To Deal or Not to Deal? - Unsichere Zeiten in den Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EU - Die Zeitschrift

 
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Freihandel unter Druck

     To Deal or Not to Deal?
     Unsichere Zeiten in den Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EU

     Stormy-Annika Mildner und Claudia Schmucker | Eine nationalistische Wirt-
     schaftspolitik wollte Donald Trump im Wahlkampf – kann er sie durch-
     setzen? Die Gefahr, dass das Weiße Haus in der Handelspolitik auf Pro-
     tektionismus setzt, ist nicht gebannt. Doch Deutschland und die EU haben
     Möglichkeiten, solchen Entwicklungen entgegenzuwirken.

     Die USA sind der wichtigste Absatz-        rend frühere Präsidenten – ob Repu-
     markt für deutsche Warenexporte.           blikaner oder Demokraten – zumin-
     Es überrascht daher wenig, dass die        dest im Grundsatz einen freien und
     handels­politischen Pläne von US-Prä-      offenen Handel unterstützten, scheint
     sident Donald Trump vielen deut-           Trump ein überzeugter Merkantilist
     schen Unternehmern Sorgen bereiten.        zu sein. Für ihn ist Handel ein Nullsu-
         Die Außenhandelsquote – das Ver-       mmenspiel: Exporte sind gut, Importe
     hältnis von Handel (Exporte und Im-        schlecht. Produktion im Inland ist gut,
     porte) von Waren und Dienstleistun-        Produktion im Ausland schlecht. Han-
     gen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP)         delsüberschüsse sind gut, Handelsde-
     – betrug 2016 84,4 Prozent. Jeder          fizite schlecht. Die großen Überschüs-
     vierte Arbeitsplatz hängt in Deutsch-      se einzelner Länder wie von Deutsch-
     land vom Export ab, in der Indust-         land, China oder auch Japan sind kein
     rie ist es sogar mehr als jeder zwei-      Zeichen von Wettbewerbsfähigkeit,
     te. Deutschland ist auf weltweit offe-     sondern von unfairem Wettbewerb –
     ne Märkte angewiesen, und die USA          von Währungsmanipulation, Subven-
     waren in der Vergangenheit stets Ver-      tionen und Dumping. Nach Ansicht
     fechter eines regelbasierten, internati-   von Trump ist beispielsweise der Han-
     onalen Handelssystems – vom Allge-         del mit Deutschland nur dann „fair“,
     meinen Zoll- und Handelsabkommen           wenn die Deutschen ebenso viele ame-
     (GATT, Abschluss 1947) hin zu des-         rikanische Autos kaufen würden wie
     sen Nachfolger, der Welthandelsorga-       die Amerikaner deutsche.
     nisation (WTO, Gründung 1995).                 Trumps handelspolitische Ide-
         Präsident Trump hingegen stellt        en basieren auf seinem Motto „Ame-
     dieses regelbasierte und liberale Welt-    rica first“. Er will Industriejobs zu-
     handelssystem infrage und vollzieht        rück in die Vereinigten Staaten holen
     damit einen deutlichen Bruch. Wäh-         und Arbeitsplätze schaffen – ohne da-

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To Deal or Not to Deal?

