GESUNDHEIT, ERZIEHUNG UND KULTUR - IM JAVARI TAL IM AMAZONASGEBIET BRASILIENS - Ourchild eV
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GESUNDHEIT, ERZIEHUNG UND KULTUR IM JAVARI TAL IM AMAZONASGEBIET BRASILIENS INSTITUTIONELLE TRÄGERSCHAFT: Internationales Kinderhilfswerk Ourchild e.V. Vorstandsvorsitzende: Marion Schneider KOORDINATOREN: Benedito Dionisio da Silva Ferreira Prof. Dr. Guilherme Werlang Robson Dionisio Doles Marubo Prof. Dr. Tiago de Oliveira Pinto MEDIZINISCHE BERATER: Dr. Wornei Braga Dr. Waldery Nobre Dr. Frank Kirchner Dr. Rüdiger Kilian 1
WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT: Christine Lieberknecht, Erfurt Nanko van Buuren, Rio de Janeiro Prof. Christine Marion Brückner, Berlin Prof. Thomas Sauer, Jena ORGANISATIONSTEAM: Prof. Christine Marion Brückner, Berlin Ulrich Weinstock, Essen Katharina Kerner, Bad Sulza Jörg Begerow, Bad Sulza ORGANISATORISCHE UNTERSTÜTZUNG IN BRASILIEN: IBISS – Instituto Brasileiro de Inovacoes em Saude Social, Rio de Janeiro CEIBA – Centro de Estudos Indigenas da Bacia Amazônica ORGANISATORISCHE UNTERSTÜTZUNG IN DEUTSCHLAND: Franz Liszt Musikhochschule Weimar Friedrich Schiller Universität Jena Ourchild e.V. – Internationales Kinderhilfswerk, Bad Sulza Klinikzentrum Bad Sulza INSTITUTIONELLE UNTERSTÜTZUNG IN DEUTSCHLAND: Ministerpräsidentin des Landes Thüringen, Erfurt, Frau Christine Lieberknecht Landrat des Burgenlandkreises, Sachsen Anhalt, Naumburg, Herr Harri Reiche Landrat der Sächsischen Schweiz, Sachsen, Pirna, Herr Michael Geisler Landrat des Weimarer Landes, Thüringen, Apolda, Herr Hans-Helmut Münchberg Landrat des Main Kinzig Kreises, Hessen, Gelnhausen, Herr Erich Pipa Wattline GmbH, Ruderting Toskanaworld GmbH, Bad Sulza INSTITUTIONELLE UNTERSTÜTZUNG IN BRASILIEN: Universidade Federal Fluminense, Niterói Brasilianisches Ministerium für Gesundheit, Brasilia (Stand Dezember 2013) 2
Vertreter der brasilianischen Marubo erstmalig in Europa Kenĩnawa Inonáwavo Venãpa Iskonáwavo (Benedito Dionisio da Silva Ferreira) (Robson Dionisio Doles Marubo) Heiler und Lehrer der Marubo Schamane und Lehrer der Marubo Benedito und Robson reisten als Repräsentanten des Volkes der Marubo im Mai 2011 nach Auerstedt, Weimar und Bad Sulza in Thüringen und besuchten damit erstmals Europa. Dieser interkulturelle Austausch wurde von der Musikhochschule Franz Liszt in Weimar und der Hilfsorganisation Ourchild e.V. in Bad Sulza initiiert und organisiert. Während ihres Aufenthaltes vermittelten die Marubo bereichernde Einblicke in ihre Kultur, Musik, schamanische Heilweisen und in ihre Weltanschauung. Neben der uneingeschränkten und herzlich-familiären Bereitschaft, ihr wertvolles Wissen zu teilen, war eines ihrer Hauptanliegen die Bitte um Hilfe bezüglich der sich dramatisch verschlechternden Gesundheitssituation der Einwohner in ihrer Heimat, dem Amazonasgebiet Brasiliens. Im Rahmen des Aufenthaltes wurden drei Projekte erarbeitet, die die indigene Bevölkerung im Tal des Flusses Javari in Bezug auf Gesundheit, Bildung und Erziehung unterstützen werden. Wir informieren Sie hiermit über die aktuelle Situation der Marubo, ihre Kultur und Geschichte und geben eine erste Übersicht über die geplanten Projekte und Hilfsmaßnahmen. Geschichte