GEMEINSAM PLANEN!? - Bauhaus-Universität Weimar
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
3 Vorwort Die Bedeutung von Partizipation an und aus dem Förderfonds Bauhaus. der Bauhaus-Universität Weimar ist Module des Präsidiums finanziell un- spätestens seit der Campusumgestal- terstützt. Ziele im Seminar waren vor tung von 2015 bis 2019 den meisten allem die inhaltliche und methodische bekannt und somit nicht nur Thema Annäherung an das Thema Partizipa- studiengangsspezifischer Diskurse. tion, das in keinem Studiengang der Aufgrund der Kritik an der planeri- Universität curricular verankert ist, so- schen Praxis an der Bauhaus-Universi- wie die Strukturen der Bauhaus-Uni- tät Weimar bildete sich im Jahr 2018 versität Weimar und Abläufe bei Bau- das Bündnis Partizipation, das im No- vorhaben, insbesondere die Rolle des vember des gleichen Jahres den Tag Landes Thüringen bei diesen, nachzu- der Partizipation organisierte. Hier vollziehen. Aufbauend auf diesem ge- wurde das universitätsweite Interesse meinsam erarbeiteten Wissen wurde an Information und Teilhabemöglich- ein Entwurf einer Leitlinie zur Betei- keiten in vielen Bereichen der Univer- ligung bei Bauvorhaben an der Bau- sität – darunter Lehre, Raumnutzung, haus-Universität Weimar erarbeitet. Bauvorhaben, Mensa – diskutiert und Um den Erarbeitungsprozess inklusiv konkrete Ideen und Veränderungspo- zu gestalten wurde eine hochschul- tenziale erarbeitet. Aus diesen For- weite Online-Umfrage durchgeführt, derungen nach mehr Partizipation an sodass der Entwurf der Leitlinie am 15. der Universität entstand die Lehrver- Januar 2020 der universitätsöffent- anstaltung Gemeinsam Planen!? mit lich diskutiert wurde. Die Ergebnisse dem Ziel, eine Leitlinie zu erstellen, und Prozesse werden in dieser Doku- die Beteiligungsprozesse für künftige mentation transparent zugänglich ge- Bauvorhaben an der Bauhaus-Univer- macht. Sie sollen allen Mitgliedern der sität Weimar anstoßen, begleiten und Universität ermöglichen, den Entste- regulieren kann. hungsprozess nachzuvollziehen, auch Das Seminar Gemeinsam Planen!? um sich Hintergrundwissen über Be- wurde im Wintersemester 2019/2020 teiligung anzueignen. Hierfür werden als Bauhaus.Modul von Franziska Fel- im ersten Kapitel die Ausgangslage und ger und Maximilian Theye mit der Un- vorherige Partizipationsbestrebungen terstützung von der Mentorin Malena dargestellt, um im zweiten Kapitel das Rottwinkel, wissenschaftliche Mitar- im Seminar erarbeitete Wissen über beiterin an der Professur Sozialwis- Partizipation zusammenzufassen. Im senschaftliche Stadtforschung, geleitet nächsten Kapitel werden der Semina-
4 rablauf und die Entwicklung der Leit- kratisierung des universitären Lebens linie dargestellt und darauffolgend mit beitragen und ein erster Schritt zum dem Entwurf der Leitlinie und einem Erproben partizipativer Prozesse an Ausblick abgeschlossen. der Universität sein. Die Universität Die Leitlinie soll ganz im Sinne der kann mit diesem Projekt, im Sinne des Präambel der Grundordnung der Bau- Bauhaus, vorangehen und Beteiligung haus-Universität Weimar zur Demo- aktiv vorleben.
5 Inhaltsverzeichnis KAPITEL 1 - AUSGANGSLAGE 6 1.1 Anlass des Seminars 7 1.2 Campusumgestaltung 9 KAPITEL 2 - HINTERGRUNDINFORMATION 12 2.1 Grundlagen der Partizipation 13 2.2 Formelle und informelle Partizipation 16 2.3 Partizipationsformate 20 2.4 Umgang mit Problemen bei Partizipationsprozessen 23 2.5 Partizipationsbeispiele 29 2.6 Gremien an der Bauhaus-Universität Weimar 33 2.7 Rolle Thüringens bei Bauvorhaben 37 KAPITEL 3 - SEMINARABLAUF UND ERGEBNISSE 42 3.1 Ablauf und Konzeption des Seminars 43 3.2 Workshop mit dem Planungsbüro die Baupiloten 44 3.3 Partizipative Entwicklung der Leitlinie 48 3.4 Auswertung der Umfrage 49 3.5 Entwicklen des Leitlinienentwurfs 53 3.6 Werkstattgespräch 55 KAPITEL 4 - ENTWURF DER LEITLINIE 58 4.1 Entwurf der Leitlinie 59 4.2 Ausblick 68 KAPITEL 5 - LITERATUR- UND ABBILDUNGSVERZEICHNIS 70 5.1 Literaturverzeichnis 71 5.2 Abbildungsverzeichnis 76
01 Ausgangslage
7 1.1 Anlass des Seminars Partizipation wird an Bauhaus-Univer- werden. Dieser Prozess soll transpa- sität Weimar bisher noch nicht gelebt. rent sein und die Teilhabe vieler er- Dies machten die Campusumgestal- möglichen. Es soll ein Ergebnis erzielt tung sowie der Verlauf der beglei- werden, das Einfluss auf das universi- tenden Prozesse, die unwesentlichen täre Leben hat und gleichzeitig – ganz Mitsprachemöglichkeiten für Nut- im Sinne der Idee der Universität – in zer*innen und die geringe Zugäng- einem experimentellen und offenen lichkeit der entsprechenden Gremien Prozess entwickelt wird. An Semina- für die meisten Universitätsmitglieder ren nehmen meist Student*innen teil klar deutlich (mehr dazu in 1.2). Das und auch die Lehrveranstaltung „Ge- Engagement einiger Student*innen meinsam Planen!?“ im Wintersemester und die Gründung des Bündnis Parti- 2019/20, welche der Entwicklung der zipation haben dieses Situation bereits Leitlinie dient, wurde von Student*in- nachhaltig verändert. Beteiligung an nen organisiert. Dennoch waren alle der Entwicklung der Universität und Mitglieder der Universität eingeladen, aktiv gelebte Demokratie sowie das am Prozess der Entwicklung der Leitli- Erlernen von partizipativen Prozessen nie teilzuhaben. Dafür wurde der Pro- wurden als Aufgaben der Universität in zess möglichst transparent und offen der Präambel der Grundordnung fest- gestaltet, sowie mehrfach zu Teilnah- geschrieben. Auf dem gemeinsam von me in verschieden Gremien und per Student*innen und dem Präsidium Mail aufgefordert. Diese ausdrückliche organisierten Tag der Partizipation im Einladung gilt auch nach Abschluss des November 2018 wurden weitere The- Seminars mit dem Ende des Semesters menfelder und Ideen für eine partizi- weiterhin! pative Universität gesammelt. Bei der Nachdem die Teilnehmer*innen sich Novellierung der Berufungsordnung mit Partizipation, der Bauhaus-Univer- wurden die Teilhabemöglichkeiten der sität Weimar und ihren Gremien sowie Student*innen verankert und die Mit- Bauvorhaben im universitären Kon- sprache der Vertreter*innen der Stu- text auseinander gesetzt hatten wurde dent*innen sowie der wissenschaftli- eine Umfrage für alle Mitglieder der chen Mitarbeiter*innen gestärkt. Universität vorbereitet und diese per Nun soll die Entwicklung einer Leitli- Mail zur Teilnahme eingeladen. Mit nie zu Beteiligung bei Bauvorhaben, dem theoretischen Wissen und der eine Idee, die ebenfalls auf dem Tag Rückmeldung aus der Umfrage wur- der Partizipation entstand, umgesetzt de im Seminar eine Entwurf für eine
8 Leitlinie entwickelt, der wiederum mit den auch besonders diese umfangrei- der Hochschulöffentlichkeit diskutiert che Dokumentation steht – und somit wurde. Ziel des Seminars ist neben die Diskussionskultur an der Universi- dem Entwurf für die Leitlinie einen tät nachhaltig zu beeinflussen. transparenten Prozess zu schaffen – für
