Gemeindebrief Nr. 1/2020 - Dezember 2019 - Februar 2020 - Jerusalem-Kirche

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Gemeindebrief Nr. 1/2020 - Dezember 2019 - Februar 2020 - Jerusalem-Kirche
Gemeindebrief Nr. 1/2020
   Dezember 2019 – Februar 2020
Gemeindebrief Nr. 1/2020 - Dezember 2019 - Februar 2020 - Jerusalem-Kirche
Das Diakonissenhaus Jerusalem, Schäferkampsallee 30, das „Ella-Louisa-Haus“, wurde vom
Diakoniewerk an einen Investor verkauft. Die Schwestern haben weiterhin Wohnrecht und leben in
Gemeinschaft zusammen. Die Schwesternschaft gehört dem Kaiserswerther Verband an und versteht
sich als Glaubens- und Lebensgemeinschaft evangelischer Christinnen, in der Spiritualität, Gast-
freundschaft und Begegnungen ihren Platz haben. Die Zahl der Diakonissen ist kleiner geworden, aber
auch die „Feierabendschwestern“ tragen mit ihrer Fürbitte und der ihnen noch zur Verfügung stehen-
den Kraft unsere Jerusalem-Gemeinde mit.
Das Krankenhaus Jerusalem
Bereits seit dem Jahre 1913 vereint das Krankenhaus Jerusalem hohe Fachkompetenz mit intensiver
persönlicher Zuwendung. Ständige Erweiterungen und umfassende bauliche Erneuerungen haben die
Klinik im Zentrum von Hamburg kontinuierlich dem Stand des medizinischen Fortschritts angepasst –
so beherbergt das Krankenhaus Jerusalem hinter seiner historischen Fassade heute eine moderne Be-
legarzt-Klinik mit 105 Betten. Im Zuge von Gesundheitsreform und anderen Anpassungen war aber
nun auch dies nicht mehr ausreichend, um die Arbeitsplätze und den Betrieb dauerhaft sicherzustellen.
Deshalb wurde ein Verkauf eingeleitet. Mit dem Wechsel des Klinikträgers im September 2007 und
einer Investitionssumme von zehn Millionen Euro wird das Krankenhaus Jerusalem nun schrittweise
erweitert und modernisiert werden. Eine Liste mit Namen und Adressen der Fachärzte ist in der Auf-
nahme des Krankenhauses erhältlich.
Inhaltsverzeichnis:
Editorial                                                                             Seite    1
Hans-Christoph Goßmann, Gedanken zur Jahreslosung 2020
„Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ (Markus 9, 24)                                   Seite    2
Germaine Paetau, Die „Nacht der Kirchen“ 2019 in der Jerusalem-Kirche                 Seite    5
Hans-Christoph Goßmann, Gedanken zum Motto der Nacht der Kirchen
„Herz auf laut“ (Matthäus 12, 34b)                                                    Seite    6
Stimmen zu dem Angriff auf die jüdische Gemeinde in Halle
    - I: Der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für
        Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR)                                      Seite    9
    - II: Hanna Lehming; Dr. Christian Wollmann (ZMÖ)                                 Seite    9
    - III: Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD)                                Seite   10
Oshra Beate Danker, Neues aus der Jüdischen Gemeinde Pinneberg                        Seite   11
Germaine Paetau, Neues von der Musik                                                  Seite   13
vocal total meets rhythm & voice connection – gemeinsames Weihnachtskonzert
am 7. Dezember um 19.00 Uhr in der Jerusalem-Kirche                                   Seite   14
Einladung zur Adventsfeier                                                            Seite   14
Lebendiger Adventskalender in Eimsbüttel                                              Seite   15
Einladung zur Gemeindeversammlung                                                     Seite   15
Regelmäßige Veranstaltungen                                                           Seite   15
Post aus Kibakwe, übersetzt von Helga Kießling                                        Seite   16
Helga Kuhlmann, Gottesdienste in gerechter Sprache                                    Seite   18
Babette Glöckner, Ganz Ohr – rund um die Uhr! Ausbildung in TelefonSeelsorge          Seite   19
Jerusalem-Akademie                                                                    Seite   19
Veranstaltungskalender                                                                Seite   20
Spenden für die Gemeinde erbitten wir auf folgende Konten:
Haspa:     IBAN - DE33 2005 0550 1211 1292 16 BIC - HASPDEHHXXX
Evangelische Bank eG: IBAN – DE25520604106306446019 BIC – GENO DEF1 EK1
Konto des Fördervereins Jerusalem-Kirchengemeinde Hamburg e.V.:
Haspa: IBAN - DE40 2005 0550 1211 1237 55 BIC - HASPDEHHXXX
Unsere Internet-Seiten finden Sie unter: Jerusalem-Kirche = www.jerusalem-kirche.de
Bestellungen und andere Anfragen richten Sie bitte an die Jerusalem-Gemeinde
Sekretariat: Frau Birthe Henkel, Schäferkampsallee 36, 20357 Hamburg, Öffnungszeiten:
Di. und Do. von 9.00 bis 12.00 Uhr und Mi. von 14.30 bis 17.30 Uhr, Telefon: 040/202 28 136,
Fax: 040/202 28 138, E-Mail: jerusalem-kirche@gmx.de,
Pastor: Dr. Hans-Christoph Goßmann, E-Mail: jerusalem-pastor@gmx.de

Impressum:
Herausgeber ist die ev.-luth. Jerusalem-Gemeinde zu Hamburg. Auflage: 600 Stück
Redaktion: Dr. Hans-Christoph Goßmann, Druck: Druckerei Dietrich GmbH, Beeksfelde 18, 25482
Appen/Pi. Für namentlich gekennzeichnete Artikel zeichnen die Autoren verantwortlich.
Der Brief erscheint viermal im Jahr und wird auf Spendenbasis an Mitglieder und Freunde der Ge-
meinde verschickt. Redaktionsschluss für den Jerusalem-Brief 2-2020 ist der 3. Februar 2020.
Gemeindebrief Nr. 1/2020 - Dezember 2019 - Februar 2020 - Jerusalem-Kirche
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                                          Editorial

                           Liebe Leserin,          Dezember gestalten werden, und zu unse-
                           lieber Leser,           rer Gemeindeversammlung am 23. Febru-
                           in dieser Aus-          ar.
                           gabe des Jerusa-        Padré Celestine von unserer römisch-
                                lem-Briefes        katholischen Partnergemeinde in Kibakwe
                           können Sie nach         (Tansania) hat uns am 10. Juni einen Brief
                           Gedanken zur            geschrieben, den Helga Kießling ins Deut-
                               Jahreslosung        sche übersetzt hat. Diese Übersetzung
                           2020 „Ich glau-         können Sie in dieser Ausgabe des Jerusa-
                           be; hilf meinem         lem-Briefes lesen.
                               Unglauben!“         Am 17. November habe wir einen Gottes-
                           (Markus 9, 24)          dienst in der Reihe der ‚Gottesdienste in
                           einen Rückbli-          gerechter Sprache‘ gefeiert; am 23. Febru-
cke von Germaine Paetau auf die diesjäh-           ar werden wir einen weiteren Gottesdienst
rige ‚Nacht der Kirchen‘ die wir gemein-           im Rahmen dieser Reihe feiern. Prof. Dr.
sam mit der Liberalen Jüdischen Gemeinde           Helga Kuhlmann, Mitherausgeberin der
Hamburg gestaltet haben, sowie Gedanken            ‚Bibel in gerechter Sprache‘ (BigS) legt
zu deren Motto „Herz auf laut“ lesen.              dar, was das Besondere der Gestaltung
Sie finden auf den folgenden Seiten auch           dieser Gottesdienste ist.
Stimmen zu dem Angriff auf die jüdische            Babette Glöckner, die Leiterin der Tele-
Gemeinde in Halle: vom Deutschen Koor-             fonseelsorge bei der Diakonie Hamburg,
dinierungsrat der Gesellschaften für Christ-       stellt die Möglichkeit dar, sich zu einer
lich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR), von            Mitarbeiterin bzw. einem Mitarbeiter der
der Beauftragten der Nordkirche für den            Telefonseelsorge ausbilden zu lassen
christlich-jüdischen Dialog, Hanna Leh-            Welche regelmäßigen Gemeindeveranstal-
ming, und dem Direktor des Zentrums für            tungen durchgeführt werden und wann die
Mission und Ökumene (ZMÖ), Dr. Chris-              nächsten Gottesdienste und Bibelstunden
tian Wollmann, sowie vom Zentralrat der            stattfinden werden, können Sie dieser Aus-
Muslime in Deutschland (ZMD).                      gabe des Jerusalem-Briefes natürlich wie
Oshra Beate Danker, Mitglied des Freun-            gewohnt auch entnehmen.
deskreises der Jüdischen Gemeinde Pinne-           Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Ihr
berg, gibt einen Rückblick auf das Ge-                             Hans-Christoph Goßmann
meindeleben unserer jüdischen Partnerge-
meinde in dem vergangenen Vierteljahr.                              * * *
In den vergangenen Monaten hat sich in
musikalischer Hinsicht in unserer Kirche
wieder viel getan. Germaine Paetau berich-
                                                           Monatsspruch im Monat
tet darüber in dieser Ausgabe des Jerusa-
                                                              Dezember 2019
lem-Briefes.
Auf den folgenden Seiten finden Sie auch            Wer im Dunkel lebt und wem kein Licht
die Einladungen zu dem gemeinsamen                  leuchtet, der vertraue auf den Namen des
Weihnachtskonzert der beiden Chöre ‚vo-              Herrn und verlasse sich auf seinen Gott.
cal total‘ und ‚Rhythm & Voice Co-
nection‘ am 7. Dezember, unserer Ad-                                             Jesaja 50, 10
ventsfeier mit Adventsliedersingen mit
dem Eimsbütteler Frauenchor am 14. De-
zember, zum ‚Lebendigen Adventskalen-
der‘, den wir in unserer Gemeinde am 19.                            * * *
Gemeindebrief Nr. 1/2020 - Dezember 2019 - Februar 2020 - Jerusalem-Kirche
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                        Gedanken zur Jahreslosung 2020
              „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ (Markus 9, 24)
                             von Dr. Hans-Christoph Goßmann

