Gestählte Blattwurzel - Windenergie - ELIB-DLR
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Windenergie Foto: DLR (CC-BY 3.0) Glasfaser-Metall-Laminat in der Forschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt - eine Verbindung auch für Rotorblattwurzeln? Gestählte Blattwurzel Künftige Rotorblätter werden deutlich über 100 Meter lang sein. Neue Verbindungstechnik für Nabe und Blattsegmente erlauben das. G rößere Rotoren lassen günstiger Strom für künftige Modelle entwickelt. Neben dem Blatt- produzieren. Die viel diskutierte Frage anschluss, also der Verbindung von Rotorblatt und ist, ob beziehungsweise wann dieser Nabe, geht es hier um Verbindungstechnik für seg- Trend aufhört? Der Straßentransport mentierte Rotorblätter. Beide Verbindungen müssen von sehr großen Rotorblättern wird immer auf- immer größere Lasten übertragen. wändiger und für manche Standorte unmöglich. Allerdings ist der Bauraum für die Verbindungs- Die Lasten, insbesondere die Betriebslasten, stei- technik begrenzt. Für den Blattanschluss stellen gen sehr stark, so dass konventionelle Werkstoffe Autobahnbrücken eine Bauraumbegrenzung dar. Ab und Bauweisen nicht mehr tragfähig genug sind. Das einem Anschlussdurchmesser von gut vier Metern Größenwachstum kann nur weitergehen, wenn für Lutz Beyland, kann ein Rotorblatt die Autobahnbrücken nicht derartige Herausforderungen immer wieder inno- wissenschaftlicher mehr unterqueren, so dass der Straßentransport vative Lösungen gefunden werden. Mitarbeiter, für den Bau von Windparks an Land nicht mehr Am Institut für Faserverbundleichtbau und Institut für Faserver- möglich ist. Und bei segmentierten Rotorblättern Adaptronik (FA) des Deutschen Zentrums für Luft- bundleichtbau und bleibt grundsätzlich sehr wenig Platz für die Verbin- und Raumfahrt (DLR) in Braunschweig werden der Adaptronik, DLR dungstechnik, da das aerodynamische Profil auch Foto: DLR Einfluss des Größenwachstums auf die Verbindungs- im Verbindungsbereich eher schlank sein sollte, um technik der Komponenten erforscht und Lösungen eine hohe Leistungsausbeute zu erreichen. 38 ERNEUERBARE ENERGIEN 06/2020
Windenergie Klassische Verbindungen erreichen Limit macht den Straßentransport zunehmend schwie- Das Biegemoment M ist die maßgebliche Last für riger. Segmentierte Rotorblätter sind die Lösung, die sehr schlanke Struktur des Rotorblatts und steigt benötigen aber eine starke Verbindungstechnik. nämlich bei zunehmender Blattlänge schneller als Eine Verklebung kann mit wenig Zusatzmasse das Widerstandsmoment W: Dieses kennzeichnet im Verbindungsbereich realisiert werden, benö- den Bauraum, wobei beispielsweise ein Rohr nach tigt aber einen aufwändigen Prozess für die einer Verdoppelung seines Durchmessers eigent- sichere Verklebung der Blattsegmente im Feld. lich schon ein vier Mal so großes Widerstandsmo- Eine Verschraubung ist relativ einfach im Feld 200 ment W enthält. Doch lässt sich mit dem Design durchzuführen, führt aber zu viel Zusatzmasse des Bauraums die zunehmende Last nicht mehr im Verbindungsbereich: Denn für T-Bolzen oder ausreichend ausgleichen – schon weil die Blätter Insert-Verschraubungen müssen die in jedem Blatt eben aus aerodynamischen Gründen in weiten enthaltenen lasttragenden Gurte – bestehend aus Bereichen schlank ausfallen müssen. Vereinfacht MEGAPASCAL in Blattlängsrichtung orientierten, durchgängigen bildet diese wachsende Beanspruchung die Formel beträgt die