GEMEINSAM PLANEN!? - Bauhaus-Universität Weimar

 
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Vorwort

Die Bedeutung von Partizipation an        und aus dem Förderfonds Bauhaus.
der Bauhaus-Universität Weimar ist        Module des Präsidiums finanziell un-
spätestens seit der Campusumgestal-       terstützt. Ziele im Seminar waren vor
tung von 2015 bis 2019 den meisten        allem die inhaltliche und methodische
bekannt und somit nicht nur Thema         Annäherung an das Thema Partizipa-
studiengangsspezifischer     Diskurse.    tion, das in keinem Studiengang der
Aufgrund der Kritik an der planeri-       Universität curricular verankert ist, so-
schen Praxis an der Bauhaus-Universi-     wie die Strukturen der Bauhaus-Uni-
tät Weimar bildete sich im Jahr 2018      versität Weimar und Abläufe bei Bau-
das Bündnis Partizipation, das im No-     vorhaben, insbesondere die Rolle des
vember des gleichen Jahres den Tag        Landes Thüringen bei diesen, nachzu-
der Partizipation organisierte. Hier      vollziehen. Aufbauend auf diesem ge-
wurde das universitätsweite Interesse     meinsam erarbeiteten Wissen wurde
an Information und Teilhabemöglich-       ein Entwurf einer Leitlinie zur Betei-
keiten in vielen Bereichen der Univer-    ligung bei Bauvorhaben an der Bau-
sität – darunter Lehre, Raumnutzung,      haus-Universität Weimar erarbeitet.
Bauvorhaben, Mensa – diskutiert und       Um den Erarbeitungsprozess inklusiv
konkrete Ideen und Veränderungspo-        zu gestalten wurde eine hochschul-
tenziale erarbeitet. Aus diesen For-      weite Online-Umfrage durchgeführt,
derungen nach mehr Partizipation an       sodass der Entwurf der Leitlinie am 15.
der Universität entstand die Lehrver-     Januar 2020 der universitätsöffent-
anstaltung Gemeinsam Planen!? mit         lich diskutiert wurde. Die Ergebnisse
dem Ziel, eine Leitlinie zu erstellen,    und Prozesse werden in dieser Doku-
die Beteiligungsprozesse für künftige     mentation transparent zugänglich ge-
Bauvorhaben an der Bauhaus-Univer-        macht. Sie sollen allen Mitgliedern der
sität Weimar anstoßen, begleiten und      Universität ermöglichen, den Entste-
regulieren kann.                          hungsprozess nachzuvollziehen, auch
Das Seminar Gemeinsam Planen!?            um sich Hintergrundwissen über Be-
wurde im Wintersemester 2019/2020         teiligung anzueignen. Hierfür werden
als Bauhaus.Modul von Franziska Fel-      im ersten Kapitel die Ausgangslage und
ger und Maximilian Theye mit der Un-      vorherige Partizipationsbestrebungen
terstützung von der Mentorin Malena       dargestellt, um im zweiten Kapitel das
Rottwinkel, wissenschaftliche Mitar-      im Seminar erarbeitete Wissen über
beiterin an der Professur Sozialwis-      Partizipation zusammenzufassen. Im
senschaftliche Stadtforschung, geleitet   nächsten Kapitel werden der Semina-
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    rablauf und die Entwicklung der Leit-     kratisierung des universitären Lebens
    linie dargestellt und darauffolgend mit   beitragen und ein erster Schritt zum
    dem Entwurf der Leitlinie und einem       Erproben partizipativer Prozesse an
    Ausblick abgeschlossen.                   der Universität sein. Die Universität
    Die Leitlinie soll ganz im Sinne der      kann mit diesem Projekt, im Sinne des
    Präambel der Grundordnung der Bau-        Bauhaus, vorangehen und Beteiligung
    haus-Universität Weimar zur Demo-         aktiv vorleben.
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Inhaltsverzeichnis

KAPITEL 1 - AUSGANGSLAGE                                      6
       1.1 Anlass des Seminars 			                            7
       1.2 Campusumgestaltung                                 9

KAPITEL 2 - HINTERGRUNDINFORMATION                            12
       2.1 Grundlagen der Partizipation                       13
       2.2 Formelle und informelle Partizipation              16
       2.3 Partizipationsformate                              20
       2.4 Umgang mit Problemen bei Partizipationsprozessen   23
       2.5 Partizipationsbeispiele                            29
       2.6 Gremien an der Bauhaus-Universität Weimar          33
       2.7 Rolle Thüringens bei Bauvorhaben                   37

KAPITEL 3 - SEMINARABLAUF UND ERGEBNISSE                      42
       3.1 Ablauf und Konzeption des Seminars                 43
       3.2 Workshop mit dem Planungsbüro die Baupiloten       44
       3.3 Partizipative Entwicklung der Leitlinie            48
       3.4 Auswertung der Umfrage                             49
       3.5 Entwicklen des Leitlinienentwurfs                  53
       3.6 Werkstattgespräch                                  55

KAPITEL 4 - ENTWURF DER LEITLINIE                             58
       4.1 Entwurf der Leitlinie                              59
       4.2 Ausblick                                           68

KAPITEL 5 - LITERATUR- UND ABBILDUNGSVERZEICHNIS              70
       5.1 Literaturverzeichnis                               71
       5.2 Abbildungsverzeichnis                              76
01   Ausgangslage
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1.1 Anlass des Seminars

Partizipation wird an Bauhaus-Univer-     werden. Dieser Prozess soll transpa-
sität Weimar bisher noch nicht gelebt.    rent sein und die Teilhabe vieler er-
Dies machten die Campusumgestal-          möglichen. Es soll ein Ergebnis erzielt
tung sowie der Verlauf der beglei-        werden, das Einfluss auf das universi-
tenden Prozesse, die unwesentlichen       täre Leben hat und gleichzeitig – ganz
Mitsprachemöglichkeiten für Nut-          im Sinne der Idee der Universität – in
zer*innen und die geringe Zugäng-         einem experimentellen und offenen
lichkeit der entsprechenden Gremien       Prozess entwickelt wird. An Semina-
für die meisten Universitätsmitglieder    ren nehmen meist Student*innen teil
klar deutlich (mehr dazu in 1.2). Das     und auch die Lehrveranstaltung „Ge-
Engagement einiger Student*innen          meinsam Planen!?“ im Wintersemester
und die Gründung des Bündnis Parti-       2019/20, welche der Entwicklung der
zipation haben dieses Situation bereits   Leitlinie dient, wurde von Student*in-
nachhaltig verändert. Beteiligung an      nen organisiert. Dennoch waren alle
der Entwicklung der Universität und       Mitglieder der Universität eingeladen,
aktiv gelebte Demokratie sowie das        am Prozess der Entwicklung der Leitli-
Erlernen von partizipativen Prozessen     nie teilzuhaben. Dafür wurde der Pro-
wurden als Aufgaben der Universität in    zess möglichst transparent und offen
der Präambel der Grundordnung fest-       gestaltet, sowie mehrfach zu Teilnah-
geschrieben. Auf dem gemeinsam von        me in verschieden Gremien und per
Student*innen und dem Präsidium           Mail aufgefordert. Diese ausdrückliche
organisierten Tag der Partizipation im    Einladung gilt auch nach Abschluss des
November 2018 wurden weitere The-         Seminars mit dem Ende des Semesters
menfelder und Ideen für eine partizi-     weiterhin!
pative Universität gesammelt. Bei der     Nachdem die Teilnehmer*innen sich
Novellierung der Berufungsordnung         mit Partizipation, der Bauhaus-Univer-
wurden die Teilhabemöglichkeiten der      sität Weimar und ihren Gremien sowie
Student*innen verankert und die Mit-      Bauvorhaben im universitären Kon-
sprache der Vertreter*innen der Stu-      text auseinander gesetzt hatten wurde
dent*innen sowie der wissenschaftli-      eine Umfrage für alle Mitglieder der
chen Mitarbeiter*innen gestärkt.          Universität vorbereitet und diese per
Nun soll die Entwicklung einer Leitli-    Mail zur Teilnahme eingeladen. Mit
nie zu Beteiligung bei Bauvorhaben,       dem theoretischen Wissen und der
eine Idee, die ebenfalls auf dem Tag      Rückmeldung aus der Umfrage wur-
der Partizipation entstand, umgesetzt     de im Seminar eine Entwurf für eine
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    Leitlinie entwickelt, der wiederum mit    den auch besonders diese umfangrei-
    der Hochschulöffentlichkeit diskutiert    che Dokumentation steht – und somit
    wurde. Ziel des Seminars ist neben        die Diskussionskultur an der Universi-
    dem Entwurf für die Leitlinie einen       tät nachhaltig zu beeinflussen.
    transparenten Prozess zu schaffen – für
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1.2 Campusumgestaltung

