Bevölkerungsprognose Osnabrück 2017-2030 Band 1 - Gesamtstadt Osnabrücker Beiträge zur Stadtforschung - Stadt Osnabrück
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Bevölkerungsprognose 2017-2030 Osnabrück Band 1 - Gesamtstadt Osnabrücker Beiträge zur Stadtforschung 1
Inhalt Kurzzusammenfassung ......................................................................................................... 4 1 Einleitung ........................................................................................................................... 6 2 Rahmenbedingungen und Grundlagen der Prognose ......................................................... 8 2.1 Natürliche Bevölkerungsbewegung .............................................................................. 8 2.1.1 Fertilität ................................................................................................................. 8 2.1.2 Mortalität ..............................................................................................................13 2.2 Räumliche Bevölkerungsbewegung ............................................................................17 2.3 Zwischenfazit ..............................................................................................................24 3 Das SIKURS – Berechnungsmodell ..................................................................................30 4 Vorausberechnungsannahmen ..........................................................................................34 4.1 Natürliche Bevölkerungsbewegung .............................................................................34 4.2. Wanderungsverhalten ................................................................................................37 4.3 Zusammenfassung der Methodik ................................................................................40 5 Prognoseergebnisse auf Ebene der Gesamtstadt .............................................................41 5.1 Szenario V1 „Osnabrück in einer Welt im Wandel“......................................................44 5.2 Szenario V2 „Osnabrück als dynamischer Wirtschafts- und Bildungsstandort“ ............46 5.2 Szenario V3 „Sicherung des Status Quo“ ....................................................................49 5.3 Szenario V4 „Analysevariante ohne Zu- und Abwanderung“ .......................................50 6 Zuverlässigkeit der Ergebnisse und Grenzen der Prognose ..............................................53 7 Fazit und Ausblick .............................................................................................................55 3
Kurzzusammenfassung Die Einwohnerzahl der Stadt Osnabrück wächst. Seit dem Jahr 2009 verzeichnet die Stadt eine positive Bevölkerungsentwicklung. Obwohl die Zahl der Sterbefälle (mit Ausnahme des Jahres 2016) stets höher ist als die der Geburten, hat die Einwohnerzahl den historischen Höchststand von 161.934 Personen im Jahr 1995 deutlich überschritten. Zum 31.12.2016 lebten bereits 168.145 Menschen mit Hauptwohnsitz in der Stadt Osnabrück. Zwar ist auch das Geburtenniveau seit 2011 konstant angestiegen, dieses Wachstum wäre ohne zuneh- mende Wanderungsgewinne jedoch nicht zu realisieren gewesen. Auch die Lebenserwar- tung der Bevölkerung ist in den letzten Jahren angestiegen. Der vorliegende Bericht „Bevölkerungsprognose Osnabrück2017-2030 - Band I“ verknüpft diese historische Entwicklung mit Annahmen über die zukünftige Genese der Stadtbevölkerung bis zum Jahr 2030. Durch die Variation des Zuwanderungsvolumens wurden drei Szenarien in Abhängigkeit von Wenn-Dann-Bedingungen erarbeitet und entsprechende Prognoseszenari- en errechnet. Das als Basisvariante bezeichnete Szenario V2 geht aufgrund der weiteren Etablierung der Stadt Osnabrück als dynamischer Wirtschafts- und Bildungsstandort von einer anhaltenden Zuwanderung aus dem Inland und dem europäischen Ausland sowie einer moderaten Zu- wanderung Geflüchteter, von einem Zuzug von 14.000 Personen pro Jahr bis zum Jahr 2021 aus. Zwischen 2022 und 2026 verringert sich die Zahl der Neuzugezogenen auf 13.500, be- vor sie zwischen 2027 und 2030 auf 13.000 fällt. Dieser Zuzug, die steigenden Lebenserwar- tung und die zunehmenden Geburtenzahlen führen zu einem kontinuierlichen Wachstum der Bevölkerungszahl von etwa 168.000 Personen mit Hauptwohnsitz im Jahr 2016 hin zu rund 172.700 Personen im Jahr 2030. Einen Kurzüberblick über die Ergebnisse des Basisszena- rios bietet die folgende Tabelle 1. Im Vergleich zur Zusammensetzung der Einwohnerschaft im Jahr 2016 lässt sich die Bevölkerung als mehr, älter und durch den Zuzug aus dem Aus- land und der sich integrierenden Flüchtlinge auch als vielfältiger charakterisieren. Diese Entwicklung passt sich dem Bild der zu erwartenden Bevölkerung deutscher Groß- städte an, die mit guter Infrastruktur und qualifizierten Bildungs- und Arbeitsplatzangeboten (junge) Menschen anziehen. Als besondere Herausforderung bleibt die langfristige Bindung dieser Bevölkerungsgruppe nach Erreichung des Bildungsabschlusses und in ihrer Familien- phase erhalten. 4
Tabelle 1: Altersstruktur der Bevölkerung in 2016, 2023 und 2030 (Basisvariante, V2) Altersklassen Basisjahr Prognose Prognose Veränderung 2016 2023 2030 zu 2016 in % 0 bis unter 3 4.442 4.944 4.803 8,13% 3 bis unter 6 4.079 4.595 4.567 11,96% 6 bis unter 10 5.452 5.700 5.903 8,27% 10 bis unter 16 7.934 8.233 8.359 5,36% 16 bis unter 18 2.994 2.931 2.836 -5,28% 18 bis unter 25 19.873 18.416 17.920 -9,83% 25 bis unter 45 48.278 50.991 50.172 3,92% 45 bis unter 65 43.724 43.981 42.275 -3,31% 65 bis unter 80 21.915 22.121 25.913 18,24% 80 Jahre und älter 9.454 10.332 9.963 5,38% Summe 168.145 172.244 172.711 2,72% Quelle: Einwohnermelderegister der Stadt Osnabrück, eigene Berechnung Die möglichen Entwicklungsszenarien für die Stadt Osnabrück sind natürlich nicht allumfas- send. Selbst Szenarien können keine heute unvorhersehbaren Ereignisse berücksichtigen und es ist nur schwer möglich, eventuell bestehende Wechselwirkungen zwischen verschie- denen Trends abzuschätzen, die sich gegenseitig beeinflussen können. Die vorliegende Be- völkerungsvorausberechnung der Stadt Osnabrück erhebt deshalb nicht den Anspruch, die zu erwartende Bevölkerungsentwicklung in Zukunft genau vorherzusagen oder eine Progno- se für die einzelnen Jahre im Vorausberechnungszeitraum zu liefern. Sie kann allerdings als Instrument verwendet werden, um zu verstehen, wie sich die Bevölkerungszahl und die Be- völkerungsstruktur unter bestimmten demografischen Annahmen entwickeln würden. Die vorliegende Bevölkerungsprognose wurde anhand des SIKURS - Prognosemodells be- rechnet. Dieses wird bundesweit in über 50 Städten und in einigen Statistischen Landesäm- tern eingesetzt. SIKURS verwendet einen Algorithmus, der von den Komponenten der de- mografischen Grundgleichung ausgeht und damit die einzelnen Bestimmungsfaktoren der Entwicklung berücksichtigt: Alter und Geschlecht der Ausgangsbevölkerung, zu erwartende alters- und geschlechtsspezifische Trends der Fertilität, Sterblichkeit, Zu- und Fortzüge. 5