maxi- Glas- oder Kohlefasern – zur Verbindungsstelle hin mit dem griechischen Buchstaben Sigma ab, der für male statistische deutlich im Querschnitt vergrößert werden. Nur die physikalische Größe der Spannung steht: Sigma Beanspruchung, die dann können diese Gurte auch Verbindungsele- (Beanspruchung)=M/W. Bolzen-Verbindungen mente in ausreichender Anzahl aufnehmen. Am Blattanschluss konventioneller Rotorblät- in Faser-Metall-La- Das führt zu Wandstärken von teilweise über ter werden seit vielen Jahrzehnten T-Bolzen oder minaten aus Stahl 100 Millimetern und einer Gurtbreite, die nahezu Inserts eingesetzt. Bezogen auf den Brutto-Quer- und Glasfaserkunst- den ganzen Profilumfang einnimmt. Diese Maßnah- schnitt im Verbindungsbereich haben T-Bolzen-Ver- stoff ohne Schäden men lassen sich angesichts des Trends zu immer bindungen eine zulässige statische Beanspruchung standhalten können. längeren und dennoch schlankeren Blättern nicht von etwa Sigma = 30 Megapascal (MPa) oder 30 Das ist das Vierfache mehr weiter vorantreiben. Würde hingegen das Newton pro Quadratmillimeter. Insert-Verbindun- der bisher erreichba- aerodynamische Profil an der Verbindungsstelle gen können etwas dichter gepackt werden, weil sich ren Beanspruchung vergrößert werden, um ein höheres Widerstands- im selben Bauraum mehr Hülsen nebeneinander bei herkömmlichen moment zu erhalten, wäre das mit einem Verlust platzieren lassen, so dass mehr Schrauben gleicher Rotorblatt-Verbin- im Energieertrag gegenüber einem monolithischen Größe hinein passen. Insert-Verbindungen erreichen dungstechniken. Blatt verbunden. so bis zu 50 MPa. Bei einem Anschlussdurchmesser von maximal für den Straßenverkehr geeigneten vier Faser-Metall-Laminat und RAX-Bolzen Metern ergeben sich hieraus maximale Blattlängen Sowohl am Blattanschluss als auch für geschraubte, für die T-Bolzen-Verbindung von 80 bis 85 Meter segmentierte Rotorblätter werden daher tragfähi- und 95 bis 105 Meter für die Insert-Verbindung. gere Verbindungstechniken benötigt, um weiteres Größenwachstum zu ermöglichen. Das Institut für Wandstärken von 100 Millimetern drohen Faserverbundleichtbau und Adaptronik setzt dabei Allerdings wirkt noch eine zweite räumliche auf zwei Technologien: Faser-Metall-Laminate Begrenzung: Auch die Länge der Rotorblätter (FML) und radial und axial vorgespannte Bolzen- verbindungen (RAX). FML sind hybride Werkstoffe aus Glas- oder Kohlefaser-verstärktem Kunststoff in Kombina- tion mit dünnen Metallblechen. Ein Beispiel aus dem Flugzeugbau ist GLARE, eine Kombination aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) und Aluminium: Mehrere dünne Lagen zweier abwech- selnd übereinander geschichteter Materialen kom- binieren dabei ihre Eigenschaften zu einem beson- ders tragfähigen und leichten Werkstoff (siehe Grafik 1). Auch Stahl ist zur Hybridisierung von Verbindungsbereichen in Rotorblättern besonders geeignet, weil Stahl hochfest und preisgünstig ist. Dieser Materialmix eignet sich deutlich besser als Grafik: DLR reines GFK oder CFK für hohe Lochleibungsbe- lastungen, wie sie bei Bolzenverbindungen auf- Grafik 1: Faser-Metall-Laminat in gabelförmiger Struktur als lastenfähiger Blattanschluss treten. So können für Bolzenverbindungen . ERNEUERBARE ENERGIEN 06/2020 39
