ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST! - Welche Probleme das macht. Und wie man die in den Griff bekommen kann. Wie Eltern und Kinder Risiken im Netz ...

 
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ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST! - Welche Probleme das macht. Und wie man die in den Griff bekommen kann. Wie Eltern und Kinder Risiken im Netz ...
ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST!
   Wie Eltern und Kinder Risiken im Netz unterschiedlich wahrnehmen.
Welche Probleme das macht. Und wie man die in den Griff bekommen kann.

                                               # 2 _ 2020
ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST! - Welche Probleme das macht. Und wie man die in den Griff bekommen kann. Wie Eltern und Kinder Risiken im Netz ...
HIER GEHTS LANG!
                                                                              EDITORIAL                                                  AUS DEN AUGEN – ABER NICHT AUS DEM SINN
                                                                                                                                            Immer früher sind Kinder online, zunehmend über ihre mobilen Endgeräte.
                 3                                                                                                                                                   Das beunruhigt Eltern.
         Infos und Fakten
         Risiken und elterliche Sorgen
         begleiten Kinder ins Internet.

                  4-5                                                                                                                              M I T D E M S M A RT P H O N E I NS N E T Z                                                      E LT E R N M AC H E N S I C H S O RG E N
                Einstieg                                                                                                                                                                                                                            Eltern von 9- bis 17-Jährigen sorgen sich
                                                                                                                                                                                                                                                    über deren Online-Nutzung.
        „Ab Klasse 5 wird plötzlich alles                                                                                        9- bis 11-Jährige                     12- bis 14-Jährige                  15- bis 17-Jährige
       anders!“ Erzählt uns eine Mutter.                                                                                                                                                                                                            Sie befürchten, dass ihr Kind im Internet …

                  6 - 10                                                                                                                                                                                                                                           … von Fremden
                                                                                                                                                                                                                                                                   kontaktiert wird (54 %)
                 Feature                                                                                                                         38 %
      Was passieren kann, wenn Risiken im
       Netz falsch eingeschätzt werden.
                                                 Liebe Leserin, lieber Leser, liebe Eltern,                                                                                     72 %                                90 %
                                                                                                                                                                                                                                                      … ungeeignete Inhalte sieht (50 %)

                   11                            Online-Risiken nehmen Eltern und Kinder oft ganz unterschiedlich
                                                                                                                                                                                                                                                                  … persönliche Informationen
                                                                                                                                                                                                                                                                  preisgibt (38 %)
               Interview                         wahr: Einiges, was zum Beispiel in WhatsApp-Klassenchats weiterge-
        Ein Erziehungsberater sagt, wie          leitet wird und Eltern einen Schock versetzt, wird von Kindern nur mit                              Kinder agieren immer früher und zunehmend
      Eltern auf Risiken eingehen sollten.       einem lässigen Achselzucken kommentiert. Das gilt auch für un-                                             außerhalb des elterlichen Blicks.
                                                 freundliche Kommentare und undurchsichtige Kontaktanbahnungen
                                                 in Sozialen Netzwerken.
              12 - 13
         Hört uns mal zu!                        Kinder sehen da häufig gar kein Problem. Eltern schon.                                                                                                                      K E I N I N T E R N E T O H N E R IS I KO
         Die Sicht von Jugendlichen auf                                                                                                                                                                Dass Kinder im Internet auf Risiken stoßen, ist unumgänglich: Je älter Kinder
         das Thema „Risiken im Netz“.
                                                 Nicht mehr alles zu kontrollieren, wenn die Kinder älter werden, das           DA S S E H E I C H A N D E R S !                                            werden und je mehr unterschiedliche Medienangebote sie nutzen,
                                                 gehört zum Kern der elterlichen Erziehungsarbeit. Das gilt auch on-                                                                                             umso mehr negative Erfahrungen machen sie im Netz.
                                                 line. Aber es gibt Situationen, in denen sind Eltern mit klaren Ansich-
                                                                                                                                Nicht jedes Risiko, das Eltern
                 14 -15                          ten und Ansagen gefragt. Sogar gefordert. In solchen Situationen müs-
                                                                                                                                befürchten, empfinden Kinder
                                                                                                                                                                                               „Ich habe in den vergangenen zwölf Monaten etwas Schlimmes im Netz erlebt“ sagen
                                                 sen Eltern dem entspannten „Chill mal, ist doch nur Spaß!“ des Kindes
              Infografik                         ein entschiedenes „Das geht leider gar nicht!“ entgegensetzen. Und
                                                                                                                                auch als solches.
                                                                                                                                                                                                                        3 % der 9- bis 11-Jährigen
       So sieht gutes elterliches „Risiko-       dürfen nicht einfach die Augen verschließen. Denn häufig wissen sie es         So sorgen sich viele Eltern beispiels-
              management“ aus.                   eben doch (noch) besser.                                                       weise, dass ihre Kinder im Netz auf                                                                                              12 %   der 12- bis 14 –Jährigen
                                                                                                                                Darstellungen mit sexuellen Inhalten
                                                                                                                                stoßen könnten.                                                                                                                  12 %   der 15- bis 17-Jährigen
                 16 - 19
                                                 Eltern, die genau hingucken und gut zuhören, sind übrigens über-
                                                 haupt nicht peinlich. Eltern, die das tun, kümmern sich!                       Und tatsächlich sieht jeder fünfte
               Klartexte                                                                                                        Junge (21 %) zwischen zwölf und 17
                                                                                                                                Jahren (fast) täglich im Internet                                     „Es wurden gemeine Sachen über                                               „Es wurden
        Geballte Infos zu Cybermobbing,          Wir zeigen Ihnen in dieser scout-Ausgabe, wie Sie den Balanceakt                                                                                                                                                                   Bilder von
                                                                                                                                Fotos oder Videos mit sexuellen                                       mich geschrieben auf Social Media.“
         Cybergrooming und Stickern.             zwischen Hinschauen und Loslassen meistern können.                                                                                                                                                                               mir ins Netz
                                                                                                                                Inhalten – bei den Mädchen sind es                                    (Junge, 14 Jahre)
                                                                                                                                deutlich weniger, nämlich 8 %.                                                                                                                    gestellt auf
                                                 Herzlich, Ihr                                                                                                                                                                                                                    einer Party,
                                                                                                                                Doch nicht immer werden die Seiten                                                                                                                wo ein Junge
                                                                                                                                gezielt angesteuert: 37 % wählen                                                                                                                    mit seiner
     MEDIENKOMPETENZ VERNETZT!                                                                                                  diese Inhalte gezielt aus.                                                                                                                        Hand unter
      Alles über Agierende und Projekte der                                                                                     61 % der Jungen gefallen diese                                             „Ich habe einen Kettenbrief bekommen,                                     meinem
     Medienkompetenzförderung in Hamburg         Thomas Fuchs                                                                   Inhalte. Bei den Mädchen sagen das                                         wo steht, dass wenn ich diesen Brief nicht                               Rock ist.“
           und Schleswig-Holstein auf                                                                                           sehr viel weniger, nämlich 19 %.                                           weiter verschicke, werde ich und meine                                   (Mädchen,
                                                 Direktor der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH)
       www.mediennetz-hamburg.de und                                                                                                                                                                       Familie umgebracht.“ (Mädchen, 12 Jahre)                                  15 Jahre)
                                                 post@scout-magazin.de
         www.medienkompetenz-sh.de

                                                                                                                           Quellen: KIM-Studie 2018, EU Kids Online-Befragung in Deutschland 2019, Hans-Bredow-Institut „Aufwachsen mit digitalen Medien“ 2014

02     SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG                                                                                                                                                                                                                                                     03
ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST! - Welche Probleme das macht. Und wie man die in den Griff bekommen kann. Wie Eltern und Kinder Risiken im Netz ...
ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST
EINSTIEG

                                                    EISKALT
                                                   ERWISCHT
                                  Mit dem ersten Smartphone wird alles
                                 anders. Doch keiner ist so richtig darauf
                                  vorbereitet. Weder Eltern noch Kinder.
                                        Und auch nicht die Schule.

