STICKSTOFF: ZU VIEL DES GUTEN! - Beteiligung von Bürger*innen auf dem Weg zu einer nationalen Stickstoffminderung - Umweltbundesamt
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STICKSTOFF: ZU VIEL DES GUTEN! Beteiligung von Bürger*innen auf dem Weg zu einer nationalen Stickstoffminderung
Impressum Herausgeber: Umweltbundesamt Fachgebiet [Fachgebiet] II 4.3 „Luftreinhaltung und Postfach 14 06 terrestrische Ökosysteme“ 06813 Dessau-Roßlau Postfach 14 06 Tel: +49Dessau-Roßlau 06813 340-2103-0 buergerservice@umweltbundesamt.de Tel: +49 340-2103-0 Internet: www.umweltbundesamt.de buergerservice@umweltbundesamt.de Internet: www.umweltbundesamt.de /umweltbundesamt.de /umweltbundesamt/umweltbundesamt /umweltbundesamt.de /umweltbundesamt /umweltbundesamt Autoren: /umweltbundesamt [Autoren] Autor*innen: Redaktion: Jörn Hamacher, Zebralog GmbH [Redaktion]Fuchs, Zebralog GmbH Jacqueline Malte Oehlmann, adelphi research gemeinnützige GmbH Satz und Layout: [Agentur] Redaktion: Lisa Marie-Schlesinger, Umweltbundesamt Druck: [Druckerei] Publikationen als pdf: gedruckt auf Recyclingpapier aus 100 % Altpapier www.umweltbundesamt.de/publikationen Broschüren bestellen: Bildquellen: Service-Telefon: Jürgen +4924) Biniasch (S. 340 2103-6688 Service-Fax Jörg 9 340 Farys (S. 27, 42) 2104-6688 E-Mail: Dirk uba@broschuerenversand.de Jacobs (S. 33) Internet: Tom Wenigwww.umweltbundesamt.de (S. 24) Mario Zgoll (S. 16-17, 25, 31) Diese Publikation unsplash, Waldemar ist Brandt kostenfrei zu beziehen beim Umwelt- (S. 6-7) bundesamt. unsplash, LizDer Weiterverkauf Harrell (S. 36) ist untersagt. Bei Zuwi- derhandlung unsplash, Davewird eine Schutzgebühr Hoefler (Titelbild) von 15 Euro/Stück erhoben. Rob Maxwell (S. 15) unsplash, unsplash, u_79qqozws (S. 34-35) Publikationen als pdf: www.umweltbundesamt.de/publikationen Stand: Februar 2021 Bildquellen: ISSN 2363-832X Online [Bildquellen] Stand: [Monat und Jahr, an dem die Broschüre erscheint] ISSN 2363-8311 [Print] und/oder ISSN 2363-832X [Online]
STICKSTOFF: ZU VIEL DES GUTEN! Beteiligung von Bürger*innen auf dem Weg zu einer nationalen Stickstoffminderung
Inhalt Einführung�������������������������������������������������������������������������� 5 1 1 Hintergrund und Anlass für den Dialog mit Bürger*innen���� 6 1.1 Was ist Stickstoff? ����������������������������������������������������������� 8 1.2 Stickstoff im Alltag����������������������������������������������������������� 9 1.3 Auf dem Weg zu einer nationalen Stickstoffminderung�������������� 13 2 2 Im Dialog mit Bürger*innen��������������������������������������������� 16 2.1 Ziele des Dialogs ���������������������������������������������������������� 18 2.2 Teilnehmer*innen und deren Auswahl���������������������������������� 18 2.3 Ablauf des Dialogverfahrens und Formate ���������������������������� 22 2.4 Kritische Reflexion des Prozesses �������������������������������������� 30 3 3 Ergebnisse des Bürger*innen-Dialogs����������������������������� 34 3.1 Ansätze und Erkenntnisse aus dem Bürger*innen-Dialog ��������� 37 3.2 Tabellarische Darstellung der Maßnahmenvorschläge ������������� 38 3.3 Anschlussfähigkeit des Dialogs: Wie fließen die Ideen in den politischen Prozess ein? ������������������������������������������������� 40 4 Verzeichnisse���������������������������������������������������������������� 44 5 Glossar�������������������������������������������������������������������������� 47 2
Inhaltsverzeichnis LESEHINWEIS Die Broschüre ist so aufgebaut, dass Sie die Kapitel auch unabhängig voneinander lesen können. Falls Sie sich detaillierter zum Thema Stickstoff informieren möchten, starten Sie mit dem ersten Kapitel (S. 6). Kapitel 1.1 und 1.3 bieten sich an, um den Anlass des Beteiligungsverfahrens zu verstehen. Das zweite Kapitel (S. 16) stellt die einzelnen Schritte des Prozesses von der Auswahl der Teilnehmer*innen bis zur Entstehung des sogenannten Bürger*innen-Ratschlags und darüber hinaus dar. Die Ergebnisse des Dialogs finden Sie zusammengefasst im dritten Kapitel (S. 34) und ausführlich natürlich im Bürger*innen-Ratschlag selbst. Wie es mit den Maßnahmen der Bürger*innen weitergeht, erfahren Sie im Kapitel 3.3 (S.40). 4
Einführung Unter dem Titel „Stickstoff: Zu viel des Guten!“ nen-Ratschlag mit 16 Maßnahmenvorschlägen, organisierten das Bundesministerium für Umwelt, der zudem grundlegende Erkenntnisse aus dem Naturschutz und nukleare Sicherheit und das Um- Beteiligungsprozess beinhaltet. Ihre Empfehlungen weltbundesamt einen Dialog mit Bürger*innen. Dabei übergaben die Teilnehmenden an die Bundesumwelt- ging es um Maßnahmen zur Reduzierung von Stick- ministerin Svenja Schulze. Im Herbst 2020 erläuterte stoffemissionen. eine Mitarbeiterin des Ministeriums in einem Inter- view, inwiefern die Ergebnisse des Bürger*innen- Stickstoff ist auf diesem Planeten essenziell, denn Dialogs im Aktionsprogramm zur integrierten Stickstoff und seine vielfältigen chemischen Verbin- Stickstoffminderung genutzt bzw. berücksichtigt dungen in Wasser, Luft und Boden sind Grundbau- werden können. Ergänzend erhielten die Teilnehmen- steine des Lebens. Stickstoff ist dringend notwendig den des Bürger*innen-Dialogs einen informierenden für das Wachstum von Pflanzen. Je nach Menge und Begleitbrief. Wirkungsort kann Stickstoff jedoch auch Schadstoff und damit sehr schädlich für die Umwelt sein. Parallel zum Bürger*innen-Dialog lief ein For- schungsprojekt von Bundesumweltministerium und Im Jahr 2017 veröffentlichte die Bundesregierung Umweltbundesamt zur Entwicklung der fachlichen den „Ersten Stickstoffbericht“. Der Bericht soll auf Grundlagen für das Aktionsprogramm. Die Ergebnis- die Bedeutung des Stickstoffs für unsere Gesellschaft se des Dialogs mit den Bürger*innen flossen direkt in sowie die Ursachen und Folgen hoher Stickstoffemis- das Forschungsprojekt ein. sionen aufmerksam machen. Er stellt die nationale und internationale Diskussion zu den gesundheit- Für die Organisation und Durchführung des Beteili- lichen, ökologischen und wirtschaftlichen Risiken gungsprozesses beauftragte das Umweltbundesamt überhöhter Stickstoffeinträge in die Umwelt dar und die Agentur Zebralog, die Bürgerbeteiligung sowohl richtet sich spezifisch an Bürger*innen. Der Bericht vor Ort als auch online gestaltet. Inhaltlich begleitet zeigt Handlungsbereiche und -optionen auf. Zudem wurde Zebralog von adelphi, einem unabhängigen verdeutlicht er, dass die Bundesregierung zur Lösung Forschungsinstitut und Beratungseinrichtung für der Stickstoffproblematik