Windenergie in Stahl-GFK oder in mit Carbonfaserkunststoff (CFK) verstärktem Stahl-CFK zulässige statische Beanspruchungen von 100 bis 200 MPa erreicht werden. Die neuartige RAX-Verbindung kombiniert als alternatives Konzept die positiven Eigenschaften einer radialen und axialen Vorspannung, so dass eine Bolzenverbindung mit höchster Tragfähigkeit bei statischer und schwingender Belastung ent- steht (siehe Grafik 2). Das Laminat wird hier im Verbindungsbereich durch Flansche beidseitig axial Grafik: DLR gestützt, so dass eine Vorspannung in Laminatdi- ckenrichtung entsteht. Dadurch treten versagens- initiierende Delaminationen erst bei höheren Lasten auf. Insbesondere die statische Festigkeit der Verbin- dung steigt. Die radiale Vorspannung der Bohrung im Laminat wird über einen Innen- und einen Außen- Grafik 2: „Radial und axial vorgespannte Bolzenverbindung“ (RAX) am Blattanschluss konus erzeugt, die bei der Montage übereinander geschoben werden und sich dabei radial ausdehnen (siehe Grafik 3). verhindert, also die Ablösung der Schichten an der Lochkante. Die Vorspannung durch den konischen Wie RAX wichtige Vorspannungen erzeugt RAX-Bolzen verdoppelt die Lochleibungsfläche Soweit die Kurzform dieses Blattanschluss-Aufbaus. Die Ergeb- zwischen dem GFK und der Hülse sogar. Und Im detaillierten Querschnitt stellt sich das System sie bewirkt, dass auch unter Lastwechseln GFK mit der RAX-Verbindung als eine Gabel aus Stahl dar nisse werden und Metall in der gesamte Blattstärke in Kontakt oder eine Nut, in der das Blatt-GFK-Laminat ein- 2021 oder bleiben. gefügt ist. Seitlich durch beide Nutflanken und das 2022 vorlie- GFK getriebene RAX-Bolzen haben eine sich beim Hohe Tragfähigkeit experimentell geklärt Durchqueren der Blattwand verjüngende konische gen und wohl Die Verbindung ist so immer spielfrei, wenig Form. Die Bolzen stecken allerdings nicht direkt in eine Stei- anfällig für Abrieb und insbesondere unter schwin- der Bohrung, sondern in einer dort zuvor eingelas- gerung der gender Belastung hochfest. Erste Tests zeigen, senen konischen Hülse. dass alleine mit der RAX-Verbindung zulässige Das Eintreiben des konischen RAX-Bolzens Verbindungs- statische Beanspruchungen von bis zu 100 MPa weitet so die Bohrung im Blattwurzellaminat auf festigkeit erreicht werden können. In den Projekten LENAH und sorgt für Vorspannung in radialer Richtung. nachweisen. und SegBlaTe konnte das Institut FA seit 2016 Zwei Unterlegscheiben pro Bolzen erzeugen – phy- die hohe Tragfähigkeit von RAX und FML auch sikalisch korrekter: übertragen – zugleich die Vor- experimentell bestätigen. Darauf aufbauend wird spannung in Dickenrichtung, die eine Delamination derzeit in einem Technologietransfer-Projekt die Kombination von RAX und FML untersucht. Darin werden diese Technologien strukturmechanisch optimiert, Bauteiltests in repräsentativer Größe mit Belastungen von 10 Meganewton oder 1.000 Tonnen Gewichtskraft durchgeführt, die Kosten bewertet, und ein skalierter Blattanschluss mit 1,35 Metern Durchmesser als Prototyp gefertigt. Die Ergebnisse werden 2021 oder 2022 vorliegen und wohl eine Steigerung der Verbindungsfestig- keit nachweisen. Für zukünftige Projekte lädt das Institut FA interessierte Partner ein, diese neuartigen Ver- Grafik: DLR bindungstechniken im Gesamtsystem zu unter- suchen. Dabei sollen innovative Gesamtkonzepte für Blattanschluss, Blattlager und Nabe entwickelt Grafik 3: Konischer Bolzen (blau) treibt in konische Hülse und erzeugt die Vorspannungen. werden. W 40 ERNEUERBARE ENERGIEN 06/2020
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