1 Einleitung Der demografische Wandel ist in den vergangenen Jahren zu einem bedeutenden gesell- schaftspolitischen Thema geworden. Auch die Bevölkerung in der Stadt Osnabrück ist Ver- änderungen unterworfen: Sie wächst, wird älter, lebt vereinzelter und wird internationaler. Eine wachsende Stadt passt zwar nicht ins Bild der in den Medien häufig diskutierten stetig schrumpfenden Bevölkerung, doch die demografische Entwicklung fällt je nach Kommune höchst unterschiedlich aus. Die Schrumpfung der Bevölkerung wird nicht allein durch die demografische Alterung ausgelöst, sondern zumeist durch Wegzüge forciert. Attraktive Kommunen mit hoher Lebensqualität, Wirtschaftswachstum und umfassenden Bildungsan- geboten können dagegen auch im demografischen Wandel Zuwanderungsgewinne ver- zeichnen. Die Folgen der demografischen Veränderungen für Städte und Gemeinden sind vielfältig und betreffen fast alle Bereiche der öffentlichen Bedarfsplanung. Um Bedarfe abzuschätzen und eine valide mittelfristige Investitions- bzw. Infrastrukturplanung durchführen zu können, be- darf es Prognosen zur zukünftig zu erwartenden Bevölkerungszahl und -verteilung. Solche Vorausschätzungen übernehmen die Funktion eines „Frühinformationssystems“ für städtische Planungen und Entscheidungen. Die Ergebnisse können eine Grundlage für die Arbeit von Stadtentwicklung, Stadtplanung und Verkehrsplanung sowie für die generelle Steuerung von wohnungsnahen städtischen Infrastrukturangeboten wie Kindertagesstätten, Schulen oder anderen Einrichtungen bieten. Zudem deckt eine Bevölkerungsvorausschät- zung auch politische Handlungsbedarfe auf, da deutlich wird, welche Strukturen und Muster zu bestimmten demografischen Entwicklungen führen. Der Anspruch einer Bevölkerungsvo- rausschätzung ist es daher nicht, die tatsächliche Entwicklung „vorherzusagen“. Vielmehr geht es darum, unter den getroffenen Annahmen zu zeigen, wie sich die Bevölkerung vo- raussichtlich entwickeln wird. Seit 2017 ist die Stadt Osnabrück Mitglied der Anwendergemeinschaft SIKURS, einem Pro- jekt des KOSIS-Verbundes (KOSIS = Kommunales Statistisches Informationssystem). Die Anwendergemeinschaft stellt den Mitgliedern ein Programm zur Berechnung von (kleinräu- migen) Bevölkerungsprognosen namens SIKURS zur Verfügung. Dieses basiert auf dem Algorithmus, der einen gegebenen Anfangsbestand der Bevölkerung auf Grund von Zu- und Fortzügen sowie von Geburten und Sterbefällen von Jahr zu Jahr fortzuschreibt. Die Bewe- gungen werden stromorientiert, auf der Basis möglichst aktueller demografischer Bevölke- rungsstrukturen der einzelnen Gebietseinheiten, verarbeitet. Dieses Verfahren findet mittler- 6
weile in mehr als 50 deutschen Kommunen Anwendung und wird in dieser Bevölkerungs- prognose erstmals auf die Stadt Osnabrück bezogen. Die letzte Bevölkerungsprognose für die Stadt Osnabrück stammt aus dem Jahr 2013 und wurde damals bei einem externen Dienstleister in Auftrag gegeben. Um die Transparenz der Ergebnisse zu erhöhen und kleinräumige Ergebnisse auf Ebene der Stadtteile bzw. der Schuleinzugsgebiete zu generieren, wird die vorliegende Prognose vom Team Strategische Stadtentwicklung und Statistik angelegt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die Prognose für die Gesamtstadt und die weiter- führenden (kleinräumigen) Analyse in zwei Bänden aufbereitet. Der vorliegenden Band I konzentriert sich auf die Darstellung der Grundlagenanalyse, der Erläuterung der Annahmen und der Szenarioentwicklung. Grundlage der Modellrechnungen sind die historisch zu be- obachtende natürliche Bevölkerungsentwicklung sowie die Wanderungsbewegungen auf Gesamtstadtebene. Band II wird dagegen den Schwerpunkt auf die kleinräumige Projektion der Ergebnisse der Basisprognose (V2) auf die Ebene der Stadtteile und der Schuleinzugs- bereiche legen. Hierbei finden zusätzlich zu Aspekten der natürlichen Bevölkerungsentwick- lung der Wanderungsbewegungen auch geplante Baugebiete und zu erwartende Wohnein- heiten besondere Beachtung. Außerdem wird auf Grundlage der Basisprognose eine Prog- nose der zu erwartenden Haushalte erstellt. Die Ergebnisse der vorliegenden Prognose wurden mit den Fachplanungen unter anderem aus den Bereichen Jugendhilfeplanung, Schulplanung, Stadtplanung, Verkehrsplanung, In- tegrationsmanagement und der Ausländerbehörde diskutiert und abgestimmt. 7
2 Rahmenbedingungen und Grundlagen der Prognose Eine Bevölkerungsprognose stellt grundsätzlich eine Fortschreibung der historischen Bevöl- kerungsentwicklung unter Bezugnahme auf vorher zu definierende Annahmen bezüglich der zukünftigen Entwicklung dar. Diese Annahmen können den aus dem historischen Status Quo abgeleiteten Trend beeinflussen. Um möglichst valide Annahmen über die Zukunft aufzustel- len, muss man als ersten Schritt die historische Entwicklung der Bevölkerung genauer analy- sieren. Zu diesem Zweck wurden die folgenden Unterkapitel nach unterschiedlichen Themenberei- chen gegliedert. Fertilität, Mortalität sowie Zu- und Abwanderung sind dabei die Komponen- ten der Bevölkerungsentwicklung und sollen als Grundlagen der späteren Prognose erläutert und im historischen Kontext dargestellt werden. 2.1 Natürliche Bevölkerungsbewegung Eine grundsätzliche Komponente der Bevölkerungsentwicklung stellt die natürliche Bevölke- rungsbewegung dar. Das natürliche Bevölkerungswachstum wird durch die Fertilität (Frucht- barkeit) und die Mortalität (Sterblichkeit) einer Bevölkerung bestimmt. 2.1.1 Fertilität In Osnabrück wurden 1.659 Kinder im Jahr 2016 geboren. Damit liegt die Zahl der Geburten um 162 über dem Vorjahreswert und sogar 301 Kinder über den Geburten des Jahres 2006. 1996 lag die Zahl der Geburten jedoch noch höher, damals wurden 1.720 Geburten gezählt. Hier erstmals deutlich, dass die Bevölkerungsentwicklung einer Stadt wie Osnabrück niemals linear in eine Richtung verläuft, sondern ausgeprägten Schwankungen im Verlauf der Ge- schichte ausgesetzt ist. Die persönliche Entscheidung für oder gegen eine Elternschaft lässt sich als komplexes Mehr-Ebenen-Problem aus kulturellen (Pluralisierung der Lebensformen), institutionellen (verstärkte Verantwortung der Eltern, ökonomische Benachteiligung) und individuellen Grün- den verstehen.1 Aus statistischer Sicht blickt man jedoch nicht auf die Einzelperson, sondern auf die Summe der Frauen im gebärfähigen Alter, da diese einen wesentlichen Einfluss auf die Zahl der Geburten hat. Je nach Definition wird das gebärfähige Alter als Zeitraum zwi- 1 vgl. Schnur, O. (2010): Demografischer Impact in städtischen Wohnquartieren - Entwicklungsszena- rien und Handlungsoptionen, S. 49. 8