                                                                      sen (inoffiziellen) Klassenchat, und alle sind drin. Die

          W
                                                                      Folge: „Dann haben uns die Entwicklungen eiskalt er-
                                                                      wischt.“
                      enn wir vom scout-Team unsere Hefte vor-            Es gab einen Mobbingfall. Volksverhetzende Sticker
                      bereiten, führen wir zunächst einmal sehr       wurden gepostet. „Es hielt sich insgesamt im Rahmen,
          viele Gespräche: mit Expert*innen, Freund*innen,            aber wir waren schon entsetzt.“ Diese „Fälle“ wurden
          Bekannten, untereinander. Um auszuloten, was das            intern aufgeklärt, die Lage hat sich beruhigt. „Ob das
          Thema „hergibt“, um einen ersten Eindruck zu gewin-         anderswo so glimpflich verläuft, weiß ich nicht“, sagt
          nen, um gute Ideen zu sammeln.                              die Mutter. Sie findet aber, dass man Eltern und Schü-
              Ein Gespräch mit einer Mutter blieb uns im Ge-          ler*innen genau bei diesem Übergang von der vierten
          dächtnis: Sie erzählte, wie sich „alles änderte“, als die   zur fünften Klasse mehr Hilfestellung geben muss.
          Eltern ihrem Sohn zum Ende der vierten Klasse ein               Sie sagt: „Eltern sollten sich bei der Suche nach ei-
          Smartphone anschafften, „weil jeder eins hatte. Gut,        ner weiterführenden Schule auch die Medienkonzep-
          es waren dann doch nur 50 Prozent, aber die Tendenz         te genau anschauen. Es ist wichtig, dass Medien – und
          rasch steigend.“                                            deren Risiken – dort von Anfang an ein Thema sind!“
              Der Sohn sollte kein Außenseiter sein. Anderen              Wir finden, das ist ein guter Vorschlag. Unser Heft
          Eltern ging es auch so. Die Elternvertreter*innen orga-     handelt ja genau von diesen „Zwischenräumen“ in der
          nisierten einen Medienabend, gründeten eine AG.             Wahrnehmung tatsächlicher oder „gefühlter“ Risiken.
              So weit, so gut. Dann kam das Gymnasium. Am Ein-        Kinder und Jugendliche können sie falsch einschätzen,
          schulungstag hielt der Direktor eine Rede. „Kaufen Sie      Eltern auch – und in manchen Fällen sogar beide. Des-
          Ihren Kindern möglichst kein Smartphone!“, war eine         halb muss auch so viel darüber gesprochen werden.
          der Botschaften. Der Satz fiel, Eltern sahen sich zwei-     Erst einmal in den Familien. Dann aber auch in der Ge-
          felnd um und an. Der Appell war ganz offensichtlich         sellschaft. Wir fangen hier schon mal damit an.
          flächendeckend zu spät gekommen.
              Vielen Eltern erscheint der Übergang zur weiter-
          führenden Schule als natürlicher Einstieg in die Welt
          der Mobiltelefone. Schön, wenn das Kind auf dem Weg
          zur Schule gut vernetzt ist. Da kann es anrufen, wenn
          es nachher zu Freund*innen will. Oder der Sport aus-
          fällt und es früher zurückkommt. Doch die Vorteile               Wie elterliches Risiko-Management
          werden nicht selten teuer erkauft. „Wir wurden da                ins Rollen kommt – zu lesen in einer
          Schritt für Schritt reingezogen, ohne dass wir es wirk-          Glosse auf www.scout-magazin.de
          lich so wollten“, erzählt die Mutter. Nach dem Motto:
          Eigentlich ist WhatsApp ab 16. Aber jetzt gibt es da die-

04     SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG                                                                                    05
ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST! - Welche Probleme das macht. Und wie man die in den Griff bekommen kann. Wie Eltern und Kinder Risiken im Netz ...
I CH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST
 FEATURE

DU
WILLST WAS,
WAS WIR
NICHT
WOLLEN!
Kinder und Eltern bewerten
die Risiken in den Sozialen
Medien unterschiedlich. Eltern
sehen Gefahren. Die Kinder wehren
mit einem „Chill mal!“ ab.
                                                 P     ia ist zwölf Jahre alt und auf Instagram. Ihr schreibt ein
                                                       14-jähriger Junge. Er sieht gut aus auf dem Profilfoto. Er ist
                                                 neu in der Stadt. Sie beginnen zu chatten. Er macht ihr Kompli-
                                                 mente, nennt sie eine „gute Zuhörerin“. Sie erzählt von ihren
Und wer hat jetzt recht?                         Hobbys und was sie sonst so gerne macht. Ein normales Gespräch
                                                 unter Jugendlichen. Nach ein paar Tagen fragt der Junge Pia, ob
                                                 sie schon einen Freund habe. Ob sie schon einmal geküsst hätte?
                                                 Oder Sex gehabt? Er wäre so gerne der Erste, es würde so gut pas-
                                                 sen. Ob sie ein Nacktbild von sich schicken könne. Was Pia tut.
                                                     Womit sich schnell der Ton ändert. Der Junge, das Bild als
                                                 Druckmittel nutzend, schlägt ein Treffen vor. „Pia ging zu ihren
                                                 Eltern, die zeigten den Jungen an. Er stellte sich als 42 Jahre alter
                                                 Mann heraus, der einschlägig vorbestraft war“, erzählt Sozialpäd-
                                                 agogin Alena Mess von „Dunkelziffer e. V.“, einem bundesweit ak-
                                                 tiven Verein mit Sitz in Hamburg, der sich für sexuell miss-
                                                 brauchte Kinder einsetzt.*

06     SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG   * Ein echter Fall mit geändertem Namen                            07
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FEATURE

