Erforderliche Harmonisierung oder unnötiger Systembruch? - Der Vorschlag der EU-Kommission zu Related Party Transactions
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Erforderliche Harmonisierung oder unnötiger Systembruch? Der Vorschlag der EU-Kommission zu Related Party Transactions
Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Erforderliche Harmonisierung oder unnötiger Systembruch? 3 Abteilung Recht und Versicherung Der Vorschlag der EU-Kommission zu Related Party Transactions Inhaltsverzeichnis Vorwort 5 I. Einleitung 6 II. Regelungsvorschlag der Europäischen Kommission im Detail 8 III. Bewertung des Vorschlags der Europäischen Kommission 20 IV. Schlussbetrachtung 25 Impressum 26
4 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Erforderliche Harmonisierung oder unnötiger Systembruch? Abteilung Recht und Versicherung Der Vorschlag der EU-Kommission zu Related Party Transactions
Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Erforderliche Harmonisierung oder unnötiger Systembruch? 5 Abteilung Recht und Versicherung Der Vorschlag der EU-Kommission zu Related Party Transactions Vorwort Im April 2014 hat die EU-Kommission Änderungen an der geltenden Aktionärsrechte- und der Bilanzrichtlinie vorgeschlagen. Die Kommission beabsichtigt insbesondere einen wirksameren Einfluss der Aktionäre auf die Vorstandsvergütung, eine Verbesserung der Transparenz und Kontrolle bei Transaktionen mit nahestehenden Unternehmen und Personen, die Regulierung von Stimmrechtsberatern, eine erleichterte Übermittlung grenzüberschreitender Informationen entlang der Verwahrungskette sowie Offenlegungspflichten für institutionelle Anleger und Vermögensverwalter. Der Regulierungsvorschlag zu den Related-Party-Transaktionen erscheint technisch unausgereift, in hohem Maße streitanfällig und berücksichtigt vor allen Dingen nicht, dass das deutsche Aktien- und vor allem Aktienkonzernrecht sowie das Übernahme- und Kapitalmarktrecht bereits ausreichende Transparenzvorschriften und Schutzmechanismen zugunsten von Minderheitsaktionären bereithalten. Es ist überdies rechtspolitisch spekulativ, dass die Aktionäre eine sachlichere und effektivere ex ante-Kontrolle von Related-Party-Trans- aktionen ausüben, als dies im deutschen Recht der Aufsichtsrat unternimmt. Ex post haben die Aktionäre bereits heute die Möglichkeit, über Haftungsklagen pflichtwidriges Handeln der Organmitglieder zu sanktionieren. Ob der Vorschlag in allen europäischen Jurisdiktionen zu Fortschritten bei der Corporate Governance führt, ist zweifelhaft. Für die Bundesrepublik Deutschland ist dies jedenfalls nicht der Fall. Der Vorschlag muss daher in jedem Fall das bewährte und ausgewogene deutsche konzernrechtliche Schutzinstrumentarium als äquivalente Regelung zulassen. Holger Lösch Dr. Christoph von Bülow Mitglied der Hauptgeschäftsführung Regional Head Corporate Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Freshfields Bruckhaus Deringer LLP
6 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Erforderliche Harmonisierung oder unnötiger Systembruch? Abteilung Recht und Versicherung Der Vorschlag der EU-Kommission zu Related Party Transactions Regulierung von Transaktionen mit nahestehenden Personen und Unternehmen durch den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Revision der Aktionärsrechterichtlinie – Zusätzliche Vorabinfor- mationen und Geschäftsführung durch die Hauptversammlung? RA, FAStR Prof. Dr. Christoph H. Seibt, LL.M. (Yale) I. Einleitung 1. Vorlauf und Zielsetzung des Vorschlags der der EU-Übernahmerichtlinie basierenden Einführung Europäischen Kommission nationaler Übernahmerechte sowie Einführung kapi- talmarktrechtlicher Transparenzvorschriften), welche Die Europäische Kommission hat am 9. April 2014 überdies für die deutsche Unternehmenspraxis keine – nach einem informellen Vorentwurf von Ende eindeutigen Aussagen treffen. 2013 – ihren von interessierten Kreisen schon länger erwarteten Vorschlag1 zur Änderung der gelten- 2. Weiterer Verfahrensgang den Aktionärsrechterichtlinie (2007/36/EG)2 und der Bilanzrichtlinie (2013/34/EU)3 veröffentlicht. Die Richtlinie bedarf der Zustimmung des Europäi- Dieser Vorschlag ist Teil eines Maßnahmenpakets schen Parlaments und des Europäischen Rates.13 Mit zur Verbesserung der Unternehmensführung und Schreiben des Generalsekretariats der Europäischen ihrer Kontrolle (Corporate Governance) und will damit Kommission vom 15. April 2014 wurde den nationa- wesentliche Bestandteile des Aktionsplans der Euro- len Parlamenten der Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass päischen Kommission „Europäisches Gesellschafts- der Kommissionsvorschlag diesen zur Eröffnung des recht und Corporate Governance“ vom 12. Dezember im Protokoll (Nr. 2) AEUV vorgesehenen Verfahrens 20124 sowie einen Teil der Mitteilung der Kommis- über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität sion vom 27. März 2014 über die langfristige Finan- und der Verhältnismäßigkeit übermittelt wurde. Subsi- zierung der Europäischen Wirtschaft5 umsetzen. diaritätsrügen wurden von den Mitgliedstaaten nicht Hintergrund des Aktionsplans 2012 und damit auch erhoben. Unter der griechischen Ratspräsidentschaft des neuen Richtlinienvorschlags sind die von der EU- (bis 30. Juni 2014) hatten drei Sitzungen der zustän- Kommission analysierten Mängel der Corporate digen Ratsarbeitsgruppe Gesellschaftsrecht stattgefun- Governance börsennotierter Unternehmen, insbe- den, in denen die Regelungen des Kommissionsvor- sondere mit Blick auf die nach Auffassung der Kom- schlags allgemein diskutiert wurden; die nun laufende mission bislang unzureichende Einbeziehung der italienische Präsidentschaft will zu diesem Dossier Aktionäre (vor allem der institutionellen Investoren eine allgemeine Ausrichtung erzielen.14 In Deutsch- und Vermögensverwalter) sowie mangelnde Transpa- land ist beim Deutschen Bundestag der Ausschuss renz der Unternehmensleitung.6 für Recht und Verbraucherschutz federführend zu- ständig; beim