Gemeinschafts-diagnose - Deutsche Wirtschaft stagniert - Jetzt Wachstumskräfte stärken - RWI Essen

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Gemeinschafts-
                                  diagnose

Deutsche Wirtschaft stagniert –   Herbst 2014
 Jetzt Wachstumskräfte stärken
Dienstleistungsauftrag des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose gehören an:
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V.
www.diw.de
in Kooperation mit:
Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
www.wifo.ac.at

ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.
www.ifo.de
in Kooperation mit:
KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich
www.kof.ethz.ch

Institut für Wirtschaftsforschung Halle
www.iwh-halle.de
in Kooperation mit:
Kiel Economics
www.kieleconomics.de

Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung
www.rwi-essen.de
in Kooperation mit:
Institut für Höhere Studien Wien
www.ihs.ac.at

Impressum
Abgeschlossen in Berlin am 7. Oktober 2014
Herausgeber: Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose
Bezug: DIW Berlin, Mohrenstraße 58, 10117 Berlin
Bezugspreis: 10 Euro
Satz: eScriptum GmbH & Co KG, Berlin
Druck: USE gGmbH, Berlin
Alle Rechte vorbehalten
Vorwort

Die Institute der Projektgruppe Gemeinschaftsdiag­           Im Vorfeld dieser Gemeinschaftsdiagnose haben wir
nose legen hiermit ihre im Auftrag des Bundesministe­        Gespräche mit Vertretern verschiedener Institutionen
riums für Wirtschaft und Energie erstellte Analyse der       geführt. Wir danken unseren Gesprächspartnerin­
Entwicklung der deutschen Wirtschaft und der Welt­           nen und -partnern in den Bundesministerien, in der
wirtschaft vor. Diese 129. Gemeinschaftsdiagnose steht       ­Deutschen Bundesbank, beim Sachverständigenrat zur
unter dem Titel                                               ­Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung,
                                                               in der Europäischen Zentralbank und im Statistischen
                                                               Bundesamt, die erneut sehr zum Gelingen der Gemein­
Deutsche Wirtschaft stagniert –                                schaftsdiagnose beigetragen haben.
Jetzt Wachstumskräfte stärken
                                                              Die Gemeinschaftsdiagnose wäre nicht möglich ohne die
Die Analyse zeigt, dass die Einschätzung der Institute        Beteiligung eines großen Teams von ­Mitarbeiterinnen
vom Frühjahr 2014 wohl zu optimistisch war. Im vor­           und Mitarbeitern. Unmittelbar an dieser Gemeinschafts­
liegenden Gutachten prognostizieren die Institute einen       diagnose waren beteiligt: Dr. György Barabas (RWI),
Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von nur 1,3 Prozent         Dr. Tim Oliver Berg (ifo), Dr. Franziska ­Bremus (DIW),
(68 Prozent-Prognoseintervall: 1,1–1,5 Prozent). Auch         Karl Brenke (DIW), Dr. Christian Breuer (ifo), Dr. ­Andreas
für das kommende Jahr, für das die Institute nunmehr          Cors (Kiel Economics), Kristina van D ­ euverden (DIW),
einen Anstieg um 1,2 Prozent erwarten, wurden die Er­         Dr. Jonas Dovern (Kiel Economics), Dr. Katja ­Drechsel
wartungen gegenüber dem Frühjahr deutlich herunter­           (IWH), ­A ndrej Drygalla (IWH), Dr. Stefan Ederer,
geschraubt. Vor einem halben Jahr waren noch Verän­           (WIFO), Dr. Hella Engerer (DIW), Angela ­Fuest (RWI),
derungsraten für das Bruttoinlandsprodukt von 1,9 Pro­        Heinz Gebhardt (RWI), Dr. ­Christian ­Glocker (WIFO),
zent für dieses und 2,0 Prozent für kommendes Jahr            Christian Grimme (ifo), Dr. Daniela Grozea-Helmen­stein
erwartet worden.                                              (IHS), PD Dr. ­Jochen Hartwig (KOF), P   ­ eter H
                                                                                                              ­ ennecke
                                                              (Kiel Economics), Dr. Steffen ­Henzel (ifo), ­Philipp ­Jäger
Nicht nur die Institute wurden in ihren Erwartungen           (RWI), Dr. Simon Junker (DIW), M       ­ artina Kämpfe
enttäuscht; auch in den Unternehmen und bei den               (IWH), ­Konstantin ­K iesel (IWH), M­ ichael Kleemann
­privaten Haushalten hat sich Ernüchterung über die          (ifo), S
                                                                    ­ ebastian Koch (IHS), Dr. Philipp König (DIW),
 Aussichten breit gemacht. Dies liegt zum einen am           Dr. Axel Lindner (IWH), Dr. ­Brigitte Loose (IWH),
 außenwirtschaftlichen Umfeld: Die europäischen Nach­        Dr. ­Carsten-Patrick Meier (Kiel Economics), Martin
 barländer scheinen sich langsamer als erwartet von          ­Micheli (RWI), Dr. Claus ­Michelsen (DIW), Dr. Heiner
 der Krise zu erholen und die globale wirtschaftliche         Mikosch (KOF), Stefan Neuwirth (KOF), Dr. Wolfgang
 ­Dynamik hat sich eingetrübt. Zum anderen ­bleiben           Nierhaus (ifo), Svetlana Rujin (RWI), Stefan Schiman
  die binnenwirtschaftlichen Expansionskräfte hinter          (WIFO), Dr. Torsten Schmidt (RWI), Dr. Dirk Ulbricht
  den Erwartungen zurück: Die Institute waren bisher          (DIW), Dr. Klaus Weyerstraß (IHS), Dr. Elisabeth Wie­
  ­davon ausgegangen, dass die für Deutschland historisch     land (ifo), Dr. Klaus Wohlrabe (ifo), Dr. Götz Zeddies
   niedrigen Zinsen die Investitionstätigkeit stimulieren     (IWH) und Lina Zwick (RWI). Weitere Mitarbeiterinnen
   ­w ürden. Mehr und mehr zeichnete sich in den vergan­      und Mitarbeiter der Institute trugen zum Gelingen bei.
    genen Monaten aber ab, dass die deutsche Investitions­    Hierfür danken wir herzlich.
    schwäche nicht überwunden wird.
                                                             Für die Organisation der Gemeinschaftsdiagnose vor
Die Wirtschaftspolitik ist in diesem Umfeld gefordert,       Ort danken wir Bianka Zeglin stellvertretend für alle
die Wachstumsmöglichkeiten in Deutschland zu ver­            beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Deut­
bessern. Die deutsche Finanzpolitik hat angesichts           schen Instituts für Wirtschaftsforschung. Auch für die
einer momentan günstigen Haushaltslage gestalteri­           Erstellung der Druckfassung gilt unser Dank den Kolle­
sche Spielräume für einen Mix aus Abgabenentlastun­          ginnen und Kollegen des Deutschen Instituts für Wirt­
gen und zusätzlichen investiven Staatsausgaben.              schaftsforschung.

Berlin, den 7. Oktober 2014

Dr. Ferdinand Fichtner,                                      Prof. Dr. Oliver Holtemöller,
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V.             Institut für Wirtschaftsforschung Halle

Prof. Dr. Roland Döhrn,                                      Prof. Dr. Timo Wollmershäuser,
Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung    ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
                                                             an der Universität München e.V

GD Herbst 2014                                                                                                               3
Inhaltsverzeichnis

Kurzfassung9

1. Die Lage der Weltwirtschaft                                                            13
Überblick13
    Geldpolitische Wende im angelsächsischen Raum eingeleitet 13
    Finanzpolitik weniger restriktiv                          13
    Ausblick14
    Konjunkturrisiken haben zugenommen                        16
USA weiter im Aufschwung                                                                  16
Zunehmende Belastungen für die Konjunktur in China                                        18
Recht gute Konjunktur trotz Steuererhöhungen in Japan                                     19

2. Die Lage in der Europäischen Union                                                     21
Konjunktur im Euroraum schwächer als erwartet                                             21
    Kaum noch Konsolidierung der öffentlichen Haushalte im Jahr 2015                      22
    Phase niedriger Zinsen setzt sich fort                                                22
    Ausblick: Erholung bleibt verhalten                                                   24
Aufschwung in Großbritannien hält an                                                      28
Konjunkturaufschwung in Mittel- und Osteuropa verliert etwas an Kraft                     29