schen einem Alter von 15 bis 45 Jahren bzw. bis 50 Jahre verstanden. Stellt man die Zahl der Frauen im Alter zwischen 15 und 45 Jahren mit der Zahl der Geburten in Beziehung, erkennt man einen deutlichen Zusammenhang (siehe Tabelle 2). Tabelle 2: Frauen im Alter zwischen 15 und 45 und Zahl der Geburten 1996 2006 2016 Frauen im gebärfähigen Alter 37.276 35.059 37.008 Zahl der Geburten 1.720 1.358 1.662 Quelle: Melderegister der Stadt Osnabrück (2016) Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels mag die zwischen 2006 und 2016 zu- nehmende Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter überraschen. Diese Entwicklung liegt zum einen in der relativ stark besetzten Kindergeneration der Babyboomer der 60er Jahre be- gründet und zum anderen im Wanderungsverhalten junger Frauen. Die Kindergeneration der „Babyboomer“ hat Ende der 1980er Jahre bzw. Anfang der 90er Jahre ihre Kinder bekom- men. Die Töchter dieser Generation sind nun selbst im Alter, um Kinder zu bekommen und stellen noch einige relativ personenstarke Jahrgänge. Außerdem steigt durch die Erwerbsbe- teiligung der Frauen die Attraktivität der Großstädte. Eine wachsende Zuwanderung von Frauen aufgrund der besseren Beschäftigungsmöglichkeiten sowie dem Bildungsangebot unter anderem durch die Universität und die Fachhochschule zeigen hier ihre Wirkung. Neben der Summe aller Frauen im Alter zwischen 15 und 45 Jahren spielt auch die Beset- zung der einzelnen Altersjahrgänge eine große Rolle in Bezug für die Fruchtbarkeit oder das generative Verhalten. Beispielsweise hat die Veränderung der Zahl der 30-Jährigen Frauen einen deutlich höheren Effekt auf die Zahl der Geburten, als die Veränderung der Zahl der 40-Jährigen oder der der 20-Jährigen. Diese Feststellung wird in Abbildung 1 verdeutlicht, die das Alter der Mutter bei Geburt des Kindes im Jahr 2016 grafisch veranschaulicht. 9
Abbildung 1: Alter der Mutter bei der Geburt im Jahr 2016 160 140 120 Zahl der Geburten 100 80 60 40 20 0 15 20 25 30 35 40 45 Alter der Mutter Quelle: Melderegister der Stadt Osnabrück (2016) Im Jahr 2016 wurden die meisten Kinder von Frauen im Alter von 30 Jahren geboren. An den äußeren Enden der Verteilung werden die Ausprägungen immer kleiner, so dass die Altersgruppe zwischen 15 und 45 Jahren zur Bemessung der Fruchtbarkeit durchaus pas- send erscheint. Sieht man sich die Altersstruktur der Frauen für die beiden geburtenstarken Jahre 1996 und 2016 im Vergleich an, erkennt man eine deutliche Verschiebung in der Besetzung der Alters- jahrgänge (siehe Abbildung 2). 10
Abbildung 2: Altersstruktur der Frauen für die Jahre 1996 und 2016 2000 1800 1600 1400 1200 1000 1996 2016 800 600 400 200 0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Quelle: Melderegister der Stadt Osnabrück (2016) Im Jahr 1996 lebten deutlich weniger 20- bis 27-Jährige in Osnabrück als 2016. Dieses Ver- hältnis kehrt sich zwischen den Altersjahren 28 und 43 um, bevor 2016 mit deutlich mehr Personen zwischen 44 und 55 aufwartet. Wie in Abbildung 1 gezeigt wurde, hat die Besetzung der Altersjahrgänge der Mütter einen hohen Einfluss auf die Geburtenzahl. Stellt man diese Feststellung mit der Altersverteilung in Abbildung 2 in Zusammenhang, lässt sich erkennen, dass die stärkere Besetzung der Jahr- gänge zwischen 28 und 40 Jahren einen wesentlichen Einfluss auf die höhere Zahl der Ge- burten im Jahr 1996 hatte. Es lässt sich festhalten, dass zur Ermittlung der Fruchtbarkeit einer Bevölkerung nicht allein die Zahl der Geburten ausschlaggebend ist, sondern ebenso die Besetzung der fruchtbaren, weiblichen Altersjahrgänge. Eine Kennzahl, die die Zahl der Geburten mit der Zahl der Frau- en zwischen 15 und 45 Jahren ins Verhältnis setzt, ist die Allgemeine Fruchtbarkeitsrate. ℎ ( ) ℎ = 1.000 ℎ ℎ 15 45 ℎ 11
Überträgt man diese Formel auf die entsprechenden Werte für die Jahre 1996, 2006 und 2016, ergeben sich folgende Ergebnisse: 1.720 1996: 37.276 1.000 = 46,1 1.358 2006: 1.000 = 38,7 35059 1.662 2016: 1.000 = 44,9 37.008 Die Ergebnisse lassen sich wie folgt lesen: Im Jahr 2016 kamen beispielsweise auf 1.000 Frauen im fruchtbaren Alter zwischen 15 und 45 Jahren 44,9 Geburten. Diese Allgemeine Fruchtbarkeitsrate lässt sich ebenso in Form einer altersspezifischen Fruchtbarkeitsrate auf die einzelnen Altersjahre umrechnen. Betrachtet man beispielsweise die spezifische Fruchtbarkeitsrate der 30-Jährigen Frauen im Vergleich, ergibt sich eine inte- ressante Verschiebung: 142 1996: 1507 1.000 = 94,2 137 2016: 1253 1.000 = 109,3 Zwar kam es bei den 30-Jährigen Frauen im Jahr 1996 zu 5 Geburten mehr, jedoch leben zu diesem Zeitpunkt auch 254 mehr Frauen im Alter von 30 Jahren in der Stadt. Damit waren die Frauen desselben Altersjahrgangs im Jahr 2016 fruchtbarer als ihre Vorgängerinnen, was für einerseits zum einen für den Anstieg des Mütteralters und andererseits für die zu- nehmenden Geburtenzahlen spricht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wenn auch die absoluten Geburtenzahlen und die Allgemeine Fruchtbarkeitsrate im Jahr 1996 über den Vergleichswerten von 2016 lagen, die Fruchtbarkeit verschiedener Altersjahre durchaus zunehmen kann. Der Trend zu mehr Kin- dern lässt sich in ganz Deutschland beobachten. So ist die Geburtenrate 2016 auf den höchsten Wert seit 30 Jahren gestiegen. Ein Grund für diese Entwicklung ist die veränderte gesellschaftliche Gesamtstimmung in Bezug auf Kinder in den letzten zehn Jahren. Es ist gerade durchaus hoch angesehen, Kinder zu haben. Außerdem spielt die größere Frucht- barkeit von Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit eine Rolle. Für das Jahr 2016 stellt die folgende Abbildung 3 die Fertilitätsraten nach Altersjahren für die deutschen Frauen und die Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit gegenüber. 12
