimmermann 2011: 121ff) „So entsteht ein Paradoxon: Das defizitäre Verhalten der Jungen stärkt deren Selbstwertgefühl, das kooperative, integrative und aufgabenorientierte Verhalten der Mädchen wird als selbstverständlich angenommen und ihr Selbstwertgefühl eher tangiert denn gestärkt.“ (Niederbacher/Zimmermann 2011: 123) Dem gegenüber steht jedoch die Wahrnehmung im öffentlichen Diskurs, dass die Buben die Opfer beziehungsweise die Verlierer sind. (vgl. Schneider 2002: 465) Liegt nun eine unterschiedliche Behandlung vor, ist diese meist auf die in der Gesellschaft verfestigten Geschlechterkonstruktionen zurückzuführen. So werden Burschen als frecher und auffälliger wahrgenommen und Mädchen als sozialer und anpassungsfähiger. Die besseren Leistungen der Schülerinnen werden auf ihren Ehrgeiz und ihre Lernfähigkeit zurückgeführt und nicht auf ihre Intelligenz, die eher den Buben zugeschrieben wird. (vgl. Weiner 2010: 34) 14
4. Methodik 4.1. Transdisziplinarität Die Transdisziplinarität stellt eines der wichtigsten Prinzipien dar, die im Rahmen des Projekts Ungleiche Vielfalt für die Forschung über sozialen Zusammenhalt in Städten erarbeitet wurde. (vgl. Novy/Habersack 2010: 180) Mit Transdisziplinarität wird die „Einbindung von Erfahrungswissen in die Produktion gesellschaftlich relevanten Wissens“ verstanden. (Novy/Habersack 2010:181) Diese Kombination von wissenschaftlichem und praxisrelevantem Wissen soll die Qualität der Forschung verbessern, da dadurch „einseitiges Spezialistentum“ überwunden werden kann und Probleme nicht mehr nach „Zuständigkeiten, Kompetenzen und Disziplinen schubladisiert“ werden. (vgl. Novy/Habersack 2010: 181f.) In vorliegender Forschungsarbeit spiegelt sich die Transdisziplinarität v.a. in der vielfältigen Zusammensetzung des Forschungsteams. Schülerinnen des BG, Schüler der KMS und Studentinnen der WU arbeiten als Team auf gleicher Augenhöhe. 4.2. Qualitative Sozialforschung „Qualitative Sozialforschung als ein sensibles Forschungsinstrumentarium ist am ehesten in der Lage, die Entwicklungsprozesse, Entwicklungsschritte und Entwicklungs- interdependenzen in ihrer ganzen Vielfältigkeit herauszuarbeiten und zu erfassen: Im Unterschied zu quantitativ orientierten Methoden liegt ihr Interesse nicht in der Feststellung stabiler Strukturen, […] sondern im Erfassen von Verlaufsstrukturen.“ (Hurrelmann 1991:361f. zitiert nach Heinze 2001:30) Dieses Zitat zeigt in aller Kürze sehr schön, warum wir uns für qualitative Methoden entschieden haben, um unserer Forschungsfrage nachzugehen. Die Behandlung von SchülerInnen durch LehrerInnen unterliegt keinen festen, stabilen Strukturen, viel wichtiger ist es die „Verlaufsstruktur“, wie sie Hurrelmann bezeichnet, die dem Miteinander von LehrerInnen und SchülerInnen zu Grunde liegt herauszufiltern. Das Ziel ist es Interdependenzen im Umgang der LehrerInnen mit den SchülerInnen (und umgekehrt) fest zu stellen. Darüber hinaus gilt, dass bei einer „induktiven“ Vorgehensweise der Forschung, in der erfahrbare Wirklichkeit als Ausgangspunkt dient – in unserem Fall handelt es sich um die erfahrbare Wirklichkeit in den Klassenzimmern – und danach beschrieben und analysiert wird, 15