und Lebensraum der Marubo Die Marubo leben am Rande Brasiliens in Amazonien an den Grenzen zu Peru und Kolumbien im Javari Tal. Das Javari-Tal gehört zur Gemeinde von Atalaia do Norte im brasilianischen Bundesstaat Amazonas. Der Fluss Javari mit seinen Nebenflüssen — den Flüssen Jaquirana, Curuçá, Itacoaí und Ituí — umfasst rund 85.444 Quadratkilometer und ist das zweitgrößte indigene Gebiet Brasiliens. Die regionale Hauptstadt von Atalaia do Norte selbst weist 6.891 Einwohner (Stand der Zählung 2010) auf. Darüber hinaus gibt es heute etwa 6.000 indigene Einwohner der Völker der Marubo, Mayoruna, Matis, Kanamari, Kulina und Korubo sowie einer unbekannten Anzahl nicht kontaktierter Gruppierungen im Javari Tal. Dazu gehört die weltweit höchste Anzahl an Menschen, die in totaler Autonomie ohne Kontakt zur sie umgebenden Gesellschaft leben. 3
Die Marubo bewohnen derzeit zwei Dutzend Dörfer: Pentiaquinho, Mâncio Lima, Paulinho, Vida Nova, Nazaré, Paraná, Alegria, Kapi Vanawi, Água Branca, Praia, Rio Novo, Liberdade, Carneiro sind die größten entlang der Flussläufe Ituí und Curuçá. Nach Angaben der für die indigenen Kulturen verantwortlichen staatlichen Agentur FUNAI (Fundação Nacional do Índio) ist das Gebiet der Marubo seit mehr als 1.000 Jahren bevölkert. Bis Ende des 19. Jahrhunderts gab es ungefähr 15.000 Bewohner in dieser Gegend. Zum Ende des 19. Jahrhunderts reduzierte sich diese Zahl auf etwa 3.000 Personen. Krieg und Krankheit dezimierte die Bevölkerung sehr stark. Die Zahl der Marubo wird heute auf etwa 2.000 geschätzt. Kultur Gemäß der Herkunft ihrer Sprache sind die Marubo auch als „Pano“-Völker bekannt. Die Bezeichnung „Marubo“ wird heute allgemein und übergeordnet für ihre neun exogamen, d.h. durch verbindlich vorgegebene Heiratsverpflichtungen verbundenen Klans verwendet. „Marubo“ entspricht jedoch nicht ihrer Selbstbezeichnung und hat hinsichtlich des ethnischen Ursprungs keine Bedeutung. Gemäß ihrer eigenen Überlieferung haben verschiedene Stämme sich in der Vergangenheit zusammengefunden und die heutige Gesellschaft der Marubo geformt. Diese früheren Völker sind jetzt ihre Verwandtschaftsgruppen, welche immer noch die ursprünglichen Namen der Urvölker tragen, z.B. shanenawavo – das Volk des Vogels Dunkelblauer Bischof, varinawanavo – das Volk der Sonne oder wanĩvo – das Volk der Pfirsichpalmenfrucht. Ihre nach Geburtsfolge benannten Gruppenbezeichnungen sind matrilateral, werden also von der mütterlichen Großmutter weitergegeben. Vor etwa 200 Jahren begannen die Bewohner des Javari‐Tals damit, Kontakt untereinander aufzunehmen, und die Marubo sind wahrscheinlich erstmals im Jahr 1858 durch William Herndon, einen nordamerikanischen Marineoffizier, dokumentiert. Nach wie vor gibt es im Javari‐Tal jedoch viele Menschen, die freiwillig isoliert bzw. vollständig autonom leben, die sogenannten unkontaktierten Völker. Die Marubo kommen regelmäßig zu gemeinsamen Festen und Anlässen zusammen. Auch sonst wird Nachbarschaftshilfe und Kommunikation mit den Nachbarn als zentrales Element des Zusammenlebens geschätzt. Ein wesentlicher Bestandteil des kulturellen Lebens der Marubo sind ihre Musik und ihre heilenden Gesänge. Bildung und Erziehung Derzeit reisen die Lehrer von Dorf