Bundesrat ist der Ausschuss für Fragen Bei Transaktionen eines börsennotierten Unterneh- der Europäischen Union federführend. Der Bundesrat mens mit nahestehenden Unternehmen und Perso- hat auf der Basis von Empfehlungen der Ausschüs- nen, also z. B. mit seinen Leitungsorganen, kontrol- se (EU-R-Wi)15 eine an die Europäische Kommission lierenden Unternehmen oder Aktionären, haben die übermittelte Stellungnahme beschlossen, in der der Anteilseigner nach Auffassung der Europäischen Regelungsvorschlag zur Kontrolle von Geschäften mit Kommission bisher nur unzureichende Informa- nahestehenden Unternehmen und Personen durch die tions- und Mitspracherechte. Es fehlten insbesondere Hauptversammlung als „sehr kritisch“ qualifiziert und geeignete Instrumente, gegen missbräuchliche Trans- letztlich abgelehnt wird.16 Im Europäischen Parlament aktionen vorzugehen, durch die dem Unternehmen ist der Rechtsausschuss federführend; am 24. Septem- Vermögenswerte durch nahestehende Personen und ber 2014 wurde dort Sergio Gaetano Cofferati (S&D; Unternehmen entzogen werden (sog. tunnelling7).8 Italien) als Berichterstatter bestellt. Die Europäische Dieses Analyseergebnis bezieht sich mutmaßlich auf Kommission rechnet mit einer Verabschiedung der (i) den „OECD Report on Related Party Transactions Richtlinie im Jahre 2015. Als Umsetzungsfrist sind and Minority Shareholder Rights“ vom 29.03.2012,9 derzeit 18 Monate vorgesehen (Art. 3 Abs. 1 RL-Vor- dem aber ein dringender Reformbedarf gerade nicht schlag), also bis etwa Ende 2016/Anfang 2017. zu entnehmen ist, sowie (ii) eine im Wesentlichen unbegründete Stellungnahme des „European Cor- porate Governance Forum“ vom 10.03.201110, auf die bereits Ziffer 3.2 des Aktionsplans 201211 Bezug nahm. Die in der Literatur zuweilen referenzierte em- pirische Evidenz für systemische Schutzlücken bei Related-Party-Transaktionen in Kontinentaleuropa12 basiert zumeist auf Daten vor 2000 (also vor der auf
Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Erforderliche Harmonisierung oder unnötiger Systembruch? 7 Abteilung Recht und Versicherung Der Vorschlag der EU-Kommission zu Related Party Transactions 1 Der Vorschlag (COM[2014] 213 final) („RL-Vorschlag“) ist abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=- COM:2014:213:FIN&from=DE [letzter Abruf: 08.08.2014] und abge- druckt in BR-Drucks. 166/14 v. 10.4.2014. Der Vorentwurf war nicht als Kommissionsdokument bezeichnet und ging bestimmten Krei- sen Ende 2013 zu; er wird z. B. in der Online-Version der FAZ vom 31.1.2014, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ak- tionaersrechte-eu-will-managergehaelter-regulieren-12779296.html [letzter Abruf: 08.08.2014], und im ManagerMagazin Heft 3/2014, S. 54 in Bezug genommen. 2 In der Fassung des RL-Vorschlags im Folgenden „AktR-RL-E“. 3 In der Fassung des RL-Vorschlags im Folgenden „Bil-RL-E“. 4 Mitteilung der Kommission an das EU-Parlament, den Rat etc., Aktionsplan: Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance – ein moderner Rechtsrahmen für engagierte Aktionäre und besser überlebensfähige Unternehmen, 12.12.2012, COM(2012) 740 final („Aktionsplan 2012“), abrufbar unter http://ec.europa.eu/ internal_market/company/docs/modern/121212_company-law-cor- porate-governance-action-plan_de.pdf [letzter Abruf: 08.08.2014]; hierzu z. B. ausf. Hopt, ZGR 2013, 165 ff.; knapp Roesner, NZG 2013, 241 ff., sowie Bayer/Schmidt, BB 2013, 3, 12 ff. 5 COM(2014) 168 final; hier insb. Ziffer 7 (Ausbau des allgemeinen Rahmens für nachhaltige Finanzierung), Unterabschnitt: Unterneh- mensführung. 6 RL-Vorschlag, a.a.O. (Fn. 1), S. 5 ff. 7 Begriffsbildung nach Johnston/La Porta/Lopez-de-Silanes/Shleifer, Am. Econ. Rev. 90 (2000), 22; (“Tunnelling is defined as the transfer of assets and profits out of firms for the benefit of their controlling shareholders“); vgl. auch Afanasor/Black/Ciccotelle, 37 J. Corp. Law 1 (2011). 8 Vgl. RL-Vorschlag, a.a.O. (Fn. 1), S. 5 f. 9 Abrufbar unter http://www.oecd.org/corporate/ca/corporategovernan- ceprinciples/relatedpartytransactionsandminorityshareholderrights. htm [letzter Abruf: 08.08.2014]. 10 Statement of the European Corporate Governance Forum on Re- lated Party Transactions for listed Entities, 10.3.2011, abrufbar un- ter http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/ecg-forum/ ecgf_related_party_transactions_en.pdf [letzter Abruf: 08.08.2014]. 11 Titel: “Bessere Überwachung der Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen durch die Aktionäre“; Verweis auf das ECGF: „(…) Da diese Anforderung [Transparenz im Anhang; scil.] aber zunehmend als unzureichend angesehen wird, hat das Euro- päische Corporate-Governance-Forum eine Erklärung zu Transak- tionen mit nahestehenden Unternehmen und Personen abgegeben, in der die Einführung gemeinsamer europaweiter Grundsätze emp- fohlen wird. Darin schlug das Forum insbesondere vor, dass Trans- aktionen über einem bestimmten Schwellenwert der Bewertung eines unabhängigen Beraters unterliegen und dass die wichtigsten Transaktionen von den Aktionären gutgeheißen werden sollten. (…) In Anbetracht (…) der Leitlinien in der Erklärung des Europäischen Corporate-Governance-Forums vertritt die Kommission die Auf- fassung, dass die Kontrolle der Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen durch die Aktionäre ausgebaut werden sollte.“ 12 Tröger, Corporate Groups, SAFE Working Paper No. 66, Stand: 22.9.2014 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=2500101), S. 19 mit Fn. 90. 13 Zur Zustimmungsbedürftigkeit der Richtlinie im ordentlichen Gesetz- gebungsverfahren nach Art. 289 Abs. 1 AEUV siehe Art. 294 AEUV. 14 Vgl. Schriftliche Information des (österreichischen) Bundesministers für Justiz gemäß § 6 Abs. 3 EU-Informationsgesetz vom 3.7.2014. – Die Rats-Arbeitsgruppe zur Aktionärsrechterichtlinie diskutiert dem Vernehmen nach derzeit auch Änderungsvorschläge zu Art. 9c. 15 BR-Drucks. 166/1/14 v. 30.6.2014. 16 BR-Drucks. 166/14 (Beschluss) v. 11.7.2014.