als erster Schritt eine qualitative Methode zu wählen ist. Der Grund hierfür ist darin zu verorten, dass qualitative Methoden mit einem niedrigeren Abstraktionsgrad arbeiten und somit eine größere Gegenstandsnähe aufweisen. (Heinze 2001:27) In diesem Sinne haben wir uns für folgende qualitative Forschungsmethoden entschieden: jene der narrativen Interviews und jene der teilnehmenden Beobachtung. Diese werden in nachstehenden Unterkapiteln kurz beschrieben. 4.2.1. Narratives Interview Das narrative Interview wurde Ende der 1970er Jahre vom Soziologen Fritz Schütze entwickelt. Er geht von der Annahme aus, „dass die soziale Wirklichkeit nicht außerhalb des Handelns der Gesellschaftsmitglieder ‚existiert‘, sondern jeweils im Rahmen kommunikativer Interaktionen hergestellt wird.“ (Küsters 2009: 18) Die soziale Wirklichkeit wird somit nicht als statisch angesehen, sondern wird als „Prozessgeschehen“ verstanden. Für die vorliegende Forschungsarbeit ist vor allem die soziale Wirklichkeit in der Schule von Interesse. Um diese zu untersuchen, müssen „kommunikative Interaktionen sinnverstehend analysiert werden.“ (Küsters 2009: 18) Im narrativen Interview, als besondere Form des offenen Interviews, wird der/die InterviewpartnerIn gebeten, eigene Erlebnisse, in die sie selbst verwickelt waren, als Form einer Geschichte zu erzählen. Wichtig ist, dass es sich um eine Stegreiferzählung handelt, das heißt, dass der/die Interviewte keine Zeit für eine vorherige Vorbereitung auf die gestellten Fragen hat. Besonderes Augenmerk wird auf die Dynamik des Erzählvorganges gelegt. Der Fokus des Interviews liegt somit weniger auf dem Inhalt (WAS?), als auf der gegenseitigen Bezugnahme und der Inhaltskonstitution (WIE?). (vgl. Glinka 1998: 9f./ Küsters 2009: 18) Das narrative Interview gliedert sich in eine Haupterzählung und einen Nachfrageteil (vgl. Glinka 1998: 12f.) In der Phase der Haupterzählung wird der/die InterviewpartnerIn durch einen Erzählstimulus aufgefordert eine Geschichte zu erzählen. Folgender Stimulus wurde für die vorliegende Forschung gewählt: „Wann hast du dich das letzte Mal über eine Lehrerin oder einen Lehrer geärgert?“ bzw. „Wann haben Sie sich das letzte Mal über eine Schülerin oder einen Schüler geärgert?“ Im Nachfrageteil wird vorerst versucht das Erzählpotenzial des/der Gegenüber(s) weiter auszuschöpfen. Fragen mit narrativer Generierungskraft werden gestellt. Diese sollen die Erzählung weiterer kleiner Geschichten hervorrufen. Nach dem das Erzählpotenzial ausgeschöpft wurde, soll bei dem/der InterviewpartnerIn das Argumentationsschema 16
reaktiviert werden. Es wird unter anderem nach dem Warum und Wieso nachgehakt (vgl. Glinka 1998: 15ff.) Folgende Fragen wurden neben anderen in der Nachfragephase der vorliegenden Forschung verwendet: „Wieso hast du dich geärgert? Ist das bereits öfter vorgekommen? Warum glaubst du hat der/die LehrerIn so gehandelt? Glaubst du, dass er/sie richtig gehandelt hat? Hast du etwas dazu beigetragen? Trägst du vielleicht Mitschuld?“. Für die Auswertung und Interpretation der Interviews wurde eine Themenanalyse nach der Methode des zirkulären Dekonstruierens vorgenommen. Im Speziellen wurden die einzelnen Arbeitsschritte entsprechend jenen des reduktionsorientierten Codierverfahrens angelehnt an Froschauer/Lueger (2003) durchgeführt. (vgl. Beinstein/Novy/Voßemer 2008: 29). 4.2.2. Teilnehmende Beobachtung Die Teilnehmende Beobachtung zielt darauf ab Erkenntnis über die soziale Realität zu gewinnen, in unserem Fall wäre diese die soziale Realität im Klassenraum und die Institution Schule. Ein zentrales Kennzeichen dieser Methode der Sozialforschung ist die persönliche Teilnahme der ForscherInnen an der Praxis derjenigen, deren Handeln und Denken untersucht werden sollen. (Mikos/Wegener 2005:315ff.) Geplant war, dass die SchülerInnen des Forschungsteams selbst die Beobachtung im Unterricht durchführen. Um möglichst aussagekräftige Daten zu erhalten sollte über den Zeitraum des ganzen Semesters beobachtet werden, welche für unsere Forschungsfrage signifikanten Ereignisse