Im Allgemeinen sind die bekannten Bibel-            mir bitte aus dem Unglauben!“. In diesen
stellen zugleich auch die, die problemlos           sechs Bibelübersetzungen ist klar, was
zu verstehen sind, deren Sinn sich sofort           gemeint ist: Es geht um die Grenzen des
erschließt, ohne dass eine Erklärung not-           eigenen Glaubens, der eigenen Glaubens-
wendig wäre. Bei der Jahreslosung für das           stärke. Es geht um Glaubenszweifel. Um
neue Kalenderjahr 2020 ist dies nicht so.           diese Jahreslosung besser verstehen zu
Zwar gehört sie zu den Stellen aus der Bi-          können, ist es hilfreich, sie in ihrem Kon-
bel, die viele kennen, aber dennoch fragen          text zu lesen. Dieser Kontext ist die Erzäh-
sich etliche, was genau mit ihr gemeint ist.        lung von der Heilung des epileptischen
Die Stelle lautet in der Lutherübersetzung:         Jungen im neunten Kapitel des Markus-
„Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“.               evangeliums. In der Lutherübersetzung, in
Was ist gemeint, wenn es hier heißt: „hilf          der sie mit der Überschrift ‚Die Heilung
meinem Unglauben!“? Soll dem Unglau-                eines besessenen Knaben‘ versehen ist, hat
ben geholfen werden, sodass er stärker              sie folgenden Wortlaut:
werden, womöglich den Glauben, von dem
unmittelbar zuvor die Rede ist, überwinden          Und sie kamen zu den Jüngern und sahen
soll? Dass das nicht gemeint sein kann,             eine große Menge um sie herum und
versteht sich von selbst. Aber wie sind             Schriftgelehrte, die mit ihnen stritten. Und
diese Worte dann zu verstehen? Diese Fra-           sobald die Menge ihn sah, entsetzten sich
ge müssen sich nicht nur Leserinnen und             alle, liefen herbei und grüßten ihn. Und er
Leser der Lutherübersetzung stellen, son-           fragte sie: Was streitet ihr mit ihnen? Einer
dern auch die der Elberfelder Bibel, der            aber aus der Menge antwortete: Meister,
Zürcher Bibel, der Einheitsübersetzung              ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir,
und der Menge Bibel. Denn in diesen Bi-             der hat einen sprachlosen Geist. Und wo er
belübersetzungen begegnet die Jahreslo-             ihn erwischt, reißt er ihn zu Boden; und er
sung in eben diesem Wortlaut – auch wenn            hat Schaum vor dem Mund und knirscht
in der zuletzt genannten Menge Bibel kein           mit den Zähnen und wird starr. Und ich
Semikolon, sondern ein Doppelpunkt steht.           habe mit deinen Jüngern geredet, dass sie
Aber es gibt andere Übersetzungen der               ihn austreiben sollen, und sie konnten's
Bibel in die deutsche Sprache und die ma-           nicht. Er antwortete ihnen aber und sprach:
chen ihren Leserinnen und Lesern das Ver-           O du ungläubiges Geschlecht, wie lange
ständnis dieses Bibelzitates sehr viel leich-       soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich
ter. So heißt es in der ‚Hoffnung für alle‘:        euch ertragen? Bringt ihn her zu mir! Und
„Ich vertraue dir ja – hilf mir doch, meinen        sie brachten ihn zu ihm. Und sogleich, als
Unglauben zu überwinden!“ Ähnlich liest             ihn der Geist sah, riss er ihn hin und her.
es sich bei ‚Schlachter 2000‘: „Ich glaube,         Und er fiel auf die Erde, wälzte sich und
Herr; hilf mir, [loszukommen] von meinem            hatte Schaum vor dem Mund. Und Jesus
Unglauben!“; in der ‚Neue[n] Genfer                 fragte seinen Vater: Wie lange ist's, dass
Übersetzung‘ heißt es: „Ich glaube! Hilf            ihm das widerfährt? Er sprach: Von Kind
mir heraus aus meinem Unglauben!“, in               auf. Und oft hat er ihn ins Feuer und ins
der ‚Gute Nachricht Bibel‘: „Ich vertraue           Wasser geworfen, dass er ihn umbrächte.
ihm ja – und kann es doch nicht! Hilf mir           Wenn du aber etwas kannst, so erbarme
vertrauen!“, in ‚Neues Leben. Die Bibel‘:           dich unser und hilf uns! Jesus aber sprach
„Ich glaube! Aber hilf mir, dass ich nicht          zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst! Alle
zweifle!“ und in der ‚Neue[n] evangelisti-          Dinge sind möglich dem, der da glaubt.
sche[n] Übersetzung: „Ich glaube ja! Hilf           Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich
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glaube; hilf meinem Unglauben! Als nun               ge ein und beantwortet sie mit einem kla-
Jesus sah, dass die Menge zusammenlief,              ren ‚Nein‘. Er schreibt:
bedrohte er den unreinen Geist und sprach
zu ihm: Du sprachloser und tauber Geist,             „Es gibt keine Flucht aus dem Dilemma
ich gebiete dir: Fahre von ihm aus und               des Menschseins. Wer der Ungewißheit
fahre nicht mehr in ihn hinein! Da schrie er         des Glaubens entfliehen will, wird die Un-
und riss ihn heftig hin und her und fuhr             gewißheit des Unglaubens erfahren müs-
aus. Und er lag da wie tot, sodass alle sag-         sen, der seinerseits doch nie endgültig ge-
ten: Er ist tot. Jesus aber ergriff seine Hand       wiß sagen kann, ob nicht doch der Glaube
und richtete ihn auf, und er stand auf. Und          die Wahrheit sei.“ […] Der Glaubende wie
als er ins Haus kam, fragten ihn seine Jün-          der Ungläubige haben, jeder auf seine
ger für sich allein: Warum konnten wir ihn           Weise, am Zweifel und am Glauben An-
nicht austreiben? Und er sprach: Diese Art           teil, wenn sie sich nicht vor sich selbst ver-
kann durch nichts ausfahren als durch Be-            bergen und vor der Wirklichkeit des Seins.
ten.                                                 Keiner kann dem Zweifel ganz, keiner dem
                              Markus 9, 14-29        Glauben ganz entrinnen; für den einen
                                                     wird der Glaube gegen den Zweifel, für
Der Vater hat zunächst die Jünger Jesu               den anderen durch den Zweifel und in der
gebeten, seinen Sohn zu heilen, die aber             Form des Zweifels anwesend. Es ist die
konnten es nicht. Daraufhin wendet er sich           Grundgestalt des menschlichen Geschicks,
an Jesus. Er wünscht sich so sehr, dass der          nur in dieser unbeendbaren Rivalität von
seinen Sohn heilen wird, aber nach seinen            Zweifel und Glaube, von Anfechtung und
