Grenzüberschreitende Studie und Wissenstransfer Living Vecht-Dinkel

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Grenzüberschreitende Studie und Wissenstransfer Living Vecht-Dinkel
Faculteit der Managementwetenschappen
Centre for Urban Research (CentUR)
Geografie, Planologie en Milieu

1 Dezember 2020

Grenzüberschreitende Studie und
Wissenstransfer Living Vecht-Dinkel
MR03
Von der Planung bis zur Umsetzung
grenzüberschreitender Wasserprojekte
Henk-Jan Kooij
Huub Ploegmakers
Sander Meijerink
Grenzüberschreitende Studie und Wissenstransfer Living Vecht-Dinkel
Dieses Projekt wird mit Mitteln aus dem INTERREG V A-Programm Deutschland-Nederland
gefördert

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Grenzüberschreitende Studie und Wissenstransfer Living Vecht-Dinkel
Vorwort von Breun Breunissen

Die Partner im Vechte-Dinkel-System stehen in den kommenden Jahren vor großen Aufgaben in Bezug
auf Hochwasserschutz, Überflutungen und Wasserknappheit. Schließlich profitieren Landschaft,
Landwirtschaft und Bewohner von günstigen Bedingungen. Allerdings können Interessen
widersprüchlich sein, weshalb es nicht immer einfach ist, Lösungen zu finden.

In den letzten Jahren wurden in den Grenzregionen verschiedene Projekte im Bereich Wasser und
Natur gemeinsam durchgeführt. Aufgrund der Lage des Einzugsgebiets von Vechte und Dinkel gibt es
keine feste Struktur für die Zusammenarbeit innerhalb solcher Projekte, sondern eine Vielzahl von
Behörden und Partnern, die über die Grenzen hinweg kooperieren, um ein natürlicheres,
widerstandsfähigeres Flusssystem zu schaffen. Aus Erfahrung wissen wir inzwischen, dass der Ansatz
nicht immer derselbe ist.

Wie verliefen diese Kooperationen, wer war beteiligt, welche materiellen und finanziellen Ressourcen
standen zur Verfügung? Eine noch wichtigere Frage lautet: Was können wir von diesen bereits
realisierten Projekten im Vechte-Dinkel-System, der Verbindungsachse zwischen den drei Ländern und
fünf Regionen, lernen?

Um Antworten zu finden, hat die Waterschap Drents Overijsselse Delta im Rahmen des INTERREG-
Projekts „Living Vecht-Dinkel” Forscher der Radboud Universität Nijmegen in der Person von Henk-Jan
Kooij, Huub Ploegmakers und Sander Meijerink gebeten, diese Fragen zu untersuchen. Ein Teil der
Aufgabe bestand darin, eine Reihe von Empfehlungen, „Handlungsperspektiven”, zu erarbeiten, die als
Instrumente für die künftige Zusammenarbeit genutzt werden können, um die Vorbereitung und
Durchführung von Projekten zu beschleunigen.

Was mich bei der Studie besonders anspricht, ist die begeisterte und persönliche Einbindung aller
Partner durch Interviews. Aus meiner Sicht ist das der Beginn einer guten Zusammenarbeit. Darüber
hinaus führten die Forscher eine inhaltliche Analyse der Projekte durch, aus der sich ebenfalls viele
Informationen ergaben.

Diese Vorgehensweise hat Früchte getragen, denn für eine erfolgreiche Zusammenarbeit muss man
aus der Vergangenheit Lehren für die Zukunft ziehen. Wenn man sich gut kennt, entsteht eine
Vertrauensbasis.

Als Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der Waterschap Drents Overijsselse Delta kann ich
jedem empfehlen, diesen Bericht und insbesondere die Empfehlungen für die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit zu lesen. Ich freue mich auf eine fruchtbare Zusammenarbeit in den kommenden
Jahren. Nur durch ein gutes Miteinander wird es uns gelingen, diese Herausforderungen, bei denen
wir in zunehmendem Maße aufeinander angewiesen sind, zu meistern. Verantwortung hört nicht an
der Grenze auf.

Breun Breunissen, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der Waterschap Drents Overijsselse
Delta

Zwolle, den 10. Juli 2020

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Grenzüberschreitende Studie und Wissenstransfer Living Vecht-Dinkel
Vorwort von Frank Hüesker

Die Wasserrahmenrichtlinie der EU (EU-WRRL) ist seit 20 Jahren in Kraft und hat mit ihren
ambitionierten Zielen und ihrem Politikmodell viele PraktikerInnen, EntscheidungsträgerInnen und
ForscherInnen lange inspiriert. Viele konkrete Maßnahmenpläne sind dann im Alltag aus
Genehmigungsbürokratie, Finanzierungakquise, klassischen und innovativen Partizipationsformen
einem, oftmals ernüchternden, Realitätscheck unterworfen worden. Die EU-WRRL hat dennoch eine
transformative Dynamik durch das ambitionierte Politikmodell entfacht und dadurch Kernelemente
der Water Governance wie Problemwahrnehmungen, Zielvorstellungen, Instrumentenauswahl usw.
erheblich verändert. Niemand konnte erwarten, dass die hohen Ziele wirklich rechtzeitig
flächendeckend erreicht werden. Aber als sozialwissenschaftliche Wasserforschung am Helmholtz-
Zentrum für Umweltforschung in Leipzig interessieren uns v.a. die systematischen Defizite der
Richtlinie und ihrer Implementation; und in den Jahren 2019 und 2020 konnten wir der Stand der
sozialwissenschaftlichen Forschung hierzu sammeln und ausarbeiten.

Der Abschlussbericht des INTERREG-Projektes Vechte-Dinkel ist m.E. beeindruckend. Er schafft es
unter anderem auf nur 50 Seiten, einerseits kleinteilige Umsetzungsschritte mit ihren Benefits
anschaulich zu beschreiben, diese andererseits konzeptionell solide den vier Dimensionen eines Policy-
Arrangement-Analyserasters zuzuordnen und hieraus weitsichtige und strategisch durchdachte
Rückschlüsse und Handlungsempfehlungen zu ziehen. Die politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen
in zwei Mitgliedstaaten, den Niederlanden und Deutschland, sowie zwei deutschen Bundesländern
(Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen) sind hervorragend aufbereitet. Die Schlussfolgerungen und
die Handlungsperspektiven erfreuen den deutschen Sozialwissenschaftler, der oft eher auf die Defizite
gestoßen wird, weil vorhandene typische Probleme durch pragmatische Vorschläge gelöst werden:
Falls Land am Gewässerrand nicht verfügbar gemacht werden kann, so müssten Maßnahmen eben im
Gewässer umgesetzt werden. Oder: Die Zielerreichung des guten ökologischen Zustandes müsse
bereits vorab pragmatisch berücksichtigen, dass nicht alle geplanten Maßnahmen gelingen werden,
und somit müssten die geplanten Maßnahmen entsprechend überambitioniert sein.

Aus Sicht meiner politikwissenschaftlichen Forschung gibt es nun drei Denkansätze, die für eine
Einordnung und Weiterentwicklung des INTERREG-Projektes in Frage kommen:

    1.) Umgang mit generellen Implementationshürden
    2.) Angemessene Skalierung von Handlungsstrategien
    3.) Geeignete Institutionen zur effektiven Umsetzung

Zu 1.) Im Rahmen der Analyse einer systematischen politikwissenschaftlichen Umfrage unter
Wassermanagementpraktikern und Entscheidungsträgern aus fast allen EU-Mitgliedstaaten in 2020
hat sich eine relativ große Einigkeit der Experten herausgestellt, was die Kernpunkte der
Implementationshürden bei der Wasserrahmenrichtlinie sind: a.) mangelnde Verfügbarkeit von Land;
b.) Mangel an intersektoraler Zusammenarbeit, c.) unzureichende Personalressourcen und d.)
mangelhafte Finanzierung. Diese Kernfragen der Governance der WRRL-Umsetzung scheinen
dementsprechend relativ unabhängig von naturräumlichen Gegebenheiten und lokalen
Rahmenbedingungen zu sein. 1

1
 Zingraff-Hamed, A.; Schröter, B.; Schaub, S.; Lepenies, R.; Stein, U.; Hüesker, F.; Meyer, C.; Schleyer, C.;
Schmeier, S. and Pusch, M.T. 2020. Perception of bottlenecks in the implementation of the European Water
Framework DirectiveWater Alternatives 13(3): 458-483

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Grenzüberschreitende Studie und Wissenstransfer Living Vecht-Dinkel
So sollten die Projektbeteiligten im INTERREG-Projekt sich darüber klar werden können, welche
Probleme die Umsetzung der WRRL generell hat und welche davon hausgemacht sind. Es sollten also
keine Ressourcen „verschwendet“ werden in einem konkreten Flussgebiet für die Überwindung dieser
generellen Hürden, wenn die genannten Bottlenecks der eigentliche Grund für die
Implementationshürde sind.