im Klassenzimmer stattfinden. Durch vorgefertigte Protokollformulare, in welche die Ereignisse eingetragen werden sollten, wurde dem Problem relativer Beliebigkeit der teilnehmenden Beobachtung von Vornherein entgegengewirkt. Anzumerken ist in Zusammenhang mit der teilnehmenden Beobachtung, dass die ForscherInnen bedacht sein sollten das Beobachtungsinteresse von der rein deskriptiven Ebene auf latente Inhalte zu richten. Dies erfordert eine gründliche Analyse, die auch Augenmerk auf Tiefenstrukturen legt. (vgl. Beinstein/Novy/Voßemer 2008: 20) 17
5. Dokumentation und Reflexion des Forschungsprozesses Im Zuge des Forschungslab kam es zur Bildung der Forschungsteams und zu einem ersten Kennenlernen. Wie bereits erwähnt bestand unser Team aus zwei Schülern aus der KMS 18, vier Schülerinnen aus dem BG 18 und drei Studentinnen. Auf spielerische Art und Weise haben wir uns erste Gedanken zu unserer Forschungsfrage gemacht, diese dann auch ausformuliert, mögliche Antworten auf die Frage andiskutiert und dies alles festgehalten. Bis zum nächsten Treffen haben wir, Studentinnen, uns bereits erste Überlegungen zur Theorie gemacht und folglich auch ein Proposal verfasst. Bei diesen Vorbereitungen sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir die Forschungsfrage kürzen müssen, da die ursprünglich vorgeschlagene Fragestellung zu umfangreich gewesen wäre und eine längere Forschung hierzu nötig gewesen wäre. Demnach haben wir uns dazu entschlossen, lediglich auf den ersten Teil, also wie sich die Behandlung von Schülern und Schülerinnen in der Schule unterscheidet, zu fokussieren. Bei einem weiteren Zusammentreffen unseres Forschungsteamsbeim Forschungsforum, bei dem die anderen Forschungsteams ebenfalls anwesend waren, haben wir uns ein Bild darüber gemacht, wie sich die SchülerInnen in der Schule als Mädchen beziehungsweise Burschen fühlen. Im Zuge dieses Brainstormings sind einige interessante, aber teilweise auch erwartete Antworten gekommen wie beispielsweise, dass sich die Burschen in der Schule oft beschuldigt und auch benachteiligt fühlen und schlechtes Benehmen von ihnen erwartet wird. Bei den Mädchen hingegen kamen Antworten wie, dass sie im Hinblick auf das Benehmen bevorzugt werden, weil gutes Benehmen von ihnen erwartet wird, aber auch, dass sie sich mehr behaupten müssen und in einigen Fächern, vor allem naturwissenschaftlichen Fächern, unterschätzt werden. (vgl. Anhang 1: 32f) Nachdem wir uns diese ersten Eindrücke verschafft hatten, ging es an die Vorbereitung der Interviews. Mögliche Fragestellungen wurden unter anderem in den Workshops beim Forschungsforum, die gemeinsam mit den SchülerInnen der KMS und des BG stattfanden, erarbeitet. Im Forschungsforum konnten alle bei diversen Workshops zur qualitativen Sozialforschung teilnehmen. Wir haben uns in der Gruppe auf die verschiedenen Workshops aufgeteilt. Wobei für uns vor allem der Workshop zum Führen von Interviews, wo wir eben die Möglichkeit hatten unsere Einstiegsfrage für das Interview zu formulieren, interessant war. Ein anderer Teil unserer Gruppe nahm am Workshop zur Teilnehmenden Beobachtung teil, weil auch diese Methode Teil unserer Forschung sein sollte. 18