9 1.2 Campusumgestaltung Auf der Suche nach einem Planungs- chungen bereits vor. Alle wichtigen prozess, der behutsam mit Orten der und grundlegenden Entscheidungen Bauhaus-Universität Weimar und sei- über Gestalt, aber auch Funktionsver- nen Nutzer*Innen umgeht, sollen teilungen waren bereits getroffen. Aus auch die Geschehnisse um die Au- einem beschränkten Pool an Entwurfs- ßenanlagen des Hauptgebäudes der vorschlägen wurde von einer Handvoll Bauhaus-Universität Weimar zwischen Expert*innen ein Beitrag zur Umset- 2014 und 2019 in Kürze analysiert, in- zung ausgewählt. Der Gestaltungspiel- terpretiert und beurteilt werden. Was raum hatte sich zu diesem Zeitpunkt können wir aus dem Prozess lernen? schon zu weit verengt, als dass eine Spätestens mit der Zusage von För- Öffentlichkeit tatsächlich noch hätte dermitteln aus dem Bundesprogramm mitdiskutieren und mitgestalten kön- Nationale Projekte des Städtebaus nen. Ein erster Ansatzpunkt muss also 2014 über 450.000 € wurde deut- die Zeit im Blick haben. Nur der rich- lich, dass die Außenanlagen des Van- tige, möglichst ein früher Startpunkt, der-Velde-Baus eine Neugestaltung ermöglicht eine Partizipation mit erfahren werden. Sofort sprach der ernsthaftem Gestaltungsspielraum. damalige Rektor der Bauhaus-Univer- Obwohl es zur, wenn auch verspäte- sität Weimar von einer „partizipativen ten, Beteiligung von Repräsentant*in- Erarbeitung“ (Beuke 2014) und „best- nen kam, wurden einige wichtige möglichen Lösung“ (ebd.). Fünf Jahre Nutzer*inneninteressen nicht gesehen später wurden feierlich neue Außen- und bedeutsame Elemente des alten anlagen eröffnet, die nicht nur aus der Campus wie der Gründungsbaum der Sicht der Nutzer*innen einige Fehl- Fakultät Kunst und Gestaltung sind stellungen aufwiesen, sondern auch verloren gegangen. Doch die Nut- dem Gründungsbaum der Fakultät zer*innen und Betroffenen der Bau- Kunst und Gestaltung das Leben kos- maßnahmen sollten als Expert*innen teten. Was war passiert? Und welche des Ortes verstanden werden. Diese Ansatzpunkte ergeben sich daraus, kennen die Gegebenheiten, die Nutz- um zukünftige Planungen nutzer*in- barkeiten und die Verbesserungsmög- nenspezifischer gestalten zu können? lichkeiten der räumlichen Situation Als 2016 zwei studentische Vertreter aus ihrem Alltag und ihren Erfahrun- als Gäste lediglich mit Redeerlaubnis gen am besten. Wenn dieses Wissen verspätet Zugang zu der Jury erhiel- nicht mit einbezogen werden kann, ten, lagen die Wettbewerbseinrei- entstehen zwangsläufig Planungen,
10 die am Alltag vorbeigedacht werden ren am Entwurf erreicht werden. Da- und dabei möglicherweise bedeutsa- raus können wir vor allem zwei Dinge me Artefakte ignorieren. lernen. Erstens: Beteiligung wirkt! Ei- Auf intensives Drängen der Stu- nige neue Aspekte haben es geschafft dent*innen kam es 2017 zu einem die Umsetzung des Siegerentwurfs hastig organisierten hochschulöffent- bedürfnisangepasster zu beeinflussen, lichen Hearing. Zu diesem Zeitpunkt wenn auch nur mit eingeschränkter stand der mit der Umsetzung prämier- Tiefenwirkung. Zweitens: Das richtige te Entwurf bereits seit einem halben Format muss es schaffen Interesse zu Jahr fest und die weiterführenden wecken und Menschen mit demselben Planungen liefen auf Hochtouren. Das Ziel zusammenzubringen. Gemeinsam Hearing war nur schlecht besucht, weil über Umgestaltungen von Räumen die vorangegangen Informationspolitik nachzudenken kann und sollte Spaß und Bewerbung der Veranstaltung dies machen, denn mit ausschließlich fron- nicht anders ermöglichten. Schlicht zu talen Informationsveranstaltungen ist wenig Menschen wussten Bescheid wenig zu erreichen. Es muss ein Me- über die kommenden Baumaßnah- thodenmix angewendet werden, der men. Außerdem kam es beim Hearing mit unterschiedlichen Formaten eine zu einer konfrontativen Situation zwi- niedrigschwellige Beteiligung für Men- schen dem Landschaftsarchitekten auf schen mit diversen Zeit- und Energier- der Bühne und den Nutzer*innen in essourcen ermöglicht. den Sitzreihen. Die Atmosphäre war Als im weiteren Verlaufe des Prozes- wenig konstruktiv, sondern eher kon- ses langsam die Information bekannt fliktbehaftet und vorwurfsvoll. Der wurde, dass der Gründungsbaum der verantwortliche Landschaftsarchitekt Fakultät Kunst und Gestaltung dem wusste nicht, warum er sich in dieser neuen Campus weichen muss, kam Planungsphase noch mit Nutzer*in- es zu verzweifelten Protest- und Ver- nen austauschen musste und die Nut- handlungsversuchen. Baumfällungen zer*innen konnten es nicht fassen mit wurden blockiert und die hochschu- aus Sachzwängen entstehender Igno- löffentliche Informationsveranstaltung ranz abgespeist zu werden. Nichtdes- waren plötzlich gut besucht. Relativ totrotz konnten über die studentischen schnell waren sich alle Universitätsmit- Vertreter*innen einige Impulse mit in glieder einig, dass der Baum erhalten die Diskussionen der Bauherrenbera- werden sollte. Allerdings wurde der tung getragen und kleinere Korrektu- Sachzwang durch die Universitätslei-
11 tung bereits als zu groß eingeschätzt zudem klar abgesteckt sein. Verant- und im Mai 2018 die Rotbuche gefällt, wortungen, Abläufe und Regeln soll- damit die Bauarbeiten starten und ten feststehen und offengelegt wer- zum Jubiläumsjahr 2019 die neuen den. Auf dieser Grundlage kann über Außenanlagen eröffnet werden konn- einen längeren Zeitraum hinweg an ten. In der Fällung des Gründungs- einem gemeinsamen Ziel gearbeitet baums wurde ein Symptom schlechter werden. Dabei ist es wichtig, dass die Partizipation offensichtlich. Mit einem Planner*innen mit Wertschätzung, transparenten Umgang aller Informati- Verbindlichkeit und echtem Interesse onen und mit einem offenen, ersthaf- den Nutzer*innen entgegenkommen. ten und frühzeitigen (ab 2014) Dis- Vielfältige, zielgruppenspezifische kurs hätte der Baum gerettet werden Formate und ein positives Miteinan- können, weil die Information über die der können für Niedrigschwelligkeit Bedeutung der Rotbuche viel früher und eine produktive Atmosphäre sor- Eingang in den Planungsprozess hätte gen. Es lässt sich erahnen, dass die finden können. Durchführung dieser Prozesse eine Partizipation ist gemeinsames Gestal- steuernde Professionalität und einiger ten von gemeinsam genutzten Räu- Ressourcen bedürfen. Partizipation men und wirklich gut funktioniert sie geschieht nicht von allein. erst, wenn sie ausreichend vorberei- Die Bauhaus-Universität Weimar bie- tet und organisiert wird. Partizipation tet einen idealen Rahmen für eine kann zwar von den Nutzer*innen ein- Kultur der Partizipation. Als eher klei- gefordert werden, aber nur wenn sie nere Universität mit einer engagierten von den Bauherren, Eigentümer*in- Student*innenschaft und kürzeren nen und Planner*innen akzeptiert und Kommunikationswegen, kann sie eine unterstützt wird, kann sie erfolgreich überschaubare und konstante Struktur sein. Zusammengefasst sollte Partizi- entstehen lassen, die auch langfristig pation also möglichst früh beginnen das gemeinsame Umgestalten gemein- und gut vorbereitet sein. Die Aufgabe schaftlich genutzter Räume ermög- und der Gestaltungsspielraum sollten licht.