8 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Erforderliche Harmonisierung oder unnötiger Systembruch? Abteilung Recht und Versicherung Der Vorschlag der EU-Kommission zu Related Party Transactions II. Regelungsvorschlag der Europäischen Kommission im Detail 1. Überblick sowie (iii) Debt-Equity-Swaps gewesen. In Frankreich und Italien werden die Vorschriften zur Zustimmungs- Die Europäische Kommission schlägt mit Art. 9c pflicht der Hauptversammlung von der Praxis als bü- AktR-RL vor, dass Transaktionen von Börsenunter- rokratisch und unflexibel kritisiert. nehmen mit nahestehenden Unternehmen und Personen zumindest17 einem zweigliedrigen, vom Wert und von 2. Bezugspunkt des Anwendungsbereichs: der Bedeutung der Transaktionen abhängigen Schutz- Börsennotierte Unternehmen regime zugunsten der Aktionäre unterliegen. Bezugspunkt auch des Änderungsentwurfs sind nach (1) Vorab-Transparenzpflicht: Betrifft eine Transaktion wie vor (nur) Gesellschaften, die (i) ihren Sitz in ei- mehr als 1 % des Vermögens der Gesellschaft, ist diese nem EU-Mitgliedstaat haben und (ii) deren Aktien zum Zeitpunkt ihres Abschlusses öffentlich bekannt zum Handel an einem in einem Mitgliedstaat gele- zu machen und der Bekanntmachung ist der Bericht genen oder dort betriebenen geregelten Markt zuge- eines unabhängigen Dritten beizufügen, in dem be- lassen sind (Art. 1 Abs. 1 AktR-RL). Dabei bezeich- wertet wird, ob die Transaktion zu marktüblichen net „geregelter Markt“ einen Markt i.S.v. Art. 4 Abs. Bedingungen getätigt wird und in dem bestätigt wird, 1 Nr. 14 der MiFID-RL 2004, also ein multilaterales dass sie aus Sicht der Aktionäre und Minderheitsakti- Handelssystem, welches durch staatliche Stellen ge- onäre fair und vernünftig ist. nehmigt, geregelt und überwacht wird und bei dem auch die Zulassung von Wertpapieren einem beson- (2) Zustimmungspflicht der Hauptversammlung: Betrifft deren Zulassungserfordernis unterliegt. Dies trifft in eine Transaktion mehr als 5 % des Vermögens der Ge- Deutschland auf den regulierten Markt i.S.d. §§ 32 ff. sellschaft oder kann sie erhebliche Auswirkungen auf BörsG zu, nicht aber auf den Freiverkehr.21 Der deut- den Gewinn oder Umsatz des Börsenunternehmens schen Umsetzungsgesetzgebung unterliegen hierbei haben, ist sie im Rahmen einer Hauptversammlung die Börsenunternehmen, die in Deutschland ihren den Aktionären zur Abstimmung vorzulegen. Sitz haben (Art. 1 Abs. 2 Hs. 1 AktR-RL) und deren Aktien am regulierten Markt oder einem entsprechen- Dieser zweigliedrige Regelungsvorschlag basiert auf den geregelten Markt eines anderen Mitgliedstaats zu- englischen Vorbildnormen, nämlich den Listing Rules gelassen sind.22 (LR) 1118, wenngleich mit Abweichungen im Detail19. Die dort für alle Gesellschaften mit einem Premi- 3. Transaktion um Listing an einer UK-Börse (LR 11.1.1) statuierte ex ante-Zustimmungspflicht der Aktionäre (mit der Regelungsgegenstand des Schutzregimes sind Trans- Wirkung einer Transaktionsblockade bei fehlendem aktionen mit nahestehenden Unternehmen und Per- Zustimmungsbeschluss) ist rechtsvergleichend nur sonen. Der Begriff der „Transaktion“ wird weder im eine, nicht mehrheitlich verfolgte Regelungsform Entwurf noch in Begleitmaterialien der Kommission zur Kontrolle von Related-Party-Transaktionen.20 In näher erläutert. Es ist aber davon auszugehen, dass Kontinentaleuropa (Ausnahmen: Frankreich, Italien) die Kommission sich auch insoweit (d. h. wie bei „na- überwiegen Regelungsmodelle mit einer besonderen hestehenden Unternehmen und Personen“ in Art. Pflichtenbestimmung für die Geschäftsleitungsorgane, 2 lit. j)) auf die International Accounting Standards kombiniert mit einer möglichen ex post-Verfolgung (IAS 24.9 Abs. 2; „Geschäftsvorfall mit nahestehen- von Haftungsansprüchen durch Aktionäre. Im Verei- den Unternehmen und Personen“; in englischer Spra- nigten Königreich haben die LR 11 insbesondere vor che: „related party transaction“)23 bezieht und den Be- dem Hintergrund weitreichender Ausnahmen und der griff hier gleichsinnig versteht.24 Demnach wären die hohen Streubesitz-Aktionärsstruktur britischer bör- Übertragung von Ressourcen, Dienstleistungen oder sennotierter Gesellschaften bislang keine große prak- Verpflichtungen unabhängig davon erfasst, ob dafür tische Bedeutung. Wesentliche Anwendungsbereiche ein Entgelt in Rechnung gestellt wird. Beispiele hierzu sind seit 2009 (i) Backstop-Vereinbarungen bei Sa- zählt IAS 24.21 auf, nämlich den Kauf oder Verkauf nierungskapitalerhöhungen, (ii) Unternehmens- und von Gütern, Grundstücken oder anderen Vermögens- Beteiligungserwerbe (einschließlich Management werten, den Bezug oder Empfang von Dienstleistun- Buyout-Fälle betreffend Tochtergesellschaften oder be- gen, den Transfer im Rahmen von Finanzierungsver- stimmte Geschäftsbereiche des Börsenunternehmens) einbarungen, die Gewährung von Bürgschaften und
Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Erforderliche Harmonisierung oder unnötiger Systembruch? 9 Abteilung Recht und Versicherung Der Vorschlag der EU-Kommission zu Related Party Transactions Sicherheiten sowie die Erfüllung von Verbindlichkeiten. (Art. 2 lit. j)). Nach IAS 24.9 sind „nahestehende Mit Blick auf die heutige Unternehmenspraxis in Personen“ z. B. solche, die (alternativ) Deutschland wären voraussichtlich ganz überwiegend Transaktionen mit nahestehenden Unternehmen, vor ‒ das Unternehmen beherrschen oder an dessen ge- allem mit Ankeraktionären, und nicht Transaktionen meinschaftlicher Führung beteiligt sind; mit Organmitgliedern und den diesen nahestehenden Personen oder Unternehmen, Gegenstand dieser Re- ‒ maßgeblichen Einfluss auf das Unternehmen ha- gulierung, und zwar dann wiederum mit folgenden ben; oder Geschäftsarten: ‒ im Management des berichtenden Unternehmens ‒ Finanzierungsgeschäfte (z. B. Darlehen [auch in Kri- oder eines Mutterunternehmens des berichtenden sensituationen des Börsenunternehmens], Leasing); Unternehmens eine Schlüsselposition bekleiden. ‒ Absicherung von Eigenkapitalemissionen (z. B. Bei Börsenunternehmen reicht für eine „Beherr- Backstop-Vereinbarungen, Bezugsrechtsaus- schung“ bereits eine solche Stimmrechtsbeteiligung übungsvereinbarungen); aus, die dem Aktionär eine gesicherte Präsenzmehr- heit in der Hauptversammlung vermittelt26, wofür also ‒ Miet- und Pachtverträge sowie Lizenzverträge; bei durchschnittlichen Hauptversammlungspräsenzen ‒ Vertriebsverträge; ‒ Einkaufskooperationen; 17 Die Aktionärsrechterichtlinie sieht nur eine Mindestharmonisierung der Rechte von Aktionären im Zusammenhang mit Hauptversamm- lungen vor; vgl. Art. 3 (Weitere Maßnahmen auf nationaler Ebene): ‒ Cash Management-Verträge, „Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, weitere Konzernservice-Verträge; Verpflichtungen für Gesellschaften einzuführen oder sonst weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausübung der in dieser Richtlinie genannten Rechte durch die Aktionäre zu erleichtern“. - Ob sich ‒ Begründung von Gemeinschaftsunternehmen; deshalb aus deutscher Sicht gegenüber der Kommission mit Erfolg argumentieren lässt, der Regelungsauftrag in Art. 9c laufe aufgrund des Schutzniveaus des deutschen Konzernrechts, das über die Vor- ‒ Kauf, Verkauf und Einbringung von Wirtschafts- gaben des Richtlinienvorschlags hinausgeht, leer, d.h. es bestehe gütern (auch und gerade im Zusammenhang mit kein Anpassungsbedarf, ist indes sehr ungewiss. bereits einer Detailregulierung von Information, 18 Listing Rules 11 der Financial Conduct Authority, abrufbar unter http://fshandbook.info/FS/html/Handbook/LR/11/1 [letzter Abruf: Expertenprüfung und Hauptversammlungsbe- 8.8.2014]; hierzu z. B. Gower/Davies, Principles of Modern Compa- schlusserfordernis unterliegenden Sachkapitaler- ny Law, 9. Aufl. 2012, Rn. 16-31. höhungen). 