einen integrierten Ansatz Klima, Umwelt und Entwicklung. Adelphi führt in verfolgt. Damit werden alle Verursacherbereiche sek- Zusammenarbeit mit weiteren Partnern auch das toren- und medienübergreifend (in Bezug auf Boden, Forschungsprojekt zum Stickstoff-Aktionsprogramm Luft und Wasser) in den Blick genommen. durch. Aufbauend auf diesem Bericht erarbeitet das Bun- Die Hintergründe, der Ablauf und die Ergebnisse desumweltministerium derzeit ein „Aktionspro- dieses kurz „Stickstoff-Dialog“ genannten Beteili- gramm zur integrierten Stickstoffminderung“ mit gungsprozesses sind in der vorliegenden Broschüre konkreten Maßnahmen zur Senkung des Ausstoßes dargestellt. von reaktiven Stickstoffverbindungen. Das Bundesumweltministerium und das Umweltbun- desamt führten von 2018 bis 2020 einen Dialog mit Bürger*innen, um diese in den Prozess einzubinden. In dem Beteiligungsverfahren hatten 110 zufällig ausgewählte Bürger*innen die Möglichkeit, sich über WEITERE INFORMATIONEN die Stickstoffproblematik zu informieren, Maßnah- zu Stickstoff sind im men zur Reduktion von Stickstoffemissionen vorzu- Glossar auf S. 47 und im schlagen und zu diskutieren. Es wurden bundesweit Umweltatlas des Umwelt in vier Städten Regionalkonferenzen veranstaltet bundesamts zu finden: und deren Ergebnisse in einer Delegiertenkonferenz www.bit.ly/umweltatlas zusammengeführt. Das Ergebnis ist ein Bürger*in- 5
1 Hintergrund und Anlass für den Dialog mit Bürger*innen 1.1 Was ist Stickstoff? sen sind. Sichtbar ist dies beispielsweise an Stel- len, wo Löwenzahn, Holunder, Brennnesseln oder Stickstoff ist für Menschen, Pflanzen und Tiere ein Brombeeren das Landschaftsbild dominieren. Grundelement des Lebens. Als Element kommt es auf der Erde in Wasser, Boden und Luft vor. Die häufigste ▸ Meeres- und Gewässerschutz: Ein Übermaß an Form ist der Luftstickstoff, der aus zwei aneinander Stickstoff zeigt sich in Schaumbergen und Algen- gebundenen Stickstoffatomen besteht. Aber auch der teppichen sowie in Fischarmut. In Meeren und sogenannte „reaktive Stickstoff“ ist unverzichtbar für Gewässern führt eine zu hohe Stickstoffkonzent- die natürlichen Kreisläufe. Reaktiv sind Stickstoff- ration zu sogenannten sauerstofffreien „Todeszo- verbindungen, wenn sie sich in unterschiedlicher nen“, in denen nur wenige Organismen überleben Zusammensetzung mit Stoffen verbinden und diese können. Verbindung schnell wechseln können. Nitrat, Lach- gas, Ammoniak, Ammonium und Stickstoffoxide sind ▸ Wasserwirtschaft und Trinkwasserversorgung: reaktive Stickstoffverbindungen. Problematisch ist, Gelangt zu viel Stickstoff in Form von Nitrat ins dass der Mensch das Gleichgewicht dieser Stickstoff- Grundwasser, verursacht das einen erhöhten verbindungen stark beeinflusst. Aufwand und entsprechende Kosten bei der Trink- wasseraufbereitung. 1.1.1 Stickstoff als Nährstoff Stickstoffverbindungen sind lebensnotwendig. Sie ▸ Lebensmittelsicherheit: Die übermäßige Düngung bilden beispielsweise die Basis der Erbsubstanz, von Ackerflächen mit Stickstoff lässt gesundheits- befinden sich in Proteinen und sind als Nährstoff schädliches Nitrat entstehen, das Rückstände in für das Wachstum von Pflanzen erforderlich. Daher Lebensmitteln bildet und so in den menschlichen kommt Stickstoff in der Landwirtschaft eine wichtige Körper gelangt. Aufgabe als Düngemittel für ein gesundes und gestei- gertes Pflanzenwachstum zu. ▸ Globale Erwärmung und Ausdünnung der Ozon- schicht: Die Stickstoffverbindung Lachgas be- 1.1.2 Stickstoff als Schadstoff einträchtigt die Umwelt stark. Lachgas ist ein Neben seiner positiven Wirkung als Nährstoff kann hochwirksames Treibhausgas, das rund 300 Stickstoff aber auch Schäden verursachen. Er entfal- Mal so klimaschädlich ist wie Kohlendioxid, die tet insbesondere dann negative Wirkungen, wenn Ozonschicht zerstört und dadurch den Schutz vor mehr Stickstoff freigesetzt wird als genutzt werden UV-Strahlung auf der Erde verringert. kann. Dann kann er gesundheitliche Schäden beim Menschen verursachen, die biologische Vielfalt Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gelangten durch gefährden, Meere, Gewässer und Luftqualität verän- menschliche Aktivitäten immer mehr reaktive Stick- dern und Einfluss auf die globale Erwärmung haben. stoffverbindungen in die Umwelt. Dazu haben ins- Folgende Probleme sind einem „Zuviel“ an Stickstoff besondere die Nutzung von industriell hergestelltem zuzuordnen: Stickstoffdünger und die Verbrennung von fossilen Energieträgern in Industrie und Verkehr beigetragen. ▸ Luftqualität und Gesundheit des Menschen: Zu Beides hat massive Auswirkungen auf den natürli- viele Stickstoffoxide in der Luft können Augen, chen Stickstoffkreislauf unserer Umwelt. Atemwege und die Lunge reizen und beinträchti- gen. Darüber hinaus tragen Stickstoffoxide und Man spricht in diesem Zusammenhang von einer die Stickstoffverbindung Ammoniak zur Bildung „Stickstoffkaskade“, weil es so viele Stickstoffver- von Feinstaub bei. bindungen mit unterschiedlichen Wirkungen gibt: Wenn Stickstoff zum Beispiel durch menschliche ▸ Biodiversität und Naturschutz: Ist zu viel Stickstoff Aktivitäten reaktiv wird und in den Stickstoffkreis- vorhanden, verdrängen stickstoffliebende Pflan- lauf eintritt, verbleibt er dort lange. Dabei geht jedes zen solche, die auf stickstoffarme Böden angewie- Stickstoffatom ständig neue und unterschiedliche 8
Hintergrund und Anlass für den Dialog mit Bürger*innen Abbildung 1 Stickstoffkaskade (vereinfachte Darstellung) Quelle: Umweltbundesamt Bindungen ein und entfaltet unterschiedliche Wir- Zusammenhang zu menschlichen Lebensgewohn- kungen in Luft, Boden, und Wasser, in Bakterien, heiten steht. Doch trotz des massiven Anstiegs von Pflanzen, Tieren und dem Menschen (siehe Abbil- reaktiven Stickstoffverbindungen und deren negati- dung 1) (Galloway et al. 2003). ven Folgen für Menschen, erfährt die Stickstoffproble- matik in der öffentlichen Diskussion bisher zu wenig Aufmerksamkeit. Der hier dokumentierte Dialog mit 1.2 Stickstoff im Alltag Bürger*innen war ein Baustein dazu, dies zu ändern. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat menschliches Die Ursachen für den erhöhten Stickstoffausstoß in Handeln die jährliche Freisetzung reaktiven Stick- den Sektoren Landwirtschaft, Industrie und Gü- stoffs verzehnfacht. Der größte Teil der Freisetzung tertransport, Verkehr sowie privater Konsum sind stammt aus der Landwirtschaft mit 1.041 Kiloton- mannigfaltig. Im Folgenden werden einige Ursachen nen (kt), gefolgt von Emissionen aus Industrie und und Quellen genauer betrachtet. Energiewirtschaft (212 kt), aus dem Verkehr (174 kt) sowie aus privaten Haushalten und dem städtischen 1.2.1 Landwirtschaft Raum (89 kt) (Zahlen für Deutschland 2010-2014; Die Landwirtschaft stellt seit langem mit rund UBA 2020a, S.154). Diese Zahlen zeigen deutlich, zwei Dritteln der gesamten Stickstofffreisetzung dass Stickstoff in zentralen Wirtschafts- und Lebens- in Deutschland die bedeutendste Emissionsquelle bereichen von großer Bedeutung ist und in direktem dar; Tendenz steigend (UBA 2020a, S. 154). Das 9