Abbildung 3: Altersspezifische Fertilitätsraten (Geburten je 1.000 Frauen) im Jahr 2016 160 140 120 100 Fertilitätsrate 80 Ausländerinnen Deutsche 60 40 20 0 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37 39 41 43 45 Alter der Mutter Quelle: Melderegister der Stadt Osnabrück (2016) Es wird deutlich, dass Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit bei der Geburt ihrer Kinder durchschnittlich jünger sind und bis etwa Mitte 30 deutlich mehr Kinder bekommen als deutsche Frauen. In Bezug auf die absolute Zahl aller Geburten hat dies jedoch nur einen geringen Effekt. 2.1.2 Mortalität Die zweite Komponente der natürlichen Bevölkerungsentwicklung bezieht sich auf die Analy- se der Sterbefälle und der heutigen bzw. zukünftigen Lebenserwartung. Abbildung 4 veran- schaulicht die historische Entwicklung der Sterbefälle in der Stadt Osnabrück. Auffällig ist, dass trotz ansteigender Bevölkerungszahl die Zahl der Sterbefälle von knapp 2.000 im Jahr 1980 auf 1.659 im Jahr 2016 gefallen ist. Auch dieser Trend zum Anstieg in der Lebenserwartung ist deutschlandweit zu beobachten. Mithilfe von sogenannten Sterbeta- feln wird in Deutschland seit etwa 140 Jahren ein kontinuierlicher Rückgang der Sterblichkeit und somit ein Anstieg der Lebenserwartung beobachtet. Im Deutschen Reich betrug die durchschnittliche Lebenserwartung 1871/1881 bei Geburt für Männer 35,6 Jahre und für Frauen 38,4 Jahre. Doch mit der stetigen Weiterentwicklung von Impfstoffen und Antibiotika, 13
verbesserter Hygiene, medizinischer Technologien wie Herzschrittmachern oder Behand- lungsmethoden wie Dialyse oder Transplantationen sowie verbesserten Arbeitsbedingungen, steigender materieller Ausstattung oder einer bewussteren Lebensweise hat sich die Le- benszeit vieler Menschen deutlich verlängert. Abbildung 4: Entwicklung der Zahl der Sterbefälle zwischen 1980 und 2016 2500 2000 1500 Sterbefälle 1000 500 0 1980 1984 1988 1992 1996 2000 2004 2008 2012 2016 Jahr Quelle: Melderegister der Stadt Osnabrück (2016) Laut einer Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR) aus dem Jahr 2017 beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung eines neugeborenen Mädchens derzeit 92,8 Jahre. Neugeborene Jungen können im Schnitt 87,8 Lebensjahre erwarten. Eine heute 50-jährige Frau kann hiernach in Deutschland durchschnittlich 88,2 Jahre alt werden. Ein gleichaltriger Mann erreicht ein durchschnittliches Alter von 83,4 Jahren. Diese Ergeb- nisse gehören sicherlich zum optimistischen Ende des Spektrums. In konservativeren Schät- zungen wie beispielsweise in der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Sta- tistischen Bundesamtes geht man von einer weiterhin leicht ansteigenden Lebenserwartung in Zukunft aus. In der Basisannahme dieser Bevölkerungsprognose „moderater Anstieg“ ergibt sich für Männer im Jahr 2060 eine durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt von 84,8 Jahren und für Frauen von 88,8 Jahren. 14
Analog zu den altersspezifischen Fruchtbarkeitsraten ergeben sich exaktere Aussagen zur Sterblichkeit aus den altersspezifischen Sterberaten. Auch in Osnabrück lässt sich anhand dieser Sterberaten ein Anstieg der Lebenserwartung erkennen. Abbildung 5 veranschaulicht dies anhand eines Vergleiches zwischen den altersspezifischen Sterberaten im Jahr 1995 und 2015. Um die Abstände zwischen den teilweise sehr unterschiedlich ausgeprägten Ra- ten pro Altersjahr zu veranschaulichen, wurde eine logarithmische Darstellung gewählt. Abbildung 5: Altersspezifische Sterberaten (Sterbefälle pro 1.000 Personen im Altersjahr) für die Jahre 1995 und 2015 1000 100 10 Sterberate 1995 1 2015 0,1 0,01 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 u.ä. Alter in Jahren Quelle: Landesamt für Statistik Niedersachen (2016) Es fällt auf, dass nur in zwei Altersjahren (16 Jahre bzw. 33 Jahre) die Sterberate im Jahr 1995 kleiner war, als in 2015. Dabei sind die Differenzen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Insbesondere bei der Kindersterblichkeit können erhebliche Verschiebungen zu einer deut- lich geringeren Sterberate in 2015 abgelesen werden. Auch wenn die allgemeine Lebenserwartung ansteigt, stellt sich die Sterbewahrscheinlichkeit nach Geschlecht sehr unterschiedlich dar. Abbildung 6 zeigt die Sterbefälle nach Altersjah- ren beispielhaft für das Jahr 2016. 15
Abbildung 6: Sterbefälle nach Altersjahren und Geschlecht im Jahr 2016 50 45 40 35 30 Sterbefälle 25 männlich 20 weiblich 15 10 5 0 0 9 18 27 36 45 54 63 72 81 90 99 u.ä. Altersjahr Quelle: Melderegister der Stadt Osnabrück (2016) Deutlich erkennbar ist die längere Lebensdauer der weiblichen Personen: Beginnen die Sterbefälle der männlichen Personen im Alter von etwa 30 Jahren langsam anzusteigen, verläuft die Kurve der Frauen deutlich flacher. Die Peaks der weiblichen Verteilung liegen außerdem in deutlich höheren Altersjahren. Eine Unterscheidung der Sterbefälle nach deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit ist wenig zielführend, da die Sterbefälle der ausländischen Personen sehr allgemein nur ge- ringe Fallzahlen aufweisen und die Sterblichkeit in einzelnen Altersgruppen außerdem über- raschend gering ausfällt. Eine eindeutige Begründung lässt sich hierfür leider nicht anführen. Mögliche Gründe sind der „healthy-migrant-effect“, welchem die Annahme zugrunde liegt, dass eher überdurchschnittlich gesunde Menschen sich den Herausforderungen einer Migra- tion in ein anderes Land stellen. Eine weitere Erklärung wäre der sogenannte „salmon-bias“, eine statistische Verzerrung der Sterbezahlen, die entsteht, wenn Personen mit ausländi- scher Staatsbürgerschaft am Ende ihres Erwerbslebens in ihre Herkunftsländer zurückkeh- ren. 16
2.2 Räumliche Bevölkerungsbewegung Seit dem Jahr 2009 verzeichnet die Stadt Osnabrück eine positive Bevölkerungsentwicklung. Obwohl die Zahl der Sterbefälle (mit Ausnahme des Jahres 2016) stets höher ist als die der Geburten, hat die Einwohnerzahl den historischen Höchststand von 161.934 Einwohnern im Jahr 1995 deutlich überschritten. Zum 31.12.2016 lebten bereits 168.145 Menschen mit Hauptwohnsitz in der Stadt Osnabrück. Dieses Wachstum war aufgrund des Geburtendefizi- tes nur durch zunehmende Wanderungsgewinne zu realisieren. Ein Umzug in einen anderen Wohnort ist in den meisten Fällen keine willkürliche Entschei- dung. Ein solcher Entschluss für oder gegen einen Wohnort wird aus einem Zusammenspiel unterschiedlichen Faktoren von der persönlichen Lebenslage, dem Alter und insbesondere der wirtschaftlichen Optionen vor Ort gebildet, die stets im Widerstreit mit alternativen Wohn- orten im Umland, in Deutschland und im Ausland bewertet werden. In der Demografie spricht man von Pull- und Push-Faktoren. Push-Faktoren sind beispielsweise der Mangel an Ar- beitsplätzen oder bezahlbarem Wohnraum sowie Krisen wie Naturkatastrophen oder Kriege. Pull-Faktoren sind etwa freie Arbeitsstellen, günstiger Wohnraum, ein leichter Zugang zu Aus- und Weiterbildung sowie eine bessere Versorgung. Betrachtet man die Zu- und Abwanderungszahlen im Saldo zwischen 1980 und 2016, sind deutliche Schwankungen in der Verteilung erkennbar (siehe Abbildung 7). Größere Wanderungsgewinne konnten zwischen den Jahren 1989 und 1993 erzielt werden, die stark durch die Wiedervereinigung und die Zuwanderung von sog. Aussiedlern geprägt waren. Nach dieser Zeit nahm