3.	Die wirtschaftliche Lage in Deutschland                                               31
Überblick31
Rahmenbedingungen und Annahmen für die Prognose 33
    Zinsen in Deutschland weiter sehr niedrig                                             33
    Finanzpolitik expansiv ausgerichtet                                                   34
Die Entwicklung im Einzelnen                                                              36
    Verhaltene Zunahme der Exporte, leicht dämpfende Impulse vom Außenbeitrag             36
    Ausrüstungsinvestitionen zunächst weiter schwach                                      38
    Bauinvestitionen bleiben aufwärts gerichtet                                           39
    Privater Verbrauch bleibt Stütze der Konjunktur                                       40
    Verbraucherpreise ziehen leicht an                                                    41
    Schwäche in der Industrie bremst gesamtwirtschaftliche Produktion                     42
    Reale Arbeitskosten steigen deutlich                                                  43
    Beschäftigungszunahme schwächt sich ab                                                44
    Staat erzielt Haushaltsüberschüsse                                                    46

4. Mittelfristige Projektion                                                              52
Schätzung des Produktionspotenzials                                                       52
Internationale und wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen                                54
Projektion der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bis 2019                                55

5. Zur Wirtschaftspolitik                                                                 58
    Eine bessere Wachstumsperspektive für Deutschland eröffnen                            58
    Elemente einer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik                               59
        Investitionsanreize setzen                                                        59
        Beschäftigungshemmnisse abbauen                                                   60
Zur Geldpolitik                                                                           61
    Geringer Preisdruck, aber weiterhin verankerte mittelfristige Inflationserwartungen   61
    Kredit- und Interbankenmarkt­f ragmentierung immer noch hoch                          62

GD Herbst 2014                                                                                  5
Inhaltsverzeichnis

                     Zum jüngsten Maßnahmenpaket der EZB                                                                   63
                        Zinssenkung und negativer Einlagesatz                                                              63
                        Neue längerfristige Refinanzierungsgeschäfte                                                       64
                        Neue Ankaufprogramme für Wertpapiere des privaten Sektors                                          64
                     Fazit65
               Zur Finanzpolitik                                                                                          66
                     Rückführung des strukturellen Defizits durch Sonderfaktoren begünstigt                               67
                     Konzentration auf eine investitions- und wachstumsfreundliche Finanzpolitik erforderlich             68

               6. Bewertung der außen­wirtschaftlichen Einflüsse
               auf die deutsche Konjunktur                                                                               70
               Aktuelle Entwicklungen                                                                                     70
               Analyse der Relevanz konjunktureller Entwicklungen in einzelnen Ländern
               für die deutsche Konjunktur                                                                                70
                     Außenwirtschaftliche Verflechtungen Deutschlands                                                      70
                     Analyse (ausländischer) Schocks auf die deutsche Konjunktur                                           71
               Analyse der Sanktionen in Folge des russisch-ukrainischen Konflikts                                        74
                     Sanktionen und Gegenreaktionen                                                                        74
                     Erwartungen von Unternehmen mit Russlandgeschäft                                                      75
               Schlussfolgerungen77

               Tabellenanhang78

               Verzeichnis der Kästen

               1. Die Lage der Weltwirtschaft

               2. Die Lage in der Europäischen Union
               Kasten 2.1           Zur Inflationsprognose für den Euroraum                                                26

               3. Die wirtschaftliche Lage in Deutschland
               Kasten 3.1           Zur Veränderung der Prognose gegenüber dem Frühjahr 2014                              34
               Kasten 3.2           Zur Generalrevision 2014 der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen                   48

               4. Mittelfristige Projektion

               5. Zur Wirtschaftspolitik

               6. Bewertung der außen­wirtschaftlichen Einflüsse
               auf die deutsche Konjunktur

6                                                                                                                GD Herbst 2014
Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen

1. Die Lage der Weltwirtschaft
Abbildung 1.1    Revisionen der Prognosen1 für den Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2014
                 für den Euroraum und ausgewählte Mitgliedsländer                                    14
Abbildung 1.2    Reales Bruttoinlandsprodukt in den USA                                              18

2. Die Lage in der Europäischen Union
Abbildung 2.1    Reales Bruttoinlandsprodukt im Euroraum                                             21
Abbildung 2.2    Reales Bruttoinlandsprodukt im Euroraum ohne Deutschland                            22
Abbildung 2.3    Zur monetären Lage im Euroraum                                                      25
Abbildung 2.4    Einfluss der Variablen auf die Inflation                                            26
Abbildung 2.5    Inflationsszenarien27

3. Die wirtschaftliche Lage in Deutschland
Abbildung 3.1    Außenhandel Deutschlands nach Ländern und Regionen                                  37
Abbildung 3.2    Reale Exporte                                                                       38
Abbildung 3.3    Reale Importe                                                                       39
Abbildung 3.4    Reale Investitionen in Ausrüstungen                                                 40
Abbildung 3.5    Reale Bauinvestitionen                                                              40
Abbildung 3.6    Reale Konsumausgaben der privaten Haushalte                                         41
Abbildung 3.7    Verbraucherpreise in Deutschland                                                    42
Abbildung 3.8    Reales Bruttoinlandsprodukt in Deutschland                                          42
Abbildung 3.9    Erwerbstätige45
Abbildung 3.10   Geleistete Arbeitsstunden der Erwerbstätigen im Inland                              46
Abbildung 3.11   Arbeitslose46

4. Mittelfristige Projektion
Abbildung 4.1    Komponenten der Veränderung des Arbeitsvolumens                                     53
Abbildung 4.2    Wachstumsbeiträge der Produktionsfaktoren zum Produktionspotenzial                  54
Abbildung 4.3    Produktionslücke56

5. Zur Wirtschaftspolitik
Abbildung 5.1    Ausfallgefährdete Kredite in den Bilanzen der Banken                                62
Abbildung 5.2    Inanspruchnahme der Refinanzierungsgeschäfte
                 und Einlagen beim Eurosystem                                                        63
Abbildung 5.3    Maximale Ausleihungen in den TLTROs im September und Dezember 2014                  64

6. Bewertung der außen­wirtschaftlichen Einflüsse
auf die deutsche Konjunktur
Abbildung 6.1    Komponentenzerlegung für 2007–2013                                                  71
Abbildung 6.2    Beiträge von Produktionsschocks zur Produktionslücke (globales VAR-Modell)          72
Abbildung 6.3    Beiträge verschiedener Schocks zur Produktionslücke (DSGE-Modell)                   73
Abbildung 6.4    Entwicklung ausgewählter Variablen für Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe 2014   75
Abbildung 6.5    Geschäfts- und Exporterwartungen für ausgewählte Sektoren 2014                      76
Abbildung 6.6    Unsicherheit der Produktionserwartungen                                             76

GD Herbst 2014                                                                                             7
Inhaltsverzeichnis

               Verzeichnis der Tabellen

               1. Die Lage der Weltwirtschaft
               Tabelle 1.1    Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquote in der Welt              15
               Tabelle 1.2    Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in den USA                                                18

               2. Die Lage in der Europäischen Union
               Tabelle 2.1    Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquote in Europa                23
               Tabelle 2.2    Finanzierungssalden der öffentlichen Haushalte in den Ländern des Euroraums                   24
               Tabelle 2.3    Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung im Euroraum                                               28
               Tabelle 2.4    Konjunkturverläufe in den Szenarien                                                           28

               3. Die wirtschaftliche Lage in Deutschland
               Tabelle 3.1    Quartalsdaten zur Entwicklung der Verwendungskomponenten des realen Bruttoinlandsprodukts     31
               Tabelle 3.2    Eckdaten der Prognose für Deutschland                                                         32
               Tabelle 3.3    Statistische Komponenten der Veränderungsrate des Bruttoinlandsprodukts                       33
               Tabelle 3.4    Prognose und Pronosekorrektur für das Jahr 2014                                               35
               Tabelle 3.5    Finanzpolitische Maßnahmen                                                                   36
               Tabelle 3.6    Indikatoren zur Außenwirtschaft                                                              38
               Tabelle 3.7    Beiträge der Nachfragekomponenten zum Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts                39
               Tabelle 3.8    Reale Bauinvestitionen                                                                        41
               Tabelle 3.9    Reales Bruttoinlandsprodukt und Bruttowertschöpfung nach Wirtschaftsbereichen                 43
               Tabelle 3.10   Zur Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter                                                44
               Tabelle 3.11   Arbeitsmarktbilanz47
               Tabelle 3.12   Ausgewählte finanzwirtschaftliche Indikatoren                                                 51