Auf der Suche nach einem Planungs-        chungen bereits vor. Alle wichtigen
prozess, der behutsam mit Orten der       und grundlegenden Entscheidungen
Bauhaus-Universität Weimar und sei-       über Gestalt, aber auch Funktionsver-
nen Nutzer*Innen umgeht, sollen           teilungen waren bereits getroffen. Aus
auch die Geschehnisse um die Au-          einem beschränkten Pool an Entwurfs-
ßenanlagen des Hauptgebäudes der          vorschlägen wurde von einer Handvoll
Bauhaus-Universität Weimar zwischen       Expert*innen ein Beitrag zur Umset-
2014 und 2019 in Kürze analysiert, in-    zung ausgewählt. Der Gestaltungspiel-
terpretiert und beurteilt werden. Was     raum hatte sich zu diesem Zeitpunkt
können wir aus dem Prozess lernen?        schon zu weit verengt, als dass eine
Spätestens mit der Zusage von För-        Öffentlichkeit tatsächlich noch hätte
dermitteln aus dem Bundesprogramm         mitdiskutieren und mitgestalten kön-
Nationale Projekte des Städtebaus         nen. Ein erster Ansatzpunkt muss also
2014 über 450.000 € wurde deut-           die Zeit im Blick haben. Nur der rich-
lich, dass die Außenanlagen des Van-      tige, möglichst ein früher Startpunkt,
der-Velde-Baus eine Neugestaltung         ermöglicht eine Partizipation mit
erfahren werden. Sofort sprach der        ernsthaftem Gestaltungsspielraum.
damalige Rektor der Bauhaus-Univer-       Obwohl es zur, wenn auch verspäte-
sität Weimar von einer „partizipativen    ten, Beteiligung von Repräsentant*in-
Erarbeitung“ (Beuke 2014) und „best-      nen kam, wurden einige wichtige
möglichen Lösung“ (ebd.). Fünf Jahre      Nutzer*inneninteressen nicht gesehen
später wurden feierlich neue Außen-       und bedeutsame Elemente des alten
anlagen eröffnet, die nicht nur aus der   Campus wie der Gründungsbaum der
Sicht der Nutzer*innen einige Fehl-       Fakultät Kunst und Gestaltung sind
stellungen aufwiesen, sondern auch        verloren gegangen. Doch die Nut-
dem Gründungsbaum der Fakultät            zer*innen und Betroffenen der Bau-
Kunst und Gestaltung das Leben kos-       maßnahmen sollten als Expert*innen
teten. Was war passiert? Und welche       des Ortes verstanden werden. Diese
Ansatzpunkte ergeben sich daraus,         kennen die Gegebenheiten, die Nutz-
um zukünftige Planungen nutzer*in-        barkeiten und die Verbesserungsmög-
nenspezifischer gestalten zu können?      lichkeiten der räumlichen Situation
Als 2016 zwei studentische Vertreter      aus ihrem Alltag und ihren Erfahrun-
als Gäste lediglich mit Redeerlaubnis     gen am besten. Wenn dieses Wissen
verspätet Zugang zu der Jury erhiel-      nicht mit einbezogen werden kann,
ten, lagen die Wettbewerbseinrei-         entstehen zwangsläufig Planungen,
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     die am Alltag vorbeigedacht werden       ren am Entwurf erreicht werden. Da-
     und dabei möglicherweise bedeutsa-       raus können wir vor allem zwei Dinge
     me Artefakte ignorieren.                 lernen. Erstens: Beteiligung wirkt! Ei-
     Auf intensives Drängen der Stu-          nige neue Aspekte haben es geschafft
     dent*innen kam es 2017 zu einem          die Umsetzung des Siegerentwurfs
     hastig organisierten hochschulöffent-    bedürfnisangepasster zu beeinflussen,
     lichen Hearing. Zu diesem Zeitpunkt      wenn auch nur mit eingeschränkter
     stand der mit der Umsetzung prämier-     Tiefenwirkung. Zweitens: Das richtige
     te Entwurf bereits seit einem halben     Format muss es schaffen Interesse zu
     Jahr fest und die weiterführenden        wecken und Menschen mit demselben
     Planungen liefen auf Hochtouren. Das     Ziel zusammenzubringen. Gemeinsam
     Hearing war nur schlecht besucht, weil   über Umgestaltungen von Räumen
     die vorangegangen Informationspolitik    nachzudenken kann und sollte Spaß
     und Bewerbung der Veranstaltung dies     machen, denn mit ausschließlich fron-
     nicht anders ermöglichten. Schlicht zu   talen Informationsveranstaltungen ist
     wenig Menschen wussten Bescheid          wenig zu erreichen. Es muss ein Me-
     über die kommenden Baumaßnah-            thodenmix angewendet werden, der
     men. Außerdem kam es beim Hearing        mit unterschiedlichen Formaten eine
     zu einer konfrontativen Situation zwi-   niedrigschwellige Beteiligung für Men-
     schen dem Landschaftsarchitekten auf     schen mit diversen Zeit- und Energier-
     der Bühne und den Nutzer*innen in        essourcen ermöglicht.
     den Sitzreihen. Die Atmosphäre war       Als im weiteren Verlaufe des Prozes-
     wenig konstruktiv, sondern eher kon-     ses langsam die Information bekannt
     fliktbehaftet und vorwurfsvoll. Der      wurde, dass der Gründungsbaum der
     verantwortliche Landschaftsarchitekt     Fakultät Kunst und Gestaltung dem
     wusste nicht, warum er sich in dieser    neuen Campus weichen muss, kam
     Planungsphase noch mit Nutzer*in-        es zu verzweifelten Protest- und Ver-
     nen austauschen musste und die Nut-      handlungsversuchen. Baumfällungen
     zer*innen konnten es nicht fassen mit    wurden blockiert und die hochschu-
     aus Sachzwängen entstehender Igno-       löffentliche Informationsveranstaltung
     ranz abgespeist zu werden. Nichtdes-     waren plötzlich gut besucht. Relativ
     totrotz konnten über die studentischen   schnell waren sich alle Universitätsmit-
     Vertreter*innen einige Impulse mit in    glieder einig, dass der Baum erhalten
     die Diskussionen der Bauherrenbera-      werden sollte. Allerdings wurde der
     tung getragen und kleinere Korrektu-     Sachzwang durch die Universitätslei-
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tung bereits als zu groß eingeschätzt     zudem klar abgesteckt sein. Verant-
und im Mai 2018 die Rotbuche gefällt,     wortungen, Abläufe und Regeln soll-
damit die Bauarbeiten starten und         ten feststehen und offengelegt wer-
zum Jubiläumsjahr 2019 die neuen          den. Auf dieser Grundlage kann über
Außenanlagen eröffnet werden konn-        einen längeren Zeitraum hinweg an
ten. In der Fällung des Gründungs-        einem gemeinsamen Ziel gearbeitet
baums wurde ein Symptom schlechter        werden. Dabei ist es wichtig, dass die
Partizipation offensichtlich. Mit einem   Planner*innen mit Wertschätzung,
transparenten Umgang aller Informati-     Verbindlichkeit und echtem Interesse
onen und mit einem offenen, ersthaf-      den Nutzer*innen entgegenkommen.
ten und frühzeitigen (ab 2014) Dis-       Vielfältige,    zielgruppenspezifische
kurs hätte der Baum gerettet werden       Formate und ein positives Miteinan-
können, weil die Information über die     der können für Niedrigschwelligkeit
Bedeutung der Rotbuche viel früher        und eine produktive Atmosphäre sor-
Eingang in den Planungsprozess hätte      gen. Es lässt sich erahnen, dass die
finden können.                            Durchführung dieser Prozesse eine
Partizipation ist gemeinsames Gestal-     steuernde Professionalität und einiger
ten von gemeinsam genutzten Räu-          Ressourcen bedürfen. Partizipation
men und wirklich gut funktioniert sie     geschieht nicht von allein.
erst, wenn sie ausreichend vorberei-      Die Bauhaus-Universität Weimar bie-
tet und organisiert wird. Partizipation   tet einen idealen Rahmen für eine
kann zwar von den Nutzer*innen ein-       Kultur der Partizipation. Als eher klei-
gefordert werden, aber nur wenn sie       nere Universität mit einer engagierten
von den Bauherren, Eigentümer*in-         Student*innenschaft und kürzeren
nen und Planner*innen akzeptiert und      Kommunikationswegen, kann sie eine
unterstützt wird, kann sie erfolgreich    überschaubare und konstante Struktur
sein. Zusammengefasst sollte Partizi-     entstehen lassen, die auch langfristig
pation also möglichst früh beginnen       das gemeinsame Umgestalten gemein-
und gut vorbereitet sein. Die Aufgabe     schaftlich genutzter Räume ermög-
und der Gestaltungsspielraum sollten      licht.
Hintergrund-
02   information
13