19 Ähnlich Fleischer, BB 2014, 2691, 2697, 2700 („ähnelt unverkennbar den britischen Listing Rules“). 20 Ausf. rechtsvergleichend zur Regelung von Related Party Transac- Es geht bei den „Transaktionen“ um Geschäftsvorfäl- tions jüngst Fleischer, BB 2014, 2691, 2692 ff. le mit Leistungsaustausch, nicht um vertragsbasierte 21 Vgl. nur Veil, in: ders., Europäisches Kapitalmarktrecht, § 7 Rn 18 f.; Salewski, GWR 2012, 265, 267. – Zu der anlässlich des Erlas- Strukturmaßnahmen. Daher ist eine teleologische ses der Aktionärsrechterichtlinie geäußerten vagen Erwartung einer Reduktion für den Abschluss von Unternehmensver- mittelfristigen Ausweitung des Anwendungsbereichs auch auf be- trägen wie Beherrschungs- oder Gewinnabführungs- deutsame Freiverkehrssegmente wie etwa den Entry Standard der Frankfurter Wertpapierbörse Noack, NZG 2006, 321, 322. verträgen mit einer börsennotierten Gesellschaft als 22 Vgl. zu entsprechenden Märkten das von ESMA gemäß Art. 47 Mi- abhängiger Vertragspartei oder aber auch die Ver- FID-RL 2004 und auf Basis der Meldungen der Mitgliedstaaten er- schmelzung oder Spaltung unter Beteiligung börsen- stellte Verzeichnis über geregelte Märkte unter http://mifiddatabase. esma.europa.eu/. notierter Gesellschaften angezeigt.25 23 Abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/accounting/ docs/consolidated/ias24_en.pdf [letzter Abruf: 8.8.2014]. 4. Nahestehende Unternehmen und Personen 24 Ebenso Lanfermann/Maul, BB 2014, 1283, 1287; Wiersch, NZG 2014, 1131, 1133. 25 Offen bei Wiersch, NZG 2014, 1131, 1133. Das Schutzregime erfasst Transaktionen mit „nahe- 26 Haufe, IFRS-Kommentar, 12. Aufl. 2014, § 32 Rn 44 f., 49 f.; Brune, stehenden Unternehmen und Personen“, und dieser in: Beck‘sches IFRS-Handbuch, 4. Aufl. 2013, § 30 Rn 40; Baetge/ Hayn/Ströher, in: Baetge/Wollmert/Kirsch/Oser/Bischof (Hrsg.), Personenkreis wird im Regelungsvorschlag wie in Rechnungslegung nach IFRS, 2. Aufl., Stand 12/2012, IFRS 10 Rn den International Accounting Standards definiert 107.
10 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Erforderliche Harmonisierung oder unnötiger Systembruch? Abteilung Recht und Versicherung Der Vorschlag der EU-Kommission zu Related Party Transactions von unter 50 % des stimmberechtigten Grundkapitals ‒ bei denen eine nahestehende Person maßgebli- Aktienpositionen von 25 % genügen. Für einen „maß- chen Einfluss auf das Unternehmen hat oder im geblichen Einfluss“ reicht schon die Möglichkeit zur Management des Unternehmens (oder des Mutter- Mitwirkung an den finanz- und geschäftspolitischen unternehmens des Unternehmens) eine Schlüssel- Entscheidungen des Unternehmens aus, was bereits position bekleidet. bei einem unmittelbaren oder mittelbaren Halten von mindestens 20 % der Stimmrechte am Unternehmen Zu den nahestehenden Unternehmen eines Börsenun- widerlegbar vermutet wird (IAS 27.13).27 Der Perso- ternehmens zählen also sämtliche Mutter-, Tochter-, nenkreis mit „Schlüsselposition“ umfasst ähnlich Schwester- oder (Ur-)Enkelgesellschaften, aber auch wie der insiderrechtliche Begriff der „Personen mit solche (assoziierten) Unternehmen, auf die maßgeb- Führungsaufgaben“ (vgl. § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 licher Einfluss (widerlegliche Vermutung bei Halten WpHG) nicht nur Vorstands- und Aufsichtsratsmit- von mindestens 20 % der Stimmrechte) ausgeübt wer- glieder, sondern auch vorstandsnachgeordnete Füh- den kann. Nicht erfasst sind allerdings Transaktionen rungskräfte, sofern sie für die Planung, Leitung und (i) zwischen dem Börsenunternehmen und Personen, Überwachung der Tätigkeiten des Unternehmens die in dem Börsenunternehmen nachgeordneten zuständig sind. In einer zweiten Referenzebene sind Gruppenunternehmen eine Schlüsselposition inne- diejenigen Personen (insbesondere Familienangehöri- haben sowie (ii) zwischen dem Börsenunternehmen ge) als nahestehend zu qualifizieren, bei denen anzu- nachgeordneten Gruppengesellschaften und dem Bör- nehmen ist, dass sie bei ihren Transaktionen mit dem senunternehmen nahestehenden Personen und Unter- Unternehmen auf die (originär) nahestehende Person nehmen.28 Einfluss ausüben oder von dieser beeinflusst werden können; dies sind vor allem Ehegatten und die Kinder Diese dennoch enorme Weite des relevanten Perso- der (originär) nahestehenden Person. nenkreises29 wird durch den Verweis auf die an sich nur transparenzbezogenen IAS-Rechnungslegungs- „Nahestehende Unternehmen“ sind insbesondere sol- vorschriften zusätzlich dadurch erweitert, dass es für che, (alternativ) die Beurteilung nicht allein auf die rechtlichen Ver- hältnisse ankommen soll, sondern auf den „wirtschaft- ‒ die derselben Unternehmensgruppe angehören; lichen Gehalt der Beziehung“, also z. B. ein relevantes Näheverhältnis nicht durch die Zwischenschaltung ‒ die assoziierte Unternehmen oder Gemeinschafts- nur vermeintlich neutraler Personen und Unterneh- unternehmen sind; men vermieden werden kann.30 ‒ die Gemeinschaftsunternehmen desselben Dritten Die Bezugnahme auf die Transparenzvorschriften sind; der Rechnungslegung für einen materiellen Aktio- närsschutz, der ausweislich der Normbegründung ‒ von denen eines ein Gemeinschaftsunternehmen Vermögensverschiebungen zugunsten nahestehender eines dritten Unternehmens und das andere Unter- Personen verhindern soll, ist bereits vom Ansatz nicht nehmen ein assoziiertes Unternehmen des dritten überzeugend. Dies gilt insbesondere für die Erfassung Unternehmens ist; von Transaktionen des Börsenunternehmens mit Ge- sellschaften, die es beherrscht (also Tochter- und (Ur-) ‒ bei denen der Gegenstand des Unternehmens ein Enkelgesellschaften), denn hier gibt es keine Vermu- Plan für Leistung nach Beendigung des Arbeitsver- tung dafür, dass diese Transaktionen einem Drittver- hältnisses zugunsten der Arbeitnehmer entweder gleich zulasten der (Minderheits-)Aktionäre des Bör- des berichtenden Unternehmens oder eines dem senunternehmens nicht standhielten.31 berichtenden Unternehmen nahestehenden Unter- nehmens ist; 5. Stufe 1: Offenlegung ‒ die von einer nahestehenden Person beherrscht Die erste Stufe des Schutzregimes ist die Herstellung werden oder unter gemeinschaftlicher Führung von Transparenz über die Transaktionen mit naheste- stehen, an der eine nahestehende Person beteiligt henden Unternehmen und Personen durch öffentliche ist; oder Bekanntmachung.
Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Erforderliche Harmonisierung oder unnötiger Systembruch? 11 Abteilung Recht und Versicherung Der Vorschlag der EU-Kommission zu Related Party Transactions 5.1 Werthürde des Jahresabschlusses.35 Allerdings spricht hiergegen bislang die Zeitpunktangabe der Bekanntmachung, Diese Bekanntmachungspflicht tritt dann ein, wenn nämlich dass diese „zum Zeitpunkt des Transaktions- die Transaktion „mehr als 1 % des Vermögens [des abschlusses“ erfolgen muss. Diese Zeitangabe spricht Börsenunternehmens] [betrifft]“ (Art. 9c Abs. 1 Satz 1). für eine verbandsrechtliche oder kapitalmarktrechtli- Der Kommissionsvorschlag enthält weder eine Kontu- che Ad hoc-Offenlegung.36 rierung des Begriffes „Vermögens“ noch eine Erläute- rung des Relativbegriffs der „Betroffenheit“. Mit Blick Inhaltlich verlangt der Kommissionsvorschlag die An- auf die englische Vorbildnorm der LR 11 (nämlich LR gabe (i) von Informationen zur Art des Verhältnisses 11.1.10R i.V.m. LR 10 Annex IG [sog. class tests]) ist mit den nahestehenden Unternehmen und Personen, anzunehmen, dass das Verhältnis des Vertragswerts (ii) der Namen der nahestehenden Unternehmen und der Transaktion zum bilanziellen Aktivvermögen des Personen, (iii) des Betrags der Transaktion und (iv) al- Börsenunternehmens (im Sinne des britischen „gross ler weiteren für die Bewertung der Transaktion erfor- asset test“) maßgeblich ist.32 Bei Dauerschuldverhält- derlichen Informationen (Art. 9c Abs. 1 Satz 2). Dies nissen (z. B. Miet- oder Pachtverträgen, Lizenzverträ- entspricht bereits wortlautgleich den unionsrechtli- gen, Vertriebsverträgen etc.) ist die Bestimmung des chen Vorgaben zum Inhalt des Anhangs (Vierte Richt- Vertragswerts unsicher. Bei festen Vertragslaufzeiten linie)37 bzw. Konzern-Anhangs (Siebte Richtlinie)38, so ist wohl ein zeitraumbezogener Gesamtwert anzuset- dass insoweit kein Transparenzgewinn erreicht wird. zen, bei offenen Laufzeiten sollte auf die erste Kün- Die Zusatztransparenz betrifft die Angabe der Ange- digungsmöglichkeit und den sich hieraus ergebenden messenheit der Transaktion, vor allem aber den Be- zeitraumbezogenen Gesamtwert abgestellt werden. richtszeitpunkt: Vorabinformation anstatt wie bislang Dennoch werden hier im Einzelfall wegen nicht selten nachgelagerte Berichterstattung. Eine ausdrückliche variablen oder bedingten Zahlungsansprüchen erheb- Schutzklausel zur Vermeidung der Veröffentlichung liche Auslegungsprobleme (und damit Transaktionsri- von Betriebsgeheimnissen ist nicht vorgesehen, wäre siken) verbleiben. aber unbedingt zu ergänzen.39 5.2 Rechtsfolgen a) Öffentliche Bekanntmachung Wird die 1 %-Vermögensgrenze durch die Transakti- on überschritten, ist die Transaktion „zum Zeitpunkt ihres Abschlusses öffentlich [bekannt zu machen]“ (Art. 9c Abs. 1 Satz 1). Der Kommissionsvorschlag 27 Nach LR 11.1.14 gilt ein Aktionär sogar bereits ab 10% Stimmrecht- regelt allerdings den Modus der Offenlegung nicht.33 sinhaberschaft als “substantial shareholder”; siehe zu der deswegen bestehenden Auslegungsunsicherheit im Hinblick auf den Kommis- Im Grundsatz kämen vier Offenlegungsvarianten in sionsvorschlag Seibt, Börsen-Zeitung v. 28.6.2014, S. 9. – Auch in Frage, nämlich (i) die Offenlegung im Anhang des Frankreich qualifizieren bereits Transaktionen mit Aktionären, die Jahresabschlusses, (ii) die Offenlegung als Teil oder über mehr als 10% der Stimmrechte verfügen, als sog. conventions réglementées (vgl. art. L 225-38 Code de commerce). im Zuge der Einberufung zur Hauptversammlung, (iii) 28 Zu diesen Fällen unter (ii) krit. Wiersch, NZG 2014, 1131, 1135. die verbandsrechtliche Offenlegung nach dem Rege- 29 Zu Recht hierzu krit. Lutter, EuZW 2014, 68. lungsmuster des § 161 AktG (Entsprechenserklärung) 30 Vgl. Senger/Prengel, in: Beck‘sches IFRS-Handbuch, 4. Aufl. 2013, § 20 Rn 5; Fink/Zeyer, in: Baetge/Wollmert/Kirsch/Oser/Bischof oder (iv) die kapitalmarktrechtliche Offenlegung über (Hrsg.), Rechnungslegung nach IFRS, 2. Aufl., Stand 5/2014, IAS 24 die WpHG-Informationsmedien.34 Rn 6. 31 Zutreffend Wiersch, NZG 2014, 1131, 1135. 32 So bereits Seibt, Börsen-Zeitung v. 28.6.2014, S. 9; ders., DB 2014, Die Einordnung in diese unterschiedlichen Offenle- 1910, 1914 Fn. 44; Lanfermann/Maul, BB 2014, 1283, 1287. gungsvarianten ist insbesondere von Relevanz für die 33 Zutreffend Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1127. Fehlerfolgen, vor allem im Hinblick auf etwaige Aus- 34 Ebenso Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1127. 35 Hierfür Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1127. wirkungen auf Hauptversammlungsbeschlüsse (insbe- 36 So auch Fleischer, BB 2014, 2691, 2697. sondere Beschlüsse über die Entlastung von Vorstand 37 Art. 43 Abs. 1 Nr. 7b der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates v. und Aufsichtsrat), den festgestellten Jahresabschluss 25.7.1978; umgesetzt durch § 285 Nr. 21 HGB. 38 Art. 34 Abs. 7b der Siebten Richtlinie 83/349/EWG des Rates v. oder die Haftung von Vorstandsmitgliedern. System- 13.7.1983; umgesetzt durch § 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB. gerecht wäre an sich eine Veröffentlichung im Anhang 39 Ebenso jüngst Fleischer, BB 2014, 2691, 2698.
