Genfer Großwetterlage - Multilateraler Dialog Genf

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Genfer Großwetterlage - Multilateraler Dialog Genf
August 2019

Multilateraler Dialog Genf

    Genfer Großwetterlage

Entwicklungen in den Genfer Internationalen Organisationen Mai bis Juli 2019
Olaf Wientzek
Die „Genfer Großwetterlage“ wirft in unregelmäßigen Abständen einen Blick auf ausgewählte
Entwicklungen der in Genf ansässigen internationalen Organisationen.

Die vergangenen Monate hielten in Genf Dip-              nannt, u.a. mit dem Ziel einer Verbesserung der
lomaten wie Beschäftigte der internationalen             Sicherheitssituation für Gesundheitspersonal vor
Organisationen gehörig auf Trab: Anlässlich              Ort. Weiteres Ziel: Mobilisierung dringlich benö-
des 100-jährigen Jubiläums der Internationa-             tigter finanzieller Mittel. Die Bundesregierung
len Arbeitsorganisation (ILO) kamen zahlrei-             sagte zusätzliche 10 Millionen Dollar zu. Ebola
che Staats- und Regierungschefs nach Genf.               blieb auch nach der WHA ein dringliches Thema.
Daneben fanden weitere hochrangige Treffen,              So rief die WHO am 17. Juli den „Internationalen
wie etwa die jährliche Weltgesundheitsver-               Gesundheitsnotstand“ (engl. Public Health
sammlung (WHA) und auch die 41. Sitzung des              Emergency of International Concern (PHEIC)) aus.
UN-Menschenrechtsrats statt. Einen (sorgen-              Das ermöglicht der WHO umfassendere Maß-
vollen) Blick in die Zukunft warfen Berichte             nahmen zu treffen und ist gleichzeitig auch als
zur Zukunft des Welthandels (WTO), zur Land-             klares Warnsignal an die internationale Gemein-
nutzung und zum Klimawandel (IPCC, „Welt-                schaft zu verstehen, sich finanziell stärker zu
klimarat“) sowie zu globalen Flücht-                     engagieren. Am 1. August jährte sich der Aus-
lingstrends.                                             bruch der Epidemie in der DR Kongo.

Globale Gesundheit: Krisen, Kontro-                      Darüber hinaus warfen (geo)politische Konflikte
versen, Geopolitik                                       wiederholt ihre Schatten auf die Diskussionen bei
                                                         der WHA: Zum einen verhinderte China erneut
Erfreuliche wie besorgniserregende Entwicklun-           erfolgreich die Erteilung des Beobachterstatus für
gen standen bei der jährlichen Weltgesundheits-          Taiwan bei der Versammlung, zum anderen gab
versammlung (WHA) vom 20. bis 28. Mai, an der            es heftige Debatten zwischen den USA und eini-
auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn                gen lateinamerikanischen Staaten auf der einen
                                1
teilnahm, auf der Tagesordnung : Positiven Ent-          und Venezuela auf der anderen Seite. Wie schon
wicklungen in vielen Ländern bei der Allgemeinen         in den vergangenen Jahren wurde erneut eine
Gesundheitsversorgung und der Bekämpfung                 umstrittene Resolution zur Gesundheitssituation
von Krankheiten wie Malaria stand die nach wie           in den Palästinensischen Gebieten und den Go-
vor schwelende Ebola-Krise in der DR Kongo               lanhöhen eingebracht, die sich de facto gegen
gegenüber.                                               Israel richtete. Deutschland war eines von elf
                                                         Ländern, welches die Resolution ablehnte.
Mit Blick auf die Ebola-Krise beschloss die WHA
eine Impfoffensive, zudem wurde mit dem US-              Für hitzige Debatten sorgte die von Italien einge-
Amerikaner David Gressly ein Koordinator für die         brachte und von zahlreichen Ländern aus ver-
UN-Aktivitäten zur Bekämpfung der Krise er-              schiedenen Kontinenten unterstützte Initiative
                                                         zur Erhöhung der Transparenz von Arzneimittel-
                                                         kosten: Kritiker der Resolution – v.a. Großbritan-
1
  Einen ausführlichen Bericht zur Weltgesundheitsver-    nien und Deutschland – verwiesen auf mögliche
sammlung (Krisen, Kontroversen, „Meilensteine“) finden   negative Konsequenzen für Forschung und Ent-
Sie hier: https://www.kas.de/laenderberichte/detail/-    wicklung. Nach zähen Verhandlungen wurde eine
/content/krisen-kontroversen-meilensteine
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Länderbericht                                                                                     August 2019    2

