Grund zur Sorge? durch Fledermäuse übertragbare Krankheiten

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Grund zur Sorge? durch Fledermäuse übertragbare Krankheiten
Grund zur Sorge?
                                       durch Fledermäuse übertragbare Krankheiten

Dr. Martin Straube, Fachtierarzt für Zoo- und Wildtiere, LRA Ortenaukreis
Grund zur Sorge? durch Fledermäuse übertragbare Krankheiten
Fledermäuse
weltweit über 1.400 Arten;
in Baden-Württemberg die
artenreichste Säugetierordnung:
          24 Arten aus    vier Familien

     + einzige aktiv flugfähigen Säugetiere
     + Orientierung mittels Echoortung
     + bereits seit der Kreidezeit (seit 80 Mio.
       Jahren) verläuft die Entwicklungslinie der
       Ordnung Chiroptera getrennt von der der
       übrigen Säugertiere;
       typische „Fledermäuse“ existierten bereits vor
       50 Mio. Jahren.
Grund zur Sorge? durch Fledermäuse übertragbare Krankheiten
Haus-                         Wald-
Fledermäuse                       Fledermäuse

              sehr quartiertreu
Grund zur Sorge? durch Fledermäuse übertragbare Krankheiten
Weibchen bilden saisonale
     „Wochenstuben“
Vorteil: soziale
     Thermoregulation
1 Jungtier / Jahr
Grund zur Sorge? durch Fledermäuse übertragbare Krankheiten
Winterschlaf
                                    heterotherm

maximal 15   km   über   2.500 km
Grund zur Sorge? durch Fledermäuse übertragbare Krankheiten
Nahrung: Insekten
       manche auch Spinnen, Tausendfüßler…
Grund zur Sorge? durch Fledermäuse übertragbare Krankheiten
bereits in den 1950er bis 70er Jahren:
Bestandseinbrüche um 85 – 99 %
Ursachen:
Lebensraumentwertung,
v.a. Pestizideinsatz: DDT
Grund zur Sorge? durch Fledermäuse übertragbare Krankheiten
Grund zur Sorge? durch Fledermäuse übertragbare Krankheiten
öffentliche Wahrnehmung:

zunehmend Sympathieträger
(intensive Öffentlichkeitsarbeit)

nach wie vor oft:
„Ungeziefer“
gefährlich und bösartig

„Verhinderer“ und „Verteurer“ z.B.
von Bauprojekten (Artenschutz)

Darstellung durch Medien:
         regelmäßig reißerisch
Grund zur Sorge? durch Fledermäuse übertragbare Krankheiten
Definition „Zoonose“ nach
          WHO:
Krankheiten und Infektionen,
die natürlicherweise zwischen
 Wirbeltieren und Menschen
  übertragen werden können
Wir sind eine Art unter vielen!
  „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“
                          (Albert Schweitzer)

                – Bakterien (z.B. Salmonellen)
                – Pilze (z.B. Trichophythie)
                – Parasiten (z.B. Bettwanzen)
                – Viren (z.B. Tollwut)

                – Prionen (z.B. Rinderwahn)
Zoonosen
„naive Population“
Haustiere   „Kulturfolger“

Wildtiere   „Kulturflüchter“
Foto: Flugzeug
Mobilität
Zoonose-Risiko
    durch
 Fledermäuse?
Bakterien und Pilze spielen als
von Fledermäusen ausgehende Zoonose
offenbar keine Rolle.
Histoplasma
capsulatum
Whitenose-Syndrom
(Pseudogymnoascus destructans)
Fledermaus-Parasiten
      + reich in Art und Zahl
      + wirtsartspezifisch
              Gefahr des Befalls von Menschen: Wanzen
Viren:
   wohl jede Tier-Art beherbergt „eigene“ spezifische Virus-Arten:
   geschätzt 1,7 Millionen Viren in Säugetieren und Vögeln, die jeweils eine Bedrohung
   für Menschen darstellen könnten
   der Hauptwirt erkrankt i.d.R. nicht bzw. zeigt keine Symptome

