GESUNDHEIT, ERZIEHUNG UND KULTUR - IM JAVARI TAL IM AMAZONASGEBIET BRASILIENS - Ourchild eV

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GESUNDHEIT, ERZIEHUNG UND KULTUR - IM JAVARI TAL IM AMAZONASGEBIET BRASILIENS - Ourchild eV
GESUNDHEIT, ERZIEHUNG UND KULTUR
IM JAVARI TAL IM AMAZONASGEBIET BRASILIENS

               INSTITUTIONELLE TRÄGERSCHAFT:
          Internationales Kinderhilfswerk Ourchild e.V.
            Vorstandsvorsitzende: Marion Schneider

                       KOORDINATOREN:
               Benedito Dionisio da Silva Ferreira
                 Prof. Dr. Guilherme Werlang
                Robson Dionisio Doles Marubo
                Prof. Dr. Tiago de Oliveira Pinto

                    MEDIZINISCHE BERATER:
                       Dr. Wornei Braga
                      Dr. Waldery Nobre
                      Dr. Frank Kirchner
                       Dr. Rüdiger Kilian

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GESUNDHEIT, ERZIEHUNG UND KULTUR - IM JAVARI TAL IM AMAZONASGEBIET BRASILIENS - Ourchild eV
WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT:
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                      Nanko van Buuren, Rio de Janeiro
                    Prof. Christine Marion Brückner, Berlin
                           Prof. Thomas Sauer, Jena

                            ORGANISATIONSTEAM:
                    Prof. Christine Marion Brückner, Berlin
                            Ulrich Weinstock, Essen
                          Katharina Kerner, Bad Sulza
                           Jörg Begerow, Bad Sulza

              ORGANISATORISCHE UNTERSTÜTZUNG IN BRASILIEN:
    IBISS – Instituto Brasileiro de Inovacoes em Saude Social, Rio de Janeiro
            CEIBA – Centro de Estudos Indigenas da Bacia Amazônica

          ORGANISATORISCHE UNTERSTÜTZUNG IN DEUTSCHLAND:
                    Franz Liszt Musikhochschule Weimar
                      Friedrich Schiller Universität Jena
          Ourchild e.V. – Internationales Kinderhilfswerk, Bad Sulza
                            Klinikzentrum Bad Sulza

            INSTITUTIONELLE UNTERSTÜTZUNG IN DEUTSCHLAND:
 Ministerpräsidentin des Landes Thüringen, Erfurt, Frau Christine Lieberknecht
  Landrat des Burgenlandkreises, Sachsen Anhalt, Naumburg, Herr Harri Reiche
     Landrat der Sächsischen Schweiz, Sachsen, Pirna, Herr Michael Geisler
Landrat des Weimarer Landes, Thüringen, Apolda, Herr Hans-Helmut Münchberg
      Landrat des Main Kinzig Kreises, Hessen, Gelnhausen, Herr Erich Pipa
                          Wattline GmbH, Ruderting
                        Toskanaworld GmbH, Bad Sulza

              INSTITUTIONELLE UNTERSTÜTZUNG IN BRASILIEN:
                   Universidade Federal Fluminense, Niterói
              Brasilianisches Ministerium für Gesundheit, Brasilia

                            (Stand Dezember 2013)

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GESUNDHEIT, ERZIEHUNG UND KULTUR - IM JAVARI TAL IM AMAZONASGEBIET BRASILIENS - Ourchild eV
Vertreter der brasilianischen Marubo erstmalig in Europa

Kenĩnawa Inonáwavo                               Venãpa Iskonáwavo
(Benedito Dionisio da Silva Ferreira)            (Robson Dionisio Doles Marubo)
Heiler und Lehrer der Marubo                     Schamane und Lehrer der Marubo

Benedito und Robson reisten als Repräsentanten des Volkes der Marubo im Mai 2011 nach
Auerstedt, Weimar und Bad Sulza in Thüringen und besuchten damit erstmals Europa. Dieser
interkulturelle Austausch wurde von der Musikhochschule Franz Liszt in Weimar und der
Hilfsorganisation Ourchild e.V. in Bad Sulza initiiert und organisiert.

