Gestaltungsspielräume beim Forschenden Lernen - ein Leitfaden für Lehrende - Working Paper der AG Forschendes Lernen in der dghd - Uni Oldenburg

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Gestaltungsspielräume beim Forschenden Lernen - ein Leitfaden für Lehrende - Working Paper der AG Forschendes Lernen in der dghd - Uni Oldenburg
dghd  Deutsche Gesellschaft
                                                                      für Hochschuldidaktik

Melanie Sauer-Großschedl, Leona Kruse, Falk Renth & Jörg Großschedl

Gestaltungsspielräume beim
Forschenden Lernen –
ein Leitfaden für Lehrende

Working Paper der AG Forschendes Lernen
in der dghd
Gestaltungsspielräume beim Forschenden Lernen - ein Leitfaden für Lehrende - Working Paper der AG Forschendes Lernen in der dghd - Uni Oldenburg
Diese Working Paper Reihe ist ein Produkt der AG Forschendes Lernen in der Deutschen Gesellschaft für
Hochschuldidaktik (dghd). Sie erscheint als Online-Publikation an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
und richtet sich an alle, die an Forschendem Lernen interessiert sind. Veröffentlicht werden wissenschaftliche
und praxisnahe Beiträge zum Forschenden Lernen. Die Autor_innen müssen nicht Mitglied der AG Forschendes
Lernen sein. Veröffentlichungen sind in deutscher und englischer Sprache möglich. Alle eingereichten Beiträge
durchlaufen einen Begutachtungsprozess.

Herausgeber_innenteam:

Dr. Kerrin Riewerts*                                   Dr. Susanne Haberstroh
Universität Bielefeld                                  Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Dr. Constanze Saunders*                                Dr. Janina Thiem
Humboldt-Universität zu Berlin                         Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Susanne Wimmelmann*
Georg-August-Universität Göttingen

*Sprecher_in der AG Forschendes Lernen in der dghd

Redaktion und Kontakt: Dr. Janina Thiem (fl-workingpaper@uol.de)

Das Herausgeber_innen-Team bedankt sich beim Vorstand der dghd für dessen Unterstützung der Reihe.
Die Working Paper sind abrufbar unter https://www.uni-oldenburg.de/fl-workingpaper/

Herausgeber:      Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Druck:            BIS-Druckzentrum

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, verboten. Kein Teil dieses Werks darf ohne schriftliche
Genehmigung der Autor_innen in irgendeiner Form reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme
verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Die Veröffentlichung der Working Paper Reihe wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und For-
schung unter dem Förderkennzeichen FKZ 01PL16056 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Ver-
öffentlichung liegt bei den Autor_innen.
Gestaltungsspielräume beim Forschenden Lernen - ein Leitfaden für Lehrende - Working Paper der AG Forschendes Lernen in der dghd - Uni Oldenburg
Gestaltungsspielräume beim
   Forschenden Lernen –
 ein Leitfaden für Lehrende
    Melanie Sauer-Großschedl, Leona Kruse,
         Falk Renth & Jörg Großschedl

         Working Paper Nr. 8, 2021

   Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Gestaltungsspielräume beim Forschenden Lernen - ein Leitfaden für Lehrende - Working Paper der AG Forschendes Lernen in der dghd - Uni Oldenburg
Gestaltungsspielräume beim Forschenden Lernen - ein Leitfaden für Lehrende - Working Paper der AG Forschendes Lernen in der dghd - Uni Oldenburg
Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung / Summary | 4

Einleitung | 5

1      Forschendes Lernen – die bessere Alternative | 6
1.1    Lernziele und überfachliche Kompetenzen | 6
1.2    Idealer Veranstaltungsprozess | 8

2      Grundpfeiler des Forschenden Lernens | 10
2.1    Projektmanagement | 10
2.2    Rückmeldestrukturen | 11
2.3    Reflexion | 12
2.4    Dokumentation | 13
2.5    Präsentation | 13

3      Lösungsvorschläge zum Umgang mit universitären
       Rahmenbedingungen | 14
3.1    Gruppengröße | 14
3.2    Zeit | 15
3.3    Personal | 16
3.4    Vorwissen und Fähigkeiten der Studierenden | 17
3.5    Vorwissen und Fähigkeiten der Dozierenden | 17
3.6    Prüfungsformen | 18
3.7    Materielle Ressourcen | 19
3.8    Verwertbarkeit der Ergebnisse | 19

4      Didaktische Gestaltungmöglichkeiten | 22
4.1    Veränderungen des „idealen Veranstaltungsprozesses“ | 22
4.1.1 Themenfindung (Forschungsgebiet) | 22
4.1.2 Forschungsfrage | 22
4.1.3 Forschungsdesign | 22
4.2    Anregungen zu Unterrichtsmethoden | 24
4.2.1 Gruppenarbeit | 24
4.2.2 Peer-to-Peer | 25
4.2.3 Blended Learning | 25

5      Rolle der Lehrperson | 27

Fazit | 29

Literaturverzeichnis | 30

Autor*innen | 31
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Zusammenfassung / Summary

Der vorliegende Beitrag geht aus einer interdisziplinä-   The results presented in this article are based on an ex-
ren Arbeitsgruppe Hochschullehrender hervor, in der       change of an interdisciplinary working group for four
Lehrerfahrungen im Bereich des Forschenden Lernens        years. The group members, lecturers in higher educa-
ausgetauscht wurden. Die Ergebnisse dieses mehr als       tion, aim to develop a simple practical guide for lectur-
vier Jahre währenden Austausches werden in Form           ers in order to alter and consequently improve re-
eines leicht verständlichen Praxisleitfadens zum For-     search-based learning activities. This article presents
schenden Lernen zusammengefasst und sollen andere         the concept of research-based learning as well as the
Hochschullehrende unterstützen, Lehrveranstaltungen       benefits for the students’ experience when applying
nach dem Konzept des Forschenden Lernens umzuge-          this approach, with a special focus on the framework,
stalten. Neben dem Konzept des Forschenden Lernens        which is needed to successfully implement a research-
zeigt dieser Leitfaden auf, welchen Mehrwert For-         based learning course. Moreover, we also show how
schendes Lernen Studierenden, gegenüber anderen           research-based learning can be realized under chal-
Lehr- und Lernformaten, bietet. Dabei richtet der Bei-    lenging circumstances, e.g., a big group size or limited
trag ein besonderes Augenmerk auf die Rahmenbedin-        stuff resources.
gungen, die eine erfolgreiche Implementation For-
                                                          Keywords: Higher education didactics, practical guide,
schenden Lernens in der Hochschullehre begünstigen.
                                                          research-based learning
In diesem Zusammenhang wird auch aufgezeigt, wie
Forschendes Lernen unter scheinbar ungünstigen Rah-
menbedingungen (z. B. große Gruppengröße, geringe
personelle Ressourcen) sinnvoll umgesetzt werden
kann.
Schlagwörter: Forschendes Lernen, Hochschuldidak-
tik, Praxisleitfaden

4   ____   Zusammenfassung / Summary
Gestaltungsspielräume beim Forschenden Lernen - ein Leitfaden für Lehrende - Working Paper der AG Forschendes Lernen in der dghd - Uni Oldenburg
Einleitung