„Cybergrooming“ heißt diese kriminelle Vorgehensweise, die Er-                        Wann muss die Polizei kommen? Ein
wachsene nutzen, um Minderjährige mit einem altersmäßig pas-                          Interview mit Andreas Mackenthun
senden „Alias“ online zu kontaktieren. Um sie sexuell auszubeu-                       („Fachstelle Kriminalprävention“) auf
ten und in letzter Konsequenz auch zu missbrauchen. Es ist sicher                     www.scout-magazin.de
einer der perfidesten Auswüchse, die in den Sozialen Medien zu
beobachten sind. Jugendliche erkennen die Gefahr nicht, „weil
sie sich zu Hause eigentlich sicher fühlen“, sagt Alena Mess. „In
der Welt da draußen, also der ‚Offline-Welt‘, haben sie das ‚Lass
dich nicht von Fremden ansprechen!‘ in der Regel verinnerlicht.       tern Sorgen um das Offline-Treffen von Online-Bekanntschaften
In den digitalen Räumen versagt dann das gesunde Misstrauen.“         als über den Umgang ihrer Kinder mit Alkohol oder Drogen“, sagt
Kinder tappen da in Fallen. Und Eltern im Dunkeln: Pias Eltern        Kira Thiel, die bei der EU Kids Online-Studie mitgeforscht hat.
wussten nicht, dass Instagram „ab 13“ ist. Und sie dachten, Ins-      Eltern sehen im Gamer-Treff in der Realwelt eine mögliche „An-
tagram sei eben die Plattform mit den schönen Bildern und Film-       bahnung“ und schreien: „Risiko!“ Wenn hingegen die minderjäh-
chen. Was soll da schon Schlimmes passieren?                          rige Tochter nach 22 Uhr „auf Insta“ chattet, bleiben sie ruhig.
    Cybergrooming ist eine besonders schlimme Ausprägung von              Olivia Förster, Medienpädagogin (unter anderem für Blick-
„interaktionsgebundenen Risiken“ im Internet (so nennen Medi-         wechsel e. V.) hat diesen Widerspruch bei Eltern schon häufiger
enwissenschaftler*innen das). Dazu zählen auch Cybermobbing           beobachtet: „Bei Medien, die sie selbst nutzen, schätzen sie Risi-
und Sexting. Letzteres ist das einvernehmliche Austauschen ero-       ken niedriger ein.“ Ein weiteres Beispiel: Genau auf dem Whats-
tischer Bilder im Rahmen einer Partnerschaft. Nicht selten wer-       App, mit dem Eltern sich so gerne in Gruppen verständigen, schi-
den diese Bilder – nach dem Beziehungs-Aus – als Rache an             cken sich Fünftklässler*innen den „Momo“-Kettenbrief, der
Ex-Partner*innen im Freundeskreis herumgezeigt. Meist sind es         Kindern mit dem Tod droht, wenn sie ihn nicht weiterversenden.
Bilder der Mädchen, welche die Runde machen. Die Grenzen zum              Es existiert fast überall ein Spannungsfeld zwischen den Sor-
Cybermobbing sind fließend, die Weiterführung des klassischen         gen der Eltern und dem völlig anders gelagerten Risikobewusst-
Pausenhof-Mobbings in digitalen Medien.                               sein ihrer Kinder. Schulsozialarbeiterin Tina Widderich weiß: „In
    Beim Cybermobbing werden die Betroffenen überall und rund         den Chat-Gruppen der Schüler*innen kursieren Sachen, von de-
um die Uhr belästigt und verfolgt. Oft ohne größeres Schuldbe-        nen die Eltern nicht den blassesten Schimmer haben.“ „Sticker“
wusstsein. Beleidigungen und Herabwürdigungen sind schnell            mit Nazi-Inhalten. Pornografische Bilder und Filme. Gewaltdar-
verschickt. „War doch gar nicht so gemeint, sagen die Schüler*in-     stellungen – wie zum Beispiel im Jahr 2018, als an ihrer Schule ein
nen erst“, erzählt Tina Widderich, die als Schulsozialarbeiterin an   Video die Runde machte, in dem Kinder von IS-Kämpfern ent-
einer Flensburger Gemeinschaftsschule arbeitet: „Wenn ich ih-         hauptet wurden. Was so unfassbar grausam ist – das haben sich
nen die Verläufe dann vorlese, sind sie fix und fertig. Es wird ih-   viele Schüler*innen angesehen: „Da zählt dann, dass es ‚krass‘ ist.
nen dann oft erst klar, was sie mit solchen Sprüchen anrichten.“      Dass man es ‚ausgehalten‘ hat.“ Einige der Schüler*innen hat das
Im Chat fehlten die Reaktionen des Gegenübers. So bleibe die          Video über Wochen schwer belastet.
Empathie auf der Strecke. Die Probleme, bei denen Tina Widde-             Wer mit den vielen Betroffenen spricht, hört eine Menge
rich tätig werden muss, resultieren in der Regel aus unbedachtem      Schuldzuweisungen. Die Eltern seien am Zug. Die Schule solle
Handeln: „Ein Bewusstsein für Risiken und Folgen ist erst einmal      sich kümmern. Die Schüler*innen müssten verantwortlicher
nicht vorhanden, besonders bei den jüngeren Schüler*innen“, er-       handeln. Oder der Ton ist verständnisvoll: Die Eltern könnten das
zählt sie: „Das kommt erst, wenn etwas passiert ist.“                 alleine nicht leisten. Die Schule sei nicht darauf vorbereitet. Die
    Natürlich sind „schlimme Vorfälle“ die Ausnahme beim digi-        Schüler*innen bekämen doch von keinem das Rüstzeug, um ver-
talen Medienkonsum des Nachwuchses. Die meiste Zeit geht es ja        antwortlich mit den Medien umzugehen. „In dieser Situation
gut aus, wie die Forscher*innen der EU Kids Online-Studie 2019        sollte man sich dann doch sagen: Wir müssen das alle gemeinsam
feststellen: „Die Befunde machen deutlich, dass nicht alle risiko-    angehen – also Eltern, Kinder und die Schule“, appelliert Tina
behafteten Medienphänomene zwangsläufig eine negative Erfah-          Widderich.
rung nach sich ziehen.“ Was riskant ist, darüber sind sich Eltern         Manchmal müssen dann auch noch Beratungsstellen der
und Kinder meist nicht einig. „Inzwischen machen sich mehr El-        Schulbehörde und der Polizei mit eingebunden werden. Wie an
                                                                      der Stadtteilschule Poppenbüttel. Philipp Dresewski, Abteilungs-
                                                                      leiter fünfte bis siebte Klasse, erzählt: „Wir hatten den Fall, dass
                                                                      zu Schuljahresbeginn Schüler*innen auf ihren Handys kin-
                                                                      derpornografische Bilder teilten. Wie aus dem Nichts ploppte das
            „In den digitalen Räumen                                  auf. Wir waren in großer Sorge!“ Man ging sofort ins Gespräch:
                                                                      mit dem Elternrat, mit den Lehrkräften, natürlich auch mit den
               versagt das gesunde                                    Schüler*innen – „und wir kontaktierten die ‚Beratungsstelle Ge-
                                                                      waltprävention‘ der Behörde für Schule und Berufsbildung in
                   Misstrauen.“                                       Hamburg.“ **
                                                                          Die ist Teil eines weitgespannten Beratungsnetzes (samt 13
                       ALENA MESS, „DUNKELZIFFER“                     Hamburger Regionalen Bildungs- und Beratungszentren/ReBBZ),
                                                                      das Schulen nutzen können. Das 20-köpfige Team hilft konkret bei
                                                                      der Einordnung solcher Ereignisse: Überdramatisieren wir? Oder
                                                                      spielen wir einen schlimmen Sachverhalt herunter? Wie ge-

08     SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG                            ** Infos für Lehrer*innen auf www.hamburg.de/gewaltpraevention.de   09
ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST! - Welche Probleme das macht. Und wie man die in den Griff bekommen kann. Wie Eltern und Kinder Risiken im Netz ...
ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST
FEATURE / INTERVIEW

                                                                      Das Motto ist: „Kommunikation, ja bitte – aber nicht von oben he-
                                                                      rab!“ Dr. Jutta Wedemann, bis zum Sommer Sozialpädagogin                          „ZUM THEMA
                                                                      beim Elmshorner Träger „Wendepunkt“ und seit September Pro-
                                                                      fessorin an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit & Di-
                                                                                                                                                     MACHEN“ STATT „EIN
                                                                      akonie, weist darauf hin, dass es „ein echter Dialog und kein Mo-
                                                                      nolog sein sollte, bei dem die Eltern ihre ‚Gefahrenleier‘
                                                                                                                                                      DRAMA MACHEN“
hen wir jetzt richtig vor? „Schulen sind auf die herausfordernden     runterrattern, und das wars dann.“ Echter Dialog bedeute: „Das
Situationen, die bei der Bearbeitung solcher Vorfälle zwangsläufig    muss auf Augenhöhe passieren, interessiert, wertschätzend.“ So                     Ein Gespräch mit Jörg Panten.
entstehen, häufig nicht vorbereitet“, sagt Dr. Christian Böhm von     reiße auch der Kommunikationsfaden nicht, wenn die Kinder äl-                     Der Erzieher und Familienberater
der Beratungsstelle: „Handeln ist jedoch in jedem Einzelfall wich-    ter würden. Wichtig, so Wedemann, sei auch, dass die Kinder,                           arbeitet für den Verein
tig!“ Insbesondere gravierende Straftaten oder „sexualstrafrecht-     wenn sie sich mit einem Problem öffnen, zuerst einmal Gehör
lich relevante Übergriffe“ in Schulen müssten aber auch polizeilich   fänden. Und nicht sofort mit Konsequenzen rechnen müssen:                         „Südstormarner Vereinigung für
angezeigt werden. Für die Beurteilung können schnell und ohne         „Denn dann würden sie beim nächsten Mal, wenn es Probleme                           Sozialarbeit e. V.“ in Reinbek.
viel Bürokratie die rund 240 Hamburger Schul-Kontaktbeamt*in-         gibt, nicht mehr zu den Eltern kommen.“
nen – die „Cop4U“ – bei der Einordnung helfen.                           Je älter die Kinder werden, umso mehr hat auch die Peergroup
    Jede Hamburger Schule hat eine solche Ansprechperson. Ein-        ein Wörtchen mitzureden. Das gehört zum normalen Ablösungs-
bezogen werden kann auch die übergeordnete „Fachstelle                prozess dazu. Genau deshalb wurden vor rund zehn Jahren die                                                       Kann man die Aufforde-
Kriminalprävention“ des LKA Hamburg. Man-                                                 Hamburger „MedienScouts“ gegründet, die                                                       rung „Nun übertreibt mal
cher mag das überzogen finden. Nach dem Mot-                                              heute vom Träger TIDE (Hamburgs Commu-                                                        nicht!“ auf Soziale Medien
to: Die haben Mist gebaut. Nun haben sie es ver-                                          nitysender und Bürgerkanal) in Kooperation                                                    übertragen?
standen. Jetzt ist es auch gut! Andreas
Mackenthun von der „Fachstelle Kriminalprä-
                                                           „In Chats                      mit dem Landesinstitut für Lehrerbildung
                                                                                          und Schulentwicklung Hamburg (LI) losge-           Laut der Studie „EU Kids Online“
                                                                                                                                                                                        Ich finde schon. Es ist doch
                                                                                                                                                                                        klar, dass Jugendliche neue
vention“ stellt aber klar: „Wir müssen als Polizei
eingreifen, wenn es ein Opfer gibt. Das Leiden
                                                           kursieren                      schickt werden. Acht- und Neuntklässler*in-
                                                                                          nen ergänzen so die Medienkompetenzbil-
                                                                                                                                             schätzen Eltern und Jugendliche
                                                                                                                                             Risiken, insbesondere in den Sozialen
                                                                                                                                                                                        Kontakte auch über die Sozia-
                                                                                                                                                                                        len Medien knüpfen – dort, wo
der missbrauchten Kinder von den Fotos und               Sachen, von                      dung in den Schulen, um für den Januskopf          Medien, regelmäßig sehr unterschied-       sie viel Zeit verbringen. Das grund-

