Geothermie im neuen - Geothermie im neuen "Berliner Schloss
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14 Oberflächennahe Geothermie Ansicht des geplanten Berliner Schlosses von Nord-Ost Geothermie im neuen »Berliner Schloss – Humboldt Forum« TEXT: Jens-Uwe Kühl, Kyra Damp, Sarah Gaedke, Elian Krüger Aufbauend auf der Architektur des ehemaligen Berliner Schlosses entsteht aktuell in Berlin-Mitte das Humboldt Forum. Ab Ende 2019 wird es ein Ort für Museen und Veranstaltungen mit einer Ausstellungsfläche von 30.000 m2 sein. Die außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz stellen eine ideale Ergänzung zu den Häusern auf der Museumsinsel mit der Kunst und Kultur Europas und des Mittelmeerraumes dar. Das Gebäude benötigt mit einer Gesamtfläche von 100.000 m2, die sich vor allem aus Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen zusammensetzt, einen großen Energieaufwand. Daher entschied sich die »Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss«, die Bauherrin, dass dieser neben anderen Energiequellen durch die oberflächennahe Geothermie bereitgestellt werden soll. Intention des Bauherrn der Standortgeologie sowie des geothermischen »Ein Gebäude dieser Größenordnung bedarf beim Standortpotentials wurden im Jahre 2010 Vor- Thema Nachhaltigkeit einer besonderen Heran- untersuchungen an repräsentativen Standorten gehensweise. Insbesondere die Geothermie als im Baufeld vorgenommen. Bei den drei Erkun- regenerative Energiequelle trägt hier maßgeblich dungsbohrungen sowie den geophysikalischen zum Nachhaltigkeitskonzept bei. Neben einer und geothermischen Messungen (u. a. Tempera- besseren Energieeffizienz im Vergleich zu her- turmessungen und Durchführung von Geother- kömmlichen fossilen Energieträgern, sprechen mal Response Tests) wurde festgestellt, dass grundsätzlich ökologische Aspekte und langfris- der Standort gute Bedingungen für eine Nutzung tig betriebswirtschaftliche Vorteile für die Nut- des Untergrundes als thermischer Untergrund- zung geothermischer Energie«, sagt Thomas speicher zur saisonalen Bereitstellung von Wär- Herrmann, Leiter Facility Management bei der me und Kälte aufweist. Damit waren rechtzeitig Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss. die Grundlagen für die weiterführenden Planun- gen durch die H.S.W. Ingenieurbüro Gesellschaft Voruntersuchungen und Vorplanungen für Energie und Umwelt mbH und die Geother- Bereits in einer sehr frühen Planungsphase mie Neubrandenburg GmbH geschaffen. hatte sich der Bauherr entschieden, dass die Geothermie Bestandteil des Gesamtversor- Umfang der geothermischen Gesamtanlage gungskonzeptes werden soll. Erste Machbar- Die auf den fortgeschrittenen Planungen beru- keitsuntersuchungen fanden bereits im Jahre hende Erschließung des Untergrundes erfolgt 2009 statt. Im Rahmen einer Vorerkundung über zwei geschlossene Systeme. Neben der in
Geothermische Energie Heft 91 // 2019 / 1 15 Ausführung befindlichen Herstellung von 115 noch Restbestände aufragender Bauteile sowie Erdwärmesonden mit einer Einheitstiefe von Betonteile zum ehemaligen Ballastieren vorhan- 100 m, wurden im Jahr 2015 bereits 91 Grün- den. Die Palastwannensohle verspringt lokal in dungspfähle zu Energiepfählen (mittlere Akti- der Höhe um bis zu 4 m und weist eine Tiefenla- vierungstiefe ca. 18,5 m) ausgebaut. Zusätzlich ge von 7 m bis 11 m zur aktuellen Geländeober- ist die wasserbehördlich beauflagte Herstellung kante (GOK) auf. Die Mächtigkeit der Stahlbeton- von 4 Temperaturmessstellen zum Monitoring sohlplatte liegt zwischen ca. 1,50 m und 2,35 m. der thermischen Veränderungen im Untergrund In den Übergängen des Höhenversprungs liegt vorgesehen und somit Bestandteil der Gesamt- eine größere Mächtigkeit des Betonkörpers vor. anlage. Ein Großteil des Palastwannenkörpers wurde Mit einer Gesamtlänge von 11.500 m Erd bereits mit dem Neubau des Berliner Schlosses wärmesonden plus ca. 1.680 m Energie überbaut. pfählen ist diese Geothermieanlage ver Der nördliche