2.1 Grundlagen der
Partizipation
Der Wunsch nach Mitbestimmung             tor*innen, Eigentümer*innen und Ver-
von Bürger*innen bei (Bau-)Planun-        waltung einbezogen, sodass eine In-
gen wurde in den 1960er Jahren laut,      formartionshierarchie gegenüber den
da zuvor die Interessen, insbesonde-      Bürger*innen entstand. Meist waren
re einiger sozialer Gruppen, in Pla-      Kapital und Einfluss die Voraussetzung
nungsprozessen nicht berücksichtigt       für ein politisches Mitspracherecht,
wurden. Partizipation – die Teilhaben     sodass nur wenigen Bürger*innen die
an Entscheidungsprozessen – ist nun       Möglichkeit der Einbeziehung gewährt
fester Bestandteil von Planung. Sie       wurde. (Selle 1996: 63)
basiert auf Information, Transparenz      Der erste Versuch der gesetzlichen
und Engagement. Hauptziel ist eine        Berücksichtigung der Interessen der
Balance, die Anregungen durch und         Bürger*innen ist das Bundesbaugesetz
Kommunikation mit Betroffenen er-         von 1960. Hierdurch wurde die Aus-
möglicht. Durch Beteiligung werden        legung der Pläne verpflichtend und zu
demokratische Werte und Normen,           öffentlichen Beteiligung angehalten.
Vertrauen und Konfliktlösungsstrategi-    1971 wurde das Städtebauförderungs-
en gefördert (Van Deth 2014: 43). Eine    gesetz beschlossen, um Forderungen
genauere Erklärung liefert Jan W. van     nach demokratischen Prozessen und
Deth, der Partizipation als „die Mitar-   Beteiligung adäquat in städtebauliche
beit von Bürgerinnen und Bürgern an       Planungen mit einbeziehen zu kön-
der Gestaltung der Gesellschaft“ (ebd.:   nen. Vorbereitende Untersuchungen
13) definiert.                            der Interessen der Bürger*innen wur-
                                          den in dieses Gesetz aufgenommen,
Entstehung der Partizipationsforde-       um zeitlichen Problemen in der Um-
rungen                                    setzung entgegenzuwirken. Fortge-
                                          führt wurde diese Regelung 1976 mit
In den 1960er Jahren bildeten sich        der vorgezogenen Bürger*innenbetei-
aus der Kritik an gesellschaftlichen      ligung. Die Lösung der Probleme wur-
und industriellen Entwicklungen In-       de in der frühzeitigen Einbeziehung
itiativen in den Bereichen Wohnen,        der Bevölkerung und der Bildung loka-
Umweltschutz, Stadtsanierung und          ler Plaungsberatungsstellen gesehen.
Stadtplanung, die Beteiligung aktiv       Privaten Haushalte wurden direkt zu
einforderteten. Zu diesem Zeitpunkt       Beginn aktiviert und in die Quartier-
waren in Interessensabgleiche und         sentwicklung einbezogen. Gezielte
-verhandlungen jedoch meist Inves-        Information und Anhörung der Inter-
14

     essen der Bürger*innen wurde in Dia-                  Partizipationsleiter
     logforen vertieft (ebd.: 64).
     Die politische Beteiligung hat sich seit              Daran wird deutlich, dass trotz der stei-
     den 1960er Jahren enorm entwickelt,                   genden Zahl der Beteiligungsverfahren
     sowohl durch Eigeninitiativen als auch                Partizipation nicht immer einer fairen
     durch die politische Verankerung                      Beteiligung und Mitbestimmung aller
     wird Mitspracherecht gesichert und                    Bürger*innen entspricht. Die Gründe
     wahrgenommen. Ziel ist es, einen de-                  hierfür lassen sich mit der „Ladder of
     mokratischen und kommunikations-                      Participation“ nach Arnstein (1969)
     orientierten Beteiligungsprozess zu                   illustrieren. Diese Partizipationslei-
     schaffen. Dennoch beteiligen sich im-                 ter bewertet die Qualität von Beteili-
     mer noch meist nur männliche Betrof-                  gungsverfahren und erfasst den Grad
     fene mit höherem sozioökonomischen                    der tatsächlichen Entscheidungsmit-
     Status und akademischen Abschluss                     wirkung. Es gibt die drei übergeord-
     (Van Deth 2014: 36).                                  neten Kategorien Nicht-Partizipation

                                         Partizipationsleiter
                                         nach Sherry R. Arnstein, 1969
     Abb. 2.1.1: Partizipationsleiter.
                                                                                                       5
15

(Prozesse sind meist manipulativ ge-        werden, sondern darüber hinaus in
staltet), Vorstufen der Beteiligung (le-    einen Dialog treten und kooperie-
diglich Information) und Partizipation      ren. Trotz wachsender Möglichkeiten
mit tatsächlichem Einfluss auf das Er-      für Bürger*innen kann ein Ungleich-
gebnis (Berlin Institut für Partizipation   gewicht innerhalb der Gruppe der
2018). In der letzten Kategorie haben       Beteiligten entstehen, da nicht allen
die Beteiligten zunehmenden Einfluss        Akteur*innen die gleichen Ressour-
auf die Entscheidungsfindung. Hierbei       cen zu Verfügung stehen, um ihre In-
können die Bürger*innen eine Part-          teressen durchzusetzen. Somit kann
nerschaft eingehen, verhandeln und          es zur Ausgrenzung marginalisierter
Kompromisse finden. Nach Arnstein           Gruppen kommen. Ein weiterer mög-
kann nur die letzte Stufe, diejenige der    licher Faktor für das Scheitern von
Entscheidungsmacht, als echte Betei-        Partizipationsangeboten ist die iso-
ligung bezeichnet werden (Arnstein          lierte Anwendung von Kommunika-
1996: 2017).                                tionsmaßnahmen anstatt einer über-
                                            geordneten, gemeinsam formulierten
Schlussfolgerungen                          Kommunikationsstrategie (Selle 1996:
                                            78). Information, Konsultation, Mitge-
Anhand dieser Partizipationsleiter las-     staltung und Kooperation müssen als
sen sich auch aktuelle Probleme von         Grundlagen der Partizipation immer
Beteiligungsprozessen erkennen. Bür-        gemeinsam gedacht werden.
ger*innen wollen nicht nur informiert
16