Zu 2.) Diese führt zu dem zweiten Denkansatz, wie die positiven Ergebnisse der Projektarbeit
strategisch eingeordnet und weiterentwickelt werden könnten. Auf welcher politisch-administrativen
Ebene sollten Entscheidungen getroffen werden, die die Implementation der WRRL erleichtern und
wer sind die Akteure, die mit diesbezüglichen Empfehlungen und Forderungen konfrontiert werden
könnten oder sollten? Die Idee der multiskalaren Strategien wurde von mir mit KollegInnen von der
Leuphana Universität Lüneburg (Jens Newig) und dem IRS Erkner (Timothy Moss) konzipiert, dass
gerade die Umsetzung von EU-Richtlinien den Akteuren die Möglichkeit bietet, vorhandene politisch-
administrative Strukturen dynamisch und zielgerichtet zu überwinden. Es sollte also aus Sicht
politikberatender Wissenschaft vermieden werden, sich in der vorhandenen Akteurskonstellation zu
sehr aufzureiben; sondern den reskalierenden Impetus der EU-Umweltpolitik anzunehmen und
strategisch umzusetzen. Die pragmatische Herangehensweise im Kleinen des Interreg-Projektes, wie
oben beschrieben, könnten beispielsweise im Den Haager Umweltministerium oder in der Brüsseler
Generaldirektion Umwelt Gehör finden, als Vorbild dienen, und mit materiellen oder regulatorischen
Rahmenbedingungen gefördert werden. Dies könnte schneller erfolgsversprechend sein, als daraufhin
zu arbeiten, dass sich zwei deutsche Bundesländer auf eine Gewässerunterhaltungsverbandsstruktur
einigen. Eine Typologie dieser Strategien ist vorhanden und könnte bei Interesse weiter auf die
Bedürfnisse des Projektes angewandt werden. 2

Zu 3) Es fällt auf, generell und bei diesem Projekt, dass Kerninstrumente der WRRL, wie
flussgebietsbezogene Akteure und partizipative Prozesse im Moment wenig thematisiert und
eingefordert werden. Im vorliegenden grenzüberschreitenden Fall mit einem relativ kleinen
Flusseinzugsgebiet ist die Schaffung einer handlungsfähigen Flussgebietsinstitution mit Sicherheit eine
sehr große Herausforderung; und der Bericht zeigt schön, dass bereits das Zusammenbringen der
niederländischen und der deutschen Arbeitskultur aufwendig sein kann. Zudem bleiben mächtige und
sehr effektive Flussgebietsorgansiationen, wie sie vor Jahrzehnten zur Lösung wasserpolitischer
Notlagen in Nordrhein-Westfalen als Sondergesetzliche Wasserverbände institutionalisiert wurden,
eine an strenge Legitimitätsanforderungen geknüpfte Ausnahme. Die sozialwissenschaftliche Literatur
hat im Kontext des international zuletzt anerkannten Paradigmas vom Integrated Water Ressource
Management viele Erkenntnisse zur Effektivität und Legitimität von Flussgebietsakteuren
zusammengetragen. Die Frage jedoch ist, woher hier der politische Wille zur Kompetenzabgabe von
zwei Staaten, zwei Bundesländern usw. zugleich und mit vergleichbaren Zielen kommen sollte.

Also würde ich aus Sicht der sozialwissenschaftlichen Forschung zur WRRL raten, die
Entscheidungsträger auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene zu konfrontieren, und
notwendige Strukturreformen einzufordern, sie dafür mit Projekterfahrungen zu füttern, und so die
wertvollen Projekterfahrungen weiterleben zu lassen. Im Endeffekt ist die Zielerreichung bei den
umweltpolitischen Vorgaben aus Brüssel bindend und am Ende der Fristen 2027 flächendeckend zu
implementieren. Erfolgreiche Pioniere, die die strukturellen Defizite aufzeigen können, werden also
bald sehr gefragt sein. Kontakt: frank.hueesker@ufz.de (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung).

2
 Hüesker, F.; Moss, T.: The Politics of Multi-Scalar Action in River Basin Management: Implementing the EU
Water Framework Directive (WFD). In: Land Use Policy 42 (2015), S. 38-47,
https://doi.org/10.1016/j.landusepol.2014.07.003.

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Grenzüberschreitende Studie und Wissenstransfer Living Vecht-Dinkel
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Grenzüberschreitende Studie und Wissenstransfer Living Vecht-Dinkel
Inhaltsverzeichnis

Vorwort von Breun Breunissen ............................................................................................................... 2
Vorwort von Frank Hüesker .................................................................................................................... 3
1.     Einleitung ......................................................................................................................................... 8
2.     Untersuchungsmethoden und Projektabgrenzung ....................................................................... 10
     2.1      Projekte ................................................................................................................................. 10
3.     Das Gewässersystem von Vechte und Dinkel................................................................................ 11
4.     Zuständige Behörden und formale Regelung ................................................................................ 13
     4.1      Niedersachsen ....................................................................................................................... 13
       4.1.1          Zuständigkeitsverteilung in der Wasserwirtschaft ........................................................ 13
       4.1.2          Zuständigkeitsverteilung im Naturschutz ...................................................................... 14
     4.2      Nordrhein-Westfalen............................................................................................................. 15
       4.2.1          Zuständigkeitsverteilung in der Wasserwirtschaft ........................................................ 15
       Zuständigkeitsverteilung im Naturschutz...................................................................................... 17
     4.3      Niederlande ........................................................................................................................... 18
       4.3.1          Zuständigkeitsverteilung in der Wasserwirtschaft ........................................................ 18
       4.3.2          Zuständigkeitsverteilung im Naturschutz ...................................................................... 19
5.     Ergebnisse: Typologie der Policy-Arrangements für die Flussrenaturierung ................................ 20
     5.1      Typologie der Flussrenaturierungsprojekte .......................................................................... 20
     5.2       Flussrenaturierungsprojekte in Niedersachsen (NI).............................................................. 21
     5.3       Flussrenaturierungsprojekte in Nordrhein-Westfalen (NRW) .............................................. 26
     5.4       Flussrenaturierungsprojekte in den Niederlanden ............................................................... 30
     5.5       Grenzüberschreitende Flussrenaturierungsprojekte ............................................................ 35
6.     Schlussfolgerung............................................................................................................................ 41
     6.1       Akteure .................................................................................................................................. 43
     6.2       Ressourcen ............................................................................................................................ 44
     6.3       (In-) formelle Regeln .............................................................................................................. 45
     6.4       Diskurse ................................................................................................................................. 46
     6.5      Rückschlüsse aus grenzüberschreitenden Projekten ............................................................ 47
7.     Empfehlungen ............................................................................................................................... 48
8.     Handlungsperspektiven ................................................................................................................. 50
Bibliographie.......................................................................................................................................... 52

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Grenzüberschreitende Studie und Wissenstransfer Living Vecht-Dinkel
1. Einleitung