bei in Betracht zu ziehen, dass vor al-   die Arbeitslosenquote liegt bei un-
lem strukturelle Faktoren und nicht       ter 5 Prozent. Allerdings haben nicht
der Handel für den Verlust der meis-      alle gleichermaßen vom wirtschaftli-
ten Jobs verantwortlich sind. Auch        chen Aufschwung nach der Finanz-
das Handelsbilanzdefizit soll verrin-     und Wirtschaftskrise profitiert. Die
gert werden.                              Reallöhne sind in den USA seit Jah-
    An seinem ersten Amtstag kün-         ren kaum gestiegen, und viele Mit-
digte Trump die Beteiligung der USA       telstandsfamilien sind der Ansicht,
an der Transpazifischen Partner-          dass sich ihre finanziel-
schaft (TPP) auf und versprach, das       le Situation nicht verbes-     Die amerikanische
nordamerikanische Freihandelsab-          sert hat. Darüber hinaus
                                                                         Stahlindustrie steht
kommen ­NAFTA neu zu verhandeln.          waren bei einer Umfrage
Gleichzeitig betonte er im März 2017,     des Pew Research Center        hinter Trumps Ideen
dass er die Unabhängigkeit der USA        im August 2016 47 Pro-
in der Handelspolitik stärken wol-        zent der Befragten der Meinung, dass
le. Damit bezog er sich vor allem auf     Freihandelsabkommen ihrem Land
den Streit­schlichtungsmechanismus        geschadet hätten. Unter Trump-Un-
der WTO, dessen Urteile seiner            terstützern stimmten dieser Aussage
Ansicht nach nicht länger zu einer        sogar 68 Prozent zu.
Änderung amerikanischer Geset-                In Wirtschaftskreisen finden
ze führen sollten. Am 31. März er-        Trumps Vorschläge vor allem in In-
ließ Trump zudem ein Dekret (Exe-         dustriezweigen Unterstützung, die
cutive Order), das die Überprüfung        unter globalem Wettbewerbsdruck
der US-Handelsbeziehungen anord-          leiden, wie beispielsweise die Stahl­
net. Innerhalb von 90 Tagen sollen        industrie. Diese setzt sich seit vie-
das US-Wirtschaftsministerium und         len Jahren für schärfere Anti-Dum-
das Büro des US-Handelsbeauftrag-         ping-Maßnahmen und einen stärke-
ten einen Bericht vorlegen. Darin         ren Schutz vor „unfairem“ globalen
sollen sie Faktoren prüfen, die mög-      Wettbewerb ein. Zusätzlich riefen
licherweise zum Handelsbilanzdefi-        Anfang Februar 2017 25 US-Unter-
zit der USA beitragen, darunter Be-       nehmen, darunter auch bedeuten-
trug oder unangemessenes Verhalten        de Exporteure, die „American Made
von Handelspartnern, Freihandelsab-       Coalition“ ins Leben, die die Steuer-
kommen, die nicht zu den vorherge-        vorschläge der Republikaner für eine
sagten Effekten geführt haben, man-       „Border Adjustment Tax“ (BAT) un-
gelnde Durchsetzung von Handelsre-        terstützt. General Electric, Boeing,
geln seitens der USA oder auch Wäh-       Dow Chemical, Eli Lilly, Pfitzer und
rungsmanipulation.                        Oracle gehören zu den prominentes-
                                          ten Mitgliedern.
Botschaft an die Abgehängten                  Allerdings formiert sich auch Wi-
Trump spricht mit seiner Politik all      derstand gegen Trump. Die Initiative
jene an, die sich von der Globalisie-     „Americans for Affordable Products“
rung abgehängt fühlen. Insgesamt          („Amerikaner für bezahlbare Pro-
geht es der amerikanischen Wirt-          dukte“), zu der viele Einzelhändler
schaft gut: Das BIP wuchs 2015 und        gehören, spricht sich gegen die neuen
2016 langsam, aber kontinuierlich;        Steuerpläne aus. Viele Unternehmen

IP • Mai / Juni 2017                                                                       47
Freihandel unter Druck