Seit die Bundesassistentenkonferenz (1970) ein Ler-          Der vorliegende Beitrag bündelt die Ergebnisse eines
nen durch Forschung bzw. eine Beteiligung Studieren-         interdisziplinären, vier Jahre währenden Erfahrungs-
der an Forschung (Huber et al., 2009) zu einem An-           austausches von Lehrenden der unterschiedlichen
spruch an universitäres Lernen erhob, ist der Begriff        Fakultäten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel,
Forschendes Lernen aus der hochschuldidaktischen             die sich im monatlichen Turnus in der „Fokusgruppe
Diskussion nicht mehr wegzudenken. Forschendes               Forschendes Lernen“ trafen und dabei hochschuldidak-
Lernen ist in seinem Wesenskern dadurch bestimmt,            tisch durch das Qualitätspakt-Projekt PerLe unterstützt
dass Studierende in einem ergebnisoffenen Prozess            wurden. Der Beitrag stellt einen Leitfaden von Lehren-
und hoher Selbstständigkeit Erkenntnisse generieren,         den für Lehrende dar und soll andere Lehrende unter-
die auch für Dritte von Interesse sind. Dabei ist das For-   stützen, Lehrveranstaltungen so zu planen, dass Stu-
schende Lernen nach Huber et al. (2009) durch Ent-           dierende forschend lernen können. Er beschreibt das
scheidungen und Reflexionen in allen Phasen des For-         Konzept des Forschenden Lernens, betrachtet seinen
schungsprozesses (auch als Forschungszyklus bezeich-         Mehrwert für die Kompetenzentwicklung der Studie-
net) gekennzeichnet. Neben dem Forschenden Lernen            renden, bietet praktische und teilweise auch pragmati-
nach Huber et al. (2009) werden verwandte Lehr- und          sche Umsetzungsvorschläge, um mit ungünstigen
Lernformate wie Forschungsnahe Lehre (Riewerts               Rahmenbedingungen umzugehen, hat jedoch nicht vor
et al., 2013), Lernen im Format der Forschung (Ludwig,       in die aktuelle Forschungsdiskussion einzugreifen.
2011), Forschungsorientierte Lehre und Forschungs-           Kästchen innerhalb dieses Beitrages...
basierte Lehre (Jenkins & Healey, 2005; Kossek, 2009;
Ludwig, 2011) unterschieden. Im vorliegenden Beitrag               greifen relevante Konzepte zur Veranschauli-
wird diese begriffliche/konzeptuelle Differenzierung,            chung auf oder geben Beispiele,
wie sie in der (hochschul-)didaktischen Literatur
                                                                   verweisen auf weiterführende Literatur oder
(Huber, 2014) üblich ist, ausgeblendet. Stattdessen
werden unter Forschendem Lernen in einem weiteren                  fordern dazu auf innezuhalten, um Entscheidun-
Sinne alle Lehr- und Lernformate verstanden, in denen            gen für die eigene Lehrveranstaltung zu treffen.
Studierende selbstständig forschen bzw. in denen sich
Elemente Forschenden Lernens versammeln.

                                                                                            Einleitung   ____   5
Gestaltungsspielräume beim Forschenden Lernen - ein Leitfaden für Lehrende - Working Paper der AG Forschendes Lernen in der dghd - Uni Oldenburg
1 Forschendes Lernen – die bessere
  Alternative

Im universitären Lehralltag ist Forschendes Lernen bis-                 fest, welche Kompetenzen1 Studierende erwerben sol-
lang kaum vertreten. Stattdessen wird auch in prak-                     len, helfen diesen das Wesentliche vom Nebensächli-
tisch orientierten Lehrveranstaltungen überwiegend                      chen zu unterscheiden und geben Orientierung bei der
der „klassische“ Ansatz der Vermittlung von inhaltli-                   Auswahl von Lerninhalten sowie der Identifikation
chem, fachorientiertem Wissen verfolgt, bei dem                         möglicher Prüfungsinhalte. Dabei kommt es bei der
thematische Schwerpunkte oft ohne Spielraum für die                     Formulierung kompetenzorientierter Lernziele (s. Info-
Lernenden vorab festgelegt werden. Durch das hohe                       box) v. a. auf die Beantwortung der Frage an, „was die
Maß an Gestaltungsfreiheit und Selbstständigkeit sei-                   Studierenden am Ende der Lehrveranstaltung können
tens der Studierenden bietet Forschendes Lernen Leh-                    sollten und wie die Kompetenz beobachtbar und prüf-
renden ein vielversprechendes Lehr- und Lernformat,                     bar ist“ (Brinker & Schumacher, 2008, S. 183). Viele
um neben Fachwissen auch überfachliche Kompeten-                        Lehrende setzen hier einen Schwerpunkt auf die fach-
zen zu fördern. Dadurch kommt der bloßen Wissens-                       liche Kompetenz. Neben der fachlichen Kompetenz för-
vermittlung eine neue Rolle zu – sie ist nicht mehr                     dert Forschendes Lernen jedoch auch überfachliche
Hauptzweck der Veranstaltung, sondern soll gewähr-                      Kompetenzen bei den Studierenden (s. Abbildung 1),
leisten, dass die Studierenden einer selbstständigen                    wie den Umgang mit Unbestimmtheit, Selbstständig-
und aktiven Gestaltung des Forschungsprozesses ge-                      keit, Sozialkompetenz, Organisationsvermögen und
recht werden können. Dabei übernehmen sie Verant-                       Kommunikationskompetenz (vgl. Kossek, 2009; Müller,
wortung für ihr eigenes Lernen, bringen kreative Ideen                  2010; Schneider, 2009; Wessels et al., 2019). Um Stu-
ein, sind mitunter motivierter und interessierter und                   dierenden genügend Raum für die Entfaltung eben-
entlasten auf diese Weise auch die Lehrenden, denen                     dieser Kompetenzen zu geben, müssen sich Lehrende
die Ideen der Studierenden als Inspiration für die                      zurücknehmen. Dieses „Loslassen“ empfinden jedoch
eigene Arbeit dienen können.                                            viele als eine Form des Kontrollverlustes. Die Formulie-
                                                                        rung von Lernzielen kann das Gefühl des Kontrollver-
                                                                        lustes minimieren, da mit ihnen die Bedeutung der
1.1 Lernziele und überfachliche                                         überfachlichen Kompetenzen ins Bewusstsein der
Kompetenzen                                                             Lehrenden rückt und das „Loslassen“ nicht mehr nur als
                                                                        Kontrollverlust empfunden wird, sondern als Lern-
Die hohe Offenheit Forschenden Lernens scheint zu-                      chance für die Studierenden wahrgenommen werden
nächst schwer vereinbar mit dem Bedürfnis vieler Stu-                   kann. Wie kompetenzorientierte Lernziele für die
dierender nach klar abgesteckten Lern- und Prüfungs-                    Gruppe der überfachlichen Kompetenzen aussehen
inhalten. Die Mitteilung der Lernziele an die Studieren-                können, soll exemplarisch für den „Umgang mit Unbe-
den ist daher auch beim Forschenden Lernen eine                         stimmtheit“ und die „Selbstständigkeit“ aufgezeigt
Voraussetzung für erfolgreiche Lehre. Lernziele legen                   werden (s. Tabelle 1).

1     Wir lehnen uns an den Kompetenzbegriff von Weinert (2001)         motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähig-
an, der Kompetenzen als „die bei Individuen verfügbaren oder durch      keiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich
sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten [beschreibt],   und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert, 2001, S. 27).
um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen

6    ____     1 Forschendes Lernen – die bessere Alternative
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Abbildung 1:
Fachliche und überfachliche
Kompetenzen greifen ineinander

                                         Bei der Planung einer Lehrveranstaltung nach dem
                                 Konzept des Forschenden Lernens sollten Sie damit begin-
                                 nen die Lernziele festzulegen und mit der Modulbeschrei-
                                 bung abzugleichen. Formulieren Sie Lernziele so, dass Sie
                                 selbst erkennen können, ob diese Lernziele von den Studie-
                                 renden erreicht werden können. In einem präzise formulier-
                                 ten Lernziel legen Sie fest, „wer (1) was (2) wie (3) bis wann
                                 (4) tut (5)“. Beispiel: „Studierende der Pädagogik (1) können
                                 nach Abschluss des Seminars ‚Methodik I‘ (4) selbstständig
                                 (3) Items für einen Fragebogen (2) formulieren (5)“. Dabei
                                 ist es bei der Beschreibung des „Tuns“ wichtig, das erwar-
                                 tete Verhalten präzise, d. h. operationalisierbar zu beschrei-
                                 ben (Operationalisierbarkeit ist z. B. gewährleistet bei Ver-
                                 ben wie „formulieren, berichten, zusammenfassen, verglei-
                                 chen, übertragen, unterscheiden, prüfen, ableiten, ordnen,
                                 begründen, strukturieren“; Operationalisierbarkeit ist nicht
                                 gewährleistet bei Verben wie z. B. „begreifen, erkennen,
                                 einsehen, verstehen, wissen“).