Während ihres Aufenthaltes vermittelten die Marubo bereichernde Einblicke in ihre Kultur,
Musik, schamanische Heilweisen und in ihre Weltanschauung. Neben der uneingeschränkten
und herzlich-familiären Bereitschaft, ihr wertvolles Wissen zu teilen, war eines ihrer
Hauptanliegen die Bitte um Hilfe bezüglich der sich dramatisch verschlechternden
Gesundheitssituation der Einwohner in ihrer Heimat, dem Amazonasgebiet Brasiliens.

Im Rahmen des Aufenthaltes wurden drei Projekte erarbeitet, die die indigene Bevölkerung
im Tal des Flusses Javari in Bezug auf Gesundheit, Bildung und Erziehung unterstützen
werden. Wir informieren Sie hiermit über die aktuelle Situation der Marubo, ihre Kultur und
Geschichte und geben eine erste Übersicht über die geplanten Projekte und
Hilfsmaßnahmen.

Geschichte und Lebensraum der Marubo
Die Marubo leben am Rande Brasiliens in
Amazonien an den Grenzen zu Peru und
Kolumbien im Javari Tal. Das Javari-Tal gehört zur
Gemeinde von Atalaia do Norte im brasilianischen
Bundesstaat Amazonas. Der Fluss Javari mit
seinen Nebenflüssen — den Flüssen Jaquirana,
Curuçá, Itacoaí und Ituí — umfasst rund 85.444
Quadratkilometer und ist das zweitgrößte
indigene Gebiet Brasiliens. Die regionale
Hauptstadt von Atalaia do Norte selbst weist
6.891 Einwohner (Stand der Zählung 2010) auf.
Darüber hinaus gibt es heute etwa 6.000 indigene
Einwohner der Völker der Marubo, Mayoruna, Matis, Kanamari, Kulina und Korubo sowie
einer unbekannten Anzahl nicht kontaktierter Gruppierungen im Javari Tal. Dazu gehört die
weltweit höchste Anzahl an Menschen, die in totaler Autonomie ohne Kontakt zur sie
umgebenden Gesellschaft leben.

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Die Marubo bewohnen derzeit zwei Dutzend Dörfer: Pentiaquinho, Mâncio Lima, Paulinho,
Vida Nova, Nazaré, Paraná, Alegria, Kapi Vanawi, Água Branca, Praia, Rio Novo, Liberdade,
Carneiro sind die größten entlang der Flussläufe Ituí und Curuçá. Nach Angaben der für die
indigenen Kulturen verantwortlichen staatlichen Agentur FUNAI (Fundação Nacional do
Índio) ist das Gebiet der Marubo seit mehr als 1.000 Jahren bevölkert. Bis Ende des 19.
Jahrhunderts gab es ungefähr 15.000 Bewohner in dieser Gegend. Zum Ende des 19.
Jahrhunderts reduzierte sich diese Zahl auf etwa 3.000 Personen. Krieg und Krankheit
dezimierte die Bevölkerung sehr stark. Die Zahl der Marubo wird heute auf etwa 2.000
geschätzt.

Kultur
Gemäß der Herkunft ihrer Sprache sind die Marubo auch als „Pano“-Völker bekannt. Die
Bezeichnung „Marubo“ wird heute allgemein und übergeordnet für ihre neun exogamen,
d.h. durch verbindlich vorgegebene Heiratsverpflichtungen verbundenen Klans verwendet.
„Marubo“ entspricht jedoch nicht ihrer Selbstbezeichnung und hat hinsichtlich des
ethnischen Ursprungs keine Bedeutung. Gemäß ihrer eigenen Überlieferung haben
verschiedene Stämme sich in der Vergangenheit zusammengefunden und die heutige
Gesellschaft der Marubo geformt. Diese früheren Völker sind jetzt ihre
Verwandtschaftsgruppen, welche immer noch die ursprünglichen Namen der Urvölker
tragen, z.B. shanenawavo – das Volk des Vogels Dunkelblauer Bischof, varinawanavo – das
Volk der Sonne oder wanĩvo – das Volk der Pfirsichpalmenfrucht. Ihre nach Geburtsfolge
benannten Gruppenbezeichnungen sind matrilateral, werden also von der mütterlichen
Großmutter weitergegeben.