                    in Silicon Valley wie Apple sind stark         von reziproken (…) Zugeständnissen
                    vom internationalen Handel abhängig            in Bezug auf Kanada oder Mexiko“
                    und sehen Trumps Ankündigungen                 zu erhalten.1 Entsprechend könnte
                    sehr kritisch. Gleiches gilt für Unter-        Trump die Zölle wieder auf WTO-Ni-
                    nehmen aus Texas, die sich gegen eine          veau anheben. Voraussetzung ist aber,
                    Aufkündigung von NAFTA oder zu-                dass der Präsident den Kongress kon-
                    sätzliche Zölle auf Importe aus Mexi-          sultiert – was keine große Hürde ist.
                    ko aussprechen.                                Es reicht, wenn der US-Handelsbe-
                                                                   auftragte und weitere Kabinettsmit-
                    Im Ermessen des Präsidenten                    glieder die zuständigen Kongressaus-
                   Zwar ist die Macht des Präsidenten              schüsse unterrichten.
                   in diesen Fragen nicht unbeschränkt.                Zahlreiche weitere Gesetze stär-
                   Die Zuständigkeit für die Handels-              ken den Handlungsspielraum des
                   politik liegt nach Artikel I, Absatz 8          Präsidenten. Der Trade Expansi-
                   der Verfassung grundsätzlich beim               on Act of 1962 erlaubt es, Zölle oder
                   Kongress. Dieser hat dem Präsiden-              Quoten einzuführen, wenn die nati-
                   ten aber in verschiedenen Fällen die            onale ­Sicherheit von Importen beein-
                   Kompetenz übertragen, über präsi-               trächtigt wird. Paragraf 122 des Tra-
                   dentielle Bekanntmachungen Zölle                de Act of 1974 gibt dem Präsidenten
                   in Handelsabkommen abzusenken                   das Recht, Zölle von bis zu 15 Pro-
                   oder auch wieder anzuheben. Die-                zent und/oder quantitative Import-
                   se Kompetenz­übertragung fand erst-             beschränkungen für bis zu 150 Tage
                               mals durch den Recipro-             einzuführen, wenn ein signifikantes
         Trump hätte es cal Trade Agreements Act                   Defizit in der US-Zahlungsbilanz mit
                               of 1934 und später über             einem Land vorliegt. Nahezu unbe-
     in der Hand, Straf-
                               die Implementierungsge-             schränkte Kompetenzen werden dem
       zölle einzuführen setze für Beschlüsse des                  Präsidenten durch den Trading with
                               GATT, der WTO und für               the Enemy Act of 1917 und den In-
                   unterschiedliche Freihandelsabkom-              ternational Emergency Economic Po-
                   men statt. Die Befugnis des Präsiden-           wers Act of 1977 übertragen. Trump
                   ten über auswärtige Angelegenheiten             hat also Spielräume, um Straf­zölle auf
                   ermöglicht es ihm auch, bestehende              Importe aus China und Mexiko ein-
                   Freihandelsverträge zu kündigen.                zuführen.
                       Die gesetzliche Grundlage für das               Was bedeutet das für Deutschland
                   Nordamerikanische Freihandelsab-                und Europa? 2015 lösten die USA
                   kommen ist das NAFTA-Implemen-                  Frankreich als wichtigstes Zielland
                   tierungsgesetz. Unter Berufung auf              für deutsche Warenexporte ab, und
                   dessen Paragrafen 201 hat Präsident             auch 2016 waren die USA Deutsch-
                   Bill Clinton seinerzeit Zölle gesenkt           lands wichtigster Exportmarkt. Umge-
                   beziehungsweise abgeschafft. Auf                kehrt lagen die USA bei den Warenim-
                   gleicher rechtlicher Basis kann ein             porten 2016 auf Platz vier. Deutsch-
                   Präsident aber auch zusätzliche Zölle           land hatte 2016 mit den USA einen
                   erheben, um das „allgemeine Niveau              Handelsbilanzüberschuss (Waren und

                    1
                        H. R. 3450, Section 201, https://www.gpo.gov/fdsys/pkg/BILLS-103hr3450enr/pdf/BILLS-
                        103hr3450enr.pdf.

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To Deal or Not to Deal?

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Dienstleistungen) von 67,8 Milliarden                 Auch die Wirtschaftsbeziehun-
Dollar. Der Überschuss ist zwar im                gen zwischen der EU und den USA
Vergleich zum Vorjahr (77,3 Milliar-              sind eng. 2016 gingen (ohne intraeu-
den Dollar) deutlich gesunken.2 Den-              ropäischen Handel) 20,7 Prozent der
noch steht Deutschland im Zentrum                 gesamten europäischen Exporte in
von Trumps Kritik – deutlich mehr                 die USA und 14,5 Prozent der Impor-
als andere EU-Länder.                             te stammten von dort. Die EU hatte
    Deutsche und amerikanische Un-                insgesamt einen Handelsbilanzüber-
ternehmen sind außerdem wichtige                  schuss mit den USA von 115,3 Milli-
Investoren für den jeweils anderen                arden Euro.3 Die wichtigste Grund-
Markt – tatsächlich sind die Vereinig-            lage in den trans­atlantischen Wirt-
ten Staaten das wichtigste Zielland               schaftsbeziehungen sind die gegen-
für deutsche Direktinvestitionen im               seitigen Direktinvestitionen. Die
Ausland (Foreign Direct Investments,              eu­ropäischen FDI in den USA betra-
FDI). Rund 28 Prozent der deutschen               gen ungefähr das Achtfache der euro-
FDI lagen 2014 in den USA (Bestände).             päischen FDI in Indien und China zu-
Laut Bundesbank waren im gleichen                 sammengenommen.4
Jahr 4725 deutsche Unternehmen mit                    Einige von Trumps Ankündigun-
unmittelbaren und mittelbaren Inves-              gen in Sachen Investitionen in die
titionen in den USA präsent.                      Infrastruktur und niedrigere Unter-