     2.2 Formelle und
     informelle Partizipation
     Unter Partizipation wird in der Diszip-      Umweltverträglichkeitsprüfungen ge-
     lin der Stadtplanung und -entwicklung        setzlich vorgeschrieben und geregelt.
     die „aktive Teilhabe [von Bürger*in-         Die zu beteiligenden Personen sowie
     nen] an Planungs- und Entwicklungs-          der Zeitraum der Beteiligung sind fest-
     prozessen“ (Bischoff et. al. 2005: 98)       gelegt (Heinrich Böll Stiftung 2017).
     verstanden. Dabei wird zwischen for-         Zu den formellen Partizipationsfor-
     melle und informelle Partizipation dif-      maten gehören die Öffentlichkeitsbe-
     ferenziert, die sich in erster Linie durch   teiligungen nach § 3 Baugesetzbuch
     die gesetzliche Festschreibung unter-        (BauGB), sowie Petitionen, Bürger*in-
     scheiden. Formelle Partizipation ist         nenbegehren oder Bürger*innenent-
     gesetzlich geregelt und fester Bestand-      scheide (Selle 2010: 358). Laut § 3
     teil in der Bauleitplanung, in Geneh-        Abs. 1 BauGB muss die Öffentlichkeit
     migungsverfahren oder in Umwelt-             in der Bauleitplanung möglichst früh-
     verträglichkeitsprüfungen        (Heinrich   zeitig über die Absichten, Ziele und
     Böll Stiftung 2017). Informelle Parti-       Auswirkungen der Planung sowie Al-
     zipation dagegen bezeichnet Beteili-         ternativplanungen informiert werden.
     gungsformate, die keinen gesetzlichen        Außerdem besteht bei Planungs- und
     Vorgaben folgen müssen und oft aus           Entwicklungsvorhaben, wie beispiels-
     Eigeninitiative betroffener Akteur*in-       weise in der Bauleit- oder Regional-
     nen entstehen (Selle 2010: 358). Sie         planung, eine Pflicht zur öffentlichen
     haben sich in den 1980er Jahren aus          Auslegung (Bischoff et. al. 2005: 98).
     Kritik an der Unzulänglichkeit formel-       Die Träger*innen öffentlicher Belange
     ler Beteiligung entwickelt und stellen       und Bürger*innen können dann die
     mittlerweile neben der formellen Par-        entsprechenden Pläne einsehen und
     tizipation durch diverse Formate einen       Kritik, Anmerkungen und Einwände
     fest etablierten Bestandteil der Bür-        äußern (ebd.). Der Ablauf der öffent-
     ger*innenbeteiligung in der Stadtpla-        lichen Auslegung ist durch das Bauge-
     nung dar (ebd.).                             setzbuch, das Raumordnungsgesetz,
                                                  das Umweltverträglichkeitsprüfungs-
     Formelle Partizipation                       gesetz und andere Gesetzte entspre-
                                                  chend geregelt (ebd.). In der Bauleit-
     Formelle Partizipation ist in der Bau-       planung müssen die Planentwürfe laut
     leitplanung, in Raumordnungsverfah-          §§ 3 und 4 BauGB mit einer Dauer von
     ren, in Genehmigungsverfahren, in der        30 Tagen mit Erläuterungen ausgelegt
     Landes- und Regionalplanung sowie in         werden, wobei Ort und Dauer min-
17

destens eine Woche vorher ortsüblich        und Potenzialen seitens der Bürger*in-
bekannt zu machen sind (ebd.). Für          nen zu erfahren (ebd.). Diese Form
die öffentliche Auslegung sind Aus-         der formellen Beteiligung wird jedoch
legungsfrist, Zeiten für die Einsichten     oft als notwendiges Übel angesehen,
und die zur Einwendung befugten Per-        wodurch es zu einer mangelhaften
sonen festgelegt (ebd.). Das Ziel der       Durchführung kommt, die ebenfalls zu
öffentlichen Auslegung besteht im In-       einem zu späten Zeitpunkt stattfindet
formieren der betroffenen Bürger*in-        und kaum Raum für Alternativvor-
nen über Planungen und Vorhaben             schläge zulässt (ebd.). Des Weiteren
mit der Möglichkeit für Anmerkungen         werden marginalisierte Bevölkerungs-
und Kritikäußerungen (ebd.: 99). Sie        gruppen, beispielsweise aufgrund
stellt das Fundament der Bürger*in-         von Artikulationsschwierigkeiten oder
nenbeteiligung dar. Die Problematik         fehlenden Zeitressourcen, oftmals
bei der öffentlichen Auslegung liegt        strukturell benachteiligt, sodass be-
im Zeitpunkt der Beteiligung, da die        stimmten meinungsstarken Personen-
Planungen vorher meist schon weit           gruppen eine vergleichsweise größe-
vorangeschritten sind und kaum noch         re Plattform geboten wird (ebd.). An
Änderungen zulassen (ebd.). Außer-          dieser Stelle ist der Einsatz informeller
dem kommt es im Zuge der öffentli-          Partizipation besonders sinnvoll, da sie
chen Auslegung zu keinem Dialog, da         eine stärkere Zielgruppenorientierung
zwar Einwendungen eingereicht und           zulässt (ebd.).
geprüft werden und teilweise Einfluss
ausüben können, dies jedoch ohne            Informelle Partizipation
diskursiven Kontext geschieht (ebd.).
Durch Ordnungen der einzelnen Bun-          Ab den 1980er Jahren entstand zu-
desländer sind auch die Anhörungen          nehmend Kritik an formellen Partizi-
und Erörterungen gesetzlich festgelegt      pationsformaten und der ihnen meist
(ebd.: 101). Das Ziel hierbei ist die Ar-   immanenten sozialen Selektivität (Sel-
tikulation der Meinungen und Interes-       le 2010: 358), sodass immer mehr
sen seitens der betroffenen Akteur*in-      informelle Beteiligungsstrategien ent-
nen und das Besprechen der Vorhaben         wickelt wurden und mittlerweile vie-
mit den Entscheidungsträger*innen           le verschiedene informelle Methoden
und Planer*innen (ebd.: 102). So wird       existieren (ebd.). Dabei bezeichnet
den Planer*innen die Möglichkeit ge-        informelle Partizipation jene Beteili-
geben, von Problemen, Widerständen          gungsformen, die nicht gesetzlich ge-
18

     regelt und somit in ihrer Ausgestaltung   Schlussfolgerungen
     frei sind (ebd.). Der Begriff informell
     bedeutet jedoch nicht, dass die jewei-    Formelle und informelle Partizipation
     ligen Formate inoffiziell oder die Er-    unterscheiden sich in ihrer gesetzlichen
     gebnisse unverbindlich sind, sondern      Festschreibung und Regelung. Formel-
     lediglich keinem gesetzlich vorge-        le Partizipation ist gesetzlich festgelegt
     schriebenen Regelwerk folgen müssen       und in ihrer Gestaltungsfreiheit limi-
     (Senatsverwaltung für Stadtentwick-       tiert, während informelle Partizipation
     lung und Umwelt Berlin 2011: 14).         nicht gesetzlich festgeschrieben und
     Somit richten sich auch informelle Be-    in ihrer Gestaltung frei ist. Dabei ist
     teiligungsmethoden nach bestimmten,       formelle Partizipation meist angebots-
     intern festgelegten Regeln und Abläu-     orientiert, das heißt sie dient in erster
     fen. Durch die Freiheit in der Ausge-     Linie der Informationsbereitstellung
     staltung können informelle Formate        (ebd.: 358). Die Herausforderungen
     exakter auf bestimmte Zielgruppen         formeller Partizipation bestehen in ih-
     zugeschnitten und fall- und ortsspe-      rem wenig diskursiven Charakter, dem
     zifischer gestaltet werden (ebd.: 15).    oft zu spät gewähltem Zeitpunkt der
     Weitere Merkmale informeller Partizi-     Durchführung und in ihrer sozialen
     pation sind die Anwendung von Em-         Selektivität. Informelle Partizipation
     powermentstrategien, methodische          kann dagegen zielgruppengenauer ge-
     Diskursivität sowie eine langfristige     staltet werden, ist jedoch nicht einer
     und aktive Teilhabe von Bürger*innen      verpflichtenden Durchführung unter-
     (Selle 2010: 358). Beispiele für infor-   legen. Des Weiteren unterscheidet
     melle Partizipationsmethoden sind ko-     sich, obwohl sich seit den 1970er Jah-
     operative Workshops, Runde Tische,        ren das Rollenverständnis der Zivilge-
     Zukunftswerkstätte oder Open-Spa-         sellschaft in Planungs- und Stadtent-
     ce-Veranstaltungen (ebd.). Dabei          wicklungsprozessen veränderte, die
     werden die Bürger*innen zu selbst-        Partizipationstheorie noch immer von
     ständiger Mitwirkung in der Um- bzw.      der Praxis. Bürger*innen werden zwar
     Mitgestaltung ihrer urbanen Umwelt        stärker als eigenständige Akteur*innen
     animiert und so zu „Partnern in kom-      und Mitwirkende gesehen, gleichzeitig
     plexen Aufgabenfeldern der Stadtent-      werden sie jedoch oftmals noch immer
     wicklung“ (ebd.: 359).                    nicht ausreichend eingebunden (ebd.:
                                               360). Viele, insbesondere formelle Be-
                                               teiligungsverfahren werden routiniert
19

abgehalten und bei den Bürger*innen     formelle Partizipation stärker mitein-
entsteht oft der Eindruck, dass schon   ander verbunden werden, um langfris-
vor den Beteiligungsverfahren alles     tig wirksame Strategien einer funktio-
Wichtige entschieden sei (ebd.). Auf    nierenden Bürger*innenbeteiligung zu
längere Sicht müssen informelle und     gewährleisten (ebd.: 358).
20