Vor etwa 200 Jahren begannen die Bewohner des Javari‐Tals damit, Kontakt untereinander
aufzunehmen, und die Marubo sind wahrscheinlich erstmals im Jahr 1858 durch William
Herndon, einen nordamerikanischen Marineoffizier, dokumentiert. Nach wie vor gibt es im
Javari‐Tal jedoch viele Menschen, die freiwillig isoliert bzw. vollständig autonom leben, die
sogenannten unkontaktierten Völker.

Die Marubo kommen regelmäßig zu gemeinsamen Festen und Anlässen zusammen. Auch
sonst wird Nachbarschaftshilfe und Kommunikation mit den Nachbarn als zentrales Element
des Zusammenlebens geschätzt. Ein wesentlicher Bestandteil des kulturellen Lebens der
Marubo sind ihre Musik und ihre heilenden Gesänge.

Bildung und Erziehung
Derzeit reisen die Lehrer von Dorf zu Dorf, um
Schulunterricht zu geben. Sie vermitteln dort
auch ihr Wissen über die Kultur ihres Volkes und
schamanische Praktiken. Dies ist für sie sehr
anstrengend. Einige dieser Dörfer liegen mehr als
eine Tagesreise voneinander entfernt, und die
Reise ist für sie beschwerlich. Auch viele Schüler
haben lange Wege, um den Unterricht zu
besuchen, da es nicht in jedem Dorf eine Schule gibt und nicht in jeder Schule alle
Klassenstufen. Die Schüler gehen in reguläre, staatlich beaufsichtigte und finanzierte
Schulen, wo sie zweisprachig unterrichtet werden. Der Unterricht wird dafür in ihrem Dorf
nach festgelegten Lehrplänen mit staatlich ausgebildeten Lehrern durchgeführt. Der

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schamanische Unterricht kann nur während der Nacht stattfinden, und am Morgen fängt
dann die reguläre Schule wieder neu an. Diese Doppelbelastung ist sehr anstrengend für alle,
Schüler wie Lehrer.

Schamanischer Unterricht, also Unterricht in ihrer traditionellen Kultur und Heilmethode,
kann nur nachts stattfinden, weil die Geister, die dabei gerufen werden, nur nachts
erscheinen. Traditionell ruhen die Schamanen mit ihren Schülern während des Tages.
Deshalb gibt es in Zeiten des regulären Schulunterrichts eine extreme Doppelbelastung:
regulärer Unterricht während des Tages, schamanischer Unterricht nachts und kaum Zeit, zu
schlafen. Es gibt keine Möglichkeit, die traditionellen Unterrichtsmethoden unabhängig von
der Schulzeit zu praktizieren, denn nur dann sind die Kinder und Jugendlichen versammelt.

Deshalb ist ein zentraler Ausbildungsort, eine Pilotschule im Dorf Vida Nova an den Ufern
des Itui-Flusses, wo die Schüler dieser dreizehn Dörfer zusammenfinden können, ein
wichtiges Projekt für die Marubo. Ausgewählte bzw. bestimmte Schüler können dann
während der offiziellen Schulferien dort zentral in Schamanismus und der Kultur der Marubo
unterrichtet werden. In der anderen Zeit können die Schulräume als Internatsräume für die
Vermittlung einer Ausbildung, die zur Hochschulreife führt, genutzt werden.

Gesundheit
Mehr als 50 % der Bewohner des Javari Tals
leiden gemäß einer Umfrage der brasilianischen
nationalen Gesundheitsstiftung FUNASA bereits
unter Hepatitis B. Die häufig auftretende Co‐
oder Superinfektion mit Hepatitis D verläuft
unweigerlich tödlich. Hepatitis B kann unter
Behandlung zwar zum Stillstand kommen bzw.
die Symptome gemildert werden, die Krankheit
selbst ist jedoch auch mit westlicher Medizin
nicht heilbar.

Mit der Verbindung aus westlicher Medizin und traditionellen Heilmethoden ist es jedoch
möglich, diesen Erkrankungen auf effiziente Weise vorzubeugen. Insbesondere
Präventivmaßnahmen wie Aufklärungsarbeit vor Ort und Schwangerschaftsvorsorge sind
deshalb von großer Wichtigkeit.