Das Hauptziel des grenzüberschreitenden INTERREG-Projekts Living Vecht-Dinkel ist die
grenzüberschreitende Stärkung der Flüsse Vechte und Dinkel im Bereich der Wasserwirtschaft und der
regionalen Wirtschaft. Dadurch entstehen Flusssysteme, die widerstandsfähiger, robuster und
lebendiger für Mensch und Tier sind. Das Programm unterscheidet die Vechte und die Dinkel als
eigenständige Flüsse: beide Flüsse haben eine eigene Identität, sowohl ins Bezug auf die
Wasserwirtschaft als auch auf die regionale Wirtschaft. Eines der Teilprojekte, das zu dem oben
genannten Hauptziel beitragen kann, betrifft eine grenzüberschreitende Untersuchung und
Wissenstransfer zum Austausch von Erfahrungen, Rahmenbedingungen und Lernpunkten in Bezug auf
die Umsetzung von Projekten der integrierten Wasserwirtschaft in Deutschland und den Niederlanden.
Aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters des Vechte- und Dinkel-Systems gibt es keine
„natürliche” Gouvernance-Struktur, sondern arbeitet eine Vielzahl von Behörden und Partnern
grenzüberschreitend zusammen, um ein natürlicheres Flusssystem zu schaffen. Frühere Studien haben
ergeben, dass es Unterschiede bei den Flussentwicklungsansätzen zwischen den Niederlanden und
den Ländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gibt und dass diese Unterschiede zu anderen
Ergebnissen führen (Bos, 2017; Pergens, 2018). Auf der Grundlage dieser Studien und Untersuchungen
zur Flussentwicklung in anderen Gebieten liegt bereits ein gutes Bild von den Unterschieden in der
allgemeinen Politik und speziell von den Unterschieden bei der Umsetzung der Europäischen
Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) vor (Boezeman, Liefferink, & Wiering, 2019; Renner & Meijerink,
2018; Renner, Meijerink, & van der Zaag, 2018a, 2018b; Wiering, Liefferink, Kaufmann, & Kurstjens,
2018). Es fehlt jedoch ein Einblick in die Herangehensweise an konkrete Umsetzungsprojekte im
Zusammenhang mit der Flussrenaturierung sowie in die Faktoren, die die Umsetzungspraxis
beeinflussen.

Das vorrangige Ziel der Studie ist die Formulierung von Handlungsperspektiven zur Beschleunigung
von Umsetzungsprojekten in den Bereichen Natur und Wasser im Vechte-Dinkel-System. Zur
Formulierung dieser Handlungsperspektiven benötigen wir zuerst einen Einblick in die Erfolgs- und
Misserfolgsfaktoren bei der Umsetzung von Natur- und Wasserprojekten. Dabei kann es sich um
Umsetzungsprojekte im deutschen oder niederländischen Teil des Vechte-Dinkel-Systems oder um
gemeinsame Umsetzungsprojekte an der Grenze handeln. Wir berücksichtigen dabei die gängige
Unterscheidung der Fließgewässertypen (A, B und C in den Niederlanden, 1, 2 und 3 in Deutschland).

Abbildung 1. Policy-Arrangement-Ansatz

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Grenzüberschreitende Studie und Wissenstransfer Living Vecht-Dinkel
Zur Erfassung relevanter Faktoren verwenden wir ein einfaches policy-analytisches Modell, den so
genannten Policy-Arrangement-Ansatz (Van Tatenhove, 2019). Diesem Ansatz zufolge weist ein Policy-
Arrangement vier miteinander verknüpfte Dimensionen auf: (1) Akteure und Koalitionen, (2)
Ressourcen, (3) (in-) formelle Regeln und (4) Diskurse (siehe Abbildung 1). In dieser Untersuchung
verwenden wir diese Dimensionen für die Analyse von Arrangements in Bezug auf die Umsetzung von
Politik. Wichtige Fragen in diesem Zusammenhang lauten: Welche Akteure (und Koalitionen von
Akteuren) sind an der Durchführung von grün-blauen und infrastrukturellen Umsetzungsprojekten
beteiligt, über welche juristischen, finanziellen oder sonstigen Ressourcen verfügen sie, welche
politischen Ideen haben diese Akteure und nach welchen Regeln verläuft die Interaktion zwischen
diesen Akteuren. Die Dimensionen helfen bei der Ordnung der Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren, die
bei der Umsetzung eine Rolle spielen. Die Durchführung eines Projekts kann beispielsweise misslingen,
weil (1) wichtige Akteure nicht beteiligt sind, (2) keine ausreichenden Finanzmittel vorhanden sind, (3)
Akteure andere Ideen über Nutzen, Notwendigkeit oder Priorisierung des Projekts haben oder (4) weil
die Rechtsvorschriften oder die Projektverfahren einer reibungslosen Umsetzung im Wege stehen.

Der Bericht ist wie folgt strukturiert. In Kapitel 2 stellen wir die Methode und den Ansatz vor. In Kapitel
3 erläutern wir das Gewässersystem von Vechte und Dinkel und in Kapitel 4 skizzieren wir den
institutionellen Kontext, da er für die beteiligten Länder und Bundesländer unterschiedlich ist. In
Kapitel 5 präsentieren wir die Ergebnisse der Studie und stellen eine Typologie von Policy-
Arrangements für jedes Land vor. In Kapitel 6 identifizieren wir die Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren
und in Kapitel 7 führen wir unsere Schlussfolgerungen aus. Abschließend werden in Kapitel 8
Empfehlungen zur Verbesserung der Umsetzung von Flussrenaturierungsprojekten präsentiert.

Abbildung 2. Die Dinkel bei Losserzand

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2. Untersuchungsmethoden und Projektabgrenzung

Diese Studie ist qualitativer Natur und basiert auf einer Reihe von Untersuchungsmethoden. Zunächst
wurde eine Sekundäranalyse der vorhandenen Studien und Dokumente durchgeführt. Die Ergebnisse
dieser Analyse wurden daraufhin während eines ersten interaktiven Workshops mit den am Vechte-
Dinkel-Gewässersystem beteiligten Fachleuten diskutiert (siehe Anlage 1). Im zweiten Schritt wurde
eine Reihe halbstrukturierter Interviews mit Fachleuten geführt, die an Flussrenaturierungsprojekten
beteiligt sind (siehe Anlage 2). Diese Interviews waren nach dem Policy-Arrangement-Ansatz
strukturiert und wurden in der Sprache der Befragten geführt (Interviewleitfäden siehe Anlage 3). Von
den Interviews, die mit Zustimmung der Befragten aufgezeichnet wurden, wurde ein Protokoll erstellt,
das den Befragten zur Genehmigung vorgelegt wurde. Darüber hinaus wurden die Interviews wörtlich
transkribiert. Diese Protokolle und Transkripte wurden anschließend unter Anwendung des Policy-
Arrangement-Ansatzes analysiert und je Projekt strukturiert. Für jede Art von
Flussrenaturierungsprojekt wurden Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren je Land ermittelt. Die Ergebnisse
dieser Analyse wurden in einem zweiten interaktiven Workshop vorgestellt, in dem die Teilnehmer
auf die Untersuchungsergebnisse reagierten (siehe Anlage 4). Die endgültigen Ergebnisse wurden in
diesem Untersuchungsbericht niedergelegt.

2.1 Projekte

Auf der Grundlage der Sekundäranalyse und des ersten interaktiven Workshops wurde eine Reihe von
Organisationen und Projekten zur Abgrenzung der Studie identifiziert. In der anschließenden Übersicht
wird für die einzelnen Organisationen aufgeführt, welche Projekte untersucht wurden.
Grenzüberschreitende Projekte sind gemeinsame Projekte, die in der Übersicht nur ein einziges Mal
aufgeführt werden, und zwar in Kursivschrift.