die Bevölkerung in einigen Jahren sogar ab, bis 2009 ein Wendepunkt erreicht wurde und die Wanderungssalden seitdem positiv ausfallen und zu einem kontinuierlichen Anstieg der Bevölkerungszahl in Osnabrück geführt haben. Beson- ders auffällig ist das Jahr 2015 wo zwei Sondereffekte, die Bevölkerungsentwicklung stark beeinflusst haben. Zum einen stieg die Anzahl der Asylsuchenden rapide an. Zum anderen haben durch die Einführung der Zweitwohnsitzsteuer viele Personen, die bisher bereits mit einem Zweitwohnsitz in Osnabrück gemeldet waren ihren Hauptwohnsitz nach Osnabrück verlagert. Somit konnte ein Saldo von + 6.334 Personen ausgewiesen werden. Der Einfluss der Zweitwohnsitzsteuer beschränkt sich dabei jedoch nicht allein auf die Um- meldungen einer großen Zahl von Nebenwohnsitzen in Hauptwohnsitzen im Jahr der Einfüh- rung. Es ist davon auszugehen, dass sich auch ein langfristig verändertes Anmeldeverhalten in Folge dieser Maßnahme einstellen wird. So ist die Zahl der Nebenwohnsitze zwischen 2004 und 2014 kontinuierlich von 5.618 auf 9.580 Personen angestiegen. Nach der Einfüh- rung der Zweitwohnsitzsteuer waren am 31.12.2015 noch 2.010 Personen mit Nebenwohn- sitz in der Stadt gemeldet. Ein Jahr später ging die Zahl auf 1.958 zurück. Viele Neubürger 17
von Osnabrück werden sich im Verlauf des Jahres 2016 gleich mit Hauptwohnsitz gemeldet haben, um der Steuer zu entgehen. Abbildung 7: Wanderungssaldo in Osnabrück zwischen 1980 und 2016 7.000 5.500 4.000 Saldo 2.500 1.000 -500 -2.000 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 Jahr Quelle: Melderegister der Stadt Osnabrück (2016) Die Aufnahme und Versorgung von vielen Geflüchteten im Jahr 2015 und in schwächerem Maße im Jahr 2016 hat die Bevölkerung in Größe und Struktur beeinflusst. Ob dieser Faktor einen langfristigen Einfluss auf den demografischen Trend haben wird, ist nicht abzusehen. Erfahrungen aus dem „Balkankonflikt“ besagen, dass viele der damaligen Bürgerkriegsflücht- linge in Friedenszeiten in ihre Herkunftsländer zurückkehren mussten. Wann sich die Situati- on in den derzeitigen Krisengebieten wieder beruhigt und in welcher Weise die Asylsuchen- den darauf reagieren werden, bleibt abzuwarten. Auch das Ausmaß des Familiennachzuges ist noch nicht abschätzbar. Zum 31.12.2016 gestaltete sich die Alters- und Geschlechtszu- sammensetzung der Geflüchteten wie in Abbildung 8 dargestellt. 18
Abbildung 8: Geflüchtete nach Altersjahren und Geschlecht am 31.12.2016 Familiennachzug Weiblich Familiennachzug Männlich 95 Flüchtlinge Weiblich Flüchtlinge Männlich 90 85 80 75 70 65 60 Alter in Jahren 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 150 100 50 0 50 Quelle: Migrationsdatenbank der Stadt Osnabrück (2016) Aus der Abbildung wird deutlich, dass die weiblichen Altersgruppen zwischen 15 und 45 kaum besetzt sind und sich ein vernachlässigbarer Einfluss auf die Berechnung der Frucht- barkeitsziffern ergibt. Da die Geflüchteten somit einen eher einmaligen Einfluss auf den Be- völkerungsstand haben und (zumindest bisher) kaum in die Berechnung der Fertilität einge- hen, lässt sich diese Bevölkerungsgruppe bei der Formulierung von Zuwanderungsannah- men leichter variieren (siehe Kapitel 4.2). Neben den Geflüchteten machen vor allem junge Menschen auf der Suche nach Aus- und Weiterbildungsangeboten den Großteil der Zuwanderung nach Osnabrück aus. Abbildung 9 stellt zur Veranschaulichung die durchschnittliche Zu- und Abwanderung nach Altersjahren 2014 und 2016 dar (siehe Abbildung 9). 19
Abbildung 9: Durchschnittliches Alter der Zu- und Abwanderer zwischen 2014 und 2016 1200,0 1000,0 800,0 Anzahl 600,0 400,0 200,0 0,0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 uä Altersjahr Zuzüge Wegzüge Quelle: Melderegister der Stadt Osnabrück (2016) Der rasante Anstieg der Zahl der Zugewanderten im Alter zwischen 17 und 23 unterstreicht die Bedeutung der Stadt Osnabrück als Bildungsstandort. Größere Bevölkerungsverluste sind leicht zeitversetzt zwischen den Altersjahren 20 und 40 zu verzeichnen. Es ist anzu- nehmen, dass die abwandernden Personen Anfang 20 ebenfalls die Aus- und Weiterbildung als Push-Faktoren anführen würden. Anscheinend suchen diese Bildungsangebote, die in Osnabrück nicht vorgehalten werden bzw. anderswo unter besseren Bedingungen angebo- ten werden. Die Verluste ab Mitte 20 sind dagegen problematischer. Anscheinend finden viele junge Personen nach dem Abschluss ihrer Ausbildung keine Position in Osnabrück o- der attraktivere Arbeitsplätze anderswo bzw. finden nicht das gewünschte Angebot an pas- senden Wohnflächen in der Stadt vor. Vergleicht man die Altersstruktur der Zu- und Abwanderung zwischen 1995 und 2014 er- kennt man die stetig wachsende Bedeutung der Stadt als Aus- und Weiterbildungsstätte (siehe Abbildung 10). 20
Abbildung 10: Zuzüge nach Altersgruppen nach Osnabrück für die Jahre 1995 und 2014 6000 5000 4000 Anzahl 3000 2014 1995 2000 1000 0 unter 18 18-25 25-30 30-50 50-65 65+ Altersgruppen Quelle: Landesamt für Statistik Niedersachsen (2016) Insbesondere die Zahl der zugewanderten Personen in der Altersgruppe 18 bis 25 ist stark angewachsen, aber auch andere Gruppen haben hinzugewonnen (25 bis 30 Jahre sowie 30 bis 50 Jahre). Auch die Altersstruktur der Wegzüge hat sich zwischen 1995 und 2014 verän- dert. Zum einen haben sich, wie bei den Zuzügen die absoluten Zahlen in den einzelnen Gruppen deutlich erhöht, zum anderen sind die einzelnen Gruppen anteilig unterschiedlich gewachsen (siehe Abbildung 11). 21
Abbildung 11: Wegzüge nach Altersgruppen aus Osnabrück für die Jahre 1995 und 2014 4500 4000 3500 3000 2500 Anzahl 2014 2000 1995 1500 1000 500 0 unter 18 18-25 25-30 30-50 50-65 65+ Altersgruppen Quelle: Landesamt für Statistik Niedersachsen (2016) Den größten prozentualen Zuwachs verzeichnen die Wegzüge der 18 bis 25-Jährigen. Es ist anzunehmen, dass es sich auch hier zu einem signifikanten Teil um Studierende handelt, die nach der Erreichung ihres Abschlusses die Stadt wieder verlassen. Anscheinend bieten sich nicht genügend Beschäftigungsmöglichkeiten für Absolvierende der Hochschulen, um einen größeren Anteil der Studierenden hier zu halten. Insbesondere die Nettoverluste in den Al- tersgruppen 25 bis 30 sowie 30 bis 50 Jahre sind demografisch besonders einflussreich, da sich diese Jahrgänge gerade in der Familienphase befinden. Wirft man einen Blick auf Salden der Zu- und Abwanderung nach Herkunfts- bzw. Zielregion, lassen sich einige Schwankungen erkennen (siehe Abbildung 12). 22