     2.3 Partizipationsformate

     Wie in Kapitel 2.2 dargestellt, wird      in denen eine Auseinandersetzung
     die Möglichkeit zur Teilhabe einerseits   mit dem Untersuchungsgebiet und
     durch formale und gesetzlich definier-    die Erstellung eines Leitfadens für die
     te Instrumente und Verfahren gewähr-      Befragung erfolgen. Darüber hinaus
     leistet. Dazu gehören unter anderem       ist es notwendig, unterstützende Hel-
     öffentliche Auslegungen, Anhörungen       fer*innen für die Durchführung zu or-
     und Erörterungen, Petitionen und Bür-     ganisieren. Die aktivierende Befragung
     ger*innenanträge sowie Bürger*innen-      erfolgt zu Beginn eines Planungspro-
     begehren und -entscheide (Bischoff et     zesses und dient der Kontaktfindung
     al. 2005: 98). Darüber hinaus können      sowie der Information. In einem Zeit-
     Teilhabemöglichkeiten durch gesetz-       raum von mehreren Tagen oder meh-
     lich nicht definierte Formate geschaf-    reren Wochen werden Bürger*innen
     fen werden. Da die Grundsätze der         direkt befragt, um Meinungen und
     Partizipation – Information, Konsulta-    Wünsche einzuholen und Perspek-
     tion, Mitgestaltung und Kooperation       tiven im Hinblick auf Veränderungs-
     – die Grundlage für die Entwicklung       prozesse abzuleiten. Die Auswertung
     verschiedener Partizipationsformate       kann bis zu zwei Monate in Anspruch
     darstellen, werden im Folgenden ei-       nehmen. Dieses Format ist besonders
     nige der informellen Formate anhand       geeignet, da auch marginalisierte und
     dieser Ebenen unter den Aspekten der      exkludierte Personengruppen durch
     Zielgruppe, der Umsetzung, den Be-        das direkte Ansprechen an Entwick-
     sonderheiten und der möglichen Out-       lungen und Planungen teilhaben kön-
     puts vorgestellt. Darüber hinaus be-      nen. Ein möglicher Output besteht in
     ruht die Auswahl auf der Überlegung,      der allgemeinen Bewertung durch die
     dass diese Formate im universitären       Betroffenen und die Abstimmung mit
     Kontext Anwendung finden könnten.         deren Meinung. Weitere Formate der
                                               Information sind unter anderen Bür-
     Format der Information                    ger*innenversammlung, Charrettever-
                                               fahren und Ortsbegehungen (Senats-
     Auf der Ebene der Information wird        verwaltung für Stadtentwicklung und
     die aktivierende Befragung als Beispiel   Umwelt Berlin 2011: 321).
     näher betrachtet. Die Zielgruppe die-
     ses Formates sind alle direkt von der
     Planung Betroffenen. Die Vorberei-
     tungszeit beträgt etwa zwei Monate,
21

Formate der Konsultation                  vor allem von der Planung Betroffene
                                          als Zielgruppe. Die Vorbereitungszeit
Ein Beispiel für die Ebene der Konsul-    kann bis zu einem dreiviertel Jahr an-
tation stellen Fokusgruppen dar, wel-     dauern. In diesem Zeitraum müssen
che Diskussionen mit Vertreter*innen      Einladungen verfasst und versendet
unterschiedlicher Interessengruppen       werden, die Räumlichkeiten sowie die
zum Ziel haben. Die Vorbereitungszeit     Inhalte der Zukunftswerkstatt organi-
beträgt zwei bis drei Wochen, wäh-        siert werden. Mit Hilfe der Bestands-
rend diesem Zeitraum ist es notwen-       aufnahme-, Phantasie- und Realisie-
dig Einladungen zu verfassen sowie zu     rungsphase sollen Lösungsvorschläge
versenden, die Moderation zu organi-      und Handlungsschritte für deren Re-
sieren und die Fragestellung zu defi-     alisierung entwickelt werden. Dabei
nieren. Fokusgruppen mit maximal 15       besteht Raum für kreative Ideen. Die
Teilnehmer*innen mit ähnlichen so-        Betroffenen sind ernstzunehmende
ziokulturellen Hintergründen können       Expert*innen ihres Alltages, die aktiv in
moderiert bis zu drei Stunden über        die Entwicklung und Planung einbezo-
die festgelegte Fragestellung diskutie-   gen werden. Der Durchführungszeit-
ren. Dadurch entsteht die Möglichkeit     raum kann variieren und drei Stunden
weitere Blickwinkel sowie Meinungen       bis drei Tage andauern. Ein möglicher
zu einem Problem einzuholen. Die Be-      Output besteht in der Entwicklung
sonderheit ist darin begründet, dass      und Umsetzung von Handlungsideen
dieses Format geeignet ist Gender-        im Hinblick auf eine gemeinsame Zu-
und Diversityaspekte zu erkennen.         kunft. Weitere Formate der Mitgestal-
Weitere Formate der Konsultation          tung sind Innovationswerkstatt, Be-
sind die Fish Bowl, die Fantasiereise,    teiligungsspirale, Planungszelle, Open
das Bürger*innenpanel, das Brainstor-     Space und Agendakonferenz (Bischoff
ming, die Kartenabfrage und das Wor-      et al. 2005: 138).
ld Café (ebd.: 325).
                                          Formate der Kooperation
Formate der Mitgestaltung
                                          Ein Format der Kooperation ist der
Auf Ebene der Mitgestaltung ist die       Runde Tisch, welcher ebenfalls Ver-
Zukunftswerkstatt zu erwähnen. Die-       treter*innen unterschiedlicher Interes-
ses Format hat Vertreter*innen un-        sengruppen als Zielgruppe hat. Wäh-
terschiedlicher  Interessensgruppen,      rend der Vorbereitungszeit, die ein bis
22