Die narrativen Interviews wurden dann von einzelnen Personen unseres Forschungsteams durchgeführt. Positiv hervorzuheben ist dabei, dass die Vereinbarung der Termine mit den InterviewpartnerInnenn ausschließlich über die SchülerInnen unseres Forschungsteams erfolgte und sehr gut funktioniert hat. Wir hatten uns darauf geeinigt einen Schüler aus der 4. Klasse des BG 18 und eine Schülerin aus der KMS 18 zu interviewen. Es war uns wichtig, jeweils eine Meinung von männlichen Schülern und weiblichen Schülerinnen einzuholen. Demnach haben wir auch jeweils einen Lehrer und eine Lehrerin aus beiden Schulen für das Interview ausgewählt. Insgesamt wurden somit vier narrative Interviews geführt. Wir haben uns bewusst überlegt, dass jeweils eine/r der SchülerInnen und eine der Studentinnen bei der Interviewführung anwesend ist. Es war uns ein Anliegen, dass hierbei ein Gleichgewicht der beteiligten ForscherInnen herrscht. Denn es ist von großer Bedeutung, dass mehrere Perspektiven und Blickwinkel auf den zu erforschenden Gegenstand ermöglicht werden. Allerdings war diese Aufteilung der Interviewer aufgrund von Zeitproblemen nicht möglich. Dennoch verliefen die Interviews sehr gut und spannend. Spannend verliefen sie vor allem insofern, als gleich beim ersten Interview festgestellt wurde, dass der Interviewpartner mit dem Erzählstimulus wenig anfangen konnte, da ihm keine ärgerliche Situation einfiel. Die vorbereiteten Fragen dienten den Interviewern somit nicht und es musste sehr spontan reagiert werden. Im Gegensatz dazu wurde jedoch auch ein Interview geführt, bei dem sich der vorbereitete Erzählstimulus als sehr passend erwies. Es konnte durch die Eingangsfrage ein relativ langer Erzählfluss von über 20 Minuten generiert werden. Sehr engagiert bei der Interviewführung war auch der Schüler der KMS, der die Interviews mit den InterviewpartnerInnen aus der KMS führte. Lediglich seine persönliche Betroffenheit und die starke persönliche Identifizierung mit dem Thema führten dazu, dass eines der Interviews weniger als narratives Interview bezeichnet werden kann und viel stärker in ein Gespräch übergegangen ist, als dies geplant war. Ausschlaggebend dafür war vor allem auch die nicht geplante, zu direkte Fragestellung am Beginn des Interviews. Dies brachte uns die Erkenntnis, dass beim Führen von Interviews immer eine gewisse Objektivität und Distanz gegenüber den InterviewpartnerInnen herrschen sollte. Eine weitere, für uns sehr interessante Erkenntnis, zeigte sich im Verhalten der Schülerin während des Interviews. Sie machte nur wenige konkrete Aussagen und verhielt sich im Gegensatz zu den zwei Burschen sehr ruhig. Hier drängt sich die Frage auf, ob sie sich anders verhalten hätte, wenn sie alleine interviewt worden wäre, ob sie zum Beispiel ihre Meinung vehementer vertreten hätte. 19
Nach der Transkription der Interviews haben wir uns schließlich wieder in der Gruppe getroffen. Leider konnten zu diesem Treffen nur die BG Schülerinnen kommen. Bei der Besprechung und Auswertung der Interviews waren vor allem die Schülerinnen des BG mit viel Engagement bei der Sache. Es war sehr hilfreich, dass auch hier wieder verschiedene Blickwinkel auf die Interviews geworfen wurden, da viele Aspekte sichtbar gemacht werden konnten, die von einzelnen Personen möglicherweise nicht erkannt worden wären. Die Interviews der KMS haben schließlich nur wir Studentinnen ausgewertet und interpretiert. Von Vorteil war hier natürlich, dass wir zu dritt waren. Welche Ergebnisse aus den Interviews gewonnen werden konnten, wird im nächsten Kapitel dargelegt. Wenig erfolgreich waren wir leider mit der teilnehmenden Beobachtung. Mit dem Hintergedanken, dass eine teilnehmende Beobachtung im Rahmen derer wir uns stundenweise in den Unterricht gesetzt hätten wohl wenig Aussagekraft hätte, haben wir uns für die Methode der Indizbeobachtung entschieden. Es wurde mit den SchülerInnen der Projektgruppe vereinbart, dass sie über den Zeitraum des ganzen Semesters für die Forschungsarbeit relevante Situationen aus dem Unterricht in von uns