Hepatitis war bei den Einwohnern Amazoniens unbekannt und wurde mit hoher
Wahrscheinlichkeit erst durch den Kontakt mit der westlichen Welt in ihre Gruppe
eingeführt – ebenso wie ansteckende Viruserkrankungen, die sich epidemisch ausbreiten
und für die Bevölkerung nicht zu bewältigen sind. Durch den Bau von Straßen, illegaler
Holzfällerei und den Aufbau einer Infrastruktur in bisher gänzlich oder fast unberührten
Gebieten kam und kommt es zu Kontakten mit der Einwandererkultur, die in Folge auch die
o.g. Krankheiten mit sich bringen. So starben z.B. 50 % der Murunahua im Amazonasgebiet
nach dem Kontakt mit illegalen Holzfällern an einer Grippe. Die Matis im Javari Tal wurden
zum ersten Mal 1978 kontaktiert. Kurz darauf starb die Hälfte des indigenen Volkes, nach
weiteren fünf Jahren hatten nur 87 Matis überlebt.

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Dieses dramatische Problem entsteht zum einen, weil das Immunsystem indigener
Menschen gegen diese Krankheiten nie Abwehrkräfte entwickeln konnte, zum anderen und
primär jedoch dann, wenn sie in den ersten Kontakt mit den Städten kommen und dort
durch die Folgen der Konflikte mit völlig unterschiedlichen kulturellen Einstellungen des
Stadtlebens in extremen wirtschaftlichen Armutsverhältnissen inmitten einer materiell
reichen Umgebung leben.

Fast alle mit den westlichen Kulturen in Kontakt stehenden Bewohner des Regenwaldes
leiden inzwischen auch an Malaria, einer zuvor ebenfalls unbekannten Krankheit in diesem
Gebiet. Ob auch die unkontaktierten Gruppierungen davon betroffen sind, ist größtenteils
nicht bekannt. Das Grundproblem besteht auch hier in der unkontrollierbaren Ausbreitung.
Zudem sind mehrere Malaria‐Anfälle pro Jahr für die Erkrankten die Regel, nicht die
Ausnahme. Dies schwächt die Grundkonstitution der Menschen insgesamt und macht sie
auch für einfache Krankheiten anfälliger.

Schamanische Heilmethoden, wie sie seit Jahrtausenden im Amazonasgebiet praktiziert
werden, können diesen Krankheiten nicht Herr werden. Im Einzelfall kann vielleicht geholfen
werden, doch die Therapie des Einzelfalls benötigt einen immens hohen Krafteinsatz des
Schamanen, der dann wiederum für die Allgemeinheit und die Gesundheitsfürsorge für die
grundlegenden Krankheiten weniger Kapazitäten zur Verfügung hat.

Eine umfangreiche Gesundheitsvorsorge und präventive Maßnahmen in Verbindung mit
medizinischer Soforthilfe haben deshalb oberste Priorität, um die Gesamtsituation mittel‐ bis
langfristig zu verbessern.

Umwelt und Zerstörung des Lebensraums
Der Kontakt zu unserer westlichen Kultur entsteht
für viele indigene Völker erst dadurch, dass das,
was wir Entwicklung nennen, ihren Lebensraum
vernichtet. Durch Krankheiten, den Bau von
Staudämmen und den Aufbau einer Infrastruktur
in unberührten Gebieten werden nicht nur die
Lebensgrundlagen der Marubo und große Teile
des brasilianischen Regenwaldes zerstört,
sondern auch ihre Existenz als solche. Wie viele andere indigene Menschen weltweit sind
auch die Marubo heute vom Aussterben bedroht. Damit verlieren wir nicht nur mehr und
mehr unersetzlich wertvolles und Jahrhunderte altes Wissen über die Natur, Tiere, Pflanzen,
Heilung und umweltrelevante Zusammenhänge auf unserer Erde, sondern gefährden auch
uns selbst: Die Eingriffe in natürliche Verhältnisse haben unmittelbare Auswirkungen auf
unser eigenes Umfeld und die klimatischen Bedingungen weltweit.

Eine Umsiedlung von indigenen Völkern bedeutet Sterben, denn gemäß ihrer Kultur
brauchen sie einen Raum, in dem sie frei leben, jagen und fischen können. Wo sollte es den
dann noch geben? Zudem definieren sich diese Völker elementar durch das Gebiet, in dem
sie leben.