Abbildung 12: Wanderungssalden nach Herkunfts- und Zielregion in Osnabrück zwischen 1995 und 2014 1500 1000 500 Saldo 0 -500 -1000 -1500 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 Jahr Deutschland Ausland Quelle: Landesamt für Statistik Niedersachsen (2016), eigene Berechnung und Darstellung Hier lassen sich einige historische Trends der Bevölkerungsentwicklung ablesen. In der Mitte der 90er Jahre kam es beispielsweise aufgrund geringer Baulandpreise im Umland zu einer verstärkten Suburbanisierung und einer damit verbundenen deutlichen Abwanderung aus der Stadt Osnabrück. In Abbildung 12 äußern sich diese Verluste als Abwanderung mit der Zielregion Deutschland. Im Jahr 1995 kam es außerdem aufgrund der Auswirkungen des „Balkankonfliktes“ zu einer verstärkten Zuwanderung aus dem Ausland, die sich in den Folgejahren aber wieder umzukehren scheint. Zusammenfassend fällt auf, dass die Wande- rungsverflechtungen zwischen dem Ausland und dem übrigen Deutschland oftmals parallel verlaufen und selten umgekehrt sind. Was für die Prognose von Bedeutung ist, ist insbeson- dere die Erkenntnis, dass ein aufstrebender Trend wie zwischen 2001 und 2003 sich schon 2004 fast ins genaue Gegenteil umwandeln kann. 23
2.3 Zwischenfazit Die Bevölkerung der Stadt Osnabrück wächst und das nicht erst in den letzten Jahren. Ab- bildung 13 gibt einen Überblick über die Entwicklung der Zahl der Personen mit Hauptwohn- sitz in der Stadt Osnabrück. Abbildung 13: Entwicklung der Einwohner mit Hauptwohnsitz in Osnabrück 180.000 170.000 Einwohnerzahl mit Hauptwohnsitz 160.000 150.000 140.000 130.000 120.000 1996 2001 2006 2011 2016 Jahr Quelle: Melderegister der Stadt Osnabrück Das Geburtenniveau in Osnabrück ist seit 2011 konstant angestiegen und durch die stark besetzten Töchterjahrgänge der „Babyboomer“-Generation und eine weitere Zuwanderung von Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit ist davon auszugehen, dass sich die Zahl in den kommenden Jahren weiter positiv entwickeln wird. Ebenso steigt die Lebenserwartung in Osnabrück stetig an. Die Sterbefälle verschieben sich weiter in höhere Altersjahrgänge und die Besetzung der hochalten Altersjahrgänge wird wei- ter zunehmen. Beide Entwicklungen werden in Abbildung 14 nochmals anhand der Gegen- überstellung von Geburten und Sterbefällen zwischen 1962 und 2016 zusammengefasst. 24
Abbildung 14: Geburten und Sterbefälle zwischen 1962 und 2016 3000 2500 2000 Anzahl 1500 Sterbefälle Geburten 1000 500 0 1962 1972 1982 1992 2002 2012 Jahr Quelle: Melderegister der Stadt Osnabrück (2016) Es lässt sich ablesen, dass das Geburtendefizit erstmals 1970 erkennbar wird und seitdem nur im Jahre 1999 und jüngst in 2016 ausgeglichen wird. Erkennbar ist jedoch auch, dass der positive Saldo von 1999 von + 4 nicht zur einer Trendwende in der Geburtenentwicklung geführt hat. Im darauffolgenden Jahr wurde wieder ein negativer Saldo von - 97 Personen erreicht. Ein einzelner Peak macht also noch keine Trendwende. Allerdings deckt sich die Erkenntnis einer Zunahme der Bevölkerung in der Stadt Osnabrück mit überregionalen Ana- lysen wie der „Laufenden Raumbeobachtung des BBSR“ (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung), wie Abbildung 15 veranschaulicht. 25
Abbildung 15: Bevölkerungsentwicklung 1970 bis 2013 nach siedlungsstrukturellen Kreisty- pen in West- und Ostdeutschland Quelle: Laufende Raumbeobachtung des BBSR (2015) Laut dieser Studie wird der Trend „zurück in die Stadt“ vor allem durch kleinere bis mittelgro- ße Großstädte mit einem wissens- und technologieorientierten Profil getragen. Gerade die Tatsache, dass der Anteil der arbeitstätigen Elternteile immer weiter anwächst, ist eine Trieb- feder zurück in die Stadt. Auch die Familienlogistik lässt sich bei steigenden Mobilitätskosten sinnvoller in der Stadt abwickeln. Das BBSR beschreibt die Stadt Osnabrück in seiner Lau- fenden Raumbeobachtung (2017) auf der Grundlage der Auswertung von demografischen und wirtschaftsorientierten Indikatoren als überdurchschnittlich wachsende Großstadt. Auf- grund des demografischen Wandels ausgelöste Veränderungsprozesse wirken sich somit auch für Osnabrück demografisch rentierlich aus. Diese Entwicklung kann beispielsweise anhand des Billeter-Maßes(J) veranschaulicht werden. Es drückt das Verhältnis der Diffe- renz zwischen der Kindergeneration und der Großelterngeneration zur Elterngeneration aus. Alle Bevölkerungsgruppen werden so in der Berechnung berücksichtigt: ( 15 − äℎ ) − (50 − äℎ Ä ) = 15 − 49 − äℎ 26
J nimmt positive Werte an, wenn in einer Bevölkerung der Anteil der Kinder und Jugendli- chen größer ist als der Anteil der über 50-Jährigen. Ist J gleich Null, dann entspricht die Zahl der unter 15-Jährigen der Zahl der über 50-Jährigen. Je kleiner J ist, das heißt je weiter es im negativen Bereich liegt, desto älter ist im demografischen Sinn die Bevölkerung. In Abbil- dung 16 wird die Entwicklung des Billeter-Maßes im Vergleich zwischen der Stadt Osnab- rück, dem Landkreis Osnabrück, der Stadt Oldenburg und dem Land Niedersachsen für die Jahre 1995 bis 2015 dargestellt. Abbildung 16: Entwicklung des Billeter-Maßes zwischen 1995 und 2015 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 0,00 -0,10 -0,20 -0,30 -0,40 -0,50 -0,60 -0,70 -0,80 Osnabrück Osnabrück LK Oldenburg Niedersachsen Quelle: Regionaldatenbank (2017) In diesem Zeitverlauf spiegelt sich die demografische Alterung der verschiedenen Gebiets- einheiten. 1995 war die Alterung der Gesellschaft in der Stadt Osnabrück deutlich ausge- prägter als in den Vergleichskommunen (bzw. dem Bundesland Niedersachen). Doch im Verlauf der Beobachtungsperiode verläuft diese deutlich langsamer und nimmt in 2015 sogar eine Positiventwicklung an. Im Jahr 2015 ist die Gesellschaft der Stadt Osnabrück damit de- mografisch jünger als alle Vergleichsgebiete. Um sich die Gründe für diese positive Entwicklung des Billeter-Maßes vor Augen zu führen, lohnt sich ein Blick auf die Alterspyramiden für die Jahre 1996 und 2016 (siehe Abbildung 17). 27
Abbildung 17: Altersstruktur der Stadt Osnabrück 1996 und 2016 weiblich_2016 männlich_2016 weiblich_1996 männlich_1996 95 90 85 80 75 70 65 60 Alter in Jahren 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 2.000 1.750 1.500 1.250 1.000 750 500 250 0 250 500 750 1.000 1.250 1.500 1.750 2.000 Anzahl Personen Quelle: Melderegister der Stadt Osnabrück, 2017 Die vollfarbigen Balken stellen den Bevölkerungsbestand zum 31.12.2016 dar. Die nicht ausgefüllten Balken den Bestand zum 31.12.1996. Der Grund für das relativ gute Ergebnis des Billetermaßes findet sich am unteren Ende der Altersstruktur. Die relativ stark besetzten jüngeren Jahrgänge heben sich auch gegenüber dem deutschlandweiten Durchschnitt deut- lich ab. In dieser Darstellung lassen sich außerdem einige historische Einschnitte in der Bevölke- rungsentwicklung erkennen. In der Pyramide für das Jahr 1996 lassen sich noch die Auswir- kungen des zweiten Weltkrieges ablesen, die sich in einem Überhang der Zahl der Frauen um das Alter von 70 Jahren zeigen. 2016 ist dieses Ungleichgewicht der Besetzung der Al- 28