                                      1 Forschendes Lernen – die bessere Alternative       ____   7
Gestaltungsspielräume beim Forschenden Lernen - ein Leitfaden für Lehrende - Working Paper der AG Forschendes Lernen in der dghd - Uni Oldenburg
Tabelle 1: Eine exemplarische Auswahl kompetenzorientierter Lernziele für die überfachlichen Kompetenzen des
„Umgangs mit Unbestimmtheit“ und der „Selbstständigkeit“

 Kompetenzbereich             Kompetenzorientiertes Lernziel

 Umgang mit                   Die Studierenden...
 Unbestimmtheit
                              ... erarbeiten sich ein Überblickswissen über das Forschungsfeld und grenzen den
                              eigenen Forschungsbereich ein.
                              ... entwickeln eine Forschungsfrage, um diese im Anschluss mit wissenschaftlichen
                              Methoden zu bearbeiten.
                              ... suchen sich eigenständig Informationen und können diese abwägen, um Entschei-
                              dungen fällen und begründen zu können.
                              ... fällen Entscheidungen (bezüglich Forschungsbereich, -frage, -methode, -design,
                              Stichprobe etc.).
                              ... probieren verschiedene Vorgehensweisen aus, überwachen dabei den Forschungs-
                              prozess und reflektieren das Ergebnis.
                              ... reflektieren Fehler und nutzen diese, um andere Vorgehensweisen einzuschlagen
                              und zu begründen.
                              ... sind in der Lage, selbst gefundene Antworten gegenüber Kritik argumentativ zu
                              untermauern.

 Selbstständigkeit            Die Studierenden...
 (fördern)
                              ... nutzen ihr Vorwissen / ihre Stärken, um diese in den Forschungsprozess zu inte-
                              grieren.
                              ... suchen eigenständig nach benötigten Informationen, um ein Problem zu lösen.
                              ... probieren verschiedene Vorgehensweisen aus, überwachen dabei den Forschungs-
                              prozess und reflektieren das Ergebnis.
                              ... fällen eigenständig Entscheidungen, die den Forschungsprozess strukturieren (wie
                              Forschungsbereich, -frage, -methode, -design, Stichprobe etc.) und begründen diese.
                              ... entscheiden sich selbstständig für eine Vorgehensweise bzw. Forschungsmethode
                              und begründen diese Entscheidung wissenschaftlich.

1.2 Idealer Veranstaltungsprozess                                  gestellung zu formulieren und gegebenenfalls eine vor-
                                                                   läufige Antwort auf diese Fragestellung in Form einer
Forschendes Lernen folgt naturgemäß den Schritten                  Hypothese zu finden. Ist die Fragestellung/Hypothese
des Forschungsprozesses. In Anlehnung an Wildt                     festgelegt, kann das Forschungsdesign entworfen
(2009) wird dieser Forschungsprozess in sieben Pha-                werden. Hierbei ist eine genaue Planung der weiteren
sen unterteilt2 (s. Abbildung 2). Er startet in der Regel          Schritte notwendig, die u. a. die Beantwortung folgen-
mit der Themenfindung, an die sich die theoretische                der nachgelagerter Fragen erfordert: „Welche For-
Fundierung des Forschungsvorhaben anschließt. Im                   schungsmethode möchte ich zur Erhebung und Aus-
Rahmen einer Literaturrecherche sammeln die Studie-                wertung der Daten verwenden?“ und „Welcher Gegen-
renden theoretische und/oder empirische Evidenz, um                stand und welche Zielgruppe sollen untersucht wer-
ein logisches Argument für die Sinnhaftigkeit ihrer Fra-

2   Der hier skizzierte Forschungsprozess und das gewählte For-    schaftliche) Forschung. Beides muss gegebenenfalls an andere For-
schungsparadigma beziehen sich auf die empirische (sozialwissen-   schungsbereiche angepasst werden.

8    ____    1 Forschendes Lernen – die bessere Alternative
Abbildung 2:
                                                                              Forschungszyklus einer Lehrveranstaltung
                                                                              (angelehnt an Wildt, 2009, S. 5)

den?“. In dieser Phase (Entwurf eines Forschungs-         ben macht. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen,
designs) findet auch die Projektplanung statt, die Ent-   dass ein maximales Maß an studentischer Gestaltungs-
scheidungen über die nächsten Schritte erfordert          freiheit dem Konzept des Forschenden Lernens am
(„Was wird bis wann von wem getan?“). Ist der For-        besten gerecht wird und dass davon ausgegangen
schungsprozess durchdacht und sind die Rahmen-            werden kann, dass ein größerer Gestaltungsspielraum
bedingungen, wie der Zugang zum Forschungsfeld,           mit motivationalen Vorteilen (z. B. Begeisterung für
geplant, kann die Durchführung des Forschungspro-         Forschung, Freude an der Durchführung des For-
zesses mitsamt der Datenerhebung beginnen. Die er-        schungsprojektes, Lernmotivation) verbunden ist. Die
hobenen Daten werden im Anschluss einer Auswer-           Rolle der Lehrperson ist dabei die einer Lernbegleitung.
tung unterzogen, gefolgt von einer Interpretation der     Sie unterstützt die Studierenden bei auftretenden
Ergebnisse. Diese Interpretation wird dann mit anderen    Schwierigkeiten (s. Kapitel 5) und greift ein, falls diese
Forschungsergebnissen auf diesem Gebiet in Bezug          den Forschungsprozess und/oder den Verlauf der
gesetzt und mit der Wirklichkeit abgeglichen. Daraus      Lehrveranstaltung gefährden.
ergeben sich in der Regel Ideen für künftige For-
schungsvorhaben, sodass Forschung auch als zyklisch
beschrieben wird.

Jede Phase des Forschungszyklus zwingt die Studie-
renden zu begründeten Entscheidungen über die
Gestaltung des Forschungsprozesses. In diesen Ent-
scheidungen kommt auch der Anspruch Forschenden
Lernens zum Ausdruck – die Selbstständigkeit der Stu-
dierenden zu fördern. Dabei liegt es im Ermessen der
Lehrperson, welche Entscheidungen sie den Studieren-
den überlässt und bei welchen sie selbst klare Vorga-

                                                     1 Forschendes Lernen – die bessere Alternative         ____   9
2 Grundpfeiler des
  Forschenden Lernens

Bei der Planung einer Lehrveranstaltung nach dem
                                                                         2.1 Projektmanagement
Konzept des Forschenden Lernens muss sich die Lehr-
person entscheiden, wie weit sie sich zurücknehmen                       Ein gutes Projektmanagement soll den Forschungspro-
kann, um den Studierenden möglichst viel Gestal-                         zess möglichst berechenbar und planbar machen, Res-
tungsfreiheit beim Durchlaufen des Forschungspro-                        sourcen verteilen und Rahmenbedingungen abstecken.
zesses zu gewähren, und wo sie eingreifen muss, um                       Dabei ist es ein wesentlicher Teil des Projektmanage-
das Erreichen der Lernziele nicht zu gefährden. Dabei                    ments einen Zeitplan mit verbindlichen Meilensteinen
ist eine Steigerung der studentischen Gestaltungsfrei-                   aufzustellen. Diese Meilensteine sollten sich aus den
heit nicht zwangsläufig mit einem höheren Kompe-                         Lernzielen der Veranstaltung ableiten lassen und Be-
tenzerwerb oder einer gesteigerten Lernmotivation                        zug haben zu den wichtigsten (Teil-)Ergebnissen
assoziiert (Deci & Ryan, 1993); ein Mehr an Gestal-                      innerhalb des Forschungsprozesses (z. B. Akquise der
tungsfreiheit birgt auch immer das Risiko des Schei-                     Stichprobe, Erstellung eines Fragebogens, Zugang zu
terns, was zu Vorbehalten der Studierenden gegen-                        Laboratorien) und die einzelnen Phasen des For-
über dem Lehr- und Lernformat des Forschendes Ler-                       schungszyklus sichtbar machen. Innerhalb dieser
nens beitragen kann. Wir schlagen daher fünf Maßnah-                     Grobstruktur aus Meilensteinen hat es sich bewährt,
men vor, die den Studierenden Sicherheit beim Durch-                     bereits vorab zeitliche Puffer einzubauen, sodass Ver-
laufen des Forschungsprozesses geben (im Folgenden                       zögerungen im Forschungsprozess kein Scheitern des
als Grundpfeiler bezeichnet; s. Abbildung 3). Es handelt                 Forschungsprojektes herbeiführen. Dabei sollte in der
sich dabei um Projektmanagement, Rückmeldestruktu-                       Lehrveranstaltung auch regelmäßig überprüft werden,
ren, Reflexion, Dokumentation und Präsentation. Diese                    ob die Meilensteine erreicht werden. Deshalb müssen
Maßnahmen greifen wie Zahnräder ineinander, über-                        Zeiten für Rückmeldung, Reflexion, Dokumentation
schneiden sowie ergänzen sich und bilden ein hilfrei-                    und Präsentation als feste Bestandteile im Zeitplan
ches Fundament für eine gelungene Lehrveranstaltung.                     berücksichtigt werden. Ein gutes Projektmanagement