12 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Erforderliche Harmonisierung oder unnötiger Systembruch? Abteilung Recht und Versicherung Der Vorschlag der EU-Kommission zu Related Party Transactions b) Beifügung eines Bewertungsgutachtens 5.3 Ausnahmetatbestände (Fairness Opinion) Der Bekanntmachung ist der Bericht eines unabhängi- In Ergänzung zu dem informellen Vorentwurf 2013 gen Dritten beizufügen, „in dem bewertet wird, ob die ist im Kommissionsvorschlag einerseits vorgesehen, Transaktion zu marktüblichen Bedingungen getätigt dass nach Mitgliedstaatenoption Aktionäre die Ge- wird, und bestätigt wird, dass sie aus Sicht der Aktio- sellschaft bei wiederkehrenden Transaktionen von näre und Minderheitsaktionäre fair und vernünftig der Pflicht zur Veröffentlichung einer Fairness Opini- ist“ (Art. 9c Abs. 1 Satz 1). Mit dieser Verpflichtung on für zwölf Monate ab Genehmigung befreien kön- der Geschäftsleitung zur Einholung einer sog. Fairness nen (Art. 9c Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1); bei dem hierfür Opinion für Geschäftsführungsmaßnahmen betritt die erforderlichen Hauptversammlungsbeschluss ist ein Europäische Kommission Neuland. Eine solche Ver- von der Transaktion betroffener Aktionär vom Stimm- pflichtung ist z. B. – trotz damaliger Diskussion40 – nicht recht ausgeschlossen (Art. 9c Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2). in der EU-Übernahmerichtlinie oder bei deren Umset- zung ins deutsche Übernahmerecht als Erfordernis zur Andererseits ist im Kommissionsvorschlag geregelt, Substantiierung der Stellungnahme der Geschäftsleitung dass die Mitgliedstaaten Transaktionen zwischen dem zu Übernahmeangeboten vorgesehen worden. Sie grenzt Börsenunternehmen und einer sich mittelbar oder sich auch ab von den europarechtlich vorgeprägten An- unmittelbar vollständig in seinem Besitz befindenden forderungen an Strukturmaßnahmen und Gründungs- Gruppengesellschaft von der Transparenzregelung vorgängen (Verschmelzung; Spaltung; ähnlich auch ausnehmen können (Art. 9c Abs.4).46 Dabei sollte es Nachgründung), bei denen die intensivere Prüfung durch ausreichen, dass das Börsenunternehmen unmittelbar einen sachverständigen Gutachter erforderlich ist.41 oder mittelbar entweder 100 % der Anteile oder 100 % Regelungsvorbild waren wohl die nationalen Regelun- der Stimmrechte an der Gruppengesellschaft hält. gen im Vereinigten Königreicht (LR 13.6.1) sowie Frank- Eine Ausnahme für den Vertragskonzern fehlt indes reich; in Deutschland gibt es keine Pflicht zur Einholung (unverständlicherweise). einer Fairness Opinion vor Durchführung unternehme- rischer Geschäftsführungsmaßnahmen.42 6. Stufe 2: Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses Der Kommissionsvorschlag macht zwar richtigerwei- se keine Vorgaben für die einzuhaltenden Standards 6.1 Voraussetzungen bei Erstellung einer Fairness Opinion, allerdings ist der Vorschlagseinleitung (mit dem Hinweis auf einen Related-Party -Transaktionen, die entweder mehr regelmäßigen Zeitaufwand von nur fünf bis zehn Stun- als 5 % des Vermögens der Gesellschaft betreffen den43) zu entnehmen, dass die Anforderungen eher (1. Alternative), oder Transaktionen, die erhebliche gering sind (und deutlich unter den bislang marktüb- Auswirkungen auf den Gewinn oder Umsatz haben lichen Standards liegen). Der Kommissionsvorschlag können (2. Alternative)47, sollen den Aktionären als schreibt immerhin einen doppelten Inhalt für die gleichsam zweite Stufe des Schutzregimes im Rahmen Fairness Opinion vor, nämlich einerseits eine Bewer- einer Hauptversammlung zur Abstimmung vorgelegt tung der Transaktion nach Marktüblichkeit (ohne dass werden. allerdings deutlich wird, ob dies eine reine Gegen- leistungskontrolle nach finanziellen Kriterien ist oder a) Werthürde auch Fragen z. B. nach der Transaktionssicherheit, dem Die Werthürde von 5 % des Gesellschaftsvermögens Garantieumfang etc. miteinschließt) und andererseits bemisst sich wie bei der Transparenzvorschrift (sub eine weitergehende Angemessenheitsbestätigung („fair Ziffer 5.1), nämlich durch das Verhältnis von Trans- und vernünftig“). Ist für eine Transaktion (es geht ja aktionswert und Aktivvermögen des Börsenunterneh- nicht um ein reines Wirtschaftsgut44) wegen Einzelfallbe- mens. sonderheiten kein Marktvergleich möglich, so reichen qualitative Angaben zur Bewertung und eine insoweit, b) Aggregationsklausel also mit Verweis auf den fehlenden Marktvergleich Als Missbrauchsvorschrift ist beim Hauptversamm- vorgenommene, eingeschränkte Angemessenheitsbe- lungserfordernis eine Aggregationsklausel geregelt: stätigung. Die Transaktion muss in diesem Fall nicht Mehrere Transaktionen innerhalb von 12 Monaten etwa unterbleiben.45 mit denselben nahestehenden Personen oder Unter-
Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Erforderliche Harmonisierung oder unnötiger Systembruch? 13 Abteilung Recht und Versicherung Der Vorschlag der EU-Kommission zu Related Party Transactions Fall Transaktionswert 10 % 9% 8% 12- Monatsfrist 7% für NU1 6% 5% 4.7 4.0 4% 3% 2% 0.9 1% t 0.2 1.1.2017 1.1.2018 1.1.2019 Nahestehende Person 1 Nahestehendes Unternehmen 1 Nahestehendes Unternehmen 2 Fall: Das Börsenunternehmen (BU) schließt im Februar 2017 mit dem nahestehenden Unternehmen 1 (NU1) eine Transaktion im Wert von 4 % des Vermögens von BU ab, im Juli 2017 mit dem nahestehenden Unternehmen 2 im Wert von 0,9 % und im September 2017 mit der nahestehenden Person 1 im Wert von 0,2 %; diese Transaktionen werden - obgleich mit einem Gesamtwert von über 5 % des Vermögens von BU - nicht aggregiert, da es sich bei der Transaktionsgegenseite nicht um dieselbe Person handelte. Eine weitere Transaktion mit NU1 im März 2018 im Wert von 4,7 % des Vermögens von BU wird nicht mit der Ersttransaktion aggregiert, da sie außerhalb der 12-Monatsfrist liegt. Quelle: Prof. Dr. Christoph H. Seibt nehmen werden aggregiert und die Transaktion, mit 40 Zur Diskussion in Deutschland siehe z. B. § 14 BMF-Diskussionsent- wurf eines Gesetzes zur Regelung von Unternehmensübernahmen, der die Schwelle von 5 % des Gesellschaftsvermögens abgedruckt in NZG 2000, 844, 848, der vorsah, dass der Bieter und überschritten wird, sowie jede weitere Transaktion die Zielgesellschaft „bei der Vorbereitung und Durchführung einer mit derselben nahestehenden Person oder demselben Übernahme einen geeigneten Berater hinzuzuziehen“ haben; hier- zu siehe Land/Hasselbach, DB 2000, 1747, 1749; Harbarth, in: nahestehenden Unternehmen dürfen erst nach der Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, Bd. I, Stand: Mai 2012; § 27 Rn 72; Genehmigung durch die Hauptversammlung abge- krit. zur fehlenden Annahme von § 14 DiskE-ÜG Hopt, ZGR 2002, schlossen werden (Artikel 9c Abs. 3). Der Regelungs- 333, 355; ders., ZHR 166 (2002), 383, 401. – Z. B. in Österreich ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erstellung mechanismus wird durch den oben stehenden Fall der Stellungnahme zu Übernahmeangeboten von Vorstand und (mit Grafik) illustriert. Aufsichtsrat sowohl auf Seiten des Bieters (§ 9 Abs. 1 ÜbG) als auch der Zielgesellschaft (§ 13 ÜbG) vorgeschrieben. 41 Vgl. für Verschmelzung § 9 Abs. 1 UmwG (in Umsetzung von Art. c) Wesentlichkeit als Auffangtatbestand 10 Abs. 1 Satz 1 der Dritten Richtlinie 78/855/EWG des Rates v. Darüber hinaus wird das Hauptversammlungserfor- 9.10.1978) und gleichermaßen für Spaltung über die Scharniernorm dernis nicht nur bei Überschreiten der 5 %-Vermö- des § 125 UmwG, dessen Anordnung der entsprechenden Anwen- dung von § 9 Abs. 1 UmwG zurückgeht auf Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der gensgrenze ausgelöst, sondern auch durch Transakti- Sechsten Richtlinie 82/891/EWG des Rates v. 17.12.1982; vgl. für onen, „die erhebliche Auswirkungen auf den Gewinn die Nachgründung § 52 Abs. 4 i.V.m. § 33 Abs. 4 AktG, der nachfol- oder Umsatz haben können“. Eine nähere Konturie- gend in Art. 13 i.V.m. Art. 10 der Zweiten Richtlinie 77/91/EWG des Rates v. 13.12.1976 unionsrechtlich basiert wurde. rung dieser Wesentlichkeitsschwelle findet sich weder 42 Siehe z. B. OLG Düsseldorf v. 16.1.2004 – I-16 W 63/03, ZIP 2004, im Kommissionsvorschlag selbst noch in den Begleit- 359; Fleischer, BB 2014, 2691, 2698. dokumenten der Europäischen Kommission. Zetzsche 43 RL-Vorschlag, a.a.O. (Fn. 1), S. 10. 44 So aber Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1126. hat insoweit eine Konkretisierung durch Einführung 45 Anders allerdings Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1126. eines „Schwellenwertes von 10 % für Ertrag und Um- 46 Noch nicht enthalten im informellen Vorentwurf. satz“ vorgeschlagen.48 Da eine solchermaßen statische 47 In dieser 2. Alt. (Art. 9c Abs. 2 Satz 1) fehlt offenbar wegen eines Redaktionsversehens die Bezugnahme auf „nahestehende Unter- Prozent-Bezugnahme gerade bei umsatz- und/oder er- nehmen und Personen“. tragsschwachen Unternehmen zu inakzeptabel häufi- 48 Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1128.