tersjahrgänge deutlich schwächer ausgeprägt. Besonders in den Altersjahrgängen, die nach dem Jahr 1945 geboren wurden, spiegelt sich der Geburtenausfall nach dem Krieg. Was in der Pyramide für das Jahr 2016 deutlich besser abzulesen ist, ist die geringere Bevölke- rungszahl der Männer und der Frauen in den Altersjahrgängen um die 40 Jahre, was sich durch die die Einführung der „Antibabypille“ begründen lässt. 1996 waren diese Personen noch im Alter um die 20 Jahre und auch hier sind entsprechende Rückgänge erkennbar. In der Verteilung aus dem Jahr 2016 lassen sich die Geburten im Rahmen des sogenannten Babybooms, im gegenwärtigen Alter um die 50 Jahre, deutlich ablesen. Im direkten Vergleich der beiden Verteilungen fällt der größere Überhang bei den Personen zwischen 16 und 25 Jahren im Jahr 2016 auf. Hierin erkennt man die Zuwanderung der Stu- denten, die einen wesentlichen Anteil der Verjüngung der Osnabrücker tragen. Allerdings gibt es 2016 auch mehr Personen zwischen 45 und 55 Jahren sowie zwischen 72 und 82 Jahren. Diese Daten zeigen, dass man die positive Entwicklung des Billeter-Maßes nicht überinterpretieren darf. Mit einem Wert von -0,5 im Jahr 2015 ist die Bevölkerung der Stadt noch immer erkennbar überaltert. 29
3 Das SIKURS – Berechnungsmodell Die vorliegende Bevölkerungsprognose wurde anhand des SIKURS - Prognosemodells be- rechnet. Dieses wird bundesweit in über 50 Städten und in einigen Statistischen Landesäm- tern eingesetzt. SIKURS verwendet einen Algorithmus, der auch als Umsetzung der soge- nannten Kohorten-Komponenten-Methode beschrieben werden kann. Die Kohorten- Komponenten-Methode geht von den Komponenten der demografischen Grundgleichung aus und berücksichtigt damit die einzelnen Bestimmungsfaktoren der Entwicklung: Alter und Geschlecht der Ausgangsbevölkerung, zu erwartende alters- und geschlechtsspezifische Trends der Fruchtbarkeit, Sterblichkeit, Zu- und Fortzüge. Dabei werden für die zukünftige Entwicklung Annahmen zugrunde gelegt, die den Status Quo einer historischen Trendfort- schreibung anpassen. Die Kohorten-Komponenten-Methode ist seit den 1930er Jahren in- ternational anerkannt und wird, wenn auch nicht mit SIKURS, prinzipiell vom Statistischen Landesamt für Statistik Niedersachsen und dem Statistischen Bundesamt für ihre jeweiligen Bevölkerungsprognosen angewandt. Im folgenden Kapitel wird das Berechnungsmodell kurz beschrieben sowie die zentralen Annahmen hergeleitet und erläutert. Nach dem stromorientierten SIKURS-Prognosemodell wird ein vorgegebener Anfangsbe- stand der Bevölkerung auf der Basis der räumlichen und natürlichen Bevölkerungsbewegung (Zu- und Fortzüge, Geburten und Sterbefälle) von Jahr zu Jahr fortgeschrieben. Zur Verläss- lichkeit der Vorausberechnungen tragen möglichst realitätsnahe Annahmen zu den zukünfti- gen Veränderungen der entsprechenden Größen bei. Die einzelnen Bewegungskomponen- ten werden dabei anhand demografisch differenzierter Wahrscheinlichkeiten bzw. Raten ein- zeln berechnet. Die Veränderung der Bevölkerung insgesamt zwischen dem Zeitpunkt t und dem Zeitpunkt t+1 lässt sich vereinfacht wie folgt formulieren: +1 = + − ä + − Die Population des Vorjahres (t) wird um die Zahl der Geburten und die Zuwanderung ver- größert und durch die Sterbefälle sowie die Abwanderung verringert. Die Differenz ergibt die neue Bevölkerungszahl zum Zeitpunkt t+1. Einen schematischen Ablauf der Verfahrens- schritte und die eingehenden Kennziffern veranschaulicht Abbildung 18. 30
Abbildung 18: Ablauf des SIKURS-Prognosemodells Quelle: Eigene Darstellung 31
Die Verschiebung des Geburtsjahrgangsindex findet in SIKURS zu Beginn der Berechnun- gen statt. Nach der Verschiebung haben die Geborenen des Jahrgangs 2016 den Geburts- jahrgangs-Index 1. Die darauf zu beziehenden Raten, z. B. Sterberaten müssen ebenfalls den Index 1 tragen. Die Geborenen des Prognosejahres – in diesem Fall des Jahres 2017 – werden als erstes berechnet und erhalten den Index 0. Die Sterberate mit dem Index 0 gibt an, welcher Anteil der Geborenen noch im Geburtsjahr stirbt. Entsprechendes gilt für alle höheren Geburtsjahrgänge und für die Wegzugsraten. Eine Fortschreibung anhand des beschriebenen stromorientierten Verfahrens umgeht das Problem, dass sich hinter ausgeglichenen Wanderungssalden unterschiedliche oder sogar gegenläufige Wanderungsbewegungen verbergen können und einzelne Bewegungen sehr selektiv ausgeprägt sind. Fortschreibungen mit Hilfe gerichteter Ströme haben somit einen höheren Erklärungswert für die Bevölkerungsentwicklung als saldenspezifische Ansätze und kommen daher auch der Forderung nach Transparenz, Eingriffs- und Kontrollmöglichkeiten am nächsten. Stromorientierte Vorgehensweisen haben die Tendenz zu einer ausgeprägten Dynamik. Anders als bei Prognoserechnungen für große Gebietseinheiten, wie die Stadt Os- nabrück, ist dieses Berechnungsmodell bei kleinräumigen Analysen jedoch nicht unproble- matisch. Hier gilt das Gesetz der großen Zahl: Die einzelnen Teilräume sollten zumindest eine Einwohnerzahl von 1.000 Personen aufweisen. Ein weiterer Nachteil der Komponen- tenmethode ist das Fehlen von Aussagen zu Konfidenzintervallen und Eintrittswahrschein- lichkeiten. Hier könnten probabilistische Methoden weiterhelfen. Diese komplexen Ansätze eignen sich jedoch eher für eine kurzfristige Vorausberechnung. Die Eckwerte der Bevölkerungsvorausberechnung stellen die natürlichen und räumlichen Bevölkerungsbewegungen aus den Jahren 2013 bis 2016 dar. Dieser Zeitraum, kann daher auch als Basisperiode bezeichnet werden. Wobei der 31.12.2016 den Jump-off Punkt dar- stellt und das erste Prognoseergebnis den Stand zum 31.12.2017 ausgibt. Auf Grundlage dieses prognostizierten Jahresendstandes der Bevölkerung wird dann das nächste Progno- sejahr 2018 berechnet. Dieser Vorgang setzt sich fort, bis das Zieljahr 2030 erreicht ist. (sie- he Abbildung 19). 32
Abbildung 19: Überblicksschema zur Bevölkerungsprognose 2017 2030 Startjahr Zieljahr Projektionshorizont Projektionsintervalle 31.12.2013 -> 31.12.2016 Basisperiode 2017 2018 2019 2020 20nn 2029 Zeit Basisjahr Jump-off Punkt Quelle: Eigene Darstellung nach Bohk, C. (2011): Ein probabilistisches Bevölkerungsprog- nosemodell – Entwicklung und Anwendung für Deutschland, S. 30. 33