               4. Mittelfristige Projektion
               Tabelle 4.1    Produktionspotenzial und seine Determinanten                                                  52
               Tabelle 4.2    Erwerbstätige, Produktivität und Wirtschaftswachstum                                          55
               Tabelle 4.3    Verwendung des nominalen Bruttoinlandsprodukts                                                56

               5. Zur Wirtschaftspolitik
               Tabelle 5.1    Produktionspotenzial, Bruttoinlandsprodukt, Produktionslücke, Strukturkomponente
                              des Finanzierungssaldos des Staates                                                          66

               6. Bewertung der außen­wirtschaftlichen Einflüsse
               auf die deutsche Konjunktur
               Tabelle 6.1    Anteil am Gesamtexport                                                                        71
               Tabelle 6.2    Veränderung der Zuwachsraten                                                                  74

8                                                                                                                 GD Herbst 2014
Kurzfassung

Kurzfassung

Die deutsche Konjunktur hat sich abgekühlt. Das Bruttoinlands-         Im Herbst 2014 expandiert die Weltproduktion weiter­
produkt wird in diesem Jahr voraussichtlich um 1,3 Prozent steigen.    hin in mäßigem Tempo. Zwar setzt sich in den USA
                                                                       und in Großbritannien der Aufschwung fort, aber im
Das 68-Prozent-Prognoseintervall reicht dabei von 1,1 bis 1,5 Pro-     Euroraum hat die Erholung, anders als noch im Früh­
zent. Vor allem die schwächere Weltkonjunktur und eine verhaltene      jahr erwartet, nicht Tritt gefasst. Uneinheitlich ist die
Investitionstätigkeit im Inland dämpfen die wirtschaftliche Entwick-   Konjunktur auch in den Schwellenländern. Die recht
lung. Im kommenden Jahr dürfte die Produktion um 1,2 Prozent           schwache weltwirtschaftliche Expansion schlug sich
                                                                       darin nieder, dass der Welthandel im ersten Halbjahr
ausgeweitet werden. Dabei spielt aber auch eine Rolle, dass das        2014 kaum zugelegt hat.
kommende Jahr mehr Arbeitstage hat; kalenderbereinigt liegt die
Expansionsrate nur bei 1,0 Prozent. Wichtigste Aufgabe der Wirt-       Die geldpolitische Ausrichtung in den fortgeschritte­
schaftspolitik ist es in diesem Umfeld, jetzt die Wachstumskräfte      nen Volkswirtschaften hat sich entsprechend den unter­
                                                                       schiedlichen Konjunkturverläufen im Jahr 2014 zu dif­
zu stärken und günstige Rahmenbedingungen für die Investitions-        ferenzieren begonnen. In den USA liegt der Leitzins
tätigkeit zu setzen. Ein gewisser Spielraum für eine gestaltende       zwar weiter an der Nullprozentmarke. Er dürfte aber,
Finanzpolitik steht hierfür zur Verfügung.                             wenn sich der Konjunkturaufschwung fortsetzt, im
                                                                       Frühjahr 2015 angehoben werden. Die Europäische Zen­
                                                                       tralbank (EZB) hat hingegen angesichts der schwachen
                                                                       Konjunktur im Euroraum im September den Hauptre­
                                                                       finanzierungssatz auf 0,05 Prozent und den Einlagen­
                                                                       satz auf −0,2 Prozent gesenkt. Die Durchführung geziel­
                                                                       ter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte sowie die
                                                                       Ankaufprogramme für Pfandbriefe und forderungsbe­
                                                                       sicherte Wertpapiere dürften der Konjunktur im Euro­
                                                                       raum nur geringe Impulse verleihen.

                                                                       Die Finanzpolitik bleibt im Prognosezeitraum in den
                                                                       meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften restriktiv
                                                                       ausgerichtet, der Restriktionsgrad dürfte jedoch weiter
                                                                       abnehmen. In den USA wird kaum noch konsolidiert.
                                                                       Die Institute gehen davon aus, dass die Konsolidierungs­
                                                                       bestrebungen in vielen Ländern des Euroraums hinter
                                                                       den jeweiligen Stabilitätsprogrammen zurückbleiben
                                                                       werden, obwohl die Zinsen auf Staatsschuldtitel nied­
                                                                       rig sind und damit die Zinsbelastung sinkt.

                                                                       Das Tempo der weltwirtschaftlichen Expansion wird im
                                                                       Prognosezeitraum voraussichtlich mäßig bleiben. Der
                                                                       Aufschwung in den USA wird sich fortsetzen. Dafür spre­
                                                                       chen insbesondere die wirtschaftspolitischen Rahmenbe­
                                                                       dingungen, die allmähliche Erholung am Arbeitsmarkt
                                                                       und die gesunkene Verschuldung der privaten Haushalte.

GD Herbst 2014                                                                                                                9
Kurzfassung

              Im Euroraum wird die konjunkturelle Dynamik im Pro­        gegenwärtig nicht mit einem Def lationsszenario zu
              gnosezeitraum weiter schwach bleiben. Die seit länge­      rechnen, solange es keine Anzeichen dafür gibt, dass
              rer Zeit erwartete Belebung zeichnet sich bisher nicht     sich die mittel- bis langfristigen Inf lationserwartun­
              ab, entsprechend wurden die Prognosen schrittweise         gen entankern.
              nach unten korrigiert. Da die Weltkonjunktur nur mä­
              ßig aufwärts gerichtet bleibt, sind keine wesentlichen     Die deutsche Konjunktur hat sich abgekühlt. Nach
              Impulse vom Export zu erwarten. Der Konflikt mit Russ­     einem starken Jahresauftakt ist die Produktion im zwei­
              land hat die Konjunkturaussichten zusätzlich eingetrübt    ten Quartal 2014 um 0,2 Prozent gegenüber dem Vor­
              und dürfte dazu beitragen, dass die Investitionen der      quartal gesunken. Dass die aufgrund der ungewöhn­
              Unternehmen verhalten bleiben. Auch bemühen sich           lich milden Witterung starke Dynamik am Jahresan­
              die Unternehmen weiter um höhere Eigenkapitalquo­          fang nicht anhalten würde, war erwartet worden. Der
              ten und die privaten Haushalte um eine Verbesserung        Rückgang der Produktion kam allerdings unerwartet.
              ihrer Vermögenspositionen. Dies wird die Nachfrage         Günstige Finanzierungsbedingungen, eine zunehmen­
              – wenn auch in abnehmendem Maße – bis zum Ende             de Kapazitätsauslastung und die in Unternehmensum­
              des Prognosezeitraums dämpfen. Es gibt aber auch eine      fragen zum Ausdruck kommende Zuversicht hatten
              Reihe stützender Faktoren für die Konjunktur: Die Fi­      insbesondere eine Beschleunigung der Investitionen
              nanzpolitik wird im Prognosezeitraum voraussichtlich       erwarten lassen.
              deutlich weniger restriktiv ausfallen als in den Vorjah­
              ren, die strukturellen Defizite gehen langsamer zurück.    Eine Investitionsbelebung ist allerdings nicht eingetre­
              Die Vermögenspreise steigen in vielen Ländern wieder,      ten. Vielmehr hat sich die Konjunktur seit dem Frühjahr
              und die Arbeitsmärkte stabilisieren sich. Außerdem be­     eingetrübt. Darauf deutet etwa das ifo Geschäftsklima
              günstigt der gesunkene Wechselkurs die Ausfuhren.          hin, das sich seit Mai fünf Monate in Folge verschlech­
                                                                         tert hat. Mehrere Faktoren dürften hierzu beigetragen
              In den rohstoffexportierenden Schwellenländern blei­       haben. Die weltwirtschaftliche Produktion expandier­
              ben die Aussichten eingetrübt, denn die Rohstoffprei­      te mit einem unerwartet mäßigen Tempo, insbeson­
              se dürften aufgrund der mäßigen Dynamik der Weltin­        dere der Euroraum befindet sich nach wie vor in einer
              dustrieproduktion kaum steigen. In China ist zu erwar­     Schwächephase. Internationale Krisen wie der weiter
              ten, dass das Expansionstempo hoch bleibt, wenngleich      schwelende russisch-ukrainische Konflikt und die krie­
              die Raten wohl von Jahr zu Jahr etwas abnehmen dürf­       gerischen Auseinandersetzungen in Syrien und im Irak
              ten. Es besteht allerdings das Risiko eines plötzlichen    trübten die wirtschaftlichen Aussichten zusätzlich ein.
              Einbruchs, insbesondere im Immobiliensektor, der in        Aber auch die deutsche Binnennachfrage zeigt deutli­
              China von besonders großer Bedeutung ist, und der in       che Zeichen von Schwäche. Die privaten Konsumaus­
              den vergangenen Jahren von einer außerordentlich ho­       gaben stiegen im zweiten Quartal nur wenig, und das
              hen Kreditexpansion gestützt wurde.                        Konsumklima verschlechterte sich zuletzt. Die Unter­
                                                                         nehmensinvestitionen gingen im zweiten Quartal zu­
              Alles in allem rechnen die Institute mit einem Anstieg     rück, und kaum etwas spricht dafür, dass sich die In­
              der Weltproduktion um 2,6 Prozent im Jahr 2014 und         vestitionszurückhaltung bald legen wird.
              um 3 Prozent im Jahr 2015. Die Risiken für die Weltkon­
              junktur sind erheblich. Das liegt an den Problemen am      Vor diesem Hintergrund ist der konjunkturelle Ausblick
              Immobilienmarkt Chinas, aber auch am Konflikt Russ­        für Deutschland verhalten. Im dritten Quartal wird die
              lands mit dem Westen. Ferner könnten in den Bank­          gesamtwirtschaftliche Produktion lediglich stagniert
              bilanzen im Euroraum noch größere Risiken schlum­          haben. Die Industrieproduktion dürfte erneut gesunken
              mern. Darüber wird die Prüfung der Qualität der Aktiva     sein. Die Frühindikatoren sprechen dafür, dass die Ex­
              durch die EZB nähere Auskunft geben. Sollten Altlasten     pansion bis zum Jahresende schwach bleiben wird. So
              in den Bankbilanzen nicht zügig bereinigt werden, dürf­    waren die Auftragseingänge im Durchschnitt der Mo­
              ten in einigen Ländern des Euroraums weiterhin ange­       nate Juli und August niedriger als im zweiten Quartal.
              botsseitige Kreditrestriktionen bestehen, die dann die     Alles in allem wird das Bruttoinlandsprodukt im Jahr
              Konjunktur auf längere Sicht dämpfen würden. Auch          2014 voraussichtlich um 1,3 Prozent steigen. Das 68-Pro­
              die niedrige Preisdynamik im Euroraum deutet auf Ri­       zent-Prognoseintervall reicht dabei von 1,1 Prozent bis
              siken hin. Die überraschend niedrige Inf lation führt      1,5 Prozent. Wegen der Stagnation im zweiten Halbjahr
              dazu, dass die realen Lasten von Altschulden höher sind    wird die Auslastung der deutschen Wirtschaft zurück­
              als erwartet. Auch steigen die realen Finanzierungskos­    gehen, die Produktionslücke bleibt negativ.
              ten von Haushalten und Unternehmen, wenn die No­
              minalzinsen wegen der im Euroraum bereits erreich­         Die konjunkturelle Schwäche hinterlässt erste Spuren
              ten Nullzinsschranke nicht in gleichem Maße wie die        auf dem Arbeitsmarkt: Der Beschäftigungsauf bau hat
              Inflation sinken. Für den Euroraum insgesamt ist aber      sich verlangsamt, und die registrierte Arbeitslosigkeit