 Virus und Wirt haben sich in jahrmillionenlanger Co-Evolution
 aneinander angepasst.
Spillover
Influenzavirus
 aviäre Influenza,
   Geflügelpest
Hufeisennasen
       Rhinoviren,
       Picornaviren
Fledertiere
als Virus-Reservoir
  Lyssa „Tollwut“
  Hendra, Nipah
  Marburg, (Ebola?)
  SARS
virologische Forschung an Fledermäusen:

Die Gruppe der
Paramyxoviren hat sich
wohl in Fledermäusen
entwickelt.
Bei multiplen Viren fand
in der Vergangenheit ein
Spillover statt:

Masern, Mumps,…
Staupe, Rinderpest…

9.278 Tiere wurden
virologisch untersucht.
überwiegend:
Fledermäuse (86 Arten)
und Nagetiere (33 Arten)

                           aus: Drexler et.al (2012): Bats host major mammalien paramyxovirus; Nature Communications
virologische Forschung an Fledermäusen:

„Mehr zoonotische Viren in Fledermäusen als
in jeder anderen Säugetierordnung“

„fliegende Virenschleudern“

                           Foto: F. Glotza-Rasch
virologische Forschung an Fledermäusen:

stammen alle RNA-Viren des Menschen ursprünglich aus
Fledermäusen?
womöglich sogar alle Viren überhaupt?

                           Foto: F. Glotza-Rasch
virologische Forschung an Fledermäusen:

+ seit 80 Mio. Jahre von übrigen Säugetierordnungen
  getrennte Evolution,
+ ruhen zu tausenden dicht an dicht,
+ bewohnen feuchtwarme Höhlen,
+ wandern tausende Kilometer im Jahr,
+ werden Jahrzehnte alt

                             Foto: F. Glotza-Rasch
aber:
jede genannte Eigenschaft
trifft auf manche Arten zu
– für andere nicht.
In Summe für keine
einzige Fledermausart!
virologische Forschung an Fledermäusen:

+ enorme physiologische Schwankung der
  Körpertemperatur:
             wenige °C bis 41°C
        Mensch: 36,3 - 37,4 °C (über 38°C: Fieber)

                                 Foto: F. Glotza-Rasch
Immunantwort auf (Virus-)Infektion

„typische“ Säugetiere (inklusive Mensch):

Virus-infizierte Zellen „melden ihren Zustand“;
zirkulierende DNS- bzw. RNS-Stücke außerhalb von Körperzellen

körpereigene (zelluläre) Abwehr:
        Eingrenzung und Abtötung des Erregers
        mitsamt der befallenen Zellen (vor allem bei viraler Erkrankungen)
        sowie als „Kollateralschaden“: Abtötung von „Nachbarzellen“

Immunantwort: (v.a.) Entzündungskaskade:
         Rötung
         Schwellung
         Schmerzhaftigkeit
         erhöhte Temperatur (lokal begrenzt oder „Fieber“)
         Funktionseinschränkung (des Gewebes oder Organs)
Immunantwort auf (Virus-)Infektion

Fledermäuse:

Besonderheit Flugvermögen:
                hohe Leistung und
                hohe Körpertemperatur (vergleichbar Fieber):
                         Folge: Zellschäden; Freisetzung von DNS-
                                Bruchstücken

Gefahr: Gewebe- und Organschäden durch einsetzende körpereigene
        Entzündungskaskade
Immunantwort auf (Virus-)Infektion

Fledermäuse:

Lösung:         Drosselung der zellulären körpereigenen Immunantwort !
                        Folge: erhöhte Toleranz gegenüber
                                 im Körper anwesenden Viren

statt dessen:   deutliche Steigerung antiviraler Zell-Mechanismen
                (Interferon-System)
                         Folge:   effektive Unterdrückung von Virus-
                                  Vermehrung und virusbedingtem
                                  Zelluntergang

Co-evolutionäre Antwort des Virus („Wettrüsten“):
                         beschleunigte Virusvermehrung
                         schnelle und effektive Infektion neuer Zellen
Superviren?

