Grundbildung und Corona - Zwei-Couvert-Methode für mehr Qualität Neues Nachtragswesen beim ASTRA - Infra Suisse
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Bulletin N° 57 | März 2021 Zwei-Couvert-Methode für mehr Qualität Grundbildung und Corona Neues Nachtragswesen beim ASTRA
Inhalt Infra Suisse setzt sich aktiv für Nachhaltigkeit in der Schweizer Infrastrukturbaubranche ein (Seite 4). Editorial 3 Nachhaltigkeit bei Beschaffungen 4 Polierprüfungen 7 ASTRA Nachtragswesen 8 Berufsfachschule und die Pandemie 10 Die Zwei-Couvert-Methode 12 Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 15 KBOB: Beschaffungsrecht umsetzen 16 Geschäftsleitung gesucht 19 SBB-Sicherheitstag 20 CO2-Gesetz 23 Factsheet Preisprüfung 24 Neuigkeiten 26 Veranstaltungen und Impressum 27 2 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
Editorial Long Covid im Infrastrukturbau? Was wird bleiben, wenn das Coronavirus unseren fatal, sondern auch aus Sicht des Staates falsch. Alltag nicht mehr im Klammergriff hat? Die Video- Denn regelmässig folgt auf staatliche Sparrunden konferenzen und gelegentlich eine Gesichtsmaske der Ruf nach staatlichen Impulsprogrammen. Diese oder doch eine veritable Wirtschaftskrise? Noch sind teuer und wirken zu spät. kann das niemand wirklich abschätzen. Für den Inf- rastrukturbau besonders entscheidend ist das kon- In jedem Fall nachhaltiger sind langfristig stabile krete Handeln der öffentlichen Hand. Investitionen. Dafür sorgen auf Bundesebene die Fonds für die Bahn sowie für die Nationalstrassen Zum Glück ist noch in weiten Teilen der Branche und den Agglomerationsverkehr. Entsprechend zu- wenig zu spüren von einem Umsatzrückgang. Dazu versichtlich zeigt man sich bezüglich Auftragsvolu- dürfte auch der Fünf-Punkte-Plan des Schweize- men beim ASTRA und bei SBB Infrastruktur. Doch rischen Baumeisterverbands und Infra Suisse bei- zwei Drittel der Investitionen im Infrastrukturbau getragen haben. Darin fordern die Verbände die tätigen die Kantone und Gemeinden. Auch sie müs- öffentlichen Bauherren auf, die Planung von Pro- sen sich ihrer volkswirtschaftlichen Verantwortung jekten, die Bewilligungsverfahren, die Vergaben bewusst sein. und auch die Realisierung wo immer möglich zu be- schleunigen und zu intensivieren. Indem sich jede und jeder einzelne an die Schutz- massnahmen hält, schützen wir uns vor einer zu Wirtschaftliche Krisen kommen erfahrungsgemäss starken Verbreitung mit dem Coronavirus. Hoffen beim Infrastrukturbau erst mit Verzögerung an. Unge- wir, dass die öffentliche Hand unsere Branche vor mach droht unserer Branche also, wenn die Schweiz den wirtschaftlichen Langzeitfolgen der Pandemie dank Impfungen und Durchseuchung die Pandemie schützt. medizinisch überwunden hat. Sind dann die Finan- zen des Bundes sowie der Kantone und Gemein- den unter Druck, wird reflexartig gespart. Doch Matthias Forster sparen, beim benötigten Ausbau und Unterhalt von Geschäftsführer Infrastrukturen, ist nicht nur für die Bauunternehmen 3 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
Nachhaltigkeit bei Beschaffungen Nachhaltigkeit bei der Beschaffung von Infrastrukturen Infra Suisse setzt sich im Interesse ihrer Mitglieder für ein faires und nachhaltiges öffentliches Beschaffungswesen und für einen nachhaltigen Infrastrukturbau ein. Der Vorstand verabschiedete daher eine Strategie Nachhaltigkeit. Mittlerweile gilt es in allen Lebensbereichen die lang- die Beschaffung von Infrastrukturen? Bei der De- fristigen Folgen seines Handelns für Umwelt, Ge- finitionsfindung leistete und leistet das Netzwerk sellschaft und Wirtschaft zu bedenken, sich also Nachhaltiges Bauen Schweiz (NNBS) wertvolle nachhaltig zu verhalten. Das ist nicht neu. Neu ist Arbeit. Vor kurzem publizierte es den Standard für seit dem 1. Januar 2021 aber, dass die Nachhaltig- nachhaltiges Bauen von Infrastrukturen (SNBS In- keit für öffentliche Beschaffungen auf Bundesebene frastrukturen), einen umfassenden und breitabge- explizit als Zuschlagskriterium gilt. Die Kantone und stützten Kriterienkatalog für die Bewertung von Inf- die Gemeinden arbeiten daran, dies ebenfalls umzu- rastrukturbauprojekten. Der SNBS muss die Basis setzen. Aber was bedeutet Nachhaltigkeit konkret für sein für alle Anwendungen. 4 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