10                                                                                                                   GD Herbst 2014
Kurzfassung

hat zuletzt geringfügig zugenommen. Die Inflations­rate      Inlandsnachfrage wird sich im Verlauf des kommenden
ist niedrig. Im September lagen die Verbraucherpreise        Jahres zwar etwas beschleunigen, aufgrund der ungüns­
um 0,8 Prozent über dem Vorjahr, wozu auch externe           tigeren Absatzperspektiven dürften die Ausgaben der
Faktoren, wie der Rückgang der Energiepreise, beige­         Unternehmen für Ausrüstungen und Bauten aber nur
tragen haben. Die Verbraucherpreisinflation dürfte im        allmählich ausgeweitet werden. Hinzu kommt, dass der
Jahr 2014 bei 1,0 Prozent liegen.                            flächendeckende Mindestlohn zwar trotz zu erwartender
                                                             negativer Beschäftigungseffekte die Lohnsumme erhö­
Die Aussichten für die Konjunktur sind auch deshalb          hen, aber die Unternehmensgewinne senken wird. Per
gedämpft, weil Gegenwind von der Wirtschaftspolitik          Saldo dürfte die reale gesamtwirtschaftliche Nachfrage
kommt. Zwar gehen von der Finanzpolitik, gemessen            vom Mindestlohn wohl nicht stimuliert werden. Zum Teil
an den diskretionären Maßnahmen, expansive Impul­            wird der durch den Mindestlohn induzierte Kostenanstieg
se aus, doch wirken das Rentenpaket und die Einfüh­          auf die Preise überwälzt werden. Die Verbraucherpreise
rung des flächendeckenden Mindestlohns wachstums­            werden im Jahr 2015 wohl um 1,4 Prozent steigen; davon
hemmend. Auch nutzt die Bundesregierung ihren fi­            dürften 0,2 Prozentpunkte auf den Mindestlohn zurück­
nanziellen Spielraum zu wenig für investive Zwecke.          gehen. Die Zahl der Arbeitslosen wird im Jahresdurch­
All dies wirkt sich wohl negativ auf die private Investi­    schnitt leicht um 56 000 Personen steigen, die Arbeits­
tionsneigung aus. Dass die Bundesregierung der Kon­          losenquote wird im Jahr 2015 wohl 6,8 Prozent betragen.
solidierung des Staatshaushaltes eine herausgehobene
Bedeutung zukommen lässt, ist zu begrüßen. Ange­             Nach der hier vorgelegten Prognose kommt die Investi­
sichts erwarteter öffentlicher Finanzierungsüberschüs­       tionskonjunktur nur schleppend in Schwung. Offenbar
se in Höhe von 0,3 Prozent und 0,1 Prozent in Relation       wiegen aus Sicht der Unternehmen unsichere Absatz­
zum Bruttoinlandsprodukt für die Jahre 2014 und 2015         aussichten und der Gegenwind von der Wirtschaftspoli­
wäre eine Minderung der Abgabenbelastung allerdings          tik schwerer als die günstigen Finanzierungsbedingun­
durchaus möglich.                                            gen. Allem Anschein nach sind die binnenwirtschaftli­
                                                             chen Auftriebskräfte in Deutschland zu schwach, um
Die Geldpolitik ist zwar nach wie vor bemüht, stimu­         die Wirkungen des sich verschlechternden außenwirt­
lierend auf die Konjunktur im Euroraum zu wirken.            schaftlichen Umfeldes auszugleichen. Darauf weisen
In Deutschland sind dadurch die Zinsen sehr nied­            die Ergebnisse der Analyse des Schwerpunktthemas
rig. Allerdings dürften die jüngst beschlossenen Maß­        hin, die im abschließenden Kapitel dieses Gutachtens
nahmen kaum zusätzliche Impulse für die Realwirt­            vorgelegt werden.
schaft entfalten.
                                                             Wichtigste Aufgabe der Wirtschaftspolitik ist es in die­
Trotz der leicht expansiven Finanzpolitik und der wei­       sem Umfeld, jetzt die Wachstumskräfte zu stärken und
terhin niedrigen Zinsen dürfte die deutsche Wirtschaft       günstige Rahmenbedingungen für die Investitionstätig­
auch im kommenden Jahr deutlich unterausgelastet             keit zu setzen. Ein gewisser Spielraum für eine gestal­
sein. Der Produktionsanstieg im Jahr 2015 wird wohl          tende Finanzpolitik steht hierfür zur Verfügung. Auf
geringer ausfallen als bisher erwartet; die Institute pro­   der Einnahmenseite sollte dieser dazu genutzt werden,
gnostizieren, dass das Bruttoinlandsprodukt im Jahr          das Steuersystem investitions- und wachstumsfreund­
2015 um 1,2 Prozent zunehmen wird; kalenderberei­            lich zu gestalten, insbesondere durch eine Senkung
nigt entspricht dies nur einem Anstieg um 1,0 Pro­           der Abgabenbelastung. Auf der Ausgabenseite sollten
zent. Das 68-Prozent Prognoseintervall reicht von −0,3       die Ausgaben der öffentlichen Hand in solchen Berei­
bis 2,7 Prozent.                                             chen, die potentiell das Wachstum erhöhen – also Aus­
                                                             gaben in Sach- und Humankapital –, ausgeweitet wer­
Die Exporte dürften dabei nur verhalten und langsamer        den. Dabei ist allerdings davor zu warnen, die Mittel
als die Einfuhren zunehmen, so dass die Außenwirtschaft      nach dem Gießkannenprinzip oder nach Länderpro­
rechnerisch einen leicht negativen Beitrag zur gesamt­       porz zu verteilen. Stattdessen müssen Effizienzgesichts­
wirtschaftlichen Expansion beisteuert. Der Anstieg der       punkte leitend sein.