vorbereiteten Protokollformularen festhalten würden. Leider wurde jedoch von sechs Personen nur ein einziges Protokollformular mit einer Beobachtung an uns retourniert. (vgl. Anahng 3: 62) Bevor im nachfolgenden Kapitel die Ergebnisse unserer Forschung dargestellt werden, sei abschließend festgehalten: Die transdisziplinäre Forschungsarbeit im Rahmen dieses Projektes erwies sich einerseits als Herausforderung – die Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlichen Alters, unterschiedlichen Bildungsgrades und unterschiedlicher sozialer Hintergründe verlangt eine differenzierte Arbeitsweise. Andererseits stellte eben diese Vielfalt der Forschungsgruppe eine Bereicherung dar, weil sie u.a. im Team als AlltagsspezialistInnen fungierten. Wir konnten durch diese Zusammenarbeit wertvolle Erfahrung gewinnen. Ungleiche Vielfalt ist eine Herausforderung, aber auch eine Bereicherung! 20
6. Ergebnisse 6.1. Interviewinterpretation Während der Interpretation sind wir auf verschiedene Faktoren gestoßen, die die Behandlung von SchülerInnen durch LehrerInnen beeinflussen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Faktoren nicht isoliert von einander zu betrachten sind, sondern sich teilweise überschneiden beziehungweise aufeinander einwirken. Im Weiteren werden folgende Faktoren anhand der Interviews näher beleuchtet: Benehmen und Image, Beziehung zwischen LehrerInnen und SchülerInnen, Begabung der SchülerInnen, Leistung und Fleiß der SchülerInnen, Einstellung und Wahrnehmung der LehrerInnen, sozialer Hintergrund. Benehmen und Image Das Benehmen und Image der SchülerInnen als determinierender Faktor für die Behandlung der SchülerInnen wurde in allen vier Interviews angesprochen. Vor allem die besondere Bedeutung des Images wurde von den zwei LehrerInnen stark betont, wobei bei den interviewten SchülerInnen eher das Benehmen im Mittelpunkt stand. Ein/e LehrerIn hebt hervor, dass es sowohl für Buben als auch Mädchen von großer Bedeutung ist, wie sie von Gleichaltrigen wahrgenommen werden. Jedoch stellt sich im Laufe des Interviews heraus, dass der/die LehrerIn den Eindruck hat, dass Buben „cool“ sein wollen und auch öfters provozieren als Mädchen und Mädchen im Gegensatz dazu ein braveres Image vorweisen. Allerdings wird eine Veränderung dahingehend beobachtet, dass Mädchen immer mehr das Image und Benehmen der Burschen adaptieren, um sich von dem negativ konnotierten „Streberimage“ loszulösen. In diesem Zusammenhang wird zum Beispiel folgende Aussage getätigt: „Die Mädchen versuchen da schon dann auch nicht zu sehr in das Streber Image zu gleiten und das ist was, was mir immer eigentlich nicht gefällt, dass jeder der was macht schon automatisch ein Streber ist […]“ (vgl. Anhang 2.1: 34f) Eine weitere Lehrperson differenziert im Gegensatz zur vorangegangenen Aussage stärker zwischen dem Image und Benehmen der Mädchen und Burschen, und stellt fest, dass die Burschen dem „Machogehabe“ gerecht werden wollen. Mädchen im Vergleich dazu seien eher die Schüchterneren. 21
In den Aussagen der SchülerInnen spiegeln sich vorgefertigte Geschlechtszuschreibungen wider: Mädchen seien die Braveren und würden sich regelkonform verhalten, im Gegensatz zu den Burschen, die sich schlechter benehmen würden. Beziehung zwischen LehrerInnen und SchülerInnen Die persönliche Beziehung zwischen den LehrerInnen und den SchülerInnen wird vor allem von den interviewten SchülerInnen in Bezug auf die Behandlung als wichtig hervorgehoben und sie haben den Eindruck, dass die Notengebung teilweise von der Sympathie der LehrerInnen gegenüber den SchülerInnen beeinflusst wird. So sagt der Schüler des BG beispielsweise: „Es gibt Lehrer, die sind recht objektiv, dann gibt’s welche, die sind wirklich so auf: ‚Ja den mag ich, dem geb ich jetzt eine bessere Note und so was‘.