Nachhaltigkeit bei Beschaffungen Strategie für Nachhaltigkeit im Infrastrukturbau nicht möglich. Das gilt nicht nur bei der Planung, Um die Umsetzung des neuen Beschaffungsrechts sondern auch bei der Bauausführung. Die Be- weiter sinnvoll voranbringen zu können, legte der schaffungsprozesse der öffentlichen Bauherren Vorstand von Infra Suisse an seiner letzten Sitzung müssen ein Umfeld schaffen, das einen Wett- fest, welche Ziele beim Thema «Nachhaltigkeit bei bewerb um das nachhaltigste Angebot zulässt. der Beschaffung von Infrastrukturen» verfolgt wer- Entscheidend ist etwa die Ausgestaltung der den sollen. Zwei Hauptziele wurden dabei definiert. Zuschlagskriterien. Bei den Nachhaltigkeitskri- terien müssen Mindestanforderung und keine 1. Bauherren beschaffen Infrastrukturen nach absoluten Werte vorgegeben sein, die es bloss nachhaltigen Kriterien. zu erfüllen gilt. Dann können bessere oder eben nachhaltigere Angebote höher bewertet wer- 2. Die Beurteilung der Nachhaltigkeit ist einfach den. KBOB und NNBS machen in ihrer Emp- und einheitlich. fehlung konkrete Vorschläge dazu. Auch Unter- nehmervarianten müssen zugelassen werden Erstes Ziel: Bauherren beschaffen Infrastrukturen und echte Chancen auf den Zugschlag haben. nach nachhaltigen Kriterien. Infra Suisse setzt sich für den Kulturwandel im Be- d) Nachhaltigere Angebote haben gegenüber billi- schaffungswesen hin zu einer stärkeren Gewich- geren eine reelle Chance auf den Zuschlag: tung des Qualitätswettbewerbs und damit für mehr Nachhaltig beschaffte Infrastrukturen bieten Nachhaltigkeit ein. Dieser Wandel braucht Zeit und auch dem Bauherrn einen Mehrwert. Dar- birgt durchaus Risiken für die Bauherren und Unter- um sollen sie bei der Beschaffung einen höhe- nehmen. Es gilt deshalb, Erfahrungen zu sammeln ren Preis haben dürfen. Die Vergabesysteme und gewisse Vorbehalte zu entkräften. Verände- müssen so ausgelegt sein, dass nachhaltigere rungen bringen Unsicherheiten, auch juristische. Angebote gegenüber billigeren eine echte Infra Suisse ist aber überzeugt, dass die Vorteile Chance haben. Wie Preisgewichtung, Preis- von Beschaffungen nach Nachhaltigkeitskriterien kurve und Mindestanforderungen den Quali- die Nachteile klar überwiegen. Wichtig sind Infra tätswettbewerb elegant ausschalten könnten, Suisse beim Thema «Nachhaltigkeit bei der Be- zeigt Infra Suisse auf ihrer Website leicht ver- schaffung von Infrastrukturen» folgende Punkte: ständlich: infra-suisse.ch/qualitaet a) Die Beurteilung der Nachhaltigkeit umfasst Zweites Ziel: Die Beurteilung der Nachhaltigkeit stets die drei Dimensionen Umwelt, Soziales bei Beschaffungen ist einfach und einheitlich. und Wirtschaft: Wer bloss eine Dimension be- Das Kriterium Preis ist klar und einfach. Qualitative rücksichtigt – beispielsweise ausschliesslich Kriterien wie die Nachhaltigkeit können den admi- Kriterien des Umweltschutzes anwendet und nistrativen Aufwand erhöhen: Nachhaltigkeit ist zu soziale oder wirtschaftliche Faktoren aussen- belegen und die Belege zu kontrollieren. Auch bie- vorlässt – beschafft nicht nachhaltig. ten sie einen gewissen Ermessensspielraum, der missbraucht werden könnte. Diesen Gefahren gilt b) Die Nachhaltigkeit von Angeboten oder