GD Herbst 2014                                                                                                          11
Weltwirtschaft

1. Die Lage der Weltwirtschaft

Überblick                                                  Geldpolitische Wende
                                                           im angelsächsischen Raum eingeleitet
Im Herbst 2014 expandiert die Weltproduktion weiter­
hin in mäßigem Tempo. Zwar setzt sich in den USA           Die geldpolitische Ausrichtung in den fortgeschritte­
und in Großbritannien der Aufschwung fort, aber im         nen Volkswirtschaften hat sich entsprechend den un­
Euroraum hat die Erholung anders als noch im Früh­         terschiedlichen Konjunkturverläufen im Jahr 2014 zu
jahr erwartet nicht Tritt gefasst. Uneinheitlich ist die   differenzieren begonnen. In den USA wurde aufgrund
Konjunktur auch in den Schwellenländern: In Indien         der konjunkturellen Erholung das Ankaufprogramm
hat sie an Kraft gewonnen, und auch in China verstärk­     für Wertpapiere schrittweise reduziert; es dürfte bis
te sich das Expansionstempo im zweiten Quartal. Dort       zum Jahresende auslaufen. Allerdings liegt der Leitzins
scheint es zuletzt aber wieder nachzugeben. In Russ­       weiter an der Nullprozentmarke. Er dürfte aber, wenn
land bleibt die Konjunktur schwach, während Brasilien      sich der Konjunkturaufschwung fortsetzt, im Frühjahr
sogar in eine Rezession gefallen ist.                      2015 angehoben werden. Die Bank von England hat be­
                                                           reits seit Juli 2012 das Volumen der angekauften Wert­
In der ersten Jahreshälfte hatten Sonderfaktoren die       papiere nicht mehr erhöht. Der Leitzinssatz liegt wei­
Weltproduktion gedämpft. So führte in den USA der          terhin bei 0,5 Prozent, wird jedoch im ersten Halbjahr
harte Winter zu Jahresanfang zu einem Rückgang der         2015 voraussichtlich ebenfalls angehoben.
gesamtwirtschaftlichen Produktion, und in Japan fiel
die Nachfrage vom ersten zum zweiten Quartal deut­         Die Europäische Zentralbank (EZB) hat hingegen ange­
lich ab, weil im April die Mehrwertsteuer erhöht wur­      sichts der schwachen Konjunktur im Euroraum im Sep­
de. Die recht schwache weltwirtschaftliche Expansion       tember den Hauptrefinanzierungssatz auf 0,05 Pro­
schlug sich auch im Welthandel nieder, der im ersten       zent und den Einlagensatz auf −0,2 Prozent gesenkt.
Halbjahr 2014 kaum zugelegt hat. Mäßig war vor al­         Die unbeschränkte Zuteilung von Liquidität wurde
lem die Importnachfrage aus den Schwellenländern in        bis Jahresende 2016 verlängert. Darüber hinaus wur­
Asien, Osteuropa und Lateinamerika. Dies dürfte zum        de bereits im Juni die Durchführung gezielter län­
Teil auf Währungsabwertungen und Leitzinserhöhun­          gerfristiger Refinanzierungsgeschäfte (targeted lon­
gen im Vorjahr zurückgehen, welche auf durch die an­       ger-term ­refinancing operations, TLTRO) beschlos­
gekündigte Wende in der US-Geldpolitik ausgelösten         sen. Im O ­ ktober starten zudem Ankaufprogramme
Kapitalabflüsse folgten. Seit dem Frühjahr hat die Lage    für Pfandbriefe und forderungsbesicherte Wertpapie­
sich aber wieder beruhigt, und die Schwellenländer ver­    re. Die beschriebenen Maßnahmen dürften allerdings
zeichnen wieder Kapitalzuflüsse.                           der Konjunktur im Euroraum, wenn überhaupt, dann
                                                           nur ­geringe Impulse verleihen. In Japan setzt die Zen­
Generell sind die Bedingungen auf den Finanzmärk­          tralbank ihre Ankäufe von Wertpapieren fort. Durch
ten im Herbst 2014 für die Entwicklung der Weltkon­        eine massive Ausweitung der Geldbasis will sie ihr
junktur günstig. So sind die Renditeaufschläge bei         zu Beginn des Vorjahres gesetztes Ziel erreichen, die
Schuldnern geringerer Bonität niedrig und die Be­          Inf lation innerhalb von zwei Jahren auf 2 Prozent zu
wertungen von Aktien, etwa gemessen an ihren Kurs-         heben. Der Leitzinssatz dürfte in Japan wie auch im
Gewinn-Verhältnissen, hoch. Auch die an den Börsen         Euroraum während des gesamten Prognosezeitraums
erwartete Volatilität der Kurse ist gering. Diese und      an der Nullprozentmarke bleiben.
auch andere Risikoindikatoren haben im bisherigen
Jahresverlauf nur wenig auf den Konf likt Russlands        Finanzpolitik weniger restriktiv
mit dem Westen und kaum auf die islamistische Be­
drohung in Syrien und dem Irak reagiert. Angesichts        Die Finanzpolitik bleibt im Prognosezeitraum in den
der bald schon sechs Jahre dauernden hohen Liquidi­        meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften restriktiv
tätszufuhr und niedriger Zinsen in den fortgeschrit­       ausgerichtet, der Restriktionsgrad dürfte jedoch weiter
tenen Volkswirtschaften befinden sich viele Anleger        abnehmen. In den USA wird kaum noch konsolidiert.
auf der Suche nach rentablen Anlagen.                      Die geplanten automatischen Ausgabenkürzungen im

GD Herbst 2014                                                                                                       13
Weltwirtschaft

                 Bundeshaushalt für die Fiskaljahre 2014 und 2015 wur­       Abbildung 1.1
                 den schon Ende des Jahres 2013 etwas entschärft, und
                 die Bundesstaaten weiten ihre Ausgaben wieder deut­         Revisionen der Prognosen1 für den Zuwachs
                 licher aus. Aufgrund der bisherigen Konsolidierungs­        des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2014
                 fortschritte, der revisionsbedingten Erhöhung des Brut­     für den Euroraum und ausgewählte Mitgliedsländer
                 toinlandsprodukts und der guten Konjunktur dürfte           Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent
                 die Defizitquote des Bundes im Fiskaljahr 2014 auf          2,0
                 drei Prozent sinken.                                                            Deutschland

                                                                             1,5
                                                                                                                                    Spanien
                 Im Euroraum nimmt der Restriktionsgrad der Finanz­                 Frankreich                    Euroraum
                 politik in den Jahren 2014 und 2015 gegenüber den           1,0
                 Vorjahren ab. Die Institute gehen davon aus, dass die
                 tatsächlichen Konsolidierungsbestrebungen in vielen         0,5
                 Ländern hinter den jeweiligen Stabilitätsprogrammen
                                                                                                                                Italien
                 zurückbleiben werden, obwohl die Zinsen auf Staats­         0,0
                 schuldtitel niedrig sind und damit die Zinsbelastung
                 sinkt. Denn die Konjunktur ist in den meisten Län­

                                                                             M 13

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                 dern schwächer als vermutet, weshalb der politische

                                                                               är

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                                                                               ai

                                                                               ai
                                                                                p

                                                                                p
                                                                               n

                                                                               n
                                                                             Ja
                 Druck zunimmt, den Stabilitäts- und Wachstumspakt
                 nicht einzuhalten.                                          1 Mittelwert der Angaben der von Consensus Economics monatlich befragten
                                                                             Prognostiker.