                                                                             Grundpfeiler des
                                                                           Forschenden Lernens
                                                                                     Rückmeldestrukturen
                                                     Projektmanagement

                                                                                                                         Dokumentation

                                                                                                                                         Präsentation
                                                                                                           Reflexion

Abbildung 3:
Die fünf Grundpfeiler des
Forschenden Lernens

10     ____    2 Grundpfeiler des Forschenden Lernens
 Wer hat die Verantwortung für die Erledigung?
     Womit kann die Aufgabe erfüllt werden (mit welchen Voraussetzungen, Ergebnissen, Mitarbeitenden,
      Sachmitteln, Methoden usw.)?
     Was wird wo und wie dokumentiert?
     Wann geschieht was (Zeitpunkt, -dauer, -raum)?
     Wo geschieht was (Ort, Raum)?
     Mit welchem Aufwand / welchen Kosten ist dabei zu rechnen?
     Welche Risiken existieren (Zeit, Kosten, Qualität)?
     Was ist besonders zu beachten?

gibt den Studierenden die Sicherheit, dass der For-
                                                            2.2 Rückmeldestrukturen
schungsprozess innerhalb des Veranstaltungszyklus
realisierbar ist, und trägt damit zu einer positiven Ar-    Rückmeldestrukturen sollten den Informationsfluss
beitsatmosphäre bei.                                        über den Stand des Projektfortschritts und die Qualität
                                                            der Projektentwicklung zwischen Lehrenden und Stu-
Das Projektmanagement kann von der Lehrperson
                                                            dierenden bidirektional ermöglichen aber auch unter
übernommen, es kann jedoch auch in die Hände der
                                                            den Studierenden selbst. Die Aufgabe von Rückmelde-
Studierenden gelegt werden oder aber in gemeinsamer
                                                            strukturen ist es allerdings nicht, die Gestaltungsfrei-
Anstrengung erfolgen. Verantworten die Studierenden
                                                            heit der Studierenden einzuschränken oder deren Ver-
das Projektmanagement, bauen sie Kompetenzen auch
                                                            antwortlichkeit für den Forschungsprozess zu unter-
in diesem, für Forschung relevanten Bereich auf. Mög-
                                                            graben. Vielmehr geben Rückmeldestrukturen beiden
licherweise identifizieren sie sich dadurch stärker mit
                                                            Parteien – Lehrenden wie Studierenden – ein Gefühl
„ihrem“ Forschungsprojekt, was sich positiv auf moti-
                                                            der Sicherheit und machen eine ausgewogene Balance
vationale Variablen auswirken sollte. Studierende ver-
                                                            zwischen „forschen lassen“ und angemessener/not-
fügen jedoch nicht über die gleichen Erfahrungen im
                                                            wendiger Anleitung überhaupt erst möglich. Der Infor-
Projektmanagement wie die Lehrperson und unter-
                                                            mationsfluss zwischen Lehrenden und Lernenden,
schätzen häufig, wie viel Zeit für die einzelnen Phasen
                                                            aber auch zwischen den Lernenden selbst, kann durch
des Forschungsprozesses benötigt wird. Entscheidet
                                                            verschiedene Faktoren beeinträchtigt werden, so z. B.
sich die Lehrperson dafür, das Projektmanagement den
                                                            die Gruppengröße. Wir schlagen drei Methoden vor,
Studierenden zu übertragen, muss diesen auch die
                                                            die im Forschungsprozess für Rückmeldungen geeig-
nötige Zeit für diese Aufgabe eingeräumt werden und
                                                            net sind – Vordrucke, Exposés und Präsentationen, die
der entwickelte Zeitplan sollte diskutiert und überprüft
                                                            die Studierenden nach jeder Phase des Forschungs-
werden. In der Praxis hat es sich daher bewährt, dass
                                                            prozesses fertigstellen. Vordrucke können bei einer
die Lehrperson zunächst einen Zeitplan mit verbind-
                                                            großen Gruppengröße ein hilfreiches Instrument sein.
lichen Meilensteinen fixiert, während die zugehörigen
                                                            Sie sind so aufgebaut, dass Studierende die für die
Arbeitspakete je Meilenstein von den Studierenden
                                                            jeweilige Phase des Forschungsprozesses getroffenen
selbst herausgearbeitet werden. Dieses „Mikromana-
                                                            Entscheidungen verschriftlichen. Da die Vordrucke eine
gement“ durch die Studierenden kann durch vorberei-
                                                            klare Struktur vorgeben, können Lehrende auch bei
tete Hilfestellungen, wie sie im obigen Kasten in Form
                                                            einer größeren Anzahl an studentischen Forschungs-
von Fragen aufgezeigt werden, unterstützt werden.
                                                            projekten die Verschriftlichungen / Entscheidungen der
                                                            Studierenden schnell erfassen. Für die Abgabe der
                                                            Vordrucke empfiehlt sich das Festlegen einer verbind-

                                                            2 Grundpfeiler des Forschenden Lernens      ____   11
lichen Deadline, sodass sich die Lehrperson bereits vor              Forschungskontexte zu übertragen und gleichzeitig
dem nächsten Zusammentreffen mit den Studierenden                    einen Einblick in andere Forschungsansätze erhalten.
ein Bild über den Projektfortschritt machen kann, um
die Zeit im persönlichen Kontakt bestmöglich für Feed-
                                                                     2.3 Reflexion
back nutzen zu können. Dabei sollte im Voraus festge-
legt werden, dass Vordrucke immer von allen Gruppen-                 Reflexionsfördernde Maßnahmen stellen einen weite-
mitgliedern gemeinsam zu erstellen sind, da auf diesem               ren vorgeschlagenen Grundpfeiler des Forschenden
Weg unterschiedliche Vorstellungen der einzelnen                     Lernens dar. Sie zielen im Gegensatz zu den zuvor be-
Gruppenteilnehmenden sichtbar werden und die von                     schriebenen Rückmeldestrukturen auf eine nach innen
der Gruppe getroffenen Entscheidungen auch noch                      gewandte Betrachtung des eigenen Handelns ab. Re-
später nachvollziehbar bleiben. Neben der Verwen-                    flexionsfördernde Maßnahmen unterstützen die Stu-
dung von Vordrucken ist auch die Ausarbeitung von                    dierenden beim bewussten Umgang mit Fehlern und
Exposés und Präsentationen (s. Kapitel 2.5) ein sinn-                dem Aufbau von Kompetenzen. Reflexion betrifft folg-
volles Rückmeldeformat, um den studentischen Aus-                    lich sowohl die Ebene des Forschungsprozesses als
tausch, aber auch den Austausch zwischen Studieren-                  auch die persönliche Ebene. Die Studierenden durch-
den und Lehrenden zu unterstützen. Während Leh-                      denken den Forschungsprozess und treffen bewusste
rende darin erfahren sind Rückmeldungen zu geben,                    Entscheidungen, wie weiter vorzugehen ist. Somit
sind bei geplanten Rückmeldungen durch die Studie-                   unterstützt Reflexion das eigene Lernen, indem eine
renden gegebenenfalls im Vorfeld Feedbackregeln auf-                 Metaebene eingenommen wird. Reflexion ist damit die
zustellen bzw. eine Feedbackkultur aufzubauen. Dabei                 Grundlage für die Entwicklung fachlicher und über-
hat es sich bewährt, am Anfang Kriterien und Leitfra-                fachlicher Kompetenzen. Deren Erwerb und Einsatz
gen vorzugeben, die das Feedback strukturieren. Dies                 wird durch Reflexion während des Forschungsprozes-
ist insbesondere bei der unbeaufsichtigten Rückmel-                  ses immer wieder sichtbar. Für die Studierenden be-
dung von Studierenden an Studierende, dem soge-                      deutet die bewusste Wahrnehmung ihrer eigenen Kom-
nannten Peer-to-Peer-Feedback3 von Relevanz (s. Ka-                  petenzen ein hohes Maß an Sicherheit für das weitere
pitel 4.2.2). Diese Form des Feedbacks entlastet die                 Durchlaufen des Forschungsprozesses. Wie Reflexions-
Lehrperson und fördert gleichzeitig die Forschungs-                  prozesse angeregt werden können und welche Instru-
kompetenzen der Studierenden, da diese Gelegenheit                   mente (z. B. Lerntagebücher, Portfolios) hierbei hilf-
bekommen eigenes Wissen und Können auf andere                        reich sind, wird bei (Riewerts et al., 2018) beschrieben.