von An- es entgegenzutreten. Infra Suisse setzt sich darum bietern wird nur bewertet, soweit die Nach- für eine einfache Bewertung der Nachhaltigkeit ein, haltigkeit mit der zu erbringenden Leistung zu- die von möglichst allen angewendet wird. Beson- sammenhängt: Bauunternehmen müssen die ders zentral sind dabei folgende Punkte: Faktoren, nach denen sie oder ihr Angebot be- wertet wird, selbst und direkt beeinflussen kön- a) Die Instrumente für die Beurteilung der Nach- nen. Diese Forderung klingt lapidar, die Erfah- haltigkeit sind standardisiert und basieren auf rung zeigt aber, dass sie durchaus berechtigt ist. dem SNBS Infrastruktur: Die Bauherren be- dienen sich idealerweise aus einem Grundka- c) Die Beschaffungsprozesse sorgen für einen talog von Nachhaltigkeitskriterien und setzen Wettbewerb, der innovative und nachhaltige An- diese je nach Projekt ein. Sie verzichten auf ei- gebote ermöglicht: Ohne die Innovationskraft der gene oder weiterführende Lösungen. Bei dieser Privatwirtschaft ist eine nachhaltige Entwicklung Standardisierung kommen dem NNBS oder 5 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
Nachhaltigkeit bei Beschaffungen der KBOB eine besondere Rolle zu. Indem c) Beurteilungsinstrumente sind einfach und pra- nicht mehrere Nachhaltigkeitskonzepte ange- xisorientiert: Bauherren und Bauunternehmen wendet werden, kann verhindert werden, dass brauchen für die Nachhaltigkeitsbewertung ein- Nachweise mehrfach zu erbringen (und zu kon- fache, für alle verständliche und in der Realität trollieren) sind. des Infrastrukturbaus umsetzbare Instrumente. Vorbild ist auch hier der SNBS Infrastruktur. b) Nachweise von einzelnen Nachhaltigkeitskri- teriensind nicht mehrfach zu erbringen: Interna- d) Der administrative Aufwand für die Beurteilung tionale Nachhaltigkeitskataloge umfassen Krite- der Nachhaltigkeit ist für alle Beteiligten tief: rien, die im Schweizer Markt des Infrastruktur- Einfache und einheitliche Instrumente reduzie- baus keine oder kaum eine Rolle spielen. In der ren nicht nur den Aufwand bei der Angebots- Schweiz setzen Gesamtarbeitsverträge oder erstellung und -bewertung, sondern sorgen Gesetze relativ verbindliche Mindeststandards auch rasch für eine Vollzugspraxis und in der für Leistungen, die im Inland erbracht werden. Folge für Verlässlichkeit und Rechtssicherheit. Wo die Einhaltung dieser Standards systema- tisch kontrolliert wird, schaffen zusätzliche Nach- weise nur unnötigen Mehraufwand. Weitere Informationen Das Strategiepapier von Infra Suisse zur Nachhaltigkeit bei der Beschaffung von Infrastrukturen kann heruntergeladen werden unter: infra-suisse.ch/nachhaltigkeit 6 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
Polierprüfungen Anmeldung zur eidg. Berufsprüfung Strassenbau-Polier/in Die nächste eidgenössische Berufsprüfung Strassenbau-Polier/in auf Deutsch findet am 20. und 21. September 2021 am Campus Sursee statt. Anmeldungen sind ab sofort möglich. Die nächste eidgenössische Berufsprüfung Grundbau-Polier/in findet voraussichtlich im September 2022 statt. Zulassung Zur eidgenössischen Berufsprüfung wird zugelas- c) über einen Abschluss als Vorarbeiter/in im Bau- sen, wer hauptgewerbe verfügt. a) ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) Dauer oder einen mindestens gleichwertigen Aus- Die schriftlichen Prüfungen dauern 4 ¾ Stunden und weis besitzt und mindestens drei Jahre Berufs- finden am Montag, 20. September 2021 statt. Die praxis im Verkehrswegbau nach Erwerb des mündlichen Prüfungen dauern jeweils 45 Minuten EFZ nachweist oder ein eidgenössisches Be- und finden am Dienstag, 21. September 2021 statt. rufsattest (EBA) oder einen mindestens gleich- wertigen Ausweis besitzt und mindestens fünf Kosten Jahre Berufspraxis im Verkehrswegbau nach Die Prüfungsgebühr von 1’200 Franken (zzgl. MwSt.) Erwerb des EBA nachweist wird mit dem Zulassungsentscheid in Rechnung ge- stellt. und b) die erforderlichen Modulabschlüsse oder Online-Anmeldung zur entsprechende Gleichwertigkeitsbestätigungen Prüfung bis spätestens nachweist Freitag, 14. Mai 2021 infra-suisse.ch/polier und 7 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