Hintergrund- 02 information
13 2.1 Grundlagen der Partizipation Der Wunsch nach Mitbestimmung tor*innen, Eigentümer*innen und Ver- von Bürger*innen bei (Bau-)Planun- waltung einbezogen, sodass eine In- gen wurde in den 1960er Jahren laut, formartionshierarchie gegenüber den da zuvor die Interessen, insbesonde- Bürger*innen entstand. Meist waren re einiger sozialer Gruppen, in Pla- Kapital und Einfluss die Voraussetzung nungsprozessen nicht berücksichtigt für ein politisches Mitspracherecht, wurden. Partizipation – die Teilhaben sodass nur wenigen Bürger*innen die an Entscheidungsprozessen – ist nun Möglichkeit der Einbeziehung gewährt fester Bestandteil von Planung. Sie wurde. (Selle 1996: 63) basiert auf Information, Transparenz Der erste Versuch der gesetzlichen und Engagement. Hauptziel ist eine Berücksichtigung der Interessen der Balance, die Anregungen durch und Bürger*innen ist das Bundesbaugesetz Kommunikation mit Betroffenen er- von 1960. Hierdurch wurde die Aus- möglicht. Durch Beteiligung werden legung der Pläne verpflichtend und zu demokratische Werte und Normen, öffentlichen Beteiligung angehalten. Vertrauen und Konfliktlösungsstrategi- 1971 wurde das Städtebauförderungs- en gefördert (Van Deth 2014: 43). Eine gesetz beschlossen, um Forderungen genauere Erklärung liefert Jan W. van nach demokratischen Prozessen und Deth, der Partizipation als „die Mitar- Beteiligung adäquat in städtebauliche beit von Bürgerinnen und Bürgern an Planungen mit einbeziehen zu kön- der Gestaltung der Gesellschaft“ (ebd.: nen. Vorbereitende Untersuchungen 13) definiert. der Interessen der Bürger*innen wur- den in dieses Gesetz aufgenommen, Entstehung der Partizipationsforde- um zeitlichen Problemen in der Um- rungen setzung entgegenzuwirken. Fortge- führt wurde diese Regelung 1976 mit In den 1960er Jahren bildeten sich der vorgezogenen Bürger*innenbetei- aus der Kritik an gesellschaftlichen ligung. Die Lösung der Probleme wur- und industriellen Entwicklungen In- de in der frühzeitigen Einbeziehung itiativen in den Bereichen Wohnen, der Bevölkerung und der Bildung loka- Umweltschutz, Stadtsanierung und ler Plaungsberatungsstellen gesehen. Stadtplanung, die Beteiligung aktiv Privaten Haushalte wurden direkt zu einforderteten. Zu diesem Zeitpunkt Beginn aktiviert und in die Quartier- waren in Interessensabgleiche und sentwicklung einbezogen. Gezielte -verhandlungen jedoch meist Inves- Information und Anhörung der Inter-
14 essen der Bürger*innen wurde in Dia- Partizipationsleiter logforen vertieft (ebd.: 64). Die politische Beteiligung hat sich seit Daran wird deutlich, dass trotz der stei- den 1960er Jahren enorm entwickelt, genden Zahl der Beteiligungsverfahren sowohl durch Eigeninitiativen als auch Partizipation nicht immer einer fairen durch die politische Verankerung Beteiligung und Mitbestimmung aller wird Mitspracherecht gesichert und Bürger*innen entspricht. Die Gründe wahrgenommen. Ziel ist es, einen de- hierfür lassen sich mit der „Ladder of mokratischen und kommunikations- Participation“ nach Arnstein (1969) orientierten Beteiligungsprozess zu illustrieren. Diese Partizipationslei- schaffen. Dennoch beteiligen sich im- ter bewertet die Qualität von Beteili- mer noch meist nur männliche Betrof- gungsverfahren und erfasst den Grad fene mit höherem sozioökonomischen der tatsächlichen Entscheidungsmit- Status und akademischen Abschluss wirkung. Es gibt die drei übergeord- (Van Deth 2014: 36). neten Kategorien Nicht-Partizipation Partizipationsleiter nach Sherry R. Arnstein, 1969 Abb. 2.1.1: Partizipationsleiter. 5
15 (Prozesse sind meist manipulativ ge- werden, sondern darüber hinaus in staltet), Vorstufen der Beteiligung (le- einen Dialog treten und kooperie- diglich Information) und Partizipation ren. Trotz wachsender Möglichkeiten mit tatsächlichem Einfluss auf das Er- für Bürger*innen kann ein Ungleich- gebnis (Berlin Institut für Partizipation gewicht innerhalb der Gruppe der 2018). In der letzten Kategorie haben Beteiligten entstehen, da nicht allen die Beteiligten zunehmenden Einfluss Akteur*innen die gleichen Ressour- auf die Entscheidungsfindung. Hierbei cen zu Verfügung stehen, um ihre In- können die Bürger*innen eine Part- teressen durchzusetzen. Somit kann nerschaft eingehen, verhandeln und es zur Ausgrenzung marginalisierter Kompromisse finden. Nach Arnstein Gruppen kommen. Ein weiterer mög- kann nur die letzte Stufe, diejenige der licher Faktor für das Scheitern von Entscheidungsmacht, als echte Betei- Partizipationsangeboten ist die iso- ligung bezeichnet werden (Arnstein lierte Anwendung von Kommunika- 1996: 2017). tionsmaßnahmen anstatt einer über- geordneten, gemeinsam formulierten Schlussfolgerungen Kommunikationsstrategie (Selle 1996: 78). Information, Konsultation, Mitge- Anhand dieser Partizipationsleiter las- staltung und Kooperation müssen als sen sich auch aktuelle Probleme von Grundlagen der Partizipation immer Beteiligungsprozessen erkennen. Bür- gemeinsam gedacht werden. ger*innen wollen nicht nur informiert
16 2.2 Formelle und informelle Partizipation Unter Partizipation wird in der Diszip- Umweltverträglichkeitsprüfungen ge- lin der Stadtplanung und -entwicklung setzlich vorgeschrieben und geregelt. die „aktive Teilhabe [von Bürger*in- Die zu beteiligenden Personen sowie nen] an Planungs- und Entwicklungs- der Zeitraum der Beteiligung sind fest- prozessen“ (Bischoff et. al. 2005: 98) gelegt (Heinrich Böll Stiftung 2017). verstanden. Dabei wird zwischen for- Zu den formellen Partizipationsfor- melle und informelle Partizipation dif- maten gehören die Öffentlichkeitsbe- ferenziert, die sich in erster Linie durch teiligungen nach § 3 Baugesetzbuch die gesetzliche Festschreibung unter- (BauGB), sowie Petitionen, Bürger*in- scheiden. Formelle Partizipation ist nenbegehren oder Bürger*innenent- gesetzlich geregelt und fester Bestand- scheide (Selle 2010: 358). Laut § 3 teil in der Bauleitplanung, in Geneh- Abs. 1 BauGB muss die Öffentlichkeit migungsverfahren oder in Umwelt- in der Bauleitplanung möglichst früh- verträglichkeitsprüfungen (Heinrich zeitig über die Absichten, Ziele und Böll Stiftung 2017). Informelle Parti- Auswirkungen der Planung sowie Al- zipation dagegen bezeichnet Beteili- ternativplanungen informiert werden. gungsformate, die keinen gesetzlichen Außerdem besteht bei Planungs- und Vorgaben folgen müssen und oft aus Entwicklungsvorhaben, wie beispiels- Eigeninitiative