GEM 2 UWG IRREFÜHRUNG DURCH UNTERLASSUNG - JKU ePUB

 
WEITER LESEN
Eingereicht von
                                        Marlene Reichl

                                        Angefertigt am
                                        Institut für
                                        Unternehmensrecht

                                        Beurteilerin
                                        Univ.- Prof.in Dr.in Eveline
                                        Artmann

IRREFÜHRUNG DURCH                       Monat Jahr
                                        Februar 2020

UNTERLASSUNG
GEM § 2 UWG

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades

Magistra Iuris
im Diplomstudium

der Rechtswissenschaften

                                        JOHANNES KEPLER
                                        UNIVERSITÄT LINZ
                                        Altenberger Straße 69
                                        4040 Linz, Österreich
                                        www.jku.at
                                        DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG
Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt
bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht
habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument
identisch.

Linz, 03.02.2020

Ort, Datum

Unterschrift

03. Februar 2020                               Marlene Reichl                        2/40
Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................... 5

I.    Einleitung ............................................................................................................. 8

II.   Normzweck .......................................................................................................... 9

        A. Der Schutz der Mitbewerber ....................................................................... 9

        B. Schutz der Abnehmer ................................................................................. 9

        C. Schutz des Interesses der Allgemeinheit an einem unverfälschten
               Wettbewerb............................................................................................... 10

III. Normadressat .................................................................................................... 10

IV. Positivierung und Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere
      Geschäftspraktiken ............................................................................................ 11

V.    Der Tatbestand des § 2 Abs 4 UWG .................................................................. 12

        A. Fallprüfung ................................................................................................ 12

          1.       Dreistufige Lauterkeitsprüfung ................................................................ 12

          2.       Prüfung innerhalb des Irreführungstatbestands ...................................... 12

        B. Grundtatbestand ....................................................................................... 13

          1.       Begriff der Geschäftspraktik.................................................................... 14

          2.       Pflicht zur Vollständigkeit ........................................................................ 14

          3.       Wesentlichkeitserfordernis ...................................................................... 14

                       a)    Beispiele aus der Judikatur ......................................................... 16

          4.       Maßgebliche Verkehrsauffassung........................................................... 16

                       a)    Unternehmerleitbild ..................................................................... 17

                       b)    Leitbild des Verbrauchers ............................................................ 18

                        (1) Leitbild des „flüchtigen Verbrauchers“ ....................................... 18

                        (2) Leitbild des „informierten und verständigen
                               Durchschnittsverbrauchers“ ...................................................... 19

          5.       Zeitpunkt der Aufklärung – Irreführendes Anlocken ................................ 20

          6.       Beschränkung des Kommunikationsmediums......................................... 21

                       a)    Anderweitiges Zur-Verfügung-Stellen von Informationen ............. 23

03. Februar 2020                                                    Marlene Reichl                                         3/40
7.       Relevanzprüfung/Täuschungseignung .................................................... 23

          8.       Information overload ............................................................................... 25

        C. Sonderfälle ............................................................................................... 25

          1.       Verheimlichen ......................................................................................... 25

          2.       Tarnung des kommerziellen Zwecks ....................................................... 26

                       a)    Advertorials ................................................................................. 27

                       b)    Produktplatzierung ...................................................................... 28

                       c)    Werbefahrten .............................................................................. 29

                       d)    Erlagscheinwerbung .................................................................... 30

                       e)    Tarnung als Privatpost ................................................................ 30

                       f)    Influencer Marketing .................................................................... 31

                       g)    Beispiele zur Tarnung des kommerziellen Zwecks aus der
                             Judikatur ..................................................................................... 31

VI. Verletzung unionsrechtlicher Informationspflichten (Abs 5) ................................ 32

VII. Aufforderung zum Kauf gegenüber Verbrauchern (Abs 6) ................................. 32

        A. Informationspflichten im Einzelnen ............................................................ 34

VIII. Resümee ........................................................................................................... 36

IX. Literaturverzeichnis............................................................................................ 38

        A. Monographien, selbständige Werke, Bücher ............................................. 38

        B. Kommentare, Handbücher ........................................................................ 38

        C. Beiträge in Zeitschriften und Sammelwerken sowie
               Entscheidungsanmerkungen ..................................................................... 38

Hinweis: Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische
Differenzierung             verzichtet.        Entsprechende             Begriffe       gelten       im      Sinne        der
Gleichbehandlung für beide Geschlechter.

03. Februar 2020                                                     Marlene Reichl                                       4/40
Abkürzungsverzeichnis

aA                      andere Ansicht

ABGB                    Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch

ABl L                   Amtsblatt        der   Europäischen   Union
                        Reihe L: Rechtsvorschriften

Abs                     Absatz

aF                      alte Fassung

allg                    allgemein

aM                      anderer Meinung

AMD-G                   Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz

Anh                     Anhang

AnwBl                   Österreichisches Anwaltsblatt

ao                      außerordentlich, -e, -er, -es

Art                     Artikel

bes                     besonders

BGH                     Bundesgerichtshof

bspw                    beispielsweise

bzw                     beziehungsweise

bzgl                    bezüglich

ca                      circa

d                       deutsch (vor einer anderen Abkürzung)

dh                      das heißt

E                       Entscheidung(-en)

ecolex                  Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht

ect                     et cetera

ErwGr                   Erwägungsgrund

EuGH                    Europäischer Gerichtshof

f                       und der, die folgende

ff                      fortfolgende

FAGG                    Fern- und Auswärtsgeschäftegesetz

GBl                     Gesetzblatt

03. Februar 2020        Marlene Reichl                          5/40
gem                gemäß

grds               grundsätzlich

hA                 herrschende Ansicht

hL                 herrschende Lehre

hM                 herrschende Meinung

idaF               in der alten Fassung

idF                in der Fassung

idnF               in der neuen Fassung

idR                in der Regel

idS                in diesem Sinn

ieS                im engeren Sinn

insb               insbesondere

iSd                im Sinn des, -der

iVm                in Verbindung mit

iwS                im weiteren Sinn

iZm                im Zusammenhang mit

Jud                Judikatur

lfd                laufend

lit                litera

mE                 meines Erachtens

MedienG            Mediengesetz

nF                 neue Fassung

oÄ                 oder Ähnliches

OGH                Oberster Gerichtshof

ORF-G              Bundesgesetz           über   den
                   Österreichischen Rundfunk

RDB                Rechtsdatenbank

RL                 Richtlinie

03. Februar 2020   Marlene Reichl                6/40
RL-UGP             Richtlinie          2005/29/EG         des
                   Europäischen Parlaments und des
                   Rates       vom    11.   Mai   2005    über
                   unlautere         Geschäftspraktiken    im
                   binnenmarktinternen Geschäftsverkehr
                   zwischen           Unternehmern        und
                   Verbrauchern

Rspr               Rechtsprechung

stRsp              ständige Rechtsprechung

UGB                Unternehmensgesetzbuch

uU                 unter Umständen

UWG                Unlauteres Wettbewerbsgesetz

usw                und so weiter

va                 vor allem

vgl                vergleiche

Z                  Ziffer

ZPO                Zivilprozessordnung

03. Februar 2020   Marlene Reichl                          7/40
I. Einleitung

Es kann als allgemein gültig angenommen werden, dass jedem zumindest latent
laienhaft bewusst ist, dass ein Unternehmer seinen Abnehmern nicht das Blaue vom
Himmel erzählen und sie damit mittels unwahren Aussagen in die Irre führen darf. Im
Zuge dieser Diplomarbeit wird hingegen der Frage nachgegangen, wie weit ein
Unternehmer         Eigenschaften   seines     Produktes        oder   seiner    Dienstleistung
verschweigen darf und sich trotzdem noch im Bereich des lauteren Wettbewerbs
bewegt.