Erfahrungen mit dessen Jüngern kann er es            Gewißheit die Endgültigkeit des Daseins
sich wohl nicht mehr so richtig vorstellen           finden zu dürfen. Vielleicht könnte so ge-
und so sagt er: „Wenn du aber etwas                  rade der Zweifel, der den einen wie den
kannst, so erbarme dich unser und hilf               anderen vor der Verschließung im bloß
uns!“ (Vers 22b). Hier kommen seine                  Eigenen bewahrt, zum Ort der Kommuni-
Zweifel zur Sprache und auf diese Zweifel            kation werden. Er hindert beide daran, sich
reagiert Jesus, indem er sagt: „Du sagst:            völlig in sich selbst zu runden, er bricht
Wenn du kannst!“, um diese Zweifel durch             den Glaubenden auf den Zweifelnden und
die unmittelbar darauf folgenden Worte               den Zweifelnden auf den Glaubenden hin
gleichsam in ihre Schranken zu weisen:               auf.“ (S. 22f. 24).
„Alle Dinge sind möglich dem, der da
glaubt“ (Vers 23). Einen solch starken               In seinem Buch ‚Die Erzählungen der
Gauben, der nicht durch Zweifel beein-               Chassidim‘ (Zürich 1949) überliefert Mar-
trächtigt ist, wünscht sich der Vater und so         tin Buber eine Geschichte, die sich wie
antwortet er auf Jesu Satz mit den Worten,           eine Illustration dieser Gedanken Ratzin-
die die Jahreslosung für das neue Kalen-             gers liest, denn sie zeigt, dass nicht nur
derjahr sind: „Ich glaube; hilf meinem Un-           dem Glauben, sondern auch dem Nicht-
glauben!“ Sein Glaube wie auch sein                  Glauben der Zweifel innewohnt:
Zweifel kommen hier gleichermaßen zur
Sprache. Er sagt diese Antwort nicht; er             „Einer der Aufklärer, ein sehr gelehrter
schreit sie heraus. Die Zweifel angesichts           Mann, der vom Berditschewer gehört hatte,
der Krankheit seines Sohnes bringen ihn an           suchte ihn auf, um auch mit ihm, wie er’s
den Rand seiner Kräfte.                              gewohnt war, zu disputieren und seine
Können Gläubigen diesem Zweifel entrin-              rückständigen Beweisgründe für die
nen oder sind sie ein fester Bestandteil             Wahrheit seines Glaubens zuschanden zu
jedes lebendigen Glaubens? In seiner „Ein-           machen. Als er die Stube des Zaddiks be-
führung in das Christentum“ (München                 trat, sah er ihn mit einem Buch in der Hand
1968) geht Joseph Ratzinger auf diese Fra-           in begeistertem Nachdenken auf und ab
                                                     gehen. Des Ankömmlings achtete er nicht.
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Schließlich blieb er stehen, sah ihn flüchtig       ren zusammen.“ Und so können wir auch
an und sagte: ‚Vielleicht ist es aber wahr.‘        in das „Lob des Zweifels“ von Brecht ein-
Der Gelehrte nahm vergebens sein Selbst-            stimmen, der schreibt:
wertgefühl zusammen – ihm schlotterten
die Knie, so furchtbar war der Zaddik an-           „Gelobt sei der Zweifel! Ich rate euch,
zusehen, so furchtbar sein schlichter               begrüßt mir heiter und mit Achtung
Spruch zu hören. Rabbi Levi Jizchak aber            den der euer Wort wie einen schlechten
wandte sich ihm nun völlig zu und sprach            Pfennig prüft!“
ihn gelassen an: ‚Mein Sohn, die Großen
der Thora, mit denen du gestritten hast,            Dabei macht Brecht allerdings deutlich,
haben ihre Worte an dich verschwendet.              dass Zweifel auch destruktiv wirken kann
Du hast, als du gingst, darüber gelacht. Sie        und diese Form von Zweifel möchte er
haben dir Gott und sein Reich nicht auf             keineswegs gelobt wissen. So heißt es an
den Tisch legen können, und auch ich                anderer Stelle in seinem „Lob des Zwei-
kann’s nicht. Aber, mein Sohn, bedenke              fels“:
vielleicht ist es wahr.‘ Der Aufklärer bot
seine innerste Kraft zur Entgegnung auf,            „Freilich, wenn ihr den Zweifel lobt,
aber dieses furchtbare ‚Vielleicht‘, das ihm        so lobt nicht das Zweifeln, das ein Ver-
da Mal um Mal entgegenscholl, brach sei-            zweifeln ist!“
nen Widerstand.“ (S. 363f.).
                                                    Das Zweifeln, das hoffentlich nicht ein
„Sie haben dir Gott und sein Reich nicht            Verzweifeln ist, wird uns auch im Kalen-
auf den Tisch legen können, und auch ich            derjahr 2020 begleiten. Denn Glaube und
kann’s nicht.“ Der Rabbi weiß, dass ein             Zweifel sind wie die sprichwörtlichen zwei
Glaube ohne die Möglichkeit, das Ge-                Seiten einer Medaille.
glaubte mit eigenen Augen zu sehen,
schwer ist, und er benennt diese Schwie-
rigkeit auch. Das erinnert an die Erzählung         Den Hinweis auf die hier zitierten Texte von Joseph
vom zweifelnden Thomas im zwanzigsten               Ratzinger und Martin Buber entnahm ich der Pre-
                                                    digtmeditation zu dieser Jahreslosung von Martina
Kapitel des Johannesevangeliums (Verse              Janßen in den ‚Predigtmeditationen im christlich-
24 bis 29). Bemerkenswert ist in dieser             jüdischen Kontext. Zur Perikopenreihe 2‘, Berlin
Erzählung, dass die übrigen Jünger Tho-             2019.
mas wegen seines Zweifels nicht kritisiert
haben und dass auch Jesus ihn deshalb
nicht kritisiert hat. Denn zu einem Glau-                                * * *
ben, der nicht tot, nicht statisch, sondern
vielmehr lebendig, dynamisch ist, gehört
der Zweifel. In jedem Glaubensleben gibt
es Phasen des Zweifels. Das ist eine Erfah-                  Monatsspruch im Monat
rung, die wohl alle gläubigen Menschen                           Januar 2020
gemacht haben und die für diejenigen, die
                                                                      Gott ist treu.
solche Phasen zu durchleben haben, sehr
belastend sein kann, aber es ist ein Zeichen                                       1. Korinther 1, 9
für einen Glauben, der lebt. Zweifel und
lebendiger Glaube sind untrennbar mitei-
nander verbunden.
Hermann Hesse brachte dies einmal auf                                    * * *
eine kurze und prägnante Weise zum Aus-
druck: „Glaube und Zweifel bedingen ei-
nander wie Ein- und Ausatmen; sie gehö-
Gemeindebrief Nr. 1/2020 - Dezember 2019 - Februar 2020 - Jerusalem-Kirche
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            Die ‚Nacht der Kirchen“ 2019 in der Jerusalem-Kirche