betroffener Akteur*in- weise in der Bauleit- oder Regional- nen entstehen (Selle 2010: 358). Sie planung, eine Pflicht zur öffentlichen haben sich in den 1980er Jahren aus Auslegung (Bischoff et. al. 2005: 98). Kritik an der Unzulänglichkeit formel- Die Träger*innen öffentlicher Belange ler Beteiligung entwickelt und stellen und Bürger*innen können dann die mittlerweile neben der formellen Par- entsprechenden Pläne einsehen und tizipation durch diverse Formate einen Kritik, Anmerkungen und Einwände fest etablierten Bestandteil der Bür- äußern (ebd.). Der Ablauf der öffent- ger*innenbeteiligung in der Stadtpla- lichen Auslegung ist durch das Bauge- nung dar (ebd.). setzbuch, das Raumordnungsgesetz, das Umweltverträglichkeitsprüfungs- Formelle Partizipation gesetz und andere Gesetzte entspre- chend geregelt (ebd.). In der Bauleit- Formelle Partizipation ist in der Bau- planung müssen die Planentwürfe laut leitplanung, in Raumordnungsverfah- §§ 3 und 4 BauGB mit einer Dauer von ren, in Genehmigungsverfahren, in der 30 Tagen mit Erläuterungen ausgelegt Landes- und Regionalplanung sowie in werden, wobei Ort und Dauer min-
17 destens eine Woche vorher ortsüblich und Potenzialen seitens der Bürger*in- bekannt zu machen sind (ebd.). Für nen zu erfahren (ebd.). Diese Form die öffentliche Auslegung sind Aus- der formellen Beteiligung wird jedoch legungsfrist, Zeiten für die Einsichten oft als notwendiges Übel angesehen, und die zur Einwendung befugten Per- wodurch es zu einer mangelhaften sonen festgelegt (ebd.). Das Ziel der Durchführung kommt, die ebenfalls zu öffentlichen Auslegung besteht im In- einem zu späten Zeitpunkt stattfindet formieren der betroffenen Bürger*in- und kaum Raum für Alternativvor- nen über Planungen und Vorhaben schläge zulässt (ebd.). Des Weiteren mit der Möglichkeit für Anmerkungen werden marginalisierte Bevölkerungs- und Kritikäußerungen (ebd.: 99). Sie gruppen, beispielsweise aufgrund stellt das Fundament der Bürger*in- von Artikulationsschwierigkeiten oder nenbeteiligung dar. Die Problematik fehlenden Zeitressourcen, oftmals bei der öffentlichen Auslegung liegt strukturell benachteiligt, sodass be- im Zeitpunkt der Beteiligung, da die stimmten meinungsstarken Personen- Planungen vorher meist schon weit gruppen eine vergleichsweise größe- vorangeschritten sind und kaum noch re Plattform geboten wird (ebd.). An Änderungen zulassen (ebd.). Außer- dieser Stelle ist der Einsatz informeller dem kommt es im Zuge der öffentli- Partizipation besonders sinnvoll, da sie chen Auslegung zu keinem Dialog, da eine stärkere Zielgruppenorientierung zwar Einwendungen eingereicht und zulässt (ebd.). geprüft werden und teilweise Einfluss ausüben können, dies jedoch ohne Informelle Partizipation diskursiven Kontext geschieht (ebd.). Durch Ordnungen der einzelnen Bun- Ab den 1980er Jahren entstand zu- desländer sind auch die Anhörungen nehmend Kritik an formellen Partizi- und Erörterungen gesetzlich festgelegt pationsformaten und der ihnen meist (ebd.: 101). Das Ziel hierbei ist die Ar- immanenten sozialen Selektivität (Sel- tikulation der Meinungen und Interes- le 2010: 358), sodass immer mehr sen seitens der betroffenen Akteur*in- informelle Beteiligungsstrategien ent- nen und das Besprechen der Vorhaben wickelt wurden und mittlerweile vie- mit den Entscheidungsträger*innen le verschiedene informelle Methoden und Planer*innen (ebd.: 102). So wird existieren (ebd.). Dabei bezeichnet den Planer*innen die Möglichkeit ge- informelle Partizipation jene Beteili- geben, von Problemen, Widerständen gungsformen, die nicht gesetzlich ge-
18 regelt und somit in ihrer Ausgestaltung Schlussfolgerungen frei sind (ebd.). Der Begriff informell bedeutet jedoch nicht, dass die jewei- Formelle und informelle Partizipation ligen Formate inoffiziell oder die Er- unterscheiden sich in ihrer gesetzlichen gebnisse unverbindlich sind, sondern Festschreibung und Regelung. Formel- lediglich keinem gesetzlich vorge- le Partizipation ist gesetzlich festgelegt schriebenen Regelwerk folgen müssen und in ihrer Gestaltungsfreiheit limi- (Senatsverwaltung für Stadtentwick- tiert, während informelle Partizipation lung und Umwelt Berlin 2011: 14). nicht gesetzlich festgeschrieben und Somit richten sich auch informelle Be- in ihrer Gestaltung frei ist. Dabei ist teiligungsmethoden nach bestimmten, formelle Partizipation meist angebots- intern festgelegten Regeln und Abläu- orientiert, das heißt sie dient in erster fen. Durch die Freiheit in der Ausge- Linie der Informationsbereitstellung staltung können informelle Formate (ebd.: 358). Die Herausforderungen exakter auf bestimmte Zielgruppen formeller Partizipation bestehen in ih- zugeschnitten und fall- und ortsspe- rem wenig diskursiven Charakter, dem zifischer gestaltet werden (ebd.: 15). oft zu spät gewähltem Zeitpunkt der Weitere Merkmale informeller Partizi- Durchführung und in ihrer sozialen pation sind die Anwendung von Em- Selektivität. Informelle Partizipation powermentstrategien, methodische kann dagegen zielgruppengenauer ge- Diskursivität sowie eine langfristige staltet werden, ist jedoch nicht einer und aktive Teilhabe von Bürger*innen verpflichtenden Durchführung unter- (Selle 2010: 358). Beispiele für infor- legen. Des Weiteren unterscheidet melle Partizipationsmethoden sind ko- sich, obwohl sich seit den 1970er Jah- operative Workshops, Runde Tische, ren das Rollenverständnis der Zivilge- Zukunftswerkstätte oder Open-Spa- sellschaft in Planungs- und Stadtent- ce-Veranstaltungen (ebd.). Dabei wicklungsprozessen veränderte, die werden die Bürger*innen zu selbst- Partizipationstheorie noch immer von ständiger Mitwirkung in der Um- bzw. der Praxis. Bürger*innen werden zwar Mitgestaltung ihrer urbanen Umwelt stärker als eigenständige Akteur*innen animiert und so zu „Partnern in kom- und Mitwirkende gesehen, gleichzeitig plexen Aufgabenfeldern der Stadtent- werden sie jedoch oftmals noch immer wicklung“ (ebd.: 359). nicht ausreichend eingebunden (ebd.: 360). Viele, insbesondere formelle Be- teiligungsverfahren werden routiniert
19 abgehalten und bei den Bürger*innen formelle Partizipation stärker mitein- entsteht oft der Eindruck, dass schon ander verbunden werden, um langfris- vor den Beteiligungsverfahren alles tig wirksame Strategien einer funktio- Wichtige entschieden sei (ebd.). Auf nierenden Bürger*innenbeteiligung zu längere Sicht müssen informelle und gewährleisten (ebd.: 358).