4 Vorausberechnungsannahmen Ein essentieller Aspekt jeder Bevölkerungsprognose ist die Aufstellung von Annahmen zur Genese der verschiedenen Einflussgrößen auf die zukünftig zu erwartende Bevölkerungs- entwicklung. Dabei geht es zum einen um die Zahl künftiger Geburten und Sterbefälle (natür- liche Bevölkerungsbewegung) und zum anderen um die Zahl der Zu- und Fortzüge (räumli- che Bevölkerungsbewegung). Fertilität und Migration der Einzelpersonen sind abhängig von individuellen Entscheidungen und werden gleichzeitig von globalen Trends und lokalen Besonderheiten beeinflusst. Alle diese Aspekte können aus der Perspektive des Prognostikers aufgrund ihrer Komplexität, Privatheit und Instabilität nur schwer eingeschätzt werden und stellen damit die größte Her- ausforderung für die Tragfähigkeit der Prognoseergebnisse in Zukunft dar. Zur besseren Einschätzung der zu erwartenden Entwicklungen wurde in Kapitel 2 der histori- sche Werdegang der Bevölkerung bis ins Jahr 2016 zusammenfassend dargestellt. Im Fol- genden werden anhand der Ergebnisse aus Kapitel 2 und Erkenntnissen aus den Prognosen des Landesamtes für Statistik Niedersachsen und des Statistischen Bundesamtes sowie der Literatur Annahmen zur zukünftigen Entwicklung der Stadt Osnabrück hergeleitet. 4.1 Natürliche Bevölkerungsbewegung Zur Ermittlung des künftigen Geburtenverhaltens werden SIKURS altersspezifische und be- völkerungsgruppenbezogene (Ausländerinnen und Deutsche) Fertilitätsraten vorgegeben. Dazu wird auf Grundlage des Status Quo, also des historischen Geburtenverhaltens für die Jahre 2014, 2015 und 2016 die Geburtenrate in die Zukunft projiziert. Eine altersspezifische Rate umschreibt dabei die Zahl der Geburten pro 1.000 Frauen im jeweiligen Altersjahr. Um zufällige Schwankungen in einzelnen Jahren der Basisperiode auszugleichen, wird die ge- glättete Geburtenrate nach Altersjahren aus den Jahren 2014 bis 2016 berechnet. Dazu wird ein gleitender Mittelwert aus den gegebenen Raten für die Jahre 2014 bis 2016 ermittelt. Die Glättung erfolgt durch das Entfernen höherer Frequenzanteile. Im Ergebnis wird eine neue Datenpunktmenge erstellt, die aus den Mittelwerten gleich großer Untermengen der ur- sprünglichen Datenpunktmenge besteht, was zu einer Abflachung der Maxima bzw. der Mi- nima führt. Abbildung 20 veranschaulicht den Zusammenhang zwischen historischen Gebur- tenraten und den geglätteten Werten am Beispiel der Fertilität der deutschen Frauen. 34
Abbildung 20: Geburtenraten nach Altersjahrgängen der deutschen Frauen 120 100 80 2014 Geburtenrate Zahl der Geburten 60 2015 Geburtenrate 2016 Geburtenrate 40 2014-2016 Geglättete Geburtenrate 20 0 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37 39 41 43 45 Alter der Mutter bei Geburt Quelle: Melderegister der Stadt Osnabrück (2016), eigene Berechnung Diese wird im gesamten Verlauf des Projektionshorizontes leicht angepasst und führt zu- sammen mit der Besetzung der entsprechenden Altersjahre zur Ermittlung der entsprechen- den Geburtenzahlen in den einzelnen Prognosejahren. Analog geht man bei der Ermittlung der Geburtenrate ausländischer Frauen vor. In Bezug auf die deutschen Frauen ergibt sich eine zusammengefasste Geburtenziffer von 1,2. Die der ausländischen Frauen liegt bei 2,1. Da deutlich mehr deutsche Frauen in der Stadt leben, wird die zusammengefasste Gebur- tenziffer für alle Frauen nur unwesentlich nach oben korrigiert und es ergibt sich ein Wert von 1,3 Kindern pro Frau. Die Unterscheidung der Geburtenraten nach Staatsangehörigkeit wird in der gesamtstädti- schen Projektion mit betrachtet. Zwar gleichen sich Geburtenraten von Ausländerinnen und Deutschen spätestens in der zweiten Generation meistens an, da wie oben und in Kapitel 2.1.1 gezeigt wurde, die Fertilität der ausländischen Frauen im Durchschnitt dennoch höher ist als die der deutschen Frauen, werden hier im weiteren unterschiedliche Quoten ange- nommen. Die signifikant geringere Fruchtbarkeit der Frauen in besonderen biographischen Zusammenhängen und darunter vor allem deren, die sich noch in einem Aus- oder Weiter- bildungsverhältnis befinden, wurde durch die gesonderte Berücksichtigung der Wohnheim- 35
bevölkerung in die Betrachtung miteinbezogen. Dazu wurde das bereits in der Haushaltsge- nerierung bekannte Schätzverfahren verwendet, welches anhand verschiedener Merkmale aus dem Melderegister Wohnheim und Anstaltsbevölkerung identifiziert. Die Wohnheime stellen hier die größte Gruppe, die auch Jugendwohnheim, Mutter-Kind-Wohnen, Behinder- tenwohnheime, Justizvollzugsanstalten, Flüchtlingsunterkünfte u. ä. umfassen. Frauen, die an einer solchen Adresse gemeldet sind, werden bei der Ermittlung der Geburtenzahlen nicht mitbetrachtet. In Osnabrück kam es, wie in vielen Teilen Deutschlands, in den letzten Jahren zu einem leichten Anstieg der Geburtenrate. In Deutschland lag die Geburtenziffer in 2015 jedoch mit 1,5 Kindern je Frau noch immer unter dem europaweiten Durchschnitt und damit weit unter dem Spitzenreiter Frankreich mit 1,96 Kindern je Frau.2 Zwar liegt die zusammengefasste Geburtenziffer für Osnabrück mit 1,3 sogar noch unter dem deutschlandweiten Durchschnitt, trotzdem ist dieser Wert das Ergebnis einer Positiventwicklung, die für eine westdeutsche studentische Großstadt durchaus bedeutsam erscheint. Für die vorliegende Prognose wird deshalb die momentan hohe zusammengefasste Geburtenziffer auch für die Zukunft beibe- halten und nicht weiter nach oben korrigiert. Zwar werden in der Bevölkerungsprognose keine Bevölkerungsgruppenwechsel, sprich Staatsangehörigkeitswechsel von Deutschen und Ausländern betrachtet, die Geburten ma- chen hier jedoch eine Ausnahme. Seit dem 01.01.2000 haben ausländische Eltern, die Mög- lichkeit ihren Kindern bei Geburt eine deutsche Staatsbürgerschaft zu übertragen, wenn ein Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt seit acht Jahren seinen gewöhnlichen rechtmäßigen Auf- enthalt in Deutschland hat und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt. Viele Eltern neh- men diese Option wahr, weshalb eine Quote von 60 % Einbürgerungen bei der Geburt für den gesamten Prognosezeitraum angesetzt wird. Analog zur Berechnung der über mehrere Jahre geglätteten Geburtenraten, geht man bei Ermittlung der geglätteten alters- und geschlechtsspezifischen Sterberaten vor: Nur das die Beschränkung auf die Altersgruppe zwischen 15 und 45 Jahren entfällt und die männlichen Einwohner mitbetrachtet werden. Aus den ermittelten Sterberaten für die Jahre 2014 bis 2016 wird die am Altersjahr geglättete geschlechtsspezifische Sterberate berechnet. Wie in Kapitel 2.1.2 beschrieben, ist eine Unterscheidung der Sterbefälle nach Bevölke- rungsgruppe (deutsch/nicht-deutsch) aufgrund zu geringer Fallzahlen und Spezifika der aus- ländischen Bevölkerungsgruppe wenig sinnvoll. Somit wurden die für die deutsche Bevölke- 2 https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Geburten/Geburten.html 36
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