Hintergrund und Anlass für den Dialog mit Bürger*innen heißt, dass die Herstellung von Lebensmitteln und überschritten (BMU 2017, S.14). Damit trägt Deutsch- anderen Agrargütern für den weitaus größten Teil land zur Luftverschmutzung und Verstärkung des der Stickstoffemissionen verantwortlich ist. Aus den Treibhauseffekts auf der Erde bei. verschiedenen Stufen der landwirtschaftlichen Pro- duktionskette gelangt viel zu viel Stickstoff in Böden, 1.2.2 Verkehr Gewässer, Grundwasser und Luft. Während Stickstoff in der Landwirtschaft zur Dün- gung dient und bedarfsgerecht eingesetzt eine Überdüngung ertragssteigernde Wirkung hat, ist er im Bereich des Stickstoff ist ein unverzichtbarer Nährstoff für das Verkehrs ein unerwünschtes Nebenprodukt. Stick- Pflanzenwachstum und seine Verwendung in Form stoff tritt dort vor allem als Stickstoffoxid auf, das von Düngemitteln ist an sich nicht problematisch. Ein durch hohe Verbrennungstemperaturen in Fahrzeug übermäßiger Einsatz, der den Bedarf der Pflanzen motoren entsteht. 42 Prozent der gesamten Stickstoff übersteigt, schadet jedoch der Umwelt. Aktuell wird oxid-Emissionen in Deutschland stammen aus dem etwa doppelt so viel Stickstoff in Form von Dünger Straßenverkehr (UBA 2020a). Dabei ist die Belastung und Futtermitteln in der landwirtschaftlichen Pro- ungleich über die Republik verteilt und vor allem duktion eingesetzt, wie von den Pflanzen und Tieren in verkehrsreichen Ballungsgebieten wie in Städten aufgenommen werden kann (BMEL 2018). Die heute groß. Dort hat der Verkehr einen großen Anteil an der weit verbreitete intensive Tierhaltung ist ein Treiber Gesamtbelastung der Luft mit Stickstoffdioxid. An viel dabei. Aufgrund teilweise sehr hoher Viehdichte fällt befahrenen Straßen liegen die Stickstoffoxidkonzen- regional viel mehr sogenannter Wirtschaftsdünger trationen im Jahresmittel teilweise deutlich über dem an als zur Düngung der Felder benötigt wird. Oft Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Dort wird darum die gesamte, im landwirtschaftlichen wird also der durch die Europäische Union (EU) vorge- Betrieb anfallende Menge Dünger (zum Beispiel Gülle gebene Grenzwert überschritten (BMU 2017, S. 15). oder Mist), unabhängig vom tatsächlichen Bedarf, ortsnah auf die Felder ausgebracht. Aus Tierställen Ineffektive Minderungstechnologien entweicht auch Stickstoff in Form von gasförmigem bei Dieselfahrzeugen Ammoniak. Zusätzlich fallen in Biogasanlagen stick- Während die Emissionen von Stickstoffoxiden bei stoffhaltige Gärrückstände an, die ebenfalls auf die Benzinmotoren durch die Einführung des geregelten Felder g elangen. Auf diese Weise entsteht regional Katalysators in den zurückliegenden Jahren sanken ein l andwirtschaftlich bedingter Stickstoffüberschuss und diese Fahrzeuge heute kaum mehr Stickstoff (UBA 2020c). oxide ausstoßen, stellen dieselgetriebene Fahrzeuge weiterhin ein Problem dar. Sie sind für den Groß- Stickstoff ist mobil teil der Stickstoffoxid-Emissionen in Innenstädten Überschüssiger Stickstoff gelangt gasförmig als Stick- verantwortlich. Das betrifft vor allem Fahrzeuge der stoffdioxid, Ammoniak oder Lachgas in die Luft; als Euro-Klassen fünf und sechs1, die im realen Fahrbe- Nitrat gelangt es in Grund- und Oberflächengewässer trieb die erlaubten Emissionen durchschnittlich um und schlussendlich in Küstengewässer und Meere. das fünf- bis sechsfache überschreiten. Die Manipula- Der überschüssige Stickstoff kann über den Luftweg tionen der Autohersteller und der Einsatz von ineffek- auch nicht-gedüngte Flächen und Ökosysteme errei- tiven Minderungstechnologien, die zu Abweichungen chen und sich dort anreichern. Ammoniak wird zum zwischen angegebenen, im Labor erzielten und im Beispiel in der Tierhaltung ausgestoßen, über Nieder- realen Betrieb emittierten Stickstoffoxiden führen, schläge aus der Luft gewaschen, umgewandelt und so belasten die Umwelt und durchkreuzen zahlreiche als Ammonium in den Boden eingetragen. Dort kann Bemühungen zur Reduktion von Stickstoffoxiden. durch Umwandlung Nitrat oder Lachgas entstehen. Das kann wiederum Auswirkungen auf Gewässer Technische Innovationen und Mobilitätsverhalten oder Klima und Ozonschicht haben. Stickstoffoxide haben mittelbare und unmittelbare Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Deutschland durfte laut EU-Richtlinie bis 2019 eine jährliche Emissionsmenge von 550 Kilotonnen Ammoniak nicht überschreiten. Im Jahr 2015 w urde 1 Für PKW gelten seit 2017 neue Abgasnormen bei der Zulassung neuer Fahrzeugtypen. Die Fahrzeugbauer müssen hier nachweisen, dass die Grenzwerte nicht nur im Labor- die erlaubte Höchstmenge jedoch um 27 Prozent test, sondern auch im realen Fahrbetrieb eingehalten werden. 10
Hintergrund und Anlass für den Dialog mit Bürger*innen Abbildung 2 Anteil der Hauptverursacherbereiche an den Stickstoffoxid-Emission in Deutschland (Mittel der Jahre 2010 bis 2014) 0,03 % Haushalt/Kläranlagen/ urbane Flächen 9,48 % Landwirtschaft 48,49 % Industrie/ 42,01% Energiewirtschaft Verkehr Quelle: Umweltbundesamt 2020a Daher zählen sie zu den gefährlichsten Luftschadstof- 1.2.3 Industrie und Gütertransport fen. Das ist schon lange bekannt. Entsprechend gibt Im Sektor „Industrie und Gütertransport“ spielt es zahlreiche Ansätze, um die Emissionen in Innen- Stickstoffoxid auch eine große Rolle. Wie oben bereits städten zu senken. Beispielsweise gibt es technische beschrieben, emittieren Verbrennungsmotoren, Möglichkeiten zur Reduktion von Emissionen in Feuerungsanlagen und Kraftwerke für Kohle, Öl Verbrennungsmotoren und parallel eine Entwicklung und Gas viele Stickstoffoxide. Diese Verbrennungs- alternativer Antriebsarten. Des Weiteren können prozesse treiben nicht nur Fortbewegungsmittel an, Veränderungen im täglichen privaten Mobilitätsver- sondern setzen auch Energie frei. Diese Energie wird halten bei der Reduktion der Stickstoffoxidbelastung zur industriellen Produktion und Fertigung benötigt. helfen. Hier können weniger Fahrten, geringere Insgesamt entsteht knapp die Hälfte des gesamten Geschwindigkeiten und der Umstieg auf öffentlichen deutschen Ausstoßes der Stickstoffoxide aus der „In- Personennahverkehr oder das Fahrrad wichtige Bei- dustrie und Energiewirtschaft“ (siehe Abbildung 2). träge leisten. Eine Einschränkung in der Nutzung von Der Verkehrssektor macht insgesamt über ein Drittel Flugzeugen und Kreuzfahrtschiffen hilft ebenfalls die aller Verursacherbereiche aus. In Abbildung 2 wird Stickstoff-Bilanz zu verbessern. im dargestellten Verkehrssektor nicht nach Perso- 11