Das Lauterkeitsrecht allgemein wurde in der Vergangenheit mehr von Entscheidungen
und weniger von laufenden Gesetzesänderungen geprägt, da nur mittels solchen
Rechtsfortbildungen die facettenreichen Wettbewerbsverstöße effektiv verfolgt, und die
Täter      verurteilt   werden   können.     Die   Möglichkeiten       seine    Produkte   bzw
Dienstleistungen besser darzustellen als sie tatsächlich sind, sind online sowie offline
beinahe grenzenlos. Wirtschaftstreibende geben sich beispielsweise als Kunden auf
Social-Media-Plattformen aus um ihre eigenen Produkte zu bewerten, platzieren ihre
Marke in beliebten Fernsehsendungen oder laden potentielle Abnehmer zu einem
vermeintlichen Wochenendausflug ein, der im Endeffekt doch nur zum Verkauf diverser
Waren dient. Da solche Verhaltensweisen bewusst an den Tag gelegt werden um in
den Leistungswettbewerb einzugreifen und damit den Verkauf der eigenen Waren zu
forcieren, sind sie am Maßstab des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zu
messen.

Unter Zuhilfenahme diverser Literatur und höchstgerichtlicher Entscheidungen wird im
Zuge dieser Diplomarbeit im Detail auf die Irreführung durch Unterlassung
iSd § 2 Abs 4 bis 6 UWG eingegangen. Im Besonderen werden die Auslegungen
einzelner Termini mit Bedachtnahme auf unterschiedliche Positionen von Lehre und
Rechtsprechung besprochen.

03. Februar 2020                                   Marlene Reichl                           8/40
II. Normzweck

In § 1 dUWG wird im Gegensatz zur österreichischen Fassung der Normzweck
festgelegt, nämlich als Schutznorm für die Mitbewerber, die Verbraucher inkl sonstiger
Marktteilnehmer und zum Schutz des Interesses der Allgemeinheit an einem
unverfälschten Wettbewerb (die so genannte Schutzzwecktrias). Der Normzweck des
österreichischen UWG ist tendenziell an die deutsche Fassung angelehnt.1

§ 2 UWG erfasst aber im Gegensatz zur RL-UGP nicht nur Verbraucher als
Marktgegenseite, sondern auch Unternehmer. Die Unterscheidung, ob ein Verbraucher
oder ein Unternehmer Ziel der irreführenden Unterlassung wurde, wird aber erst bei
der Frage wie der Werbeadressat die Botschaft verstehen konnte, also der
maßgeblichen Verkehrsauffassung, relevant.2

A. Der Schutz der Mitbewerber

Mitbewerber sind Unternehmer, die als Marktteilnehmer in einem konkreten
Wettbewerbsverhältnis            zueinander      stehen.3     Ein     Unternehmer        handelt   dann
rechtswidrig, wenn er die Belange eines anderen Unternehmers in unlauterer Art und
Weise tangiert. Der Schutz erstreckt sich faktisch auf das vollständige Handeln des
Unternehmers am Markt, egal, ob im Bereich der Beschaffung, des Vertriebs, der
Produktion oder der eigenen Darstellung nach außen. In den wenigsten Fällen berührt
eine Handlung jedoch nur den mitwerbenden Unternehmer oder nur den Verbraucher.
Im Regelfall ist eine Handlung gegenüber dem unternehmerischen Marktteilnehmer
und gleichzeitig gegenüber dem Verbraucher unlauter.4

B. Schutz der Abnehmer

Die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers ist zu schützen. Es ist wichtig, dass sich
dieser in jeder Phase des Geschäftsabschlusses mit den ihm zur Verfügung stehenden
Informationen frei entscheiden kann, in welcher Form das Geschäft zu Stande kommt,
oder ob es überhaupt abgeschlossen wird. Des Weiteren ist auch das Eigentum, der
Besitz und das Vermögen vom Schutzzweck des UWG mitumfasst.5

1   Koppensteiner, „Privates“ und „öffentliches“ Wettbewerbsrecht, wbl 2017, 260, 261.
2   Anderl/Appl in Wiebe/Kodek (Hrsg), UWG2 § 2 Rz 478 (Stand 1.12.2016, rdb.at).
3   Ernst in Ullmann (Hrsg), jurisPK-UWG4 (2016) § 1 Rz 3.
4   Sosnitza in Münchner Kommentar zum Lauterkeitsrecht (UWG)3 (2020) § 1 Rz 23 f.
5   Sosnitza in Münchner Kommentar zum Lauterkeitsrecht (UWG)3 § 1 Rz 25 ff.

03. Februar 2020                                          Marlene Reichl                            9/40
Unter den Begriff Abnehmer fallen jedoch nicht wie erwähnt nur die Verbraucher,
sondern auch sonstige Marktteilnehmer. Darunter versteht man alle Personen oder
Unternehmer, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen
fungieren. Die Bedeutung der sonstigen Abnehmer fällt jedoch eher gering aus, weil
sie einerseits weniger schutzbedürftig sind als Verbraucher und anderseits hiervon nur
B2B-Werbung betroffen ist, die beträchtlich weniger verbreitet ist als B2C-Werbungen.6

C. Schutz des Interesses der Allgemeinheit an einem unverfälschten
   Wettbewerb

Da nicht nur ein persönliches Bedürfnis der unmittelbar Beteiligten, nämlich der
Abnehmer und der Mitbewerber, an einem unverfälschten Wettbewerb besteht,
sondern auch seit jeher ein Interesse der Allgemeinheit, ist auch deren Intention vom
Schutzzweck des UWG gleichwertig mitumfasst.7

III. Normadressat

Normadressaten des § 2 UWG sind alle Teilnehmer am geschäftlichen Verkehr, ohne
Unterschied, ob es sich dabei um natürliche oder juristische Personen handelt, auch
Personengesellschaften sind von der Norm miterfasst. Eine Handlung ist dann Teil des
geschäftlichen Verkehrs, wenn sie eine selbständige und auf Erwerb ausgerichtete ist.
Das Tätigwerden hat über ein rein privates Handeln hinauszugehen. Dies ist dann der
Fall, wenn der Unternehmer nicht nur eine, sondern viele gleichartige Geschäfte tätigt.
Auf eine gewisse Dauer, wie etwa beim Unternehmerbegriff iSd § 1 KSchG, kommt es
hierbei hingegen nicht an. Es ist nicht die Person, sondern die Handlung maßgeblich,
dh, dass eine Handlung eines Unternehmers nicht per se als eine des geschäftlichen
Verkehrs zu qualifizieren ist. Handlungen, die als reine Vorbereitungshandlungen
einzustufen sind, sind dann für § 2 UWG maßgeblich, wenn sie bereits so konkret sind,
dass sie zur Aufnahme des Geschäftsbetriebs vorgenommen werden und der
Markteintritt kurz bevor steht.8

Die Tätigkeit des Unternehmers muss zwar von erwerblichem Charakter, jedoch nicht
zwingend auf Gewinn ausgerichtet sein. Auch freiberuflich Tätige sind Normadressaten

6   Ernst in Ullmann, jurisPK-UWG4, § 1 Rz 9.
7   Burgstaller/Frauenberger/Handig/Heidinger/Wiebe in Wiebe/Kodek (Hrsg) , UWG2 § 1 (Stand 1.8.2017,
rdb.at) Rz 5.
8   Burgstaller/Frauenberger/Handig/Heidinger/Wiebe in Wiebe/Kodek, UWG2 § 1 (Stand 1.8.2017, rdb.at)
Rz 88 ff.