                                   von Germaine Paetau

„,Herz auf laut‘ – unter diesem Motto lädt        würze gereicht, Lieder gesungen und eine
die Nacht der Kirchen dieses Jahr zum 16.         geflochtene Kerze aufgestellt. Die Gewür-
Mal ein, ein ökumeni-                                                  ze dienen der Erinne-
sches Fest zu feiern“,                                                 rung an die Gegenwart
schreiben     Bischöfin                                                Gottes. Diese Erinne-
Fehrs, Erzbischof Dr.                                                  rung soll ja eine ganze
Heße      und     Pastor                                               Woche halten, was
Onnen in ihrem Gruß-                                                   durch den guten Duft
wort zur diesjährigen                                                  erreicht wird.
Veranstaltung.      Und                                                Begleitet wurden alle
weiter heißt es dort:                                                  diese Veranstaltungs-
„Die Nacht der Kir-                                                    abschnitte von der
chen lädt ein zum Entdecken von Spiritua-         Möglichkeit, in unserem schönen, neu ge-
lität und Sinnlichkeit, von Glaubenskraft         stalteten Foyer orientalische Köstlichkeiten
und Geborgenheit, Musik und Tanz...“.             des Restaurants „Mazza“ zu genießen.
Tatsächlich war dies                                                   Der Schwerpunkt des
alles auch in „unse-                                                   Abends lag jedoch auf
rem“ Fest zu erleben.                                                  einem sehr ernsten
Es gab jüdische Lieder                                                 Aspekt des Mottos:
vom Chor „Klezmer-                                                     „Das Motto ,Herz auf
lech“, zu hören unter                                                  laut‘ bezieht sich auf
der Leitung von Galina                                                 das bekannte Jesus-
Jarkova, der Vorsit-                                                   Wort aus dem Matthä-
zenden der Liberalen                                                   usevangelium       ,Wes
Jüdischen Gemeinde                                                     das Herz voll ist, des
Hamburg, und wir konnten uns auch – wie           geht der Mund über‘ (Matthäus 12, 34b) –
bereits in den Jahren davor – mit der Tanz-       ein Bibelwort, das im Allgemeinen nur auf
gruppe „Klezmerlech“ (Leitung: Jana               positive Äußerungen bezogen wird. Sehen
Jarkova) gemeinsam                                                     wir jedoch, in wel-
nach jüdischer Musik                                                   chem Zusammenhang
bewegen oder einfach                                                   diese Worte stehen,
nur den fröhlichen                                                     wird schnell deutlich,
Tänzen zugucken.                                                       dass sie sich auch auf
Da die Nacht der Kir-                                                  negative Äußerungen
chen auf einen Schab-                                                  beziehen. Damit sind
bat fiel, wurde auch                                                   sie von bedrückender
die Hawdala durch Dr.                                                  Aktualität, denn auch
Moshe Navon vollzogen, mit der die                Menschen, deren Herz voller Antisemitis-
Trennung vom Schabbat vorgenommen                 mus ist, äußern diesen sehr viel lauter als
wird. Dabei werden Brot, Wein und Ge-
Gemeindebrief Nr. 1/2020 - Dezember 2019 - Februar 2020 - Jerusalem-Kirche
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noch vor wenigen Jahren.“, schrieb Pastor          schauer sind. Als Bürger*innen und
Dr. Goßmann in seinem Einleitungstext.             Christ*innen sind wir gefordert, klar zu
Von der Frage, wie wir den zunehmenden             benennen, wo sich falsche Vorstellungen
Antisemitismus überwinden können, han-             bewahrt haben oder ausbreiten, und dage-
delte sein Vortrag „Antisemitismus – aus           gen Position zu beziehen.
christlicher Perspektive“.                         Dieser Aussage Pastor Goßmanns kann
Antisemitismus ist virulent in unserer Ge-         man nur zustimmen in Erinnerung des An-
sellschaft. So gab es 2018 10% mehr dies-          schlags auf eine Synagoge in Halle, der
bezügliche Straftaten als im Vorjahr. Und          zwei Menschenleben forderte und zu ei-
Antisemitismus ist nicht neu. Eine dreißig-        nem Blutbad geführt hätte, wenn die Ein-
jährige Datenerhebung stellte ca. 12 Milli-        gangstür sich als weniger stabil erwiesen
onen Bürger*innen der Bundesrepublik               hätte. Im Gedenken des Deutschen Bun-
Deutschland fest mit Bereitschaft dazu.            destages am 17. Oktober d. J. an die Opfer
20% der damals über Dreißigjährigen zeig-          des Anschlags wies Bundestagspräsident
te sogar ausgeprägten Antisemitismus,              Schäuble „auf alltäglichen Antisemitismus
30% immerhin einen latenten.                       hin, auf die Angst vieler Juden, ihren
Christen sind davon keineswegs ausge-              Glauben öffentlich zu zeigen. Jeder müsse
nommen, obwohl Christlicher Glaube und             einen Beitrag leisten, ,dass jeder in diesem
Judenfeindlichkeit einander ausschließen.          Land, egal welcher Religion, welcher Her-
Im Gegenteil: der Anteil der Bürger*innen          kunft oder welchen Geschlechts, die Si-
mit kirchlicher Bindung, der sich auch an-         cherheit erfährt, frei und selbstbestimmt zu
tisemitisch verhält, beträgt 14 – 18%, der         leben‘. Seehofer kündigte Maßnahmen ge-
der Gesamtbevölkerung hingegen 8%.                 gen rechtsextreme Gewalt an“ (taz, 18. 10.
Pastor Goßmann belegte die vielfältigen            2019, S. 7) in Form von mehr Mitteln und
Ursachen dafür in seinem Vortrag, von              Personal für Bundeskriminalamt und Ver-
denen sich eine im Antijudaismus begrün-           fassungsschutz (ebda).
det, der auf der Ablehnung von Jesus als           Im Anschluss an Dr. Goßmanns Vortrag
Messias durch die Juden beruht.                    wurde der Zuhörerschaft die Möglichkeit
Auch das gemeinsame Erbe des Alten Tes-            gegeben, Fragen zu stellen und Gedanken
taments trug zur Trennung von Juden und            zu äußern, woraus sich eine lebhafte Dis-
Christen bei. Viele Christen sind auch heu-        kussion ergab.
te noch der Auffassung, dass das Alte Tes-         Um 22.30 Uhr endete die Veranstaltung
tament nicht denselben Gott vertritt wie           mit dem Segen, der gemeinsam von Dr.
das Neue Testament.                                Navon und Dr. Goßmann gespendet wurde.
Wir sehen also, dass Antisemitismus uns
alle betrifft und wir keineswegs nur Zu-

         Gedanken zum Motto der Nacht der Kirchen „Herz auf laut“
                          (Matthäus 12, 34b)
                            von Dr. Hans-Christoph Goßmann

