Gleiche Chancen dank einer abgeschlossenen Ausbildung?

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364      © Lucius & Lucius Verlag Stuttgart          Zeitschrift für Soziologie, Jg. 34, Heft 5, Oktober 2005, S. 364–382

Gleiche Chancen dank einer abgeschlossenen Ausbildung?
Zum Signalwert von Ausbildungsabschlüssen bei ausländischen und deutschen jungen
Erwachsenen

Can Vocational Training Equalize Job Opportunities?
The Signaling Value of Certificates Earned by Non-German and German Young Adults

Holger Seibert*
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Regionalbüro Berlin-Brandenburg, Friedrichstraße 34, D-10969 Berlin
E-mail: Holger.Seibert@iab.de

Heike Solga*
Georg-August-Universität, Institut für Soziologie, Platz der Göttinger Sieben 3, D-37073 Göttingen
E-mail: hsolga@uni-goettingen.de

Zusammenfassung: Der deutsche Ausbildungsabschluss gilt als Garant für den Zugang zu Beschäftigung und insbeson-
dere zu qualifizierten beruflichen Tätigkeiten. Gilt dies auch für junge Ausländer, die in Deutschland eine Ausbildung
abgeschlossen haben? Haben sie durch einen Ausbildungsabschluss die gleichen Beschäftigungschancen wie deutsche
Ausbildungsabsolventen? Diese Fragen werden in dem Beitrag mit Hilfe von Mikrozensusdaten empirisch untersucht.
Wir vergleichen die Arbeitsmarktchancen von Ausgebildeten und Ausbildungslosen verschiedener ethnischer Gruppen
und prüfen, inwieweit ethnische Benachteiligungen durch Ausbildungsabschlüsse an Bedeutung verlieren. Im Sinne des
„Integrationsauftrags“ des deutschen Ausbildungssystems sollte der Ausbildungsabschluss für Ausländer zu den glei-
chen Arbeitsmarktchancen führen wie für Deutsche. Wie unsere Analysen allerdings zeigen, haben insbesondere türki-
sche Ausbildungsabsolventen dennoch schlechtere Arbeitsmarktchancen. Dies spricht für einen „ethnisierten“ Signal-
wert eines Ausbildungsabschlusses.

Summary: German vocational training certificates are presumed to guarantee access to work, especially to qualified oc-
cupational positions. But is this similarly true for young non-Germans who have completed vocational training in Ger-
many? Do they attain job opportunities similar to German graduates of training programs? In this article, we answer
these questions empirically utilizing the German Microcensus. We compare the job opportunities of trained and untrain-
ed young adults of various ethnic groups and analyze how strongly ethnic disadvantages can be compensated for by vo-
cational training certificates. If the German vocational training system meets its charge to facilitate “integration,” we
should find that such certificates actually do provide opportunities for non-Germans similar to those for Germans. Our
investigation shows, however, that especially Turkish young adults have poorer job opportunities. This indicates an
“ethnic” signal value of vocational training certificates.

1. Einleitung                                                 Deutschland nachgewiesen werden. Lehrabschlüs-
                                                              se, die in betrieblichen Ausbildungsgängen erwor-
Dem dualen System und seinen Ausbildungs-                     ben werden, sowie schulische Ausbildungsabschlüs-
abschlüssen wurde in der Bildungs-, Arbeitsmarkt-             se bieten hierzulande gute Berufseinstiegs- und
und Berufsforschung große Aufmerksamkeit ge-                  Beschäftigungschancen (Büchtemann et al. 1994,
schenkt. Als fast schon ehernes Gesetz konnte die             Mayer 1995, 1996, Greinert 1995, 1998, Konietz-
Bedeutung einer abgeschlossenen Berufsausbildung              ka 1999). Sie sind in hohem Maße standardisiert
für den Zugang zu Beschäftigung im Allgemeinen                (Allmendinger 1989) und liefern den Beschäftigern
und zu qualifizierten Tätigkeiten im Besonderen in            Signale, über welche Fähigkeiten und Fertigkeiten
                                                              die Absolventen verfügen. Ohne abgeschlossene
* Die Autoren danken den anonymen Gutachtern und              Berufsausbildung ist der Zugang zu den qualifizier-
den Herausgebern der ZfS für ihre hilfreichen Hinweise        ten Arbeitsmarktsegmenten hingegen nahezu aus-
zu einer früheren Fassung dieses Beitrags.                    geschlossen. So waren z. B. von den westdeutschen
Holger Seibert und Heike Solga: Gleiche Chancen dank einer abgeschlossenen Ausbildung?                    365