     zwei Monate beträgt, werden Einzel-        Schlussfolgerungen
     gespräche mit den beteiligten Grup-
     pen geführt, um eine intensive Aus-        Schlussendlich lässt sich feststellen,
     einandersetzung mit dem Konflikt zu        dass die Gemeinsamkeit der zuvor auf-
     ermöglichen. Die Durchführungszeit         geführten informellen Partizipations-
     dauert bis zur Konsensfindung an. Die      formate darin besteht, dass die von der
     Besonderheit besteht darin, dass alle      Planung betroffenen Akteur*innen auf
     Interessengruppen       gleichberechtigt   freiwilliger Basis an Planungsprozessen
     sind und ein fester Teilnehmer*innen-      beteiligt werden, um Bedürfnisse so-
     kreis existiert, um Vertrauen aufzubau-    wie neue Perspektiven wahrzunehmen
     en und eine kontinuierliche Meinungs-      und Wünsche zu berücksichtigen. Dies
     bildung zu ermöglichen. Hierbei sind       dient dem Aufbau von Identifikation,
     neutrale Mediation und Protokollie-        der Kompetenzstärkung sowie der
     rung notwendig, um Verbindlichkeit         Verbindlichkeit und Legitimation. So-
     sicherzustellen. Darüber hinaus be-        wohl durch formelle, gesetzlich fest-
     steht die Erfordernis dieses Format        geschriebene Partizipationsinstrumen-
     durch weitere Kommunikationsfor-           te, als auch durch informelle Formate
     men zu ergänzen. Dies kann durch           besteht die Chance lokales Wissen zu
     Informationsstellen, Rundbriefe, In-       nutzen, Konfliktpotenzial frühzeitig
     ternetpräsenz und Außenstellen erfol-      zu erkennen, die Akzeptanz von Pla-
     gen. Mögliche Outputs des Formates         nungen zu stärken und die Kommu-
     bestehen in der Konfliktschlichtung        nikation zwischen den beteiligten Ak-
     sowie einer verbindlichen Konsensfin-      teur*innen zu verbessern (ebd.: 60).
     dung zwischen den unterschiedlichen        Inwieweit die nicht gesetzlich festge-
     Interessengruppen, unabhängig von          legten Partizipationsformate zum Ein-
     ihrer politischen und ökonomischen         satz kommen, liegt im Ermessen des*-
     Stärke. Weitere Formate der Koopera-       der Entscheidungsträger*in.
     tion sind unter anderem Open Space
     und Mediation (Senatsverwaltung für
     Stadtentwicklung und Umwelt Berlin
     2011: 330).
23

2.4 Umgang mit Problemen
bei Partizipationsprozessen
Partizipation verspricht eine Demo-       fällig geschehen, führt aber in beiden
kratisierung von Gesellschaft und Pla-    Fällen zum Ausschluss von betroffe-
nungsprozessen. Das Ziel der Beteili-     nen Personen und ihren Meinungen
gung aller rückt doch auf Grund viele     und somit folglich zu fehlender Legi-
Umstände und inhärente Probleme           timität. Aufgrund der Freiwilligkeit der
von Partizipationsprozessen oftmals in    Teilnahme an Partizipationsprozessen
den Hintergrund. Im Folgenden sollen      kann es zu einer hohen Fluktuations-
Probleme von Partizipationsprozessen      rate der Teilnehmer*innen kommen.
erläutert und der Umgang und mögli-       Dies resultiert gegebenenfalls zu ver-
che Lösungen dargestellt werden.          schiedenen Meinungsbildern bei un-
                                          terschiedlichen Veranstaltungen und
Legitimation                              verzerrt den Konsens über die Pla-
                                          nung. (Senatsverwaltung für Stadtent-
Eine Herausforderung in Partizipati-      wicklung und Umwelt Berlin 2011: 62)
onsprozessen ist der Nachweis ihrer       Alles in allem stellt sich die Legitima-
Legitimität. Aufgrund der unterschied-    tionsfrage, warum die Konsensent-
lichen Eigenheiten der Beteiligungs-      scheidungen der teilnehmenden Bür-
prozesse und -formate, Intransparenz      ger*innen bindend für alle anderen
und teilweise fehlende gesetzliche        sein sollen. Diese Frage kann nicht
Legitimation ergeben sich Fragen wie:     abschließend aufgelöst werden, den-
Wer nimmt an den Beteiligungsfor-         noch könnte eine Formalisierung und
maten teil? Wer wertet diese aus? In      Professionalisierung die Grenzen und
welchem Umfang hat die Partizipation      Möglichkeiten von Partizipationspro-
Konsequenzen für die Planung? War-        zessen transparenter gestalten. Eine
um und wie findet der Partizipations-     Formalisierung sollte dennoch die
prozess statt? Wie verbindlich gehen      freie Wählbarkeit der Beteiligungsfor-
die Ergebnisse der Partizipationspro-     mate offen halten, dabei jedoch die
zesse in die Planung ein? Wie kann        Verbindlichkeit und Rechtmäßigkeit
Intransparenz vermieden und hierar-       festschreiben. Unter der Professionali-
chiefreier Informationsfluss gewähr-      sierung wird die Leitung durch Perso-
leistet werden?                           nen oder Planungsbüros mit Partizipa-
Zusätzlich wirft die Zugänglichkeit       tionserfahrung und Kompetenz einer
für Teilnehmer*innen die Frage nach       fachgerechten Durchführung verstan-
Selektion im Partizipationsprozess auf.   den. Der Einbezug von externen Er-
Diese Selektion kann bewusst oder zu-     fahrungen mit Beteiligung, Kommuni-
24

     kation und Grenzen von Partizipation       am größten ist. Das Partizipationspa-
     lässt eine sachgerechte Distanz zwi-       radoxon kann nur schwer aufgelöst
     schen den unterschiedlichen Partei-        werden, da die Wahrnehmung und
     en sowie den reibungsloseren Ablauf        Reaktion erst bei räumlichen Verände-
     von Prozessen entstehen. Mithilfe von      rungen am größten ist. Durch frühzei-
     ständiger und umfassender Informati-       tige Information über unterschiedliche
     on zu Planungsstand, Umsetzungsplä-        Informationskanäle und aufsuchende
     nen, Fortschritten und Änderungen          Beteiligungsangebote ist es dennoch
     kann somit eine höhere Transparenz         möglich, die Aufmerksamkeit der Be-
     geschaffen werden.                         troffenen zu einem früheren Zeitpunkt
                                                zu wecken (ebd.: 83).
     Partizipationsparadoxon
                                                Scheinbeteiligung
     Als Partizipationsparadoxon wird die
     gegenläufige Entwicklung von Par-          Auch wenn der Wille zur Partizipa-
     tizipationswillen und Interesse auf        tion und Kommunikation zwischen
     der einen sowie der gegebenen Par-         den unterschiedlichen Parteien be-
     tizipationsmöglichkeit auf der ande-       steht kann es zu unzureichender Be-
     ren Seite in einem Planungsprozess         teiligung kommen. Eine Beteiligung
     beschrieben. Der Zeitpunkt, zu dem         findet zwar statt – aber allzu oft ohne
     das Begehren zur Teilhabe laut wird        Wirkung (Selle 2007: 65). Diese als
     und allen diese ermöglicht wird, fal-      Scheinbeteiligung bekannte Proble-
     len meist nicht zusammen. So ist zu        matik beschreibt Selle als “Beteiligung
     Beginn von Planungen, in der soge-         pro forma, wirkungslos und leerfor-
     nannten Themenwahrnehmung, die             melhaft“ (ebd.). Dies kann bedeuten,
     Möglichkeit zur Projektänderung noch       dass Entscheidungen bereits von den
     hoch. Der Projektänderungsspielraum        Planer*innen beschlossen sind, bevor
     nimmt bis zur Umsetzung der Planung        die Partizipation tatsächlich stattfin-
     proportional bis auf Null ab. Das Parti-   det. Diese wird dann zwar pro forma
     zipationsinteresse hingegen ist am An-     durchgeführt, hat jedoch keinerlei re-
     fang niedriger und steigt gegenläufig      ale Einflussmöglichkeiten mehr. Eine
     bis zur Umsetzung an. Dies lässt sich      zweite Ausführung dieser Problematik
     durch das gesteigerte Interesse bei ei-    beschreibt Selle als “l’art pour l’art?“
     ner eigenen Betroffenheit erklären, die    (ebd.), bei der in den letztendlich
     erst bei den tatsächlichen Bauarbeiten     ausgeführten Planungen auf durch-
25

Abb. 2.4.1: Partizipationsparadoxon.