Hintergrund und Anlass für den Dialog mit Bürger*innen nen- und Gütertransport unterschieden. Es ist jedoch beispielsweise weniger Nahrungsmittel wegwer- davon auszugehen, dass der Stickstoffoxidausstoß für fen oder weniger tierische Produkte konsumieren. den Transport von Gütern im Wesentlichen durch Ver- Weitere Einsparpotenziale liegen beim Energiever- brennungsmotoren in Lastkraftwagen und Schiffen brauch sowie der Nutzung von Geräten in Haus und erfolgt. Garten. Von politischer Seite gibt es also nicht nur Möglichkeiten der Regulierung durch die Festlegung Stahlindustrie und Energieerzeugung von Grenzwerten. Die Information und Sensibilisie- Die Verhüttung von Metall sowie die Produktion und rung der Konsument*innen sowie die Förderung von Verarbeitung von Stahl stellen in Deutschland sehr Alternativen stellen ebenfalls wichtige Maßnahmen energieintensive Industrien dar. Kohle und Koks auf dem Weg zur Reduktion des „Stickstoff-Fußab- dienen dort häufig als Energielieferanten, bei deren drucks“ dar. Verbrennung unter anderem Stickstoffoxid entsteht. Ähnlich ist es in der Energiewirtschaft. Dort werden Ernährung vorwiegend Steinkohle, Braunkohle und Erdgas Etwa 63 Prozent der gesamten, jährlichen Stickstoff verbrannt und Stickstoffoxide entstehen als Neben- emissionen in Deutschland sind der Landwirtschaft produkt. zuzurechnen. Daher kommt der Ernährung in der individuellen Sickstoff-Bilanz eine entscheidende Gütertransport Rolle zu. Insbesondere die intensive Tierhaltung ist Lastkraftwagen sind beim Transport von Waren für den Großteil der Emissionen von Ammoniak, und Gütern auf der Straße für die meisten Stickstoff Ammonium und Nitrat verantwortlich. Außerdem oxid-Emission verantwortlich. Beim Transport auf ist die sogenannte „Stickstoffeffizienz“ tierischer der Schiene ist die Emission bezogen auf die Güter- Produkte wesentlich geringer als die von pflanzlichen kilometer wesentlich geringer. Hier fahren vielfach Produkten: Nur etwa 20 Prozent des Stickstoffs, der elektrisch getriebene Lokomotiven. Der Luftverkehr dem Tier in Form von Futtermitteln zugeführt wurde, spielt auf die umgeschlagenen Tonnen Güter bezo- wird auch in tierische Erzeugnisse umgesetzt (SRU gen keine große Rolle (SRU 2015). Umso relevanter 2015, S. 182). So stellt der individuelle Fleischkon- ist der Gütertransport per Schiff. Zum einen ent- sum eine wichtige Stellschraube dar, um den eigenen stehen Stickstoffoxide in den großen Binnenhäfen „Stickstoff-Fußabdruck“ zu verringern. Jedoch kann entlang des Rheins und im Seehafen in Hamburg. auch eine vegetarische Ernährung unter heutigen Während die Schiffe zur Be- und Entladung im Hafen Bedingungen die Stickstoffemissionen nicht komplett liegen, laufen die Haupt- oder schwerölbetriebenen verhindern. Denn die Düngung von Äckern und Fel- Nebenmaschinen, um die Bordstromversorgung dern, die über den eigentlichen Bedarf der Pflanzen sicherzustellen. Zum anderen emittieren Schiffe auf hinausgehen, führt zu Verlusten und Ansammlung ihren Wegen über die Wasserstraßen Deutschlands von reaktivem Stickstoff in der Umwelt. Stickstoffoxide. Der Ausstoß ist deutlich höher als bei anderen Verkehrsmitteln. Konsum und häuslicher Energieverbrauch Neben der Ernährung spielt auch das Heizen und der 1.2.4 Privater Konsum Kauf von Produkten eine direkte oder indirekte Rolle Der Verbrauch von Gütern für den privaten Bedarf beim Ausstoß von Stickstoffverbindungen. Stickstoff wird hier als „privater Konsum“ bezeichnet. In die- oxide entstehen bei jeglicher Art von Verbrennungs- sem Bereich wird zur Herstellung von Produkten oder prozessen, wie beim Antrieb von Verkehrsmitteln, der Ausübung verschiedener Tätigkeiten Stickstoff in Heizungsanlagen und Kraftwerken. Da alle Arten freigesetzt. Ein großer Anteil der Stickstoffemissionen von industriellen Produktionsprozessen Energie fällt auf die Ernährung. Wie beschrieben, wird in benötigen, verursacht jeder Produktionsschritt der Landwirtschaft und damit in der Produktion von Emissionen. Gleiches gilt für den Warentransport. Nahrungsmitteln sehr viel Stickstoff emittiert (sie- Jedes produzierte Gut trägt zur Umweltbelastung bei. he Abbildung 3). Zudem haben das Verhalten beim Gleichermaßen entstehen Emissionen, um Häuser zu Heizen und der Kauf von Produkten einen Einfluss heizen oder Wasser zu erwärmen. Eine Verringerung auf den Stickstoffausstoß. In diesem Bereich können des Konsums von Verbrauchsgütern sowie bauliche Konsument*innen direkt durch ihr Verhalten zur Maßnahmen zur Senkung des Energiebedarfs beim Minderung von Emissionen beitragen. Sie können Wohnen können wichtige Beiträge zur Stickstoff 12
Hintergrund und Anlass für den Dialog mit Bürger*innen Abbildung 3 Anteile der Konsumbereiche am gesamten „Stickstoff-Fußabdruck“ (analog zum ökologischen Fußabdruck) in Kilogramm Stickstoff (N) pro Jahr 0,67 kg 0,67 kg Güter und Dienstleistung Haushalt 1,33 kg Mobilität 19,57 kg Ernährung Quelle: www.n-print.org reduktion leisten. Sie tragen nicht nur zur Entspan- Das Bundesumweltministerium veröffentlichte 2016 nung der Stickstoffproblematik bei, sondern wirken das „Integrierte Umweltprogramm 2030“. Es nimmt sich auch positiv auf den Klimaschutz aus. die Vorgabe des Gutachtens auf und spricht sich ebenfalls für die Entwicklung einer umfassenden nationalen Stickstoff-Strategie aus. Diese soll zur 1.3 Auf dem Weg zu einer nationalen mittel- und langfristigen, deutlichen Absenkung der Stickstoffminderung Stickstoffeinträge beitragen. Des Weiteren soll die Strategie bereits vorhandene Ziele und Maßnahmen Das Sondergutachten „Stickstoff: Lösungsstrategi- zur Stickstoffemissionsminderung bündeln und en für ein drängendes Umweltproblem“ ist zentral weitere Ziele, Maßnahmen und Instrumente anfügen. für die Debatte um Stickstoff geworden. Es wurde Dabei sollen alle maßgeblichen Verursachersektoren 2015 vom Sachverständigenrat für Umweltfragen (Landwirtschaft, Energiewirtschaft, Industrie, Ver- (SRU) veröffentlicht (SRU 2015). In dem Gutachten kehr) einbezogen werden (BMUB; BMEL 2016). empfiehlt das wissenschaftliche Beratungsgremium der Bundesregierung unter anderem eine nationale In Deutschland existiert pro Jahr ein „Stickstoffüber- Stickstoff-Strategie zu entwickeln. schuss“ von etwa 1.600 Kilotonnen. Es wird also 13