entschärfte Version verabschiedet. Großbritanni-           der französische Staatspräsident Emmanuel
en, Deutschland und Ungarn „dissoziierten“ sich            Macron und die damalige britische Regierungs-
gleichwohl auch von dieser. Grund: Unmut über              chefin Theresa May sprachen im Rahmen der ILO
die Vorgehensweise der Unterstützer der Resolu-            – Konferenz. Die deutsche Bundeskanzlerin wür-
tion. Bemängelt wurde u.a. der bewusste Nicht-             digte die Arbeit und die Verdienste der ILO – u.a.
einbezug der gegenüber der Resolution skeptisch            auch im Kampf gegen die Kinderarbeit und
eingestellten EU-Länder durch den Initiator Ita-           sprach sich für weltweit hohe Sozialstandards
lien und der Druck auf Verhandlungsführer durch            aus.
die Verbreitung von teils haltlosen Gerüchten
über Verhandlungsstände in den sozialen Medi-              Eine solch starke Präsenz der „ersten Reihe“ ist in
en.                                                        Genf eher selten an der Tagesordnung. Daran,
                                                           dass nach der Konferenz eine versöhnliche Bilanz
Zukunft der Arbeit: 100 Jahre ILO –                        gezogen werden konnte, haben auch Deutsch-
Lichtblick für den Multilateralismus                       land und Frankreich einen gehörigen Anteil: Oh-
                                                           ne die gemeinsame Positionierung hätte es wohl
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) feiert        keine Erklärung gegeben. Bei den Verhandlungen
in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen. Bei der          selbst spielte auf Arbeitgeberseite die deutsche
knapp zweiwöchigen jährlichen ILO-Konferenz                Verhandlungsführerin (BDA) eine wichtige Rolle.
(10.-21. Juni) ging es allerdings um mehr als das          Insgesamt traten die EU-Länder bei der ILO ge-
bloße Begehen eines Jubiläums. Vielmehr sollte             schlossen auf, Beobachter lobten die Koordinati-
von der Konferenz, an der Mitgliedstaaten wie              on im Vorfeld.
Sozialpartner teilnahmen, das Signal ausgehen,
dass die internationale Gemeinschaft trotz aller           Menschenrechtsrat – Mehr als ‘busi-
Krisen imstande ist, sich auf gemeinsame Positi-           ness as usual’
onen zu einigen. Konkret gelang es, zwei zentrale
Dokumente zu verabschieden: Eine symbolisch                Bei der 41. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates
wichtige gemeinsame „Jahrhunderterklärung“ zur             (24. Juni – 12. Juli) stand eine Vielzahl von Dos-
                     2
Zukunft der Arbeit fordert u.a. den Ausbau von             siers auf der Tagesordnung, darunter u.a. die
Sozialschutzsystemen, Förderung eines nachhal-             Lage in Syrien, Eritrea, Belarus, Myanmar, auf den
tigen und inklusiven Wachstums, aber auch die              Philippinen, der Konflikt in der Ostukraine sowie
Selbstverpflichtung zu Maßnahmen zur Förde-                das Thema Kinderrechte. Viele der Themen sind
rung lebenslangen Lernens, um wirksame Ant-                altbekannt, wie der regelmäßige Schlagabtausch
worten auf den Wandel des Arbeitsmarkts zu                 unter dem so genannten „Item 7“, der sich spezi-
finden. Noch wenige Monate vor der Konferenz               fisch mit Israel befasst. Daneben trugen ver-
war unklar, ob es überhaupt eine Erklärung ge-             schiedene Sonderberichterstatter der UN vor,
ben würde. Letztlich rangen insbesondere Ar-               unter anderem auch der für die Unabhängigkeit
beitnehmer und Arbeitgeber bis kurz vor Ab-                von Richtern und Anwälten zuständige Diego
schluss der Konferenz um den genauen Wortlaut.             García-Sayán. Für Aufsehen sorgte der Bericht
Zudem wurde ein neues ILO-Übereinkommen zur                der Sonderberichterstatterin zu extralegalen
Verhinderung von Gewalt und Belästigung in der             Hinrichtungen Agnès Callamard zum Mord am
                                                                                                        3
Arbeitswelt beschlossen. Der Preis für den Kon-            saudischen Journalisten Jamal Khashoggi : Für
sens zur Verabschiedung der Konvention war das             diesen machte sie mit klaren Worten Saudi-
Aussparen einiger kontroverser Themen (u.a.                Arabien verantwortlich. Dies wurde von den sau-
„LGBT“-Fragen). Gegen den Trend wurde der ILO              dischen diplomatischen Vertretern heftig zurück-
eine moderate Budgeterhöhung genehmigt.                    gewiesen. Stark umstritten war auch eine Resolu-
                                                           tion zum Schutz der Menschenrechte in den Phi-
Insgesamt ging von der Konferenz ein klares                lippinen. Diese wurde letztlich mit knapper
politisches Signal der Unterstützung des Multila-          Mehrheit angenommen.
teralismus aus: 34 Staats- und Regierungschefs,
darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel,               Besonders hervorzuheben: die Auseinanderset-
                                                           zung über die Lage in der chinesischen Provinz
2
  ILO (21. Juni 2019): ILO Centenary Declaration for the
                                                           3
Future of Work:                                             Link zum Bericht:
https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/ed_norm/re        https://www.ohchr.org/en/NewsEvents/Pages/DisplayN
lconf/documents/meetingdocument/wcms_711674.pdf            ews.aspx?NewsID=24713&LangID=E
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Länderbericht                                                                                       August 2019      3