Der Prozess des Umdenkens und die Einsicht darin, dass die westliche Kultur diejenige ist,
die aufgrund ihrer degenerierten Entwicklung Hilfe benötigt, dauert sehr lange. Es gibt

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jedoch auch positive Beispiele: Vor kurzem zog eine der weltweit größten Banken 400 Mio.
Dollar Fördermittel aus einem Staudammprojekt, weil die Folgen des Staudammbaus für die
betroffenen Menschen wie deren Umwelt vernichtend wären. So bleibt zu wünschen, dass
diesem Beispiel auch andere Banken, Ölkonzerne und Investoren folgen und die Mittel
stattdessen in Projekte fließen, die dabei helfen, Lebensräume zu erhalten und den bereits
angerichteten Schaden zu begrenzen.

                                            Stephen      Corry,   Direktor   von    Survival
                                            International, sagt dazu: „Wenn der Kontakt zu
                                            indigenen Völkern nicht unter größter Sorgfalt
                                            stattfindet, bedeutet dieser Kontakt für
                                            mindestens die Hälfte dieser Menschen das Ende.
                                            Wieder und wieder haben wir das erlebt. Es ist
                                            daher schwer nachzuvollziehen, dass Regierungen
                                            und Unternehmen davon angeblich nichts wissen.
                                            Es ist genauso schwer nachzuvollziehen, warum
                                            sie, wenn sie auf dem Land unkontaktierter
                                            Völker arbeiten, und wir, die ihre Produkte
kaufen, nicht schuldig dafür sein sollten, was dort passiert.“

Unterstützungsprojekte: Die nächsten Schritte
Während des Besuchs der beiden Marubo-Repräsentanten wurden drei Projekte erarbeitet,
die nun entwickelt werden sollen:

   1. Bildungsprojekt
   Eine Schule/ein Internat für die 13 Marubo-Dörfer Pentiaquinho, Mâncio Lima, Paulinho,
   Vida Nova, Nazaré, Paraná, Alegria, Kapi Vanawi, Água Branca, Praia, Rio Novo,
   Liberdade, welche von Benedito und Robson betreut wird, soll an einem zentralen und
   für alle zugänglichen Ort erbaut werden.

   2. Gesundheitsprojekt
   Ein medizinisches Hilfsprojekt, möglicherweise in Form eines Sanitäts-Schiffes, welches
   die entlegenen Dörfer erreichen kann und eine grundlegende medizinische Versorgung
   und Prävention in der Region des Javari gewährleistet, soll etabliert werden. Dabei sollen
   sich traditionelle und wissenschaftliche Methoden mit den Bedingungen vor Ort
   integrativ ergänzen.

   3. Kulturprojekt
   Eine kleine Gruppe der Marubo soll nach Deutschland eingeladen werden, um hier im
   Rahmen mehrerer Auftritte mit der Kultur der Marubo vertraut zu machen. Gesang und
   Tanz sind dabei die zentralen Mittel der Gemeinschaft, und um ihre Kultur zu verstehen,
   sind sie erfahrbar zu machen. Ein 5 bis 10‐tägiges Festival, in denen die Marubo ihre
   Sitten und Gebräuche dem interessierten Publikum vorstellen, ermöglicht es, ihre Kultur
   und ihre Form des Zusammenlebens authentisch nachzuvollziehen. Diese Idee wurde von
   den Marubo selbst während ihres Aufenthaltes hier in Deutschland entwickelt.
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Beschreibung des Bildungsprojektes
Die traditionelle indigene Erziehung im Javari Tal findet in Ritualen mit Liedern und Tänzen
am Abend statt. Der verbindliche zweisprachige Unterricht, den die brasilianische Regierung
in einigen Dörfern anbietet, wird während des Tages im Rahmen der offiziellen Lehrpläne,
die im ganzen Land gelten, durchgeführt.

Abgesehen davon, dass sie sich schlecht an die indigene Kultur anpassen lassen, reichen die
zweisprachigen Schulen in den Dörfern nicht aus, die Schüler auf die Aufnahmeprüfungen an
der Universität vorzubereiten. Das indigene, demarkierte Land im Javari Tal ist größer als das
vieler europäischer Staaten. Die Schüler müssen oft große Entfernungen zurücklegen, um an
die Schule zu gelangen, um zu lernen. Die Lehrer wiederum müssen sich zwischen dem
traditionellen Unterricht und der Arbeit an den zweisprachigen staatlichen Schulen aufteilen.