03. Februar 2020                                       Marlene Reichl                           10/40
des UWG. Die Hoheitsverwaltung fällt hingegen nicht unter den Anwendungsbereich,
weil      Hoheitsakte       keine    Wettbewerbshandlungen                  darstellen.    Werden      jedoch
Rechtsträger des öffentlichen Rechts in privatwirtschaftlicher Form tätig, ist ihr
Verhalten sehr wohl am Maßstab des UWG zu messen.9

IV. Positivierung und Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über
    unlautere Geschäftspraktiken

Am 11. Mai 2005 erließ das Europäische Parlament und der Rat die Richtlinie über
unlautere Geschäftspraktiken. Ziel dieser Richtlinie war eine volle Harmonisierung im
Geschäftsverkehr zwischen gewerbetreibenden Unternehmern und Verbrauchern.10
Mittels der UWG-Novelle 200711 versuchte der österreichische Gesetzgeber das erste
Mal der Richtlinie zu entsprechen. Der Nationalrat hatte bei der Umsetzung primär
Klarheit       und      Transparenz           der    Verbote     irreführender            und    aggressiver
Geschäftspraktiken im Fokus.12 Dies helfe beiden Seiten des Marktes, also sowohl dem
Verkäufer als auch dem Käufer, fundierte Entscheidungen zu treffen. Der
österreichische Gesetzgeber führte aus, dass ein gesicherter lauterer Wettbewerb
einen starken Wirtschaftsstandort Österreich fördere, dem Unternehmer somit ein
leichteres Auftreten ermögliche und auch Arbeitsplätze sichere.13 Jedoch blieb diese
UWG-Novelle als Folge der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, nicht ganz
freiwillig, nicht die letzte:

Der EuGH judizierte, dass die Umsetzung der RL-UGP nicht ausreichend erfolgte. Er
führte aus, dass § 9a UWG aF nicht der europäischen Harmonisierung entspricht,14
weshalb der österreichische Gesetzgeber 2013 das UWG erneut novellieren musste.
Aufgrund dessen untersuchte die Kommission das gesamte österreichische UWG auf
ihre      angemessene           Umsetzung.          Im   darauffolgenden           Mahnschreiben         vom
26. September 2013, C (2013) 6080 führte die Kommission aus, dass Österreich ihren
Verpflichtungen            in       der        Umsetzung          der          RL-UGP           bzgl     den
§§ 1a Abs 2; 2 Abs 4, 5, 6 Z 6; 2a Abs 1, 2; 30 und 34 Abs 2 UWG nicht nachkam.

9   Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG2 § 2 Rz 24 f.
10   Enzinger, Lauterkeitsrecht (2012), 15.
11   NR; GP XXIII RV 144 AB 236 S. 35 BR: AB 7773 S. 749.
12   ErläutRV 144 BlgNR 23. GP.
13   ErläutRV 144 BlgNR 23. GP.
14   EuGH 09.11.2010, C- 540/08 (Mediaprint).

03. Februar 2020                                           Marlene Reichl                                11/40
Aufgrund dessen wurde 2015 das UWG erneut novelliert und weitgehend an den
Wortlaut der RL-UGP angepasst.15

V. Der Tatbestand des § 2 Abs 4 UWG

A. Fallprüfung

1. Dreistufige Lauterkeitsprüfung

Wenn eine Handlung des geschäftlichen Verkehrs (siehe III. Normadressat) potentiell
unlauter ist und somit dem UWG zuwiderhandelt, ist zunächst zu prüfen, ob das konkret
gesetzte Verhalten unter die Spezialtatbestände der „Schwarzen Liste“ des Anhangs
des UWG zu subsumieren ist und somit ein Per-se-Verbot verletzen würde. Wenn dies
nicht der Fall ist, ist das Verhalten an den §§ 1a, 2 und 2a UWG zu messen. Erst falls
das       wieder     zu     verneinen      ist,   ist   innerhalb         der   Generalklausel   des
§ 1 Abs 1 leg cit vorzugehen.16

Der OGH hielt sich jedoch nicht ständig an die dreistufige Vorprüfung. Der Senat führte
die Prüfung der „schwarzen Liste“ dann nicht zwangsläufig durch, wenn der
Sachverhalt zweifelsohne den Tatbestand der Generalklauseln des § 1 leg cit erfüllt.17
Diese Linie behielt er aber nicht ständig bei, da er bei anderen Entscheidungen weiter
auf das dreistufige Prüfsystem zurückgreift.18

2. Prüfung innerhalb des Irreführungstatbestands

Zu Beginn wird die Frage behandelt, ob der Sachverhalt in den persönlichen und
sachlichen Anwendungsbereich des § 2 Abs 4 UWG fällt. In den Tatbestand des
Abs 4 bis 6 fallen irreführende Unterlassungen.19

Als nächster Schritt ist der vom Unternehmer angesprochene Verkehrskreis zu
ermitteln, weil auf dessen maßgebliche Auffassung abzustellen ist, ob eine Handlung
geeignet ist, jemanden in die Irre zu führen oder nicht.20

15   Seidelberger in Stauddegger/Thiele, Jahrbuch 2016 Geistiges Eigentum, 261 f.
16   ErläutRV 144 BlgNR 23. GP 2.
17   OGH 05.10.2010, 4 Ob 87/10p; OGH 11.05.2010, 4 Ob 4/10g.
18   OGH 4 Ob 165/11k RdW 2012, 317 = ÖBl 2012, 256 = ecolex 2008, 447 (Tonninger); OGH
22.11.2008, 4 Ob 177/07v; OGH 08.07.2008, 4 Ob 113/08h.
19   Wiltschek/Horak in Wiltshek/Horak (Hrsg), UWG8.02 § 2 E 1741 (Stand 1.3.2019).
20   OGH 4 Ob 2066/96 MR 1996, 160.

03. Februar 2020                                         Marlene Reichl                          12/40
Wird bereits das Wesentlichkeitserfordernis erfüllt, dh werden dem Abnehmer solche
Informationen verschwiegen, die er benötigt um eine fundierte geschäftliche
Entscheidung zu treffen, muss die Täuschungseignung nicht mehr separat geprüft
werden.21

Mit der Relevanzprüfung ist fortzufahren: Hier wird untersucht, ob das Verschweigen
von Informationen dazu geführt hat oder geführt haben kann, dass aufgrund dessen
eine geschäftliche Entscheidung getroffen wurde, die der Abnehmer sonst nicht
getroffen hätte. Hier ist ein Kausalzusammenhang zwischen der Fehlvorstellung und
der uU getroffenen geschäftlichen Entscheidung erforderlich.22

Der OGH setzt sich zusätzlich noch mit der Frage auseinander, ob eine „geldwerte
geschäftliche Veränderung im Vermögen des Verbrauchers“ stattfand. Es wird hier
abstrakt und objektiv darauf abgestellt, ob das Verhalten des Unternehmers geeignet
ist, das Verhalten des Verbrauchers für ihn negativ zu beeinflussen.23

B. Grundtatbestand

Ob eine Geschäftspraktik eines Unternehmers als irreführende Unterlassung zu
qualifizieren ist, prüft der OGH in drei Schritten: Ob „wesentliche Informationen
verschwiegen werden, die der Durchschnittsmarktteilnehmer zu einer informierten
geschäftlichen Entscheidung benötigt“ und „ob sich dies auf sein geschäftliches
Verhalten auszuwirken vermag“. Dabei sind die allenfalls beschränkten Möglichkeiten
zur Informationsvermittlung in Erwägung zu ziehen.24 Bei der Beurteilung, ob eine
Werbeaussage irreführend ist, kommt es immer auf den vermittelten Gesamteindruck
der Mitteilung an.25

Die       Rechtswidrigkeit       eines     Unterlassens        kann         sich   aufgrund   juristischer
Grundprinzipien nur durch eine Pflicht zum Tun ergeben. Diese leitet sich unmittelbar
aus § 2 Abs 4 UWG ab. Da die Rechtswidrigkeit bei einem tatbestandsmäßigem
Verschweigen indiziert wird, muss sie nicht gesondert geprüft werden.26

21   Strittig – Auseinandersetzung bzgl dieses Themas, siehe VI. B. 3. Wesentlichkeitserfordernis.
22   Augenhofer, Ein „Flickenteppich“ oder doch der „große Wurf“, Überlegungen zur neuen RL über
unlautere Geschäftspraktiken, ZfRV 2005/30.
23   RIS-Justiz RS0124374.
24   RIS-Justiz RS0124472.
25   RIS-Justiz RS0078524.
26   Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG2 § 2 Rz 482.