Xinjiang. So hatten am 10. Juli 22 Staaten in ei-         ausgezeichnet und sich durch die Gewährung
nem außergewöhnlichen Schritt im Rahmen ei-               eines großzügigen Zugangs für Medien und Zivil-
nes Briefs an UN-Menschenrechtskommissarin                gesellschaft zur UN einen Namen gemacht. Ab-
Michelle Bachelet Besorgnis über die Menschen-            zuwarten ist, wie die neue Leiterin des UNOG ihr
rechtslage in der Provinz Xinjiang, speziell über         Amt interpretieren wird.
Massenverhaftungen und die Behandlung der
                                    4
muslimischen Uiguren geäußert . Unter den                 Mit Gerhard Adrian wurde der Präsident des
Unterzeichnern waren 15 der 28 EU-Länder, da-             Deutschen Wetterdienstes zum Präsidenten der
runter Deutschland, Frankreich und Großbritan-            Weltorganisation für Meteorologie gewählt. Er
nien (Karte I), sowie u.a. Kanada, Japan, Australi-       setzte sich damit gegen den US-Vertreter Louis
en und die Schweiz. China wies die Vorwürfe               Uccellini durch. Fachlich galten beide Kandidaten
scharf zurück. Nur zwei Tage später folgte wiede-         als hochqualifiziert. Anders als sein US-
rum ein von 37 Ländern signierter Brief, der aus-         Mitbewerber sieht Adrian die Privatisierung nati-
drücklich Fortschritte der chinesischen Regierung         onaler Wetterdienste skeptisch. Neben geschlos-
im Umgang mit den Uiguren lobte. Unterzeichnet            sener europäischer Unterstützung war für die
ist der Brief u.a. von Russland, Algerien, Saudi-         Wahl auch die Unterstützung der sog. „afrikani-
Arabien, Nordkorea, Kuba und dem Sudan. Auf-              schen Gruppe“ entscheidend.
fällig:
                                  5
1. Von den 37 Unterzeichnern, die sich auf Chi-           Handel – Wenig Neues bei der WTO -
nas Seite stellten, werden von Freedomhouse               Reform, Sorge um Welthandel
zehn als „teilweise frei“, 27 als „nicht frei“ einge-
ordnet.
                                                          Keine wesentlichen Fortschritte sind bei den
2. Kein EU-Land unterschrieb den Unterstüt-
                                                          verfahrenen Diskussionen um die WTO-Reform
zungsbrief für China, allerdings unterschrieben
                                                          zu vermelden, das wurde auch bei der Sitzung
von den in der 16+1-Initiative eingebundenen
                                                          des Allgemeinen Rats der WTO Ende Juli noch
Ländern nur die drei baltischen Länder den kriti-
                                                          einmal deutlich. Beobachter und diplomatische
schen Brief der 22.
                                                          Vertreter sehen wenig Bewegung bei den zentra-
3. Unter den Unterzeichnern des Briefs der 37
                                                          len Streitfragen und sind skeptisch, was eine
sind viele überwiegend muslimische Länder,