2
    BEA, U.S. Trade in Goods and Services by Selected Countries and Areas, 1999-present,
    ­https://www.bea.gov/newsreleases/international/trade/trad_geo_time_series.xls.
3
     Europäische Kommission, Generaldirektion Handel, Statistics, Top Trading Partner, http://
     trade.ec.europa.eu/doclib/html/122530.htm.
4
     Europäische Kommission, Generaldirektion Handel, Countries and Regions: United States,
     http://ec.europa.eu/trade/policy/countries-and-regions/countries/united-states/.

IP • Mai / Juni 2017                                                                            49
Freihandel unter Druck

               nehmenssteuern könnten auch deut-                gela Merkel mit Wirtschaftsvertre-
               schen und europäischen Firmen zu-                tern im Weißen Haus im März 2017.
               gute kommen. Eine Voraussetzung                  Das Unternehmen werde jedoch auch
               für die Teilhabe an dem erhofften                nicht von seinen Plänen abweichen,
               Infrastrukturboom ist jedoch, dass               ab 2019 in seinem Werk in San Luis
               die Regierung ausländische Unter-                Potosí in Mexiko die BMW-3er-Li-
               nehmen nicht durch „Buy-Ameri-                   mousine zu bauen.6 Joe Kaeser, Vor-
                           can“-Klauseln bei öffent-            standsvorsitzender von Siemens, das
 Die EU ist abhängig lichen Aufträgen aus-                      an 60 Produktionsstandorten 50 000
                           schließt. Und wenn das               Mitarbeiter in den USA beschäftigt,
 von offenem, regel-
                           Weiße Haus Zölle auf me-             bot bei dem Treffen an, den Umfang
   basiertem Handel xikanische Produkte er-                     des Ausbildungsprogramms zu ver-
                           heben würde, bekämen                 doppeln.7 Das deutsche „duale Sys-
               das auch deutsche und europäische                tem“ der Berufsausbildung trifft an-
               Unternehmen zu spüren. Besonders                 gesichts erheblicher Defizite im Bil-
               deutsche Autobauer und ihre Zulie-               dungsbereich nicht erst seit dem Re-
               ferer, die erheblich in Mexiko inves-            gierungswechsel auf großes Interesse.
               tiert haben, wären von Zöllen auf                    Was viele in Europa beunruhigt:
               Warenexporte aus Mexiko betroffen.               Ein Großteil von Trumps handels-
               Auch die „Border Adjustment Tax“,                politischen Ideen ist mit den Regeln
               die viele Republikaner im Abgeord-               der WTO nicht vereinbar. Und hier-
               netenhaus fordern, wäre ein schwe-               in liegt eines der größten Risiken:
               rer Schlag für die deutsche und euro-            Deutschland und die EU sind abhän-
               päische Export ­industrie.                       gig von einem offenen und regelba-
                   Dabei leisten deutsche Unterneh-             sierten Handel. Die WTO ist der seit
               men in den USA einen wichtigen Bei-              Jahren stockenden Verhandlungen in
               trag zur US-Wirtschaft. Nicht nur die            der Doha-Runde zum Trotz immer
               deutsche Bundesregierung, auch die               noch der wichtigste Garant d    ­afür.
               Unternehmen selbst bemühen sich                  Wenn Trump seine Ankündigungen
               intensiv, der US-Administration zu               wahr macht und die Urteile des WTO-­
               erklären: Was deutschen Unterneh-                Streitschlichtungsmechanismus igno-
               men schadet, schadet letztlich auch              riert oder sich die USA sogar gänzlich
               den USA. Beispielsweise hat BMW                  aus der WTO zurückziehen, wird das
               mit seinen Investitionen in Spar-                gesamte multilaterale Handelssystem
               tanburg (South Carolina) 9000 Ar-                ins ­Chaos gestürzt.
               beitsplätze im eigenen Unternehmen
               und 45 000 bei Zulieferern geschaf-              Ein „Deal“ mit Trump?
               fen.5 BMW werde auch weiterhin                   Das zentrale Handelsprojekt der EU
               in den USA investieren, unterstrich              war in den vergangenen drei Jahren
               Vorstandsvorsitzender Harald Krü-                die Transatlantische Handels- und In-
               ger beim Besuch von Kanzlerin An-                vestitionspartnerschaft. Trump selbst

                 5
                     „Lehrlinge im Weißen Haus“, Süddeutsche Zeitung, 19.3.2017.
                 6
                     „So reagiert der BMW-Chef auf Trumps Drohungen“, https://www.welt.de/wirtschaft/artic-
                     le161215040/So-reagiert-der-BMW-Chef-auf-Trumps-Drohungen.html.
                 7
                     „Lehrlinge im Weißen Haus“, a.a.O. (Anm. 5).