20 2.3 Partizipationsformate Wie in Kapitel 2.2 dargestellt, wird in denen eine Auseinandersetzung die Möglichkeit zur Teilhabe einerseits mit dem Untersuchungsgebiet und durch formale und gesetzlich definier- die Erstellung eines Leitfadens für die te Instrumente und Verfahren gewähr- Befragung erfolgen. Darüber hinaus leistet. Dazu gehören unter anderem ist es notwendig, unterstützende Hel- öffentliche Auslegungen, Anhörungen fer*innen für die Durchführung zu or- und Erörterungen, Petitionen und Bür- ganisieren. Die aktivierende Befragung ger*innenanträge sowie Bürger*innen- erfolgt zu Beginn eines Planungspro- begehren und -entscheide (Bischoff et zesses und dient der Kontaktfindung al. 2005: 98). Darüber hinaus können sowie der Information. In einem Zeit- Teilhabemöglichkeiten durch gesetz- raum von mehreren Tagen oder meh- lich nicht definierte Formate geschaf- reren Wochen werden Bürger*innen fen werden. Da die Grundsätze der direkt befragt, um Meinungen und Partizipation – Information, Konsulta- Wünsche einzuholen und Perspek- tion, Mitgestaltung und Kooperation tiven im Hinblick auf Veränderungs- – die Grundlage für die Entwicklung prozesse abzuleiten. Die Auswertung verschiedener Partizipationsformate kann bis zu zwei Monate in Anspruch darstellen, werden im Folgenden ei- nehmen. Dieses Format ist besonders nige der informellen Formate anhand geeignet, da auch marginalisierte und dieser Ebenen unter den Aspekten der exkludierte Personengruppen durch Zielgruppe, der Umsetzung, den Be- das direkte Ansprechen an Entwick- sonderheiten und der möglichen Out- lungen und Planungen teilhaben kön- puts vorgestellt. Darüber hinaus be- nen. Ein möglicher Output besteht in ruht die Auswahl auf der Überlegung, der allgemeinen Bewertung durch die dass diese Formate im universitären Betroffenen und die Abstimmung mit Kontext Anwendung finden könnten. deren Meinung. Weitere Formate der Information sind unter anderen Bür- Format der Information ger*innenversammlung, Charrettever- fahren und Ortsbegehungen (Senats- Auf der Ebene der Information wird verwaltung für Stadtentwicklung und die aktivierende Befragung als Beispiel Umwelt Berlin 2011: 321). näher betrachtet. Die Zielgruppe die- ses Formates sind alle direkt von der Planung Betroffenen. Die Vorberei- tungszeit beträgt etwa zwei Monate,
21 Formate der Konsultation vor allem von der Planung Betroffene als Zielgruppe. Die Vorbereitungszeit Ein Beispiel für die Ebene der Konsul- kann bis zu einem dreiviertel Jahr an- tation stellen Fokusgruppen dar, wel- dauern. In diesem Zeitraum müssen che Diskussionen mit Vertreter*innen Einladungen verfasst und versendet unterschiedlicher Interessengruppen werden, die Räumlichkeiten sowie die zum Ziel haben. Die Vorbereitungszeit Inhalte der Zukunftswerkstatt organi- beträgt zwei bis drei Wochen, wäh- siert werden. Mit Hilfe der Bestands- rend diesem Zeitraum ist es notwen- aufnahme-, Phantasie- und Realisie- dig Einladungen zu verfassen sowie zu rungsphase sollen Lösungsvorschläge versenden, die Moderation zu organi- und Handlungsschritte für deren Re- sieren und die Fragestellung zu defi- alisierung entwickelt werden. Dabei nieren. Fokusgruppen mit maximal 15 besteht Raum für kreative Ideen. Die Teilnehmer*innen mit ähnlichen so- Betroffenen sind ernstzunehmende ziokulturellen Hintergründen können Expert*innen ihres Alltages, die aktiv in moderiert bis zu drei Stunden über die Entwicklung und Planung einbezo- die festgelegte Fragestellung diskutie- gen werden. Der Durchführungszeit- ren. Dadurch entsteht die Möglichkeit raum kann variieren und drei Stunden weitere Blickwinkel sowie Meinungen bis drei Tage andauern. Ein möglicher zu einem Problem einzuholen. Die Be- Output besteht in der Entwicklung sonderheit ist darin begründet, dass und Umsetzung von Handlungsideen dieses Format geeignet ist Gender- im Hinblick auf eine gemeinsame Zu- und Diversityaspekte zu erkennen. kunft. Weitere Formate der Mitgestal- Weitere Formate der Konsultation tung sind Innovationswerkstatt, Be- sind die Fish Bowl, die Fantasiereise, teiligungsspirale, Planungszelle, Open das Bürger*innenpanel, das Brainstor- Space und Agendakonferenz (Bischoff ming, die Kartenabfrage und das Wor- et al. 2005: 138). ld Café (ebd.: 325). Formate der Kooperation Formate der Mitgestaltung Ein Format der Kooperation ist der Auf Ebene der Mitgestaltung ist die Runde Tisch, welcher ebenfalls Ver- Zukunftswerkstatt zu erwähnen. Die- treter*innen unterschiedlicher Interes- ses Format hat Vertreter*innen un- sengruppen als Zielgruppe hat. Wäh- terschiedlicher Interessensgruppen, rend der Vorbereitungszeit, die ein bis
22 zwei Monate beträgt, werden Einzel- Schlussfolgerungen gespräche mit den beteiligten Grup- pen geführt, um eine intensive Aus- Schlussendlich lässt sich feststellen, einandersetzung mit dem Konflikt zu dass die Gemeinsamkeit der zuvor auf- ermöglichen. Die Durchführungszeit geführten informellen Partizipations- dauert bis zur Konsensfindung an. Die formate darin besteht, dass die von der Besonderheit besteht darin, dass alle Planung betroffenen Akteur*innen auf Interessengruppen gleichberechtigt freiwilliger Basis an Planungsprozessen sind und ein fester Teilnehmer*innen- beteiligt werden, um Bedürfnisse so- kreis existiert, um Vertrauen aufzubau- wie neue Perspektiven wahrzunehmen en und eine kontinuierliche Meinungs- und Wünsche zu berücksichtigen. Dies bildung zu ermöglichen. Hierbei sind dient dem Aufbau von Identifikation, neutrale Mediation und Protokollie- der Kompetenzstärkung sowie der rung notwendig, um Verbindlichkeit Verbindlichkeit und Legitimation. So- sicherzustellen. Darüber hinaus be- wohl durch formelle, gesetzlich fest- steht die Erfordernis dieses Format geschriebene Partizipationsinstrumen- durch weitere Kommunikationsfor- te, als auch durch informelle Formate men zu ergänzen. Dies kann durch besteht die Chance lokales Wissen zu Informationsstellen, Rundbriefe, In- nutzen, Konfliktpotenzial frühzeitig ternetpräsenz und Außenstellen erfol- zu erkennen, die Akzeptanz von Pla- gen. Mögliche Outputs des Formates nungen zu stärken und die Kommu- bestehen in der Konfliktschlichtung nikation zwischen den beteiligten Ak- sowie einer verbindlichen Konsensfin- teur*innen zu verbessern (ebd.: 60). dung zwischen den unterschiedlichen Inwieweit die nicht gesetzlich festge- Interessengruppen, unabhängig von legten Partizipationsformate zum Ein- ihrer politischen und ökonomischen satz kommen, liegt im Ermessen des*- Stärke. Weitere Formate der Koopera- der Entscheidungsträger*in. tion sind unter anderem Open Space und Mediation (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin 2011: 330).