                                                             denen
aus den Filmen könnte ja noch fortdauern.                                                 „Chancen und Risiken“ zu sensibilisieren:          lich ein. Liegt das ganz einfach „in der   sätzlich infrage zu stellen, ist sehr
Da haben wir keine Wahl: Die Staatsanwaltschaft                                           „Die Scouts bringen das vielleicht nicht im-       Natur der Dinge“ – weil Kinder und         hochgehängt. Und natürlich schauen

                                                         Eltern nichts
muss ermitteln.“                                                                          mer so komplex rüber wie wir Erwachsenen.          Jugendliche ohnehin Risiken noch           sich Jugendliche auch mal Pornos an.
    Das unbedachte Weiterleiten „krimineller In-                                          Dafür sind sie als ‚Große‘ viel bessere Vorbil-    nicht so gut einschätzen können?           Ich finde auf lange Sicht andere The-
halte“ sorgt nicht selten auch bei den Verursa-
cher*innen für nachträgliches Leiden. Wie bei               ahnen.“                       der – und in den Augen der Jüngeren schon
                                                                                          deshalb glaubwürdiger, weil sie im Gegensatz
                                                                                                                                             Das liegt sicher auch an der Hirnent-
                                                                                                                                             wicklung, die noch durch die gesamte
                                                                                                                                                                                        men aber eigentlich viel drängender
                                                                                                                                                                                        und auch „riskanter‘: Wie erkennt
dem Poppenbütteler Schüler, der die Bilder als                TINA WIDDERICH,             zu den Erwachsenen selbst mit Social Media         Jugendzeit hindurch im Gange ist und       man zum Beispiel „Fake News“, die
Erster in den Chat leitete, erzählt Philipp Dre-          SCHULSOZIALARBEITERIN
                                                                                          aufgewachsen sind“, sagt Olivia Förster, die       erst in den jungen Erwachsenenjah-         sehr viel Schaden anrichten können?      men. Auch wenn sie Mist
sewski: „Das wirkt jetzt zwei Monate später noch                                          das MedienScout-Programm federführend              ren abgeschlossen ist. „Vernünftig                                                  gebaut haben. Dann ist es besonders
nach. Er wusste einfach nicht, was er tat. Als er es                                      mit aufgebaut hat.                                 sein, Dinge abwägen“ – das zählt nicht     Wie sehen Sie die Rolle der Eltern?      wichtig, dass Eltern nicht gleich
dann verstanden hatte, belastete es ihn sehr.                                                 Ihre Erfahrung: „Wenn die Scouts sagen         zu den Kernkompetenzen von Heran-          Eltern müssen nach vorne treten und      Sanktionen verhängen!
Deshalb sind wir wöchentlich mit ihm im Ge-                                               ‚Lasst das mal lieber sein!‘, dann hat das seine   wachsenden. Die „Partyzone“ im Ge-         Regeln aufstellen. Meine Erfahrung
spräch, um ihn aufzufangen.“ Für Dresewski war das Ganze übri-        Wirkung. Sagen es die Eltern, geht es gerne mal ‚links rein, rechts    hirn ist hingegen früh entwickelt.         ist: Viele können das nicht. Damit       Was sollten Eltern selbst tun, um die
gens der Startschuss, ab jetzt verstärkt mit den Eltern in Sachen     raus‘.“ Und sie hat noch einen weiteren Tipp: „Diese ganze Tren-       Deshalb sollten Eltern auch nicht          fängt es aber an. Dann kommt der         Online-Risiken ihrer Kinder richtig
Medienkompetenz ins Gespräch zu kommen. Damit die es wei-             nung von Online- oder Offline-Welt, in der wir Erwachsenen             überrascht sein, wenn ihre Kinder Ri-      Austausch, und der ist immens wich-      einschätzen zu können?
tergeben: „Eltern müssen mehr mit ihren Kindern in den ge-            denken, ist überholt. Klassenregeln müssen so gedacht und for-         siken unterschätzen. Oder erst gar         tig: Eltern müssen sich interessieren,   Sich bei den Kindern erkundigen, wo
meinsamen Austausch gehen. Aus diesem Grund haben wir uns             muliert werden, dass sie immer gelten, also auch auf WhatsApp.“        nicht wahrnehmen.                          echt und nicht aufgesetzt. Themati-      sie im Netz unterwegs sind, auf wel-
externe Hilfe geholt und veranstalten einen Online-Elternabend           Risiken für Kinder und Jugendliche gab es schon immer. Un-              Und natürlich sind Sorgen bei El-      sieren, nicht dramatisieren. Im Ge-      chen Plattformen sie kommunizie-
zu diesem Thema.“                                                     bedarfte Kinder auf der einen Seite. Auf der anderen besorgte El-      tern „einprogrammiert“. Sie haben da       spräch können sie dann den Kindern       ren. Eltern müssen sich auch selbst
    Wir müssen also reden. Das Gespräch der Eltern mit ihren          tern, die ihre Kinder beschützen möchten. Aber nicht alles haben       die ganz großen Ängste, zum Beispiel,      auch ihre Sorgen vermitteln. Die neh-    schlaumachen, was gerade läuft, was
Kindern ist sehr wichtig, das sagen alle Expert*innen. „Die Eltern    Eltern im Griff. Dinge können schiefgehen. Doch es gehört zum          dass ihre Kinder missbraucht werden        men echte Bedenken ihrer Eltern          schiefgehen kann. Sie sollten im Netz
kennen sich oft viel zu wenig aus, kennen die vielen verschiede-      Erwachsenwerden, losgelassen zu werden. Um eigene Erfahrun-            könnten. Das schießt dann aber gerne       nämlich sehr wohl ernst, wenn diese      recherchieren, zu Elternabenden
nen Plattformen mit ihren ganzen Funktionen kaum. Wie sollen          gen zu machen. Das gilt analog wie digital. Und auch wenn es           mal übers Ziel hinaus. Es werden ja        offen und ehrlich vorgetragen wer-       kommen. Denn Medienkompetenz ist
sie da die wirklichen Risiken beurteilen können?“, fragt Alena        manchmal schwerfällt: Es ist Aufgabe der Eltern, mit genau die-        auch nicht gleich alle heroinabhän-        den. Eine enge Verbindung zueinan-       Teil der Erziehung!
Mess von „Dunkelziffer“: „Genau wie im echten Leben sollten El-       sem Zwiespalt umzugehen.                                               gig, wenn irgendwo ein Cannabistüt-        der führt auch dazu, dass Kinder mit        Es gibt Eltern, die sich engagieren
tern die Bewegungen ihrer Kinder auch bei den Online-Medien                                                                                  chen herumliegt. Dafür sollten Eltern      ihren Problemen zu den Eltern kom-       und das umzusetzen versuchen - quer
immer im Blick behalten. Aus ‚Wo gehst du hin, wen triffst du,                                                                               sich gerne mehr Gedanken über Alko-                                                 durch alle Milieus. Und dann gibt es
was macht ihr dort, wie lange bleibst du?‘ wird dann in der On-                                                                              holkonsum machen, der in der Breite                                                 auch solche, die alles geschehen las-
line-Welt: ‚Welche Apps nutzt du, wer sind die Menschen, mit de-                                                                             akzeptierter ist, aber alles andere als                                             sen und sich für nichts interessieren.
nen du online im Kontakt bist? Warum sind die Social-Media-                                                                                  unbedenklich ist.                                                                   Die kommen nach meiner Erfahrung
Plattformen (oder die Onlinespiele) so wichtig für dich?‘ Und:                                                                                                                          Kreisjugendschützer Jörn Folster         leider auch nicht zu Infoabenden. Das
‚Wann legst du das Handy/das Tablet wieder weg?‘“                                                                                                                                       (Pinneberg) erzählt, wie er Eltern und   finde ich erschreckend.
                                                                                                                                                                                        Schulen unterstützt:
                                                                                                                                                                                        www.scout-magazin.de
10     SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG                                                                                                                                                                                                                            11
ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST! - Welche Probleme das macht. Und wie man die in den Griff bekommen kann. Wie Eltern und Kinder Risiken im Netz ...
ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST
HÖRT UNS MAL ZU!