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To Deal or Not to Deal?

erwähnte TTIP im Wahlkampf nie,                   weltweit – sind durchaus gerechtfer-
machte jedoch als Präsident schnell               tigt. Die Antwort darauf ist jedoch
deutlich, dass er bilaterale Verträge             nicht, den Zugang zum eigenen Markt
abschließen will, die auch für die USA            zu blockieren. Die Antwort liegt in ei-
ein „guter Deal“ sind. Bislang geht die           nem regelbasierten gemeinsamen Vor-
EU davon aus, dass TTIP unter seiner              gehen gegen unfaire Wett-
Präsidentschaft auf Eis liegt. Der de-            bewerbsbedingungen im             Trump braucht
signierte Handelsbeauftragte Robert               Rahmen der WTO. Der
                                                                                    Firmen, die Arbeits-
Lighthizer betonte jedoch bei seiner              EU-Botschafter in Wa­
Anhörung im Kongress im März 2017,                shington, David O’Sulli-          plätze schaffen
dass er offen dafür sei, die TTIP-Ver-            van, betonte in einer Rede
handlungen wiederaufzunehmen.                     am 8. Februar: „Wir freuen uns auf
    Mit einer schnellen Wiederauf-                die Gespräche mit der neuen US-Re-
nahme der Verhandlungen sollte man                gierung, wie wir das transatlantische
allerdings nicht rechnen. In Frank-               Verhältnis weiter ausbauen können
reich und Deutschland stehen Wah-                 und dabei die Ideen zu berücksich-
len an. Und mit der Wahl Trumps                   tigen, die diese einbringen möchte.“9
hat das ohnehin umstrittene Projekt                   Die Suche nach Kooperationspart­
TTIP in Europa nicht gerade an Be-                nern in den USA darf sich dabei nicht
liebtheit gewonnen.8 Die Strategie der            nur auf Regierungsmitglieder be-
EU ist daher richtig, 2017 die Han-               schränken. Gleichzeitig sollten die
delsbeziehungen mit anderen wich-                 Kontakte zwischen Vertretern des
tigen Handelspartnern auszubauen                  Europäischen Parlaments und dem
und die Freihandelsabkommen mit                   US-Kongress intensiviert werden.
Japan, Mexiko und dem Mercosur                    Der Transatlantic Legislators̓ Dialo-
zügig abzuschließen. Denn die USA                 gue kann dafür eine gute Grundlage
sind ein wichtiger, aber nicht der al-            bilden. Wichtige Stimmen sind wei-
leinige Handelspartner der EU.                    terhin der Trans­     atlantic Business
    Unabhängig von TTIP sollte die                Dialogue (TABD) zu den Handels-
EU auf allen Ebenen den konstruk-                 und Investitionsmöglichkeiten sowie
tiven Dialog über Freihandel mit der              der Trans­atlantic Economic Council
neuen US-Administration suchen.                   (TEC) zur Zusammenarbeit in Regu-
Dabei muss sie den USA gleichzei-                 lierungsfragen. Für Trump, der sich
tig deutlich machen, welche Inter-                als „Dealmaker“ sieht, sind die Stim-
essen und Werte sie verfolgt. Man-                men der Unternehmen, die Arbeits-
che handelspolitischen Bedenken der               plätze in den USA schaffen, von zen-
Trump-Administration – mangelnder                 traler Bedeutung.
Schutz geistigen Eigentums interna-                   Kurz: Die EU muss alles daran-
tional, unfairer Wettbewerb durch                 setzen, konstruktiv mit dem neuen
Überkapazitäten oder auch unglei-                 US-Präsidenten umzugehen. Gleich-
cher Marktzugang bei Investitionen                zeitig sollte sie jedoch jegliche Verstö-