geführte Beteiligungsformate, wie        Wirkung in ihrem Engagement sehen,
Zukunftswerkstätten, keinerlei Bezug     zukünftig Beteiligungsformaten fern
mehr genommen wird. In manchen           bleiben werden und sich in ihrer Auf-
Beteiligungsprozessen können zwar        fassung, alles werde über ihre Köpfe
Grundsätze entwickelt werden, aus        hinweg entschieden, bestätigt sehen
denen sich jedoch keinerlei praktische   (ebd.). Ansätze um diese Problematik
Konsequenzen ableiten lassen. Diese      der Scheinbeteiligung zu vermeiden,
Formen der Beteiligung münden in         sind frühzeitige, gut dokumentierte
praktische Irrelevanz und werden auch    und professionell ausgewertete Betei-
von beteiligten Personen als solche      ligungsformate.
wahrgenommen: Es folgt die Konse-
quenz, dass die Bürger*innen keine
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     Partizipationsteilnehmer*innen             Versorgung und Betreuung ihrer Fami-
                                                lie viel Zeit, Geld und Energie abver-
     Wie eingangs erwähnt können neben          langt, haben in der Regel nicht noch
     den Problemen, welche die Durchfüh-        weitere Kapazitäten für die Teilnahme
     rung und den Prozess selbst betreffen,     an Partizipationsprozessen. Ihre Stim-
     auch die Teilnehmer*innen sowie ihre       men und Meinungen werden, ebenso
     Diversität und Auswahl Schwierig-          wie die von Personen mit geringen
     keiten im Partizipationsprozess dar-       Deutschkenntnissen, kaum bis gar
     stellen. Die Diversität verschiedener      nicht gehört.
     Bevölkerungsgruppen spiegelt sich in       Im Hinblick auf Partizipation als De-
     ihren unterschiedlichen Fähigkeiten,       mokratisierung des Planungsprozesses
     Kompetenzen sowie zeitlichen und           muss jedoch auch festgestellt werden,
     finanziellen Ressourcen für Partizipa-     dass nicht nur nicht alle Bevölkerungs-
     tionsprozesse wieder. Kompetenzen          gruppen die gleichen Möglichkeiten
     umfassen in diesem Fall beispielsweise     haben, sondern auch nicht das gleiche
     Sprache, Bildung, planerische Grund-       Interesse an der Beteiligung an der
     kenntnisse sowie die körperliche und       Teilhabe zeigen. Diese Selektion ist
     mentale Verfasstheit. Während sich         eine der wichtigsten Grenzen der Be-
     Partizipationsprozesse häufig auf „bür-    teiligung (Senatsverwaltung für Stad-
     gerliches Engagement“ (Selle 2007:         tentwicklung und Umwelt Berlin 2011:
     66) verlassen, vernachlässigen Pla-        63). Die derzeitigen Durchführungen
     ner*innen, dass dieses Engagement          begünstigen überwiegend Angehörige
     fragil ist und oft nicht über die per-     der gebildeten und artikulierten Mit-
     sonellen, organisatorischen und ma-        telschicht, „formal weniger Gebildete“
     teriellen Ressourcen verfügt, um mit       (ebd.) sowie Migrant*innen sind da-
     langem Atem Projekte zu realisieren        gegen seltener anzutreffen, materielle
     (ebd.). Zudem wird ignoriert, “dass        und kulturelle Zutrittsschwellen sind
     schwache und ausgegrenzte Gruppen          für sie schwer zu überschreiten (ebd.).
     vielfach kaum zu Eigenaktivitäten in       Häufig als „Armutsproblem“ (ebd.)
     der Lage seien“ (ebd.). Dies bedingt       benannt, ist „[d]as […] historisch
     vor allem der Fakt, dass sprachliche       ebenso bemerkenswert wie politisch
     und zeitliche Barrieren sowie die Le-      bedenklich.“ (Nolte 2011: 12, zitiert
     bensrealität prekarisierter Personen ei-   nach Senatsverwaltung für Stadtent-
     nem erhöhten Engagement entgegen-          wicklung und Umwelt Berlin 2011:
     stehen. Menschen, denen bereits die        63). Bei der Durchführung werden in
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der Regel Methoden der „bürgerlichen       Um die Methoden „bürgerlicher Mit-
Mittelschicht“ (ebd.) genutzt, die es      telschicht“ (Senatsverwaltung für
gewohnt sind, sich methodisch, orga-       Stadtentwicklung und Umwelt Berlin
nisiert und geordnet zu artikulieren:      2011: 63) zu umgehen und die Par-
„Der ‚heimliche‘ Lehrplan entspricht       tizipationsmöglichkeiten so niedrig-
fast immer klassischen bürgerlichen        schwellig wie möglich zu gestalten,
Mittelschichtstandards.“ (ebd.) Un-        veranstaltet beispielsweise die PlanBu-
terschiedliche Bevölkerungsgruppen         de in Hamburg ihre Formate in Knei-
müssen also auch unterschiedlich an-       pen, Imbissbuden, auf der Straße und
gesprochen werden.                         in Seniorenheimen (PlanBude 2015).
                                           Auch versuchen sie, die Problematik
Lösungsmöglichkeiten                       durch artikulationsstarke Einzelperso-
                                           nen durch spracharme Beteiligungs-
Die Schwierigkeit, auf die Unterschied-    formate zu minimieren (ebd.).
lichkeit von Menschen einzugehen, ist      Da jedoch ein großer Teil der Proble-
gewiss. Es können jedoch Möglichkei-       matik auf prekarisierten und magina-
ten geschaffen werden, um so viele         lisierten Lebensverhältnissen basiert,
Menschen wie möglich in einen Par-         müsste die Situation dieser Menschen
tizipationsprozess einzubeziehen. Die      politisch verändert werden, was sich
Beteiligungsformate sollten sich dem-      allein durch die Verbesserung von
entsprechend an die verschiedenen zu       Partizipationsprozessen nicht ändern
beteiligenden Bevölkerungsgruppen          kann. Dies sollte in jedem Fall aber ein
anpassen, sodass Zugänglichkeit und        erklärtes gesellschaftliches Ziel sein.
Niedrigschwelligkeit erreicht werden       In jedem Fall können sehr viel mehr
können. Dies kann durch Beteiligungs-      Personen an Partizipationsformaten
prozesse in leichter Sprache, auf ande-    beteiligt werden, wenn die Formate
ren Sprachen, durch Kinderbetreuung        vereinfacht werden, die notwendige
während der Beteiligungsformate so-        zeitliche Verpflichtung verkürzt und
wie durch die Nutzung von analogen         auf marginalisierte Bevölkerungsgrup-
und digitalen Kanälen und die Schaf-       pen explizit ein- und zugegangen wird.
fung von Barrierefreiheit erreicht wer-
den. Für erfolgreiche Beteiligung sollte   Schlussfolgerungen
auf die unterschiedlichen Kompetenz-
und Fähigkeitsgrade der verschiede-        Die Beteiligung aller ist eine Utopie,-
nen Menschen geachtet werden.              die aufgrund unterschiedlicher Partizi-
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     pationsverhalten, Selektivität und in-   lichen, in diesem Fall kommunalen
     dividueller Situationen der Menschen     Aufgabe“ (Selle 2007: 71). Selbstver-
     kaum vollkommen erreicht werden          ständlich sind diese Probleme der Be-
     kann. Doch durch Niedrigschwellig-       teiligung nicht eins zu eins auf Partizi-
     keit, angepasste Beteiligungsformate     pationsprozesse an der Universität zu
     und die Formalisierung der Prozesse      übertragen, jedoch sind auch hier die
     kann sich an diese Utopie angenähert     Bedürfnisse und Ressourcen der Sta-
     werden. „Fairness und Transparenz        tusgruppen zu beachten und Wissens-
     werden zu unverzichtbaren Grundkri-      hierarchien durch Transparenz und Zu-
     terien – auf ihre Einhaltung zu achten   gänglichkeit abzubauen.
     wird zu einer wesentlichen öffent-
29