23 2.4 Umgang mit Problemen bei Partizipationsprozessen Partizipation verspricht eine Demo- fällig geschehen, führt aber in beiden kratisierung von Gesellschaft und Pla- Fällen zum Ausschluss von betroffe- nungsprozessen. Das Ziel der Beteili- nen Personen und ihren Meinungen gung aller rückt doch auf Grund viele und somit folglich zu fehlender Legi- Umstände und inhärente Probleme timität. Aufgrund der Freiwilligkeit der von Partizipationsprozessen oftmals in Teilnahme an Partizipationsprozessen den Hintergrund. Im Folgenden sollen kann es zu einer hohen Fluktuations- Probleme von Partizipationsprozessen rate der Teilnehmer*innen kommen. erläutert und der Umgang und mögli- Dies resultiert gegebenenfalls zu ver- che Lösungen dargestellt werden. schiedenen Meinungsbildern bei un- terschiedlichen Veranstaltungen und Legitimation verzerrt den Konsens über die Pla- nung. (Senatsverwaltung für Stadtent- Eine Herausforderung in Partizipati- wicklung und Umwelt Berlin 2011: 62) onsprozessen ist der Nachweis ihrer Alles in allem stellt sich die Legitima- Legitimität. Aufgrund der unterschied- tionsfrage, warum die Konsensent- lichen Eigenheiten der Beteiligungs- scheidungen der teilnehmenden Bür- prozesse und -formate, Intransparenz ger*innen bindend für alle anderen und teilweise fehlende gesetzliche sein sollen. Diese Frage kann nicht Legitimation ergeben sich Fragen wie: abschließend aufgelöst werden, den- Wer nimmt an den Beteiligungsfor- noch könnte eine Formalisierung und maten teil? Wer wertet diese aus? In Professionalisierung die Grenzen und welchem Umfang hat die Partizipation Möglichkeiten von Partizipationspro- Konsequenzen für die Planung? War- zessen transparenter gestalten. Eine um und wie findet der Partizipations- Formalisierung sollte dennoch die prozess statt? Wie verbindlich gehen freie Wählbarkeit der Beteiligungsfor- die Ergebnisse der Partizipationspro- mate offen halten, dabei jedoch die zesse in die Planung ein? Wie kann Verbindlichkeit und Rechtmäßigkeit Intransparenz vermieden und hierar- festschreiben. Unter der Professionali- chiefreier Informationsfluss gewähr- sierung wird die Leitung durch Perso- leistet werden? nen oder Planungsbüros mit Partizipa- Zusätzlich wirft die Zugänglichkeit tionserfahrung und Kompetenz einer für Teilnehmer*innen die Frage nach fachgerechten Durchführung verstan- Selektion im Partizipationsprozess auf. den. Der Einbezug von externen Er- Diese Selektion kann bewusst oder zu- fahrungen mit Beteiligung, Kommuni-
24 kation und Grenzen von Partizipation am größten ist. Das Partizipationspa- lässt eine sachgerechte Distanz zwi- radoxon kann nur schwer aufgelöst schen den unterschiedlichen Partei- werden, da die Wahrnehmung und en sowie den reibungsloseren Ablauf Reaktion erst bei räumlichen Verände- von Prozessen entstehen. Mithilfe von rungen am größten ist. Durch frühzei- ständiger und umfassender Informati- tige Information über unterschiedliche on zu Planungsstand, Umsetzungsplä- Informationskanäle und aufsuchende nen, Fortschritten und Änderungen Beteiligungsangebote ist es dennoch kann somit eine höhere Transparenz möglich, die Aufmerksamkeit der Be- geschaffen werden. troffenen zu einem früheren Zeitpunkt zu wecken (ebd.: 83). Partizipationsparadoxon Scheinbeteiligung Als Partizipationsparadoxon wird die gegenläufige Entwicklung von Par- Auch wenn der Wille zur Partizipa- tizipationswillen und Interesse auf tion und Kommunikation zwischen der einen sowie der gegebenen Par- den unterschiedlichen Parteien be- tizipationsmöglichkeit auf der ande- steht kann es zu unzureichender Be- ren Seite in einem Planungsprozess teiligung kommen. Eine Beteiligung beschrieben. Der Zeitpunkt, zu dem findet zwar statt – aber allzu oft ohne das Begehren zur Teilhabe laut wird Wirkung (Selle 2007: 65). Diese als und allen diese ermöglicht wird, fal- Scheinbeteiligung bekannte Proble- len meist nicht zusammen. So ist zu matik beschreibt Selle als “Beteiligung Beginn von Planungen, in der soge- pro forma, wirkungslos und leerfor- nannten Themenwahrnehmung, die melhaft“ (ebd.). Dies kann bedeuten, Möglichkeit zur Projektänderung noch dass Entscheidungen bereits von den hoch. Der Projektänderungsspielraum Planer*innen beschlossen sind, bevor nimmt bis zur Umsetzung der Planung die Partizipation tatsächlich stattfin- proportional bis auf Null ab. Das Parti- det. Diese wird dann zwar pro forma zipationsinteresse hingegen ist am An- durchgeführt, hat jedoch keinerlei re- fang niedriger und steigt gegenläufig ale Einflussmöglichkeiten mehr. Eine bis zur Umsetzung an. Dies lässt sich zweite Ausführung dieser Problematik durch das gesteigerte Interesse bei ei- beschreibt Selle als “l’art pour l’art?“ ner eigenen Betroffenheit erklären, die (ebd.), bei der in den letztendlich erst bei den tatsächlichen Bauarbeiten ausgeführten Planungen auf durch-
25 Abb. 2.4.1: Partizipationsparadoxon. geführte Beteiligungsformate, wie Wirkung in ihrem Engagement sehen, Zukunftswerkstätten, keinerlei Bezug zukünftig Beteiligungsformaten fern mehr genommen wird. In manchen bleiben werden und sich in ihrer Auf- Beteiligungsprozessen können zwar fassung, alles werde über ihre Köpfe Grundsätze entwickelt werden, aus hinweg entschieden, bestätigt sehen denen sich jedoch keinerlei praktische (ebd.). Ansätze um diese Problematik Konsequenzen ableiten lassen. Diese der Scheinbeteiligung zu vermeiden, Formen der Beteiligung münden in sind frühzeitige, gut dokumentierte praktische Irrelevanz und werden auch und professionell ausgewertete Betei- von beteiligten Personen als solche ligungsformate. wahrgenommen: Es folgt die Konse- quenz, dass die Bürger*innen keine
26 Partizipationsteilnehmer*innen Versorgung und Betreuung ihrer Fami- lie viel Zeit, Geld und Energie abver- Wie eingangs erwähnt können neben langt, haben in der Regel nicht noch den Problemen, welche die Durchfüh- weitere Kapazitäten für die Teilnahme rung und den Prozess selbst betreffen, an Partizipationsprozessen. Ihre Stim- auch die Teilnehmer*innen sowie ihre men und Meinungen werden, ebenso Diversität und Auswahl Schwierig- wie die von Personen mit geringen keiten im Partizipationsprozess dar- Deutschkenntnissen, kaum bis gar stellen. Die Diversität verschiedener nicht gehört. Bevölkerungsgruppen spiegelt sich in Im Hinblick auf Partizipation als De- ihren unterschiedlichen Fähigkeiten, mokratisierung des Planungsprozesses Kompetenzen sowie zeitlichen und muss jedoch auch festgestellt werden, finanziellen Ressourcen für Partizipa- dass nicht nur nicht alle Bevölkerungs- tionsprozesse wieder. Kompetenzen gruppen die gleichen Möglichkeiten umfassen in diesem Fall beispielsweise haben, sondern auch nicht das gleiche Sprache, Bildung, planerische Grund- Interesse an der Beteiligung an der kenntnisse sowie die körperliche und Teilhabe zeigen. Diese Selektion