              Pecha Kucha und Science Slam
     Wer die Präsentation etwas unterhaltsamer gestalten will, kann sich für den Science Slam als Präsenta-
     tionsformat entscheiden. Da es sich hierbei um die populärwissenschaftliche Aufbereitung der Forschung
     in einem Wettkampf handelt, ist diese Form insbesondere geeignet, falls die Präsentation vor einem
     breiten, fachfremden Publikum stattfinden soll. Bei dem Format Pecha Kucha handelt es sich um eine
     Präsentationsform, in der die Anzahl der Folien auf 20 Stück begrenzt ist. Jede Folie hat eine 20-sekün-
     dige Projektionsdauer. Die Gesamtdauer des Vortrags beträgt somit 6 Minuten und 40 Sekunden. Dabei
     wird möglichst auf Text verzichtet. Gerade durch die kurze Präsentationsdauer kann dieses Präsenta-
     tionsformat hilfreich sein, z. B. um zeitökonomisch Rückmeldung einzuholen.

3     Beim Peer-to-Peer-Feedback handelt es sich um eine Unter-      Personen der gleichen Statusgruppe (hier Studierende) Ideen, Wissen
richtsmethode, die mit dem Ziel eingesetzt wird, dass verschiedene   und Erfahrung austauschen, um sich gegenseitig zu unterstützen.

12     ____     2 Grundpfeiler des Forschenden Lernens
2.4 Dokumentation                                          2.5 Präsentation
Eine Forschungsarbeit ist ein Projekt, welches sich über   Den letzten Grundpfeiler des Forschenden Lernens bil-
mehrere Wochen, Monate oder gar Jahre erstreckt.           den regelmäßige Präsentationen, bei denen die Studie-
Damit zu jedem Zeitpunkt jeder Schritt nachvollzogen,      renden in schriftlicher und/oder mündlicher Form über
erklärt und dargelegt werden kann, ist eine kontinuier-    ihren Forschungsstand (Kapitel 2.1) berichten. Dabei
liche und lückenlose Dokumentation des gesamten            ist die Präsentation nicht trennscharf zu den anderen
Forschungsablaufs unabdingbar. Dabei sollte die            Grundpfeilern des Forschenden Lernens zu verstehen.
Dokumentation bereits die ersten Gedanken zum For-         Vielmehr ermöglicht die Präsentation das Einholen von
schungsvorhaben festhalten und dann kontinuierlich         Rückmeldungen (Kapitel 2.2); sie stellt zudem eine
alle weiteren Entscheidungen verschriftlicht darlegen      Form der Dokumentation (Kapitel 2.4) dar und regt
und begründen. Hierbei ist auch ein Fixieren von Refle-    Reflexionsprozesse (Kapitel 2.3) an. Eine Präsentation
xionsergebnissen und erfahrenen Rückmeldungen von          kann im Plenum, einer ausgewählten Gruppe von Stu-
Relevanz. Dokumentation sollte jedoch nicht zum            dierenden (Peer-to-Peer, Kapitel 4.2.2) oder vor der
Selbstzweck werden, sondern den Forschungsprozess          Lehrperson erfolgen.
vorantreiben; eine genaue Dokumentation, z. B. in
                                                           Neben den Zwischenständen im Verlauf des For-
Form eines Protokolls, erleichtert die spätere Präsenta-
                                                           schungsprozesses sollte das jeweilige Forschungspro-
tion des Forschungsprojekts in Form eines Posters,
                                                           jekt zu seinem Abschluss auch in Gänze präsentiert
eines Vortrags oder eines Manuskripts. Sofern es die
                                                           werden. Die Form der Präsentation kann z. B. in Form
Prüfungsordnung erlaubt, kann die schriftliche Doku-
                                                           eines Manuskripts (mehr dazu in Kapitel 3.8), eines For-
mentation der Studierenden auch zur Leistungsbeur-
                                                           schungsberichts, Lerntagebuchs oder Portfolios erfol-
teilung herangezogen werden.
                                                           gen. Auch mündliche oder Kombinationen aus mündli-
                                                           chen und schriftlichen Präsentationen sind denkbar,
                                                           wie sie z. B. in Form von Forschungsvorträgen, Poster-
                                                           präsentationen, Pecha Kuchas oder Science Slams er-
                                                           folgen können (s. Infobox). Da das Lernen beim For-
                                                           schenden Lernen im Mittelpunkt steht, ist die Reflexion
                                                           (s. Kapitel 2.3) fester Bestandteil der Präsentation.

                                                           2 Grundpfeiler des Forschenden Lernens      ____   13
3 Lösungsvorschläge zum Umgang
  mit universitären Rahmenbedingungen

 Abbildung 4:
 Übersicht über verschiedene
 universitäre Rahmenbedingungen

Häufig begrenzen die vorherrschenden Rahmenbedin-      Arbeiten Studierende an einem gemeinsamen For-
gungen die Gestaltungsfreiheit der Studierenden beim   schungsprojekt, nimmt mit der Gruppengröße auch das
Forschenden Lernen. Die in Abbildung 4 aufgezeigten    Risiko zu, dass sich einzelne Personen aus der Projekt-
Rahmenbedingungen verdienen besondere Aufmerk-         arbeit ausklinken, ohne einen wesentlichen Beitrag zu
samkeit.                                               leisten. Dieses Risiko kann minimiert werden, indem die
                                                       Studierenden auf Kleingruppen verteilt werden, die an
3.1 Gruppengröße                                       verschiedenen Teilprojekten arbeiten (s. Kapitel 4.2.1).
                                                       Dadurch wird zwar die Anzahl an Forschungsprojekten
Während der Betreuungsaufwand einer Vorlesung üb-
                                                       erhöht, aber es steigt – positiv gewendet – die Vielfalt
licherweise kaum von der Größe der Lerngruppe ab-
                                                       an Projekten und es ergeben sich Möglichkeiten, zum
hängt, nimmt er in Veranstaltungen, die dem Konzept
des Forschenden Lernens folgen, mit steigender Grup-   Abschluss der Lehrveranstaltung das beste Projekt
                                                       auszuzeichnen.
pengröße deutlich zu. Mit steigender Gruppengröße
verändert sich zudem die Kommunikation und die          Die Anzahl der Forschungsprojekte kann durch eine
Interaktion innerhalb der Lerngruppe. Größere Lern-      Vergrößerung der Studierendenzahl pro Teilprojekt
gruppen sind außerdem prädestiniert für eine größere     verringert werden. Dabei sollte jedoch stets sicher-
Heterogenität und können ein Mehr an materiellen         gestellt werden, dass die Teilprojekte arbeitsfähig
Ressourcen, z. B. in Form von Verbrauchsmaterialien      bleiben und sich einzelne Gruppenmitglieder nicht
für die Laborarbeit, benötigen (s. Abbildung 5). Um      unbemerkt aus der Projektarbeit ausklinken können.
diese Herausforderung zu meistern, schlagen wir die
                                                                                                  
folgenden Maßnahmen vor:

14    ____   3 Lösungsvorschläge zum Umgang mit universitären Rahmenbedingungen
Abbildung 5:
                                                                                         Auswirkung der Gruppengröße
                                                                                             auf die Lehrveranstaltung