zu Dorf, um Schulunterricht zu geben. Sie vermitteln dort auch ihr Wissen über die Kultur ihres Volkes und schamanische Praktiken. Dies ist für sie sehr anstrengend. Einige dieser Dörfer liegen mehr als eine Tagesreise voneinander entfernt, und die Reise ist für sie beschwerlich. Auch viele Schüler haben lange Wege, um den Unterricht zu besuchen, da es nicht in jedem Dorf eine Schule gibt und nicht in jeder Schule alle Klassenstufen. Die Schüler gehen in reguläre, staatlich beaufsichtigte und finanzierte Schulen, wo sie zweisprachig unterrichtet werden. Der Unterricht wird dafür in ihrem Dorf nach festgelegten Lehrplänen mit staatlich ausgebildeten Lehrern durchgeführt. Der 4
schamanische Unterricht kann nur während der Nacht stattfinden, und am Morgen fängt dann die reguläre Schule wieder neu an. Diese Doppelbelastung ist sehr anstrengend für alle, Schüler wie Lehrer. Schamanischer Unterricht, also Unterricht in ihrer traditionellen Kultur und Heilmethode, kann nur nachts stattfinden, weil die Geister, die dabei gerufen werden, nur nachts erscheinen. Traditionell ruhen die Schamanen mit ihren Schülern während des Tages. Deshalb gibt es in Zeiten des regulären Schulunterrichts eine extreme Doppelbelastung: regulärer Unterricht während des Tages, schamanischer Unterricht nachts und kaum Zeit, zu schlafen. Es gibt keine Möglichkeit, die traditionellen Unterrichtsmethoden unabhängig von der Schulzeit zu praktizieren, denn nur dann sind die Kinder und Jugendlichen versammelt. Deshalb ist ein zentraler Ausbildungsort, eine Pilotschule im Dorf Vida Nova an den Ufern des Itui-Flusses, wo die Schüler dieser dreizehn Dörfer zusammenfinden können, ein wichtiges Projekt für die Marubo. Ausgewählte bzw. bestimmte Schüler können dann während der offiziellen Schulferien dort zentral in Schamanismus und der Kultur der Marubo unterrichtet werden. In der anderen Zeit können die Schulräume als Internatsräume für die Vermittlung einer Ausbildung, die zur Hochschulreife führt, genutzt werden. Gesundheit Mehr als 50 % der Bewohner des Javari Tals leiden gemäß einer Umfrage der brasilianischen nationalen Gesundheitsstiftung FUNASA bereits unter Hepatitis B. Die häufig auftretende Co‐ oder Superinfektion mit Hepatitis D verläuft unweigerlich tödlich. Hepatitis B kann unter Behandlung zwar zum Stillstand kommen bzw. die Symptome gemildert werden, die Krankheit selbst ist jedoch auch mit westlicher Medizin nicht heilbar. Mit der Verbindung aus westlicher Medizin und traditionellen Heilmethoden ist es jedoch möglich, diesen Erkrankungen auf effiziente Weise vorzubeugen. Insbesondere Präventivmaßnahmen wie Aufklärungsarbeit vor Ort und Schwangerschaftsvorsorge sind deshalb von großer Wichtigkeit. Hepatitis war bei den Einwohnern Amazoniens unbekannt und wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit erst durch den Kontakt mit der westlichen Welt in ihre Gruppe eingeführt – ebenso wie ansteckende Viruserkrankungen, die sich epidemisch ausbreiten und für die Bevölkerung nicht zu bewältigen sind. Durch den Bau von Straßen, illegaler Holzfällerei und den Aufbau einer Infrastruktur in bisher gänzlich oder fast unberührten Gebieten kam und kommt es zu Kontakten mit der Einwandererkultur, die in Folge auch die o.g. Krankheiten mit sich bringen. So starben z.B. 50 % der Murunahua im Amazonasgebiet nach dem Kontakt mit illegalen Holzfällern an einer Grippe. Die Matis im Javari Tal wurden zum ersten Mal 1978 kontaktiert. Kurz darauf starb die Hälfte des indigenen Volkes, nach weiteren fünf Jahren hatten nur 87 Matis überlebt. 5