Ausbildungslosen der Geburtsjahrgänge 1959 bis            Gegenstand dieses Artikels sind daher folgende Fra-
1961 lediglich 15 Prozent beim Berufseinstieg auf         gestellungen: (a) Gibt es ethnische Unterschiede in
qualifizierten Arbeitsplätzen tätig, während dieser       der Differenz der Arbeitsmarktchancen zwischen
Anteil bei jenen mit einem Ausbildungsabschluss           Ausgebildeten und Ausbildungslosen? (b) Existie-
bei 76 Prozent lag (Solga 2005: 231).                     ren Unterschiede in den Arbeitsmarktchancen zwi-
Geschlechtstypische Unterschiede in der Bedeutung         schen Ausgebildeten deutscher und nichtdeutscher
von Ausbildungsabschlüssen für die Arbeitsmarkt-          Herkunft? Die Beantwortung beider Fragen gibt
chancen wurden ebenfalls bereits behandelt (z. B.         Auskunft darüber, inwieweit eine Ausbildung auch
Krüger 2003). Hier zeigte sich, dass der Vorsprung        für ausländische Jugendliche den für Deutsche be-
von ausgebildeten gegenüber ausbildungslosen Frau-        kannten Signalwert besitzt und inwieweit eine bes-
en beim Zugang zu qualifizierten Arbeitsplätzen           sere Arbeitsmarktintegration junger Ausländer über
deutlich geringer ist als bei Männern (Solga/Konietz-     gleichberechtigte Partizipationschancen im Berufs-
ka 2000).                                                 bildungssystem erreicht werden kann. Bei unseren
                                                          Ausführungen und Analysen legen wir zudem be-
Die Frage, ob nichtdeutsche Frauen und Männer in
                                                          sonderes Augenmerk auf ethnische Differenzie-
gleicher Weise wie Deutsche von einer abgeschlos-
                                                          rungslinien (Vergleich zwischen ethnischen Grup-
senen Ausbildung auf dem deutschen Arbeitsmarkt
                                                          pen) sowie die Bedeutung des Ausländerstatus an
profitieren, hat allerdings bisher relativ geringe
                                                          sich (Vergleich zwischen Deutschen und Auslän-
Aufmerksamkeit erhalten. Die bisherige ‚Integra-
                                                          dern). Auch dies – die Unterscheidung zwischen
tionsforschung‘ hat sich überwiegend auf die gene-
                                                          rechtlichem Status und ethnischer Zugehörigkeit –
relle Benachteiligung von Ausländern gegenüber
                                                          ist eine Blindstelle zahlreicher arbeitsmarktsoziolo-
Deutschen auf dem Arbeitsmarkt konzentriert
                                                          gischer Untersuchungen, die wir zu füllen ver-
(Bender/Seifert 1996, 2000, Szydlik 1996, Granato/
                                                          suchen.
Kalter 2001, 2002, Esser 2001). Daneben existieren
Studien zu Einkommensunterschieden zwischen               Der Beitrag ist folgendermaßen gegliedert. Nach
Ausländern und Deutschen (z. B. Constant/Massey           der Diskussion der Signaling-Theorie hinsichtlich
2003, Büchel/Frick 2004), zur Betroffenheit von           der Bedeutung eines Ausbildungsabschlusses und
Arbeitslosigkeit (Kogan 2004) und zum Berufsein-          der ethnischen Zugehörigkeit für die Arbeitsmarkt-
stieg von Ausländern (Seifert 1992, Herrmann              platzierung in Abschnitt 2 werden in Abschnitt 3
1995, von Below 2003, Konietzka/Seibert 2003,             empirische Erwartungen formuliert. Abschnitt 4 be-
Seibert 2004, 2005). Vielfach wird dabei auf die Be-      gründet die Auswahl der Untersuchungspopulation
nachteiligung von ausländischen Jugendlichen auf          sowie die Orperationalisierung der abhängigen und
dem Ausbildungsmarkt Bezug genommen, d. h. auf            unabhängigen Variablen. Entsprechend unserer
ihren Zugang zu qualifizierender Ausbildung (vgl.         Fragestellungen beschränken wir unsere Analysen
z. B. Solga 2003). Oft wird hier von der Grund-           auf Erwerbspersonen (d. h. auf Beschäftigte und Ar-
annahme ausgegangen, dass sich mit der Besei-             beitslose bzw. -suchende). Dies ermöglicht in ange-
tigung dieser Benachteiligung bzw. mit der Herstel-       messener Weise zu untersuchen, ob Personen, die
lung von Chancengleichheit beim Zugang zu                 eine berufliche Ausbildung abgeschlossen haben
Bildung und Ausbildung auch die Arbeitsmarktchan-         und auf dem Arbeitsmarkt aktiv sind, – unabhängig
cen von ausländischen und deutschen jungen Er-            von ethnischer Zugehörigkeit – die gleichen Ar-
wachsenen angleichen würden. Anders formuliert:           beitsmarktchancen haben. Zudem werden so (mög-
Mit dem erfolgreichen Erwerb eines (deutschen)            liche) Unterschiede im Bewerbungsverhalten und
Ausbildungsabschlusses wären – so die Erwartung –         Selbstselektionsprozesse hinsichtlich der Erwerbs-
junge Erwachsene unterschiedlicher ethnischer Her-        beteiligung minimiert. Die empirischen Befunde
kunft auf dem Arbeitsmarkt gleichgestellt.                unserer deskriptiven und multivariaten Analysen
In Anlehnung an die Befunde zu den Geschlechter-          werden in Abschnitt 5 vorgestellt. Abschließend
ungleichheiten sind Zweifel an der Grundannahme           ziehen wir ein Fazit und formulieren zukünftige
anzumelden, dass ein Ausbildungsabschluss aus-            Forschungsfragen.
reicht, um Arbeitsmarktbenachteiligungen auf-
grund ethnischer Zugehörigkeiten zu kompensie-
ren. Ferner ist bisher ungeklärt, ob die Unterschiede
in den Arbeitsmarktchancen zwischen Ausgebilde-
ten und Ausbildungslosen bei nichtdeutschen jun-
gen Erwachsenen genauso groß sind wie bei deut-
schen Jugendlichen.
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2. Ausbildung, Ausländerstatus und                             einzelne Individuum auf der Grundlage der Ver-
   ethnische Zugehörigkeit als                                 haltenswahrscheinlichkeit von Beschäftigungsgrup-
   Arbeitsmarktsignale – theoretische                          pen“ (Blossfeld/Mayer 1988: 265). In dieser auch
   Überlegungen                                                als statistische Diskriminierung (Arrow 1973) be-
                                                               kannten Vorgehensweise dienen die mit der Grup-
Realisierte Arbeitsmarktpositionen sind die Folge              penzugehörigkeit verbundenen Annahmen (und
interdependenter Bewerbungsprozesse seitens der                Stereotype) bezüglich des Verhaltens der Gruppen-
Beschäftigten bzw. Arbeitssuchenden und Rekrutie-              mitglieder als Bewertungskriterien der zukünftigen
rungsprozesse seitens der Beschäftiger und Per-                Leistungsfähigkeit von Individuen (Reskin 2000:
sonalverantwortlichen (vgl. Solga 2005). Da wir                322).
bei unseren empirischen Analysen nur Erwerbsper-               Der Informationswert von Marktsignalen (Signalen
sonen berücksichtigen werden, ist wohl insbesonde-             wie Indizes) ist nun umso größer, je stärker ihr Be-
re das Rekrutierungsverhalten der Beschäftiger für             zug zur erwarteten/erwartbaren Leistungsfähigkeit
die jeweilige Arbeitsmarktplatzierung der Bewerber             von Personen ist. Eines der wichtigsten Signale ist
verantwortlich. Insofern ist für die theoretische              daher Bildung und im deutschen Kontext eine ab-
Fundierung unserer Untersuchung ein Ansatz erfor-              solvierte Ausbildung, da durch sie ein Bezug zu
derlich, der das Rekrutierungsverhalten sowie die              dem (in der Vergangenheit) demonstrierten Leis-
Bedeutung von Ausbildungsabschlüssen in geeig-                 tungsvermögen hergestellt wird. Dabei werden zum
neter Weise thematisiert. Dies ist die Signaling-              einen Selbstselektionsprozesse bei den ‚individuel-
Theorie, wie im Folgenden ausgeführt wird.1                    len Bildungsentscheidungen‘ unterstellt und zum
                                                               anderen Fremdselektionsprozesse im Bildungssys-
Rekrutierungsentscheidungen seitens der Beschäfti-
                                                               tem, die eine Übereinstimmung zwischen den Leis-
ger sind mit Unsicherheiten über die tatsächliche
                                                               tungsbewertungskriterien des Bildungssystems und
und zukünftige Leistungsfähigkeit der Bewerber be-
                                                               denen der Beschäftiger erzeugen.
haftet. Gemäß der Signaling-Theorie verwenden
Arbeitgeber bei diesen Entscheidungen daher leicht             Hinsichtlich der Bildungsentscheidungen und der
beobachtbare, kostengünstige und als zuverlässig               erbrachten Bildungsleistungen wird mit längeren
geltende Indikatoren, die ihnen Wahrscheinlich-                Bildungszeiten und besseren Leistungen eine höhere
keitsannahmen über die Leistungsfähigkeit, die                 Leistungsmotivation, Leistungsfähigkeit und Be-
Arbeitsmotivation und Leistungsbereitschaft von                lastbarkeit von Personen verbunden (Riley 1976:
Bewerbern ermöglichen (Spence 1974: 8, Thurow                  259, Spence 1974: 58, Weiss 1995: 137). Zudem
1975: 172, England 1994: 60).                                  signalisiert die ‚Ausdauer‘ im (Aus-)Bildungssystem
                                                               auch für Arbeitgeber vorteilhafte Persönlichkeits-
Indikatoren für diese Eigenschaften werden als
                                                               merkmale, wie z. B. Lernmotivation und -interesse,
market signals bezeichnet. Gemäß Spence (1974:
                                                               Verantwortungsbewusstsein oder Zuverlässigkeit
9f., 1973) ist dabei zwischen Signalen als verän-
                                                               (vgl. Graff 1996: 278).
derbaren Personeneigenschaften (z. B. Bildungsab-
schlüsse) und Indizes als nicht veränderbaren Merk-            Hinsichtlich der Leistungsbewertung im (Aus-)Bil-
malen (wie Geschlecht, Alter, ethnische Herkunft) zu           dungssystem wird angenommen, dass Bildungsein-
unterscheiden.2 Mit Hilfe dieser Signale und Indizes           richtungen und ihre gatekeepers die Schülerinnen
treffen Beschäftiger ihre „Entscheidungen über das             und Schüler vor allem bezüglich ihrer Lernfähig-
                                                               keit, Sach- und Sozialkompetenzen sowie Arbeits-
1
  Mit der Ausbildung wird sicherlich auch Humankapital         tugenden (wie Pünktlichkeit, Fleiß, Unterordnungs-
erworben. Dennoch stellt die Humankapitaltheorie selbst        vermögen u.ä.) beobachten, diese Kriterien bei der
keinen geeigneten Theorierahmen für unsere Fragestellung       Leistungsbewertung einbeziehen und die Schülerin-
dar. Zum einen versucht sie Lohnunterschiede in Abhän-         nen und Schüler in die ‚entsprechenden‘ Bildungs-
gigkeit von der individuellen Produktivität zu erklären.       gruppen einsortieren (Spence 1974): „Education
Zum anderen ist die Annahme, dass Beschäftiger bei der         may serve as a pure screening device or filter,
Einstellung von Bewerbern deren tatsächliche Produktivi-       through which employers identify individuals with
tät kennen, zweifelhaft. Insofern stellt die Signaling-Theo-   certain qualities that the educational process tests
rie eine Weiterentwicklung der Humankapitaltheorie dar,
                                                               and certifies but does not itself produce. […] Since
als sie von Wahrscheinlichkeitsannahmen individueller
Produktivität ausgeht. Für eine detaillierte Diskussion des    direct information about these attributes [intelli-
Verhältnisses von Signaling- und Humankapitaltheorie           gence, motivation, discipline] would be extremely
siehe Solga 2005, Kapitel 4.1 und 4.2.                         expensive for employers to acquire, a proxy for the
2
  In der Soziologie sprechen wir hier von ‚erworbenen‘         information is obtained – notably in credentials of
und ‚zugeschriebenen‘ Individualmerkmalen.                     some form as evidence of the candidates’ passage
Holger Seibert und Heike Solga: Gleiche Chancen dank einer abgeschlossenen Ausbildung?                     367