                                                                             Quelle: Consensus Economics.
                 In Japan wurde im April dieses Jahres die Mehrwert­
                 steuer von 5 Prozent auf 8 Prozent erhöht. Die daraus re­                                                                 © GD Herbst 2014

                 sultierenden dämpfenden Effekte wurden durch ein Kon­
                 junkturpaket abgeschwächt. Eine weitere Erhöhung der        rung der Wachstumsperspektiven bedürfte strukturel­
                 Mehrwertsteuer auf 10 Prozent ist für Oktober 2015 ge­      ler Reformen, deren baldige Umsetzung sich gegenwär­
                 plant, die Durchführung dieser Maßnahme wird aber von       tig aber nicht abzeichnet.
                 der weiteren Wirtschaftsentwicklung abhängig gemacht.
                                                                             Im Euroraum wird die konjunkturelle Dynamik im Pro­
                 Ausblick                                                    gnosezeitraum weiter schwach bleiben. Die seit längerer
                                                                             Zeit erwartete Belebung zeichnet sich bisher nicht ab,
                 Das Tempo der weltwirtschaftlichen Expansion wird im        entsprechend wurden die Prognosen schrittweise nach
                 Prognosezeitraum voraussichtlich mäßig bleiben. In den      unten korrigiert (Abbildung 1.1). Zwar war die Abfla­
                 USA und in Großbritannien wird sich der Aufschwung          chung der Konjunktur im zweiten Quartal teilweise wit­
                 fortsetzen, aber im weiteren Verlauf des Prognosezeit­      terungsbedingten Sondereffekten geschuldet, die aktu­
                 raums etwas an Fahrt verlieren. Im Euroraum dürfte          ellen Indizes für das Verbraucher- und Unternehmens­
                 die Konjunktur erst im Laufe des Jahres 2015 etwas an       vertrauen lassen jedoch auf eine geringe Expansion der
                 Kraft gewinnen. In den Schwellenländern liegen die Zu­      gesamtwirtschaftlichen Produktion in der zweiten Jah­
                 wachsraten zwar weiterhin deutlich über den in den fort­    reshälfte schließen. Da die Weltkonjunktur nur mäßig
                 geschrittenen Volkswirtschaften, jedoch bleibt das Ex­      aufwärts gerichtet bleibt, sind keine wesentlichen Impul­
                 pansionstempo im langfristigen Vergleich eher schwach.      se auf den Export zu erwarten. Der Konflikt mit Russland
                                                                             hat die Konjunkturaussichten ein Stück weit eingetrübt
                 Der Aufschwung in den USA wird sich fortsetzen. Da­         und dürfte dazu beitragen, dass die Investitionsnachfra­
                 für sprechen insbesondere die wirtschaftspolitischen        ge der Unternehmen verhalten bleibt. Auch bemühen
                 Rahmenbedingungen, die allmähliche Erholung am              sich die Unternehmen weiter um höhere Eigenkapital­
                 Arbeitsmarkt und die gesunkene Verschuldung der pri­        quoten und die privaten Haushalte um eine Verbesse­
                 vaten Haushalte. Dies alles stützt die private Inlands­     rung ihrer Vermögenspositionen. Dies wird die Nachfra­
                 nachfrage, welche im Prognosezeitraum den wesent­           ge – wenn auch in abnehmendem Maße – bis zum Ende
                 lichen Konjunkturantrieb darstellen dürfte. In Japan        des Prognosezeitraums dämpfen. Besonders in Frank­
                 wird das Expansionstempo der Wirtschaft voraussicht­        reich und Italien sind die Indikatoren für die wirtschaft­
                 lich moderat ausfallen: Zwar bleibt die Geldpolitik ex­     liche Zuversicht niedrig. Anscheinend leidet dort das
                 pansiv und die deutliche Abwertung des Yen im Lauf          Vertrauen der Unternehmen darunter, dass die Politik
                 des Jahres 2013 dürfte den Export auch noch im Prog­        die strukturellen Probleme nicht entschieden angeht.
                 nosezeitraum stützen. Die hohe Beschäftigung deutet
                 allerdings darauf hin, dass die japanische Wirtschaft       Es gibt aber auch eine Reihe stützender Faktoren für die
                 schon jetzt nahezu voll ausgelastet ist. Eine Verbesse­     Konjunktur: Die Finanzpolitik wird im Prognosezeit­

14                                                                                                                                        GD Herbst 2014
Weltwirtschaft

Tabelle 1.1

Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquote in der Welt
                                                                 Bruttoinlandsprodukt                   Verbraucherpreise                Arbeitslosenquote
                                           Gewicht (BIP)
                                            in Prozent               Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Prozent                         in Prozent
                                                              2013        2014           2015    2013         2014      2015      2013        2014           2015
Europa                                         31,6            0,3         1,2            1,4     2,0          1,4       1,7        –           –              –
  EU 28                                        26,6            0,1         1,3            1,4     1,5          0,7       1,0      10,8        10,3            9,9
  Schweiz                                       1,0            1,9         1,4           2,0      0,1          0,1          0,5    4,1          4,4           3,9
  Norwegen                                      0,8            0,6         1,9           2,1      2,0          2,0          2,1    3,5          3,3           3,2
  Russland                                      3,2            1,2         0,5           0,8      6,8          7,5          7,3     –            –             –
Amerika                                        36,6            2,2         2,0           2,9       –            –            –      –            –             –
  USA                                          25,9            2,2         2,2           3,2      1,5          1,7          2,0    7,4          6,3           5,8
  Kanada                                        2,9            2,0         2,3           2,5      0,9          2,0          1,9    7,1          7,0           6,8
  Lateinamerika1                                7,8            2,4         1,4           2,2       –            –            –      –            –             –
Asien                                          31,8            4,8         4,7           4,6       –            –            –      –            –             –
  Japan                                         9,5            1,5         1,0           1,1      0,4          2,8          1,8    4,0          3,7           3,6
  China ohne Hongkong                          13,1            7,7         7,4           7,1       –            –            –      –            –             –
  Südkorea                                      1,8            3,0         3,5           3,6      1,3          1,5          2,2    3,1          3,2           3,1
  Indien                                        2,9            4,7         5,9           6,0       –            –            –      –            –             –
  Ostasien ohne China2                          4,5            4,3         3,9           4,6       –            –            –      –            –             –
Insgesamt3                                    100,0            2,4         2,6           3,0       –            –            –      –            –             –
  Fortgeschrittene Volkswirtschaften4          70,0            1,3         1,7           2,2      1,3          1,6          1,7    8,0          7,6           7,2
  Schwellenländer5                             30,0            5,1         4,7           4,8       –            –            –      –            –             –
Nachrichtlich:
Exportgewichtet6                              100,0            1,3         2,0           2,2       –            –           –       –            –             –
Nach dem Messkonzept des IWF7                 100,0            3,2         3,4           3,7       –            –           –       –            –             –
Welthandel                                       –             2,8         2,9           4,3       –            –           –       –            –             –

1 Gewichteter Durchschnitt aus Brasilien, Mexiko, Argentinien, Venezuela, Kolumbien, Chile. Gewichtet mit dem Bruttoinlandsprodukt von 2012 in US-Dollar.
2 Gewichteter Durchschnitt aus Indonesien, Taiwan (Provinz Chinas), Thailand, Malaysia, Singapur, Philippinen, Hongkong (Sonderverwaltungszone Chinas). Gewichtet
mit dem Bruttoinlandsprodukt von 2012 in US-Dollar.
3 Summe der aufgeführten Ländergruppen. Gewichtet mit dem Bruttoinlandsprodukt von 2012 in US-Dollar.
4 EU 28, Schweiz, Norwegen, USA, Kanada, Japan, Südkorea, Taiwan, Hongkong, Singapur.
5 Russland, China ohne Hongkong, Indien, Indonesien, Thailand, Malaysia, Philippinen, Lateinamerika.
6 Summe der aufgeführten Länder. Gewichtet mit den Anteilen an der deutschen Ausfuhr 2012.
7 Gewichtet nach Kaufkraftparitäten und hochgerechnet auf den Länderkreis des IWF (Word Economic Outlook, September 2013).
Quellen: OECD; IWF; Berechnungen der Institute; 2014 und 2015: Prognose der Institute.
                                                                                                                                                      © GD Herbst 2014