14 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Erforderliche Harmonisierung oder unnötiger Systembruch? Abteilung Recht und Versicherung Der Vorschlag der EU-Kommission zu Related Party Transactions
Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Erforderliche Harmonisierung oder unnötiger Systembruch? 15 Abteilung Recht und Versicherung Der Vorschlag der EU-Kommission zu Related Party Transactions gen Hauptversammlungserfordernissen führte, müsste Fall 1 an sich – wenn denn überhaupt eine Wesentlichkeits- auffangregelung statuiert werden soll – ein gemischt qualitativ/quantitativer Ansatz gewählt werden. We- NU2 gen der dann allerdings bestehenden hohen Rechtsun- sicherheit ist insgesamt ein solcher Auffangtatbestand Free Float 100 % abzulehnen. 6.2 Hauptversammlungsbeschluss Transaktion NU1 a) Beschlusserfordernis; Mehrheitserfordernis mit Stimmverbot des betroffenen Aktionärs > 20 % < 80 % („Majority of the Minority“) Börsenunternehmen aa) Beschlusserfordernis Wird die Wertgrenze oder das Wesentlichkeitskriteri- um durch die Related-Party-Transaktion überschritten, Fall 1: Das Börsenunternehmen (BU) schließt mit den nahestehenden Unter- so ist diese „den Aktionären im Rahmen einer Haupt- nehmen 2 (NU2) eine Transaktion im Wert von 6 % des Vermögens von BU ab. NU2 ist nicht selbst an BU beteiligt, allerdings ist die 100 %ige Tochtergesell- versammlung zur Abstimmung [vorzulegen]“ (Artikel schaft von NU2, das nahestehende Unternehmen 1 (NU1), mit mehr als 20 % 9c Abs. 2 Satz 1). Dabei ist für den Fall, dass ein Ak- an BU beteiligt. NU1 unterliegt keinem Stimmverbot. tionär an der Transaktion beteiligt ist, dieser von der Quelle: Prof. Dr. Christoph H. Seibt entsprechenden Abstimmung ausgeschlossen (Artikel 9c Abs. 2 Satz 2). Der Kommissionsvorschlag verfolgt also das Konzept der sog. Majority of the Minority49, Fall 2 allerdings in einem strengeren Sinne als in der Ur-Vor- bildnorm des Rechts von Delaware, nämlich mit Re- NU2 gelung der Beschlusswirkung als Handlungs-, ggf. so- gar als Wirksamkeitsvoraussetzung und nicht nur wie 100 % Free Float dort als Vermutungsregelung für die Einhaltung der Business Jugdement Rule durch die Geschäftsleiter.50 bb) Mehrheitserfordernis mit Stimmverbot Transaktion NU1 Ein bestimmtes Mehrheitserfordernis für die Be- schlussfassung der Hauptversammlung regelt der > 20 % 10 % < 70 % Kommissionsvorschlag nicht. Diese Frage verbleibt damit also der Regelungsautonomie des nationalen Gesetzgebers. Für das deutsche Recht wäre – in Anleh- Börsenunternehmen nung an § 119 Abs. 2 AktG – die einfache Beschluss- mehrheit nach § 133 Abs. 1 AktG systemgerecht. Fall 2: Das Börsenunternehmen (BU) schließt mit dem nahestehenden Unter- nehmen 2 (NU2) eine Transaktion im Wert von 6 % des Vermögens von BU ab. Das Stimmverbot trifft nur den unmittelbar an der NU2 ist zu mehr als 20 % an BU direkt beteiligt sowie über seine Transaktion beteiligten Aktionär, nicht weitergehend 100 %ige-Tochtergesellschaft, das nahestehende Unternehmen 1 (NU1), das seinerseits 10 % an BU hält. NU2 unterliegt einem Stimmverbot, allerdings auch nahestehende Personen und Unternehmen von nicht NU1, da diese keine transaktionsbeteiligte Partei ist. Aktionären, die an der Transaktion beteiligt sind51, erst Quelle: Prof. Dr. Christoph H. Seibt recht nicht Aktionäre, deren nahestehende Personen und Unternehmen transaktionsbeteiligte Partei sind. Die grafisch aufgeführten Musterfälle 1 und 2 illustrie- 49 Hierzu Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1127 (für einen Gleichlauf von Zu- ren die damit verbundenen Beschränkungen. rechnungskreis für die Ermittlung der Transaktion und Stimmverbot). 50 Hierzu instruktiv Tröger, Corporate Groups, (Fn. 12), S. 31 sowie Flei- scher, BB 2014, 2691, 2694 f. 51 Krit. hierzu Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1128.