through the educational system“ (Hirsch 1977: 47;         langung einer Arbeitserlaubnis und -berechtigung
Einfügung durch die Autoren).                             und der Zeitdauer ihrer Gewährung) – einen gerin-
In Gesellschaften mit beruflichen Ausbildungssyste-       geren Verwertungsgrad haben als für Personen mit
men – wie in Deutschland – wird darüber hinaus            einem deutschen Pass.
erwartet, dass ausgebildete Personen berufsspezi-         Doch nicht nur institutionelle Regelungen (verbun-
fische Kenntnisse und Fertigkeiten sowie eine all-        den mit dem Ausländerstatus), auch der Index ‚eth-
gemeine ‚Beschäftigungsfähigkeit‘ erworben haben.         nische Zugehörigkeit‘ könnte zu ethnienspezifisch
Mit diesen Selbstselektionsprozessen im Bildungs-         ungleichen Leistungsannahmen – trotz gleichen
system, der Sortierleistung von Bildungseinrichtun-       Ausbildungsniveaus – seitens der Personalverant-
gen sowie der Verwendung des Bildungserfolgs als          wortlichen führen. Die Zugehörigkeit zu bestimmten
Indikator der Leistungsfähigkeit von Personen sei-        Kulturkreisen, erwartete Akkulturationsleistungen
tens der Beschäftiger wird gemäß der Signaling-           oder Kompetenzen in der Verkehrssprache wären
Theorie die Erwartung begründet, dass Personen            hier für einen jeweils ethnienspezifisch unterstellten
mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung bessere        Zusammenhang von gezeigter Bildungsleistung und
Arbeitsmarktchancen – und zwar sowohl generell            zukünftiger Leistungsfähigkeit verantwortlich. Inso-
als auch hinsichtlich der Beschäftigung in qualifi-       fern wäre es möglich, dass bei jungen Migranten ins-
zierten Tätigkeiten – haben (sollten) als Personen        besondere „aus fremden Kulturen“ – wie jungen
ohne Ausbildungsabschluss.                                Türken – von einer geringeren Leistungsfähigkeit
                                                          ausgegangen wird, und zwar auch dann, wenn sie ei-
Neben dem Ausbildungsabschluss stehen den Ar-             ne Ausbildung absolviert haben. In Anlehnung an
beitgebern jedoch noch weitere Informationen zur          Borjas und Goldberg (1978: 921) wäre zu erwarten,
Verfügung, die von ihnen gleichfalls als wichtige In-     dass obgleich die Gruppe der ausgebildeten Migran-
dikatoren der potenziellen Leistungsfähigkeit ge-         ten (aufgrund des erschwerten Zugangs zur Ausbil-
wertet werden können. Dazu gehören das Ge-                dung) positiv selektiver ist, Beschäftiger und Per-
schlecht, der Ausländerstatus und die ethnische           sonalverantwortliche junge Migranten mit einer
Zugehörigkeit. Als Indizes können sie die Bedeu-          erfolgreich absolvierten Ausbildung als weniger pro-
tung eines Ausbildungsabschlusses generell außer          duktiv einschätzen als deutsche Ausgebildete. Als
Kraft setzen oder gruppenspezifisch modifizieren.         Konsequenz wäre der Signalwert von Ausbildungs-
Zu Unterschieden zwischen Frauen und Männern              zertifikaten durch ethnienspezifische Leistungserwar-
in der Transferierbarkeit von Zertifikaten in adä-        tungen verzerrt bzw. abgewertet.
quate Arbeitsmarktpositionen gibt es, wie oben            Diese ethnisierte Wahrnehmung der Leistungsfähig-
genannt, bereits empirische Untersuchungen. Hier          keit äußert sich u. a. in Rekrutierungspraxen der-
wird u. a. argumentiert, dass durch das Hinzuzie-         gestalt, dass den so genannten soft skills eine große
hen des Merkmals Geschlecht bei Rekrutierungs-            Bedeutung beigemessen wird (Moss/Tilly 1995: 367,
prozessen der Abstand in den Arbeitsmarktchancen          Ostermann 1979: 195f., Pettigrew/Taylor 2001:
zwischen ausbildungslosen und ausgebildeten Frau-         3764, Tilly 1998: 168). In ihren Untersuchungen
en geringer ist als bei Männern (Solga/Konietzka          konnten Moss und Tilly (1995) zeigen, dass die Be-
2000). Verantwortlich dafür sind u. a. Prozesse der       zugnahme auf Qualifikationen und insbesondere
statistischen Diskriminierung (z. B. infolge der Anti-    auf soft skills seitens der Beschäftiger und Personal-
zipation einer geringeren Belastbarkeit oder Flexi-       verantwortlichen zumeist nur eine ‚rationale‘ Legi-
bilität von Frauen in Form von Überstunden sowie          timation ihrer Einstellungsentscheidungen darstellt
einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von familien-           (mit der zugleich ein öffentliches und sanktionier-
bedingten Erwerbsunterbrechungen).                        bares Diskriminierungsverhalten vermieden werden
Hinsichtlich eines modifizierten Signalwerts von          kann). Diese Bezugnahme erfolge häufig unabhän-
Ausbildungsabschlüssen entlang ethnischer Diffe-          gig von der Frage, ob derartige weiche Qualifika-
renzierungslinien können zwei Faktoren von Bedeu-         tionen für den fraglichen Arbeitsplatz tatsächlich
tung sein: zum einen Staatsbürgerrechte (der ‚Aus-        relevant sind (vgl. auch Neckerman/Kirschenman
länderstatus‘) und zum anderen ethnienspezifische         1991, Stanback 1989: 216). Dies bedeutet jedoch,
Perzeptionen seitens der Beschäftiger und Personal-       dass selbst junge Migranten mit einer abgeschlosse-
verantwortlichen. Mit Blick auf die Staatsbürger-         nen Ausbildung (und den erforderlichen harten
rechte könnte die abgeschlossene berufliche Aus-          Qualifikationen) mit derartigen Auswahlprozedu-
bildung für ‚Ausländer‘ – aufgrund der an die             ren und den hier gestellten Anforderungen gegen-
Staatsbürgerschaft geknüpften institutionellen Re-        über deutschen jungen Erwachsenen in Rekrutie-
gelungen und Ansprüche (z. B. hinsichtlich der Er-        rungsverfahren benachteiligt werden können.
368                                           Zeitschrift für Soziologie, Jg. 34, Heft 5, Oktober 2005, S. 364–382