8
    Trump’s Pick for Trade Envoy Open to Continued EU Trade Talks, Politico, 21.3.2017.
9
    Keynote speech von David O’Sullivan beim Global Ties 2017 Strategic Dialogue: www.
    euintheus.org/press-media/keynote-speech-by-david-osullivan-at-the-global-ties-2017-strate-
    gic-dialogue-a-shared-vision-of-transatlantic-leadership-through-international-exchanges/

IP • Mai / Juni 2017                                                                                      51
Freihandel unter Druck

                  ße gegen internationale Handelsre-     Chancen zu verhelfen; soziale Siche-
                  geln strikt ahnden.                    rungssysteme, die Menschen ein Auf-
                                                         fangnetz bieten, die ihre Arbeit ver-
                  Gegen Protektionismus                  loren haben; Arbeitsmarktreformen,
               Um Trumps protektionistischen Ab-         die aktiv dabei helfen, Menschen
               sichten entgegenzuwirken, muss die        wieder in den Arbeitsmarkt zu inte-
               internationale Gemeinschaft ein deut-     grieren; und eine starke soziale Part-
               liches Zeichen für offene Märkte set-     nerschaft – all das kann helfen, das
                           zen. Die Welt schaut da-      Wirtschaftswachstum inklusiver zu
 Die G20 müssen die bei auf die G20, die in die-         gestalten. Nichts davon muss sich ne-
                           sem Jahr unter deutscher      gativ auf den Handel auswirken.
Vorteile des Welthan-
                           Präsidentschaft stattfin-         Gerade die EU sollte sich für
 dels besser erklären det. Aufgrund amerikani-           Freihandel und gegen Protektionis-
                           scher Vorbehalte haben die    mus stark machen. Die Verabschie-
               G20-Finanzminister und Notenbank-         dung des Handelsabkommens zwi-
               chefs bei ihrem Treffen in Baden-Ba-      schen der EU und Kanada (CETA)
               den im März zum ersten Mal ihr Ver-       im Europaparlament ist ein gutes Zei-
               sprechen nicht wiederholt, sich dem       chen. Aber die EU sollte noch größe-
               Protektionismus in allen seinen For-      re Anstrengungen unternehmen, in-
               men entgegenzustellen. Stattdessen        nere Blockaden zu überwinden, da-
               einigte man sich lediglich auf die all-   mit sie ein durchsetzungsfähiger Ak-
               gemeine Formulierung: „Wir arbeiten       teur im Welthandel bleibt. Klar ist:
               daran, den Beitrag von Handel auf un-     Wenn Regierungsverantwortliche in
               sere Volkswirtschaften zu stärken.“       der EU der heimischen Anti-Globali-
                   Spätestens beim G20-Gipfel in         sierungsstimmung nicht überzeugter
               Hamburg sollten die Mitglieder ihr        begegnen, könnte – gerade in Zeiten
               Versprechen mit Nachdruck wieder-         von Trump – der internationale Han-
               holen und zuvor eingeführte pro-          del erheblichen Schaden nehmen.
               tektionistische Maßnahmen wieder
               abschaffen. Dazu wäre eine Stär-                            Dr. Stormy-Annika
               kung der Monitoring-Kapazitäten                             Mildner leitet die
               der WTO wichtig. Die G20 sollte die                         ­Abteilung Außenwirt-
                                                                            schaftspolitik beim
               WTO beauftragen, protektionistische                          Bundesverband der
               Maßnahmen eindeutiger zu klassifi-                           Deutschen Industrie
               zieren und ihren Einfluss auf Wachs-                         (BDI); sie ist zudem
               tum und Arbeitsmarkt zu messen.                              B20-Sherpa.

               Nur so kann der Protektionismus in
               seine Schranken verwiesen werden.
                   Gleichzeitig müssen die G20-Mit-                        Dr. Claudia
               glieder auf nationaler Ebene die Vor-                       Schmucker leitet das
               teile des Welthandels besser erklären.                      Programm Globalisie-
                                                                           rung und Weltwirt-
               Dabei müssen sie auch jene anspre-                          schaft im Forschungs-
               chen, die sich zurückgelassen fühlen.                       institut der Deutschen
               Mehr Anstrengungen in den Berei-                            Gesellschaft für Aus-
               chen Bildung und lebenslanges Ler-                          wärtige Politik (DGAP).

               nen, um diesen Menschen zu neuen

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