                                                            Nicht immer zählt der elterliche Rat – ab einem
                                                             gewissen Alter wird die Unterstützung durch
                                                            Gleichaltrige wichtiger: Was raten sie? Was sind
                                                          ihre Erfahrungen? Hier berichten zwei Jugendliche
                                                                     aus ihrer Peer-to-Peer-Arbeit.                                           „Wenn Eltern sich nicht
                                                                                                                                              auskennen, dann wird
                                                                                                                                              das nichts mit der
                                                                                                                                              Internet- Sicherheit!“

                                                                Marit K. aus Oldenburg ist 18 Jahre alt. Sie arbeitet
                                                                ehrenamtlich als Scout beim kostenlosen Online-
                                                                Beratungsportal JUUUPORT (www.juuuport.de).
                                                                Kinder und Jugendliche können sich über WhatsApp,                                                                          HÖRT
                                                                Telegram oder über ein Kontaktformular mit ihren                                                                          UNS MAL
                                                                Fragen und Problemen rund um das Internet an die                                                                            ZU!
                                                                Scouts wenden.

                                                                                                                                                „Kinder und Jugendliche haben definitiv eine gerin-
                                                                                                                                                gere Risikowahrnehmung als ihre Eltern. Besonders
                                                                            Wir sind aber keine psychologische Beratung. In solchen             die Jüngeren, also die in den Klassen 5 und 6, nehmen
                                                                            Fällen übernehmen Psychologen oder wir empfehlen ande-              den Ernst der Lage nicht wirklich wahr. Die bekom-
                                                                            re Hilfsangebote. Wir schicken also niemanden einfach               men zum Beispiel einen Einladungslink für eine
                                                                            weg. Mir fällt immer wieder auf, dass vielen Kindern und            WhatsApp-Gruppe – und klicken drauf, ohne darüber
                                                                            Jugendlichen oft gar nicht klar ist, was sie mit ihren Smart-       nachzudenken. Sie checken nicht, dass sich dahinter             Natalia D. aus Flensburg ist 17 Jahre alt. Sie hat in den
                                                                            phones anrichten können. Für andere und für sich selbst.            auch Menschen verbergen können, die nicht so alt                vergangenen drei Jahren an der Gemeinschaftsschule
                                                    HÖRT
                                                                            Wobei sich hier bei Juuuport eher diejenigen melden, die            sind wie sie und die keine guten Absichten haben.               Flensburg West als Medienscout Schüler*innen der
                                                   UNS MAL
                                                                            schlechte Erfahrungen gemacht haben. Also nicht die ‚Tä-                Vielen fehlt das Problembewusstsein, deshalb ist es         Klassen 5 bis 7 beraten und über Risiken in den
                                                     ZU!                                                                                                                                                        Sozialen Medien aufgeklärt.
                                                                            ter‘. Das Bewusstsein für die Folgen des eigenen Handelns           ja auch so wichtig, dass wir älteren Scouts in die Klas-
                                                                            ist leider oft nicht vorhanden. Das gilt auch für das Messa-        sen der Jüngeren gehen. Die Scouts haben ‚feste Klas-
                                                                            ging-Netzwerk ‚Tellonym‘. Da postet dann jemand ‚Sehe ich           sen‘, die sie über mehrere Jahre begleiten. So baut sich
                                                                            gut aus?‘, und was danach auf der Plattform geantwortet             Vertrauen auf, die Scouts werden dann nicht nur bei

          „Vielen ist nicht klar,
                                                                            wird, ist manchmal nicht mehr schön. Die Frage ist ja schon         Workshops angesprochen, sondern auch einfach mal
                                                                            sehr sorglos, und die darauffolgenden Beleidigungen sind            in der Pause. Da ist nicht diese Hemmschwelle wie bei      gelöscht. Aber gerade die Kleineren haben sich das in

          was sie mit ihrem
                                                                            dann echt verletzend. Das würde unter vier Augen eher               Erwachsenen. Das gilt auch für so unangenehme Fälle        voller Länge reingezogen. Als Mutprobe wahrschein-
                                                                            nicht so gesagt werden.                                             wie ein Nacktbild, das die Schüler*innen auf Snapchat      lich. Kein Wunder, dass wir dann verstörte Schü-
          Smartphone                                                            Generell habe ich den Eindruck, dass sich die Eltern in
                                                                            zwei Gruppen einteilen lassen: Die Helikopter-Eltern haben
                                                                                                                                                bekommen. Wir regeln das dann zusammen, löschen
                                                                                                                                                das Foto, blocken den User und melden ihn. Natürlich
                                                                                                                                                                                                           ler*innen hatten. So ist das überhaupt erst aufgefal-
                                                                                                                                                                                                           len: Ein Schüler hat im Unterricht angefangen zu
          anrichten können.“                                                vor allem Angst und sind total ‚anti‘ eingestellt, was digitale
                                                                            Medien betrifft. Den anderen ist wiederum alles egal, da
                                                                                                                                                wollen die Schüler*innen nicht mit ihren Eltern darü-
                                                                                                                                                ber reden – da wäre die Reaktion eher, Snapchat ganz
                                                                                                                                                                                                           weinen.
                                                                                                                                                                                                              Lehrer und Eltern haben aber sehr oft keine Ah-
                                                                            gibt es das Handy ab der ersten Klasse … Ich glaube auch,           zu löschen.                                                nung davon, was die Schüler*innen so konsumieren.
                                                                            dass viele Eltern nicht auf dem Schirm haben, wie sehr et-              Ich finde es insgesamt schon krass, dass Schü-         Und wenn gerade die Eltern sich nicht auskennen –
      „Wir Scouts sind 15 bis 22 Jahre alt. Alle arbeiten so viel, wie      was in der Realität wehtun kann, das online passiert. Sie ha-       ler*innen immer früher ein eigenes Smartphone be-          dann wird das nichts mit der Internet-Sicherheit!“
     sie können und mögen. Unser Ziel ist es aber, jede Anfrage             ben eher Angst vor den Dingen in der analogen Welt, wie             kommen. Ich habe ein Praktikum in einer Grundschu-
     innerhalb von 48 Stunden zu beantworten. Meistens gelingt              zum Beispiel Missbrauch. Man kann aber auch online aus-             le gemacht, da fangen die Probleme bereits an. Wer
     uns das auch. Die Probleme, mit denen wir uns dann be-                 genutzt oder runtergemacht werden. Und Eltern verstehen             sich einfach zum Spielen verabredet, wird ausgelacht.
     schäftigen, sind zum Beispiel Abzocke, Cybermobbing oder               oft auch nicht, wie eng Bindungen im Netz sein können und           Traurig! Kettenbriefe wie ‚Momo‘ werden schon auf
     Datenklau. Sie sind mal mehr, mal weniger dringlich. In den            spielen das dann herunter.“                                         den Höfen der Grundschulen diskutiert. Wir hatten
     Ferien flauen die Nachfragen meist ein wenig ab. Und als die                                                                               auch den Fall eines schlimmen Gewaltvideos, das her-
     Serie ‚Tote Mädchen lügen nicht‘ auf Netflix sehr beliebt war,                                                                             umging. Ich selbst habe das nach ein paar Sekunden                       INTERESSE AN PEER-T0-PEER?
     ging es plötzlich vermehrt um Themen wie Depressionen                                                                                                                                                      Haben Sie Interesse an Peer-to-Peer-Projekten an Ihrer
     und Selbstverletzung.                                                                                                                                                                                      Schule? Dann melden Sie sich in Hamburg bei TIDE
                                                                                                                                                                                                                (www.tidenet.de), in Schleswig-Holstein beim Offenen
                                                                                                                                                                                                                Kanal (www.oksh.de).

12     SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG                                                                                                                                                                                                                              13
ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST! - Welche Probleme das macht. Und wie man die in den Griff bekommen kann. Wie Eltern und Kinder Risiken im Netz ...
ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST
INFOGRAFIK

                                                                                                                                                              Wir können Kinder nicht vor allem schützen, auch online nicht.
                                                 GEFAHR ERKANNT,                                                                                             Doch Eltern können die Risiken kennen und handeln! Das heißt:
                                                                                                                                                            Den jüngeren Kindern im Netz einen weitreichenden Schutz bieten.
                                                 GEFAHR GEBANNT                                                                                             Und die älteren dafür fit machen, selbst mit Gefahren umzugehen.
                                                                                                                                                                Gar nicht so einfach. Aber gemeinsam kriegen wir das hin!