Zusammenfassend ist auf der Grundlage der Sig-        Hypothese 2: Die Arbeitsmarktvorteile von Aus-
naling-Theorie zu erwarten, dass eine abgeschlosse-   gebildeten gegenüber Ausbildungslosen sind bei
ne Ausbildung die Beschäftigungschancen generell      jungen Erwachsenen nichtdeutscher Herkunft ge-
und die Beschäftigung auf qualifizierten Arbeits-     ringer als bei Deutschen.
plätzen im Besonderen begünstigen sollte. Darüber     Zum einen könnte der Ausländerstatus die Verwert-
hinaus liefert die Theorie eine Begründung dafür,     barkeit von Ausbildungsabschlüssen für junge Er-
warum dieser Vorteil nach ethnischer Zugehörig-       wachsene ohne deutsche Staatsangehörigkeit insti-
keit und Geschlecht variieren kann. Dies wird im      tutionell begrenzen (Hypothese 2a). Der Signalwert
Folgenden spezifiziert.                               einer abgeschlossenen Ausbildung wäre durch den
                                                      Index ‚Ausländerstatus‘ modifiziert. Der Abstand
3. Hypothesen zum Signalwert von                      in den Arbeitsmarktchancen zwischen ausgebilde-
                                                      ten und ausbildungslosen jungen Ausländern (un-
   Ausbildungszertifikaten und ethnischer
                                                      abhängig von der jeweiligen Nationalität) sollte
   Zugehörigkeit                                      demzufolge geringer sein als bei den Deutschen.
                                                      Empirisch sollte beobachtet werden, dass die Inter-
Die ethnische Varianz im Signalwert von Ausbil-       aktion von Ausbildungsabschluss und Nationalität
dungsabschlüssen kann ihre Ursache in ungleichen      für alle Ausländergruppen signifikant ist und zwar
Arbeitsmarktvorteilen von Ausgebildeten gegen-        mit einem odds ratio kleiner als 1 (geringere Ver-
über Ausbildungslosen je nach ethnischer Zugehö-      wertungschancen einer Ausbildung für Ausländer).
rigkeit haben (Abschnitt 3.1) sowie in ungleichen     Ist vor allem der institutionelle Ausländerstatus für
Arbeitsmarktchancen von Ausgebildeten deutscher       diesen geringeren Verwertungsgrad verantwortlich,
und nichtdeutscher Herkunft (Abschnitt 3.2). Aus      so sollten keine Unterschiede zwischen den Grup-
den Überlegungen der Signaling-Theorie können         pen nichtdeutscher ethnischer Zugehörigkeit beob-
für beide Vergleichsdimensionen konkurrierende        achtbar sein.
Hypothesen abgeleitet werden. Dabei werden die
Arbeitsmarktchancen (als abhängige Variable) –        Zum anderen kann es aufgrund ethnischer Leis-
unseren Signaling-Überlegungen folgend – als Be-      tungsannahmen und ihrer Relevanz in Rekrutie-
schäftigungschance generell sowie als Chance für      rungsprozessen eine Differenzierung innerhalb der
eine qualifizierte Beschäftigung definiert.           Gruppe der jungen Ausländer geben (Hypothese
                                                      2b). Das heißt, der Abstand der Arbeitsmarktchan-
                                                      cen zwischen ausbildungslosen und ausgebildeten
3.1 Die Bedeutung der ethnischen Zugehörigkeit        jungen Erwachsenen variiert je nach ethnischer Zu-
    für die Unterschiede in den                       gehörigkeit und ist bei negativen Leistungsannah-
    Arbeitsmarktchancen zwischen Ausgebildeten        men geringer als bei den Deutschen. Dementspre-
    und Ausbildungslosen                              chend könnte beobachtbar sein, dass der Abstand
                                                      bei jungen Ausländern aus ‚westlichen Industriena-
Hypothese 1: Es gibt keine Unterschiede in den        tionen‘3 gleich groß ist wie bei den Deutschen (d. h.
Arbeitsmarktvorteilen von Ausgebildeten gegen-        der Index dieser ethnischen Zugehörigkeit bei den
über Ausbildungslosen entlang ethnischer Diffe-       Rekrutierungsentscheidungen seitens der Beschäfti-
renzierungslinien.                                    ger keine Rolle spielt). Hingegen könnten die Ar-
Als Ausgangshypothese könnte man erwarten,            beitsmarktvorteile insbesondere für türkische Aus-
dass deutsche und ausländische Absolventen glei-      gebildete sowie Ausgebildete aus den so genannten
chermaßen von einem Ausbildungsabschluss pro-         Entwicklungsländern gegenüber den Ausbildungs-
fitieren, da weder der Index „Ausländerstatus“        losen der gleichen Nationalität geringer sein als bei
noch die „ethnische Zugehörigkeit“ eine Bedeu-        den anderen Nationalitätengruppen. Die anderen
tung in Rekrutierungsverfahren hat – allein die ab-   Anwerbeländer – wie Italien, Portugal und Spanien
geschlossene Ausbildung dient als Signal individu-    – könnten aufgrund ihrer ‚westeuropäischen‘ Kul-
eller Leistungsfähigkeit. Der Abstand zwischen        tur (und der damit seitens der Arbeitsgeber mögli-
Ausgebildeten und Ausbildungslosen hinsichtlich       cherweise erwarteten Arbeitstugenden) eine Mittel-
ihrer Arbeitsmarktchancen wäre damit in allen eth-
nischen Gruppen (einschließlich der Deutschen)        3
                                                        Nach unserer Definition sind das Großbritannien,
gleich groß. Empirisch hieße das: Die Interaktion     Frankreich, die Niederlande, Österreich und die USA (vgl.
von Ausbildungsabschluss und Nationalität (unse-      Abschnitt 4). Italien und Spanien zählen wir aufgrund ih-
rer Operationalisierung von ethnischer Zugehörig-     rer Einwanderungsgeschichte nach Deutschland zu den
keit, siehe Abschnitt 4) ist nicht signifikant.       Anwerbeländern.
Holger Seibert und Heike Solga: Gleiche Chancen dank einer abgeschlossenen Ausbildung?                       369

position zwischen deutschen und türkischen jungen         nalität‘ – sei es aufgrund institutioneller Einschrän-
Erwachsenen einnehmen. Hierfür sollte sich empi-          kungen durch den Ausländerstatus oder aufgrund
risch zeigen, dass der Haupteffekt sowie die Inter-       ethnisierter Leistungsannahmen –, der nicht durch
aktion von Ausbildungsabschluss und Nationalität          einen größeren Abstand zwischen Ausgebildeten
entlang ethnischer Differenzierungslinien variiert,       und Ausbildungslosen kompensiert wird, so haben
d. h. nur für bestimmte ethnische Gruppen signifikant     nichtdeutsche junge Erwachsene trotz Ausbildung
ist (und zwar mit einem odds ratio kleiner als 1).        schlechtere Arbeitsmarktchancen als deutsche Er-
Angesichts der Befunde zum Signalwert von Ausbil-         wachsene mit Ausbildung. Empirisch sollte sich hier
dung bei deutschen Frauen und Männern (s. o.) er-         zeigen, dass der Haupteffekt für eine nichtdeutsche
warten wir auch für die jungen Frauen nichtdeut-          Staatsangehörigkeit signifikant und negativ ist, der
scher Staatsangehörigkeit einen geringeren Vorteil        Interaktionseffekt von Ausbildungsabschluss und
einer Ausbildung gegenüber ausländischen Män-             Nationalität hingegen entweder nicht signifikant
nern (Hypothese 2b-Geschlecht).                           oder seine (positive) Magnitude nicht ausreicht, um
                                                          den Haupteffekt zu neutralisieren. Auch hier lassen
Hypothese 3: Die Arbeitsmarktvorteile von Aus-
                                                          sich zwei Subthesen unterscheiden: die Ungleichbe-
gebildeten gegenüber Ausbildungslosen sind bei
                                                          handlung ist durch den Ausländerstatus verursacht
ausländischen jungen Erwachsenen größer als bei
                                                          (Hypothese 4a) oder sie ist entlang ethnischer Diffe-
Deutschen.
                                                          renzierungslinien strukturiert (Hypothese 4b).
Schließlich könnte (zumindest theoretisch) der Sig-
                                                          Hypothese 5: Es gibt keine Unterschiede in den Ar-
nalwert einer abgeschlossenen Ausbildung durch
                                                          beitsmarktchancen zwischen deutschen und auslän-
den Index Ausländerstatus bzw. ethnische Zugehö-
                                                          dischen Ausbildungsabsolventen.
rigkeit auch positiv modifiziert werden. Angesichts
des erschwerten Zugangs ausländischer Jugend-             Die Chance einer (qualifizierten) Beschäftigung
licher zu Ausbildungsplätzen könnten Beschäftiger         könnte allerdings – im Gegensatz zu Hypothese 4 –
bei ihnen – stärker als bei deutschen Jugendlichen –      allein auf der mit der Ausbildung erbrachten Leis-
von einer „Positivauswahl“ ausgehen. Empirisch            tung beruhen, so dass eine Benachteiligung auf-
sollte sich dann zeigen, dass die Interaktion von         grund einer nichtdeutschen Herkunft durch ein er-
Ausbildungsabschluss und Nationalität (ausgewie-          folgreiches Absolvieren einer Ausbildung quasi
sen als odds ratios) größer als 1 ist.                    neutralisiert wird (d. h. der Index Nationalität nur
                                                          bei Ausbildungslosen von Bedeutung ist). Dies
                                                          könnte u. a. dann gegeben sein, wenn der Ausbil-
3.2 Chancengleichheit bei absolvierter Ausbildung
                                                          dungsabschluss auch als ein Signal für eine hohe In-
                                                          tegrationsbereitschaft gesehen wird (vgl. Hypothese
Je nachdem, welche der drei zuvor genannten kon-
                                                          3). In diesem Fall sollte sich zeigen, dass keine Un-
kurrierenden Hypothesen hinsichtlich des Abstands
                                                          terschiede in den Arbeitsmarktchancen zwischen
zwischen ausgebildeten und ausbildungslosen Per-
                                                          Ausgebildeten qua Ausländerstatus (Hypothese 5a)
sonen in den Arbeitsmarktchancen empirisch bestä-
                                                          oder entlang ethnischer Differenzierungslinien (Hy-
tigt wird, lassen sich unterschiedliche Erwartungen
                                                          pothese 5b) bestehen, sondern ‚nur‘ zwischen Aus-
hinsichtlich der Chancengleichheit beim Zugang zu
                                                          bildungslosen unterschiedlicher Nationalität. Empi-
Beschäftigung sowie zu qualifizierten Tätigkeiten
                                                          risch hieße das, dass es entweder einen negativen
bei erfolgreicher Absolvierung einer beruflichen
                                                          Haupteffekt von Nationalität und eine positive In-
Ausbildung formulieren.
                                                          teraktion von Nationalität und Ausbildung gibt,
Hypothese 4: Deutsche und ausländische Ausbil-            die den negativen Haupteffekt zu neutralisieren ver-
dungsabsolventen haben ungleiche Arbeitsmarkt-            mag, oder dass weder der Haupteffekt für Nationa-
chancen.                                                  lität noch der Interaktionseffekt signifikant ist.
Sollte sich Hypothese 1 als empirisch relevant er-
weisen (keine signifikante Interaktion von Ausbil-
dungsabschluss und Nationalität), so würde dies           4. Datenauswahl und Variablen
nicht bedeuten, dass die Arbeitsmarktchancen von
ausgebildeten jungen Erwachsenen gleich wären,            Für die empirischen Analysen unseres Beitrags ver-
d. h. unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörig-          wenden wir die Mikrozensusdaten (scientific use-
keit oder ihrem Ausländerstatus. Gibt es nämlich          files) der Jahre 1989, 1991, 1993, 1995 und
generell die Annahme einer geringeren Leistungs-          2000.4 In die Analysen einbezogen sind die zum
fähigkeit von ausländischen Jugendlichen, d. h.
einen signifikant negativen Effekt des Index ‚Natio-      4
                                                              In den Erhebungsjahren 1996 bis 1999, 2001 bis 2003
370                                                  Zeitschrift für Soziologie, Jg. 34, Heft 5, Oktober 2005, S. 364–382