Dieses dramatische Problem entsteht zum einen, weil das Immunsystem indigener Menschen gegen diese Krankheiten nie Abwehrkräfte entwickeln konnte, zum anderen und primär jedoch dann, wenn sie in den ersten Kontakt mit den Städten kommen und dort durch die Folgen der Konflikte mit völlig unterschiedlichen kulturellen Einstellungen des Stadtlebens in extremen wirtschaftlichen Armutsverhältnissen inmitten einer materiell reichen Umgebung leben. Fast alle mit den westlichen Kulturen in Kontakt stehenden Bewohner des Regenwaldes leiden inzwischen auch an Malaria, einer zuvor ebenfalls unbekannten Krankheit in diesem Gebiet. Ob auch die unkontaktierten Gruppierungen davon betroffen sind, ist größtenteils nicht bekannt. Das Grundproblem besteht auch hier in der unkontrollierbaren Ausbreitung. Zudem sind mehrere Malaria‐Anfälle pro Jahr für die Erkrankten die Regel, nicht die Ausnahme. Dies schwächt die Grundkonstitution der Menschen insgesamt und macht sie auch für einfache Krankheiten anfälliger. Schamanische Heilmethoden, wie sie seit Jahrtausenden im Amazonasgebiet praktiziert werden, können diesen Krankheiten nicht Herr werden. Im Einzelfall kann vielleicht geholfen werden, doch die Therapie des Einzelfalls benötigt einen immens hohen Krafteinsatz des Schamanen, der dann wiederum für die Allgemeinheit und die Gesundheitsfürsorge für die grundlegenden Krankheiten weniger Kapazitäten zur Verfügung hat. Eine umfangreiche Gesundheitsvorsorge und präventive Maßnahmen in Verbindung mit medizinischer Soforthilfe haben deshalb oberste Priorität, um die Gesamtsituation mittel‐ bis langfristig zu verbessern. Umwelt und Zerstörung des Lebensraums Der Kontakt zu unserer westlichen Kultur entsteht für viele indigene Völker erst dadurch, dass das, was wir Entwicklung nennen, ihren Lebensraum vernichtet. Durch Krankheiten, den Bau von Staudämmen und den Aufbau einer Infrastruktur in unberührten Gebieten werden nicht nur die Lebensgrundlagen der Marubo und große Teile des brasilianischen Regenwaldes zerstört, sondern auch ihre Existenz als solche. Wie viele andere indigene Menschen weltweit sind auch die Marubo heute vom Aussterben bedroht. Damit verlieren wir nicht nur mehr und mehr unersetzlich wertvolles und Jahrhunderte altes Wissen über die Natur, Tiere, Pflanzen, Heilung und umweltrelevante Zusammenhänge auf unserer Erde, sondern gefährden auch uns selbst: Die Eingriffe in natürliche Verhältnisse haben unmittelbare Auswirkungen auf unser eigenes Umfeld und die klimatischen Bedingungen weltweit. Eine Umsiedlung von indigenen Völkern bedeutet Sterben, denn gemäß ihrer Kultur brauchen sie einen Raum, in dem sie frei leben, jagen und fischen können. Wo sollte es den dann noch geben? Zudem definieren sich diese Völker elementar durch das Gebiet, in dem sie leben. Der Prozess des Umdenkens und die Einsicht darin, dass die westliche Kultur diejenige ist, die aufgrund ihrer degenerierten Entwicklung Hilfe benötigt, dauert sehr lange. Es gibt 6