In dieser Situation soll an einem zentralen, für alle 13 Marubo-Dörfer optimal zugänglichen
Ort eine Schule mit Internat errichtet werden. Dort werden während der Schulferien die
Schüler, die an dem staatlichen Schulprogramm teilnehmen, in indigenem Wissen
unterrichtet. In der übrigen Zeit soll die Schule als Internat für die Schüler dienen, die einen
Oberschulabschluss als Studienvoraussetzung erreichen wollen.

Zielgruppe
Schüler aus den 13 Marubo-Dörfern
Pentiaquinho, Mâncio Lima, Paulinho, Vida
Nova, Nazaré, Paraná, Alegria, Kapi Vanawi,
Água Branca, Praia, Rio Novo, Liberdade und
Carneiro, die ihren Oberschulabschluss
machen wollen.

Motiv
Stärkung der indigenen Kultur der Marubo
durch Ausbildung von Vertretern ihres Volkes,
die durch Einbringen ihres indigenen Wissens
ihre Interessen in der brasilianischen Gesellschaft vertreten und festigen können.

Begründung
Ein besonders wichtiger Schritt zur Emanzipation der indigenen Völker ist ganz sicher die
Schulbildung. Die Verteidigung ihrer eigenen Interessen wird am besten durch sie selbst
durchgeführt. Die brasilianische Gesellschaft bietet hierzu jetzt schon Möglichkeiten. Durch
die Integration der Schüler und Studenten in die vorgegebenen Strukturen geht derzeit
allerdings die Verbindung zur ursprünglichen und eigentlichen Kultur in der Regel verloren.
In der zu errichtenden Schule soll das Wissen über die indigene Kultur so stark gefestigt
werden, dass es auch nach Verlassen des Regenwaldes noch vorhanden bleibt und vertreten
werden kann. Das Projekt geht insofern davon aus, dass die Möglichkeit zur Weiterbildung
und der Zugang zur Universität eine effektive Hilfe zur Selbsthilfe des indigenen Volkes ist,
weil auf diese Weise Interessensvertreter ihres Volkes ausgebildet werden können.

Standort der Schule
Vida Nova ist die zentralste Gemeinde am Fluss Itui. Sie ist nicht nur geographisch gesehen
zentral gelegen (mit benachbarten Dörfern flussauf- und -abwärts), sondern verfügt auch

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über die höchste Einwohnerzahl – etwa 150 Einwohner – und mehrere Einrichtungen wie
eine 500-Meter lange Landebahn für die Erreichbarkeit mit Flugzeugen, eine
Gesundheitsstation und ein Hauptquartier der evangelischen Mission, das über Radio und
Internetzugang verfügt.

Schuljahr
Nach einem Vorbereitungskurs von zwei
Monaten soll die Schule mit der Oberstufe
beginnen, das heißt mit der ersten Klasse der
Oberstufe, i.e. der zehnten Klasse, und mit
dem Abitur nach der zwölften Klasse enden.
Das Unterrichtsjahr beinhaltet Ferien vom
regulären Unterricht, und zwar in zwei
Abschnitten: der erste Abschnitt im Juni und
Juli und der zweite Abschnitt von Dezember
bis Februar, insgesamt also fünf Monate.

Spezielle Vorbereitungskurse
Das Niveau der einzelnen zweisprachigen Schulen ist sehr unterschiedlich. In einem
Vorbereitungskurs wird dann fehlendes Wissen ausgeglichen, und die Schüler können auf
eine gerechte Weise beurteilt werden.

Außer dem regulären Unterricht, den das brasilianische Gesetz vorschreibt, sollen die
Schüler Unterricht in ihrer Stammessprache, Sitten und Gebräuchen, Handwerk und
Kunstgewerbe erhalten. Außerdem soll zusätzlich ein Vorbereitungskurs für die
Aufnahmeprüfungen an den brasilianischen Universitäten durchgeführt werden.