Hintergrund und Anlass für den Dialog mit Bürger*innen mehr reaktiver Stickstoff in Umlauf gebracht als in Ein umfassender, integrierter Ansatz über alle Pro elementaren Stickstoff umgewandelt werden kann blembereiche hinweg fehlt bislang. (UBA 2020d). Um diesen Überschuss verursacher gerecht zu senken, unterstreicht die Bundesregierung Stickstoff wird jedoch nicht nur auf nationaler in ihrem ersten Stickstoff-Bericht 2017 die Notwen- Ebene reguliert: Ein Großteil der deutschen umwelt- digkeit eines integrierten Politikansatzes und einer rechtlichen Regelungen basiert auf europäischen sektoren- und medienübergreifenden Strategie zur Vorgaben. Entsprechend findet sich im europäi Stickstoffminderung. Außerdem ist die Entwicklung schen Unionsrecht eine Vielzahl von stickstoff- eines Aktionsprogramms zur integrierten Stick- bezogenen Regelungen. EU-Richtlinien setzen stoffminderung als konkreter Umsetzungsschritt wiederum viele stickstoffbezogene, völkerrecht angedacht. Das Aktionsprogramm soll die stickstoff- liche Verträge um. Diese umfassen unter anderem bezogenen Synergien zwischen den verschiedenen Luftreinhaltung, G ewässerschutz, Boden- und anlaufenden und kommenden Programmen der Bun- Naturschutz sowie Landwirtschaft. Das N ationale desregierung identifizieren und stärken (BMU 2017). Luftreinhalteprogramm legt beispielsweise die Es soll auch darüber hinaus gehende Minderungs- Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter bedarfe offenlegen und geeignete Maßnahmen zur Luftschadstoffe fest und setzt damit die EU-Richt- Reduktion von Stickstoff benennen. In der Umsetzung linie „(EU) 2016/2284“2 um. Ein weiteres Beispiel dieser Maßnahmen soll der Stickstoffüberschuss ist die Düngeverordnung mit dem die Vorgaben der Deutschlands auf maximal 1.000 Kilotonnen jährlich EU-Nitrat-Richtlinie erreicht werden sollen. bis zum Jahr 2030 gesenkt werden (UBA 2020a; UBA 2020b). Das Stickstoff-Aktionsprogramm ist auch in der Deut- schen Nachhaltigkeitsstrategie berücksichtigt, die als Dachstrategie für die gesamte Bundesregierung dient (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2018). Deren Weiterentwicklung wird im ersten Quar- tal 2021 veröffentlicht. Neben dem spezifischen Aktionsprogramm gibt es auf allen politischen Ebenen gesetzliche Regelungen, die Stickstoffemissionen entweder direkt adressie- ren oder indirekt beeinflussen. Der Grundsatz des Vorsorgeprinzips soll dabei verhindern, dass Gefah- ren für Mensch und Umwelt überhaupt entstehen. Mit dem nachhaltigen Umgang mit Ressourcen wie Wasser, Boden und Luft können gleichzeitig auch vielfältige Stickstoffemissionen vermieden werden. Des Weiteren gibt es spezifische rechtliche Anforde- rungen, die eine Reduktion von Stickstoffverbindun- gen im Verkehr oder der Landwirtschaft vorschrei- ben. Zielwerte bestehen hier beispielsweise schon für Stickstoffüberschüsse in der Landwirtschaft, für die Minderung des Ausstoßes der Luftschadstoffe Ammoniak und Stickstoffoxide und für die Stickstoff- menge der in die Nord- und Ostsee mündenden Flüsse (BMU 2017). Dabei wird aber immer nur ein einzelner Problembereich geregelt. 2 im Englischen: National Emission Ceilings Directive, kurz NEC-Richtlinie 14
Im Dialog mit Bürger*innen
Ziele des Dialogs Teilnehmer*innen und deren Auswahl Ablauf des Dialogverfahrens und Formate Kritische Reflexion des Prozesses 2
Im Dialog mit Bürger*innen 2.1 Ziele des Dialogs Die Auswahl der Teilnehmenden erfolgte durch das Zufallsprinzip, um möglichst viele Blickwinkel und Das Ziel des Beteiligungsverfahrens „Stickstoff: Betroffenheiten in den Dialog einfließen zu lassen. Zuviel des Guten!“ war, dass sich Bürger*innen Außerdem sollten Menschen verschiedenen Ge- informieren und ihre Sicht auf die Stickstoffproblema- schlechts, Alters, beruflicher und schulischer Hinter- tik in den Prozess einbringen können. Dabei sollten gründe sowie Herkünfte vertreten sein. Meinungen gemeinsam Ideen und Vorschläge zur Reduktion von und Vorschläge zur Stickstoffminderung sollten Stickstoffemissionen erarbeitet werden. von Menschen beigetragen werden, die sich für das Thema interessieren und gegebenenfalls Wissen zu Bürger*innen wurden zum Dialog eingeladen, weil der jeweils regionalen Problematik mitbringen. Es ihre Außensicht und Problemwahrnehmung als war jedoch nicht erforderlich, dass sie sich professio- Stärke gesehen und geschätzt werden. Das lokale nell damit auseinandersetzen. Wissen der Bevölkerung, insbesondere zu regionalen t Problemschwerpunkten, soll in die Betrachtung der Für die Einladung wurde ein Zufallsprinzip mit einer Stickstoffproblematik und in das Forschungsvorha- Quote bestimmter Bevölkerungsgruppen gewählt, um ben zum Stickstoff-Aktionsprogramm einfließen. eine vielfältige Zusammensetzung der Teilnehmenden zu erreichen. Dieses „quotierte Zufallsprinzip“ wird in der Fachliteratur als positiv bewertet, denn es vermin- ZIELE DES BETEILIGUNGSVERFAHRENS dert das Risiko der Selbstauswahl3 der Eingeladenen. Das greift oft in offenen, nicht quotierten Rekrutierun- ▸ inhaltlich: die Bürger*innen entwickeln gen. Die gewählte Vorgehensweise der schriftlichen, Ideen und schlagen Maßnahmen aus personifizierten Einladung erreicht zudem Bevölke- ihrer Perspektive vor rungskreise, die durch offene Beteiligungsangebote ▸ kommunikativ: die Bürger*innen werden oftmals nicht erreicht werden. Die Auswahl der Teil- informiert und sensibilisiert nehmenden wird somit ausgewogener und vielfältiger (Nanz u. Fritsche 2012, S. 27). Im Bürger*innen-Dialog „Stickstoff: Zu viel des Guten!