16 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Erforderliche Harmonisierung oder unnötiger Systembruch? Abteilung Recht und Versicherung Der Vorschlag der EU-Kommission zu Related Party Transactions cc) Wirkung eines fehlenden nünftig (Theorem der rationalen Apathie) sein dürfte Hauptversammlungsbeschlusses – sich letztlich auf ein mehr oder weniger arbiträres Im Hinblick auf die Wirkung des an sich erforderli- „intelligent guessing“ verlassen oder sich der Stimme chen, aber fehlenden Hauptversammlungsbeschlusses enthalten. Zudem sind die Aktionäre bei ihrer Stim- bestimmt der Kommissionsvorschlag in uneindeutiger mabgabe nur in Sondersituationen dem Unterneh- Weise (Artikel 9c Abs. 2 Satz 3): „Das Unternehmen mensinteresse verpflichtet56, sodass sich wegen des tätigt die Transaktion erst dann, wenn sie von den Stimmverbots zulasten des transaktionsbetroffenen Aktionären genehmigt wurde (anders übrigens Satz nahestehenden Unternehmens für Minderheitsakti- 4: „darf…tätigen“, in englischer Sprache ebenso un- onäre (einschließlich z. B. von zu Blockadezwecken eindeutig: „[t]he company shall not [nicht: „may not“] als Aktionär beigetretenen Wettbewerbern des nahe- conclude the transaction before the shareholders‘ stehenden Unternehmens!) unverhältnismäßige Ein- approval“). Es ist unklar, ob die Kommission damit flussmöglichkeiten zur Verfolgung von Partikularinte- – wie z. B. im deutschen Recht bei § 179a AktG52 ressen ergeben. oder auch im französischem Recht nach art. L 225-41 Code de commerce bei einer convention réglementée, c) Ausnahmetatbestände jeweils aus Verkehrsschutzgründen – einschränkend Der Kommissionsvorschlag gibt den Mitgliedstaaten statuieren will, dass keine Konsequenzen aus fehlen- (nur) zwei Regelungsoptionen an die Hand, um Aus- den Hauptversammlungsbeschlüssen für die korres- nahmetatbestände von der Zustimmungspflicht der pondierenden Vollzugsbeschlüsse im Außenverhältnis Hauptversammlung vorzusehen: drohen, oder ob sich die Kommission womöglich von der englischen ultra vires-Doktrin inspirieren ließ, (1) So dürfen die Mitgliedstaaten regeln, dass die der zur Folge Rechtshandlungen im Außenverhältnis Börsenunternehmen die Hauptversammlungszustim- mangels „capacity“ unwirksam sein können.53 Ein sol- mung „bei genau festgelegten Arten wiederkehrender ches Vertretungsverbot der Geschäftsleitung wirkte Transaktionen mit einem bestimmten nahestehenden als Transaktionsbremse besonders scharf und ließe Unternehmen bzw. einer bestimmten nahestehenden an sich interessengerechte Beschlussüberwindungen Person vorab für einen Zeitraum einholen können, (z. B. wegen offensichtlicher Treupflichtverletzungen) der zwölf Monate ab Genehmigung nicht überschrei- nicht zu. Es wäre daher dringend klarzustellen, dass tet“ (Art. 9c Abs. 2 UAbs. 2 Satz 1); der transaktions- Verfahrensfehler beim oder auch das Fehlen eines betroffene Aktionär ist bei diesem Vorab-Hauptver- Hauptversammlungsbeschlusses die Wirksamkeit der sammlungsbeschluss vom Stimmrecht ausgeschlossen Transaktion unberührt lässt.54 (Art. 9c Abs. 2 UAbs. 2 Satz 2). Dieser Ausnahmetat- bestand kann in bestimmten Konstellationen eine Er- b) Kein Berichtserfordernis leichterung darstellen, allerdings ist der 12-monatige Fraglich ist nach dem Kommissionsvorschlag wei- Wirkungszeitraum unverhältnismäßig kurz; vielmehr terhin, ob auch bei Transaktionen i.S.v. Art. 9c Abs. sollte in Anlehnung an die Regelungen zum Erwerb 2 – d. h. bei solchen, die nicht nur 1 %, sondern eigener Aktien57 oder zum genehmigten Kapital58 mit 5 % des Gesellschaftsvermögens betreffen oder erheb- Bezugsrechtsausschluss eine 5-Jahresperiode vorgese- liche Auswirkungen auf Gewinn oder Umsatz haben hen werden.59 können – eine Pflicht zur Vorlage einer bestätigenden Fairness Opinion bestehen soll. Die Gegenüberstel- (2) Ferner dürfen die Mitgliedstaaten Transaktionen lung der Formulierungen in Art. 9c Abs. 1 und Art. 9c zwischen dem Börsenunternehmen und Gruppenge- Abs. 2 spricht sehr dafür, dass die Kommission alter- sellschaften nicht nur von den Transparenzpflichten native Schutzmechanismen etablieren will: entweder nach Art. 9c Abs. 1, sondern auch von der Zustim- Offenlegung und bestätigende Fairness Opinion bei mungspflicht der Hauptversammlung ausnehmen, so- Überschreitung der 1 %-Schwelle (Art. 9c Abs. 1) oder fern diese sich unmittelbar oder mittelbar „vollständig Hauptversammlungspflichtigkeit bei Überschreitung im Besitz des Unternehmens befinden“ (Art. 9c Abs. der 5 %-Schwelle bzw. der Schwelle erheblicher Aus- 4)60. Dabei sollte es ausreichen, wenn das Börsenunter- wirkungen (Art. 9c Abs. 2)55. Damit müsste letztlich je- nehmen unmittelbar oder mittelbar entweder 100 % der Aktionär für sich selbst ein Angemessenheitsurteil der Anteile oder 100 % der Stimmrechte an der trans- treffen – was ohne die Inanspruchnahme sachkundi- aktionsverbundenen Gruppengesellschaft hält. Diese ger Hilfe kaum möglich und selten wirtschaftlich ver- Ausnahme ist wegen des fehlenden Risikos einer Ver-
Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Erforderliche Harmonisierung oder unnötiger Systembruch? 17 Abteilung Recht und Versicherung Der Vorschlag der EU-Kommission zu Related Party Transactions mögensverschiebung unterstützenswert.61 Allerdings fehlt es im Kommissionsvorschlag – unverständlicher- weise – an einer Ausnahme für den Vertragskonzern. Die in Annex 1 zu LR 11 (also der Vorbildnormen für den Kommissionsvorschlag) enthaltenen Aus- nahmen, z. B. für (i) geringfügige Transaktionen, (ii) Transaktionen, bei denen die Einigung über die we- sentlichen Vertragsbedingungen erfolgt war, bevor die Gegenseite eine nahestehende Person bzw. ein nahe- stehendes Unternehmen wurde, (iii) die Ausübung von Bezugsrechten bei Kapitalmaßnahmen, (iv) Füh- rungskräfte-Beteiligungsprogramme, (v) Darlehensge- währungen von nahestehenden bzw. an nahestehende Personen oder Unternehmen zu marktüblichen Kon- ditionen, (vi) Zeichnungsverträge zu marktüblichen Konditionen und (vii) bestimmte Joint Investments, finden sich – wiederum unverständlicherweise – im Kommissionsvorschlag nicht.62 52 Hierzu z. B. Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 179a Rn. 12. 53 Allerdings nach Sec. 31, 39 Companies Act (2006) nur noch in ein- geschränktem Umfang. 54 Hierfür Seibt, DB 2014, 1910, 1914; jüngst auch Fleischer, BB 2014, 2691, 2700 unter Hinweis auf das dringende dahingehende Klarstellungsbedürfnis. 55 So bereits Seibt, DB 2014, 1910, 1915. 56 Richtungsweisend in Bezug auf Kapitalerhöhungen K. Schmidt, ZIP 1980, 328, 336 sowie ders., ZGR 1982, 519, 524 f.; vgl. auch Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2010, § 293 Rn 45; so auch BGHZ 129, 136, 175 f. = NJW 1995, 1739, 1741; jüngst [zu Sanierungssituationen] Seibt, ZIP 2014, 1909 ff. 57 Art. 19 Abs. 1 a) der Zweiten Richtlinie 77/91/EWG des Rates v. 13.12.1976; umgesetzt durch § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG. 58 Art. 29 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie 2012/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.10.2012; umgesetzt durch § 202 Abs. 1 AktG. 59 So auch Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1127. 60 Noch nicht enthalten im informellen Vorentwurf. 61 Ebenso Wiersch, NZG 2014, 1131, 1135. – Zuzugeben ist allerdings, dass eine gewisse Vermögensgefährdung zulasten von Minderheits- aktionären auch durch Transaktionen mit 100%-igen Gruppenge- sellschaften dadurch eintreten kann, dass dann in einem weiteren Schritt die 100%-ige Gruppengesellschaft eine Related-Party-Trans- aktion eingeht; diese unterliege nicht dem geplanten EU-Regime, da das Unternehmen ein Börsenunternehmen sein muss. Daher krit. zu dieser Ausnahme Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1127; Tröger, Corpo- rate Groups, SAFE Working Paper No. 66, Stand: 22.9.2014, S. 28. 62 Krit. hierzu bereits Seibt, DB 2014, 1910, 1914; unter weitergehen- der rechtsvergleichender Analyse ebenfalls krit. Fleischer, BB 2014, 2691, 2700.
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