raum voraussichtlich deutlich weniger restriktiv ausfal­                             In China hat die Regierung die Konjunktur seit dem
len als in den Vorjahren, die strukturellen Defizite ge­                             Frühjahr mit einer Reihe von Maßnahmen unterstützt.
hen langsamer zurück. Die Vermögenspreise steigen                                    Es ist zu erwarten, dass das Expansionstempo hoch
in vielen Ländern wieder, und die Arbeitsmärkte sta­                                 bleibt, wenngleich die Raten wohl von Jahr zu Jahr et­
bilisieren sich. Außerdem begünstigt der gesunkene                                   was abnehmen dürften.1 Es besteht allerdings das Ri­
Wechselkurs die Ausfuhren.                                                           siko eines plötzlichen Einbruchs, insbesondere im Im­
                                                                                     mobiliensektor, der in China von besonders großer Be­
In den rohstoffexportierenden Schwellenländern blei­                                 deutung ist, und der in den vergangenen Jahren von
ben die Aussichten eingetrübt, denn die Rohstoff­                                    einer außerordentlich hohen Kreditexpansion gestützt
preise dürften aufgrund der mäßigen Dynamik der                                      wurde. Im Laufe des Jahres 2014 haben die Häuserprei­
Weltindustrieproduktion kaum steigen. Bemerkens­                                     se begonnen zurückzugehen. Trotz hinreichendem fi­
wert ist die jüngste Entwicklung des Ölpreises: Obwohl                               nanz- und geldpolitischem Spielraum ist nicht ausge­
mit Russland und dem arabischen Raum wichtige Öl­                                    macht, dass die chinesische Führung einer harten Lan­
fördergebiete von schweren Konflikten betroffen sind,                                dung adäquat entgegen wirken kann.
liegt der Ölpreis (Brent) Anfang Oktober mit 95 Dollar
pro Barrel (Brent) um mehr als 10 Prozent tiefer als zu                              Alles in allem rechnen die Institute mit einem Anstieg
Jahresanfang. Eine wichtige Ursache dafür ist neben der                              der Weltproduktion um 2,6 Prozent im Jahr 2014 und
eher schwachen Nachfrage wohl auch die Ausweitung                                    3 Prozent 2015 (Tabelle 1.1). Dies entspricht einer Ab­
des Ölangebots durch fracking in den USA. Auf der an­
deren Seite profitieren die Abnehmerländer von nied­
rigen Preisen. Zudem wirkt die nun schon dreijährige
                                                                                     1 Vgl. Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose (2014), Deutsche Konjunktur
Stabilität der Rohstoff- und Energiepreise günstig auf                               im Aufschwung – aber Gegenwind von der Wirtschaftspolitik, Gemeinschafts-
die Weltkonjunktur.                                                                  diagnose Frühjahr 2014, Halle, S. 21.

GD Herbst 2014                                                                                                                                                           15
Weltwirtschaft

                 wärtsrevision um 0,3 bzw. 0,1 Prozentpunkte im Ver­                     Der starke Anstieg der Vermögenspreise in einigen Län­
                 gleich zum Frühjahrsgutachten 2014. Diese Zahlen                        dern stützt zwar gegenwärtig die Konjunktur, er stellt
                 ergeben sich für den in der Gemeinschaftsdiagnose                       aber zugleich ein schwer zu beurteilendes Risiko dar.
                 berichteten Länderkreis auf der Basis von Marktwech­                    Die Aktienindizes der wichtigsten Börsen sind wieder
                 selkursen. Bei einer Gewichtung mit Kaufkraftparitäten                  kräftig gestiegen, und die Kurs-Gewinn-Verhältnisse
                 und Hochrechnung auf den Länderkreis des IWF erge­                      sind im historischen Vergleich recht hoch. Auch die
                 ben sich Zuwächse von 3,4 Prozent und 3,7 Prozent. Die                  Immobilienpreise ziehen in mehreren Ländern wieder
                 moderate Beschleunigung der Weltkonjunktur dürfte zu                    deutlich an. Eine Korrektur der Preisentwicklungen
                 einer Ausweitung des Welthandels führen, die deutlich                   auf den Aktien- und Immobilienmärkten ist nicht aus­
                 geringer ist, als aufgrund der Erfahrungen der vergan­                  zuschließen: Geopolitische Krisen oder ein mögliches
                 genen Jahrzehnte zu erwarten wäre.2 Der Welthandel                      Wiederaufflackern der Krise in der Europäischen Wäh­
                 nimmt mit Raten von 2,9 Prozent und 4,3 Prozent zu.                     rungsunion können die Vermögenspreise rasch fallen
                                                                                         lassen. Dies könnte die Konjunkturerholung stoppen.
                 Konjunkturrisiken haben zugenommen                                      Sollten solche Kurskorrekturen stark ausfallen und welt­
                                                                                         weit stattfinden, ist mit einer deutlichen Belastung der
                 Die Risiken für die Weltkonjunktur sind erheblich.                      Weltkonjunktur zu rechnen.
                 Das liegt an den oben angesprochenen Problemen
                 am Immobilienmarkt Chinas, der weltweit zweitgröß­                      USA weiter im Aufschwung
                 ten Volkswirtschaft, aber auch am Konflikt Russlands
                 mit dem Westen. Die militärische Konfrontation im                       In den USA war die gesamtwirtschaftliche Produktion
                 Osten der Ukraine und die internationalen Sanktio­                      im ersten Vierteljahr witterungsbedingt um 0,5 Prozent
                 nen gegen Russland belasten die Wirtschaftsbezie­                       geschrumpft. Im zweiten Quartal kam es allerdings
                 hungen der Europäischen Union mit Russland. Zwar                        zu beträchtlichen Nachholeffekten und die Produktion
                 nehmen die Ausfuhren nach Russland in den meisten                       nahm gegenüber dem Vorquartal um 1,1 Prozent zu.
                 Ländern der Europäischen Union nur einen geringen                       Die privaten Haushalte weiteten ihre Konsumnachfra­
                 Anteil an den Gesamtexporten ein, der Konf likt hat­                    ge um 0,6 Prozent aus (nach 0,3 Prozent im Vorquar­
                 te jedoch über die Eintrübung der Erwartungen von                       tal), und die Nachfrage der öffentlichen Hand trug an­
                 Unternehmen und Verbrauchern bereits eine dämp­                         ders als in den Vorquartalen positiv zum Anstieg des
                 fende Wirkung auf die Konjunktur. Die Möglichkeit                       Bruttoinlandsprodukts bei. Vor allem aber expandierten
                 einer Unterbrechung der Gas- und Ölimporte aus Russ­                    die privaten Bruttoanlageinvestitionen nach der Stagna­
                 land stellt ein erhebliches Konjunkturrisiko dar, denn                  tion im ersten Quartal wieder recht kräftig; die Ausrüs­
                 über die Energielieferungen sind die Volkswirtschaften                  tungsinvestitionen legten um 2,7 Prozent zu, und der
                 Russlands und der Europäischen Union voneinander ab­                    Anstieg der gewerblichen Bauinvestitionen beschleu­
                 hängig (vgl. Kapitel 6).                                                nigte sich merklich auf 3 Prozent. Hinzu kam, dass die
                                                                                         Unternehmen ihre Lagerbestände im zweiten Quartal
                 Die niedrige Preisdynamik im Euroraum deutet auf wei­                   wieder deutlich stärker ausgeweitet haben, so dass nach
                 tere Risiken hin. Die überraschend niedrige Inflation                   einem kräftigen negativen Wachstumsimpuls im ers­
                 führt dazu, dass die realen Lasten von Altschulden hö­                  ten Quartal zuletzt ein starker positiver Impuls von der
                 her sind als erwartet. Auch steigen die realen Finanzie­                Lagerhaltung ausging. Zusätzlich zogen die Exporte im
                 rungskosten von Haushalten und Unternehmen, wenn                        zweiten Quartal mit einem Plus von knapp 2,7 Prozent
                 die Nominalzinsen wegen der im Euroraum bereits er­                     gegenüber dem Vorquartal kräftig an, nachdem sie zu
                 reichten Nullzinsschranke nicht in gleichem Maße wie                    Jahresbeginn stark eingebrochen waren.
                 die Inflation sinken. Eine Fortsetzung dieser Abschwä­
                 chung würde im schlimmsten Fall dazu führen, dass                       Die um Sondereffekte bereinigte konjunkturelle Grund­
                 die gegenwärtige Disinflation in eine Deflation über­                   tendenz impliziert ein kräftiges Expansionstempo. Dies
                 geht, die von Haushalten und Unternehmen als dauer­                     dürfte im dritten Quartal anhalten, was beispielswei­
                 haft angesehen wird. In etlichen Mitgliedsländern sta­                  se die Industrieproduktion, die Auftragseingänge und
                 gnieren die Preise oder sinken bereits. Für den Euro­                   die jüngsten monatlichen Angaben über die privaten
                 raum insgesamt ist aber gegenwärtig nicht mit einem                     Konsumausgaben anzeigen. Darüber hinaus lag der
                 Deflationsszenario zu rechnen, solange es keine Anzei­                  Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe
                 chen dafür gibt, dass sich die mittel- bis langfristigen                im September mit 57,9 auf dem höchsten Wert seit dem
                 Inflationserwartungen entankern.                                        Frühjahr 2010, und das von der Universität von Michi­
                                                                                         gan veröffentlichte Konsumentenvertrauen erreichte im
                                                                                         September sogar den höchsten Wert seit 2007. Zudem
                                                                                         deuten Außenhandelsdaten auf einen hohen positiven
                 2   Vgl. Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose (2014), a. a. O., S. 11.   Expansionsbeitrag der Außenwirtschaft hin. Insgesamt