03. Februar 2020                                           Marlene Reichl                             13/40
1. Begriff der Geschäftspraktik

Der Gesetzgeber definiert den Begriff der Geschäftspraktik in § 1 Abs 4 Z 2 UWG.
Darunter ist „jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung,
kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung oder Marketing eines Unternehmers,
die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung des
Produktes zusammenhängt“ zu verstehen.

Der Konnex mit der Absatzförderung bedeutet, dass das Verhalten des Unternehmers
immer darauf gerichtet sein muss das Verhalten des potentiellen Abnehmers für den
Anbieter zu verändern bzw zu beeinflussen. Dieses muss objektiv und abstrakt beurteilt
dazu geeignet sein, eine negative Vermögensverschiebung herbeizuführen.27

Aufgrund des vorgeschriebenen Zusammenhangs zu einem Verkauf oder zu einer
Lieferung subsumiert der Gesetzgeber sowohl die Phase der Vertragsanbahnung als
auch die Vertragsabwicklung unter den Begriff der Geschäftspraktik, wodurch auch
nachvertragliche Handlungen miterfasst wurden.28

2. Pflicht zur Vollständigkeit

Eine allgemeine Pflicht zur Vollständigkeit einer Werbeaussage trifft den Unternehmer
nicht. Er muss nicht auf negative Informationen seines Produkts oder seiner
Dienstleistung gesondert hinweisen. Ein Verschweigen ist erst dann eine rechtswidrige
Irreführung durch Unterlassung, wenn wesentliche Informationen verschwiegen
werden, deren Aufklärung zu erwarten gewesen wäre und dadurch ein falscher
Gesamteindruck für die anderen Marktteilnehmer entsteht.29

3. Wesentlichkeitserfordernis

Die RL-UGP bezeichnet eine wesentliche Information als solche, „die der
durchschnittliche Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte
geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit einen Durchschnittsverbraucher
zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die
er sonst nicht getroffen hätte.“30 Wenn Informationen verschwiegen werden, die in
§ 2 Abs 5 UWG bzw in Art 7 RL-UGP aufgezählt wurden, dann ist die Wesentlichkeit
nicht mehr separat zu prüfen, da eine Eignung der Irreführung damit automatisch

27   Wiltschek/Horak in Wiltschek/Horak, UWG8.02 § 1 E 241.
28   Enzinger, Lauterkeitsrecht, Rz 83.
29   RIS-Justiz RS0078579.
30   Art 7 Abs 1 RL-UGP.

03. Februar 2020                                         Marlene Reichl           14/40
angenommen wird.31 Weiters gelten die im Anhang II des UWG demonstrativ
aufgezählten Anforderungen an Informationen iZm kommerzieller Kommunikation
immer als wesentlich.32

Eine Information ist zudem dann wesentlich, wenn ihr Verschweigen dazu geeignet ist,
einen falschen Gesamteindruck hervorzurufen.33 Sie ist nicht auf die Hauptpunkte des
zustande kommenden Rechtsgeschäfts beschränkt. Beim Wesentlichkeitserfordernis
des § 2 Abs 4 UWG wird nicht wie beim zivilrechtlichen Irrtum iSd §§ 871 f ABGB darauf
abgestellt, ob der Vertrag ohne dem Verschweigen überhaupt zustande gekommen
wäre.34 Es reicht auch ein Verschweigen im Bereich der Nebenabreden vollkommen
aus, um das Wesentlichkeitserfordernis zu erfüllen.35

ISd § 2 Abs 5 UWG sind „wesentliche Informationen iSd Abs 4 […] jedenfalls die im
Unionsrecht festgelegten Informationsanforderungen im Bezug auf kommerzielle
Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing.“ (Näheres siehe VII.)

Ob eine Information in einem konkreten Sachverhalt wesentlich ist, um eine fundierte
geschäftliche Entscheidung zu treffen, ist jedoch immer einzelfallabhängig und kann
auch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 ZPO darstellen.36

Beispielsweise ist eine Information dann wesentlich, wenn der Abnehmer die finanzielle
Gesamtbelastung nicht überblicken kann und ihm somit nicht von vornherein klar war,
ob es ihm finanziell möglich ist das Produkt zu erwerben. Ein derartiges Verschweigen
führt einen Anlockeffekt herbei, welcher auch unter § 2 Abs 4 UWG zu subsumieren
ist. 37 (Weitere Ausführungen bzgl Anlockeffekt siehe Punkt 5.)

Eine Pflicht zur Vollständigkeit besteht weiter nicht. Vom Verkäufer wird nicht verlangt
über Informationen aufzuklären, dessen Aufklärung entweder der Abnehmer überhaupt

31   OGH 4 Ob 15/13 ecolex 2013,644 (Tonninger) = ÖBl 2013,214 (Gamerith) = jusIT 2013, 209
(Thiele) - Totalabverkauf II - Alles muss raus.
32   OLG Graz 5 R 72/13t ZIR 2014, 135.
33   OGH 4 Ob 131/98p MR 1998, 293 (Korn).
34   Rummel in Rummel/Lukas (Hrsg), ABGB4 § 872 Rz 1 (Stand 1.11.2014, rdb.at).
35   OGH 4 Ob 108/16k ecolex 2016, 990 (Hofmarcher).
36   OGH 4Ob203/15d ÖBl-LS 2016/3 (Hinger) = WRP 2017, 909 (Wiltschek/Majchrzak, Rechtsprechungs-
übersicht).
37   OGH 4 Ob 163/08m ecolex 2009, 602 (Horak).

03. Februar 2020                                       Marlene Reichl                         15/40
nicht erwartet,38 diese sich ohnehin aus den Umständen ergeben39, die produkttypisch
oder selbstverständlich sind.40

a) Beispiele aus der Judikatur
Da das Wesentlichkeitserfordernis immer einzelfallbezogen zu beurteilen ist, werden
in Folge konkrete OGH E beispielhaft angeführt:

Ein Schuhverkäufer verkaufte Kinderschuhe aus zweiter Wahl, was bedeutet, dass sie
gewisse, wenn auch nur geringe, Fehler aufwiesen. Der Verkäufer machte jedoch auf
diesen Umstand beim Verkauf nicht aufmerksam, wodurch er wesentliche
Informationen in irreführender Weise rechtswidrig verschwieg.41

Ein Zeitungsherausgeber warb mit einem hohen prozentuellen Zuwachs an
Abonnenten seiner Zeitung. Er unterließ jedoch die Information, dass er aufgrund der
Tatsache, dass er erst kürzlich in den Markt eingestiegen war, diese Prozentzahl von
einer niedrigen Gesamtzahl berechnete, wodurch der prozentuelle Zuwachs höher
ausfällt als bei den Zeitungen, die bereits von vornherein eine weitaus höhere
Abonnementenzahl vorweisen können. Der hohe prozentuelle Zuwachs wird natürlich
bei einer niedrigeren Ausgangszahl leichter erreicht als bei einer höheren.42

4. Maßgebliche Verkehrsauffassung

In § 1 Abs 2 UWG legt der Gesetzgeber Bezugspunkte fest, die bei der Prüfung der
Irreführungseignung einer Geschäftspraktik, die sich an Verbraucher richtet,
anzuwenden sind. „Wendet sich eine Geschäftspraktik“ nämlich „an eine Gruppe von
Verbrauchern, so ist [der] Durchschnittsverbraucher das durchschnittliche Mitglied
dieser Gruppe. Geschäftspraktiken gegenüber Verbrauchern, die voraussichtlich in
einer für den Unternehmer vernünftigerweise vorhersehbaren Art und Weise das
wirtschaftliche      Verhalten       nur   einer    eindeutig     identifizierbaren   Gruppe   von
Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen
Gebrechen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese Praktiken oder die ihnen
zugrundeliegenden Produkte besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines
durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.“

38   RIS-Justiz RS0077894.
39   Art 7 Abs 1 RL-UGP.
40   Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG2 § 2 Rz 488.
41   OGH 26.06.1997, 4 Ob 164/97i.
42   OGH 4 Ob 177/17v MR 2008,111 = ÖBl 2008, 287 (Gamerith) - Das beste Wachstum = ecolex
2008, 447 (Tonninger).