 Werden mehrere kleinere Forschungsprojekte reali-
                                                            3.2 Zeit
  siert, sollten diese einen gemeinsamen thematischen
  Schwerpunkt und/oder die gleiche Forschungsmetho-         Die zur Verfügung stehende Zeit stellt meist eine nicht
  dik teilen. Dadurch wird zwar die Diversität der Teil-    änderbare und gleichzeitig stark determinierende Rah-
  projekte eingeschränkt, Überschneidungen zwischen         menbedingung beim Forschenden Lernen dar. Soll ein
  den Teilprojekten machen jedoch Phasen mit instruk-       Forschungsprojekt eigenständig geplant, durchgeführt,
  tionalem Charakter relevant für die gesamte Lern-         ausgewertet und präsentiert werden, ist der vorgese-
  gruppe, strukturieren die Vielfalt der Teilprojekte und   hene Zeitrahmen (i. d. R. ein Semester) meist sehr
  minimieren den Betreuungsaufwand für die Lehr-            knapp bemessen. Hierbei leistet ein gutes Projekt-
  person. Gleichzeitig kann sichergestellt werden, dass     management durch die Lehrperson in Form von Zeit-
  die Anforderungen an die Studierenden vergleichbar        plänen und/oder Vordrucken Abhilfe und kann eine
  gehalten werden, wodurch auch Peer-to-Peer-Feed-          zeitökonomische Umsetzung gewährleisten. Die Erfah-
  back leichter umgesetzt werden kann.                      rung zeigt allerdings, dass bereits die Suche nach einer
                                                            passenden Forschungsfrage und die theoretische Fun-
 Eine große Lehrveranstaltung mit vielen Studieren-
                                                            dierung derselben viel Zeit in Anspruch nehmen. In der
  den schränkt die Kommunikation zwischen Lehrenden
                                                            Regel kennen Studierende den aktuellen Forschungs-
  und Studierenden ein, da auf Fragen oder Probleme
                                                            stand nur eingeschränkt, sodass es ihnen schwerfällt,
  u. U. nicht mehr im Detail eingegangen werden kann.
                                                            eine innovative Forschungsfrage zu finden. Häufig fehlt
  Mittels Peer-to-Peer-Feedback können Beratungs-
                                                            ihnen auch die nötige Erfahrung, sodass ihre For-
  verantwortlichkeiten jedoch an die Studierenden de-
                                                            schungsfragen mitunter zu ambitioniert sind. Daher
  legiert werden, sodass der Betreuungsaufwand der
                                                            kann viel Zeit für die konkrete Umsetzung des For-
  Lehrperson sinkt, die Studierenden ein Kompetenz-
                                                            schungsprojektes gewonnen werden, wenn die Lehr-
  erleben erfahren und gleichzeitig die Gelegenheit er-
                                                            person das Forschungsgebiet (s. Kapitel 4.1.1) bereits
  halten, das im Rahmen ihrer eigenen Forschungstä-
                                                            vorab eingrenzt oder sogar die Forschungsfrage (s. Ka-
  tigkeit erworbene Wissen und Können auf andere
                                                            pitel 4.1.2) vorgibt. Zudem ist der gezielte Einsatz von
  Forschungsprojekte zu übertragen (s. Kapitel 4.2.2).
                                                            Ressourcen wie Apparaturen oder Computerprogram-
 Die Kommunikation der Lehrperson mit den Klein-           men hinsichtlich ihrer Verfügbarkeit und ihres Nutzens
  gruppen kann über eine studentische Gruppenlei-           für das Forschungsprojekt zu prüfen. Beispielsweise
  tung erleichtert werden, die Fragen zum / Schwie-         kann mittels Online-Befragungen in der empirischen
  rigkeiten im Forschungsprojekt gebündelt an die           Sozialforschung die Zeit der Dateneingabe eingespart
  Lehrperson heranträgt oder bei dieser Feedback ein-       werden. Ebenso könnten im Vorfeld Teilnahmevoraus-
  holt. Auf diese Weise wird die Abstimmung zwi-            setzungen definiert werden, sodass nur Studierende
  schen Lehrperson und Studierenden (z. B. Termin-          mit ausreichenden Vorkenntnissen teilnehmen können.
  findung) vereinfacht.                                     Zeit für individuelles Feedback und Raum für Diskurs

                        3 Lösungsvorschläge zum Umgang mit universitären Rahmenbedingungen               ____    15
kann jedoch auch gewonnen werden, indem einzelne
                                                                    3.3 Personal
Lehrinhalte auf Online-Plattformen oder in Form von
Blended Learning-Szenarien (s. Kapitel 4.2.3) ausge-                Die universitäre Rahmenbedingung „Personal“ bezieht
lagert werden. Beispielsweise können vorhandene                     sich auf die nicht-ideale Anzahl Lehrender für eine
Videos aus dem Internet zur Verfügung gestellt wer-                 Lehrveranstaltung. Dabei können Probleme auftreten,
den, um Studierende mit statistischen Methoden ver-                 wenn zu wenig Lehrpersonal vorhanden ist aber auch,
traut zu machen. Ebenso können Lernmaterialien auf                  wenn sich Lehrende abwechseln oder Parallelver-
einer Lernplattform zugänglich gemacht werden, so-                  anstaltungen von verschiedenen Lehrenden betreut
dass z. B. das Aufarbeiten von Lernstoff oder auch das              werden.
Vorbereiten auf die Lehrveranstaltung erleichtert wird
                                                                    Einige Lösungsmöglichkeiten, die eine Lehrperson bei
und aufkommende Fragen in der Präsenz beantwortet
                                                                    einem ungünstigen Betreuungsverhältnis (zu wenig
werden können (sogenannter Inverted/Flipped Class-
                                                                    Lehrpersonal) hat, wurden bereits in Zusammenhang
room-Ansatz4).                                                      mit der Gruppengröße (s. Kapitel 3.1) in Form des Peer-
Steht dagegen ein sehr langer Zeitraum (mehrere Se-                 to-Peer-Feedback (s. Kapitel 4.2.2) und in Zusammen-
mester) für das Forschungsprojekt zur Verfügung, kann               hang mit dem Faktor Zeit (s. Kapitel 3.2) in Form von
der erforderliche Spannungsbogen mit der Zeit verlo-                Blended Learning-Szenarien vorgestellt (s. Kapitel
ren gehen. Um „Durststrecken“ zu überwinden und die                 4.2.3). Gegebenenfalls können Lehrende durch die Ein-
Motivation der Studierenden aufrechtzuerhalten, muss                führung einer Teilnehmendenbegrenzung entlastet
den Studierenden immer wieder aufgezeigt werden,                    werden, um sicherzustellen, dass alle Studierenden
welches Ziel sie verfolgen, an welcher Stelle des For-              (-gruppen) fachgerecht betreut werden können und
schungsprozesses sie sich aktuell befinden und welche               Lehrende den Überblick über die Projekte behalten. Ist
Lernfortschritte sie gemacht haben. Der Lernfortschritt             dies nicht möglich, so können Lehrende die Größe der
kann aufgezeigt werden, indem die erreichten Lern-                  Kleingruppen erhöhen. Zu überlegen ist, für die Lehr-
ziele (s. Kapitel 1.1) vergegenwärtigt werden. Es soll-             veranstaltung gewisse Vorkenntnisse vorauszusetzen,
ten zudem Fehler oder Irrwege im Forschungsprozess                  damit theoretischer Input möglichst geringgehalten
im Rahmen von Reflexions- (s. Kapitel 2.3) und Feed-                werden kann. Des Weiteren können die studentischen
backgelegenheiten (s. Kapitel 2.2) aufgearbeitet wer-               Freiheitsgrade (s. Kapitel 4.1) insoweit eingeschränkt
den und den Studierenden gezeigt werden, wo sie ihr                 werden, dass z. B. bei Gruppenarbeiten alle Gruppen
Vorwissen produktiv einbringen konnten. Dabei kann                  dasselbe Thema behandeln, aber jeweils eine andere
es motivierend wirken, wenn die Relevanz des Gelern-                Methode anwenden.
ten für das gesamte Studium bzw. den später ange-                   Steht hingegen eher viel Personal zur Verfügung, so er-
strebten Beruf aufgezeigt wird. Motivationale Vorteile              leichtert das die Durchführung der Lehrveranstaltung.
können auch durch ein selbstständig gewähltes Thema                 Die Lehrveranstaltung könnte aufgeteilt, in Parallel-
(s. Kapitel 4.1.1) bzw. eine selbst gewählte For-                   kursen oder mit mehr Personal durchgeführt werden.
schungsmethode (s. Kapitel 4.1.3) sowie die abschlie-               Jedoch gilt es auch hier einige Aspekte zu berücksich-
ßende Publikation des Forschungsprojektes (s. Kapitel               tigen: Allgemein sollte bei der Kooperation mehrerer
3.8) erreicht werden. Insbesondere bei einer geplanten              Lehrender bedacht werden, dass eine gut strukturierte
Publikation des Forschungsprojekts ist mit einem                    Zusammenarbeit das Fundament ihrer gemeinsamen
hohen Zeitaufwand zu rechnen, sodass trotz eines                    Arbeit ist. Die Struktur muss präzise klären, wer wann
hohen Zeitkontingents gegen Ende noch Zeitnot auf-                  welche Aufgabe übernimmt. Daher ist in diesem Fall
kommen kann. So müssen ein Manuskript erstellt, ein                 auch bei den Lehrenden Teamarbeit gefragt. Wichtig
Reviewprozess überstanden und eine möglicherweise                   ist ebenfalls, dass die Prüfungsanforderungen durch
aufwändige Überarbeitung des eingereichten Manu-                    eine gute Kommunikationsstruktur zwischen den Leh-
skripts geleistet werden. Deshalb ist auch unter dieser             renden, studentischen Hilfskräften und Assistierenden
scheinbar günstigen Bedingung ein adäquates Projekt-                transparent gemacht werden, um z. B. einheitliche Aus-
management (s. Kapitel 2.1) inklusive regelmäßiger                  sagen auf die Fragen Studierender zu gewährleisten.
Treffen und Arbeitsphasen unerlässlich.