Hinter dem Motto der diesjährigen Nacht            Begeisterung, die nicht bei sich bleiben
der Kirchen „Herz auf laut“ steht die be-          kann und will, sondern zu Gehör gebracht
kannte Redewendung „Wes das Herz voll              werden will – um es mit den Worten der
ist, des geht der Mund über.“ Diese Rede-          diesjährigen Nacht der Kirchen zu sagen:
wendung kommt im Allgemeinen zur                   die laut werden möchte.
Sprache, wenn es um überbordende, über-            Dieses geflügelte Wort ist ein Zitat aus
schäumende Lebensfreude geht, die mit              dem Matthäusevangelium (Matthäus 12,
anderen geteilt werden will; sie klingt nach       34b). Es wird im Allgemeinen nur auf po-
Gemeindebrief Nr. 1/2020 - Dezember 2019 - Februar 2020 - Jerusalem-Kirche
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sitive Äußerungen bezogen. Sehen wir                ße rinnt, können wir nicht sehen. Seine
jedoch, in welchem Zusammenhang es                  Wurzeln, mit denen er das aus dem Boden
steht, wird schnell deutlich, dass es sich          aufnimmt, was er zum Leben und Wachsen
zwar auch, jedoch keineswegs ausschließ-            braucht, liegen unter der Erde und sind für
lich auf erfreuliche, herzerfrischende Inhal-       uns somit unsichtbar. Ein Baum ist nichts,
te bezieht, sondern auch auf andere, auf            dessen Qualität auf den ersten Blick er-
unerfreuliche, die eine kritische Auseinan-         kannt werden kann. Und deshalb hat Jesus
dersetzung erfordern. Das wird deutlich,            gerade den Baum als Bild für den Men-
wenn wir den Abschnitt aus dem Matthä-              schen gewählt. Denn bei uns Menschen ist
us-Evangelium, in dem dieses Jesus-Wort             es nicht anders. Es gibt Menschen, die gut
steht, als Ganzen in den Blick nehmen. In           sind, ihrer Umwelt, ihren Mitmenschen mit
der Lutherübersetzung hat er folgenden              Respekt und Liebe begegnen, ohne dass
Wortlaut:                                           dies auf den ersten Blick zu erkennen wä-
                                                    re. Und es gibt auch das Gegenteil: Men-
Nehmt an, ein Baum ist gut, so wird auch            schen, die sympathisch wirken, gut zu sein
seine Frucht gut sein; oder nehmt an, ein           scheinen, aber sich letztlich gänzlich an-
Baum ist faul, so wird auch seine Frucht            ders verhalten.
faul sein. Denn an der Frucht erkennt man           Niemand kann in das Herz eines Menschen
den Baum. Ihr Otterngezücht, wie könnt              hineinschauen. Niemand kann sich anma-
ihr Gutes reden, die ihr böse seid? Wes das         ßen zu beurteilen, ob sein Gegenüber gut
Herz voll ist, des geht der Mund über. Ein          oder faul, sprich: schlecht, ist. Wir können
guter Mensch bringt Gutes hervor aus sei-           aber sehen, wie sich Menschen verhalten.
nem guten Schatz; und ein böser Mensch              Und wir können beurteilen, ob ihr Verhal-
bringt Böses hervor aus seinem bösen                ten gut oder schlecht ist. Dies bringt Jesus
Schatz.                                             mit dem Bild des Baumes zum Ausdruck:
                         Matthäus 12, 33-35         Wir können dem Baum nicht ansehen, ob
                                                    er gut oder schlecht ist, aber wir können
Diese Worte Jesu sind alles andere als              sehen, ob seine Frucht gut oder schlecht
freundlich. Er richtete sie an Pharisäer, als       ist. Um es mit den Worten Jesu zu sagen:
er einen heftigen Konflikt mit ihnen auszu-         „Denn an der Frucht erkennt man den
tragen hatte. Den Anlass zu diesem Kon-             Baum“ (Vers 33b).
flikt boten Heilungen, die Jesus am                 Jesus befindet sich in einem massiven
Schabbat vollzogen hatte. Ob dies erlaubt           Konflikt. Er greift zu deutlichen Worten
war oder nicht, war innerhalb des damali-           und er lässt seine Konfliktgegner nicht im
gen Judentums umstritten.                           Unklaren darüber, wie er über sie und ihre
Jesu Worte an seine Konfliktgegner begin-           Taten denkt: Er hält das, was sie tun, für
nen mit dem Bild des Baums. Dieses Bild             schlecht und so schleudert er ihnen entge-
stellt Jesus seinen Zuhörern vor Augen,             gen: „Ihr Otterngezücht, wie könnt ihr Gu-
damit sie sich in ihm wiedererkennen kön-           tes reden, die ihr böse seid?“ (Vers 34a).
nen, ja mehr noch: damit sie sich selbst            Die Bezeichnung seiner Gegner, die er hier
kritisch befragen können, ob sie gut oder           wählt, „Otterngezücht“ (wörtlich: Brut von
schlecht, oder – um es mit den Worten Jesu          Giftschlangen), wird oft von Johannes dem
zu sagen – ob sie gut oder faul sind.               Täufer benutzt. Diese Bezeichnung erin-
Ob ein Baum gut oder faul ist, ist im All-          nert an die Geschichte der Vertreibung aus
gemeinen nicht auf den ersten Blick zu              dem Paradies, in der es die Schlange ist,
erkennen. Es gibt Bäume, die sehen schön            die Eva mit List und Tücke dazu verführt,
aus und wirken auf viele Menschen kern-             gegen das Gebot Gottes zu verstoßen.
gesund. Aber sie sind bereits so krank, dass        Wenn Jesus seine Gegner hier als Ottern-
sie innerlich hohl sind. Ein Baum hat               gezücht beschimpft, dann stellt er sie und
Kraft, aber dies ist eine Kraft, die uns ver-       ihr Verhalten mit der Schlange und deren
borgen ist. Den Saft, der durch seine Gefä-         Verhalten auf eine Stufe. Das sind in der
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Tat harte Worte! Da stellt sich die Frage:          wird, gehört in unseren Tagen auch der in
Wie konnte es zu einer solchen Eskalation           unserer Gesellschaft zunehmende Antise-
des Konflikts kommen? Nach dem Streit               mitismus. Es gibt Menschen, die auf den
wegen der Heilungen am Schabbat hatte               ersten Blick keineswegs den Eindruck er-
Jesus einen „Besessenen, der blind und              wecken, als würden sie antisemitische Auf-
stumm war“ (Vers 22), geheilt, worauf ihm           fassungen vertreten, deren Herz jedoch
seine Konfliktgegner vorwarfen, er hätte            voller Antisemitismus ist und die diesen
dies „mit Hilfe von Beelzebub“ (Vers 24)            sehr viel deutlicher und hemmungsloser,
getan. Durch diesen Vorwurf eskalierte der          sehr viel lauter äußern als noch vor weni-
Konflikt und Jesus warf seinen Gegnern              gen Jahren. Auch da gilt: „Wes das Herz
vor, dass sie ein Otterngezücht und böse            voll ist, des geht der Mund über.“ Auch
seien. Rabbiner konnten gegebenenfalls              wessen Herz voll von Antisemitismus ist,
auch sehr scharfe Worte wählen. Jesus war           dessen Mund läuft über. Und das ge-
da gewiss keine Ausnahme. Die Scharf-               schieht: im Internet, in sozialen Netzwer-
züngigkeit der Rabbiner hat auch in der             ken und auch in Äußerungen, die keines-
rabbinischen Literatur ihren Niederschlag           wegs nun an den in diesem Zusammen-
gefunden. In Pirke Abot II, 10, heißt es:           hang oft genannten Stammtischen ihren
„Wärme dich nahe dem Feuer der Gelehr-              Ort haben – und auch keineswegs nur von
ten, aber nimm von ihrer glühenden Kohle            Männern, die die sprichwörtlichen Sprin-
nicht an, damit du dich nicht verbrennst,           gerstiefel tragen.
denn ihr Biss ist der Biss eines Fuchses, ihr       Das ruft uns in die Verantwortung; es stellt
Stich der Stich eines Skorpions und ihr             uns vor die Frage, wie wir mit diesem
Zischen das Zischen einer Schlange, und             höchst beunruhigenden Befund umgehen
alle ihre Worte sind wie feurige Kohlen.“           können: Was können wir dazu beitragen,
Und die Worte, die Jesus hier seinen Geg-           um den in unserer Gesellschaft zunehmen-
nern entgegen geschleudert hat, sind in der         den Antisemitismus zu überwinden? Wie
Tat wie „feurige Kohlen“. Dann fährt er             können wir angemessen reagieren, wenn
fort – keineswegs weniger scharf, aber nun          antisemitische Auffassungen geäußert
nicht in Form der direkten Anrede, sondern          werden?
eher in der der Verallgemeinerung: „Wes             Ich nenne folgende Möglichkeiten:
das Herz voll ist, des geht der Mund über.              - angesichts antisemitischer Äuße-
Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus                    rungen Zivilcourage zu zeigen und
dem guten Schatz seines Herzens; und ein                    die Stimme zu erheben
böser Mensch bringt Böses hervor aus sei-
nem bösen Schatz“ (Vers 34b und 35).                und
Damit nimmt er auf das eingangs ge-                    -   antisemitischen Äußerungen keine
brauchte Bild des Baumes Bezug. Denn                       Foren zu bieten,
das Gute wie auch das Schlechte, das ein
                                                    aber
Mensch hervorbringt, kommt jeweils aus
                                                       -   Äußerungen, hinter denen ein Anti-
dem Schatz seines Herzens. Und dieser
                                                           semitismus steckt, der den Betref-
Schatz ist so unsichtbar wie das Innere
                                                           fenden, die sie äußern, gar nicht
eines Baums.
                                                           bewusst ist, als solche zu erkennen
Diese biblischen Verse sind von bedrü-
                                                           und zu analysieren. Und da gilt:
ckender Aktualität, denn auch heute gilt –
                                                           Nur, was ausgesprochen wird, kann
um es mit den Worten Jesu zu sagen –,
                                                           auch bearbeitet und korrigiert wer-
dass ein guter Mensch Gutes aus seinem
                                                           den. Nur so können antisemitische
guten Schatz hervorbringt und ein böser
                                                           Denkstrukturen entlarvt und der ih-
Mensch Böses aus seinem bösen Schatz
                                                           nen innewohnende gleichsam un-
und dass dieser Schatz jeweils von außen
                                                           terschwellige Antisemitismus über-
nicht zu erkennen ist. Zu dem, was in die-
                                                           wunden werden.
sen Worten als „böser Schatz“ bezeichnet
9

       Stimmen zu dem Angriff auf die jüdische Gemeinde in Halle I:

              Der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften
               für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR)

                 Wir verurteilen den fei-        Es ist skandalös, dass an einem Feiertag
                 gen und niederträchtigen        wie Jom Kippur die Synagoge nicht durch
                 Angriff auf die jüdische        die Polizei geschützt war.
                 Gemeinde in Halle               Dieser hinterhältige Angriff muss uns alle
                                                 in unserem Land wachrütteln. Wir tragen
                 Mit Entsetzen und Be-           alle Verantwortung dafür, dass in den
                 stürzung müssen wir die         Stadtteilen unserer Städte und in allen
                 Nachrichten von dem             Landkreisen entschlossen jeder Juden-
                 feigen und niederträchti-       feindschaft entgegengetreten wird! Wir
                 gen Angriff auf die jüdi-       dürfen nicht zulassen, dass erneut ein ag-
sche Gemeinde in Halle zur Kenntnis              gressiver Antisemitismus sich in unserem
nehmen. Während die Mitglieder der Ge-           Land breitmacht. Wir fordern von den poli-
meinde zum Gebet am Jom Kippur, dem              tisch Verantwortlichen, den Schutz der
höchsten jüdischen Feiertag, versammelt          jüdischen Gemeinden deutlich zu ver-
waren, versuchte der Angreifer sich mit          stärken.
Schüssen und Molotowcocktails gewalt-
sam Zugang zu der betenden Versammlung           Unser Mitgefühl gilt den Todesopfern,
zu verschaffen. Es ist unvorstellbar, was        ihren Angehörigen und den Verletzten.
geschehen wäre, hätten die Sicherheitsvor-
kehrungen der Synagoge dem Angriff nicht         Bad Nauheim, den 9. Oktober 2019
standgehalten.                                   Präsidium des Deutschen Koordinierungs-
                                                 rates der Gesellschaften für Christlich-
                                                 Jüdische Zusammenarbeit

                                         * * *

       Stimmen zu dem Angriff auf die jüdische Gemeinde in Halle II:

    Die Beauftragte der Nordkirche für den christlich-jüdischen Dialog,
       Hanna Lehming, und der Direktor des Zentrums für Mission
             und Ökumene (ZMÖ), Dr. Christian Wollmann