ist mentale Verfasstheit. Während sich eine der wichtigsten Grenzen der Be- Partizipationsprozesse häufig auf „bür- teiligung (Senatsverwaltung für Stad- gerliches Engagement“ (Selle 2007: tentwicklung und Umwelt Berlin 2011: 66) verlassen, vernachlässigen Pla- 63). Die derzeitigen Durchführungen ner*innen, dass dieses Engagement begünstigen überwiegend Angehörige fragil ist und oft nicht über die per- der gebildeten und artikulierten Mit- sonellen, organisatorischen und ma- telschicht, „formal weniger Gebildete“ teriellen Ressourcen verfügt, um mit (ebd.) sowie Migrant*innen sind da- langem Atem Projekte zu realisieren gegen seltener anzutreffen, materielle (ebd.). Zudem wird ignoriert, “dass und kulturelle Zutrittsschwellen sind schwache und ausgegrenzte Gruppen für sie schwer zu überschreiten (ebd.). vielfach kaum zu Eigenaktivitäten in Häufig als „Armutsproblem“ (ebd.) der Lage seien“ (ebd.). Dies bedingt benannt, ist „[d]as […] historisch vor allem der Fakt, dass sprachliche ebenso bemerkenswert wie politisch und zeitliche Barrieren sowie die Le- bedenklich.“ (Nolte 2011: 12, zitiert bensrealität prekarisierter Personen ei- nach Senatsverwaltung für Stadtent- nem erhöhten Engagement entgegen- wicklung und Umwelt Berlin 2011: stehen. Menschen, denen bereits die 63). Bei der Durchführung werden in
27 der Regel Methoden der „bürgerlichen Um die Methoden „bürgerlicher Mit- Mittelschicht“ (ebd.) genutzt, die es telschicht“ (Senatsverwaltung für gewohnt sind, sich methodisch, orga- Stadtentwicklung und Umwelt Berlin nisiert und geordnet zu artikulieren: 2011: 63) zu umgehen und die Par- „Der ‚heimliche‘ Lehrplan entspricht tizipationsmöglichkeiten so niedrig- fast immer klassischen bürgerlichen schwellig wie möglich zu gestalten, Mittelschichtstandards.“ (ebd.) Un- veranstaltet beispielsweise die PlanBu- terschiedliche Bevölkerungsgruppen de in Hamburg ihre Formate in Knei- müssen also auch unterschiedlich an- pen, Imbissbuden, auf der Straße und gesprochen werden. in Seniorenheimen (PlanBude 2015). Auch versuchen sie, die Problematik Lösungsmöglichkeiten durch artikulationsstarke Einzelperso- nen durch spracharme Beteiligungs- Die Schwierigkeit, auf die Unterschied- formate zu minimieren (ebd.). lichkeit von Menschen einzugehen, ist Da jedoch ein großer Teil der Proble- gewiss. Es können jedoch Möglichkei- matik auf prekarisierten und magina- ten geschaffen werden, um so viele lisierten Lebensverhältnissen basiert, Menschen wie möglich in einen Par- müsste die Situation dieser Menschen tizipationsprozess einzubeziehen. Die politisch verändert werden, was sich Beteiligungsformate sollten sich dem- allein durch die Verbesserung von entsprechend an die verschiedenen zu Partizipationsprozessen nicht ändern beteiligenden Bevölkerungsgruppen kann. Dies sollte in jedem Fall aber ein anpassen, sodass Zugänglichkeit und erklärtes gesellschaftliches Ziel sein. Niedrigschwelligkeit erreicht werden In jedem Fall können sehr viel mehr können. Dies kann durch Beteiligungs- Personen an Partizipationsformaten prozesse in leichter Sprache, auf ande- beteiligt werden, wenn die Formate ren Sprachen, durch Kinderbetreuung vereinfacht werden, die notwendige während der Beteiligungsformate so- zeitliche Verpflichtung verkürzt und wie durch die Nutzung von analogen auf marginalisierte Bevölkerungsgrup- und digitalen Kanälen und die Schaf- pen explizit ein- und zugegangen wird. fung von Barrierefreiheit erreicht wer- den. Für erfolgreiche Beteiligung sollte Schlussfolgerungen auf die unterschiedlichen Kompetenz- und Fähigkeitsgrade der verschiede- Die Beteiligung aller ist eine Utopie,- nen Menschen geachtet werden. die aufgrund unterschiedlicher Partizi-
28 pationsverhalten, Selektivität und in- lichen, in diesem Fall kommunalen dividueller Situationen der Menschen Aufgabe“ (Selle 2007: 71). Selbstver- kaum vollkommen erreicht werden ständlich sind diese Probleme der Be- kann. Doch durch Niedrigschwellig- teiligung nicht eins zu eins auf Partizi- keit, angepasste Beteiligungsformate pationsprozesse an der Universität zu und die Formalisierung der Prozesse übertragen, jedoch sind auch hier die kann sich an diese Utopie angenähert Bedürfnisse und Ressourcen der Sta- werden. „Fairness und Transparenz tusgruppen zu beachten und Wissens- werden zu unverzichtbaren Grundkri- hierarchien durch Transparenz und Zu- terien – auf ihre Einhaltung zu achten gänglichkeit abzubauen. wird zu einer wesentlichen öffent-
29 2.5 Partizipationsbeispiele Es gibt viele verschiedene Möglich- tungen wie Kindergarten, Badehaus keiten, wie Partizipation bei Baupro- oder Veranstaltungssaal gelegt. Das jekten ermöglicht und durchgeführt Ergebnis waren individuell zugeschnit- werden kann. Die angewandten Me- tene Wohnungen, 15 davon für sozi- thoden sind dabei so vielfältig wie die al integrative Zwecke reserviert, und Menschen, die eingebunden werden vielfältig nutzbare Gemeinschaftsflä- sollen und die Projekte selbst. Im chen, deren Raumaufteilung möglichst Folgenden werden drei Beispiele von flexibel und offen gehalten wurde, um Beteiligungsformaten und deren Er- auch nachhaltig ein anpassungsfähiges gebnisse vorgestellt, um einen kurzen Gebäude zu errichten (Wurmdobler Überblick zu geben. 2006: 6-12). Der Meinungsbildungsprozess zum Sargfabrik, Wien Bauvorhaben lief in mehreren Pha- sen ab, bei dem vom Großen immer Als erstes Beispiel dient die Sargfabrik weiter ins Detail gegangen wurde. in Wien. Als Antwort auf steigende Vergleichbar war dieser Prozess mit ei- Mieten und wenig Wohnraum für Fa- nem Wohnbausymposium über meh- milien gründeten Wiener*innen den rere Jahre hinweg. Zu Beginn wurde Verein für integrative Lebensgestal- über Nutzungen und Funktionen tung. Von Beginn an sollte ein Schwer- diskutiert und diese dann festgelegt, punkt auf Integration behinderter und wodurch Freiraum für vielfältige Aus- sozial benachteiligter Menschen liegen einandersetzungen und das Einbrin- (Sargfabrik 2018). gen von Ideen entstanden. Die Rolle Da der neue Wohnraum aus Eigeni- der Architekt*innen war es, nach der nitiative des Vereins entstand, wurde gewünschten Gestaltung der Bewoh- schon bei der Planung intensiv mit den ner*innen zu fragen und nicht zu ent- Architekt*innen zusammengearbeitet. werfen, was sie selbst als Ergebnis se- Zukünftige Nutzer*innen konnten hen wollten. Wichtig für den Prozess Grundrisse, Farben und weitere Be- der Beteiligung war in diesem Beispiel dürfnisse mit den Architekt*innen vor allem die Meinungsbildung mit bei mindestens drei einzelnen Treffen Anspruch auf Konsens, welche durch pro Wohneinheit einbringen. Da die Diskussionsrunden erarbeitet wurde. Sargfabrik als Wohnheim gilt, wurde Somit konnten letztendlich qualifizier- schon bei der Planung besonderes te Entscheidungen getroffen werden Augenmerk auf Gemeinschaftseinrich- (ebd.).