jedoch auch positive Beispiele: Vor kurzem zog eine der weltweit größten Banken 400 Mio. Dollar Fördermittel aus einem Staudammprojekt, weil die Folgen des Staudammbaus für die betroffenen Menschen wie deren Umwelt vernichtend wären. So bleibt zu wünschen, dass diesem Beispiel auch andere Banken, Ölkonzerne und Investoren folgen und die Mittel stattdessen in Projekte fließen, die dabei helfen, Lebensräume zu erhalten und den bereits angerichteten Schaden zu begrenzen. Stephen Corry, Direktor von Survival International, sagt dazu: „Wenn der Kontakt zu indigenen Völkern nicht unter größter Sorgfalt stattfindet, bedeutet dieser Kontakt für mindestens die Hälfte dieser Menschen das Ende. Wieder und wieder haben wir das erlebt. Es ist daher schwer nachzuvollziehen, dass Regierungen und Unternehmen davon angeblich nichts wissen. Es ist genauso schwer nachzuvollziehen, warum sie, wenn sie auf dem Land unkontaktierter Völker arbeiten, und wir, die ihre Produkte kaufen, nicht schuldig dafür sein sollten, was dort passiert.“ Unterstützungsprojekte: Die nächsten Schritte Während des Besuchs der beiden Marubo-Repräsentanten wurden drei Projekte erarbeitet, die nun entwickelt werden sollen: 1. Bildungsprojekt Eine Schule/ein Internat für die 13 Marubo-Dörfer Pentiaquinho, Mâncio Lima, Paulinho, Vida Nova, Nazaré, Paraná, Alegria, Kapi Vanawi, Água Branca, Praia, Rio Novo, Liberdade, welche von Benedito und Robson betreut wird, soll an einem zentralen und für alle zugänglichen Ort erbaut werden. 2. Gesundheitsprojekt Ein medizinisches Hilfsprojekt, möglicherweise in Form eines Sanitäts-Schiffes, welches die entlegenen Dörfer erreichen kann und eine grundlegende medizinische Versorgung und Prävention in der Region des Javari gewährleistet, soll etabliert werden. Dabei sollen sich traditionelle und wissenschaftliche Methoden mit den Bedingungen vor Ort integrativ ergänzen. 3. Kulturprojekt Eine kleine Gruppe der Marubo soll nach Deutschland eingeladen werden, um hier im Rahmen mehrerer Auftritte mit der Kultur der Marubo vertraut zu machen. Gesang und Tanz sind dabei die zentralen Mittel der Gemeinschaft, und um ihre Kultur zu verstehen, sind sie erfahrbar zu machen. Ein 5 bis 10‐tägiges Festival, in denen die Marubo ihre Sitten und Gebräuche dem interessierten Publikum vorstellen, ermöglicht es, ihre Kultur und ihre Form des Zusammenlebens authentisch nachzuvollziehen. Diese Idee wurde von den Marubo selbst während ihres Aufenthaltes hier in Deutschland entwickelt. 7
Beschreibung des Bildungsprojektes Die traditionelle indigene Erziehung im Javari Tal findet in Ritualen mit Liedern und Tänzen am Abend statt. Der verbindliche zweisprachige Unterricht, den die brasilianische Regierung in einigen Dörfern anbietet, wird während des Tages im Rahmen der offiziellen Lehrpläne, die im ganzen Land gelten, durchgeführt. Abgesehen davon, dass sie sich schlecht an die indigene Kultur anpassen lassen, reichen die zweisprachigen Schulen in den Dörfern nicht aus, die Schüler auf die Aufnahmeprüfungen an der Universität vorzubereiten. Das indigene, demarkierte Land im Javari Tal ist größer als das vieler europäischer Staaten. Die Schüler müssen oft große Entfernungen