16                                                                                                                                   GD Herbst 2014
Weltwirtschaft

legen die Indikatoren nahe, dass die US-Produktion im                            bank abermals, dass sie beabsichtigt, die Federal Funds
dritten Jahresviertel um 0,7 Prozent zugelegt hat.                               Rate noch für geraume Zeit in einem Zielkorridor von
                                                                                 0 bis ¼ Prozent zu halten. Die Institute rechnen damit,
Derweil gehen vom Immobilienmarkt gemischte Sig­                                 dass die US-Notenbank die Käufe festverzinslicher Wert­
nale aus. In der ersten Jahreshälfte 2014 haben sich die                         papiere bis zum Jahresende 2014 ganz einstellen wird.
Nachfrage nach Hypothekenkrediten, die Immobilien­                               Die Federal Funds Rate wird voraussichtlich im ersten
preise sowie die Zahl der Baubeginne von Einfamilien­                            Halbjahr 2015 erstmals wieder erhöht werden. Insge­
häusern im Vergleich zum Vorjahr nur sehr schwach                                samt wird der Expansionsgrad der Geldpolitik bis Ende
entwickelt. Unter anderem dürfte hierfür der Anstieg                             2015 zwar deutlich abnehmen; das voraussichtliche Leit­
der Hypothekenzinsen seit der Jahresmitte 2013 maß­                              zinsniveau von 1 Prozent Ende 2015 wird die Konjunk­
geblich gewesen sein. Allerdings liegt das Niveau der                            tur aber immer noch stimulieren.
Neubautätigkeit aktuell immer noch weit unter dem his­
torischen Durchschnitt, so dass die Nachfrage nach neu                           Nachdem die Finanzpolitik im Winterhalbjahr noch
geschaffenen Wohnimmobilien in den nächsten Quar­                                einmal etwas bremste, ist sie aktuell neutral ausgerich­
talen wieder beschleunigt ausgeweitet werden dürfte.                             tet und wird dies über den gesamten Prognosezeitraum
                                                                                 bleiben. Die Nachfrage der öffentlichen Hand trug im
Im Einklang mit der günstigen gesamtwirtschaftlichen                             zweiten Quartal sogar wieder merklich zum Anstieg
Grundtendenz setzt sich auch der Beschäftigungsauf­                              des Bruttoinlandsprodukts bei. Die deutliche Konso­
bau in den USA fort. Die Zahl der Stellen legte von                              lidierung der öffentlichen Haushalte auf der Ausga­
März bis August im Durchschnitt um 226 000 zu. Die                               benseite in den vergangenen zwei Jahren sowie der
Arbeitslosenquote verringerte sich von 6,7 Prozent im                            konjunkturell bedingte Anstieg der Steuereinnahmen
März auf zuletzt 6,1 Prozent (August). Dabei scheint sich                        haben zu einer spürbaren Reduktion des Budgetdefi­
die Partizipationsquote, die seit dem Ausbruch der Gro­                          zits geführt;5 für die Fiskaljahre 2014 und 2015 wird
ßen Rezession um drei Prozentpunkte gesunken war,                                das Defizit des Bundes voraussichtlich 3 Prozent bzw.
stabilisiert zu haben; sie schwankt seit einem Jahr um                           2,7 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt
63 Prozent. Schätzungen deuten darauf hin, dass ¼ bis                            betragen. Der Rückgang des gesamtstaatlichen Defizits
1 Prozentpunkt des Rückgangs konjunkturell bedingt                               dürfte ähnlich groß sein. Der Abbau des Haushalts­
ist.3 In diese Richtung weist auch die Zahl von 800 000                          fehlbetrages ist auf die sich bessernde Konjunktur­
Personen, die aktuell laut Current Population Survey aus                         lage zurückzuführen, das strukturelle Defizit ändert
konjunkturellen Gründen dem Arbeitsmarkt vorüberge­                              sich nicht.
hend nicht zur Verfügung stehen. Getrübt wird das Bild
am Arbeitsmarkt aber von der hohen Anzahl der Arbeit­                            Insgesamt ist über den Prognosezeitraum mit einem
nehmer (gut 7 Millionen), die aufgrund der Konjunk­                              robusten Aufschwung zu rechnen (Abbildung 1.2).
turlage nur in Teilzeit arbeiten, sowie von den zuletzt                          So werden wieder merkliche Impulse von der öffent­
knapp 3 Millionen Langzeitarbeitslosen. Nicht zuletzt                            lichen Nachfrage ausgehen. Der private Konsum dürf­
diesen Faktoren dürfte der weiterhin moderate Lohn­                              te nach einem schwachen Anstieg im dritten Quar­
auftrieb geschuldet sein; die im Privatsektor gezahlten                          tal 2014 aufgrund des gestiegenen Nettovermögens,6
Stundenlöhne stiegen in den sechs Monaten bis Au­                                der damit einhergehenden geringeren Notwendig­
gust mit einer laufenden Jahresrate von gut 2 Prozent.                           keit zum Schuldenabbau und der anhaltenden Auf­
                                                                                 hellung am Arbeitsmarkt bis Ende 2015 kräftig zule­
Vor diesem Hintergrund hat die US-Notenbank ihre ex­                             gen. Schließlich dürften die immer noch günstigen
pansive Ausrichtung beibehalten, wobei sie aufgrund                              Finanzierungsbedingungen sowie die knapper wer­
der fortschreitenden Konjunkturerholung die Maßnah­                              denden Kapazitäten in den einzelnen Sektoren eine
men zur quantitativen Lockerung zurückfährt. Der Of­                             kräftige Ausweitung der Unternehmensinvestitionen
fenmarktausschuss des Federal Reserve Boards kündig­
te zuletzt an, die monatlichen Wertpapierkäufe ab Ok­
tober um weitere 10 Milliarden US-Dollar zu drosseln                             5 Nicht zuletzt aufgrund des gesunkenen Konsolidierungsdrucks rechnen die
                                                                                 Institute damit, dass im kommenden Jahr keine nennenswerte Unsicherheit
und nur mehr Titel im Umfang von 15 Milliarden US-                               über den Kurs der Finanzpolitik aufkommen wird, weil sich die Kongresspartei-
Dollar zu erwerben. 4 Zusätzlich bekräftigte die Zentral­                        en zügig auf den nächsten Bundeshaushalt und eine Anhebung der
                                                                                 Schuldenobergrenze einigen dürften. Letztere wird voraussichtlich im ersten
                                                                                 Halbjahr 2015 notwendig, weil der im vergangenen Jahr erzielte Haushalts-
                                                                                 kompromiss nur eine moderate Erhöhung der Schuldenobergrenze beinhaltet.
3 Vgl. dazu Aaronen, S. et al. (2014), Labor Force Participation: Recent         6 Das Nettovermögen der privaten Haushalte erreichte im zweiten Quartal
Developments and Future Prospects, Finance and Economics Discussion Series,      mit 81,5 Billionen USD oder 470 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt
2014-64.                                                                         sowohl absolut als auch relativ einen neuen Höchstwert. Dazu trugen vor allem
4 Die Verringerung des Volumens betrifft gleichermaßen den Ankauf                der gestiegene Wert der Unternehmensbeteiligungen, aber auch eine Erhöhung
hypothekarisch besicherter Wertpapiere (in Zukunft 5 Milliarden US-Dollar) und   des Immobilienvermögens sowie eine leichte Reduzierung der Hypothekarver-
den Erwerb von US-Staatsanleihen (10 Milliarden US-Dollar).                      bindlichkeiten bei.

GD Herbst 2014                                                                                                                                                   17
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