Befragungszeitpunkt 26- und 27-Jährigen5, die in              den Informationen von 19.048 deutschen und 994
Westdeutschland und West-Berlin lebten. Bei den               ausländischen Männern sowie 16.990 deutschen
26- bis 27-jährigen Ausländern6 werden nur jene               und 540 ausländischen Frauen.
berücksichtigt, die vor dem 15. Lebensjahr nach               Zentrale Variablen dieses Beitrags sind der Er-
Deutschland eingereist sind. Um – als harten Test             werbsstatus (erwerbstätig versus arbeitslos/-su-
– den Signalwert einer deutschen Ausbildung zu                chend), das Qualifikationsniveau der Beschäftigung
untersuchen, halten wir es für notwendig, nur die             (Einfacharbeitsplätze versus qualifizierte Arbeits-
so genannten Bildungsinländer zu betrachten und               plätze), das Geschlecht, die Nationalität sowie das
den Anteil an ausländischen Befragten, die ihre               Vorhandendsein eines beruflichen Ausbildungs-
Ausbildung nicht in Deutschland absolviert haben,             abschlusses. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die
zu minimieren. Da im Mikrozensus nicht erfragt                Verteilung dieser Merkmale bei Frauen und Män-
wird, ob der angegebene Ausbildungsabschluss in               nern. Personen mit gelegentlicher oder geringfügi-
Deutschland oder im Ausland erworben wurde, ist               ger Beschäftigung werden als nicht erwerbstätig be-
eine Definition von (Aus-)Bildungsinländern nur               handelt.
über das Einreisealter möglich.
                                                              Einfacharbeitsplätze sind berufliche Positionen als
Wir betrachten des Weiteren nur Befragte, die über            un- und angelernte Arbeiter sowie einfache Ange-
einen betrieblichen oder schulischen Ausbildungs-             stellte; qualifizierte Tätigkeiten sind Facharbeiter/
abschluss oder keinen beruflichen Ausbildungs-                Meister sowie qualifizierte Angestellte. Die damit
abschluss verfügen. Befragte mit einem Hochschul-             vorgenommene Zusammenfassung von Angestell-
oder Fachhochschulabschluss werden nicht berück-              ten- und Arbeitertätigkeiten ist unproblematisch,
sichtigt.                                                     da die Analysen für Frauen und Männer getrennt
Um die Untersuchung der Arbeitsmarktchancen                   durchgeführt werden. Wie aus Tabelle 1 ersichtlich
nicht durch eine ungleiche Erwerbsbeteiligung zu              ist, umfassen Einfacharbeitsplätze bei Männern vor
verzerren, werden nur Erwerbspersonen (Erwerbs-               allem die Beschäftigung als un- und angelernte Ar-
tätige und Arbeitslose/-suchende) betrachtet, d. h.           beiter; nur knapp 4 Prozent der deutschen und aus-
Schüler, Auszubildende und Studierende sowie                  ländischen Männer sind als einfache Angestellte be-
Wehr-/Zivildienstleistende, Hausfrauen und andere             schäftigt. Frauen auf Einfacharbeitsplätzen sind
Personen, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Ver-                 hingegen sowohl als einfache Angestellte als auch
fügung stehen, werden ebenfalls von den Analysen              als un-/angelernte Arbeiterinnen beschäftigt. Dabei
ausgeschlossen. Damit basieren die Analysen auf               gibt es kaum einen Unterschied im Anteil an ein-
                                                              fachen Angestellten. Dieser beträgt bei den deut-
wurde im Mikrozensus die Frage nach der Stellung inner-       schen Frauen 15 Prozent und bei den Ausländerin-
halb des Betriebes nicht gestellt. Es kann jedoch nur mit     nen 12 Prozent. In Bezug auf die Beschäftigung als
dieser Variable entschieden werden, ob es sich bei der aus-   un-/angelernte Arbeiterinnen zeigt sich hingegen
geübten Tätigkeit um eine einfache oder qualifizierte Posi-   ein deutlicher Unterschied. Dieser Anteil beträgt 13
tion handelt.                                                 Prozent bei den deutschen Frauen und 43 Prozent
5
  Dies geschieht mit dem Ziel, Verzerrungen hinsichtlich      bei den ausländischen Frauen. Werden hingegen
der Arbeitsmarktchancen durch die Teilnahme an ‚Maß-          nur Frauen mit einer abgeschlossenen Berufsausbil-
nahmen‘ (die Maßnahmeteilnahme ist bei jungen Erwach-         dung betrachtet, so reduziert sich dieser Unter-
senen bis zum Alter von 25 Jahren deutlich höher) zu ver-
                                                              schied deutlich, und die Anteile sind dann 8 Prozent
meiden. Ferner ist bekannt, dass ein Ausbildungsabschluss
heute häufig erst nach dem 20. Lebensjahr abgeschlossen
                                                              bei den deutschen Frauen und nur noch 20 Prozent
wird und dass die erste Beschäftigung zum Teil bereits vor    bei Ausländerinnen. Die Anteile bei den einfachen
der Ausbildung liegt. Um insbesondere Verzerrungen hin-       Angestellten bleiben nahezu unverändert (Gleiches
sichtlich einer qualifizierten Beschäftigung zu vermeiden,    gilt für die ausgebildeten Männer). Demzufolge
wurde daher weder der Berufseinstieg (der zudem mit dem       können die in den Analysen ausgewiesenen Unter-
Mikrozensus als Querschnittsbefragung nicht rekonstru-        schiede in den Chancen der Beschäftigung auf ein-
iert werden kann) noch eine frühere Altersgruppe für die      fachen versus qualifizierten Arbeitsplätzen von
Analysen gewählt. Für den Geschlechtervergleich ist darü-     ausgebildeten Personen nicht primär durch eine
ber hinaus positiv hervorzuheben, dass mit der Betrach-
                                                              ungleiche Beschäftigung im Dienstleistungssektor
tung von Erwerbspersonen der Altersgruppe von 26 und
27 Jahren Unterschiede in der Nicht-Beschäftigung zwi-
                                                              und der dort häufig vorzufindenden Abwertung
schen Männern und Frauen nicht durch geschlechterrol-         von Tätigkeiten zu einfachen Tätigkeiten trotz er-
lentypische Erwerbsunterbrechungen zu erklären sind.          forderlicher Ausbildung erklärt werden (vgl. Sol-
6
  Aufgrund der Abfrage im Mikrozensus wird der Auslän-        ga/Konietzka 2000).
derstatus und nicht der Migrationshintergrund gemessen.
Holger Seibert und Heike Solga: Gleiche Chancen dank einer abgeschlossenen Ausbildung?                                          371

Tabelle 1 Verteilung der Merkmale bei den 26- bis 27-Jährigena) (in Prozent)
Variable                                          Kategorien                                              Männer           Frauen