zurücklegen, um an die Schule zu gelangen, um zu lernen. Die Lehrer wiederum müssen sich zwischen dem traditionellen Unterricht und der Arbeit an den zweisprachigen staatlichen Schulen aufteilen. In dieser Situation soll an einem zentralen, für alle 13 Marubo-Dörfer optimal zugänglichen Ort eine Schule mit Internat errichtet werden. Dort werden während der Schulferien die Schüler, die an dem staatlichen Schulprogramm teilnehmen, in indigenem Wissen unterrichtet. In der übrigen Zeit soll die Schule als Internat für die Schüler dienen, die einen Oberschulabschluss als Studienvoraussetzung erreichen wollen. Zielgruppe Schüler aus den 13 Marubo-Dörfern Pentiaquinho, Mâncio Lima, Paulinho, Vida Nova, Nazaré, Paraná, Alegria, Kapi Vanawi, Água Branca, Praia, Rio Novo, Liberdade und Carneiro, die ihren Oberschulabschluss machen wollen. Motiv Stärkung der indigenen Kultur der Marubo durch Ausbildung von Vertretern ihres Volkes, die durch Einbringen ihres indigenen Wissens ihre Interessen in der brasilianischen Gesellschaft vertreten und festigen können. Begründung Ein besonders wichtiger Schritt zur Emanzipation der indigenen Völker ist ganz sicher die Schulbildung. Die Verteidigung ihrer eigenen Interessen wird am besten durch sie selbst durchgeführt. Die brasilianische Gesellschaft bietet hierzu jetzt schon Möglichkeiten. Durch die Integration der Schüler und Studenten in die vorgegebenen Strukturen geht derzeit allerdings die Verbindung zur ursprünglichen und eigentlichen Kultur in der Regel verloren. In der zu errichtenden Schule soll das Wissen über die indigene Kultur so stark gefestigt werden, dass es auch nach Verlassen des Regenwaldes noch vorhanden bleibt und vertreten werden kann. Das Projekt geht insofern davon aus, dass die Möglichkeit zur Weiterbildung und der Zugang zur Universität eine effektive Hilfe zur Selbsthilfe des indigenen Volkes ist, weil auf diese Weise Interessensvertreter ihres Volkes ausgebildet werden können. Standort der Schule Vida Nova ist die zentralste Gemeinde am Fluss Itui. Sie ist nicht nur geographisch gesehen zentral gelegen (mit benachbarten Dörfern flussauf- und -abwärts), sondern verfügt auch 8
über die höchste Einwohnerzahl – etwa 150 Einwohner – und mehrere Einrichtungen wie eine 500-Meter lange Landebahn für die Erreichbarkeit mit Flugzeugen, eine Gesundheitsstation und ein Hauptquartier der evangelischen Mission, das über Radio und Internetzugang verfügt. Schuljahr Nach einem Vorbereitungskurs von zwei Monaten soll die Schule mit der Oberstufe beginnen, das heißt mit der ersten Klasse der Oberstufe, i.e. der zehnten Klasse, und mit dem Abitur nach der zwölften Klasse enden. Das Unterrichtsjahr beinhaltet Ferien vom regulären Unterricht, und zwar in zwei Abschnitten: der erste Abschnitt im Juni und Juli und der zweite Abschnitt von Dezember bis Februar, insgesamt also fünf Monate. Spezielle Vorbereitungskurse Das Niveau der einzelnen zweisprachigen Schulen ist sehr unterschiedlich. In einem Vorbereitungskurs wird dann fehlendes Wissen ausgeglichen, und die Schüler können auf eine gerechte Weise beurteilt werden. Außer dem regulären Unterricht, den das brasilianische Gesetz vorschreibt, sollen die Schüler Unterricht in ihrer Stammessprache, Sitten