03. Februar 2020                                        Marlene Reichl                         16/40
Die UWG-Novelle 2007 dehnte den zitierten Verbraucherbegriff auf das gesamte
Lauterkeitsrecht aus. § 2 UWG unterscheidet sich jedoch dahingehend von § 1 leg cit,
dass hier bzgl der Irreführungseignung nicht nur auf den Verbraucher abgestellt wird,
sondern auf den angesprochenen Marktteilnehmer, egal ob es sich dabei um einen
Unternehmer oder Verbraucher handelt. Das bedeutet, dass eine Geschäftspraktik, die
nur an Unternehmer gerichtet ist, auch nur am Maßstab der durchschnittlichen
Verkehrsauffassung eines Unternehmers zu messen ist.43 Richtet sich eine
Geschäftspraktik nicht nur an Verbraucher oder nur an Unternehmer, ist die
Irreführungseignung getrennt voneinander, gruppenspezifisch zu beurteilen.44

a) Unternehmerleitbild
Ganz allgemein gesprochen ist ein Unternehmer iSd § 1 UGB, wer ein Unternehmen
betreibt. Ein Unternehmen ist jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger
wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn ausgerichtet sein (Abs 2). Das
heißt, sobald jemand in der Funktion des Unternehmers auftritt, werden seine
Rechtsgeschäfte zum Betrieb des Unternehmers gezählt, wodurch zumindest eine
formale Abgrenzung zwischen Unternehmer und Verbraucher geschaffen werden
kann.45

Dem unternehmerisch tätigen Marktteilnehmer ist nicht nur im deutschen, sondern
auch im österreichischen Recht das Leitbild des „dynamisch eigenverantwortlichen
Unternehmers“ zu Grunde zu legen. Wenn sich zwei Unternehmer gegenüberstehen,
ist bei beiden unter normalen Umständen ein einigermaßen gleicher Erwartungs- und
Empfängerhorizont anzunehmen, wodurch sich ein reduzierter Schutzbedarf des
Unternehmers ergibt.46 Der OGH spricht jedoch in einer Einzelfallentscheidung von
einem schutzbedürftigen Unternehmer, nämlich im Bereich der Erlagscheinwerbung.
Hier sei es dem Unternehmer nicht zuzumuten sich im Detail mit dem Posteingang zu
beschäftigen, va deshalb, weil die Eintragung in die ‚Gelben Seiten‘ von Herold in aller
Regel kostenlos ist, was den Empfänger der Erlagscheinwerbung trotz seiner
Unternehmerfunktion schutzwürdiger macht als den Anbieter, der den anderen
Marktteilnehmer         bewusst     in   die   Irre   führen      wollte.47   Diese   E   bzgl    der

43   Burgstaller/Frauenberger/Handig/Heidinger/Wiebe in Wiebe/Kodek, UWG2 § 1 (Stand 1.8.2017, rdb.at)
Rz 58 ff.
44   OGH 27.02.1996, 4 Ob 1016/96 = OGH 17.01.2012, 4 Ob 112/11s.
45   § 1 Abs 1 Z 1 KSchG.
46   Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG2 § 2 Rz 53 ff.
47   OGH 4 Ob 45/11p ÖBl 2011/50 (Gamerith).

03. Februar 2020                                        Marlene Reichl                           17/40
Schutzbedürftigkeit des Unternehmers ist aber eine sehr stark einzelfallbezogene, die
sehr eng mit der Art und Weise der Irreführung verschmolzen ist, wodurch eine solche
erhöhte Schutzbedürftigkeit des Unternehmers nicht über den Einzelfall hinaus
angenommen werden kann.48

b) Leitbild des Verbrauchers
Das Europäische Parlament und der Rat determinieren den Verbraucher in
Art 2 lit a RL-UGP als „jede natürliche Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser
Richtlinie zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen, handwerklichen oder
beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können“. Diese Definition wurde vom
österreichischen Gesetzgeber jedoch nicht in das UWG übernommen, wodurch hier
iSd § 1 Abs 1 KSchG          jeder     Verbraucher      ist,    der     nicht        im     Zuge     seiner
unternehmerischen Tätigkeit handelt.

Von dieser sehr allgemeinen Definition des Verbrauchers, muss für die Beurteilung der
Tauglichkeit der Irreführung, der theoretische Durchschnittsverbraucher der vom
Unternehmer angesprochenen Guppe iSd § 1 UWG für den betreffenden Anlassfall
herausgearbeitet werden. Hierbei gibt es zwei Herangehensweisen:

(1) Leitbild des „flüchtigen Verbrauchers“
In seinen älteren E geht der OGH von einem flüchtigen Verbraucher aus, an den ein
durchschnittlicher Maßstab anzulegen ist. Dieser Durchschnittsverbraucher widmet
sich einer ihn tangierenden Werbeaussage nur mittels flüchtiger Betrachtung und
durchschnittlicher Aufmerksamkeit.49 Der Senat schreibt in einer der zitierten E über
den Durchschnittsinteressenten wörtlich, dass „dieser pflegt eine geschäftliche
Ankündigung         weder     genau,     vollständig    und       kritisch      zu        würdigen    noch
grammatikalische und philologische Überlegungen anzustellen.“50

Das Leitbild des flüchtigen Verbrauchers wurde vom Leitbild des informierten und
verständigen Durchschnittsverbrauchers abgelöst. Es ist nur noch im Sonderfall der so
genannten situationsbezogenen Aufmerksamkeit des durchschnittlich informierten
Verbrauchers anzuwenden. Davon ist auszugehen, wenn in einer konkreten Situation

48   Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG2 § 2 Rz 58.
49   OGH 4 Ob 318/73 ÖBl 1974, 32; OGH 4 Ob 389/82 ÖBl 1983, 43; OGH 07.12.1989 4 Ob 123/88;
OGH 4 Ob 37/95 ÖBl 1996, 28; OGH 31. 1. 1995, 4 Ob 1007/95; 4 Ob 2064/96 MR 1996, 118.
50   OGH 07.12.1989 4 Ob 123/88.