Erwerbstätigkeit                                  Nicht erwerbstätig                                        6,0             10,5
                                                  Erwerbstätig                                              94,0            89,5
Erwerbstätige nach beruflicher Stellung           Einfache Angestellte                                      3,9             14,7
                                                  Qualifizierte Angestellte                                 29,5            60,4
                                                  Un- und angelernte ArbeiterInnen                          21,3            14,1
                                                  FacharbeiterInnen/MeisterInnen                            39,7             7,6
                                                  Selbstständige                                            5,6              3,2
Erwerbstätige nach Qualifikationsniveau           Einfache Tätigkeit                                        25,2            28,8
der Beschäftigung                                 Qualifizierte Tätigkeit                                   69,2            68,0
Ausbildungsabschluss                              Ohne Ausbildungsabschluss                                 13,2            14,2
                                                  Mit Ausbildungsabschluss                                  86,8            85,8
Nationalität                                      Deutsche                                                  95,0            96,9
                                                  Türkei, in Deutschland (Dtl.) eingeschult                 1,2              0,6
                                                  Türkei, im Ausland eingeschult                            1,5              0,7
                                                  Sonstige Anwerbeländer                                    1,7              1,3
                                                  Westliche Industrienationen (GB, F, A, NL, USA)           0,3              0,3
                                                  Restliche Welt                                            0,3              0,2
Schulabschluss                                    Hauptschule                                               54,2            34,0
                                                  Realschule                                                32,4            46,7
                                                  (Fach-)Abitur                                             11,7            18,1
                                                  Fehlende Angabe oder kein Abschluss                       1,7              1,2
Befragungsjahr                                    1989                                                      22,9            21,9
                                                  1991                                                      22,2            21,2
                                                  1993                                                      21,2            21,6
                                                  1995                                                      21,1            21,7
                                                  2000b)                                                    12,6            13,6
n                                                                                                         20.042           17.530
a)
   Nur Personen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen; ohne Personen mit Fachhochschul- und Hochschulabschluss; nur Ausländer
   mit einer Einreise vor dem 15. Lebensjahr.
b) Der Rückgang der Fallzahlen im Jahr 2000 (bzw. für die Geburtskohorten 1972–74) ist in erster Linie mit dem demografischen Wandel

   zu begründen. Während das Geburtsjahr 1963 im Mikrozensus 1995 noch mit 8677 Befragten repräsentiert ist, stehen für das Geburts-
   jahr 1973 nur noch 5445 Personen zur Verfügung. Daneben gibt es in der Variable „Höchster beruflicher Bildungsabschluss“ im Mikro-
   zensus 2000 proportional mehr fehlende Angaben als in den anderen Befragungen. Da hier nur Personen mit oder ohne Ausbildungs-
   abschluss ausgewählt werden, kommt es zu einem zusätzlichen Rückgang der Fallzahlen.

Quelle: Eigene Berechnungen, Mikrozensus 1989, 1991, 1993, 1995, 2000 (ungewichtet).

In Bezug auf die Nationalität gibt es neben den Deut-               Spanien, Portugal, Ex-Jugoslawien) und ‚westliche
schen und Türken (mit Unterscheidung danach, ob                     Industrienationen‘ (Großbritannien, Frankreich, Ös-
sie in Deutschland oder im Herkunftsland einge-
schult wurden) folgende zusammengefasste Grup-
pen7: sonstige Anwerbeländer (Italien, Griechenland,                Nenner hinsichtlich der Staatsangehörigkeit dar. Während
                                                                    in den jüngeren Mikrozensen die Staatsangehörigkeit sehr
                                                                    präzise erhoben wurde, fasst der 1989er Mikrozensus vie-
7
  Die Definition dieser Gruppen stellt für die Mikrozen-            le Länder zu Gruppen zusammen und weist nur wenige
susdaten von 1989 bis 2000 den kleinsten gemeinsamen                Einzelländer aus.
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Abb. 1 Anteile an 26- bis 27-Jährigen mit Ausbildungsabschluss nach Nationalität (in Prozent)
Quelle: Eigene Berechnungen, Mikrozensus 1989, 1991, 1993, 1995, 2000 (ungewichtet)

terreich, Niederlande und USA); alle anderen Länder              5.1 „Zugang zu Arbeit“: Die Wahrscheinlichkeit
sind in der Kategorie ‚restliche Welt‘ zusammenge-                   einer Erwerbstätigkeit
fasst.
                                                                 Hinsichtlich der Erwerbstätigenquote der ver-
                                                                 schiedenen Nationalitäten bestehen gleichfalls
5. Empirische Befunde und Diskussion                             deutliche Unterschiede (Abbildung 2). Insbesonde-
                                                                 re in Deutschland eingeschulte Türkinnen und
Bevor wir den Signalwert eines Ausbildungs-                      Türken sowie junge Erwachsene aus der ‚restli-
abschlusses untersuchen, ist es sinnvoll, sich noch-             chen Welt‘ – Frauen wie Männer – sind zu einem
mals zu vergegenwärtigen, dass der Zugang zu Aus-                geringeren Umfang erwerbstätig bzw. in einem
bildungsabschlüssen sehr ungleich verteilt ist – und             größeren Ausmaß arbeitslos oder arbeitsuchend.
dies selbst dann, wenn nur Erwerbspersonen be-                   Zu betonen ist hier nochmals, dass dafür nicht ein
trachtet werden. Während die Mehrheit der Deut-                  höherer Anteil an Personen verantwortlich ist, die
schen sowie der jungen Erwachsenen aus den west-                 dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, da
lichen Industrienationen über eine abgeschlossene                diese in unseren Analysen nicht berücksichtigt
Ausbildung verfügt, sind es bei den 26- bis 27-Jäh-              werden.
rigen der anderen Nationalitäten, insbesondere bei               Der Vergleich der Erwerbstätigenquoten in Abhän-
den jungen Türkinnen und Türken, deutlich weni-                  gigkeit vom Vorhandensein eines Ausbildungs-
ger (vgl. Abbildung 1). Angesichts des deutlich ge-              abschlusses zeigt das erwartete Ergebnis: Junge Er-
ringeren Anteils an Ausgebildeten mit türkischer                 wachsene ohne Ausbildungsabschluss haben eine
Staatsbürgerschaft könnte man versucht sein zu er-               geringere Erwerbschance als jene mit einem Ausbil-
warten, dass es sich insbesondere bei ihnen um ei-               dungsabschluss (Abbildung 3). Hier sind die Unter-
ne positiv ausgesuchte Gruppe handelt. Dadurch                   schiede bei den Frauen etwas größer als bei Män-
sollten sie deutlich bessere Arbeitsmarktchancen                 nern.
haben als ausbildungslose Migrantenjugendliche
                                                                 Im Folgenden untersuchen wir nun mittels binärer
(vgl. Hypothese 3). Ob dieser Arbeitsmarktvorteil
                                                                 logistischer Regressionen, ob der Signalwert einer
wirklich größer oder zumindest genauso groß ist
                                                                 abgeschlossenen Berufsausbildung hinsichtlich der
wie bei den Deutschen, werden die folgenden Ana-
                                                                 Chance, erwerbstätig zu sein, entlang ethnischer
lysen zeigen.
                                                                 Differenzierungslinien variiert. Die abhängige Va-
                                                                 riable ist die Wahrscheinlichkeit, im Alter von 26
                                                                 bzw. 27 Jahren erwerbstätig zu sein, im Vergleich
                                                                 zur Wahrscheinlichkeit, arbeitslos oder arbeit-
                                                                 suchend zu sein. Die Koeffizienten sind als odds ra-
Holger Seibert und Heike Solga: Gleiche Chancen dank einer abgeschlossenen Ausbildung?                           373

Abb. 2 Erwerbstätigenquote der 26- bis 27-Jährigen nach Nationalität (in Prozent)
Quelle: Eigene Berechnungen, Mikrozensus 1989, 1991, 1993, 1995, 2000 (ungewichtet)

Abb. 3 Erwerbstätigenquote der 26- bis 27-Jährigen nach Ausbildungsabschluss (in Prozent)
Quelle: Eigene Berechnungen, Mikrozensus 1989, 1991, 1993, 1995, 2000 (ungewichtet)

tios ausgewiesen; Werte kleine als 1 signalisieren               Die Modellschätzungen für Männer in Tabelle 2
geringere Beschäftigungschancen im Vergleich zur                 zeigen, dass – bei Kontrolle von Schulbildung und
jeweiligen Referenzkategorie, Werte größer als 1                 Befragungszeitpunkt – nur Türken sowie junge Er-
hingegen höhere Chancen. Unsere zentralen unab-                  wachsene aus der ‚restlichen Welt‘ gegenüber Deut-
hängigen Variablen sind der Ausbildungsabschluss                 schen eine signifikant niedrigere Beschäftigung-
und die Nationalität sowie deren Interaktions-                   schance haben (Modell 1). Mit Berücksichtigung
effekt. Darüber hinaus kontrollieren wir bezogen                 des Ausbildungsabschlusses (Modell 2) nimmt im
auf die Schulbildung der Befragten sowie auf den                 Fall der jungen Türken, die in Deutschland geboren
Befragungszeitpunkt (als Indikator für die jeweilige             wurden, die Effektstärke etwas ab, für junge Tür-
Situation auf dem Arbeitsmarkt). Angesichts der                  ken mit einer Einschulung im Ausland sowie junge
Geschlechterunterschiede in der Ausbildungs- so-                 Erwachsene aus der ‚restlichen Welt‘ ist der Haupt-
wie Erwerbsbeteiligung schätzen wir separate Mo-                 effekt Nationalität nicht mehr signifikant. Dies ist
delle für Frauen und Männer.                                     ein Zeichen dafür, dass die auf Gruppenniveau ge-
                                                                 ringeren Erwerbschancen der Angehörigen dieser
                                                                 drei Gruppen (im Vergleich zu den Deutschen) teil-
374                                                        Zeitschrift für Soziologie, Jg. 34, Heft 5, Oktober 2005, S. 364–382