und Gebräuchen, Handwerk und Kunstgewerbe erhalten. Außerdem soll zusätzlich ein Vorbereitungskurs für die Aufnahmeprüfungen an den brasilianischen Universitäten durchgeführt werden. Indigene Lehrplaninhalte Indigene Sprache (Hoch- und Umgangssprache). Indigene Naturwissenschaft. Indigene Geschichte. Gebührendes Verhalten gegenüber Erwachsenen. Sozialstruktur (Geschlecht und soziale Rollen, religiöse/spirituelle und politische Führung). Sexualität: Wissen um ansteckende Krankheiten, genitale Verstümmelung, Behandlung von Geschlechtskrankheiten. Kenntnis der Lebensabschnitte. Voreheliche Einweisung in Körperpflege. Heiratszeremonie. Heirat zwischen Cousin/ Cousine und zwischen Onkel/ Tante und Neffe/ Nichte. Generelle Heiratsvorschriften hinsichtlich Namensgebung und Ableben. Gartenpflege, Jagd: Verhältnis zu Pflanzen, großen und kleinen Tieren. Ausbildung von Sohn/Enkel durch Vater/ Großvater, von Tochter/ Enkelin durch Mutter/ Großmutter. Handwerkskunst: Korbflechten und Töpferei. Verschiedene graphische Muster und ihre moderne und traditionelle Bedeutung: sevikene - „Spiralringe“, oshõashkákene - „gespreizte Kranichfedern“, kevõisãkene - „kreuzförmige Palme“, yáwameriñkene - „s-förmiger Wildschweinfuß“, káramapokene - „Froschkopf“, txónaiñtxokene - „Wollaffenschwanzspitze“, támameãkene - „Ast eines Baumes“. 9
Eigene Namensgebung, ethnische Identität, individuelle Namensgebung, matrilaterale Klan- oder alternierende Verwandtschaftsgruppen: ihre Bedeutung und geographische Verteilung. Spirituelle und tägliche Namensgebung (varinawavo, shanenawavo, rovonawavo, inonawavo, kananawavo, koronawavo, ranenawavo, satanawavo, niinawavo, shawãvo, waniñvo). Zeremonielle Vorträge (tsaiñki vana). Kosmologie: überlegene und untergebene Geister, symmetrische kosmische Schichten — metaphorische Schichten, oben und unten. Größe der Schule Die Schule soll aus einem Langhaus für die drei Klassen (10, 11, und 12) bestehen und in jeder Klasse maximal 26 Schüler, also insgesamt maximal 78 Schüler haben. Die Schule sollte ein Computerzentrum, eine Bibliothek, Fachräume für Naturwissenschaften und ein Sprachlabor haben. Ein multifunktionaler Raum wird diesen Funktionen dienen. Art des Internates Die Schüler wohnen in einer Großfamilie in Gruppen mit bis zu zwölf Schülern, jeweils mit einem/r Lehrer/Lehrerin zusammen. Auswahl der Schüler Die Auswahl der Schüler wird von den jeweiligen Dorfgemeinschaften, wo die Jugendlichen wohnen, getroffen. Ob der Schüler dann auch intellektuell geeignet ist, wird im Vorbereitungskurs festgestellt. Die Schüler müssen charakterlich einwandfrei sein und einen gültigen Hauptschulabschluss haben. Die Lehrer sind selbst indigener Herkunft, bevorzugt Marubos, oder haben mindestens ein volles Jahr in der Gemeinschaft der Marubos gelebt. Art der Schulleitung Der Direktor/die Direktorin ist eine/r der Lehrer/innen und wird von dem gemeinnützigen Verein, der die Schule trägt, einvernehmlich mit den 13 Dörfern bestimmt. Für die notwenigen Stunden der Verwaltungsarbeit wird er/sie vom Unterricht freigestellt. Diese Aufgaben werden mit den brasilianischen Behörden abgestimmt, die für deren Kostendeckung verantwortlich sind. Lehrkörper Die Gehälter der Lehrkräfte sollen von den brasilianischen Behörden bezahlt werden. Aufbau/Struktur der Schule 1 Maloca im traditionellen indigenen Stil Häuser für Schüler und Lehrer (8 x 4m) im regionalen brasilianischen Stil 1 Mehrzweckhaus im gleichen Stil wie die Wohnhäuser (8 x 4m) 1 Küche (6 x 4m) 10