03. Februar 2020                                       Marlene Reichl                                  18/40
vom Durchschnittsverbraucher nicht mehr erwartet werden kann, als eine bloß flüchtige
Wahrnehmung der Ankündigung.51

(2) Leitbild des „informierten und verständigen Durchschnittsverbrauchers“
Der Durchschnittsverbraucher wurde im ErwGr 18 der RL-UGP als „angemessen gut
unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch“ beschrieben, was geringfügig
zum Wortlaut des EuGH divergiert, weil dieser auf einen „durchschnittlich informierten
aufmerksamen und verständigen“ Durchschnittsverbraucher abstellt.52 Aus dieser
geringfügigen sprachlichen Unterscheidung resultiert jedoch keine inhaltliche, weil
erstens im genannten ErwGr direkt auf die E des EuGH verwiesen wird, und zweitens
der Text im Englischen und Französischen wörtlich mit dem der EuGH E ident ist.53

Bei der Informiertheit beurteilt man, welches Informationsniveau der Unternehmer
seinen Adressaten unterstellen darf. Da dieses Niveau natürlich zwischen den
verschiedenen Verbrauchern sehr stark divergieren kann, hat der Unternehmer, wie in
allen     Bereichen,        immer     auf     den    durchschnittlich      informierten   Verbraucher
abzustellen.54

Bei der Einstufung des Grades der vorauszusetzenden Aufmerksamkeit des
Verbrauchers stellt man sich die Frage inwiefern dieser die ihm zur Verfügung
stehenden             Informationen         versteht,    zur      Kenntnis       nimmt     und    im
Entscheidungsfindungsprozess des zu tätigenden Rechtsgeschäfts einfließen lässt. In
diesem Bereich findet das veraltete Leitbild des flüchtigen Verbrauchers, wie oben
erwähnt, Einzug. Denn welche Anforderungen an die Aufmerksamkeit des
durchschnittlichen Abnehmers zu stellen sind, orientiert sich an der konkreten
Situation. Es ist hier auf die Art und das Ausmaß des Rechtsgeschäfts abzustellen.
Wenn es sich bspw um einen Einkauf des täglichen Lebens handelt, kann die
angemessene Aufmerksamkeit auch eine bloß flüchtige sein.55

Bei der Frage wie verständig der Durchschnittsteilnehmer ist, geht es darum, wie er die
ihm zur Verfügung gestellten Informationen verstehen, und wie weit er daraus die für

51 Anderl/Appl     in Wiebe/Kodek, UWG2 § 2 Rz 60.
52   EuGH 06.07.1998 C-210/96.
53   Seichter, WRP 2005, 1087 (1091).
54 Köhler   in Köhler/Bornkamm (Hrsg), UWG38 (2020) § 1 Rz 34.
55   RIS-Justiz RS0114366; OGH 23.08.2018 4 Ob 144/18g; OGH 20.05.2008 4Ob69/08p.

03. Februar 2020                                          Marlene Reichl                         19/40
ihn relevanten Vor- bzw Nachteile des Produktes oder der Dienstleistung einschätzen
kann.56

Wie eingangs erwähnt, ist iSd § 1 Abs 2 UWG auf den Durchschnittsverbraucher einer
bestimmten Gruppe abzustellen. Diese zu spezifizierende Gruppe muss anhand
eindeutiger Merkmale wie etwa Alter, Geschlecht, Bildung etc festgemacht werden. Ist
dies aufgrund eines zu inhomogenen Adressatenkreises der Werbung jedoch nicht
möglich,           ist   jeweils   eine   gruppenspezifische        Prüfung    vorzunehmen.       Die
Rechtswidrigkeit           einer   Handlung    ist   bereits    dann     zu   bejahen,   wenn     ein
durchschnittlicher Verbraucher nur einer der angesprochenen Gruppen soweit
getäuscht wurde, dass er eine geschäftliche Entscheidung tätigt, die er ohne
Irreführung nicht realisiert hätte.57

Leitbild des „besonders schutzwürdigen Verbrauchers“

ISd § 1 Abs 2 UWG sind besondere Gruppen von Verbrauchern schützenswerter als
andere. Darunter fallen Personen, die aufgrund etwaiger körperlicher oder geistiger
Gebrechen, ihres Alters oder ihrer Leichtgläubigkeit einer Geschäftspraktik nicht
dieselbe Aufmerksamkeit, das selbe Verständnis etc entgegenbringen können, wie ein
durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher. Bei der Beurteilung der
Irreführungseignung ist hier auf ein durchschnittliches Mitglied dieses speziellen
Adressatenkreises abzustellen.

5. Zeitpunkt der Aufklärung – Irreführendes Anlocken

Fraglich bleibt jedoch, ob der Verkäufer notwendige Informationen bereits bei einem
Anlocken des potentiellen Kunden bereitstellen muss, oder ob es ausreicht, über diese
erst zu einem späteren Zeitpunkt aufzuklären.

Die hL und stRspr geht davon aus, dass auch ein reines Anlocken durch mangelnder
Bekanntgabe von wesentlichen Informationen, worauf ein Rechtsgeschäft folgen

56   Burgstaller/Frauenberger/Handig/Heidinger/Wiebe in Wiebe/Kodek, UWG2 § 1 (Stand 1.8.2017, rdb.at)
Rz 64.
57   OGH 4 Ob 202/12b ZIR 2013,120; OGH 20.01.2009 4 Ob 188/08p.

03. Februar 2020                                        Marlene Reichl                           20/40
könnte, bereits eine Irreführung durch Unterlassung begründet.58 Dies wird va aus dem
Anhang I Z 5 der RL-UGP59 abgeleitet.60

Daran ändert auch eine etwaige Aufklärung unmittelbar vor Abschluss des
Rechtgeschäfts nichts, weil das irreführende Anlocken bereits abgeschlossen und die
Verletzung von § 2 UWG verwirklicht ist. Eine spätere Aufklärung über die
verschwiegenen          Tatsachen      nimmt      daher     der     Geschäftspraktik      nicht    ihre
Irreführungseignung.61

In gewisser Art und Weise ähnlich ist die Lage auch bei der so genannten
Blickfangwerbung. Dabei werden vom Unternehmer bestimmte Angaben oder
Ankündigungen im Vergleich zu anderen besonders markiert oder hervorgehoben.
Dies bewirkt, dass sich die Marktgegenseite gar nicht mehr mit dem Rest der Werbung,
die den Blickfang evtl erläutern oder genauer ausführen würde, beschäftigt. Zu
beachten ist hier jedoch, dass aufklärende Zusätze einer solchen Geschäftspraktik die
Irreführungseignung sehr wohl nehmen können. Diese müssen dafür jedoch
ausreichend wahrzunehmen sein und die gleiche Auffälligkeit wie der Blickfang selbst
haben.62

6. Beschränkung des Kommunikationsmediums

ISd Art 7 RL-UGP, folglich auch § 2 Abs 4 Z 1 UWG, sind bei der Beurteilung der
Täuschungseignung immer auf die räumlichen und zeitlichen Schranken des
verwendeten Kommunikationsmediums abzustellen.63

Um eine räumliche Beschränkung handelt es sich dann, wenn nur eine bestimmte
Menge an Informationen auf dem Medium, bspw eines Fernsehbildschirms oder eines
Briefbogens platztechnisch untergebracht werden kann. Anders sieht es hingegen bei

58   OGH 4 Ob 108/16k VbR 2016/130 S 191 – VbR 2016, 191 = ecolex 2016, 990 (Hofmarcher) = ÖBl-LS
2017/1 (Hinger).
59   Aufforderung zum Kauf von Produkten zu einem bestimmten Preis, ohne dass darüber aufgeklärt wird,
dass der Gewerbetreibende hinreichende Gründe für die Annahme hat, dass er nicht in der Lage sein wird,
dieses oder ein gleichwertiges Produkt zu dem genannten Preis für einen Zeitraum und in einer Menge
zur Lieferung bereitzustellen oder durch einen anderen Gewerbetreibenden bereitstellen zu lassen, wie es
in Bezug auf das Produkt, den Umfang der für das Produkt eingesetzten Werbung und den Angebotspreis
angemessen wäre (Lockangebote).
60   OGH 4 Ob 163/08m MR 2009, 52 = wbl 2009 256/115 = ecolex 2009, 604 (Horak).
61   OGH 4 Ob 405/79 ÖBl 1980, 73; OGH 4 Ob 163/08 MR 2009, 52 (Korn).
62   Cizek, Irreführende Blickfangwerbung in der TV-Werbung – Anforderungen an aufklärenden Hinweis,
ecolex 2013, 1006, 1006 ff.
63   OGH 4 Ob 108/16k wbl 2017/16.