Landkreis Grafschaft Bentheim (NI)                    Borken – Gronau (NRW)

    •   Altarm 33 Vechte                                  •   Dinkel (Epe)
    •   Grenzmäander Vecht(e) (mit NL)                    •   Heek
    •   Eileringsbecke                                    •   Fischtreppe Ramsdorf
    •   Rammelbecke
                                                      Waterschap Drents Overijsselse Delta (NL)
NLWKN (NI)
                                                          •   Ontstening Vecht
    •   Vechtewehr Schüttdorf                             •   Groene geul Vechterweerd
    •   Stau Grasdorf                                     •   Nevengeul Vilsteren
    •   Frenswegen
    •   Quendorf
                                                      Waterschap Vechtstromen (NL)

                                                          •   Glanerbeek (mit NRW)
Steinfurt (NRW)
                                                          •   Dinkel Noord (Losser) (mit NRW)
    •   Frischhofsbach                                    •   Rammelbeek (Gele beek)
    •   Metelen                                           •   Grenzmäander (mit NI)

                                                 10
3. Das Gewässersystem von Vechte und Dinkel

                                                                Coevorden

                                        Vecht
                                                                                Nordhorn
                                                            Almelo

                                                                             Gronau
                                                                                          Steinfurt

                                                                     Dinkel
Die Flüsse Vechte und Dinkel gehören zur internationalen Flussgebietseinheit Rhein und werden
regional dem Bearbeitungsgebiet Deltarhein-Ost zugeteilt (Ministerie van Verkeer en Waterstaat,
2008). Beide Flüsse entspringen in Nordrhein-Westfalen. Im weiteren Verlauf fließt die Dinkel durch
die niederländische Region Twente in der Provinz Overijssel und überquert anschließend die Grenze
zu Niedersachsen, um letztlich bei Neuenhaus in die Vechte zu münden. Die Vechte überquert bei Laar
die Grenze zu den Niederlanden und mündet schließlich als Overijsselse Vecht nördlich von Zwolle in
das Zwarte Water, das wiederum in das IJsselmeer mündet. Die Vechte und Dinkel sind Regen geprägte
Flüsse, die gegenwärtig ein wechselhaftes Abflussregime mit großen Abflussdifferenzen im Sommer
und Winter aufweisen.

Bis zum Mittelalter hatten beide Flüsse aufgrund der Schwammwirkung der umgebenden
Torflandschaft ein weniger wechselhaftes Abflussregime. Nachdem diese Hochmoore und Sümpfe
weitgehend in Ackerland umgewandelt worden waren, verringerte sich die Speicherkapazität der
Landschaft und es entstanden höhere Scheitelabflüsse. In der Folge wurden die Flüsse aktiver und
verursachten mehr Erosion. Zur Verringerung der Erosion landwirtschaftlicher Nutzflächen wurde
Wasserwirtschaft betrieben, zum Beispiel durch den Bau von Buhnen und Kais. Darüber hinaus wurden
im Zuge der Industrialisierung Kanäle für den Transport auf dem Wasserweg gebaut und wurde die
Vechte kanalisiert. Im Rahmen der Kanalisierung der Vechte wurden um 1910 sieben Wehre gebaut,
um den Wasserstand zu regulieren (Kouwen, 2015; Waterschap Vechtstromen, 2017). Auch in den
deutschen Abschnitten der Vechte und der Dinkel wurden zur Kultivierung von Torf- und Moorflächen
Eingriffe in das Gewässersystem vorgenommen (Patt, 2016, S. 186). Im Einklang mit dem Emslandplan
von 1950 wurden die Flüsse kanalisiert, Talgräben angelegt und acht Wehre zur Regulierung des
Wasserstands gebaut (NLWKN, 2013).

                                                11
In den letzten Jahrzehnten wurden jedoch Anstrengungen zur Wiederherstellung natürlicher
Flussprozesse unternommen, die durch politische Prozesse wie die WRRL, aber auch durch die
informelle grenzüberschreitende Vechtetal-Strategie vorangetrieben wurden. Diese Strategie wurde
gemeinsam von Behörden auf beiden Seiten der Grenze ausgearbeitet und enthält folgendes
Zukunftsbild für die Vecht:

„Unter unveränderter Gewährleistung von Hochwasserschutz- und Vorflutfunktionen soll die Vechte in
geeigneten Abschnitten den Charakter eines lebendigen, naturnahen Flachlandflusses zurückerhalten.
Dieser lebendige Flachlandfluss bekommt dort, wo dies möglich ist, die Gelegenheit, in Auen und
Überschwemmungsgebieten frei zu strömen. Dies beinhaltet auch typische Flussprozesse wie
Mäandrierung, Sedimentation, Erosion und sichtbare Strömung.” (Vechtetal-Strategie, 2009, S. 4).

Obwohl die Vechtetal-Strategie informell ist und nicht von allen Entscheidungsträgern politisch
genehmigt wurde, spielt sie eine wichtige Rolle bei der Vernetzung der Partner und dient sie als
Leitlinie für konkrete Projekte im Gewässersystem der Vechte (Pergens, 2018). Es gibt keine
grenzüberschreitende Strategie für die Dinkel. Im Rahmen der nationalen politischen Programme wird
jedoch an beiden Flüssen an der Renaturierung gearbeitet (Bressers & Bressers, 2017; Vechtvisie,
2009).

Abbildung 3. Die Dinkel zwischen Tilligte (NL) und Lattrop (NL)

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4. Zuständige Behörden und formale Regelung

Um zu verstehen, welche Parteien an Projekten beteiligt sind, ist es unerlässlich, formale
Zuständigkeiten zu unterscheiden. Die Behörden, die in den Bereichen Wasserwirtschaft, Naturschutz
und Flussentwicklung tätig sind, werden nach den Rechtsvorschriften in den Niederlanden und den
beiden deutschen Bundesländern benannt. Infolgedessen unterscheiden sich die zuständigen
Behörden von Land zu Land. Die beiden Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sind
Teil eines föderalistischen Regierungssystems mit vielen Verwaltungsebenen und daher liegen die
Zuständigkeiten bei unterschiedlichen Behörden. Zunächst werden die Zuständigkeiten in den beiden
Bundesländern behandelt und anschließend die Zuständigkeiten in den Niederlanden.

Abbildung 4. Föderalistisches System in Deutschland (Quelle: devecht.eu, 2009)

4.1 Niedersachsen

4.1.1 Zuständigkeitsverteilung in der Wasserwirtschaft

In Niedersachsen sind verschiedene Akteure in der Entwicklung und Umsetzung von Projekten tätig.
Dies richtet sich nach der jeweiligen Zuständigkeit für den Wasserkörper. In Niedersachsen wird
zwischen Gewässern erster, zweiter und dritter Ordnung unterschieden (Niedersächsisches
Wassergesetz, 2010). Die Zuständigkeit für diese einzelnen Kategorien ist auf verschiedene Parteien
aufgeteilt. Gewässer erster Ordnung fallen unter das Land Niedersachsen, Gewässer zweiter Ordnung
unter die Unterhaltungsverbände (UVB) und Gewässer dritter Ordnung fallen unter die Zuständigkeit
der Grundstückseigentümer (Ausnahmen siehe § 69 Niedersächsisches Wassergesetz, 2010). Während
die Unterhaltungspflicht für die Gewässer erster und dritter Ordnung bei den jeweiligen Eigentümern
der Gewässer liegt, müssen die Gewässer zweiter Ordnung grundsätzlich von den
Unterhaltungsverbänden unterhalten werden. Die Vechte und Dinkel fallen im Prinzip unter die zweite
Kategorie, nach § 67 des Wassergesetzes wurden sie jedoch dem Land Niedersachsen übertragen
(nach Anlage 7 des Niedersächsischen Wassergesetzes). In der Praxis werden diese Aufgaben vom
Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN)
wahrgenommen. Zuvor fielen diese Zuständigkeiten unter die Bezirksregierung. Mit der Abschaffung
der Bezirksregierungen im Jahr 2004 wurden die Aufgaben über verschiedene Behördenabteilungen
verteilt.