4    Mit den Begriffen „Inverted Classroom“ bzw. „Flipped Class-    Verfügung gestellten Inhalte meist zuhause eigenständig an. Die
room“ wird ein Unterrichtskonzept bezeichnet, in dem die üblichen   Präsenzveranstaltung wird zur gemeinsamen Vertiefung des Ge-
Aktivitäten innerhalb und außerhalb des Hörsaals „umgedreht“ wer-   lernten genutzt (vgl. E-teaching.org, 2020).
den. Die Lernenden eignen sich die von den Lehrenden digital zur

16     ____    3 Lösungsvorschläge zum Umgang mit universitären Rahmenbedingungen
3.4 Vorwissen und Fähigkeiten                              relevanten Forschungsgebiet selbst. Neben Leitfäden
                                                           (z. B. Sonntag et al., 2017) können Lehrende Work-
der Studierenden                                           shops besuchen, Beratungstermine vereinbaren,
                                                           Kolleg*innen nach ihren Erfahrungen befragen, Team-
Auch beim Forschenden Lernen stellen die vorhande-
                                                           Teaching umsetzen oder auch Möglichkeiten zur Hos-
nen Kompetenzen der Studierenden eine wichtige Ge-
                                                           pitation wahrnehmen. Außerdem kann der eigenen
lingensbedingung dar. Mangelnde Kompetenzen erhö-
                                                           Unsicherheit mit verschiedenen Maßnahmen begegnet
hen den Betreuungsaufwand und können den Zeitplan
                                                           werden.
der Lehrveranstaltung gefährden. Generell stehen Leh-
renden verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, um         Die Lehrperson sollte den Studierenden erklären,
mit ungünstigen Ausgangsbedingungen seitens der              was sie selbst am Forschenden Lernen begeistert
Studierenden umzugehen. Dabei unterscheiden wir              und wo die Potenziale dieses Lehr- und Lernformats
zwischen (a) Maßnahmen, die dem Kompetenzaufbau              liegen.
dienen, und (b) Maßnahmen, die eine Vereinfachung           Die Lehrperson sollte ansprechen, dass sie mit dem
des Forschungsprozesses herbeiführen.                        Lehr- und Lernformat des Forschenden Lernens
a) Maßnahmen, die dazu dienen, ein Kompetenzdefizit          selbst „Neuland betritt“. Damit sorgt die Lehrperson
   auf Seiten der Studierenden auszugleichen, können         nicht nur für Transparenz hinsichtlich der eigenen
   verschiedenartig sein. Beispielsweise kann den Stu-       Erfahrungen, sondern ermöglicht den Studierenden
   dierenden ein zeitökonomischer Überblick über das         ein Einbringen auf Augenhöhe.
   Themengebiet in Form von frontal gestalteten Lehr-       Die Lehrperson sollte die Studierenden dazu ermuti-
   situationen (z. B. Vortrag) gegeben werden. Da der-       gen, eigene Forschungserfahrungen einzubringen.
   artige Lehrsituationen jedoch selten auf die Lernvor-
   aussetzungen aller Studierenden abgestimmt sein          Die Lehrperson kann auf Materialien/Daten anderer
   können, bieten sich besonders in sehr heterogenen         Lehrender zurückgreifen, die Erfahrungen im For-
   Lerngruppen auch Blended Learning-Szenarien an            schenden Lernen oder der zu behandelnden Thema-
   (s. Kapitel 4.2.3), bei denen Quellen und Materialen      tik haben. Hilfreiche Informationen könnten z. B. zu
   wie z. B. Wikis, Foreneinträge, Texte, Podcasts           relevanten Fragestellungen, einer geeigneten Grup-
   online zur Verfügung gestellt werden und von den          pengröße oder der Nutzung von verfügbaren Res-
   Studierenden bedarfsgerecht zur Vor- und Nach-            sourcen eingeholt werden.
   bereitung (Zeitplan vorgeben!) ausgewählt werden         Die Lehrperson teilt die Studierenden spezifischen
   können. Diese Blended Learning-Szenarien können           Expert*innengruppen zu, in denen kleinere Arbeits-
   auch im Sinne des Inverted Classroom umgesetzt            pakete des zu behandelnden Themas bearbeitet
   werden. Während diese Maßnahmen von der Lehr-             werden. Anschließend teilen die Expert*innen die
   person umgesetzt werden, übernehmen beim Peer-            erarbeiteten Inhalte und Ergebnisse mit anderen
   to-Peer-Feedback die Studierenden selbst Verant-          Studierenden (s. a. Gruppenpuzzle).
   wortung füreinander und unterstützen sich gegen-
                                                            Die Lehrperson kann die Freiheitsgrade der Studie-
   seitig (s. Kapitel 4.2.2).
                                                             renden zunächst reduzieren, um das Lehr- und Lern-
b) Maßnahmen zur Vereinfachung des Forschungspro-            format zu vereinfachen. Beispielsweise können be-
   zesses wurden bereits oben vorgestellt. Um Zeit zu        stimmte Themengebiete oder Forschungsmethoden
   gewinnen greift die Lehrperson steuernd ein und           vorgegeben werden (s. a. Kapitel 3.2 & 4.1).
   macht z. B. Vorgaben hinsichtlich der Wahl des
                                                            Die Lehrperson kann die Lehrveranstaltung stärker
   Themas oder der Wahl der Forschungsmethode
                                                             anleiten, um besser abschätzen zu können, was
   (s. Kapitel 3.2 & 4.1).
                                                             während des Semesters auf sie zukommen wird und
                                                             welche Themen und Fragen aufkommen könnten.
3.5 Vorwissen und Fähigkeiten                               Die Lehrperson kann Puffersitzungen in den Veran-
                                                             staltungsverlauf einplanen, falls die Veranstaltung
der Dozierenden                                              oder Teile des Prozesses unerwarteter Weise mehr
Lehrende, die das Lehr- und Lernformat des Forschen-         Zeit in Anspruch nehmen.
den Lernens erstmalig umsetzen, sollten sich gründlich
in die spezifischen Aspekte Forschenden Lernens ein-
arbeiten. Darunter fällt die Auseinandersetzung mit der
Didaktik des Forschenden Lernens, mit den For-
schungsstandards der jeweiligen Disziplin und dem