“ wurden die Stichpro- ben hinsichtlich Alter und Geschlecht entsprechend 2.2 Teilnehmer*innen und deren Auswahl dem Bevölkerungsabbild quotiert. Im September und Oktober 2019 fanden vier Ver- anstaltungen an verschiedenen Orten in Deutsch- 3 Man spricht von Selbstauswahl oder Selbstselektion, wenn es ein öffentliches Ange- bot der Beteiligung gibt. Dabei wird nicht persönlich, sondern allgemein eingeladen land statt. Insgesamt nahmen 110 Bürger*innen und alle Interessierten können das Angebot wahrnehmen. Die Selbstauswahl der Teilnehmenden bevorzugt in der Regel beteiligungsaffine Menschen und wirkt sich an diesen „Regionalkonferenzen“ mit regionalen negativ auf die Vielfältigkeit der Gruppe aus. Bei einem Zufallsprinzip haben alle Bürger*innen durch eine Losung und die folgende persönliche Einladung die gleiche Themenschwerpunkten teil. Chance teilzunehmen (Bertelsmann Stiftung 2017, S. 6). Wie funktioniert ein quotiertes Zufallsverfahren? Die 16.314 angeschriebenen Personen wurden von den ausgewählten Kommunen per Zufallsstichprobe aus den Melderegistern ausgewählt. Dadurch hatten alle Bürger*innen in den ausgewählten Regio- nen dieselbe Chance, eingeladen zu werden und teilzunehmen. Da im vorliegenden Fall ein quotiertes Verfahren gewählt wurde, wurden zusätzlich zur Anschrift auch Geschlecht und Alter ermittelt. In die- ser Stichprobe wurden drei Altersgruppen gemäß ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung (18-29 Jahre: 20 %, 30-49 Jahre: 40 %, 50+: 40 %) sowie ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis berücksichtigt. Durch das Bundesumweltministerium war die durchführende Agentur Zebralog dazu berechtigt, Aus- künfte aus den Melderegistern zu beantragen. Auskünfte können beantragt werden, wenn ein öffentli- ches Interesse vorliegt – so wie in diesem Fall für die Entwicklung eines Aktionsprogramms. 18
Im Dialog mit Bürger*innen Abbildung 4 Veranstaltungsorte der Regionalkonferenzen mit Informationen zu den Einzugsbereichen der eingeladenen Teilnehmenden und den thematischen Schwerpunkten Oldenburg Wardenburg ,Edewech ,Edewechtt Schwerpunkt Landwirtschaft 28. September 2019 Weimar Schwerpunkte Konsum, Ernährung und Mobilität 21. September 2019 Duisburg Krefeld Kassel Schwerpunkte Industrie und Energiewirtschaft Delegiertenkonferenz 21. September 2019 25.–26. Oktober 2019 Stuttgart Ostfildern, Kornswestheim rnswestheim Schwerpunkt Verkehr 12. Oktober 2019 Quelle: Umweltbundesamt Das bedeutet, dass in jeder Altersgruppe zur Hälfte An den vier Veranstaltungsorten Weimar, Oldenburg, Frauen und zur Hälfte Männer eingeladen wurden. Stuttgart und Duisburg sowie teilweise deren Umkrei- Die Zusammensetzung der Teilnehmenden fand sen wurden insgesamt 16.314 Bürger*innen posta- entsprechend der Altersverteilung in der Bevölkerung lisch kontaktiert. Die Auswahl fand aufgrund von Da- statt (siehe Infobox S. 18). Für die Teilnahme wurden ten aus den Melderegistern statt (siehe Infobox S. 18). möglichst gleiche Bedingungen geschaffen und eine Aus den Interessensbekundungen sollten die Teil- Aufwandspauschale gezahlt, damit die entstehenden nehmenden für die Regionalkonferenzen entlang der Anreisekosten kein Ausschlusskriterium darstellten. Merkmale Alter, Geschlecht und Bildungsstand gelost 19
Im Dialog mit Bürger*innen Abbildung 5 Zusammensetzung der Teilnehmenden der Regionalkonferenzen nach Geschlecht und Altersgruppe 18–29 Jahre 30–49 Jahre 50+ Jahre 19% 32% 50% männlich weiblich Quelle: Umweltbundesamt werden. Im ersten Durchgang wurden 10.000 Perso- kurzfristige Absagen nur schwer zu verhindern sind, nen angeschrieben. Da jedoch nicht ausreichend viele werden normalerweise mehr Teilnehmende eingela- Interesse an einer Teilnahme bekundeten, wurde in den, um die No-Show-Rate auszugleichen. Da nach einem zweiten Schritt nochmals eine Zufallsstich der ersten Nachrekrutierung nicht mehr genügend probe aus 6.364 Adressen zusammengestellt. Zeit blieb, konnte in diesem Verfahren kein weiteres Mal nachrekrutiert werden. Letztendlich bekundeten insgesamt 202 Personen Interesse am Dialog teilzunehmen. Alle Interessier- Die gewünschte Vielfältigkeit der Teilnehmenden ten wurden zu den Veranstaltungen angemeldet. Die konnte leider nicht erzeugt werden. Insgesamt ist es Losung der Teilnehmenden entfiel somit aufgrund der nur in der Gruppe der unter 30-Jährigen gelungen, geringen Menge an Rückmeldungen. mehr Frauen als Männer zu beteiligen. Dies wird in der kritischen Reflexion des Prozesses betrachtet Bei den Veranstaltungen war eine teilweise unge- (Kapitel 2.4). Bei der Anmeldung machten die Teil- wöhnlich hohe „No-Show-Rate“ von 50 Prozent nehmenden weitere persönliche Angaben. Dadurch festzustellen: Es erschienen also nur etwa die Hälfte wurde deutlich, dass mehr als die Hälfte der Teilneh- der angemeldeten Personen. Hier spielen vielfältige, menden über einen Studienabschluss verfügt (siehe tagesaktuelle Gründe wie Wetter, alternative Veran- Abbildung 6) und sich regelmäßig gesellschaftlich staltungen, Feiertage oder Krankheit eine Rolle. Da und politisch engagiert. Dazu zählt zum Beispiel die 20
Im Dialog mit Bürger*innen Im Dialog mit Bürger*innen Abbildung 6 Bei der Anmeldung angegebener höchster Bildungsabschluss der Teilnehmenden der Regionalkonferenzen 1% Hauptschulabschluss 1% Kein Schulabschluss 2% Realschulabschluss 17% Allgemeine Hochschulreife 53 % 26 % Akademischer Abgeschlossene Abschluss Berufsausbildung Quelle: Umweltbundesamt Teilnahme an Wahlen oder Demonstrationen. Außer- dem gaben knapp ein Drittel der Interessierten bei der Anmeldung an, einen Bezug zum Thema „Stickstoff“ zu haben. Das steht möglicherweise mit regionalen Problemen in Zusammenhang, wie zum Beispiel mit Herausforderungen im Bereich Landwirtschaft im Umfeld von Oldenburg. Etwa 20 Prozent dieser Men- schen gab sogar an, mit dem Thema sehr gut vertraut zu sein. Insgesamt war das Feld der Teilnehmenden durchaus vielfältig. Es nahmen Menschen im jungen Erwach- senenalter von 18 Jahren bis zum Rentenalter von 69 Jahren, ohne Schulabschluss oder mit Promotion, mit wenig Interesse am Thema bis hin zu Fachkenntnis- sen teil. Charakteristisch für den Teilnehmendenkreis ist jedoch der ältere, akademisch gebildete Mann mit politischem Interesse und thematischem Vorwissen. 21