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Zuständigkeit für die Bewirtschaftung, Unterhaltung und Entwicklung der Wasserkörper

Der NLWKN ist nach dem Wassergesetz für die Entwicklung und Unterhaltung der Vechte und Dinkel
in Niedersachsen zuständig. Ursprünglich fiel diese Aufgabe unter die Zuständigkeit des
Vechteverbands, aber angesichts der Größe des Flusses und seines grenzüberschreitenden Charakters
wurde dem NLWKN die Verantwortung übertragen. Der NLWKN ist Eigentümer des Flusses und kann
eigenständig Projekte entwickeln. Er ist auch für die Umsetzung der WRRL-Maßnahmen an diesen
Flüssen verantwortlich (Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG). Der wichtigste Wasserkörper in diesem
Zusammenhang ist die Vechte.

Der Unterhaltungsverband Vechteverband ist für die Bewirtschaftung und Unterhaltung der Gewässer
zweiter Ordnung, mit Ausnahme von Dinkel und Vechte, zuständig. Wer genau für die Umsetzung der
WRRL in den Gewässern zweiter Ordnung verantwortlich ist, kann nicht geklärt werden, denn es ist
unklar, ob diese Maßnahmen unter die Wasserwirtschaft oder Naturentwicklung fallen (Reese et al.,
2018, p. 76). Die Verantwortung für den Hochwasserschutz liegt grundsätzlich bei den Kommunen.

Zuständigkeit für Genehmigungserteilung und Aufsicht im Bereich der Wasserwirtschaft

Für die Genehmigungserteilung gibt es verschiedene Zuständigkeitsebenen, ähnlich wie bei der
Einteilung in Gewässerkategorien für die Unterhaltung und Bewirtschaftung. Die zuständigen
Behörden sind in folgende Ebenen unterteilt:

•   Die oberste Wasserbehörde ist das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und
    Klimaschutz (MU). In der Praxis wurden viele Aufsichts- und Durchsetzungsaufgaben an den
    NLWKN delegiert.
•   Die Kreise, die kreisfreien Städte und die großen kreisfreien Städte übernehmen die Aufgaben der
    unteren Wasserbehörden. Im Falle des Vechte-Dinkel-Systems ist dies der Landkreis Grafschaft
    Bentheim (LGB).

4.1.2 Zuständigkeitsverteilung im Naturschutz

Neben den Regelungen und Zuständigkeiten für die Wasserwirtschaft gelten für die im Vechte-Dinkel-
System tätigen Parteien die Rechtsvorschriften zum Naturschutz (Niedersächsisches
Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz (NAGBNatSchG), 2010). Die Hierarchie ähnelt der
im Wassergesetz festgelegten Struktur:

•   Die oberste Naturschutzbehörde ist das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und
    Klimaschutz (MU). In der Praxis wurden viele Aufsichts- und Durchsetzungsaufgaben an den
    NLWKN (Fachbehörde für Naturschutz) delegiert.
•   Die Kreise, die kreisfreien Städte und die großen kreisfreien Städte übernehmen die Aufgaben der
    unteren Naturschutzbehörden. Im Falle des Vechte-Dinkel-Systems ist dies der Landkreis
    Grafschaft Bentheim (LGB). Aufgabe der unteren Naturschutzbehörde ist die nachhaltige
    Sicherung und Entwicklung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, der Pflanzen- und Tierwelt,
    der Nutzbarkeit der Naturgüter sowie der Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und
    Landschaft.

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4.2 Nordrhein-Westfalen

4.2.1 Zuständigkeitsverteilung in der Wasserwirtschaft

Auch im Land Nordrhein-Westfalen sind viele verschiedene Behörden an der Entwicklung und
Umsetzung von Projekten beteiligt. Im Gegensatz zu Niedersachsen gibt es in NRW auch weiterhin die
Verwaltungsebene der Bezirksregierung. Die Zuständigkeit richtet sich nach dem Wasserkörpertyp,
und es wird ebenfalls zwischen Gewässern erster und zweiter Ordnung sowie sonstigen Gewässern
unterschieden (Landeswassergesetz – LWG, 1995). Die Gewässer erster Ordnung fallen unter das Land
NRW, die Gewässer zweiter Ordnung unter die Bezirksregierung und die sonstigen Gewässer fallen
unter die Zuständigkeit der Grundstückseigentümer. Die Eigentumsverhältnisse lassen sich
folgendermaßen darstellen: Die Gewässer erster Ordnung sind Eigentum des Landes. Bildet ein
Gewässer zweiter Ordnung oder ein sonstiges Gewässer kein selbstständiges Grundstück, ist es
Bestandteil der Ufergrundstücke und gehört deren Eigentümern. Seit der Wassergesetzreform wird
die Dinkel den Gewässern zweiter Ordnung zugeordnet und fällt unter die Zuständigkeit der
Bezirksregierung Münster (Landeswassergesetz – LWG, 2016). Die Unterhaltung der sonstigen
Wasserläufe wie Bäche wird von zahlreichen Wasser- und Bodenverbänden durchgeführt (alleine im
Kreis Borken bereits 29, siehe hier).

Zuständigkeit für die Bewirtschaftung, Unterhaltung und Entwicklung der Wasserkörper

Seit dem Jahr 2016 liegt die Verantwortung für die Umsetzung der WRRL an der Dinkel bei der
Bezirksregierung Münster. Projekte aus der Vorperiode, die von den Kreisen begonnen wurden,
werden weiterhin von den Kreisen durchgeführt oder abgeschlossen. Projekte an Gewässern zweiter
Ordnung mit den Unterhaltungsverbänden fallen nun auch in die Zuständigkeit der Bezirksregierung.

Die Kommunen sind jedoch für die Umsetzung der WRRL an den sonstigen Gewässern zuständig. Im
Kreis Borken wurde diese Zuständigkeit den Unterhaltungsverbänden oder Wasser- und
Bodenverbänden übertragen. Da sie für die Durchführung von Projekten aber oftmals zu klein sind,
werden Städte und Gemeinden auch in die Umsetzung der WRRL eingebunden. Die Verantwortung für
den Hochwasserschutz liegt grundsätzlich bei den Kommunen.

In NRW werden WRRL-Maßnahmen im Rahmen von so genannten „Runden Tischen” diskutiert, in
denen sich verschiedene Akteure wie Vertreter von Städten, Gemeinden, Unterhaltungsverbänden,
aus der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, von Naturschutzorganisationen und aus der
Wirtschaft sowie andere Wassernutzer über die Umsetzung der WRRL austauschen können.
Anschließend wurden die Grundzüge der Maßnahmen für jeden Kreis ab 2012 im Umsetzungsfahrplan
festgelegt (siehe Abbildung 5).

Zuständigkeit für Genehmigungserteilung und Aufsicht im Bereich der Wasserwirtschaft

Für die Genehmigungserteilung gibt es verschiedene Zuständigkeitsebenen, ähnlich wie bei der
Einteilung in Gewässerkategorien für die Unterhaltung und Bewirtschaftung. Die zuständigen
Behörden sind in folgende Ebenen unterteilt:

                                               15
•   Die oberste Wasserbehörde ist das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und
    Verbraucherschutz (MULNV). Als höchste staatliche Behörde ist das MULNV für die Umsetzung der
    WRRL verantwortlich. Es erstellt und veröffentlicht den Bewirtschaftungsplan und das
    Maßnahmenprogramm und führt die erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung durch.
•   Die Kreise, die kreisfreien Städte und die großen kreisfreien Städte übernehmen die Aufgaben der
    unteren Wasserbehörden. Im Falle der Dinkel sind dies die Kreise Borken und Steinfurt. Im Rahmen
    der ihnen nach Artikel 93 des Landeswassergesetzes NRW obliegenden Gewässeraufsicht müssen
    sie insbesondere dafür sorgen, dass die im Wassergesetz verankerten Bewirtschaftungsziele
    (Artikel 27 bis 31) in den Gewässern, die in ihre Zuständigkeit fallen, nämlich sonstige Gewässer,
    eingehalten werden.