                                                                                                                                                                                                  D E R N AC H W U C H S L E R N T SU R F E N –
                                                                                                                                                                                                  E LT E R N L E R N E N LO SZ U L A SS E N
                                                                                                                                                                                                  Eltern müssen lernen, ihre Sprösslinge (online) eigene Erfahrungen
                                                                                                                                                                                                  machen zu lassen. Auf dem Weg dorthin gilt es einiges zu beachten:

                                                           6 B IS 9 JA H R E
             „Und plötzlich war ich
                                                           Mit Beginn der Lesefähigkeit machen Kinder meist ihre ersten eigenen Schritte                                                          Technische Schutzfunktionen an Geräten wie Tablets oder Smartphones
            auf einer Seite mit lauter                                                                                                           Risiko-                                          helfen, einige Risiken auszuschließen oder zumindest zu reduzieren:
                                                           im Internet: Sie erledigen Recherche-Aufgaben für die Schule, steigen in
              nackten Menschen.“                           digitale Spielewelten ein oder nutzen Lern- und Unterhaltungs-Apps. Ihr               vermeidung                                       www.medien-kindersicher.de
                                                           Aktionsradius im Netz erweitert sich. Damit steigen auch die Risiken –
                                                                                                                                                                                                  Gleichzeitig heißt es, die Kids fit fürs Internet zu machen, zum Beispiel auf
                                                           vorrangig durch nicht kindgerechte Inhalte wie Gewalt oder Pornografie.
                                                                                                                                                                                                  www.internet-abc.de. Der Online-Ratgeber für den sicheren Einstieg ins
                                                                                                                                                                                                  Netz ist auch für den Einsatz in der Schule geeignet.

                                                           9 B IS 12 JA H R E
                                                                                                                                                                                                  Zudem brauchen Kinder altersgemäße Handlungsspielräume. Nur
                                                           Viele Kinder haben zu Beginn der weiterführenden Schule ihr erstes eigenes
             „Ein Mitschüler hat im                        Smartphone und damit den (kompletten) Zugang zur Onlinewelt. Oft
                                                                                                                                                                                                  so können sie ihre eigenen Strategien zur Bewältigung von Risiken
                                                                                                                                                                                                  entwickeln. Dazu gehört die Nutzung altersgerechter Apps und
          Klassenchat gemeine Sachen                       außerhalb des elterlichen Blicks. Die Nutzung von Messenger-Diensten                  Risiko-                                          Websites - www.seitenstark.de zeigt eine Auswahl.
            über mich geschrieben.“                        nimmt zu, damit kommen neue Risiken hinzu – sei es durch das eigene                   reduzierung
                                                           Verhalten wie den Versand von rechtswidrigen Inhalten oder durch den                                                                   Wichtig: Kinder müssen Verhaltensregeln, Rechte und Pflichten im Netz
                                                           Kontakt und die Interaktion mit anderen wie Cybermobbing und Cybergroo-                                                                lernen – von der Netiquette über das Recht am eigenen Bild bis zum
                                                           ming.                                                                                                                                  Datenschutz – www.netzdurchblick.de hilft weiter. Kinder müssen aber
                                                                                                                                                                                                  auch sicher sein können, dass sie sich bei Gefahren jederzeit an ihre
                                                                                                                                                                                                  Eltern und andere Vertrauenspersonen wenden können.

                                                           A B 12 JA H R E
        „Und dann hat mich dieser
       Mann ständig angeschrieben
                                                           Neue Kontakte übers Netz knüpfen oder selber Clips für
                                                                                                                                                 Eigenes Risiko-
                                                           Videoplattformen erstellen: Die Online-Nutzung wird                                                                                    Nur so können Kinder und Jugendliche
      und wollte sich mit mir treffen.“                    zunehmend kommunikativer und interaktiver. Teilhabe im                                 management
                                                                                                                                                                                                  den Weg vom Geschütztwerden durch Dritte
                                                           Netz wird gelebt – mit allen begleitenden Risiken.
                                                                                                                                                                                                  zum Selbstschutz schrittweise meistern.

     H ÄT T E N SI E’ S G E W US ST?                                                                „Willst du mal                               W E R S C H Ü T Z T M I T?
                                                                                                   was Aufregendes
     Sag mir erst, wie alt du bist                           Unmündigkeit schützt                      sehen?“                      Allein die   Gesetzliche Regelungen                                                                    Meldestellen
                                                             vor Strafe nicht                                                       böse                                                                                                   Hass, Extremismus oder Pornografie –
     Ist das schon was für mein Kind? Filme und digitale                                                                                         Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Gesetze wie
                                                                                                                                    Absicht                                                                                                Ihnen fällt ein Verstoß im Netz
     Spiele haben zur Orientierung Altersfreigaben,          Kinder unter 14 Jahren sind in                                                      der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) und
                                                                                                                                    genügt                                                                                                 auf? Melden Sie ihn - zum Beispiel
     Social-Media-Dienste ein Mindestnutzungsalter.          Deutschland noch nicht strafmündig                                                  das Jugendschutzgesetz (JuSchG) schützen Kinder
     Bei WhatsApp liegt das beispielsweise                   und können nicht nach dem Strafge-             Bereits die Kontaktanbahnung zur     vor Medieninhalten, die ihre Entwicklung oder Erziehung                                   bei der Medienanstalt Hamburg/
            bei 16 Jahren, bei Instagram und                 setzbuch belangt werden.                       Vorbereitung sexuellen Miss-         beeinträchtigen oder gefährden, zum Beispiel Gewalt oder Pornografie.                     Schleswig-Holstein:
                 TikTok bei 13 Jahren!                       Dennoch kann zum Beispiel                      brauchs von Kindern über das                                                                                                   www.ma-hsh.de
                                                             nach dem Zivilrecht eine                       Internet, das sogenannte             Dazu muss gewährleistest sein, dass Kinder zu bestimmten
     ab           Laut KIM-Studie 2018 nutzen                                                                                                    Medieninhalten entweder gar keinen oder nur einen ihrem Alter angemessenen

     16
                                                             Strafe wie Schmerzens-                         Cybergrooming, ist eine Straftat.
                   WhatsApp jedoch bereits 36 %                                                                                                  Zugang erhalten.
                                                             geld oder Schadenser-                          Zu einer sexuellen Handlung muss
                   der 8- bis 9-Jährigen, bei den 10-                                                                                            Weitere Infos und Gesetze: www.kjm-online.de/service/rechtsgrundlagen
                                                             satz folgen.                                   es gar nicht kommen.
freigegeben        bis 11-Jährigen sind es sogar 73 %.

14     SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG                                                                                                                                                                                                                                    15
ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST! - Welche Probleme das macht. Und wie man die in den Griff bekommen kann. Wie Eltern und Kinder Risiken im Netz ...
ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST
KLARTEXTE

                                                                                                                      K L A R T E X T: C Y B E R M O B B I N G

                                                                                                  Kind: „Chillt mal, das
                                                                                                  ist doch nur Spaß!“                               Eltern: „Nein, das ist
                                                                                                                                                    gemein und demütigend!“

                                                                                                   Ein fieser Kommentar, ein vages Gerücht oder ein Foto
                                                                                                   von einer peinlichen Situation – schnell sind sie im Netz
                                                                                                  verbreitet. Kinder machen sich wenig Gedanken über die
                                                                                                     Folgen. Doch die sind möglicherweise verheerend.