30 Eine Besonderheit des Beispiels ist, Planung von Bauvorhaben, sondern dass der Wissensstand der Beteilig- auch im Betrieb von beispielsweise ten sehr hoch und Diskussionen in Gemeinschaftsräumen und bei der zu- gewissen Phasen sehr zeitintensiv künftigen Entwicklung des Bestandes. waren. Diese Voraussetzungen waren Förderung von Eigeninitiative und dadurch gegeben, da die Initiative für Selbstorganisation ist ein ernanntes sich selbst baute. Allerdings war es Ziel der Genossenschaft. (Baugenos- dadurch auch möglich, durchdachtere senschaft mehr als wohnen o.J.b) Entscheidungen gemeinsam zu treffen, Die Partizipationsformate des ersten was wiederum in eine hohe Akzeptanz Bauprojekts auf dem Hunziker Are- resultierte (ebd.). al wurden von der Genossenschaft durchgeführt und von beauftragten Baugenossenschaft mehr als woh- Architekt*innen baulich umgesetzt. nen, Zürich Während der Planungs- und Bauphase fanden sogenannte Echoräume statt. Das zweite Beispiel beschäftigt sich mit Dies waren durch die Genossenschaft der Baugenossenschaft mehr als woh- initiierte Veranstaltungen zu verschie- nen in Zürich. Im Zuge des 100-jähri- denen Themen wie beispielsweise gen Jubiläums der städtischen Wohn- dem Gebäudeklima, den zukünftigen baupolitik in Zürich 2007 hatten die Wohnformen und der Nachhaltigkeit. Stadt und die Züricher Wohnungsbau- Daran konnte teilnehmen, wer moch- genossenschaften die Idee zur Grün- te: Stadt, Interessierte, Nachbar*in- dung der Baugenossenschaft mehr als nen. Seit dem Einzug im Hunziker wohnen. Diese versteht sich als Inno- Areal wurden einerseits Quartiers- vations- und Lernplattform für den ge- gruppen, bestehend aus meist fünf meinnützigen Wohnungsbau. Nach ei- Bewohner*innen, gebildet, die einen nem sehr erfolgreichen und mehrfach ehrenamtlichen Beitrag zum gesell- international ausgezeichneten ersten schaftlichen Leben leisten. Fördergel- Wohnbauprojekt ist momentan ein der für Angebote, die kostenlos und zweites in der Entstehungsphase. für alle Bewohner*innen offen sind, Die Leitlinie der Genossenschaft bildet werden durch eine Allmendkommissi- die Grundlage für die Beteiligung, die on vergeben. Die Allmendkommission in beiden Projekten angewandt wurde. ist darüber hinaus ein genossenschaft- Mitwirken und sich einbringen sollen liches Gremium, das die Aktivität in die Anwohner*innen nicht nur bei der den Bereichen Kultur, Gemeinschaft,
31 Kunst und Ökologie fördert, Mittel den Bezirk Hamburg-Mitte den Auf- vergibt und die Nutzung von Ge- trag, ein vorgezogenes Beteiligungs- meinschaftsräumen koordiniert. Die verfahren durchzuführen (PlanBude Gemeinschaftsräume bieten Platz für 2015). nichtkommerzielle, gesellschaftliche Aufbauen sollte dieses auf dem loka- Anlässe und Angebote und sind gra- len Wissen von Anwohner*innen, also tis nutzbar für alle Bewohner*innen. all jenen, die den Ort, dessen Beson- Zusätzlich wurde eine Stelle für Par- derheiten, Umfeld und Bedürfnisse am tizipation eingerichtet, in der Mitar- besten kennen. Um dies möglich zu beiter*innen Mitwirkungsprozesse machen und auch auf die vielfältigen begleiten und organisieren (Baugenos- Lebenssituationen und Beteiligungsfä- senschaft mehr als wohnen o.J.a). higkeiten der Anwohner*innen einzu- gehen, fanden die Informationsveran- PlanBude, Hamburg staltungen beispielsweise in Kneipen statt und die Nutzung von Fachspra- Das letzte Beispiel, das hier bespro- che wurde vermieden. Eine weitere chen werden soll, ist das der PlanBu- Methode, um die Sprachbarriere zu de. Im Gegensatz zu den vorherigen mindern, war die Übersetzung der beiden Beispielen ist hier ist der Ruf Informationen, Einladungen und Fra- nach Beteiligung von den Bürger*in- gebögen in die Sprache der Anwoh- nen ausgegangen. ner*innen. Außerdem wurden Mie- Die im Hamburger Stadtteil Sankt Pau- ter*innen aktiv persönlich eingeladen li liegenden sogenannten Esso-Häuser und durchgehend auf dem Laufenden wurden von einem*einer Investor*in gehalten (ebd.). gekauft mit dem Ziel, sie abzureißen Alle Ergebnisse wurden dann von der und hochpreisigen Wohnraum zu PlanBude gesammelt, ausgewertet, in- schaffen. Als Reaktion auf diese Pläne terpretiert, übersetzt und zugespitzt: organisierten sich Mieter*innen und In funktionale, soziale und bauliche Nachbar*innen der Häuser zur Initia- Ansprüche an den Neubau. Diese Er- tive Esso-Häuser. Durch den hartnä- gebnisse wurden in zwei Stadtteilkon- ckigen Einsatz der Initiative wurde im ferenzen vorgestellt, diskutiert und Jahr 2014 die PlanBude als unabhän- überarbeitet und bilden die Basis der gige Plattform für die Neuplanung der weiteren Planung. Inzwischen ist der Häuser gegründet. Das Team erhielt Architekturwettbewerb entschieden schließlich im Sommer 2014 durch „ohne den utopischen Überschuss aus
Sie können auch lesen