Abbildung 5. Ausschnitt aus dem Umsetzungsfahrplan 2012 bei Gronau (Quelle: Kreis Borken, 2020)

                                                         16
Zuständigkeitsverteilung im Naturschutz

Neben den Regelungen und Zuständigkeiten für die Wasserwirtschaft gelten für die im Vechte-Dinkel-
System tätigen Parteien auch die Rechtsvorschriften im Bereich des Naturschutzes
(Landesnaturschutzgesetz – LNatSchG NRW). Die Hierarchie ist mit der Hierarchie in Niedersachsen
vergleichbar, mit Ausnahme der Bezirksregierung als Mittelbehörde:

   •   Die oberste Naturschutzbehörde ist das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und
       Verbraucherschutz.
   •   Die Regierungsbezirke als Mittelbehörde sind für die Durchführung der oberen
       Naturschutzbehörde zuständig.
   •   Die Kreise, die kreisfreien Städte und die großen kreisfreien Städte übernehmen die Aufgaben
       der unteren Naturschutzbehörden. Im Falle des Vechte-Dinkel-Systems sind dies in NRW die
       Kreise Steinfurt und Borken. Aufgabe der unteren Naturschutzbehörde ist die nachhaltige
       Sicherung und Entwicklung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, der Pflanzen- und
       Tierwelt, der Nutzbarkeit der Naturgüter sowie der Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur
       und Landschaft.

                                                17
4.3 Niederlande

4.3.1 Zuständigkeitsverteilung in der Wasserwirtschaft

Die Niederlande haben ebenfalls ein hierarchisches System, in dem die nationalen Gewässer in die
Zuständigkeit der Zentralregierung fallen. Die oberste niederländische Straßen- und
Wasserbaubehörde, Rijkswaterstaat, ist damit eine wichtige ausführende Behörde für die
Bewirtschaftung,      Unterhaltung    und    Entwicklung    von    Gewässern        und     primären
Hochwasserschutzanlagen. Rijkswaterstaat hat die Bewirtschaftung der Overijsselse Vecht im Jahr
2005 der ehemaligen Waterschap Velt en Vecht (jetzt: Waterschap Vechtstromen) - von der Grenze
bis Ommen - und der Waterschap Groot Salland (jetzt: Waterschap Drents Overijsselse Delta) - von
Ommen bis zum Abfluss in das Zwarte Water – übertragen. Die Provinz Overijssel ist für die Umsetzung
der nationalen Wasserpolitik in regionale Maßnahmen verantwortlich. In der Folge ist die Waterschap
(Wasserverband) die wichtigste Behörde, wenn es um die regionale Wasserwirtschaft einschließlich
Hochwasserschutz geht (Havekes, Dekking, Wensink, & Zwagemakers, 2019). Im Falle der Vechte sind
dies die Waterschap Drents Overijsselse Delta (WDOdelta) und die Waterschap Vechtstromen und im
Falle der Dinkel nur die Waterschap Vechtstromen. Das Niedrigwasserbett der Flüsse und der meisten
Bäche ist Eigentum der Waterschappen, während das Hochwasserbett Privatpersonen und
Verwaltungsorganisationen wie Staatsbosbeheer (Forstbehörde) gehören kann.

Die Zentralregierung setzt die WRRL in nationale politische Ansätze, Rahmenbedingungen und
Instrumente um. Der Minister für Infrastruktur und Umwelt ist letztlich für die Umsetzung der WRRL
verantwortlich, aber die Erreichung der angestrebten Ziele ist weiterhin eine gemeinsame
Verantwortung aller Verwaltungsorgane, die in der niederländischen Wasserwirtschaft tätig sind. Die
Waterschap legt fest, welche Ziele für die Wasserkörper der WRRL gelten und welche Maßnahmen
erforderlich sind, um sie zu erreichen. Die Provinzen legen dann die ökologischen Ziele für die WRRL-
Gewässer fest. Die Waterschappen setzen die WRRL-Maßnahmen für die WRRL-Gewässer in ihrem
Einzugsgebiet um. Die Maßnahmen für die WRRL müssen weitgehend mit anderen Richtlinien wie der
Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie (HWRM-RL) und Natura 2000 (N2000) koordiniert werden.
Im Vechte-Dinkel-System ist das Programm „Ruimte voor de Vecht” das wichtigste
Umsetzungsprogramm für u.a. Flussrenaturierungsprojekte, in dem die Provinz, die Waterschappen
und andere Partner zusammenarbeiten.

Abbildung 6. Hierarchische Struktur der niederländischen Wasserpolitik (Quelle: Havekes, et al., 2019)

                                                             18
4.3.2 Zuständigkeitsverteilung im Naturschutz

Europäische Richtlinien und andere Naturschutzgesetze sind seit 2017 im Wet Natuurbescherming
(Naturschutzgesetz) geregelt. Es regelt auch den Schutz von Natura 2000-Gebieten. Dieses Gesetz zielt
auf die Dezentralisierung des Naturschutzes ab. In diesem Sinne ist die Zentralregierung grundsätzlich
für internationale Naturabkommen zuständig und bestimmen die Provinzen letztlich ihre eigene
Naturpolitik auf der Grundlage dieser übergreifenden Vorschriften. Mithilfe des Abschnitts zum
Artenschutz im Naturschutzgesetz schützt die Provinz die in diesem Gesetz festgelegten Pflanzen- und
Tierarten. Die Provinzen können auch zusätzliche Maßnahmen im Rahmen des Natuurnetwerk
Nederland (nationales Naturnetzwerk) ergreifen.

Die Provinzen sind bei den Entwicklungsaufgaben für Natura 2000-Gebiete maßgeblich. In der Provinz
Overijssel sind dies die Uiterwaarden Zwarte Water en Vecht (36), Vecht- en Beneden-Reggegebied
(39) und das Gebiet Dinkelland (49), das aus dem Dinkelbachtal und einer Reihe von Nebenbächen
besteht. Für die Umsetzung des nationalen Naturnetzwerks sowie der Ziele der WRRL und von Natura
2000 wird in Overijssel im Rahmen des 2013 unterzeichneten Programms „Samen werkt beter” (siehe
hier) zusammengearbeitet. Weil die Aufgaben von Natura 2000 und WRRL kombiniert werden, ist die
Waterschap Vechtstromen federführend für drei Natura-2000-Gebiete in der Provinz Overijssel:
Dinkeldal, Vecht und Regge.

Abbildung 7. Fischtreppe in der Steinfurter Aa beim Schloss Burgsteinfurt

                                                             19
5. Ergebnisse: Typologie der Policy-Arrangements für die
   Flussrenaturierung

5.1 Typologie der Flussrenaturierungsprojekte

Die Analyse zeigt, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, an Renaturierungsprojekten im
Gewässersystem von Vechte und Dinkel zu arbeiten. Neben der Größe eines Projekts (Entwicklung des
gesamten Baches/Flusses oder von bestimmten Abschnitten) kann nach dem Akteur unterschieden
werden, der für den betreffenden Teil des Gewässersystems hauptverantwortlich ist. Dadurch
entsteht eine allgemeine Typologie von Projekten mit einer klaren Hierarchie, die sich aus der Ordnung
des Gewässersystems ableitet:

1. Projekte im Niedrigwasserbett des Flusses

2. Projekte in den Flussauen oder Flächen am Fluss

3. Projekte in Bächen

4. Projekte in Gräben

Diese Projekte können national sein, sie können aber auch eine grenzüberschreitende Dimension
haben, was den Charakter des Projekts verändert. In den folgenden Abschnitten wird eine Typologie
von Projekten pro Land nach dem Policy-Arrangement-Ansatz ausgearbeitet.