Im Dialog mit Bürger*innen Abbildung 7 Ablauf des Beteiligungsprozesses mit Bürger*innen zum Stickstoff-Aktionsprogramm 21. und 28. September, 12. Oktober 2019 25. und 26. Oktober 2019 Anfang November 2019 Wissenschaftliche Regionalkonferenzen Kommentierung Delegiertenkonferenz in Duisburg, Weimar, in Kassel der Ergebnisse aus den Oldenburg und Stuttgart Konferenzen 2.3 Ablauf des Dialogverfahrens die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und und Formate nukleare Sicherheit, Svenja Schulze, übergeben. Der Beteiligungsprozess wurde im Winter 2018/2019 Der Kontakt zu den Teilnehmenden des Prozesses konzipiert und startete im Herbst 2019. Zunächst wurde über schriftliche Informationen per E-Mail fanden vier Regionalkonferenzen statt, auf die eine oder Brief sowie die Online-Plattform „www.stick- Delegiertenkonferenz im Oktober 2019 folgte. Daran stoff-dialog.de“ gehalten. nahm eine Auswahl von Teilnehmenden aus den Re- gionalkonferenzen teil, die nach freiwilliger Meldung 2.3.1 Regionalkonferenzen ausgelost wurden. Sie trugen auf der Delegiertenkon- Auf den vier Regionalkonferenzen wurden im Herbst ferenz die erarbeiteten Vorschläge aus den Regio- 2019 lokale Problemschwerpunkte und übergreifende nalkonferenzen zusammen. So wurden schließlich Themen diskutiert. Der inhaltliche Fokus der Stickstoff- 31 Ansätze zu 16 Maßnahmen zusammengeführt und problematik orientierte sich an den Sektoren, die im weiter ausgearbeitet. Auf allen Veranstaltungen wa- Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen ren Vertreter*innen des Bundesumweltministeriums vorgeschlagen wurden: Industrie; Energiewirtschaft und und des Umweltbundesamts vertreten. Sie begrüßten Güterverkehr; Konsumverhalten, Ernährung und Mobili- die Bürger*innen, gaben Hintergrundinfos zum Pro- tät; Landwirtschaft und Verkehr (siehe Kapitel 1.2). jekt und standen für Rückfragen zur Verfügung. Der Delegiertenkonferenz folgte eine Bewertungs- möglichkeit im Internet. Diese „Online-Bewertung“ bot allen Teilnehmenden der Regionalkonferenzen Einblick in die 16 vorgeschlagenen Maßnahmen. Alle DIE ZIELE DER REGIONALKONFERENZEN: Maßnahmen wurden vor der Online-Bewertung vom ▸ Information zum und Sensibilisierung für beauftragten Forschungsinstitut mit einer wissen- das Thema Stickstoff schaftlichen Einschätzung versehen. ▸ Information und Aufklärung über fachliche und politische Prozesse Die 16 ausgearbeiteten Vorschläge wurden anschlie- ▸ Sammlung und Dokumentation von Ideen ßend in einem zentralen Ergebnisdokument – dem zur Stickstoffminderung „Bürger*innen-Ratschlag“ – veröffentlicht. Im Fe ▸ Erstellung eigener Maßnamenvorschläge bruar 2020 wurde dieses Dokument im Rahmen einer Veranstaltung im Bundesumweltministerium an 22
Im Dialog mit Bürger*innen 25. November bis 09. Dezember 2019 12. Februar 2020 27. November 2020 Online-Bewertung Übergabe ans BMU Abschlussinterview Ergebnisse der Rückmeldung zur Verwen- der Vorschläge Beteiligung dung der Ergebnisse Quelle: Umweltbundesamt Die Bürger*innen erhielten vor jeder Veranstaltung führte adelphi, der wissenschaftliche Partner des Informationsdossiers zu den wissenschaftlichen Projektes, in einem Fachvortrag in die wichtigsten Grundlagen der jeweils im Fokus stehenden Umwelt- Inhalte der Stickstoffproblematik ein. Dabei wurden problematik. Damit konnten sie sich inhaltlich auf exemplarisch die verschiedenen Instrumente politi- den Dialog vorbereiten. scher Steuerung (wie zum Beispiel Verbote, Subventi- onen, Steuern) skizziert. Die Regionalkonferenzen dauerten jeweils etwa sieben Stunden. Den zeitlichen Ablauf zeigt Tabelle 1. Die Teilnehmenden der Regionalkonferenz sollten Die eingeladenen Bürger*innen konnten in einem mögliche Maßnahmen frei entwickeln. Die Bürger*in- angeleiteten, kreativen Prozess ihre Ideen einbrin- nen brachten am Vormittag Ideen ein, die sie am gen, eigene Maßnahmen vorschlagen und diese dann Nachmittag ausdifferenzierten. Zudem wurden die gemeinsam ausarbeiten. Auf jeder Regionalkonferenz Ideen anhand der Kriterien „Umsetzbarkeit, Akzep- Tabelle 1 Ablauf der Regionalkonferenz in Oldenburg am 28. September 2019 Zeiten Programmpunkte 10:00 Uhr Plenum: Begrüßung und Einführung in das Thema Stickstoff 11:15 Uhr Werkstatt 1: Sich dem Thema „Stickstoff“ nähern 12:15 Uhr Mittagessen 13:30 Uhr Plenum: Fachvortrag zum Thema Stickstoff in der Landwirtschaft 14:15 Uhr Werkstatt 2: Ideen generieren und sammeln 15:15 Uhr Werkstatt 3: Ideen in Maßnahmen übersetzen 16:00 Uhr Plenum: Ausstellung der Maßnahmensteckbriefe und Bewertung 16:30 Uhr Plenum: Abschluss mit Losung und Benennung der Delegierten sowie A uswertung der Veranstaltungen Quelle: Umweltbundesamt 23
Im Dialog mit Bürger*innen Kleingruppenarbeit auf der Regionalkonferenz in Weimar Bewertung der Steckbriefe mit Klebepunkten durch die Bürger*innen tanz und Effizienz“ zusammengefasst. Das Ziel dieses teten die Möglichkeit positiv, einen Beitrag zu einem Arbeitsschrittes war es, Ideen zu identifizieren, die politischen Maßnahmenfindungsprozess leisten und möglichst viele der Kriterien erfüllen. Im Anschluss zugleich ihren persönlichen Erfahrungs- und Wis- sollten sie zu Maßnahmen weiterentwickelt werden. senshorizont erweitern zu können. Die Mehrheit der Dazu bekamen die Teilnehmenden Vorlagen in Form Mitwirkenden zeigte sich zudem mit den erarbeite- von Steckbriefen. Diese gaben Kategorien wie Kurzbe- ten Ideen und Vorschlägen überwiegend zufrieden. schreibung, Ziel, Art der Umsetzung, Adressat*innen Einige hätten sich jedoch mehr Zeit gewünscht, um und Bedenken vor. Entlang dieser Kategorien wurden die Ideen weiter auszuarbeiten. Darüber hinaus zwei- die Maßnahmenvorschläge skizziert und eingeordnet. felten einige Bürger*innen am Wert ihrer Beiträge im Vergleich zu denen von Fachexpert*innen. Sie waren besorgt, dass ihre Hinweise weniger Wirkung zeigen „Diese Regionalkonferenz war ein guter Beitrag zur würden als die Vorschläge von Interessenvertretun- Demokratisierung der Gesellschaft.“ gen (Diskussion dazu in Kapitel 2.4.4.). Teilnehmer*in in Weimar „Es war ein schöner und informativer Tag. Es hat Auf jeder Regionalkonferenz wurden sechs freiwillige mir viel Spaß gemacht aktiv teilnehmen zu können.“ Abgeordnete für die Delegiertenkonferenz ausgelost. Teilnehmer*in in Oldenburg Der Grund für diese Auslosung war das hohe Interes- se der Teilnehmenden als Delegierte*r weiter mitzu- arbeiten. „In Gesprächen mit den anderen Beteiligten wurden sehr oft Bedenken geäußert, dass der Dialog gegenüber Die Bürger*innen erhielten für die Teilnahme an einer der Lobby keinen Bestand hat.“ Regionalkonferenz eine Aufwandsentschädigung in Teilnehmer*in in Stuttgart Höhe von 30 Euro. Zum Ende jeder Dialogveranstaltung bewerteten die 2.3.2 Delegiertenkonferenz Teilnehmer*innen den Ablauf und Inhalt. Die Bewer- Die Delegiertenkonferenz Ende Oktober 2019 bün- tung ergab ein durchgängig positives Stimmungsbild. delte und vertiefte die Erkenntnisse aus den vier Die Beteiligten wertschätzten den Austausch mit den bundesweit veranstalteten Regionalkonferenzen. unterschiedlichen Teilnehmenden. Dazu gehörten Auf der Delegiertenkonferenz war es möglich, die auch die wissenschaftlichen Expert*innen sowie die Ergebnisse der Regionalkonferenzen im kleineren Vertreter*innen des Bundesumweltministeriums und Kreis von 22 Teilnehmenden intensiv zu diskutieren des Umweltbundesamtes. Die Bürger*innen bewer- und die Ergebnisse zu konkretisieren. Außerdem bot 24