ASTRA Nachtragswesen Das neue Nachtragswesen beim ASTRA Im Februar publizierte das ASTRA über zehn neue Dokumente zum Nachtragswesen. Mit einer möglichst hohen Standardisierung und Harmonisierung sowie einer allgemeinen Qualitätsverbesserung bei Projekten, sollen Nachträge soweit wie möglich reduziert werden. Infra Suisse begrüsst die Änderungen. Ganz vermeiden lassen sich Nachträge aufgrund der langen Projektdauer von Infrastrukturbauten auch in Zukunft nicht. 8 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
ASTRA Nachtragswesen Das ASTRA ist bestrebt, das Nachtragswesen Hier ist zu hoffen, dass bei künftigen Beschaffun- zu professionalisieren. Ziel ist es Nachträge ins- gen nicht alle aufgeführten, sondern die jeweils gesamt zu verringern. Dies soll unter anderem mit passenden Möglichkeiten verlangt werden. einer schweizweit einheitlichen Umsetzung, klaren Vorgaben für alle am Bau Beteiligten sowie einer Der Nachtragsprozess höheren Projektqualität erreicht werden. Dass da- Der eigentliche Nachtragsprozess für Bauleistun- bei Anpassungen in den Projektierungsphasen gen ist in mehreren Schritten und Dokumenten notwendig sind, wurde vom ASTRA richtig erkannt unterteilt: und ist zu begrüssen. So bestehen neu ein Leis- tungsbeschrieb für Projektverfasser, Vorlagen für - Nachtragsmanagement Startsitzungen und Preisanalysen sowie Chancen- - Verhandlungen und Risikoanalysen. - Nachtragsbegehren - Nachtragsforderung Wo sind die Bauunternehmen betroffen? - Nachtragsantrag Die Dokumenttitel lassen keine Rückschlüsse zu, ob diese für Bauunternehmen unmittelbare Relevanz Das Nachtragsmanagement regelt den Prozess haben. Unter «Leistungsbeschreibung für Projekt- zur Feststellung, ob ein Nachtrag überhaupt ge- verfasser» ist beispielsweise zu finden, dass auch rechtfertigt ist. Gemäss Zeiteinteilung scheint ein baustellenspezifische Schutzmassnahmen im Leis- Durchlaufen des Prozesses in weniger als zwei bis tungsverzeichnis aufgeführt werden sollen. Ein lo- drei Monaten nicht möglich zu sein. Für die dar- benswerter Vorsatz, der aber vermutlich von vielen auffolgende Verhandlungsphase sind 80 Arbeits- Projektverfassern nicht einfach zu erfüllen sein wird. tage, also nochmals fast drei Monate vorgesehen. Das gleiche gilt für die «qualitativ hochstehenden Die Neuerungen vom ASTRA sind lobenswert. Ausschreibungsunterlagen mit wenig Angriffspunk- Die Fristen zur Behandlung von Änderungen und ten für Nachtragsforderungen». Aufgrund der lan- Nachträgen scheinen etwas zu lang angesetzt zu gen Projektdauer im Infrastrukturbau ist zwangsläu- sein. Da mag auch der Hinweis darauf, dass die fig mit unterschiedlichen Anpassungen zu rechnen. Nachtragsforderungen zeitnah zu bearbeiten und Statt rigoros Nachträge verhindern zu wollen, sollte Verhandlungen rasch zu führen sind, nichts än- eher ein praktikables Vorgehen gefunden werden, dern. Es bleibt zu hoffen, dass der Prozess in der um rasch und unkompliziert Lösungen zu finden. Praxis rascher geht. Das Dokument «Leistungsbeschrieb Angebotseva- luation technisch betriebswirtschaftlich» behandelt detailliert, wie mit Angeboten von Unternehmern Weitere Informationen umzugehen ist. Insbesondere das Thema Preis- Unter dem QR-Code können analysen ist hier ein zentraler Bestandteil. Zusam- Sie die Dokumente zum Nach- men mit der Excel-Vorlage kann es einen erheb- tragswesen vom ASTRA lichen Mehraufwand für alle Anbieter verursachen downloaden. – mit wenig Vorteilen für die jeweilige Beschaffung. 9 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