“ In Hinblick auf diesen Aspekt tritt die Differenzierung zwischen den Geschlechtern in den Hintergrund. Begabung der SchülerInnen Alle Interviewten, die das Thema Begabung angesprochen haben (drei von vier), gehen davon aus, dass die Begabung geschlechtspezifisch sei. Sie nehmen an, dass Mädchen in Sprachen und den geisteswissenschaftlichen Fächern besser seien und Buben in den naturwissenschaftlichen Fächern. Weshalb es „Unterschiede“ in der Begabung gibt, wird lediglich von der Lehrerin hinterfragt. Sie denkt, dass dies möglicherweise von der Förderung der Begabung in der Kindheit abhängig sei. Leistung und Fleiß der SchülerInnen Von allen Interviewten wird die Leistung als wichtiges Kriterium der Beurteilung angesehen. Dabei wird angenommen, dass die Mädchen gewissenhafter und zuverlässiger seien und dadurch bessere Leistungen erzielt werden können. Dadurch entsteht bei den Burschen das Gefühl, dass die Mädchen von den LehrerInnen bevorzugt werden. Einstellung und Wahrnehmung der LehrerInnen Die Einstellung und Wahrnehmung der LehrerInnen wird von den konstruierten Bildern der beiden Geschlechter geprägt und macht sich in unterschiedlichem Umgang mit den SchülerInnen bemerkbar. Eine interviewte Person aus dem Lehrkörper versucht zwar die eigentliche Leistung in den Vordergrund zu stellen, merkt jedoch an, dass schlechtes Benehmen oder schlechte Leistungen dem/der LehrerIn oft länger in Erinnerung bleiben. Die 22
andere interviewte Lehrperson versucht hingegen bewusst gegen diese vorgefertigten Rollenbilder anzukämpfen, indem die pädagogischen Lehrmethoden danach ausgerichtet werden. Sozialer Hintergrund Der Einfluss des sozialen Backgrounds sowie die Sozialisation der SchülerInnen spielen eine wichtige Rolle. Der soziale Hintergrund prägt das Verhalten von Mädchen und Burschen in der Schule, aber auch die Einstellungen und Wahrnehmungen der LehrerInnen. Die vielfältigen und teils sehr unterschiedlichen sozialen Hintergründe der SchülerInnen und LehrerInnen spiegeln sich in ihren sehr unterschiedlichen Erfahrungen wider, die sie in die Institution Schule mitbringen und wodurch sie auch das Umfeld dort prägen. Nach eingehender Untersuchung der oben angeführten Faktoren, die die Behandlung der SchülerInnen durch die LehrerInnen beeinflussen, lassen sich folgende Zusammenhänge feststellen: Geschlechterrollen spielen in der Schule eine wichtige Rolle. Die LehrerInnen versuchen dies zwar reflektiert zu betrachten und die vorgefertigte Geschlechterkonstruktion zu überwinden, dennoch wirken die gesellschaftlich konstruierten Bilder weiter und werden oft unbewusst reproduziert. Reproduziert werden diese nicht nur durch das Verhalten der LehrerInnen, die die SchülerInnen nach vorgefertigten Mustern behandeln, sondern auch durch jenes der SchülerInnen selbst. Sie verhalten sich nach bestehenden Mustern bzw. lernen sich nach bestehenden Mustern zu verhalten und versuchen konstruierten Rollenbildern gerecht zu werden. Zwar bemühen sich die LehrerInnen die Beurteilung v.a. auf Basis der Leistung zu vollziehen, allerdings ist zu beachten, dass die Leistung der SchülerInnen wiederum in enger Verbindung mit den konstruierten Geschlechterrollen steht. SchülerInnen selbst führen die unterschiedliche Behandlung durch LehrerInnen auf die Kategorisierung der Geschlechter zurück. Ebenso kategorisieren sie Verhaltensmuster und Fähigkeiten nach Geschlechtern. 23
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