                           „Gemeinsam            auftragte für den Christlich-Jüdischen Dia-
                         mit allen de-           log, Hanna Lehming, und Direktor Dr.
                           mokratischen          Christian Wollmann.
                         Kräften wollen
                         wir uns noch            Zu dem Anschlag in Halle an der Saale
                         stärker für den         erklärt die Beauftragte für den Christlich-
gesellschaftlichen Zusammenhalt und hu-          Jüdischen Dialog in der Evangelisch-
mane Werte einsetzen“, betonen die Be-           Lutherischen Kirche in Norddeutschland
10

und Referentin im Zentrum für Mission              „Das Zentrum für Mission und Ökumene
und Ökumene in der Nordkirche, Hanna               schließt sich den Forderungen der jüdi-
Lehming:                                           schen Gemeinden in Deutschland nach
                                                   verlässlichem Polizeischutz ihrer Synago-
„Dass die jüdische Gottesdienstgemeinde            gen und Einrichtungen an. Das Muster
in Halle den höchsten, ruhigsten und erns-         dieses Anschlags zieht eine Spur von Nor-
testen jüdischen Feiertag Yom Kippur in            wegen über Christchurch bis nach Halle.
Todesangst erleben musste, ist schockie-           Es ist eine der vordringlichsten Aufgaben
rend. Es bedeutet, dass Jüdinnen und Juden         für uns als Kirchen, einem gesellschaftli-
ihre Religion in Deutschland nicht frei            chen Klima entgegenzuwirken, in dem
ausüben können. Das darf nicht sein! An-           mörderische Gesinnungen wie die des At-
gesichts solch extremistischer Gewalt ist          tentäters von Halle wachsen können. Die
der Staat gefragt. Er muss dafür Sorge tra-        rassistische Ideologie von der Vorherr-
gen, dass Jüdinnen und Juden in ihren Sy-          schaft der ‚Weißen‘ ist ein Nährboden für
nagogen und Einrichtungen in Deutschland           Gewalt. Gemeinsam mit allen demokrati-
ohne Furcht vor Bedrohung leben und Got-           schen Kräften wollen wir uns noch stärker
tesdienst feiern können.“                          für den gesellschaftlichen Zusammenhalt
                                                   und humane Werte einsetzen.“
Der Direktor des Zentrums für Mission und
Ökumene in der Nordkirche, Dr. Christian
Wollmann, ergänzt:

                                          * * *

       Stimmen zu dem Angriff auf die jüdische Gemeinde in Halle III:

               Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD)

                             Der    Vorsit-        Terrorist einen weiteren Deutschen er-
                             zende      des        schoss, nachdem er zuvor eine Frau vor der
                             Zentralrat der        Synagoge willkürlich tötete, nachdem er
                             Muslime     in        nicht in die Synagoge eindringen konnte,
                               Deutschland         um ein Blutbad anzurichten.
                             (ZMD), Ai-
                             man A. Maz-           Der Terror in Halle erinnert stark an rechte
yek, drückte bei seinen Besuchen nach              Terroranschläge der jüngsten Vergangen-
dem antisemitischen Anschlag in Halle in           heit in der westlichen Welt (Christchurch,
der Neuen Synagoge in Berlin noch am               Pitzburg u.a.): Symbole jüdischen bzw.
gleichen Tag und gestern in der Synagoge           muslimischen Lebens als Anschlagsziele
in Halle seine Solidarität und Anteilnahme         werden gewählt, militärische Bewaffnung
gegenüber den jüdischen Gemeinden                  und Montur nebst Helmkameras für perfide
Deutschlands aus. „Wir lassen in diesen            Livestreams und krude Manifeste, welche
schweren Stunden unsere jüdischen Ge-              nur so vor Antisemitismus und Muslim-
schwister nicht alleine, wir halten zusam-         feindlichkeit strotzen.
men und werden keinen Millimeter gegen-            Heute, zum muslimischen Freitagsgebet,
über dem rechten Terror zurückweichen“,            werden viele Muslime in den Moscheen
sagte Mazyek. Er besuchte zudem gestern            des ZMD für die Opfer des Terroranschla-
auch den Imbissbesitzer in Halle, wo der           ges in Halle beten, zur Solidarität mit der
11

jüdischen Gemeinde unseres Landes aufru-           ganz zu schweigen von den Morddrohun-
fen und ihr Mitgefühl und Anteilnahme mit          gen gegen muslimische Repräsentanten.
den Hinterbliebenen der Opfer Ausdruck             Die erst seit zwei Jahren erfassten Daten
verleihen. Hierzu sagte Mazyek weiter:             über Vorfälle muslimfeindlicher Straftaten
„Es dürfen keine Anschläge mehr wie in             bestätigen dieses erschreckende Bild.
Halle passieren, es dürfen nicht noch mehr
Menschenleben zum Opfer des Terrors                Zudem muss der Anschlag von Halle in
fallen. Der Staat muss sich wehrhaft zei-          einem globalen rechtsterroristischen Kon-
gen, für die Sicherheit seiner Bürger sor-         text eingeordnet werden. Von Andres
gen, für die Sicherheit der Gotteshäuser           Breiviks zweifachem Terroranschlag in
sorgen und die Unversehrtheit aller Religi-        Oslo, über den Anschlag auf die Al-Nur-
onsgemeinschaften gewährleisten und                Moschee in Christchurch, den Anschlag
schützen.“                                         auf die Synagoge in Pittsburgh, den in
                                                   Poway auf ein Einkaufzentrum in Al-Paso,
Der ZMD bekräftigte dabei seine Forde-             wo der Täter ein krudes antimuslimisches
rung, dass der Staat den Schutz aller Got-         Manifest hinterließ bis zu dem versuchten
teshäuser, auch der Moscheen gewährleis-           Terroranschlag auf die Moschee in Oslo
ten muss. Mazyek weiter: „Unsere Kinder,           nach dem Vorbild Neuseelands und den
unsere Familien und unsere Gemeinden               rechtsextremistischen Mord an Kassels
leben in Angst. Viele gehen deshalb nicht          Politiker Lübcke.
mehr in ihre Moscheen. Allein in Halle
war unsere Gemeinde mehrfach Angriffs-             „Wer dies leugnet, handelt nicht grob
ziel von Anschlägen in den letzten Jahren,         fahrlässig, sondern vorsätzlich. Halle ist
es wurde gar zweimal auf sie geschossen.           eine Katastrophe mit lange vorangegangen
In Punkto Sicherheit ist danach nichts ge-         Ansagen: Dem ‚NaziSpeech‘ im bür-
schehen.“ Nach dem Terroranschlag in               gerlichen Gewande, dem vorherrschenden
Christchurch hat der Berliner Innensenator         Antisemitismus und der Muslimfeind-
angeordnet, zum Freitagsgebet Polizeistrei-        lichkeit, dem Rassismus gepaart mit
fen von den größeren Moscheen zu platzie-          rechtsextremistischer Gewalt. Dies muss
ren. „Wir haben das damals als einen ers-          nun spätestens nach Halle allen klar sein“,
ten und wichtigen Schritt begrüßt, andere          so der Zentralratsvorsitzende abschließend.
Bundesländer müssten jetzt in diese Rich-
tung schnell nachziehen“ so Mazyek wei-
ter. Seit Monaten bekommen Moscheen                                 * * *
Bombendrohungen, seit Jahren steigt die
Zahl der Anschläge auf Moscheen stetig,

                  Neues aus der Jüdischen Gemeinde Pinneberg
                                 von Oshra Beate Danker

Es ist wieder an der Zeit, zurückzuschauen         hen Feiertage‘ liegen hinter uns, Rosh
auf das vergangene Vierteljahr, um für             HaShana, der ‚Kopf des Jahres‘, das jüdi-
unsere Schwestergemeinde einen kleinen             sche Neujahrsfest, gefolgt von den 10 Ta-
Bericht zu schreiben.                              gen der Umkehr. An allen diesen Tagen ist
Mein letzter Bericht endete mit der Nacht          es eine Mitzwa, eine religöse Pflicht, dem
des Lernens zu Schawuot bzw. dem Grill-            Klang des Schofar zuzuhören, den Tönen
fest mit den neuen roten Tellern für Flei-         aus dem Widderhorn, das mahnt und zur
schiges.                                           Umkehr ruft und das zu den Gottesdiensten
Die jüdischen Gemeinden schreiben mitt-            geblasen wird.
lerweile ein neues Jahr, 5780, und die ‚Ho-
12