Material für den Schulbau 2 Motorsägen Stihl MS 660 mit 90er und 75 Schwert = 1.000 + 30 = € 1.030 2 Fässer Benzin (400L) = 400 x 1,40 = € 560 Motoröl (80L) = 80 x 1,00 = € 80 Zweitaktöl (1L) 16 x € 5 = € 80 Nägel 2”, 3”, 4”, 5” Zoll für die Aluminiumblätter (100 kg) = € 350 150 Aluminiumblätter (3 x 0,8m) 150 x 10 = € 1.500 Insektengitter (100 x 1,2m) 100 x 2 = € 200 2 1 Motorsense Stihl FS 280 38,9cm = € 600 25 Hacken (25 x €14) = € 350 25 Haumesser (25 x €4) = € 100 25 Äxte (25 x €18) = € 450 6 Schubkarren (6 x €60) = € 360 3 Wassertanks aus Fiberglas 1000 l (3 x € 300) = € 900 1 Solarwasserpumpe = € 1.800 1 artesischer Brunnen = € 6.500 4 Abwassergruben (4 x €1.000) = € 4.000 Arbeit und Holz vor Ort Gesamtkosten des Baus: € 18.860 Gebrauchsmaterial für die Schule 1 Boot (Amazon Aluminium) 8.4 x 1.4 x 0.5 m mit Yamaha Heckantrieb 12 hp (€ 5,000 + € 1,000) = € 6.000 13 Computer (13 x € 700) = € 9.100 13 x Stromausgleich (13 x € 15) = € 195 1 multifunktionaler Tintenstrahldrucker mit Ersatzpatronen = € 200 13 digitale Fotoapparate 13 x € 150 = € 1.950 1 Videokamera = € 1.000 2 Datashow 2,600 luminix LG = € 1.200 1 Yamaha Stromgenerator 1,6 Kva 1,600W = € 1.420 1 Solar-Klimaanlage 12,000Btus = € 1.200 2 Solar-Kühlschränke (2 x € 1,900) = € 3.800 1 Ofen mit vier Brennern = € 600 20 LED Birnen 18W (20 x €100) = € 2.000 Gesamtkosten des Materials: € 28.665 Gesamtkosten des Schulbaus: €47.525 Material zum Unterhalt für die Schule 10.000 l Benzin pro Jahr (10.000 x €1,40) = € 14.000 10 Gasflaschen pro Jahr 10 x € 60 = € 600 Schul- und Büromaterial wird von der brasilianischen Regierung gestellt Gesamtkosten pro Jahr: € 14.600 11
Wie können Sie helfen? Sie sind in einem ganzheitlichen und/oder schulmedizinischen Beruf tätig, haben Erfahrung mit Hepatitis‐Erkrankungen und deren Behandlung – oder Sie kennen jemanden, der sich damit auskennt? Dann bereichern Sie uns gerne mit Ihrem Wissen oder praktischer Hilfe. Sie haben vielleicht wenig Zeit, möchten aber eines der drei Marubo-Hilfsprogramme finanziell unterstützen? Spenden sind für die Umsetzung ebenso notwendig wie herzlich willkommen. Sie sind brillante Netzwerker oder kennen Menschen, die sich auf ähnliche Weise engagieren? Wir freuen uns, jetzt und in Zukunft, über jeden Kontakt, der wirklich weiterhilft, ebenso wie über das Weiterleiten dieser Informationen. Sie möchten helfen, die Projekte für die indigene Bevölkerung in Brasilien weiterzuentwickeln, Geld zu sammeln, Veranstaltungen oder Unterstützungsprojekte organisieren? Ihre Ansprechpartner, weitere Informationen und Pressekontakt: Marion Schneider (Vorstandsvorsitzende) Katharina Kerner Ourchild Internationales Kinderhilfswerk e. V. Rudolf-Gröschner-Str. 11 99518 – Bad Sulza Telefon: +4936461 92081 Fax: +4936461 92083 E‐Mail: info@ourchild.de www.ourchild.de Bankverbindung: Konto: 535 555 555 Sparkasse Weimar BLZ: 820 510 00 BIC: HELA DE F1 WEM IBAN: DE49 8205 1000 0535 5555 55 12
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