03. Februar 2020                                        Marlene Reichl                             21/40
Onlinewerbung aus. Hier ist der Platz so gut wie grenzenlos, va da man jede
Werbeeinschaltung auch mit Links versehen kann, die dann zu den notwendigen
Informationen führen. Zeitliche Beschränkungen resultieren aus nur kurz zur Verfügung
stehenden Sendezeiten im Fernsehen oder Radio, da eine übermäßige Verlängerung
dieser einen unverhältnismäßig hohen finanziellen Aufwand begründen würde.64

Die Möglichkeit alle notwendigen Informationen bereit zu stellen, differenziert stark
zwischen den einzelnen Kommunikationsmedien. Besonders beschränkte Optionen
werden sich bei Fernseh-, Rundfunk- und Plakatwerbung ergeben, da einerseits aus
offenkundigen Gründen nur sehr limitiert Platz bzw Zeit gegeben ist, und andererseits
das Publikum der Werbung sehr wenig Aufmerksamkeit schenkt, mithin diese
überwiegend nur flüchtig wahrnimmt.65 Das Fehlen wesentlicher Informationen kann
der Unternehmer nicht mit der Art des gewählten Mediums und der damit
einhergehenden Einschränkung entschuldigen, wenn es nur einer minimalen
Aufstockung an Zeit oder Raum bedarf, die in einem finanziellen Verhältnis steht, um
den Abnehmer über alle wesentlichen Informationen aufzuklären.66

Die Frage, wie weit ein Werbespot ausgedehnt werden muss um alle wesentlichen
Informationen unterzubringen ist auch eine Frage der Zumutbarkeit.67 Der
wirtschaftliche Aspekt bzgl einer etwaig nur geringfügig benötigten zusätzlichen
Sendezeit bzw mehr Druckfläche in Print-Medien, um über notwendige Informationen
aufzuklären, spielt nur in extremen Konstellationen eine Rolle. Kann eine wesentliche
Unzulänglichkeit nur durch geringe Aufstockung der Sendezeit oder Platz ausgemerzt
werden, ist diese vorzunehmen.68 In manchen Fällen reicht es aus, bestimmte
Merkmale des Produktes anzugeben und für die restlichen Informationen seine
Webseite als Referenz zu nennen, wofür keine übermäßige Verlängerung der
Sendezeit oder Ausdehnung des Platzes notwendig ist.69

64   Alexander, Münchner Kommentar zum Lauterkeitsrecht (UWG)3 § 5a Rz 280 ff.
65    Wiltschek/Majchrzak, Die UWG-Novelle 2007 – Die Umsetzung der Richtlinie über unlauter
Geschäftspraktiken in Österreich, ÖBl 2008/2.
66   RIS-Justiz RS0124471.
67   Thiele, Möglichkeiten und Pflichten bei der Informationsvermittlung im Rahmen der Radiowerbung, ZIIR
2014, 135, 140.
68   Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG2 § 2 Rz 494.
69   EuGH 12.05.2011, C-122/10 GRUR 2011, 930.

03. Februar 2020                                          Marlene Reichl                            22/40
a) Anderweitiges Zur-Verfügung-Stellen von Informationen
Wenn es dem Unternehmer aufgrund zeitlicher und/oder räumlicher Schranken des
Kommunikationsmediums nicht möglich ist alle wesentlichen Informationen zur
Verfügung zu stellen, sind iSd § 2 Abs 5 UWG anderweitig getroffene Maßnahmen,
womit       die    Informationen      dem     Abnehmer       zugänglich      gemacht      wurden,    zu
berücksichtigen. Dh, dass der Gesetzgeber einen Medienbruch, wie zB einen Verweis
auf die Homepage des Werbenden in einem Fernsehspot genügen lässt, um noch
lauter zu handeln. Er verlangt einen solchen geradezu, wenn das verwendete
Kommunikationsmedium keine andere Möglichkeit zulässt, als auf eine andere Art von
Kommunikationsmedium zu verweisen.70

Die Entscheidung, ob ein Medienbruch geeignet ist, um nicht irreführend zu handeln,
ist einzelfallabhängig. Es ist immer zu examinieren, ob der angesprochenen Zielgruppe
zur primären wie zur verwiesenen Mediengattung der gleiche Zugang offen steht.71 Ist
die Werbung bspw hauptsächlich an ältere Personen gerichtet, könnte eine
Verweisung auf die Homepage in einem TV-Werbespot mE nicht ausreichen. Eine
Streuung auf mehrere Kommunikationswege bietet daher eine akkurate Alternative.72

7. Relevanzprüfung/Täuschungseignung

Eine Irreführungshandlung enthält immer eine Täuschungseignung, wenn die
subjektiven Vorstellungen der Marktgegenseite nicht der Wirklichkeit entsprechen.73
Diese Täuschungshandlung muss auch immer kausal für die geschäftliche Handlung
des getäuschten Marktteilnehmers sein. Das Relevanzerfordernis stellt daher klar,
dass ein Unterlassen erst relevant ist, wenn die Geschäftspraktik geeignet ist den
anderen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu verleiten, die er bei
Kenntnis der          wahren Sachlage nicht getroffen hätte.                   Es muss         also ein
Kausalzusammenhang               zwischen      der   durch     die     Täuschung      hervorgerufenen
Fehlvorstellung und des gesetzten Verhaltens des Abnehmers vorliegen.74 Das
Relevanzerfordernis ist auch als eine Art Bagatellschwelle anzusehen. Wenn es sich
bei den Informationen über die getäuscht wurden nur um etwas so Nebensächliches
oder gar Geringfügiges handelt, dass diese die Entscheidung des anderen

70   Horak, Zugabenverbot: Veröffentlichung von Gewinnnummern im Teletext keine gleichwertige
Alternative zu Zeitungskauf, ecolex 2008/315.
71   OGH 30.01.2008, 3 Ob 273/07d.
72   Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG2 § 2 Rz 495.
73   RIS-Justiz RS0078541.
74   Thöni, Relevanzerfordernis bei unvollständiger Kaufinformation?, ecolex 2009, 972, 973.

03. Februar 2020                                          Marlene Reichl                            23/40
Marktteilnehmers gar nicht beeinflussen wird, dann kann das potentiell irreführende
Verhalten          auch   dem     wettbewerbsrechtlichen           Erheblichkeitserfordernis      nicht
standhalten.75

Ob das Erfüllen aller Tatbestandselemente alleine ausreicht, um eine irreführende
unlautere Geschäftspraktik per se bejahen zu können, oder ob eine Prüfung der
Relevanz der Irreführung vorzunehmen ist, ist strittig. Ein Teil des Schrifttums schließt
aus der Wortfolge des Art 7 Abs 2 RL-UGP „jeweils […] geeignet“, dass eine Prüfung
der geschäftlichen Relevanz immer vorzunehmen ist.76 Der EuGH entschied, dass
Art 6 RL-UGP lex specialis zu Art 5 Abs 2 RL-UGP ist, worin dieser Teil der Lehre bei
allen Fällen einer Irreführung iSd Art 6 RL-UGP, angelehnt an Art 5 Abs 2 RL-UGP, die
Täuschungseignung zwingend prüft.77 Davon abgeleitet sehen Hintermayr und Mayr,
dass auch Art 7 RL-UGP lex specialis zu Art 5 Abs 2 RL-UGP ist und man folgerichtig
auch hier, ua im Hinblick auf den allgemeinen Zweck der Richtline auf den der EuGH
nicht nur einmal verweist, nämlich den Verbraucherschutz, die Täuschungseignung zu
prüfen habe. Der Entscheidung Konsumentenombutsmann/Ving Sverige78 worin keine
tatsächliche geschäftliche Handlung des Verbrauchers gesetzt wurde, ist zu
entnehmen, dass sich der EuGH für die verpflichtende Prüfung der geschäftlichen
Relevanz ausspricht.79