Tabelle 2 Determinanten der Erwerbstätigkeit für 26- und 27-jährige Männera) (erwerbstätig vs. arbeitslos/-suchend;
logistische Regression, odds ratios) b)
                                                             Modell 1                Modell 2                Modell 3
                                                               Exp(B)                  Exp(B)                 Exp(B)
Nationalität
Deutsche (Referenzkategorie)                                      1                      1                       1
Türkei, in Dtl. eingeschult                                    0,37 ***                0,50 ***                0,63
Türkei, im Ausland eingeschult                                 0,58 **                 0,90                    1,12
Sonstige Anwerbeländer                                         0,72                    0,94                    1,37
Westliche Industrienationen (F/GB/NL/A/USA)                    0,70                    0,72                    1,49
Restliche Welt                                                 0,38 **                 0,51                    0,74
Ausbildungsabschluss
Ohne Ausbildungsabschluss (Referenzkategorie)                                            1                       1
Mit Ausbildungsabschluss (AA)                                                          3,62 ***                3,86 ***
Interaktion Ausbildungsabschluss * Nationalität
AA * Deutsche (Referenzkategorie)                                                                               1
AA * Türken (eingeschult in Deutschland)                                                                       0,59
AA * Türken (eingeschult im Ausland)                                                                           0,52
AA * sonstige Anwerbeländer.                                                                                   0,48
AA * westliche Industrienationen                                                                               0,38
AA * restliche Welt                                                                                            0,47
Konstante                                                     16,03 ***                6,06 ***                5,80 ***
Chi2                                                         242,39 ***              543,38 ***              552,69 ***
Improvement of fit                                                                   300,99 ***                9,31
Pseudo-R2 (Nagelkerke)                                         0,03                    0,07                    0,07
Freiheitsgrade                                                  12                      13                      18
N                                                            20.042                  20.042                  20.042
a)
   Nur Personen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen; ohne Personen mit Fachhochschul- und Hochschulabschluss; nur Ausländer
   mit einer Einreise vor dem 15. Lebensjahr.
b)
   Die geschätzten Parameter für die Kontrollvariablen (Schulbildung und Befragungszeitraum) werden aus Gründen der Übersichtlichkeit
   nicht ausgewiesen.Signifikanzniveaus: *p < 0,05; **p < 0,01; ***p < 0,001.

Quelle: Eigene Berechnungen, Mikrozensus 1989, 1991, 1993, 1995, 2000 (ungewichtet).

weise bzw. ganz auf eine ungleiche Ausbildungs-                       der generellen Benachteiligung von türkischen jun-
beteiligung zurückzuführen sind. Da der Erklä-                        gen Männern, die in Deutschland eingeschult sind
rungsgewinn (improvement of fit) des Modells 3, in                    (Modell 2), bedeutet jedoch die fehlende Signifi-
dem zusätzlich der Interaktionseffekt von Ausbil-                     kanz des Interaktionseffekts, dass junge Türken
dungsabschluss und Nationaliät geschätzt wurde,                       mit einer Ausbildung nicht die gleichen Beschäfti-
gegenüber dem Modell 2 nicht signifikant ist, ist                     gungschancen haben wie deutsche Ausgebildete
Modell 2 das zu interpretierende Modell.                              (da der negative Haupteffekt für sie nicht neutrali-
In Bezug auf die Beschäftigungschancen generell                       siert wird). Wie die nicht signifikanten Effekte für
bestätigen die Befunde in Modell 2 für die Männer                     die anderen ethnischen Gruppen zeigen, handelt es
die Hypothesen 1 und 4b. Da der Interaktionseffekt                    sich dabei nicht um eine Benachteiligung durch
von Ausbildungsabschluss und Nationalität nicht                       ‚den‘ Ausländerstatus, sondern um ungleiche Ar-
signifikant ist, ist der Abstand zwischen ausbil-                     beitsmarktchancen – trotz Ausbildung – entlang
dungslosen und ausgebildeten Männern in allen                         ethnischer Differenzierungslinien (Hypothese 4b).
ethnischen Gruppen gleich groß (H1). Angesichts
Holger Seibert und Heike Solga: Gleiche Chancen dank einer abgeschlossenen Ausbildung?                                          375

Tabelle 3 Determinanten der Erwerbstätigkeit für 26- und 27-jährige Frauena) (erwerbstätig vs. arbeitslos/-suchend; lo-
gistische Regression, odds ratios) b)
                                                             Modell 1                Modell 2                Modell 3
                                                               Exp(B)                  Exp(B)                 Exp(B)
Nationalität
Deutsche (Referenzkategorie)                                     1                       1                       1
Türkei, in Dtl. eingeschult                                    0,52 **                 0,67                    0,94
Türkei, im Ausland eingeschult                                 0,58 *                  0,81                    0,91
Sonstige Anwerbeländer                                         0,92                    1,12                    0,92
Westliche Industrienationen (F/GB/NL/A/USA)                    0,99                    1,12                    1,35
Restliche Welt                                                 0,49                    0,54                    1,64
Ausbildungsabschluss
Ohne Ausbildungsabschluss (Referenzkategorie)                                            1                       1
Mit Ausbildungsabschluss (AA)                                                          2,32 ***                2,37 ***
Interaktion Ausbildungsabschluss * Nationalität
AA * Deutsche (Referenzkategorie)                                                                                1
AA * Türken (eingeschult in Deutschland)                                                                       0,44
AA * Türken (eingeschult im Ausland)                                                                           0,64
AA * sonstige Anwerbeländer.                                                                                   1,73
AA * westliche Industrienationen                                                                               0,73
AA * restliche Welt                                                                                            0,20
Konstante                                                      5,35 ***                3,04 ***                3,00 ***
Chi2                                                         359,25 ***              532,77 ***              542,21 ***
Improvement of fit                                                                   173,52 ***                9,44
Pseudo-R2 (Nagelkerke)                                         0,04                    0,06                    0,06
Freiheitsgrade                                                  12                      13                      18
n                                                            17.530                  17.530                  17.530
a)
   Nur Personen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen; ohne Personen mit Fachhochschul- und Hochschulabschluss; nur Ausländer
   mit einer Einreise vor dem 15. Lebensjahr.
b)
   Die geschätzten Parameter für die Kontrollvariablen (Schulbildung und Befragungszeitraum) werden aus Gründen der Übersichtlichkeit
   nicht ausgewiesen.Signifikanzniveaus: *p < 0,05; **p < 0,01; ***p < 0,001

Quelle: Eigene Berechnungen, Mikrozensus 1989, 1991, 1993, 1995, 2000 (ungewichtet).

Bei den Frauen sind die Befunde etwas anders gela-                   und Ausbildungslosen ist für alle Nationalitäten-
gert (Tabelle 3). Zunächst ist ähnlich wie bei den                   gruppen genauso groß wie für deutsche Frauen (vgl.
Männern in Modell 1 festzustellen, dass türkische                    Hypothese 1) – für keine der Nationalitätengrup-
Frauen geringere Erwerbschancen haben als deut-                      pen gibt es einen signifikanten Effekt. Dies bedeutet
sche Frauen (sowie die Frauen der anderer Nationa-                   zugleich, dass ausgebildete Frauen nichtdeutscher
litätengruppen). Bei Berücksichtigung des Ausbil-                    Herkunft die gleichen Chancen haben, eine Be-
dungsabschlusses verlieren die beiden Effekte für                    schäftigung zu finden, wie deutsche ausgebildete
türkische Nationalität jedoch ihre Signifikanz (Mo-                  Frauen (vgl. Hypothese 5a).
dell 2). Die Einführung des Interaktionsterms in                     Eine zusätzliche Schätzung des Modells 2 gemein-
Modell 3 bringt keine signifikante Verbesserung der                  sam für Frauen und Männer mit einem Interak-
Modellschätzung.                                                     tionseffekt Ausbildungsabschluss und Geschlecht er-
Insofern sprechen diese Ergebnisse bei den Frauen                    gab zudem (hier nicht als Tabelle ausgewiesen),
hinsichtlich der Beschäftigungschance nur für Hy-                    dass der Abstand in den Erwerbschancen zwischen
pothese 1. Der Abstand zwischen Ausgebildeten                        ausgebildeten und ausbildungslosen Frauen signifi-
376                                                     Zeitschrift für Soziologie, Jg. 34, Heft 5, Oktober 2005, S. 364–382