                                                          Einigung etwa zur Reform der Berufungsinstanz
darunter neben Saudi-Arabien auch Katar oder
                                                          (‘appellate body’) vor den US-Wahlen 2020 anbe-
die Vereinigten Arabischen Emirate.
                                                          langt. Mithin wird damit gerechnet, dass zum
                                                          Jahresende, wenn die Amtszeit zweier weiterer
Deutschland kandidiert für 2020-2022 erneut für
                                                          Mitglieder der Berufungsinstanz abläuft, das
die Mitgliedschaft im UN-Menschenrechtsrat. Die
                                                          Gremium nicht mehr entscheidungsfähig sein
Wahl wird im Oktober 2019 in New York stattfin-
                                                          wird. Derzeit werden verschiedene Ersatz- und
den.
                                                          Übergangslösungen diskutiert: So vereinbarten
                                                          die EU und Kanada am 25. Juli für diesen Fall
Personalpolitik – Posten für deutsche                     untereinander ein Interim-Berufungsverfahren
und russische Vertreter                                   (basierend auf Artikel 25 der WTO-Vereinbarung
                                                                                6
                                                          zur Streitbeilegung).
Die Russin Tatiana Valovaya wurde zur Generaldi-
rektorin der UN-Vertretung in Genf (UNOG) er-             Die US-Kritik konzentrierte sich in den vergangen
nannt und setzte sich damit gegen den bisheri-            Wochen zunehmend darauf, dass China nach wie
gen dänischen Amtsinhaber Michael Moller                  vor den Status eines Entwicklungslands („develo-
durch. Für Russland war die Besetzung dieser              ping nation“) bei der WTO genießt. Bemerkens-
Position ein Kernanliegen. Valovayas Vorgänger            wert: Im Berichtszeitraum gewannen die USA
hatte sich durch seine unparteiische Haltung              einige wichtige Fälle bei der WTO – unter ande-
                                                          rem auch gegen China. Ein Beleg, dass die WTO
4
  Liste der unterzeichnenden Länder (veröffentlicht auf
HRW):
                                                          6
https://www.hrw.org/sites/default/files/supporting_reso     Text der Vereinbarung zwischen EU und Kanada,
urces/190708_joint_statement_xinjiang.pdf                 Interim Appeal Arbitration pursuant to Article 25 of the
5
   Liste der Unterzeichner (veröffentlicht auf HRW):      DSU :
https://www.hrw.org/sites/default/files/supporting_reso   https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2019/july/tradoc
urces/190712_joint_counterstatement_xinjiang.pdf          _158273.pdf
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Länderbericht                                                                                    August 2019     4