Im Dialog mit Bürger*innen die Delegiertenkonferenz die Chance, die Resultate über die regionalen Themen hinweg auszutauschen sowie die vorgeschlagenen Maßnahmen aus den verschiedenen Themenbereichen zu bündeln und auszudifferenzieren. Am Ende der Delegiertenkonferenz standen 16 Maß- nahmensteckbriefe, in denen die jeweiligen erar- beiteten Maßnahmen kurz skizziert wurden. Des Weiteren waren Ziele, die Zielgruppe, Umsetzungs- perspektive und gegebenenfalls Bedenken der Die Teilnehmenden der Delegiertenkonferenz in Kassel Bürger*innen aufgelistet. Diese Steckbriefe wurden allen Teilnehmenden der Regionalkonferenzen zu einer Online-Abstimmung vorgelegt. Dafür waren sie Aufwandsentschädigung. Außerdem wurden ihnen mit einer wissenschaftlichen Einschätzung versehen die Kosten für Fahrt, Kost und Logis am Tagungsort und bilden den Kern des Bürger*innen-Ratschlags. Kassel erstattet. Analog zu den Regionalkonferenzen erhielten die Die von den Regionalkonferenzen entsendeten Teilnehmenden der Delegiertenkonferenz 30 Euro Bürger*innen zeichneten sich auf der Delegierten- Tabelle 2 Ablaufplan der Delegiertenkonferenz am 25. und 26. Oktober 2019 in Kassel Zeiten Programmpunkte Freitag, 25. Oktober 2019 13:30 Uhr Empfang 14:00 Uhr Begrüßung und Kennenlernen 14:45 Uhr Vorstellung Endprodukt „Wie soll der Bürger*innen-Ratschlag aussehen?“ Fachvortrag adelphi • Zusammenfassung der Ergebnisse der Regionalkonferenzen • Integrierter Ansatz der Stickstoffminderung 15:20 Uhr Gallery Walk mit Kaffeepause: Sichtung der Maßnahmen aller Regionalkonferenzen 16:00 Uhr "Kopfstand"-Methode in Kleingruppen: Prüfung und Verbesserung der Maßnahmen 18:15 Uhr Gemeinsamer Abschluss des Tages 19:00 Uhr Abendessen im Restaurant und anschließend freie Abendgestaltung Zeiten Programmpunkte Samstag, 26. Oktober 2019 9:30 Uhr Begrüßung und Einstieg in die nächste Arbeitsphase 9:45 Uhr Redaktionsphase in Kleingruppen: Überarbeitung und redaktionelle Aufarbeitung der Maßnahmen für die Online-Bewertung und den Bürger*innen-Ratschlag 12:30 Uhr Nächste Schritte und Abschluss: Würdigung der Arbeit und Erläuterung der nächsten Schritte im Beteiligungsverfahren 13:00 Uhr Mittagessen und individuelle Rückfahrt Quelle: Umweltbundesamt 25
Im Dialog mit Bürger*innen Abbildung 8 Screenshot eines Maßnahmensteckbriefs im Rahmen der Online-Bewertung Abbildung 13 Screenshot eines Maßnahmensteckbriefs im Rahmen der Online-Bewertung Quelle: www.n-print.org Quelle: www.stickstoff-dialog.de/dialog/konsum 26
Im Dialog mit Bürger*innen konferenz durch aktive Mitarbeit und große Diskus- sein, dass die zu bewertenden Maßnahmen bereits sionsbereitschaft aus. Die Bürger*innen nannten mehrere Auswahlprozesse und Verbesserungen durch als Motivation für die Teilnahme unter anderem die die Bürger*innen durchlaufen haben. Erweiterung des eigenen Wissens und die Beteiligung am politischen Prozess. Unsicherheiten gab es erneut 2.3.4 Übergabe-Veranstaltung in Bezug auf die Qualifikation und Grenzen des eige- Am 12. Februar 2020 fand die Übergabe der erar- nen Wissens. Dennoch sahen die Teilnehmenden die beiteten Maßnahmenvorschläge im Rahmen einer Beteiligung als ihre „Staatsbürger*innenpflicht“ an halbtägigen Veranstaltung in Berlin statt. Die Maß- (Diskussion dazu in Kapitel 2.4.4.). nahmenvorschläge wurden als gedruckte Broschüre ‒ dem "Bürger*innen-Ratschlag" ‒ an die Bundes- 2.3.3 Online-Bewertung ministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Si- Der Delegiertenkonferenz folgte eine Online-Bewer- cherheit, Svenja Schulze, übergeben. Im Rahmen der tung. Darin erhielten nochmals alle Teilnehmenden Veranstaltung hatten die Teilnehmenden die Möglich- der Regionalkonferenzen die Möglichkeit, die Ergeb- keit ihre Vorschläge direkt mit der Bundesministerin nisse der Delegiertenkonferenz zu beurteilen. Außer- zu diskutierten. Zudem wurde das Engagement der dem wurden die dazugehörigen, wissenschaftlichen Bürger*innen honoriert. 21 Teilnehmende folgten der Einschätzungen des Forschungsinstituts adelphi Einladung nach Berlin. Zwei dieser Teilnehmenden präsentiert. Das Ziel der Online-Bewertung lag darin, stellten die Kernbotschaften in einem Vortrag dar. Im anschließenden Gespräch beantwortete die Ministe- ► den Teilnehmer*innen eine erste wissenschaftli- rin Fragen zur weiteren Umsetzung der vorgeschlage- che Einschätzung zur Ausgestaltung und Umset- nen Maßnahmen. Sie bat auch um eine Einschätzung zung der erarbeiteten Maßnahmenvorschläge zu der Bürger*innen zur Ausgestaltung des Bürger*in- geben. Je nach Detailgrad der jeweiligen Steck- nen-Dialogs. Die Bundesministerin betonte, dass der briefe analysierte das Forschungsinstitut adelphi Dialog ein wichtiger Baustein sei, um das Problem- die Vorschläge in Bezug auf Effektivität, Effizienz, bewusstsein für das Thema Stickstoff in der Bevölke- Kosten, juristische und technische Umsetzbarkeit. rung zu schärfen. Das Ministerium erhält auf diesem Des Weiteren formulierte adelphi Ansätze zur Wege auch Hinweise, welche Maßnahmen und Hand- Präzisierung der Vorschläge. lungsbereiche den Bürger*innen besonders wichtig sind. In ihrem Grußwort zeigte sich die Ministerin be- ► von den Teilnehmer*innen eine Bewertung zu eindruckt von den vielfältigen Maßnahmenvorschlä- jeder Maßnahme abzufragen und Hinweise zur gen und Ideen, die von Seiten der Teilnehmenden Akzeptanz zu gewinnen. Es sollte identifiziert werden, welche Maßnahmen auf Zustimmung und 4 Auf einer Skala von 1 (irrelevant) bis 5 (sehr wichtig) konnten bezüglich der Einfüh- welche auf Ablehnung stoßen. rung der Maßnahme Punkte vergeben werden. Dabei wurden nur 3 bis 5 Punkte durch die Teilnehmenden vergeben. Im Spätherbst 2019 hatten die 110 Teilnehmenden der Regionalkonferenzen über einen Zeitraum von etwa zwei Wochen die Möglichkeit, die 16 Maßnah- menvorschläge zu bewerten und zu kommentieren. Insgesamt nutzen 45 Teilnehmer*innen diese Mög- lichkeit. Sie verdeutlichten somit, welche Maßnah- menvorschläge ihnen am wichtigsten waren. Durch- schnittlich beurteilten die Mitwirkenden jeweils zehn Maßnahmen. In 88 Kommentaren skizzierten die Teilnehmenden weitere Ideen oder äußerten Beden- ken zur Ausgestaltung der Maßnahmen. Letztendlich gab die Online-Bewertung Auskunft darüber, welche Maßnahmen die Bürger*innen gerne priorisiert um- gesetzt sehen würden. Dabei wurden keine Maßnah- men abgelehnt, sondern alle Maßnahmen tendenziell positiv bewertet4. Dies wird auch darin begründet Die Teilnehmenden der Übergabe-Veranstaltung in Berlin. 27
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