Abb. 4 Anteile der Erwerbstätigen in qualifizierten Beschäftigungen nach Nationalität (in Prozent)
Quelle: Eigene Berechnungen, Mikrozensus 1989, 1991, 1993, 1995, 2000 (ungewichtet)

kant geringer ist als bei den Männern (odds ratio                nem Drittel qualifiziert beschäftigt, während Aus-
des Interaktionseffekts = 0,70). Dieser Geschlech-               gebildete mehrheitlich einer qualifizierten Erwerbs-
terunterschied ist unabhängig von der ethnischen                 tätigkeit nachgehen.
Zugehörigkeit, da Interaktionseffekte von Ge-                    Im nächsten Schritt schätzen wir auch hinsichtlich
schlecht und Nationalität nicht signifikant wurden.              der Chancen für eine qualifizierte Beschäftigung bi-
Dies entspricht unserer Erwartung in Hypothese                   näre logistische Regressionen, um den Signalwert
2b-Geschlecht.                                                   eines Ausbildungsabschlusses und seine (eventuell
                                                                 auch hier) modifizierte Bedeutung entlang eth-
5.2 Beschäftigung in einer qualifizierten Tätigkeit              nischer Differenzierungslinien zu untersuchen. Die
                                                                 abhängige Variable ist die Wahrscheinlichkeit, qua-
Im zweiten Analyseschritt widmen wir uns dem Ni-                 lifiziert beschäftigt zu sein (qualifizierte Angestellte
veau der Erwerbstätigkeit in Abhängigkeit vom                    und Facharbeiter/Meister), im Vergleich zur Wahr-
Ausbildungsabschluss und der ethnischen Zugehö-                  scheinlichkeit, nur einer einfachen Tätigkeit nach-
rigkeit. Hierbei unterscheiden wir zwischen ein-                 zugehen (einfache Angestellte sowie un- und ange-
fachen und qualifizierten beruflichen Positionen.                lernte Arbeiter). Auch hier sind die zentralen
Betrachtet werden nun ausschließlich jene 26- und                unabhängigen Variablen der Ausbildungsabschluss
27-Jährigen, die zum Befragungszeitpunkt abhän-                  und die Nationalität sowie die Interaktion beider
gig beschäftigt waren (445 ausländische und                      Variablen. Kontrolliert wird gleichfalls für die
14.612 deutsche Frauen sowie 827 ausländische                    Schulbildung sowie den Befragungszeitpunkt.
und 16.169 deutsche Männer).                                     Die Modellschätzung erfolgt ebenfalls in drei
Die Anteile der qualifiziert beschäftigten Erwerbs-              Schritten. Zunächst wird der Bruttoeffekt der Na-
tätigen in Abbildung 4 weisen deutliche Unterschie-              tionalität geschätzt (Modell 1). Anschließend wird
de zwischen Deutschen und Ausländern bei den Zu-                 der Nettoeffekt bei Kontrolle des Vorhandenseins
gangschancen zu qualifizierten Berufspositionen aus.             eines Ausbildungsabschlusses berechnet (Modell 2).
Keine der Ausländergruppen erreicht die Qualifizier-             Im dritten Schritt wird der Interaktionsterm von
tenanteile der Deutschen. Bei den Frauen sind diese              Ausbildungsabschluss und Nationalität (Modell 3)
Unterschiede erneut größer als bei den Männern.                  eingeführt. Die Modelle wurden für Frauen und
In Abbildung 5 zeigt sich ferner der bekannte deut-              Männer getrennt geschätzt.
liche Unterschied zwischen Ausgebildeten und Aus-                Die Ergebnisse für die erwerbstätigen jungen Män-
bildungslosen hinsichtlich der Beschäftigung in                  ner sind in Tabelle 4 ausgewiesen. Modell 1 zeigt,
einer qualifizierten Tätigkeit. Junge Erwachsene                 wie mit Abbildung 4 zu erwarten war, dass alle eth-
ohne Ausbildungsabschluss sind nur zu knapp ei-                  nischen Gruppen – mit Ausnahme der Angehörigen
Holger Seibert und Heike Solga: Gleiche Chancen dank einer abgeschlossenen Ausbildung?                                377

Abb. 5 Anteile an den Erwerbstätigen in qualifizierten Beschäftigungen nach Ausbildungsabschluss (in Prozent)
Quelle: Eigene Berechnungen, Mikrozensus 1989, 1991, 1993, 1995, 2000 (ungewichtet)

der westlichen Industrienationen – eine signifikant              Für Frauen aus der Türkei und den sonstigen An-
geringere Wahrscheinlichkeit haben, qualifiziert                 werbeländern weisen die Ergebnisse des ersten Mo-
beschäftigt zu sein. Nach Einführung des Vorhan-                 dellschritts in Tabelle 5 im Vergleich zu deutschen
denseins eines Ausbildungsabschlusses (Modell 2)                 Frauen zunächst signifikant geringere Chancen aus,
verliert nur der Effekt für die „sonstigen Anwerbe-              qualifiziert tätig zu sein. Mit Einführung des Vor-
länder“ seine Signifikanz. Für alle anderen Grup-                handenseins eines Ausbildungsabschlusses (Modell
pen gehen die negativen Effekte zwar etwas zurück,               2) nehmen diese Effekte ab. Für die in Deutschland
bleiben aber signifikant. Ähnlich wie bei der Er-                eingeschulten Türkinnen ist der Effekt dann sogar
werbsbeteiligung zeigt sich auch hier, dass die un-              nicht mehr signifikant. Die Interaktionseffekte sind
gleichen Chancen einer qualifizierten Beschäftigung              auch bei den Frauen nicht signifikant (Modell 3).
teilweise durch ungleiche Ausbildungschancen ver-                Insofern bestätigt sich auch für die Frauen unsere
ursacht werden. Der in Modell 3 eingeführte Inter-               Hypothese 1 – der Abstand zwischen Ausgebildeten
aktionsterm von Nationalität und Ausbildungs-                    und Ausbildungslosen ist für alle ethnischen Grup-
abschluss ist für keine der Gruppen signifikant                  pen (einschließlich der Deutschen) gleich groß. Der
(zudem ist der Erklärungszuwachs des Modells 3                   Befund, dass im Ausland eingeschulte Türkinnen
gegenüber 2, wie der improvement of fit zeigt, nicht             sowie junge Frauen aus den sonstigen Anwerbelän-
signifikant). Somit finden wir auch hier, dass der               dern – und zwar unabhängig von ihrem Ausbil-
Abstand zwischen Ausgebildeten und Ausbildungs-                  dungsniveau – geringere Chancen einer qualifizier-
losen für alle ethnischen Gruppen genauso groß ist               ten Beschäftigung haben als deutschen Frauen,
wie für Deutsche (Hypothese 1). Angesichts der sig-              bestätigt auch hier unsere Hypothese 4b. Von daher
nifikanten Haupteffekte für die Gruppen der Tür-                 ist auch bei den Frauen vom Vorhandensein ethni-
ken und der jungen Erwachsenen aus der ‚restlichen               sierter Leistungsannahmen auszugehen.
Welt‘ (Modell 2) bedeutet dies jedoch, dass aus-
                                                                 Abschließend haben wir auch hier einen direkten
gebildete junge Männer dieser ethnischen Herkunft
                                                                 Geschlechtervergleich hinsichtlich des Signalwerts
nicht die gleichen Chancen für eine qualifizierte Be-
                                                                 einer abgeschlossenen Berufsausbildung mit Hilfe
schäftigung haben wie deutsche Ausgebildete (vgl.
                                                                 einer gemeinsamen Modellschätzung für Frauen
Hypothese 4). Der erfolgreiche Abschluss einer
                                                                 und Männer unter Berücksichtigung der Inter-
(deutschen) Berufsausbildung vermag offenbar vor-
handene negative ethnische Leistungsannahmen
                                                                 lifizierten Tätigkeit von türkischen gegenüber deutschen
nicht zu kompensieren. Diese beruhen jedoch, wie
                                                                 Ausgebildeten auch dann vorhanden sind, wenn die jewei-
die Unterschiede zwischen den Nationalitätengrup-                ligen dualen Ausbildungsberufe sowie die Größe des Be-
pen zeigen, weniger auf dem Ausländerstatus per                  schäftigungsbetriebes berücksichtigt werden. (Dies ist mit
se, sondern auf ethnienspezifischen Leistungs-                   dem Mikrozensus nicht möglich. Im Unterschied dazu
annahmen (Hypothese 4b).8                                        kann mit der IAB-Beschäftigtenstichprobe u. a. nicht das
                                                                 Vorhandensein eines schulischen Ausbildungsabschlusses
8
  Analysen von Seibert (2005) mit der IAB-Beschäftigten-         berücksichtigt werden, so dass die Analysen für Frauen im
stichprobe zeigen, dass die geringeren Chancen einer qua-        Vergleich zum Mikrozensus eingeschränkter sind).
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