Teil der Palastwanne tangiert mutlich die größte für ein Einzelobjekt in der den Schlossplatz (Nord) und befindet sich hier Bundeshauptstadt Berlin. im Flächenbereich des Erdwärmesondenfeldes Nord 2. Für die Herstellung von 40 Erdwärme- Die geographische Lage sonden sowie einer Temperaturmessstelle war Insbesondere die gegenwärtige Herstellung der eine aufwändige Durchörterung der Palastwan- 115 Erdwärmesonden auf der Nordseite des nensohle unter besonderen Auflagen der Geneh- Schlossplatzes war und ist mit besonderen An- migungsbehörde notwendig. Allein die Kernboh- forderungen an die Planung und Ausführung rungen erforderten einen Zeitaufwand von 4 bis verbunden. So wird das exponierte Baufeld im 6 Stunden pro Bohrung bei erheblicher Abnut- Norden durch den stark frequentierten Stadt- zung der Bohrwerkzeuge. Als Herausforderung verkehr, im Osten durch die Spree, im Westen stellte sich zudem die Inhomogenität des Betons durch den Kupfergraben (Spreekanal) und im und die heterogene Bewehrungssituation inner- Süden durch die Trasse der neuen U-Bahnlinie halb des Betons dar. Die Lage und Verteilung der U5 sowie durch den bereits fertig gestellten Erdwärmesonden und der Palastwanne verdeut- Baukörper des Berliner Schlosses begrenzt licht Abbildung 2 (siehe S. 16). (s. Abb. 1). Die 115 Erdwärmesonden stellen die planerisch maximal umsetzbare Anzahl am Unerwartet war auch das Antreffen von Grob- Baustandort dar. kiesen und Steinen in einem Tiefenbereich von Parallel laufende Arbeiten an der Uferpromena- 40 m bis 45 m. Im Zuge der drei problemlos ab- de der Spree, an der U5 und beim Rückbau der geteuften Erkundungsbohrungen im Jahre 2010 »Humboldt Box« (zeitweiliges Ausstellungsge- wurden diese grobklastischen Schichten nicht bäude) machten eine Zweiteilung des Bohrfeldes angetroffen bzw. zutage gefördert. Abb. 1: Erdwärmesonden- in das Erdwärmesondenfeld Nord 1 (61 Stück) feld und Energiepfähle sowie und Erdwärmesondenfeld Nord 2 (54 Stück) er- Versuche des beauftragten Bohrunternehmens, zu berücksichtigende forderlich, die in 3 zeitlich nicht zusammenhän- die anspruchsvolle Geologie durch das Anpassen Gegebenheiten genden Bauabschnitten errichtet wurden bzw. der Bohrspülung zu beherrschen, waren zunächst (Quelle: H.S.W. GmbH) werden. Der Abschluss der Arbeiten ist für 2021 geplant. Besonderheiten beim Sondenfeld Nord 2 Das Erdwärmesonden- feld Nord 2 wurde von August 2018 bis zum Januar 2019 erfolgreich fertiggestellt. Eine Be- sonderheit stellte dabei der im Boden verbliebe- ne Gründungskörper des ehemaligen »Palastes der Republik« dar. Die Sohl- platte und die Seitenwän- de der »Palastwanne« bestehen aus Stahlbeton. Sie wurden im Zuge des Rückbaus des Palastes N der Republik im Boden be- lassen und mit Sand/Kies verfüllt. Teilweise sind in- nerhalb der Palastwanne
16 Oberflächennahe Geothermie Abb. 2: 3D-Visualisierung nicht erfolgreich. Daher war ein Überbrücken des reits planerisch berücksichtigt und werden vor der Palastwanne (Schloss- instabilen Bohrlochabschnittes mit einer Schutz- bzw. nach der Baumaßnahme Geothermie her- platz Nord) mit den erforder- verrohrung bis 50 m unter Gelände unumgäng- gestellt. Insbesondere bei älteren, ungenutzten lichen Durchörterungen für lich und ermöglichte so den fachgerechten Ein- Bestandsleitungen ist die konkrete Lage unge- die Erdwärmesonden bau der Erdwärmesonden auf Endtiefe. wiss, so dass die Erdarbeiten hier mit besonde- (Quelle: H.S.W. GmbH) rer Vorsicht und Aufmerksamkeit vorzunehmen sind. Hinzu kommen die Gründungspfähle der »Humboldt Box«, welche im Boden verbleiben sowie ein unbekannter Anteil sonstiger erdseitig verbauter Hindernisse. Aus dieser besonderen Situation ergibt sich ein hoher interdisziplinärer Abstimmungsbedarf mit den Versorgungsträgern und betreffenden Fach- planern, eine sensible Ausführung der Erdar- beiten, die zu großen Teilen in Handschachtung vorzunehmen ist sowie möglichst taggleiche Entscheidungen mit dem Umgang beim Boden- aushub angetroffener, unbekannter