Indigene Lehrplaninhalte
Indigene Sprache (Hoch- und Umgangssprache). Indigene Naturwissenschaft. Indigene
Geschichte.
Gebührendes Verhalten gegenüber Erwachsenen. Sozialstruktur (Geschlecht und soziale
                                           Rollen, religiöse/spirituelle und politische
                                           Führung). Sexualität: Wissen um ansteckende
                                           Krankheiten,       genitale     Verstümmelung,
                                           Behandlung von Geschlechtskrankheiten.
                                           Kenntnis der Lebensabschnitte. Voreheliche
                                           Einweisung in Körperpflege. Heiratszeremonie.
                                           Heirat zwischen Cousin/ Cousine und zwischen
                                           Onkel/ Tante und Neffe/ Nichte. Generelle
                                           Heiratsvorschriften                  hinsichtlich
                                           Namensgebung und Ableben.
                                           Gartenpflege, Jagd: Verhältnis zu Pflanzen,
                                           großen und kleinen Tieren. Ausbildung von
Sohn/Enkel durch Vater/ Großvater, von Tochter/ Enkelin durch Mutter/ Großmutter.
Handwerkskunst: Korbflechten und Töpferei. Verschiedene graphische Muster und ihre
moderne und traditionelle Bedeutung: sevikene - „Spiralringe“, oshõashkákene - „gespreizte
Kranichfedern“, kevõisãkene - „kreuzförmige Palme“, yáwameriñkene - „s-förmiger
Wildschweinfuß“,     káramapokene       -     „Froschkopf“,            txónaiñtxokene      -
„Wollaffenschwanzspitze“, támameãkene - „Ast eines Baumes“.
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Eigene Namensgebung, ethnische Identität, individuelle Namensgebung, matrilaterale Klan-
oder alternierende Verwandtschaftsgruppen: ihre Bedeutung und geographische Verteilung.
Spirituelle und tägliche Namensgebung (varinawavo, shanenawavo, rovonawavo,
inonawavo, kananawavo, koronawavo, ranenawavo, satanawavo, niinawavo, shawãvo,
waniñvo). Zeremonielle Vorträge (tsaiñki vana). Kosmologie: überlegene und untergebene
Geister, symmetrische kosmische Schichten — metaphorische Schichten, oben und unten.

Größe der Schule
Die Schule soll aus einem Langhaus für die drei Klassen
(10, 11, und 12) bestehen und in jeder Klasse maximal
26 Schüler, also insgesamt maximal 78 Schüler haben.

Die Schule sollte ein Computerzentrum, eine
Bibliothek, Fachräume für Naturwissenschaften und
ein Sprachlabor haben. Ein multifunktionaler Raum
wird diesen Funktionen dienen.

Art des Internates
Die Schüler wohnen in einer Großfamilie in Gruppen
mit bis zu zwölf Schülern, jeweils mit einem/r
Lehrer/Lehrerin zusammen.

Auswahl der Schüler
Die Auswahl der Schüler wird von den jeweiligen Dorfgemeinschaften, wo die Jugendlichen
wohnen, getroffen. Ob der Schüler dann auch intellektuell geeignet ist, wird im
Vorbereitungskurs festgestellt. Die Schüler müssen charakterlich einwandfrei sein und einen
gültigen Hauptschulabschluss haben.

Die Lehrer sind selbst indigener Herkunft, bevorzugt Marubos, oder haben mindestens ein
volles Jahr in der Gemeinschaft der Marubos gelebt.

Art der Schulleitung
Der Direktor/die Direktorin ist eine/r der Lehrer/innen und wird von dem gemeinnützigen
Verein, der die Schule trägt, einvernehmlich mit den 13 Dörfern bestimmt. Für die
notwenigen Stunden der Verwaltungsarbeit wird er/sie vom Unterricht freigestellt.

Diese Aufgaben werden mit den brasilianischen Behörden abgestimmt, die für deren
Kostendeckung verantwortlich sind.

Lehrkörper
Die Gehälter der Lehrkräfte sollen von den brasilianischen Behörden bezahlt werden.