auch für Schwergewichte der Weltpolitik ein rele-        Berichte zu Herausforderungen der
vantes Forum ist.                                        Zukunft – Migration, Innovation, Kli-
                                                         ma
Immerhin bewegt sich die Initiative zum elektro-
nischen Handel vorwärts, der sich inzwischen 78
                                                         Am 19. Juni legte das UNHCR (Hohes Flüchtlings-
Länder angeschlossen haben, die 90 % des Welt-
                                                         kommissariat der Vereinten Nationen) seinen
handels abdecken (Karte II). Auch die schwierigen
                                                         neuen Bericht zu globalen Flüchtlingstrends 2018
Verhandlungen über Fischereisubventionen                     9
                                                         vor. Insgesamt waren Ende 2018 70,8 Millionen
schreiten voran. Ob diese noch 2019 abgeschlos-
                                                         Menschen auf der Flucht. Davon waren 58,3%
sen werden können, ist jedoch noch ungewiss.
                                                         Binnenvertriebene. Die meisten Flüchtlinge blei-
                                                         ben in ihrer Region: Knapp 80% der Flüchtlinge
Darüber hinaus stand beim Allgemeinen Rat der
                                                         finden in einem an ihrem Herkunftsland gren-
WTO auch der Handelsstreit zwischen Japan und
                                                         zenden Land Zuflucht.
Südkorea im Vordergrund. Im Nachgang strichen
die Länder einander gegenseitig von der „weissen
                                                         Am 24. Juli stellte die Weltorganisation für geisti-
Liste“ bevorzugter Handelspartner. Hintergrund
                                                         ges Eigentum (engl. World Intellectual Property
ist u.a. ein Streit über die Entschädigung koreani-
                                                         Organization, WIPO) gemeinsam mit den For-
scher Zwangsarbeiter während damaliger japani-
                                                         schungsinstituten von INSEAD und Cornell den
scher Besatzung.                                                                          10
                                                         globalen Innovationsreport vor : Die Schweiz
                                                         steht erneut an der Spitze der untersuchten 129
Sorgen bereitet die allgemeine Entwicklung des
                                                         Länder, gefolgt von Schweden und den USA.
Welthandels. Dessen Dynamik hatte zuletzt spür-
                                                         Deutschland liegt erneut auf Platz 9. Unter den
bar nachgelassen. Gründe sind der Handelsstreit
                                                         TOP 10 befinden sich insgesamt sechs EU-Länder.
zwischen den USA und China und die weltweite
                                                         Bemerkenswert: gute Platzierungen einiger
Zunahme handelsbeschränkender Maßnahmen.
                                                         Transformationsländer (Vietnam (Platz 42), Ukra-
Am 26. Juli veröffentlichte die WTO ihren jährli-
                                                         ine (47), Georgien, (48)), schwache Platzierungen
chen Bericht zu Statistiken des Welthandels – mit
                                                         einiger finanzstarker arabischer Staaten (Katar
sehr unterschiedlichen Tendenzen: Während die
                                                         (Platz 65), Saudi-Arabien (68), Bahrain (78)).
Entwicklung im Bereich des Warenhandels wenig
erfreulich ist, wächst der Dienstleistungshandel
                 7                                       Die gravierenden Konsequenzen der Übernut-
immer stärker.
                                                         zung von Land und die Folgen einer Erderwär-
                                                         mung jenseits von 1,5 Grad u.a. für die Welter-
Gespräche zum INF-                                       nährung schildert ein am 7. August vom Welt-
Abrüstungsvertrag ohne Ergebnis                          klimarat (IPCC, Intergovernmental Panel on Cli-
                                                                                           11
                                                         mate Change) vorgelegter Bericht. Als Gegen-
Auch die letzten Gespräche zwischen Russland             maßnahmen nennt der Bericht u.a. eine Verrin-
und den USA Ende Juli in Genf verliefen ohne             gerung von Emissionen, Investitionen in Rekulti-
Ergebnis: Am 2. August wurde der Austritt der            vierung und Investitionen in neue Methoden und
USA aus dem INF-Vertrag wirksam. Als Grund               Technologien zur besseren Landnutzung und
wurde die andauernde Nichteinhaltung des Ver-            Vermeidung von Lebensmittelverschwendung.
trags durch Russland angegeben. Bereits 2013
hatten die USA gegenüber Russland wiederholt
Bedenken geäußert und zur Einhaltung des Ver-            Kommentar
                    8
trags aufgefordert.
                                                         1. China füllt die Lücke. Die zunehmend wichti-
                                                         ge Rolle Chinas in Genf lässt sich an mehreren
                                                         Aspekten ablesen: Ein Beispiel ist seine zum wie-
7
  World Trade Statistical Review 2019:
                                                         9
https://www.wto.org/english/res_e/statis_e/wts2019_e/     https://www.unhcr.org/statistics/unhcrstats/5d08d7ee
wts2019_e.pdf                                            7/unhcr-global-trends-2018.html
8                                                        10
  Eine Auflistung der entsprechenden Aufrufe seit 2013      Gesamter Bericht hier einsehbar:
hier:                                                    https://www.globalinnovationindex.org/gii-2019-report
                                                         11
https://geneva.usmission.gov/2019/07/31/timeline-of-        IPCC: Climate Change and Land:
highlighted-u-s-diplomacy-regarding-the-inf-treaty-      https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2019/08/4.-
since-2013/                                              SPM_Approved_Microsite_FINAL.pdf
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Länderbericht                                                                                August 2019     5