      Foto: F. Glotza-Rasch
??? „Mehr zoonotische Viren in Fledermäusen
als in jeder anderen Säugetierordnung“ ???
a) 1.400 Arten (¼ aller Säugetierarten weltweit sind Fledermäuse)
b) in letzten Jahren überproportional häufig virologisch untersucht
       bezogen auf die einzelne Fledermausart sind es nicht mehr Viren
       als in anderen Tieren
??? „Mehr zoonotische Viren in Fledermäusen
als in jeder anderen Säugetierordnung“ ???
Übertragung von Fledertier auf Menschen „über Umweg“:
       a) ersterSpillover auf weitere Tierart (teilweise erst nach Mutation möglich)
       b) weitere Spillover (nach Mutation); schließlich auf Mensch

Zwischen erstem, von einer Fledermaus ausgehenden Spillover,
bis zur Infektion von Menschen, können Jahrzehnte vergehen!
Hendravirus
  (equines Morbillivirus)

    emerging disease!

Reservoir:
      australische Flughunde

Ansteckungsquelle für
Menschen:
      erkrankte Pferde

direkte Übertragung auf Menschen
niemals festgestellt.
Hendravirus
  (equines Morbillivirus)

Flughunde sind die am häufigsten
in Auffangstationen gepflegten
Wildtiere Australiens

teilweise Pflege von mehreren
Hundert Individuen pro Jahr!
Hendravirus
  (equines Morbillivirus)

Studie:
128 „Carers“ mit regelmäßigem Kontakt
zu kranken Flughunden getestet
Antikörper gegen Hendra:
       n = 0 (0,0%)
Hendravirus
(equines Morbillivirus)

            7
humane Fälle seit 1994
    (vier endeten tödlich)
SARS-CoV-2

ganze Reihe unterschiedlicher
Beta-Corona-Viren (SARS-ähnlich)
wurden - überwiegend - in
Fledermäusen gefunden.

bislang genetisch ähnlichstes
Virus in der Java-Hufeisennase
Rhinolophus affinis
SARS-CoV-2

Invasion menschlicher Zellen
durch all diese Fledermaus-Viren
ist aufgrund andersartiger
(genetisch kodierter) SpikeMoleküle
(fast) unmöglich

Virus (Spike-Moleküle) in anderer
Tierart mutiert (?)
(Schuppentier, Marderhund, Schleichkatze…)
„SARS-ähnliche“ Coronaviren   SARS

                              COVID19
Gibt es
        Coronaviren
           auch in
        europäischen
      Fledermausarten?
                    ja
 wahrscheinlich seit Jahrmillionen

sogar Beta-Coronaviren! (Sars-like CoV)
(jedoch keine Sars-CoV-2-Verwandten)

im Unterschied z.B. zu Affen und
Katzen, Frettchen sind Fledermäuse sehr
schwer mit SARS-CoV-2 infizierbar.

kein Reservoir für COVID 19
Grund zur Sorge?

 Rhinolophe,
      quo vadis ?
Wild- und Haustiertollwut:

      weltweit ein einziges Virus
      ca. 55.000 - 59.000
      humane Todesfälle pro Jahr!

      urbane Form
      sylvatische Form
Wild- und Haustiertollwut:

      urbane Form
      sylvatische Form

      Süd- und Mittelamerika
      weiteres Reservoir:
             Vampire
Wild- und Haustiertollwut:

                                                   weltweit ein einziges Virus

jährliche Todesfälle pro 100.000 Einwohner                          Quelle der Grafik: Wikipedia
Fledermaus-
Lyssaviren
Zahl aktuell bekannter Viren:
weltweit         14
Europa            6
Deutschland       3
Fledermaustollwut
in Deutschland v.a. bei
Breitflügelfledermäusen
(aber potentiell bei allen Arten)
offenbar seltene Erkrankung;
deutlich weniger als 1% der
Breitflügel sind Träger (?)
Nachweise v.a. (lokal) aus
nördlichen Bundesländern (v.a.
Raum Berlin)
Symptome:
„abnormes Verhalten“:
Krampfen, Schwäche, Apathie
bis Bissigkeit
Infektion ist für Fledermäuse
eventuell nicht immer tödlich
Fledermaustollwut
Die aktuell regelmäßigen
Meldungen sind Folge
intensiver gezielter Suche!

aus Baden-Württemberg
bisher über 1.000 Tiere
untersucht (bei „Päpplern“
gestorbene): alle negativ

Im Grunde ist wenig über
Epidemiologie, Biologie und
Verbreitung der Fledermaus-
Tollwutviren bekannt.
Fledermaustollwut
In den letzten Jahren wurden
im Rahmen intensiver
Forschung in Europa mehrere
Fledermaustollwut-viren neu
entdeckt, die aber sicher nicht
„neu“ sind.
keine Zunahme oder
Ausbreitung von
Fledermaustollwut

Übertragung auf Menschen
war immer und ist nach wie
vor extrem selten
Fledermaustollwut
Aber:
grundsätzlich tödlich
endende Zoonose !
bis heute haben sich
europaweit tatsächlich
einzelne (n=4) Menschen
infiziert und sind gestorben.
Übertragung v.a. durch Biss!
(ferner durch in Wunden
gebrachten Speichel u.a.
Ausscheidungen)

Tollwutimpfung
schützt
sonstige
Krankheiten
groß angelegte Untersuchung
zu Erkrankungen und
Todesursachen heimischer
Fledermäusen kommt zu dem
Ergebnis, dass in Deutschland
- außer Fledermaustollwut -
keine spezifische
Erkrankung der
Fledermäuse bzw.
Gesundheitsgefahr für
Menschen existiert (IZW)
Unsere Fledermäuse sind
seit Jahrhunderten enge
Kulturfolger!
Das von europäischen Fledermäusen
ausgehende Zoonosen-Risiko ist
vergleichsweise gering

sind sicher eben keine fliegenden
Virus- und Infektionsschleudern

von Quartieren geht kein Risiko aus
Zoonose              humane Überträger
(anzeigepflichtig)   Fälle

Salmonellose 130.145               verschiedene
                                   Wirbeltiere
Hantaviren            1.724        Mäuse, Ratten
Leptospirose            261        Nagetiere, Hunde,
                                   Haus- und
                                   Wildschweine,
                                   Rinder und Pferde
Brucellose             132         Nutztiere    (Rind,
                                   Schaf, Schwein)

Tularämie                55        Hasen- und
                                   Nagetiere,
                                   Arthropoden, Vögel

Ornithose                28        Vögel

Quelle: Antwort NRW-Landesregierung auf „Kleine Anfrage“ zum
Handel mit Wildtieren und zu Zoonosen (2001 – Anfang 2020)
Fazit:

Es gab in der
Vergangenheit Spillover
von Fledermausviren.
Es wird praktisch sicher
auch in Zukunft Spillover
geben.

Europäische
Fledermausarten sind
diesbezüglich
kein relevantes Reservoir.
Fazit:

Grund zur Sorge?

sicher Grund genug für
weitere Forschung!
Fazit:

Kein Grund zur Panik!

auch einer tollwütigen
Fledermaus zu begegnen, ist
äußerst unwahrscheinlich
grundsätzlich vor Bissen
schützen!
(Handschuhe, Tuch)
beim direkten Umgang Hygiene
beachten
(Hände mit Seife waschen)

Von Fledermäusen im Flug
und Quartieren geht keine
Gefahr aus
Fazit:

Kein Grund zur Panik!

Tollwutimpfung für
Menschen mit regelmäßigem
direkten Kontakt mit
Fledermäusen
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