Leitungen/ Bauwerke. Nutzungskonzept Geothermie Das ganzheitliche Versorgungskonzept des Humboldt Forums sieht eine Grundlastdeckung des Heizwärme- und Gebäudekühlbedarfs durch die Geothermie vor. Ziel ist eine genehmigungs- rechtlich und technisch optimale thermische Beanspruchung der beiden geothermischen Quellenanlagen mit einer saisonal nahezu aus- bilanzierten Wärmeentnahme (Winterbetrieb) und Wärmeinjektion (Sommerbetrieb). Der Un- tergrund unter dem Schlossplatz Nord fungiert somit als saisonaler Energiespeicher. Im Rahmen der Ausführungsplanung wurde das nachfolgende aufgeführte geothermische Nut- zungspotential der jeweiligen geothermischen Quellensysteme ermittelt und war somit u. a. auch die Grundlage der wasserrechtlichen Ge- nehmigung durch den Berliner Senat: Leistung Arbeit Erdwärmesondenfeld [kW] [MWh/a] Heizfall: Entzug erdseitig 332 1.430 Kühlfall: Injektion erdseitig 403 1.347 Energiepfahlfeld Heizfall: Entzug erdseitig 46 165 Kühlfall: Injektion erdseitig 43 168 Abb. 3: Ausschnitt aus dem Erdarbeiten und Horizontalanbindung Ausführungsplan Erdar- Auch die horizontale hydraulische Anbindung beiten/Grabenführung der der Sonden und der Einbau der beiden Groß- Besonderer Fokus bei der Geothermieanlage Geothermie (orange), hier: schächte ist sehr anspruchsvoll. Während die des Humboldt Forums liegt auf der Kühlung des Erdwärmesondenfeld Nord 1 Palastwanne nach dem Rückbau des Palastes Gebäudes. Im Winter wird der Kühlbedarf zu (Quelle: Geothermie Neu- der Republik komplett mit Boden verfüllt wurde, 100 % durch die Geothermie gedeckt. Im Som- brandenburg, H.S.W. GmbH) zeigt sich im sonstigen Baufeld die lange His- mer sind es ca. 15 %. 50 % der Kühlenergie lie- torie des Standortes. Der gesamte Bereich ist fern elektrisch betriebene Kältemaschinen. Bei durch eine Vielzahl von erdverlegten Ver-, Ent- Spitzenlastanforderungen kommen ca. 35 % sorgungs- und Medienleitungen sowie unterirdi- der Kühlenergie aus einem Eisspeicher. Die Geo- schen Bauwerken geprägt (s. Abb. 3). Darunter thermieanlage des Humboldt Forums stellt im sind ungenutzte und genutzte Bestandsleitun- Winter zudem ca. 15 % des Wärmeenergiebe- gen sowie Leitungen, die im Laufe des Baupro- darfs bereit. Die restlichen 85 % kommen aus zesses wieder zurückgebaut werden, aber auch dem anliegenden Fernwärmenetz. neu zu verlegende Leitungen. Diese wurden be- Im Gesamtkonzept der geothermischen Energie-
Geothermische Energie Heft 91 // 2019 / 1 17 gewinnung und -verteilung werden die im Sommerbetrieb soweit möglich als 2020 und mit dem dritten im März Erdwärmesonden im Vorrang betrieben, passive geothermische Kühlung und bei 2021 begonnen werden. Beide befinden da diese deutlich höhere Nutzungspo- Überschreitung der Nutztemperaturen sich im Erdwärmesondenfeld Nord 1 tentiale als die Energiepfähle aufzeigen. mit maschineller Unterstützung durch und sind mit einer Ausführungszeit von Die Energiepfähle sollen je nach Bedarf den Einsatz reversibler Wärmepumpen. je 2 Monaten eingetaktet. und Systemtemperaturen als Wärme- Ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme quelle bzw. Wärmesenke zugeschaltet Ausblick ist ein umfangreiches Monitoring und werden. Der winterliche Heizbetrieb ist Das Humboldt Forum soll Ende 2019 Wärmemengenmanagement der Geo- mit der geothermischen Gesamtanlage eröffnet werden. Geplant ist eine Teil- thermieanlage vorgesehen. So sollen (über die erdgekoppelten Wärmepum- inbetriebnahme des Erdwärmeson- genehmigungsrechtliche Auflagen er- pen) mit nahezu konstanter thermischer denfeldes Nord 2 im Februar 2019. Mit füllt und Erkenntnisse aus dem Betrieb Last vorgesehen. Die Kühlung erfolgt dem zweiten Bauabschnitt soll im März gewonnen werden. ENGIE RÉFÉRENCES COULEUR STORENGY_DE_MONO_WHITE 07/05/2015 24, rue Salomon de Rothschild - 92288 Suresnes - FRANCE WHITE Tél. : +33 (0)1 57 32 87 00 / Fax : +33 (0)1 57 32 87 87 Web : www.carrenoir.com WHITE WHITE WHITE
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