Aufbau/Struktur der Schule
    1 Maloca im traditionellen indigenen Stil
    Häuser für Schüler und Lehrer (8 x 4m) im regionalen brasilianischen Stil
    1 Mehrzweckhaus im gleichen Stil wie die Wohnhäuser (8 x 4m)
    1 Küche (6 x 4m)

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Material für den Schulbau
   2 Motorsägen Stihl MS 660 mit 90er und 75 Schwert = 1.000 + 30 = € 1.030
   2 Fässer Benzin (400L) = 400 x 1,40 = € 560
   Motoröl (80L) = 80 x 1,00 = € 80
   Zweitaktöl (1L) 16 x € 5 = € 80
   Nägel 2”, 3”, 4”, 5” Zoll für die Aluminiumblätter (100 kg) = € 350
   150 Aluminiumblätter (3 x 0,8m) 150 x 10 = € 1.500
   Insektengitter (100 x 1,2m) 100 x 2 = € 200
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   1 Motorsense Stihl FS 280 38,9cm = € 600
   25 Hacken (25 x €14) = € 350
   25 Haumesser (25 x €4) = € 100
   25 Äxte (25 x €18) = € 450
   6 Schubkarren (6 x €60) = € 360
   3 Wassertanks aus Fiberglas 1000 l (3 x
     € 300) = € 900
   1 Solarwasserpumpe = € 1.800
   1 artesischer Brunnen = € 6.500
   4 Abwassergruben (4 x €1.000) =
     € 4.000
   Arbeit und Holz vor Ort

   Gesamtkosten des Baus: € 18.860

Gebrauchsmaterial für die Schule
    1 Boot (Amazon Aluminium) 8.4 x 1.4 x 0.5 m mit Yamaha Heckantrieb 12 hp (€ 5,000
     + € 1,000) = € 6.000
    13 Computer (13 x € 700) = € 9.100
    13 x Stromausgleich (13 x € 15) = € 195
    1 multifunktionaler Tintenstrahldrucker mit Ersatzpatronen = € 200
    13 digitale Fotoapparate 13 x € 150 = € 1.950
    1 Videokamera = € 1.000
    2 Datashow 2,600 luminix LG = € 1.200
    1 Yamaha Stromgenerator 1,6 Kva 1,600W = € 1.420
    1 Solar-Klimaanlage 12,000Btus = € 1.200
    2 Solar-Kühlschränke (2 x € 1,900) = € 3.800
    1 Ofen mit vier Brennern = € 600
    20 LED Birnen 18W (20 x €100) = € 2.000

   Gesamtkosten des Materials: € 28.665

Gesamtkosten des Schulbaus: €47.525

Material zum Unterhalt für die Schule
   10.000 l Benzin pro Jahr (10.000 x €1,40) = € 14.000
   10 Gasflaschen pro Jahr 10 x € 60 = € 600
   Schul- und Büromaterial wird von der brasilianischen Regierung gestellt

   Gesamtkosten pro Jahr: € 14.600

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Wie können Sie helfen?
   Sie sind in einem ganzheitlichen und/oder schulmedizinischen Beruf tätig, haben
    Erfahrung mit Hepatitis‐Erkrankungen und deren Behandlung – oder Sie kennen
    jemanden, der sich damit auskennt? Dann bereichern Sie uns gerne mit Ihrem Wissen
    oder praktischer Hilfe.

   Sie haben vielleicht wenig Zeit, möchten aber eines der drei Marubo-Hilfsprogramme
    finanziell unterstützen? Spenden sind für die Umsetzung ebenso notwendig wie
    herzlich willkommen.

   Sie sind brillante Netzwerker oder kennen Menschen, die sich auf ähnliche Weise
    engagieren? Wir freuen uns, jetzt und in Zukunft, über jeden Kontakt, der wirklich
    weiterhilft, ebenso wie über das Weiterleiten dieser Informationen.

   Sie möchten helfen, die Projekte für die indigene Bevölkerung in Brasilien
    weiterzuentwickeln, Geld zu sammeln, Veranstaltungen oder Unterstützungsprojekte
    organisieren?

          Ihre Ansprechpartner, weitere Informationen und Pressekontakt:
                      Marion Schneider (Vorstandsvorsitzende)
                                  Katharina Kerner
                    Ourchild Internationales Kinderhilfswerk e. V.
                              Rudolf-Gröschner-Str. 11
                                  99518 – Bad Sulza
                              Telefon: +4936461 92081
                                Fax: +4936461 92083
                              E‐Mail: info@ourchild.de
                                  www.ourchild.de

                                  Bankverbindung:
                                 Konto: 535 555 555
                                  Sparkasse Weimar
                                   BLZ: 820 510 00
                                BIC: HELA DE F1 WEM
                         IBAN: DE49 8205 1000 0535 5555 55

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