Der überwiegende Teil der Lehre80 (und auch der BGH81) lässt jedoch das Erfüllen der
objektiven Tatbestandselemente des § 2 Abs 4 UWG genügen, was eine Prüfung der
Täuschungseignung nicht mehr erforderlich macht. Hier wird diese rein durch das
Erfüllen des objektiven Tatbestandes unwiderruflich angenommen. Dieser Teil der
Lehre         vertritt,   dass       das     Fehlen       von        verpflichteten    Informationen
iSd Art 7 Abs 4 RL-UGP allein schon ausreicht, um geeignet zu sein den anderen
Marktteilnehmer in rechtswidriger Weise in die Irre zu führen. Eine fehlende Relevanz
der Irreführung in diesem Fall stelle eher die Ausnahme dar. 82

75   Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG2 § 2 Rz 49.
76   Hintermayr/Mayer, Zur Auslegung einer „irreführenden Geschäftspraxis“, ZIR 2014, 142, 147.
77   EuGH 19.12.2013, C-281/12 Rz 30 (Sviluppo).
78   EuGH 12.05.2011, C-122/10 (Konsumentenombudsmann/Ving Sverige).
79   Hintermayr/Mayer, ZIR 2014, 147.
80   etwa Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG2, § 2 Rz 480; auch die Anm von Noha zu OGH 18. 11. 2008,
4 Ob 186/08v ecolex 2009/89.
81   BGH 21. 12. 2012, I ZR 190/10 GRUR 2012, 842 Rz 25.
82   Hoeren, Das neue UWG - der Regierungsentwurf im Überblick, BB 2008, 1182, 1186.

03. Februar 2020                                         Marlene Reichl                            24/40
Der OGH sprach sich in seiner älteren Jud immer für eine verpflichtende Prüfung der
Relevanz aus. Er legte dar, dass eine Verhaltensweise, die das geschäftliche Verhalten
eines Abnehmers in keiner Weise berührt, weder eine Verletzung der Generalklausel
des § 1 UWG noch von § 2 UWG darstellt.83 In einer jüngeren E lässt der OGH das
Vorenthalten         einer       wesentlichen      Information        allein    genügen      um      den
Irreführungstatbestand, ohne einer gesonderten Relevanzprüfung, zu erfüllen. Dies
begründet er mit dem Wortlaut des § 2 Abs 4 Z 1 UWG84, dem nach Ansicht des Senats
keine verpflichtende Relevanzprüfung zu entnehmen ist, da dieser nur von
„vorenthalten“ spricht.85

8. Information overload

Eine überaus große Fülle an Informationen kann im Einzelfall dasselbe bewirken, wie
wesentliche        Informationen        zu   verschweigen,        nämlich      eine    Verzerrung     der
Markttransparenz.          Bei      „information   overload“      verbirgt     der    Unternehmer     die
wesentlichen Informationen unter einer immensen Masse an unwesentlichen.86 Die
Täuschung durch „information overload“ kann sowohl als eine Täuschung durch wahre
Angaben, als auch als eine Irreführung durch Unterlassung klassifiziert werden.87

C. Sonderfälle

Mit der UWG-Novelle 2015 wurden die Tatbestände des Art 7 Abs 2 RL-UGP in
§ 2 Abs 4 Z 2 UWG übernommen. Diese Sondertatbestände wurden jedoch schon vor
der Positivierung von der Rspr angewandt, da dies bei einer EU-rechtskonformen
Auslegung der RL-UGP ohnehin unumgänglich war.88

1. Verheimlichen

Worin der genaue Unterschied zwischen „vorenthaltenen Informationen“‘ im
Grundtatbestand und „verheimlichten Informationen“ in der Z 2 des § 2 Abs 4 UWG
liegt, ist aus der RL-UGP nicht klar ersichtlich. In der englischen Fassung der zitierten

83   OGH 4 Ob 186/08v JusIT 2009, 56 (Auer) = ecolex 2009, 246 (Noha).
84   „Eine Geschäftspraktik gilt auch als irreführend, wenn sie unter Berücksichtigung aller tatsächlichen
Umstände […] wesentliche Informationen vorenthält, die der Marktteilnehmer benötigt, um eine informierte
geschäftliche Entscheidung zu treffen“.
85   OGH 4 Ob 64/19v RdM 2019, 151 (Steinböck).
86   Schoeller, Eingeschränkte Informationspflicht durch Radiowerbung, MR 2013, 331, 337.
87   Wiebel/ Kodek § 2 Rz 496 ff.
88   OGH 13.02.2007, 4 Ob 233/06b.

03. Februar 2020                                          Marlene Reichl                             25/40
Richtlinie wurden die Wörter „omit“ (unterlassen) und „hide“ (verheimlichen) verwendet.
Daraus kann geschlossen werden, dass der Sondertatbestand der Z 2 die Z 1 um ein
subjektives Element erweitert, nämlich die Absichtlichkeit.89

2. Tarnung des kommerziellen Zwecks

Der andere Fall des § 2 Abs 4 Z 2 UWG ist das Verheimlichen des kommerziellen
Zwecks. Eine solche Tarnung liegt dann vor, wenn es für den Adressaten nicht spürbar
ist, dass die Einschaltung eine kommerzielle Werbung ist und ergo dieser keine
korrekte Einordnung treffen kann. Bei dieser Taktik ist nicht nur problematisch, dass
dem Adressaten nicht klar ist mit einer kommerziellen Einschaltung konfrontiert zu sein,
sondern es liegt weiter die Gefahr einer Überrumplung vor. Abzustellen ist darauf, ob
der Adressat eine Werbung in der bestimmten Situation erwarten konnte. Ist dies der
Fall, liegt keine Irreführung vor.90

Auch wenn eine verhüllte Werbemaßnahme von Z 1191 und Z 2292 des Anhangs zum
UWG nicht erfasst sein sollte, kann es sich um eine irreführende Geschäftspraktik iSd
UWG handeln. In seiner älteren Rsp subsumiert der OGH im Einklang mit dem
Schrifttum das Verschleiern des kommerziellen Zwecks noch unter § 1 UWG.93 Da
jedoch ein Verheimlichen des kommerziellen Zwecks nun ausdrücklich durch
Art 7 Abs 2 RL-UGP mit erfasst wurde, ist eine solche Taktik nun zweifelsohne unter
§ 2 Abs 4 UWG einzuordnen.94

Im Bereich der Tarnung des kommerziellen Zwecks kann man zwischen verschiedenen
Vorgehensweisen differenzieren:

89   Anderl/Appl in Wiebe/Kodek § 2 Rz 963.
90   Hofmarcher, Internet of Things – Wenn (Gebrauchs-)Gegenstände werben, ecolex 2017, 101, 102f.
91   Z 11: Redaktionelle Inhalte werden in Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung eingesetzt und das
      Unternehmen hat diese Verkaufsförderung bezahlt, ohne dass dies aus dem Inhalt oder aus für den
      Verbraucher klar erkennbaren Bildern und Tönen eindeutig hervorgehen würde (als Information
      getarnte Werbung).
92   Z 22: Die unrichtige Behauptung oder Erwecken des unrichtigen Eindrucks, dass der Händler nicht für
      die Zwecke seines Handels, Geschäfts, Gewerbes oder Berufs handelt, oder fälschliches Auftreten
      als Verbraucher.
93   OGH 13.03.2002 4 Ob 1/02d, RIS-Justiz -S0077817.
94   Hofmarcher, ecolex 2017, 103.

03. Februar 2020                                         Marlene Reichl                            26/40
Sie können auch lesen