Die Faktoren, die bei der Verzögerung oder Beschleunigung von Projekten eine bedeutende Rolle
spielen, wurden auf der Grundlage der Interviews und Workshops bewertet. Faktoren, die zur
Umsetzung von Projekten beitragen, sind grün gekennzeichnet. Faktoren, die zu Verzögerungen
führen, sind rot gekennzeichnet. Faktoren, deren Einfluss sich in beide Richtungen entwickeln kann
und deren Richtung stark von der konkreten Ausarbeitung abhängt, sind orange gekennzeichnet.

Abbildung 8. Vechte in der Nähe von Laar (Deutschland)

                                                         20
5.2 Flussrenaturierungsprojekte in Niedersachsen (NI)

Die allgemeine Typologie der Fluss- und Bachrenaturierungsprojekte in Niedersachsen umfasst
Projekte im Hauptstrom (Niedrigwasserbett), in den Flussauen (Hochwasserbett) und am Bachlauf
(Gewässer zweiter Ordnung). Projekte an Gräben sind selten, da die Landbesitzer von einer guten
Entwässerung profitieren (siehe Tabelle 1).

Der Träger von Projekten richtet sich nach der gesetzlichen Zuständigkeit aufgrund des
Niedersächsischen Wassergesetzes. Flussrenaturierungsprojekte innerhalb des Niedrigwasserbetts
fallen unter die Zuständigkeit des NLWKN, der auch für die Umsetzung der WRRL verantwortlich ist.
Flussrenaturierungsprojekte im Hochwasserbett der niedersächsischen Vechte werden in der Regel
vom Landkreis, in diesem Fall vom Landkreis Grafschaft Bentheim (LGB), mithilfe der
Naturschutzstiftung Bentheim durchgeführt. Die Flächen im Hochwasserbett des Flusses werden
überwiegend landwirtschaftlich genutzt und weisen aufgrund der Hochwassergefahr keine Bebauung
auf. Bäche unterstehen der Verantwortung des Unterhaltungsverbands (UVB), in diesem Fall des
relativ großen Vechteverbands.

  Projekttyp               Verantwortlicher      Formelle und        Diskurse        Ressourcen
                           Akteur                informelle Regeln

  Niedrigwasserbett        NLWKN                 Wassergesetz NI     Maßnahmen-      Flächen im Besitz des
                                                                     konzept 2013    Fürsten zu Bentheim,
  Beispiel:    Vechte                            WRRL                                Nutzung im Rahmen
  Quendorf                                                                           einer Vereinbarung mit
                                                                                     NLWKN

                                                                                     Eigene Finanzmittel
                                                                                     und Land NI

  Hochwasserbett           Landkreis             Wassergesetz NI     Ausgleich       Flächenerwerb durch
                           Grafschaft                                wirtschaftl.    Ausgleich
  Beispiel: Quendorf       Bentheim              Naturschutzgesetz   Entwicklungen
                                                 NI                                  90.000 € DBU-
  2003-2008                Naturschutz-                              Entwicklungs-   Förderung
                           stiftung Bentheim     Ausgleichs-         konzept 1998
                                                 maßnahmen

                                                 Ökopunkte

  Bäche                    Vechteverband         Wassergesetz NI     Umdenken vom    65 % POP3-Förderung
                                                                     Emslandplan
  Beispiel:                                      Genehmigungs-       zur Bach-       25 % Landesmittel NI
  Eileringsbecke                                 antrag beim NLWKN   renaturierung   10 % Eigenanteil
  2011-2012

  Gräben                   Landeigentümer        Wassergesetz NI     Entwässern      Eigene Mittel

Tabelle 1. Typologie der Projekte in Niedersachsen

                                                          21
Projektbeispiel Hochwasserbett Niedersachsen: Quendorf (NLWKN)
    Der Träger von Projekten richtet sich nach der gesetzlichen Zuständigkeit nach dem Niedersächsischen
    Wassergesetz. Flussrenaturierungsprojekte innerhalb des Niedrigwasserbetts der Vechte beruhen auf
    der Zuständigkeit für die WRRL und einem Maßnahmenprogramm aus dem Jahr 2013 (NLWKN, 2013).
    Finanzielle Mittel für Projekte stammen aus dem Haushalt des NLWKN und aus dem Haushalt des
    Landes Niedersachsen. Die benötigten Flächen sind zwar im Besitz des Großgrundbesitzers Fürst zu
    Bentheim und Steinfurt, der NLWKN kann dieses Land jedoch auf der Grundlage einer zwischen den
    beiden Parteien geschlossenen Vereinbarung nutzen. Das hydrologische Modell, das zeigt, dass kein
    größeres Überflutungsrisiko besteht, ist wichtig, um das Vertrauen der Anwohner zu gewinnen (siehe
    grüne Elemente des unten stehenden Policy-Arrangements in Abbildung 10 )

    Abbildung 9. Maßnahmenplan Vechte bei Quendorf (NLWKN, 2019)

                         Ressourcen

                         •   Vechte wird vom NLWKN bewirtschaftet
                         •   Land an der Vechte, Eigentum des Fürsten zu
                             Bentheim
                         •   Finanzmittel Maßnahmen aus eigenem Haushalt
                             und Zuschuss des Landes Niedersachsen

                                                    Akteure

                                                    •    NLWKN und Fürst zu Bentheim (über
                                                         Vereinbarung)
                                                    •    Naturschutzstiftung LGB (Pächter)

(In-) formelle Regeln                                     Diskurse

•      zuständig nach Naturschutz-/Wassergesetz           •      Maßnahmenkonzept 2013
•      Umsetzung WRRL durch NLWKN für das                 •      Projektbeispiel Umdenken Emslandplan ->
       Land Niedersachsen                                        Flussrenaturierung
                                                          •      Vertrauen (auch mithilfe des hydrologischen Modells)
    Abbildung 10. Policy-Arrangement Vechte bei Quendorf NLWKN

                                                           22
Projektbeispiel Hochwasserbett Niedersachsen: Quendorf
Im Hochwasserbett der Vechte bei Quendorf, zwischen Schüttorf und Nordhorn, wurde zwischen 2000
und 2008 ein Projekt durchgeführt, bei dem ca. 20 ha aus der üblichen landwirtschaftlichen Nutzung
genommen und ökologisch entwickelt wurden. Es gibt mehrere Faktoren, die zur erfolgreichen
Umsetzung dieses Projekts beigetragen haben (siehe grüne Elemente des unten stehenden Policy-
Arrangements in Abbildung 13).

Abbildung 11. Ausschnitt aus dem Entwicklungskonzept Vechteaue (1998)

Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist das gesetzliche Ausgleichssystem, das mit so genannten Ökopunkten
arbeitet. Der diesem System zugrundeliegende Diskurs ist die in Deutschland allgemein akzeptierte
Auffassung, dass wirtschaftliche Entwicklungen, die die Natur und Landschaft negativ beeinflussen,
kompensiert werden sollten; diese Vorgabe ist im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) verankert. Die
Behörden in Deutschland können selbst entscheiden, in welchem Umfang sie davon Gebrauch
machen. Im Projekt Quendorf hat die Naturschutzstiftung des Landkreises Grafschaft Bentheim (LGB)
über 100 ha Land in den Vechteauen erworben. Die Naturschutzstiftung tat dies gemeinsam mit den
Städten Schüttorf und Nordhorn, da beide Städte auch Raum für Ausgleichsmaßnahmen benötigten.
Der BUND stellte die Kontakte zu den Landwirten her, die Land verkaufen wollten. Die Landwirte waren
bereit, diese feuchten Flächen an der Vechte zu tauschen oder zu verkaufen, da diese Gebiete oft
überschwemmt werden und aus landwirtschaftlicher Sicht weniger interessant sind. Die finanziellen
Mittel für den Flächenkauf stammen aus dem Ökokonto der Naturschutzstiftung und der Städte. Da es
für einzelne Wirtschaftsprojekte schwierig ist, einen guten Ausgleich zu schaffen, bietet die
Naturschutzstiftung als „Dienstleistung” Ökopunkte zum Verkauf an. Die Naturschutzstiftung
„verdient” Ökopunkte mit der Entwicklung neuer Natur. Das Besondere an diesem Projekt ist, dass der
LGB und die Städte Schüttorf und Nordhorn die strategische Entscheidung getroffen haben, diese
Punkte im Vechtetal zu realisieren, angeregt durch das Entwicklungskonzept Vechteaue des BUND aus
dem Jahr 1998 (siehe Abbildung 11).