Berufsfachschule und die Pandemie Das flexible Klassenzimmer Die Pandemie stellt auch die Berufsfachschule Verkehrswegbauer (BFS Verkehrswegbauer) in Sursee vor Herausforderungen. Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 konnte sie ihre Tore zumindest teilweise wieder öffnen. Das Qualifikationsverfahren wird dieses Jahr unter Einhaltung eines strengen Schutzkonzeptes regulär durchgeführt. 10 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
Berufsfachschule und die Pandemie Momentan finden die Fachkurse der Berufsfach- schule alternierend im Präsenz- und Fernunterricht statt. Damit ist es möglich, die Lernenden einer Klasse auf zwei Schulzimmer zu verteilen. Alle über- betrieblichen Kurse finden vor Ort statt. In den In- nenräumen und auf dem Aussengelände der BFS Verkehrswegbauer gilt Maskenpflicht. Neun Corona-Fälle und besserer Fernunterricht Zwischen August 2020 und Februar 2021 zeigten 127 Lernende Symptome, die auf eine Corona-In- fektion hinwiesen. Jedoch nur acht davon wurden positiv getestet. Drei Klassen wurden in diesem Zu- sammenhang vorsorglich nach Hause geschickt. Zudem wurde eine Person aus dem Kreis der Mitar- beitenden positiv auf das Coronavirus getestet. Alle bisher Erkrankten sind wieder genesen und konnten an die Schule zurückkehren. Geschäftsführer Flo- rian Tschümperlin zeigt sich erfreut, dass sich die Schutzkonzepte der Schule bis anhin so gut bewähr- ten. «Dies wäre nicht möglich gewesen ohne unser engagiertes Team», ist Tschümperlin überzeugt. Das Lehrerteam der Berufsfachschule entwickelte den Fernunterricht nach den Erfahrungen des ers- ten Lockdowns intensiv weiter. Für die Lehrperso- nen und die Lernenden wurden Workshops und Unterrichtseinheiten organisiert, in denen Tipps und Tricks für den Digitalunterricht vermittelt wurden. Florian Tschümperlin, Geschäftsführer der In Rekordzeit konnten die Lernunterlagen für den Berufsfachschule Verkehrswegbauer Fernunterricht angepasst und die Lehrpersonen mit moderner IT ausgestattet werden. Die Lehrbetriebe waren bei den Weiterentwicklungen mit einbezogen. floss bei ihnen eine Einschätzung der Lehrbetriebe in die Bewertung ein. «Der Entscheid letztes Jahr, die Digitalisierung ist für die BFS Verkehrswegbauer praktischen Prüfungen für die Strassenbauenden ab- zum Glück schon länger kein Fremdwort mehr. Be- zusagen, fiel uns sehr schwer. Umso mehr freuen wir reits seit rund vier Jahren arbeiten alle Lernende mit uns, dass die Lehrabschlussprüfungen für alle Beru- einem eigenen Laptop und einer Online-Software. fe wieder stattfinden können», so Tschümperlin. Die «Die Umstellung auf den Fernunterricht fiel unseren Prüfungen werden vom 12. April bis zum 21. Mai Lernenden und Mitarbeitenden daher vergleichs- 2021 unter Einhaltung von strengen Schutzbestim- weise leicht», stellt Tschümperlin fest. mungen durchgeführt. Corona-Pandemie und Abschlussprüfungen Wegen der Pandemie konnte das Qualifikationsver- fahren vergangenes Jahr nicht wie gewohnt durch- Weitere Informationen geführt werden. Schriftliche und mündliche Prüfun- verkehrswegbauer.ch gen waren komplett verboten. Für die Gesamtnote zählten die Erfahrungsnoten in Allgemeinbildung und Berufskunde sowie die Note der überbetrieb- lichen Kurse. Weil bei den Strassenbauern auf praktische Prüfungen verzichtet werden musste, 11 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