2.5 Partizipationsbeispiele

Es gibt viele verschiedene Möglich-        tungen wie Kindergarten, Badehaus
keiten, wie Partizipation bei Baupro-      oder Veranstaltungssaal gelegt. Das
jekten ermöglicht und durchgeführt         Ergebnis waren individuell zugeschnit-
werden kann. Die angewandten Me-           tene Wohnungen, 15 davon für sozi-
thoden sind dabei so vielfältig wie die    al integrative Zwecke reserviert, und
Menschen, die eingebunden werden           vielfältig nutzbare Gemeinschaftsflä-
sollen und die Projekte selbst. Im         chen, deren Raumaufteilung möglichst
Folgenden werden drei Beispiele von        flexibel und offen gehalten wurde, um
Beteiligungsformaten und deren Er-         auch nachhaltig ein anpassungsfähiges
gebnisse vorgestellt, um einen kurzen      Gebäude zu errichten (Wurmdobler
Überblick zu geben.                        2006: 6-12).
                                           Der Meinungsbildungsprozess zum
Sargfabrik, Wien                           Bauvorhaben lief in mehreren Pha-
                                           sen ab, bei dem vom Großen immer
Als erstes Beispiel dient die Sargfabrik   weiter ins Detail gegangen wurde.
in Wien. Als Antwort auf steigende         Vergleichbar war dieser Prozess mit ei-
Mieten und wenig Wohnraum für Fa-          nem Wohnbausymposium über meh-
milien gründeten Wiener*innen den          rere Jahre hinweg. Zu Beginn wurde
Verein für integrative Lebensgestal-       über Nutzungen und Funktionen
tung. Von Beginn an sollte ein Schwer-     diskutiert und diese dann festgelegt,
punkt auf Integration behinderter und      wodurch Freiraum für vielfältige Aus-
sozial benachteiligter Menschen liegen     einandersetzungen und das Einbrin-
(Sargfabrik 2018).                         gen von Ideen entstanden. Die Rolle
Da der neue Wohnraum aus Eigeni-           der Architekt*innen war es, nach der
nitiative des Vereins entstand, wurde      gewünschten Gestaltung der Bewoh-
schon bei der Planung intensiv mit den     ner*innen zu fragen und nicht zu ent-
Architekt*innen zusammengearbeitet.        werfen, was sie selbst als Ergebnis se-
Zukünftige Nutzer*innen konnten            hen wollten. Wichtig für den Prozess
Grundrisse, Farben und weitere Be-         der Beteiligung war in diesem Beispiel
dürfnisse mit den Architekt*innen          vor allem die Meinungsbildung mit
bei mindestens drei einzelnen Treffen      Anspruch auf Konsens, welche durch
pro Wohneinheit einbringen. Da die         Diskussionsrunden erarbeitet wurde.
Sargfabrik als Wohnheim gilt, wurde        Somit konnten letztendlich qualifizier-
schon bei der Planung besonderes           te Entscheidungen getroffen werden
Augenmerk auf Gemeinschaftseinrich-        (ebd.).
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     Eine Besonderheit des Beispiels ist,       Planung von Bauvorhaben, sondern
     dass der Wissensstand der Beteilig-        auch im Betrieb von beispielsweise
     ten sehr hoch und Diskussionen in          Gemeinschaftsräumen und bei der zu-
     gewissen Phasen sehr zeitintensiv          künftigen Entwicklung des Bestandes.
     waren. Diese Voraussetzungen waren         Förderung von Eigeninitiative und
     dadurch gegeben, da die Initiative für     Selbstorganisation ist ein ernanntes
     sich selbst baute. Allerdings war es       Ziel der Genossenschaft. (Baugenos-
     dadurch auch möglich, durchdachtere        senschaft mehr als wohnen o.J.b)
     Entscheidungen gemeinsam zu treffen,       Die Partizipationsformate des ersten
     was wiederum in eine hohe Akzeptanz        Bauprojekts auf dem Hunziker Are-
     resultierte (ebd.).                        al wurden von der Genossenschaft
                                                durchgeführt und von beauftragten
     Baugenossenschaft mehr als woh-            Architekt*innen baulich umgesetzt.
     nen, Zürich                                Während der Planungs- und Bauphase
                                                fanden sogenannte Echoräume statt.
     Das zweite Beispiel beschäftigt sich mit   Dies waren durch die Genossenschaft
     der Baugenossenschaft mehr als woh-        initiierte Veranstaltungen zu verschie-
     nen in Zürich. Im Zuge des 100-jähri-      denen Themen wie beispielsweise
     gen Jubiläums der städtischen Wohn-        dem Gebäudeklima, den zukünftigen
     baupolitik in Zürich 2007 hatten die       Wohnformen und der Nachhaltigkeit.
     Stadt und die Züricher Wohnungsbau-        Daran konnte teilnehmen, wer moch-
     genossenschaften die Idee zur Grün-        te: Stadt, Interessierte, Nachbar*in-
     dung der Baugenossenschaft mehr als        nen. Seit dem Einzug im Hunziker
     wohnen. Diese versteht sich als Inno-      Areal wurden einerseits Quartiers-
     vations- und Lernplattform für den ge-     gruppen, bestehend aus meist fünf
     meinnützigen Wohnungsbau. Nach ei-         Bewohner*innen, gebildet, die einen
     nem sehr erfolgreichen und mehrfach        ehrenamtlichen Beitrag zum gesell-
     international ausgezeichneten ersten       schaftlichen Leben leisten. Fördergel-
     Wohnbauprojekt ist momentan ein            der für Angebote, die kostenlos und
     zweites in der Entstehungsphase.           für alle Bewohner*innen offen sind,
     Die Leitlinie der Genossenschaft bildet    werden durch eine Allmendkommissi-
     die Grundlage für die Beteiligung, die     on vergeben. Die Allmendkommission
     in beiden Projekten angewandt wurde.       ist darüber hinaus ein genossenschaft-
     Mitwirken und sich einbringen sollen       liches Gremium, das die Aktivität in
     die Anwohner*innen nicht nur bei der       den Bereichen Kultur, Gemeinschaft,
31

Kunst und Ökologie fördert, Mittel       den Bezirk Hamburg-Mitte den Auf-
vergibt und die Nutzung von Ge-          trag, ein vorgezogenes Beteiligungs-
meinschaftsräumen koordiniert. Die       verfahren durchzuführen (PlanBude
Gemeinschaftsräume bieten Platz für      2015).
nichtkommerzielle, gesellschaftliche     Aufbauen sollte dieses auf dem loka-
Anlässe und Angebote und sind gra-       len Wissen von Anwohner*innen, also
tis nutzbar für alle Bewohner*innen.     all jenen, die den Ort, dessen Beson-
Zusätzlich wurde eine Stelle für Par-    derheiten, Umfeld und Bedürfnisse am
tizipation eingerichtet, in der Mitar-   besten kennen. Um dies möglich zu
beiter*innen      Mitwirkungsprozesse    machen und auch auf die vielfältigen
begleiten und organisieren (Baugenos-    Lebenssituationen und Beteiligungsfä-
senschaft mehr als wohnen o.J.a).        higkeiten der Anwohner*innen einzu-
                                         gehen, fanden die Informationsveran-
PlanBude, Hamburg                        staltungen beispielsweise in Kneipen
                                         statt und die Nutzung von Fachspra-
Das letzte Beispiel, das hier bespro-    che wurde vermieden. Eine weitere
chen werden soll, ist das der PlanBu-    Methode, um die Sprachbarriere zu
de. Im Gegensatz zu den vorherigen       mindern, war die Übersetzung der
beiden Beispielen ist hier ist der Ruf   Informationen, Einladungen und Fra-
nach Beteiligung von den Bürger*in-      gebögen in die Sprache der Anwoh-
nen ausgegangen.                         ner*innen. Außerdem wurden Mie-
Die im Hamburger Stadtteil Sankt Pau-    ter*innen aktiv persönlich eingeladen
li liegenden sogenannten Esso-Häuser     und durchgehend auf dem Laufenden
wurden von einem*einer Investor*in       gehalten (ebd.).
gekauft mit dem Ziel, sie abzureißen     Alle Ergebnisse wurden dann von der
und hochpreisigen Wohnraum zu            PlanBude gesammelt, ausgewertet, in-
schaffen. Als Reaktion auf diese Pläne   terpretiert, übersetzt und zugespitzt:
organisierten sich Mieter*innen und      In funktionale, soziale und bauliche
Nachbar*innen der Häuser zur Initia-     Ansprüche an den Neubau. Diese Er-
tive Esso-Häuser. Durch den hartnä-      gebnisse wurden in zwei Stadtteilkon-
ckigen Einsatz der Initiative wurde im   ferenzen vorgestellt, diskutiert und
Jahr 2014 die PlanBude als unabhän-      überarbeitet und bilden die Basis der
gige Plattform für die Neuplanung der    weiteren Planung. Inzwischen ist der
Häuser gegründet. Das Team erhielt       Architekturwettbewerb entschieden
schließlich im Sommer 2014 durch         „ohne den utopischen Überschuss aus
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