                        3 Lösungsvorschläge zum Umgang mit universitären Rahmenbedingungen            ____   17
3.6 Prüfungsformen                                         den und sich auf die Lernziele beziehen. Da Forschen-
                                                           des Lernen leider kein sehr konventionell angewandtes
Die zu verwendende Prüfungsform für eine Lehrveran-        Format ist, können Studierende über die Prüfungsrele-
staltung wird in der Modulbeschreibung und der Fach-       vanz von Inhalten verunsichert sein. Daher sollten die
prüfungsordnung festgelegt und sollte dem didakti-         Studierenden gleich zu Beginn der Lehrveranstaltung
schen Konzept des Constructive Alignments folgend          über die Aspekte der Prüfung informiert werden. Die-
(vgl. Biggs, o. D.) zu den Lernzielen der Veranstaltung    ser Hinweis ist besonders für die Lehrveranstaltungen
und ihrer inhaltlichen Ausgestaltung passen. Beim For-     bedeutsam, die eine Klausur als Prüfungsformat vorse-
schenden Lernen beschäftigen sich die Studierenden         hen. Handelt es sich bei der Prüfungsleistung um eine
mit unterschiedlichsten Forschungsfragen, gestalten        Multiple Choice Klausur, können hier Forschungssitua-
den Forschungsprozess, präsentieren die Ergebnisse         tionen simuliert werden, in denen Studierende Ent-
ihrer Forschung und reflektieren/hinterfragen das eigene   scheidungen hinsichtlich des wissenschaftlich korrek-
Vorgehen (dabei sollten Fehler als Lerngelegenheiten       ten Verfahrens mit der Situation treffen müssen oder
begriffen werden). Die Prüfung sollte folglich mindes-     entscheiden, wie mit Methoden oder Messfehlern um-
tens drei Aspekte berücksichtigen: den Forschungspro-      gegangen werden kann. Bei Prüfungsleistungen mit
zess, das Forschungsergebnis und die Reflexionsleis-       offenen Fragen könnte beispielsweise das Beschreiben
tung. Eine Annäherung an diesen Anspruch ist prinzi-       des eigenen Forschungsprozesses mit anschließender
piell mittels aller gängigen Prüfungsformen möglich.       Interpretation und Reflexion gefordert werden. Bei bei-
Dennoch mag in einigen Fällen eine Anpassung der           den Formen gilt, dass der von Studierenden durchlau-
Prüfungsform an die Lernziele des Forschenden Ler-         fene Forschungsprozess thematisiert werden sollte,
nens sinnvoll erscheinen, um einen direkteren Zugang       statt ausschließlich theoretische Inhalte anzusprechen.
zu den gezeigten Kompetenzen zu erhalten. Abbildung        Zur Sicherung der Gleichbehandlung der Studierenden
6 gibt einen Überblick über mögliche Prüfungsformen.       muss in allen Fällen gewährleistet werden, dass alle
                                                           Studierende die gleichen Lernchancen bezüglich der
Auch gilt es zu berücksichtigen, dass die Kriterien der
                                                           prüfungsrelevanten Inhalte erhalten. Dies ist mitunter
Bewertung so transparent wie möglich gehalten wer-

Abbildung 6:
Mögliche Prüfungsformen im Lehr- und
Lernformat des Forschenden Lernens

18     ____   3 Lösungsvorschläge zum Umgang mit universitären Rahmenbedingungen
nur eingeschränkt der Fall, wenn Studierende in Exper-    z. B. mit öffentlich zugänglichen Materialien arbeiten.
tengruppen einzelne Kompetenzen vertiefen. Gleiche        Bestimmte kostenpflichtige Software kann teilweise
Lernchancen bestehen v. a. bezüglich solcher Inhalte,     durch Freeware oder Alternativen ersetzt, manche For-
die beispielsweise in „Inputphasen“ für alle Studieren-   schungsfragen auch rein theoretisch entwickelt und
den behandelt wurden. Denkbar wäre auch, dass Stu-        bearbeitet werden. Eine weitere Möglichkeit besteht
dierende denselben Forschungsprozess durchlaufen,         darin, dass Dozierende ihre Lehrveranstaltung auf eine
d. h., dass die Freiheitsgrade insofern eingeschränkt     gewisse Anzahl von Personen beschränken, sodass
werden, als dass alle Studierende dasselbe Thema, die     alle Studierenden die Chance haben, die vorhandene
gleiche Forschungsfrage oder -methode usw. in der         Ausstattung angemessen nutzen zu können. Themen
Lehrveranstaltung bearbeiten (s. Kapitel 4.1).            könnten unter den Studierenden aufgeteilt werden,
                                                          sodass nicht alle gleichzeitig ein bestimmtes Gerät o. ä.
3.7 Materielle Ressourcen                                 beanspruchen, sondern im Rotationsverfahren Geräte
                                                          nutzen. Darüber hinaus könnten Ressourcen gemein-
In den meisten Fällen stehen für Forschendes Lernen       sam mit anderen Instituten oder Universitäten genutzt
nur die Ressourcen zur Verfügung, die für eine frontale   werden: Kooperationen stellen eine Möglichkeit dar,
Lehrveranstaltung benötigt werden. Doch ohne die          Forschungsfelder zu untersuchen, die Studierende mit
passenden Hilfsmittel ergibt sich für Studierende even-   den Mitteln des eigenen Instituts nicht verfolgen könn-
tuell ein schwierigerer Zugang zum Forschungsfeld.        ten. Für manche Fachbereiche bietet es sich an, Dritt-
Eventuell mangelt es an den benötigten Apparaturen,       mittel, z. B. über Lehrpreise oder Sponsoren einzuwer-
Rohstoffen, Software etc., um Studierenden das            ben. Studierende können in diese Phase der Mittel-
Forschen zu ermöglichen. Die möglichen Folgen zeigt       einwerbung einbezogen werden (s. Infobox). In einem
Abbildung 7.                                              begrenzten Ausmaß ist es vielleicht möglich, dass die
Ein Forschungsfeld zu erkunden muss nicht unbedingt       Studierenden verhältnismäßig günstige Anschaffun-
mit hohen finanziellen Ausgaben verbunden sein. Oft       gen selbst tätigen oder eigene Ressourcen (PC, Dru-
kann man auch die Anschaffung von Materialen umge-        cker...) einbinden (sofern dies nicht gegen Daten-
hen, indem Studierende ihr Forschungsanliegen kos-        schutzrichtlinien verstößt).
tengünstig bis -neutral gestalten. Studierende können

Abbildung 7:
Auswirkung geringer materieller
Ressourcen auf die Lehrveranstaltung

                          3 Lösungsvorschläge zum Umgang mit universitären Rahmenbedingungen           ____   19
Die Forschungssituation real gestalten – das Einwerben von Mitteln

   Falls ein Budget für die Lehrveranstaltung zur Verfügung steht, können Lehrende dieses in ihre Veran-
   staltungskonzeption integrieren und reale Forschungsförderung simulieren. Die Mittelverteilung liegt
   dann bei der Lehrperson und die Studierenden können diese Mittel und Ressourcen bei der Lehrperson
   einwerben. Dabei stellen die Dozierenden einen fixen Betrag für alle Studierenden zur Verfügung und
   die Studierenden(gruppen) werben diese durch „Forschungsanträge“ ein. Die Dozierenden bewilligen
   diese Mittel oder lehnen sie ab und bitten um Neueinreichung bzw. kürzen das Budget. Somit wären die
   Studierenden in die Budgetplanung involviert und hätten zudem noch die Möglichkeit, sich in eine weit-
   aus realistischere Simulation eines Forschungsprozesses zu begeben.

3.8 Verwertbarkeit der Ergebnisse                          Bereits bei der Planung der Lehrveranstaltung sollte
                                                            ein Forschungsdesiderat durch die Lehrperson iden-
Ein großer Anreiz für das Durchlaufen eines For-            tifiziert werden. Dieses sollte praktische und/oder
schungsprozesses kann die Verwertung der Ergeb-             theoretische Relevanz haben, sodass eine Publi-
nisse nach Forschungsende sein, z. B. in Form einer         zierbarkeit des Forschungsprojektes nicht per se ge-
Publikation. Dies kann die Motivation sowohl der Leh-       fährdet wird.
renden als auch der Studierenden stark erhöhen. Es
                                                           Das Forschungsfeld sollte den Interessen der Studie-
sollte dabei aber stets bedacht werden, dass es sich um
                                                            renden gerecht werden, sodass diese motiviert sind,
eine Lehrveranstaltung handelt und somit nicht das
                                                            sich mit diesem über einen längeren Zeitraum aus-
Ergebnis im Vordergrund steht, sondern das studenti-
                                                            einanderzusetzen.
sche Lernen. Das Ergebnis der Forschung und das Ler-
nen der Studierenden schließen sich zwar nicht gegen-      Bereits zu Beginn der Lehrveranstaltung sollten rea-
seitig aus, doch stehen sie in einem Spannungsverhält-      listische (Leistungs-)Erwartungen an die Studieren-
nis zueinander. Das Ziel der Verwertbarkeit der For-        den kommuniziert werden. Dabei sollte Verlässlichkeit
schungsergebnisse der Studierenden hat Einfluss auf         und Verbindlichkeit von den Studierenden eingefor-
die Lehrveranstaltung (s. Abbildung 8). Dabei sollten       dert werden.
Lehrende folgende Punkte beachten:

                                                                              Abbildung 8:
                                                                              „Verwertbarkeit der Ergebnisse“ und die
                                                                              Auswirkungen auf die Lehrveranstaltung

20    ____   3 Lösungsvorschläge zum Umgang mit universitären Rahmenbedingungen
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