                                                        23
Abbildung 12. Angelegte Blänke in der Nähe der Vechte

                                   Ressourcen

                                   •    21 ha Fläche über Ökopunktesystem
                                   •    Naturschutzstiftung im gleichen
                                        Gebäude wie Abt. Wasser & Natur
                                        (Genehmigungserteilung)
                                   •    90.000 € Förderung DBU

                                                        Akteure

                                                        •        Naturschutzstiftung LGB
                                                        •        Stadt Schüttorf / Nordhorn
                                                        •        BUND (NLWKN)
                                                        •        Abt. Genehmigung/Aufsicht LGB

     (In-) formelle Regeln                                         Diskurse

     •    zuständig nach Naturschutz-/Wassergesetz                 •   Diskurs: Ausgleich wirtschaftlicher Entwicklungen
     •    gesetzlicher Ausgleich (Ökopunkte)                       •   Plan: Entwicklungskonzept Vechteaue (1998)
                                                                   •   Poolbildung für Naturentwicklung an der Vechte

Abbildung 13. Policy-Arrangement Projekt Vechte bei Quendorf

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Projektbeispiel Bäche in Niedersachsen: Eileringsbecke
    In der Eileringsbecke, einem Nebenbach der Vechte südöstlich von Bad Bentheim, wurde zwischen
    2011 und 2012 ein Projekt zur Verbesserung der Bachstruktur und Bachdynamik durchgeführt. Über
    eine Länge von 1250 Metern wurden im Profil des Baches Strömungslenker eingebaut und Kiesbänke
    angelegt, zusammen mit Buhnen und Totholzeinbau (siehe Abbildung 14). Die Kosten dieses Projekts
    waren mit 40.000 € gering, allerdings wurden auch etwa 360 Arbeitsstunden von freiwilligen Helfern
    geleistet. Nicht zuletzt wegen der geringen Kosten, aber auch wegen der kurzen Durchführungszeit
    kann dieses Projekt als Erfolg gelten. Während der Bestandsaufnahme im Jahr 2014 wurden mehrere
    neue Fischarten im Bach erfasst, die es vor dem Jahr 2012 nicht in der Eileringsbecke gab (u.a.
    Gründling, Hasel, Bachschmerle, Aal und Hecht). Der Erfolg des Projekts ist insbesondere auf die
    Zusammensetzung der kooperierenden Partner zurückzuführen. An dieser Zusammenarbeit waren der
    zuständige Unterhaltungsverband (Vechteverband), der Landesfischereiverband Weser-Ems und der
    örtliche Sportfischerverein Schüttorf beteiligt (siehe grüne Elemente in Abbildung 15). Da die
    Maßnahmen im Profil durchgeführt wurden, waren die Kosten gering und die Projektdauer begrenzt.
    Größere Projekte sind für die relativ kleinen Unterhaltungsverbände nicht machbar, da die
    Vorfinanzierung für Organisationen mit einem kleinen Jahresetat ein Problem darstellt. Dennoch bleibt
    unklar, wer für die Umsetzung der WRRL in Niedersachsen verantwortlich ist. Dadurch werden nicht
    viele Projekte dieser Art durchgeführt und verzögert sich die Umsetzung der WRRL-Maßnahmen in
    Niedersachsen (eine umfassande Analyse findet sich in Reese et al., 2018).

    Abbildung 14. Die Eileringsbecke vor Beginn (Foto links) und während (Foto rechts) der Arbeiten (Quelle: www.01film.tv)

                                   Ressourcen

                                   •    Bach wird vom Vechteverband
                                        bewirtschaftet
                                   •    Finanzmittel (10 % Vechteverband, 65 %
                                        POP3, 25 % Land Niedersachsen)
                                   •    TV-Aufnahme NDR

                                                         Akteure

                                                         •    Vechteverband
                                                         •    Sportfischerverein Schüttorf
                                                         •    Landesfischereiverband Weser-Ems

(In-) formelle Regeln                                         Diskurse

•     zuständig nach Wassergesetz                             •        Projektbeispiel
•     Genehmigungserteilung beim NLWKN                        •        Umdenken (Emslandplan -> Flussentwicklung
•     Wer ist für WRRL verantwortlich?                        •        Einbau von Kies und Totholz ist gängige Praxis

    Abbildung 15. Policy-Arrangement Projekt Eileringsbecke

                                                                  25
5.3 Flussrenaturierungsprojekte in Nordrhein-Westfalen (NRW)

Die allgemeine Typologie der Fluss- und Bachrenaturierungsprojekte in Nordrhein-Westfalen umfasst
Projekte im Hauptstrom (Niedrigwasserbett) in Verbindung mit den Flussauen (Hochwasserbett)
aufgrund des geringfügigen Charakters der Dinkel in NRW. Darüber hinaus gibt es Projekte am Bachlauf
(Gewässer zweiter Ordnung). Projekte an Gräben sind selten, da die Landbesitzer von einer guten
Entwässerung profitieren (siehe Tabelle 2)

Der Träger von Projekten richtet sich nach der gesetzlichen Zuständigkeit aufgrund des Wassergesetzes
für das Land Nordrhein-Westfalen. Flussrenaturierungsprojekte innerhalb des Niedrigwasserbetts
lagen bisher in der Verantwortung der Kreise. Aus diesem Grund wurden bereits durchgeführte
Projekte von diesen Behörden durchgeführt oder initiiert. Heute liegt die Verantwortung bei der
Bezirksregierung Münster, aber wegen der kurzen Zeitspanne wurden von dieser Behörde noch keine
Projekte an der Dinkel abgeschlossen. Flussrenaturierungsprojekte im Hochwasserbett der Dinkel in
NRW fallen unter die Zuständigkeit des Unterhaltungsverbands (UVB), sie werden in der Regel jedoch
vom Kreis und den Städten und Gemeinden gemeinsam mit dem Unterhaltungsverband durchgeführt.
Bäche unterstehen der Verantwortung des Unterhaltungsverbands (UVB).

  Projekttyp          Verantwortlicher     Formelle und          Diskurse                  Ressourcen
                      Akteur               informelle Regeln

  Niedrig-            Kreis Borken         Wassergesetz NRW /    Trittsteine           -   Landbesitz Kreis
  wasserbett                                                     Strahlwirkung             Borken & Stadt
                      (mittlerweile        WRRL
                                                                                           Gronau
  Beispiel:           Bezirksregierung     Naturschutzgesetz     Umsetzungsfahr-
  Dinkel - Epe        Münster)                                   plan WRRL‘12              Finanzierung 80 %
                                           Ausgleichsmaßnahmen
                                                                                           Land NRW
                                           Flurbereinigung       Leitbild Büro Flick
                                                                                           Finanzierung 20 %
  Hochwasser-         Unterhaltungs-
                                                                                           Ökobank
  bett                verbände (UVB)

  Beispiel:
  Dinkel - Epe

  Bäche               Unterhaltungs-       Wassergesetz NRW      Fließgewässer             Finanzierung
                      verbände (UVB)                             Entwicklungs-             80 % Land NRW
  Beispiel:                                Festlegung im
                                                                 programm
  Frischhofsbach      (von Kommunen        Grundbuch                                       Finanzierung
                      dem UVB                                    Pilotprojekt              20 % Natur-
                                           Befreiung Kreis
                      übertragen)                                Randstreifen              schutzstiftung
                                           Steinfurt von
                                                                                           Kreis Steinfurt
                                           Strahlwirkung

                                           Flurbereinigung

  Gräben              Landeigentümer       Wassergesetz NRW      Entwässern                Eigene Mittel

Tabelle 2. Typologie der Projekte in NRW

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