Die Zwei-Couvert-Methode Mit zwei Couverts zu mehr Qualität? Die Zwei-Couvert-Methode bietet im Rahmen des neuen Beschaffungsrechts den Schweizer Infrastrukturbauern die Chance auf eine faire und vorurteilslose Bewertung ihres Angebotes. Doch die Evaluationsart allein macht keinen Paradigmenwechsel im Beschaffungswesen. Sowohl das am 1. Januar 2021 in Kraft getretene erste Umschlag die Nachweise betreffend techni- BöB I als auch die IVöB II sehen erstmals explizit die schen bzw. qualitativen Kriterien enthält, findet Möglichkeit vor, für Beschaffungen die sogenannte sich im zweiten Umschlag einzig und allein der Zwei-Couvert-Methode anzuwenden.III Die bereits Preis des eingereichten Angebots. in ähnlicher Form von der Weltbank angewandte BeschaffungsmethodeIV definiert sich im Wesent- Will die Vergabestelle Leistungen mittels Zwei-Cou- lichen durch eine Zweiteilung der Offerteinreichung vert-Methode beschaffen, hat sie dies in der Aus- und -evaluation in zwei Umschlägen. Während der schreibung anzukündigen und klar zu machen, dass 12 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
Die Zwei-Couvert-Methode Die Zwei-Couvert-Methode: Darstellung des Verfahrensablaufs (offenes Verfahren) Ausschreibung auf simap.ch Zeitgleiche Einreichung der (inkl. Vorgabe, dass Offerte in Ausarbeitung der Offerte gesamten Offerte in zwei zwei Umschlägen gesondert durch den Unternehmer Couvert (Qualitätsangebot / einzureichen ist) Preisangebot) 1. Evaluation der Qualitätsofferte 1B 1A 2A Evaluation und Bewertung des 2. Evaluation der Preisofferte Öffnung des Öffnung des Preisangebots Qualitätsangebots durch die Qualitätsangebots durch durch die Vergabestelle Vergabestelle die Vergabestelle (Qualitätsevaluation) 3 2B Zusammenfügen der 4 Evaluation und Bewertung Ergebnisse beider Eva- Zuschlagserteilung, des Preisangebots luationen, Ermittlung des Publikation auf simap.ch (Preisevaluation) Zuschlagsempfängers die offerierte Leistung und der Angebotspreis in se- der Zwei-Couvert-Methode daher zu Beginn unbe- paraten Umschlägen einzureichen sind (vgl. Art. 35 kannt bleiben. Das Evaluationsteam soll sich dadurch lit. l BöB). Dieser Zweiteilung folgend, geht auch unvoreingenommen(er) der Bewertung der angebo- die Offertöffnung und Bewertung gestaffelt über tenen Leistungen, Referenzprojekte, Risikoanalysen die Bühne. Den Anfang machen die sogenannten oder technischen Berichte annehmen können. Leistungsangebote, welche zuerst evaluiert und bewertet werden. Danach folgt die Öffnung der Auch der Preis hat ein Wörtchen mitzureden Preis-Umschläge, mit deren Evaluation die Quali- Wurden die Qualitätsmerkmale erst einmal ge- tätsbewertung ergänzt und zu einem Gesamtresul- prüft und bewertet, kommen die zweiten Um- tat vervollständigt wird. schläge ins Spiel. Eine Offerte, die in qualitativer Hinsicht hinter ihre Konkurrenz zurückfällt, muss Der Preis verwirrt die Sinne aber nicht gleich als gescheitert gelten oder aus Warum aber diese strikte Aufspaltung in Qualitäts- dem Wettbewerb ausscheiden. Alle Angebote, kriterien und Preis? Dem Geld wird oft nachge- welche die formellen Voraussetzungen und Eig- sagt, die Wahrnehmung eines Menschen zu beein- nungskriterien erfüllt haben, verbleiben nach wie flussen. Nicht nur bei der Bewertung eines Weins vor im Rennen um den Zuschlag. Es findet so- dürfte dieser Effekt einigen bekannt sein: Ist der mit nicht etwa eine definitive Vorselektion statt, Preis von Anfang an bekannt, schmeckt der teu- bei welcher nur einzelne Angebote in die «zweite re(re) doch vermeintlich besser als seine günstige- Runde» der Preisbewertung, vorrücken. In die- re Alternative. Ein etwas anderes Resultat dürfte man sem Punkt unterscheidet sich die Evaluation bei dann zeptoren ankommt. Um eine derartige Wahr- der Zwei-Couvert-Methode nicht von der bekann- nehmungsverzerrung im Beschaffungsprozess von ten «Ein-Couvert-Methode»: Hier wie da hat auch Infrastrukturbauten zu minimieren, soll der Preis bei der PreisV des Angebotes Einfluss. Die Vergabestelle 13 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