                                                                         Schon kleine Kinder können richtig gemein sein: „Du bist ja noch
                                                                         ein Baby!“, „Du darfst nicht mitspielen!“, „Das sag ich deiner
                                                                         Mama!“ Beleidigen, ausgrenzen und petzen – das fängt schon im
                                                                         Kindergarten an und zieht sich durch die ganze Schullaufbahn.
                                                                         Was harmlos beginnt, kann zu einem echten Problem heranwach-              SCOUT RÄT
                                                                         sen: von Beschimpfungen über die Verbreitung von Unwahrheiten             (Cyber-)Mobbing ist ein verbreitetes Phänomen und geht alle an –
                                                                         und Gerüchten bis hin zu Bedrohungen und Erpressungen oder                auch Eltern und Lehrkräfte!
                                                                         dem systematischen Ausschließen einer Person. Erfolgt das be-
                                                                         wusst, mehrfach und über einen längeren Zeitraum, spricht man             Erst denken, dann posten:
                                                                         von „Mobbing“, passiert das im Internet, heißt es „Cybermobbing“.         Viele Cybermobbing-Situationen unter Kindern entstehen, weil
                                                                             Beim Cybermobbing unter Kindern und Jugendlichen kennen               sie sich der Auswirkungen ihres Verhaltens nicht bewusst sind.
                                                                         Opfer und Täter*innen sich oft – aus der Schule, dem Sportverein          Sprechen Sie mit Ihrem Kind über die Folgen von Mobbing sowie
                                                                         oder dem Wohnviertel. Und der Online-Demütigung ging meist                die Rollenverhältnisse der einzelnen Akteure.
                                                                         eine im realen Leben voraus.                                                                    Klassenverband stärken:
                                                                             Streitereien, Hänseleien und Macht-                                                         Schulen können den Zusammenhalt der
                                                                         kämpfe gehören zum Heranwachsen dazu.                         INFOS & HILFE                     Klasse auch außerhalb des Unterrichts för-
                                                                         Meist finden sie vor einem größeren Publi-                                                      dern: Wie wollen wir miteinander umge-
                                                                                                                            für Kinder und Jugendliche
                                                                         kum statt. So gibt es auch weitere Beteilig-                                                    hen, welche Regeln wollen wir gemeinsam
                                                                                                                            • telefonische Beratung:
                                                                         te: die sogenannten „Claqueure“, die den              „Nummer gegen Kummer“ 116 111
                                                                                                                                                                         verfolgen – offline wie online?
                                                                         Täter*innen Beifall „klatschen“, und die                                                        Privatsphäre schützen:
                                                                                                                            • Übersicht über verschiedene
                                                                         „Bystander“, die sich zwar nicht aktiv am                                                       Möglichst wenige persönliche (Kontakt-)
                                                                                                                               Hilfsangebote:
                                                                         Mobbing beteiligen, sich dem Mobbing                  www.jugend.support
                                                                                                                                                                         Daten im Netz veröffentlichen und Soci-
                                                                         aber auch nicht entgegenstellen.                                                                al-Media-Accounts auf „privat“ stellen.
                                                                                                                            • Erste-Hilfe-App bei Cybermobbing:
                                                                             Cybermobbing ist mehr als ein kurzes                                                        Keine Bagatellisierung:
                                                                                                                               www.klicksafe.de
                                                                         Kräftemessen, vor allem in seiner Reich-                                                        Ein erwachsenes „Ach, das ist doch nicht so
                                                                         und Tragweite. Ob als private Nachricht auf        für Eltern
                                                                                                                                                                         schlimm“ hilft keinem Mobbingopfer. Hö-
                                                                         dem Smartphone oder auf der öffentlichen           • „ElternMedienLotse“                       ren Sie daher genau hin, was Kinder von
                                                                         Pinnwand eines Sozialen Netzwerks. Bei                Medienpädagogische Elternabende           ihren Online-Erlebnissen berichten, und
                                                                         der Cyberattacke gibt es für das Mobbing–             an Kitas und Schulen in Hamburg           schreiten Sie gegebenenfalls frühzeitig ein.
                                                                         opfer keine räumlichen und zeitlichen                 (www.tidenet.de) und                      Rechtliche Grundlagen kennen:
                                                                         Grenzen. Es hat keine Pause und keinen                Schleswig-Holstein (www.oksh.de)          Ungefragt Fotos anderer posten, Beleidi-

               ANSICHTSSACHE? EBEN NICHT!
                                                                         Rückzugsort. Und: Das Netz vergisst nicht.                                                      gungen und Lügen verbreiten, das alles
                                                                         Denn was einmal online ist, kann dann un-          für Schulen                                  sind Verhaltensweisen, die durchaus straf-
                                                                         kontrolliert kopiert und geteilt werden. So        • Lehrkräfte-Handbuch                       rechtliche Konsequenzen haben können.
                                                                                                                               „Was tun bei Cybermobbing?“:
                  Bei Cybermobbing, Cybergrooming und dem Posten von
                                                                         werden Opfer von Cybermobbing auch                                                              Klären Sie Ihr Kind über den gesetzlichen
                                                                         Jahre später noch an die Qualen erinnert               www.klicksafe.de                         Rahmen, mögliche Folgen und Handlungs-
                   Kinderpornos, Gewaltvideos und Volksverhetzung gibt   und müssen sie erneut durchleben.                  • Peer-to-Peer-Projekte wie „Medien-
                                                                                                                              Scouts Hamburg“ (www.tidenet.de)
                                                                                                                                                                         möglichkeiten auf.

                                 es keine zwei Meinungen.                                                                     oder „SchülerMedienLotsen“ in
                                                                                                                              Schleswig-Holstein (www.oksh.de)

16     SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG                                                                                                                                                                    17
ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST! - Welche Probleme das macht. Und wie man die in den Griff bekommen kann. Wie Eltern und Kinder Risiken im Netz ...
ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST
KLARTEXTE

                                                 K L A R T E X T: C Y B E R G R O O M I N G                                                                                                       K L A R T E X T: S T I C K E R