Zu Rosh HaShana wünschen wir uns ‚Sha-                Eine mögliche Antwort auf der individuel-
na towa umetuka!‘, ein gutes und süßes                len Ebene: wenn wir verbale Hetze hören,
Jahr! und essen Apfelschnitze, die wir in             dem was entgegensetzen! Im Rahmen un-
Honig getaucht haben, um den Wunsch                   serer Möglichkeiten.... und darüber nach-
nach Süße zu betonen. Und an diesem Tag               denken und ins Gespräch kommen, wie wir
wird, so lautet die Tradition, die Eintra-            unsere Möglichkeiten erweitern können.
gung vorgenommen in eines der möglichen               Vielleicht nehmen wir an einem Workshop
Bücher, das eine für die zweifellos guten             als Stammtischkämpferin teil, vielleicht
Menschen, die werden sofort in das ‚Buch              tauschen wir uns in unseren Familien und
des Lebens‘ eingetragen und die zweifellos            Freundeskreisen darüber aus, wo wir hand-
schlechten Menschen bekommen einen                    lungsfähiger werden möchten. Jedwede
Eintrag im ‚Buch des Todes‘ – und für alle            Form von Abwertung, frauenfeindlich,
dazwischen, also die überwältigende Mehr-             rassistisch, antimuslimisch, gegen Roma
heit... also, eigentlich wirklich allen bieten        und Sinti gerichtet oder auch behinderten-
die folgenden ‚10 Tage der Umkehr‘ zwi-               feindlich, antisemitisch motiviert, gegen
schen den beiden Hohen Feiertagen die                 Flüchtlinge oder lesbisch, schwul oder
Möglichkeit, dass die Eintragung noch                 anderweitig queer lebende Menschen ge-
korrigiert wird, d.h. eine                                            richtet stellt die Menschen-
Zeit der Selbstreflexion, der                                         würde ALLER Menschen
Klärung – auch in Bezie-                                              in Frage, das ist zumindest
hungen, der Reue.... mög-                                             meine Meinung.
lichst nicht als Lippenbe-
kenntnis, sondern von Her-                                            In dem Monat Tischri, dem
zen kommend.                                                          ersten des religiösen jüdi-
Yom Kippur, dieses Jahr                                               schen Jahres, folgt ein Fest
beginnend mit dem Abend-                                              auf das andere... kaum ist
gottesdienst am 8. Oktober,                                           Yom Kippur vorbei, begin-
ein Fastentag, an dem es                                              nen wir draußen mit dem
um die Hoffnung geht, dass                                            Bau einer Sukka, einer
an diesem Tage die Eintra-                                            Laubhütte, durch deren
gung in das Buch des Le-                                              Ritzen wir das Mondlicht
bens besiegelt wird...                                                sehen können und in der
Yom Kippur im Jahre 2019                                              wir idealtypisch eine ganze
wird für immer mit dem Angriff auf die                Woche lang unsere Mahlzeiten einnehmen
Synagoge in Halle verbunden bleiben, ein              – in Erinnerung daran, dass das Volk Israel
von Frauenfeind-lichkeit, Antisemitismus              40 Jahre durch die Fremde, die Wüste ge-
und Rassismus erfüllter und getriebener               zogen ist, ohne feste Behausung.
Mann versucht, in die Synagoge einzu-                 Zu Zeiten des Tempels war Sukkot eines
dringen, um Jüdinnen und Juden zu ermor-              der Wallfahrtsfeste, und wir beten um Re-
den und erschießt dann willkürlich zwei               gen... im Mittelmeerraum sehr verständ-
Menschen. Ein Mensch, der vielleicht die-             lich, doch in Pinneberg an einem eher
se Tat alleine ausgeführt hat, der aber ein-          grauen Herbstnachmittag im Oktober fällt
gebunden ist in ein internationales Netz-             die Bitte um Regen vielleicht nicht zu
werk der Menschenverachtung.                          drängend aus...
Wie gehen wir damit um als jüdische Ge-               Ein besonderes Gebinde von Pflanzen
meinden, die gastfreundlich und offen blei-           spielt eine Rolle im Gottesdienst, der
ben wollen – im Spannungsfeld zwischen                ‚Lulav‘ oder auch ‚Arba'a Minim‘ genannt,
Angst und dem Wunsch, uns davon nicht                 die ‚vier Arten‘, bestehend aus Palmzweig,
bestimmen zu lassen?!                                 Myrten- und Weidenzweigen sowie dem
Wie gehen wir als einzelne Menschen da-               Etrog, einer besonders gut duftenden Zit-
mit um?                                               rusfrucht.
13

Wenn Sukkot nach sieben Tagen vorbei                machen, dass der Kreislauf weitergeht...
geht, schließt sich sofort das Torafreuden-         und die alten Texte ermöglichen uns viel-
fest an, ‚Simchat Tora‘. Die Torarollen             leicht im neuen Jahr neue Einsichten....
werden in einer fröhlichen Prozession               dass der Kreislauf weitergeht, bedeutet ja
durch die Synagoge getragen... und in einer         nicht, dass alles gleich bleibt...
kleiner Gemeinde wie der unseren, die nur
eine Torarolle hat, wird eben die eine              Ich bin schon am Ende meines kleinen
Torarolle fröhlich gefeiert. Es wird der            Berichtes angekommen, aber eins fehlt
letzte Abschnitt der Fünf Bücher der Tora           noch: Wir gehen wir auf die Zeit von
gelesen, um quasi fast im gleichen Atem-            Chanukka zu...
zug wieder mit dem Beginn, dem Ab-                  Ein Bericht folgt in der nächsten Ausgabe.
schnitt ‚Bereschit‘, dem ersten des ersten
Buches fortzufahren und so deutlich zu

                                  Neues von der Musik
                                   von Germaine Paetau

Erst im September begann unsere „Kon-               wenn Dana es singt. Und auch die Zugabe
zertsaison“ in der Jerusalem-Kirche wieder          war hebräisch: ein Dankgebet.
– und zwar erneut mit einem Herbstkon-              Dieser Abend war ganz anders als alle vor-
zert Dana Zeimers: „Liebe und Träume“.              herigen Konzerte, die ich mit der Musike-
Mit diesem Motto eröffnete sich ein Rei-            rin erlebt habe. Die Krankheitsvertretung
gen beeindruckender Arien und Lieder.               der Klavierbegleitung war ebenfalls er-
Beginnend mit den Barockkomponisten                 krankt und so begleitete sich Dana kurzer-
Monteverdi und Händel über Komponisten              hand selbst oder sang a cappella. Beides
der Klassik (Mozart, Schubert und Rossini)          waren wunderbare Erlebnisse. Einen herz-
und Musikern des 19. Jahrhunderts (Pucci-           lichen Dank an die Künstlerin!
ni, Bizet, Dvorák) hinein ins 20. Jahrhun-          Und wieder hielt sich der Eimsbütteler
dert mit Gershwin und Loesser wurden wir            Frauenchor in der Jerusalem-Kirche für
von der Sopranistin geführt.                                        einen Tag in Hohen
Neben so kunstvollen Kollo-                                         Luckow in Mecklenburg-
ratur-Arien wie die der Pop-                                        Vorpommern auf, um dort
pea aus „Krönung der Pop-                                           wie jedes Jahr zum Tag
pea“, der Rosina aus „Der                                           des Offenen Denkmals
Barbier von Sevilla“, Mimi                                          gemeinsam mit dem Bad
aus „La Bohème“, Cho-Cho-                                           Doberaner Kornhauschor
San aus „Madame Butterfly“                                          ein Herbstkonzert in der
und der Habanera aus „Car-                                          Hofkapelle zu geben. Es
men“ waren auch ganz stille,                                        wurden u.a. Stücke von
sanfte Lieder zu vernehmen,                                         Bach, Regnard, Friderici
z.B. „Nacht und Träume“ von                                         und Brahms gesungen und
Schubert, „Dans un bois“ von Mozart oder            Frau Leonore Bähr spielte drei Flötenstü-
„Lied an den Mond“ von Dvorák.                      cke in Begleitung von Uta-Katharina
Dana Zeimer ist ein Sprachgenie! Neben              George, die auch die Gesamtleitung inne-
vielen italienischen, einigen französischen,        hatte. Das Publikum in der gut gefüllten
deutschen und auch russischen Stücken               kleinen Kapelle durfte wieder mitsingen.
durften hebräische nicht fehlen: „Yeru-             Anschließend waren alle – Zuhörer wie
shalayim shel zahav“ („Jerusalem aus                Ausführende – restlos zufrieden.
Gold“) von Shemer erfreut mich jedes Mal,
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                  vocal total meets rhythm & voice connection
              – gemeinsames Weihnachtskonzert am 7. Dezember
                    um 19.00 Uhr in der Jerusalem-Kirche

vocal total                                        anderen Chören in Hamburg und verbindet
Seit jeher wurde an der Julius-Leber-              die Lust an intensiven Proben und an-
Schule in Hamburg Schnelsen viel Musik             spruchsvollem Repertoire. Neue Wege
gemacht. Chöre, Bigbands und andere En-            beschreiten sowie Spaß und Groove bei
sembles boten Schülern vielfältige Mög-            den Konzerten transportieren sind Ziele der
lichkeiten, sich musikalisch zu betätigen.         Rhythm & Voice.
Warum sollten nicht auch Eltern die Gele-
genheit erhalten, in dieser Schule Musik zu
machen? Aus einem kleinen Häufchen
interessierter Eltern wurde innerhalb von
wenigen Jahren ein leistungsstarker Chor,
welcher Schnelsen und umliegende Stadt-
teile mit anspruchsvollen Chorkonzerten
bedient.