Die Zwei-Couvert-Methode öffnet in einem zweiten Schritt auch die Preisange- Gesetz vorgesehenen qualitativen Zuschlagskrite- bote und bewertet diese nach der ausgeschriebe- rien (u.a. Nachhaltigkeit, Innovationsgehalt) in der nen Gewichtung sowie Preiskurve und lässt die Praxis zu etablieren und Instrumente zu schaffen jeweilige Note in die Gesamtevaluation einflies- bzw. anzuwenden. Letztere müssen zwangsläufig sen.VI Erst mit diesem Schritt lässt sich das ins- so ausgestaltet sein, dass sie ein objektives und gesamt vorteilhafteste Angebot bestimmen. nachvollziehbares Messen des Qualitätsgehalts er- möglichen. Dazu steht z.B. der Standard Nachhal- Evaluationsart allein macht keinen Paradigmen- tiges Bauen Schweiz als Hilfsmittel zur Verfügung. wechsel Was heisst das nun für den Qualitätswettbewerb Infra Suisse setzt sich für Qualitätswettbewerb ein im Beschaffungsrecht? Der Zwei-Couvert-Methode Mit dem BöB als massgebliche Grundlage setzt sich kann ohne Weiteres eine katalysierende Wirkung Infra Suisse aktiv für die Förderung des Qualitäts- zugesprochen werden, wenn es um die objektive wettbewerbs im Infrastrukturbau ein. Der Einsatz Evaluation von Qualitätskriterien geht. Doch der von öffentlichen Mitteln soll zukünftig nicht nur wirt- Erfolg des von vielen Seiten gewünschten Paradig- schaftlich sein. Vielmehr muss es selbstverständlich menwechsels hängt nicht allein von der gewählten werden, dass das vorteilhafteste Angebot nur das- Evaluationsmethode ab. Zentral und unabdingbar jenige sein kann, dass sowohl auf volkswirtschaft- ist daher die durch die Vergabestelle getroffene licher, ökologischer als auch sozialer Ebene punkten Wahl der konkret anzuwendenden Eignungs- und kann. Die zur Verfügung gestellten (gesetzlichen) vor allem Zuschlagskriterien sowie deren Gewich- Mittel und Instrumente (u.a. Zwei-Couvert-Metho- tung im Einzelfall. Den Vergabestellen wird daher de) sollen so umgesetzt, weiterentwickelt und in der empfohlen, nicht nur die Zwei-Couvert-Methode auf Praxis angewendet werden, dass der Qualität zwar ihre Anwendbarkeit und Praktikabilität in konkre- nicht die Rolle der Solistin, jedoch aber die der ers- ten Pilotprojekten zu testen, sondern auch die vom ten Geigerin zukommen kann. Weitere Informationen Bei Fragen zur Umsetzung des neuen Beschaffungsrechts, zur Zwei-Couvert-Methode oder zu allgemeinen Fragen in Bezug auf das Beschaffungs- oder Vertragsrecht steht Ihnen Nils Sommer (M.A. HSG in Law) Leiter Markt, gerne zur Verfügung: 058 360 77 74, n.sommer@infra-suisse.ch infra-suisse.ch/beschaffung I Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen, SR 172.056.1. II Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen, siehe: www.bpuk.ch/bpuk/konkordate/ivoeb. III Siehe Art. 38 Abs. 4 und Art. 37 Abs. 3 BöB sowie Art. 35 lit. l IVöB. In der Schweiz fehlte bis anhin eine gesetzliche Regelung der Zwei-Couvert-Methode. IV Worldbank Procurement Regulations for IPF Borrowers, Annex XII (Selection Methods), Ziff. 7.2 lit. e: «[t]he technical and financial Proposals shall be submitted at the same time in two (2) separate and sealed envelopes». V Siehe BGE 143 II 553 E. 6.4, das noch zum alten Recht festgestellt hatte, dass das «wirtschaftlich günstigste Angebot» gerade nicht ausschliesslich über den tiefsten Preis definiert, sondern vielmehr – mit Ausnahme der Beschaffung von standardisierten Gütern, bei welchen der Preis das allein massgebliche Kriterium bilden dürfe – auch über Qualitätskriterien zu eruieren sei. Der Preis einer nachge- suchten Leistung müsse auch bei komplexen Beschaffungen im Umfang von mindestens 20 % Berücksichtigung finden. Zudem dürfe eine relativ geringe Gewichtung des