derholten Mal erfolgreiche Strategie zur Margina-
lisierung Taiwans im Rahmen der WHA. Ein ande-         3. Dringlichkeit einer stärkeren (und schnelle-
res Beispiel ist die Tendenz, das eigene Verständ-     ren) europäischen Abstimmung: Im Vorfeld von
nis von Multilateralismus und Deutungshoheit           Sitzungen erfolgt in der Regel eine ausgiebige
über kontroverse Themen durchzusetzen. Der             Koordination zwischen den EU-Staaten. Das führt
Briefaustausch beim Menschenrechtsrat zu Xinji-        häufig, aber eben nicht immer, zu einer kohären-
ang steht dabei exemplarisch für einen Trend:          ten EU-Position (siehe bei der WHA). Auffällig ist
China hat sich wiederholt mit seiner Position in       die bisweilen zu langsame und schwierige Vorab-
diesem Gremium durchgesetzt. Ähnliches ist bei         stimmung bei Personalfragen: Selbst diplomati-
der Besetzung wichtiger Posten in verschiedenen        sche Vertreter aus anderen Regionen äußern
Organisationen zu beobachten. Peking münzt             immer wieder Erstaunen über die als schleppend
häufig seinen wirtschaftlichen Einfluss in zahlrei-    wahrgenommene Koordination der EU-Länder in
chen Staaten in politische Gestaltungsmacht um.        der Personalpolitik.
Gleichzeitig stößt China finanziell wie personell in
Lücken, welche die Vereinigten Staaten in einigen      4. Der Multilateralismus ist nicht tot. Anders
(wenn auch bei weitem nicht allen) internationa-       als die gegenwärtigen Abgesänge auf die multila-
len Organisationen hinterlassen.                       terale Weltordnung es vermuten lassen, ist multi-
                                                       laterales Handeln bereits seit Jahrzehnten eine
2. Afrikanische Gruppe künftig das Zünglein            mühsame Übung. Das globale Umfeld ist gleich-
an der Waage? Bemerkenswert: Gerade in per-            wohl in vielen Politikfeldern erheblich schwieriger
sonalpolitischen Fragen war die „afrikanische          geworden. Dennoch zeigte die ILO-Konferenz,
Gruppe“ zuletzt ein entscheidender Akteur – nicht      dass sich die Weltgemeinschaft nach wie vor auf
nur, aber auch in Genf. Auffällig: Viele Länder        gemeinsame – wenn auch allgemeine – Positio-
stellen sich bei einigen kontroversen Fragen de-       nen einigen kann. Das wird in Zukunft auch nötig
zidiert hinter China. Bei anderen Fragen war die       sein: Die Berichte zu Migration und Klima ma-
Gruppe wiederum wichtiger Bündnispartner der           chen deutlich, dass fehlende Fähigkeit, multilate-
Europäer. Obgleich die afrikanische Gruppe so-         rale (und nicht nur europäische) Antworten auf
wohl inhaltlich wie strategisch gesehen kein mo-       globale Herausforderungen zu finden, das Errei-
nolithischer Block ist, so ist doch bemerkenswert,     chen zahlreicher in der Agenda 2030 formulierter
dass die Gruppe mit ihrem Stimmengewicht in            Nachhaltigkeitsziele gefährdet .
einigen Fragen den Ausschlag gibt.

Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.

Olaf Wientzek
Leiter Multilateraler Dialog Genf
Europäische und Internationale Zusammenarbeit
www.kas.de
olaf.wientzek@kas.de

Der Text dieses Werkes ist lizenziert unter den Bedingungen
von „Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter
gleichen Bedingungen 4.0 international”,
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