                                                   Die beiden Chöre begegnen sich zum
                                                   ersten Mal in der Jerusalem-Kirche. Der
                                                   eine Chor singt vor allem rhythmische
                                                   Musik mit groove aus der Jetztzeit, der
                                                   andere    eher     getragene  Chormusik
                                                   vergangener Epochen. Das tun beide
                                                   Chöre mit gutem Erfolg schon seit vielen
                                                   Jahren. Aber beide Chöre experimentieren
                                                   auch gern mit ungewohnten Chorformaten.
                                                   Und freuen sich auf die Begegnung, bei
Rhythm & Voice Conection
Das Ensemble gründete sich 2005 und                der auch einiges zusammen gesungen wird.
probt als Projektchor einmal im Monat.
Viele Sängerinnen und Sänger singen in             Die Eimsbütteler werden ein wunderschö-
                                                   nes Weihnachtskonzert erleben.

                                          * * *

                             Einladung zur Adventsfeier

Am Sonnabend vor dem Dritten Advent,               auch die Gelegenheit haben, gemeinsam
dem 14. Dezember 2019, werden wir un-              mit dem Chor selbst Adventslieder zu sin-
sere diesjährige Adventsfeier                               gen. Ab 16.00 Uhr werden wir
begehen, zu der wir Sie alle                                dann in die Vorhalle umziehen
ganz herzlich einladen. Ab                                  und dort unsere Adventsfeier
15.00 Uhr werden wir in der                                 bei Stollen, adventlichem Ge-
Kirche vom Eimsbütteler Frau-                               bäck, Tee, Kaffee und alkohol-
enchor Adventsmusik hören und                               freiem Punsch fortsetzen.
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                     Lebendiger Adventskalender in Eimsbüttel

Auch in diesem Jahr wird es in                               Die tägliche Adventsfeier dauert
Eimsbüttel einen Lebendigen                                  im Allgemeinen ca. zehn bis
Adventskalender geben und wir                                zwanzig Minuten. Anschließend
werden uns an ihm beteiligen.                                steht man beieinander, es gibt ein
An jedem Abend im Advent                                     warmes Getränk, evtl. auch ein
werden sich um 19.00 Uhr wie-                                paar Kekse oder Brezeln.
der Kinder, Jugendliche und Er-                              Wir werden unser „Fenster“ am
wachsene im Stadtteil draußen                                Donnerstag, den 19. Dezember
vor einem Adventstürchen ver-                                2019, öffnen.
sammeln, das ein Eimsbütteler                                Sie sind herzlich dazu eingeladen!
für diesen Tag vorbereitet hat.

                       Einladung zur Gemeindeversammlung

Unsere nächste Gemeindeversammlung                   der Kirche halten. Alle Gemeindeglieder
werden wir am Sonntag, den 23. Februar               sind dazu herzlich eingeladen!
2020, im Anschluss an den Gottesdienst in

                             Regelmäßige Veranstaltungen

Montag                                               Donnerstag
Die Gruppe „Heilung und Spiritualität“ trifft        Jeden Donnerstag um 19.00 Uhr findet die
sich an jedem ersten und dritten Montag im           Bibelstunde unter Leitung von Pastor Dr.
Monat von 18.15 Uhr bis 19.45 Uhr. An-               Goßmann statt.
sprechperson ist Frau Prof. Dr. Helga Kuhl-            Ebenfalls an jedem Donnerstag findet um
mann, Tel.: 040 / 866187                             19.30 Uhr unter Leitung von Frau Uta-
                                                     Katharina George, Tel.: 038203 / 735557 und
                                                     040 / 493793, die Probe des Eimsbütteler Frau-
Dienstag
                                                     enchors in der Jerusalem-Kirche statt.
Die Christliche Suchthilfe „Blaues Kreuz“
trifft sich jeden Dienstag um 19.30 Uhr im
                                                     Sonnabend
Kleinen Saal; Ansprechperson ist Frau Oehme,
                                                     Der Handarbeitskreis unter Leitung von Frau
Tel.: 040 / 560 10 83.
                                                     Uta Hensel (0176 / 85722609) trifft sich an
                                                     jedem zweiten Sonnabend um 12.00 Uhr in der
Mittwoch                                             Vorhalle der Jerusalem-Kirche.
Der ‚Jerusalemer Nachmittag. Gespräche über
Gott und die Welt‘ trifft sich jeden Mittwoch        Sonntag
in der Vorhalle der Jerusalem-Kirche um 15.00        Jeden Sonntag wird um 10.00 Uhr in der Jeru-
Uhr zu Kaffee, Tee und Gebäck. Nach einer            salem-Kirche Gottesdienst gefeiert, am ersten
Andacht gibt es Zeit für Gespräche.                  Sonntag im Monat mit Heiligem Abendmahl.
                                                        An jedem zweiten Sonntag im Monat findet
                                                     unter Leitung von Frau Dr. Renate Heidner um
                  * * *                              11.30 Uhr eine Führung durch das Jerusalem-
                                                     Ensemble statt.
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                                    Post aus Kibakwe
                                übersetzt von Helga Kießling

Der Austausch mit unserer römisch-                  Herzlich bitte ich Euch darum, diesen be-
katholischen Partnergemeinde in Kibakwe             sonderen Dank von allen entgegenzuneh-
(Tansania) ist nicht immer ganz leicht. Nur         men.
selten gelingt es, Padré Celestine telefo-
nisch zu erreichen, und Postsendungen               An demselben Tag, als ich Eure Päckchen
brauchen ihre Zeit. Aber nun ist wieder ein         erhielt, kamen auch Päckchen von Peter
Brief von Padré Celestine bei uns ange-             und Maria und eines von Andreas und In-
kommen, den er am 10. Juni 2019 ge-                 ka. Das war ein schönes Osterfest für uns.
schrieben hat. Helga Kießling, die sich             Allen danke ich.
gemeinsam mit Ihrem Mann Dr. Günther
Kießling zu unseren katholischen Ge-                Nun etwas anderes. Es betrifft Roland,
schwistern in Tansania regelmäßig Kontakt
                                                    Marten und Sander. Ihr wisst ja, dass sie
hält, hat diesen Brief übersetzt. Die Über-
                                                    nach Tansania kommen und für eine Weile
setzung dieses Briefes hat folgenden Wort-
                                                    bleiben wollten. Sie kamen, und ich traf sie
laut:
                                                                     in Dodoma. Dort blieben
                                                                     wir über Nacht im Holy
„Gestern kam ich wegen
                                                                     Cross Centre. Ihr kennt es
eines Treffens nach Do-
                                                                     ja, denn wir übernachte-
doma, übermorgen fahre
                                                                     ten dort auch, als Ihr nach
ich wieder nach Kibakwe.
                                                                     Tansania kamt. Von Do-
Das gibt mir die Mög-
                                                                     doma aus fuhren wir nach
lichkeit, Euch ein paar
                                                                     Farkwa und versuchten
Zeilen zu schreiben, um
                                                                     hinauf nach Sansawa zu
zu erfahren, was Ihr
                                                                     kommen, um Najim zu
macht, besonders, ob Ihr
                                                                     treffen. Aber wir schaff-
gesund seid, denn ich
                                                                     ten es nicht. Es gab
habe lange nichts von
                                                                     Schwierigkeiten mit dem
Euch gehört.
                                                    Wagen. Wir mussten in Kurio anhalten und
                                                    dann für die Nacht nach Farkwa zurück-
Wie geht es Euch? Und wie geht es Dei-              fahren. Am nächsten Tag fuhren wir nach
nem Bein? Ich hoffe, es geht Dir besser.            Kondoa. Dort musste ich sie wegen meiner
Ich bete dafür, dass der allmächtige Gott           Aufgaben in Kibakwe verlassen.
Dir helfen und Dich wieder herstellen mö-
ge.                                                 Es war so schön, sie zu treffen, Gedanken
                                                    auszutauschen, Kurio wiedersehen zu kön-
Ich möchte Euch sehr herzlich für die               nen und andere Gegenden, die ich lange
Päckchen danken. Ich habe sie gerade ei-            nicht mehr besuchen konnte.
nen Tag vor Ostersonntag erhalten. Alle
sind sicher und gut angekommen. Die                 Sie sagten, Tansania habe sich sehr verän-
Suppen und alles andere, das in den Päck-           dert, seit sie es vor zehn Jahren zuletzt er-
chen war, sind eine besondere Osterfreude           lebten. Und das stimmt. Jeden Tag kann
für uns gewesen. Die Schwestern, Pater              man diese neue Entwicklung sehen, in Be-
Patrick Bella, Pater Carlo und ich, wir alle        zug auf die Infrastruktur zum Beispiel.
zusammen danken Euch sehr herzlich da-              Alle großen Städte sind durch Asphaltstra-
für. Jeder von uns fühlte sich auf eine ganz        ßen miteinander verbunden. Heute kann
besondere Weise mit Euch verbunden.                 man an einem Tag von Ost nach West, von
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