          Kind: „Chillt mal,
          Leon2006 kenn’ ich                                                                                                                           Kind: „Chillt mal,
          online doch schon seit                                                                                                                       das ist doch bloß
          drei Monaten!“                                         Eltern: „Aber du weißt trotzdem                                                       ein Hakenkreuz!“
                                                                                                                                                                                                                            Bei Kindern liegt das Versenden von
                                                                 nicht, wer das wirklich ist!“                                                                                                                              sogenannten Stickern über Soziale
                                                                                                                                                                                                                            Medien voll im Trend. Doch neben
                                                                                                                                                                                                                            lustigen Emojis und Katzenfotos
Heranwachsende nutzen Soziale
                                                                      SCOUT RÄT                                                                                                                                             werden immer wieder auch rassisti-
Medien, um Leute kennenzulernen.                                                                                                                                      Eltern: „Nein, das ist
                                                                      Nicht hinter jeder Online-Bekanntschaft steckt ein pädophiler Er-                                                                                     sche oder (kinder-)pornografische
Hinter neuen Online-Bekanntschaften                                   wachsener. Dennoch gibt es diese Gefahr – und Aufklärung ist ein sehr                           Volksverhetzung!“                                     Motive geteilt – und damit sogar
kann sich aber auch ein Erwachsener                                   wichtiger Schutz davor.
                                                                                                                                                                                                                            Straftaten begangen.
mit sexuellen Absichten verbergen.                                    Über Risiken sprechen:
                                                                      Ein sorgsamer Umgang mit persönlichen Daten sowie ein gesun-
                                                                      des Maß an Misstrauen helfen, gefährliche Situationen im Netz zu
Auch wenn die Nutzung vieler Plattformen meist erst ab einem          reduzieren. Achtung: Täter*innen können zum Bekanntenkreis              Ein Klassenchat ist praktisch: Da kann man mal eben nach den          nicht an WhatsApp-Klassenchats beteiligen dürfen. Probleme wer-
Mindestalter von 13 Jahren erlaubt ist oder bei unter 18-Jährigen     gehören!                                                                Hausaufgaben fragen. Oder wie die Projektwoche abläuft. Es            den meist erst erkannt, wenn ein Elternteil den Klassenchat kon–
der Zustimmung der Eltern bedarf, überprüft das (oft) niemand.        Technische Schutzvorkehrungen nutzen:                                   bleibt aber nicht nur beim Praktischen: Schnell häufen sich Läs-      trolliert oder ein Kind sich einem Erwachsenen anvertraut. Wenn
Und so kommen in den Social-Media-Welten nahezu alle Al-              Bei den Einstellungsoptionen vieler Social-Media-Dienste lassen         tereien über Lehrkräfte, Gerüchte über vermeintliche Pärchen in       es den Mut dazu hat – denn als Konsequenz wird ein striktes Han-
tersklassen zusammen. Dabei ist die Kontaktaufnahme zu Freun-         sich Profile auf „privat“ stellen und die Kontaktaufnahme durch         der Nachbarklasse – und jede Menge „Sticker“. Das sind Bildchen,      dyverbot befürchtet. Da halten viele Kinder lieber weiter still.
den wie zu Fremden einfach: im WhatsApp-Gruppenchat, per Di-          Fremde blockieren. Zeigen Sie Ihrem Kind, wie es mit der Mel-           die an klassische Aufkleber erinnern – nur eben digital. Sie zeigen
rektnachricht bei TikTok oder via Teamspeak im Online-Game.           de-/Beschwerdefunktion unangenehme Personen melden oder                 meist Tiere, Herzchen oder Bilder mit lustigen Anmerkungen,           SCOUT RÄT
   Bei der Kommunikation und der Selbstdarstellung im Netz            blockieren kann. Außerdem sollte die Webcam dauerhaft ausge-            ähnlich wie Cartoons. Sie erfreuen sich großer Beliebtheit. Sti-      Erwachsene, die von strafrechtlich relevanten Inhalten auf dem
sind alle sehr mitteilunsgfreudig, besonders Kinder. Schließlich      schaltet sein und nur für persönliche Kontakte aktiviert werden.        cker werden gesammelt und untereinander getauscht wie Pani-           Smartphone ihrer Kinder oder Schüler*innen erfahren, sollten unbe-
leben die Social Media vom Austausch von Infos und persönli-          Mit dem Kind im Austausch bleiben:                                      ni-Sammelbilder von Fußballern.                                       dingt handeln. Noch besser: Es erst gar nicht so weit kommen lassen.
chen Daten. Manch elterlicher Rat aus der analogen Welt – „Gib        „Was machst du online, wen ‚triffst‘ du?“ Signalisieren Sie Ihrem          Leider sind nicht alle Sticker harmlos. Immer wieder werden
nicht zu viel von dir preis!“ – ist da schnell vergessen. Und schon   Kind, dass es bei Problemen jederzeit zu Ihnen kommen kann,             auch gewalthaltige, rassistische oder (kinder-)pornografische         Unter Eltern austauschen:
sind Klarname, Wohnort, Telefonnummer, Vorlieben oder Fotos           und benennen Sie noch weitere Ansprech- oder Kontaktperso-              Motive online geteilt. Diese Bilder sind nicht nur verletzend und     Einer fängt an und alle anderen ziehen mit - so sollte der Kauf des
offen verteilt. Doch wer steckt eigentlich hinter „Leon2006“, der     nen. Denn die Hemmungen und das Schamgefühl der Kinder                  ängstigend – sie können sogar rechtswidrig sein. Ihre Weiterver-      ersten Smartphones und die Beteiligung bei WhatsApp nicht er-
so gerne mal im echten Leben ein Treffen organisieren möchte?         sind bei sexueller Anmache im Netz sehr groß.                           breitung ist strafbar, in manchen Fällen schon der reine Besitz.      folgen. Sprechen Sie mit anderen Eltern: Sind die Kids wirklich
Was, wenn Leon2006 nicht der ist, als der er sich ausgibt?                                                                                       Woher die Bilder kommen, ist kaum zurückzuverfolgen. Sie           schon so weit? Kennen sie die Risiken? Welche Regeln gilt es im
   Schnell können der leichtsinnige Umgang mit persönlichen           WAS TUN BEI CYBERGROOMING?                                              wurden einfach im Netz gefunden, kamen über ältere Geschwister        Klassenchat einzuhalten?
Daten und die Leichtgläubigkeit der Kinder gefährlich werden:         Ist Ihr Kind Opfer von Cybergrooming geworden, machen Sie               oder über andere Chats, in denen auch Erwachsene sind. Denen ist      Sicherheits-Einstellungen vornehmen:
Wenn Erwachsene die Anonymität des Internets nutzen, um sich          ihm keine Vorwürfe. Die Schuld liegt immer bei den Täter*innen!         oftmals egal, dass sie auch nicht-kindgerechte Inhalte teilen. Oder   Der automatische Download von Medien kann beispielsweise bei
Kindern zu nähern - nicht zum Aufbau neuer Online-Freund-             Brechen Sie den Kontakt zum User sofort ab, melden Sie den              ihnen ist sogar gezielt an einer Verbreitung gelegen, zum Beispiel    WhatsApp ausgeschaltet werden. Ebenso gibt es die Option, nur
schaften, sondern zum Erfragen intimer Informationen, zur Auf-        Account an den App- und Website-Betreiber und scheuen Sie sich          bei Stickern mit extremistischen Parolen und Symbolen.                auf Einladung und durch aktives Bestätigen in eine Gruppe auf-
forderung zu sexuellen Handlungen oder, im schlimmsten Fall,          nicht, auch die Polizei zu kontaktieren. Um Cybergrooming nach-            Doch warum teilen Kinder so etwas? Nicht aus sexuellen oder        genommen zu werden. Dadurch gelangen Kinder in weniger
zur Vorbereitung eines Missbrauchs im realen Leben. Cybergroo-        weisen zu können, machen Sie Screenshots oder Fotos.                    rechtsextremistischen Motiven, so viel steht fest. „Weil sie krass    Gruppen, die für sie noch gar nicht geeignet sind.
ming nennt sich dieses Vorgehen.                                                                                                              sind“, sagen die Kinder. Weil sie Verbotenes, Grausames,              Rechtliche Konsequenzen ansprechen:
   Die Täter*innen gehen dabei oftmals strategisch vor: Anhand                                                                                Noch-nie-Gesehenes zeigen. Bilder, die die Kinder nicht für sich      Zwar sind Kinder unter 14 Jahren nicht strafmündig, trotzdem
der persönlichen Informationen über die Kinder gelingt es ihnen                                                                               behalten können und die das Bedürfnis hervorrufen, sie mit an-        kann das Verschicken strafrechtlich relevanter Materialien Fol-
ganz einfach, Gemeinsamkeiten vorzutäuschen. Sie zeigen viel                                 INFOS & HILFE                                    deren zu teilen: „Findest du das auch so schlimm? Wer macht           gen haben, beispielsweise eine Anzeige bei der Polizei, eine Klage
Interesse und Verständnis für das Kind. Ziemlich schnell werden         „Cybergrooming – Was Eltern und Kinder wissen sollten“:
                                                                                                                                              denn nur so was?“ Kinder verbreiten solche Sticker auch, weil der     auf Schmerzensgeld und das Einkassieren von Handys. Sprechen
Fragen nach Aussehen, sexuellen Erfahrungen und Fantasien der           www.polizei-beratung.de                                               Gruppendruck da ist, „stark“ zu sein, das Gezeigte auszuhalten        Sie mit Ihrem Kind darüber.
Mädchen und Jungen gestellt. Diese steigen oft auf die sexuell an-                                                                            und das „Geheimnis“ für sich zu behalten. Oder sie tun es schlicht
züglichen Dialoge ein und verschicken entsprechende Fotos, in           Dunkelziffer e. V. – Beratung bei sexuellem Missbrauch                aus Unbedarftheit: Sie erkennen die Motive und Absichten hinter                               INFOS & HILFE
                                                                        von Mädchen und Jungen: www.dunkelziffer.de
der Hoffnung, vom Empfänger das erwünschte positive Feedback                                                                                  den Stickern nicht und ihnen ist nicht bewusst, was die Verbrei-           Kampagne der Polizei gegen die Verbreitung von
zu erhalten. Doch die Täter*innen nutzen das für ihre Zwecke aus,       N.I.N.A. – Nationale Infoline, Netzwerk und Anlaufstelle              tung solcher Inhalte nach sich ziehen kann.                                Kinderpornografie – inklusive Hintergrundinfos,
haben nun Druckmittel, um ein reales Treffen zu erzwingen.              zur sexuellen Gewalt an Mädchen und Jungen:                              Eltern und Lehrkräfte bekommen oftmals gar nicht mit, was in            Kurzvideos, Meldemöglichkeiten: www.soundswrong.de
                                                                        • Hilfetelefon – bundesweit, kostenfrei und anonym:                  den Chats „abgeht“. Die Kinder selbst verwalten die Gruppen,               Broschüre „Rechtsextremismus: Symbole, Zeichen und
                                                                           0800-22 55 530                                                     denn Eltern sind tabu. Ebenso Lehrkräfte, die sich auch aus daten-         verbotene Organisationen“: www.verfassungsschutz.de
                                                                        • Online-Beratung: www.save-me-online.de                             schutzrechtlichen Gründen in den meisten Bundesländern gar

18     SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG                                                                                                                                                                                                                                       19
Nächstes Jahr feiern wir
                                       10 Jahre scout.
                                     Freuen Sie sich auf
                                 unsere Jubiläums-Ausgabe
                                           #1_2021!

                                                                                          IMPRESSUM
                                  Herausgeber: Medienanstalt Hamburg /
                                  Schleswig-Holstein (MA HSH),                                      Lektorat: Egbert Scheunemann
                                  Thomas Fuchs (Direktor),                                          Art Direction: neubaudesign.com
                                  Rathausallee 72-76, 22846 Norderstedt,                            Fotos: Achim Multhaupt (S. 2), Andreas Beerlage
                                  040 / 369 005-0, www.ma-hsh.de                                    (S. 11), privat (S. 12 / 13), Olav Marahrens (S. 20)
                                                                                                    Illustrationen: Olav Marahrens
                                  Projektleitung, Redaktion und Autorenteam:                        Litho: Martina Drignat
                                  Leslie Middelmann (V. i. S. d. P.), Dr. Thomas Voß,               Druck: Albersdruck, Düsseldorf
Jetzt für den scout-Newsletter    Simone Bielfeld, Nina Soppa                                       Erscheinungsdatum: Dezember 2020

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                                  Andreas Beerlage
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