Kriteriums Preis durch die verwendete Bewertungsmethode nicht weiter abgeschwächt werden. VI Bundesamt für Bauten und Logistik, Kompetenzzentrum Beschaffungswesen Bund (KBB), Synopse Revision Beschaffungsgesetz, S. 22. VII SNBS steht für Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz, nnbs.ch. 14 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 Infra Suisse bringt Nachhaltigkeit voran In seiner «Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030» zeigt das Bundesamt für Raumentwicklung auf, mit welchen Massnahmen der Bundesrat die Schweiz nachhaltiger gestalten will. Infra Suisse warnt aber vor Überregulierung und falschen Anreizen. Die Umsetzung des neue Beschaffungsgesetzes ist für die Branche ein wichtiger Schritt zu mehr Nachhaltigkeit. Für die Schweizer Infrastrukturbauer, die rund 80 und bundesnahen Betrieben, dass sie bei der Auf- Prozent ihrer Leistungen für die öffentliche Hand tragsvergabe nicht einfach auf den tiefsten Preis, erbringen, ist eine kohärente und transparente sondern stärker auf Qualität und Nachhaltigkeit Staatstätigkeit besonders wichtig. Die Bestrebun- setzen. Wird das Gesetz von den öffentlichen Be- gen des Bundes gemäss «Strategie Nachhaltige schaffungsstellen umgesetzt, hat das weitreichen- Entwicklung 2030» seine Aktivitäten im Sinne einer de Konsequenzen für die Infrastrukturbaubranche. nachhaltigen Entwicklung zu überprüfen und bes- Schliesslich investieren allein das Bundesamt für ser zu koordinieren, entspricht den Zielen von Infra Strassen und die SBB jährlich rund vier Milliarden Suisse. Die Branchenorganisation unterstützt da- Franken in ihre Infrastrukturen. Bei den Kantonen her die Vorlagen in wesentlichen Punkten. und Gemeinden sind es nochmals rund doppelt so viel. «Es ist wichtig, dass die Kantone möglichst Innovationen statt Regulierung rasch mit dem Bund gleichziehen und ihre Beschaf- Konzepte und Standards für eine Nachhaltige Ent- fungsgesetze anpassen», betont Wasserfallen. wicklung müssen international abgestimmt sein, unterstreicht Nationalrat Christian Wasserfallen, Die Nachhaltigkeit von Infrastrukturen müsse laut Präsident von Infra Suisse. Die Schweiz nehme im Infra Suisse nach dem «Standard Nachhaltiges Bereich Nachhaltigkeit schon heute international eine Bauen Schweiz» bewertet werden. Dieser Stan- Spitzenposition ein. Ein «Swiss Finish» brauche es dard ist national anerkannt und international koor- deshalb auch bei diesem Thema nicht. Denn eine diniert. Auf seiner Basis werden Instrumente ent- hohe Regulierungsdichte hemmt die Innovationskraft wickelt, die Bauherren und Bauunternehmen eine von vielen Unternehmen. «Ohne innovative Lösungen einheitliche, einfache und effiziente Bewertung der aus der Privatwirtschaft funktioniert der Wandel zu Angebote ermöglichen. mehr Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft aber nicht», ist Wasserfallen überzeugt. Zusätzliche Vorschriften oder Subventionen nach dem Giesskan- nen-Prinzip wären nicht nachhaltig. Stattdessen sei- Weitere Informationen en gute Rahmenbedingungen und verantwortungs- Die Stellungnahme von Infra Suisse zur bewusste öffentliche Bauherren gefragt. «Strategie Nachhaltige Entwicklung Schweiz 2030» kann hier heruntergeladen werden: Nachhaltig Infrastrukturen beschaffen infra-suisse.ch/stellungnahmen Das neue Bundesgesetz über das öffentliche Be- schaffungswesen ist der Schlüssel für einen nach- haltigeren Infrastrukturbau. Das Gesetz ist seit Ja- nuar in Kraft und verlangt von den Bundesämtern 15 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
KBOB: Beschaffungsrecht umsetzen Das revidierte Beschaffungsrecht bei der KBOB Das revidierte Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen ist seit dem 1. Januar in Kraft. Wesentliche Ziele waren die Abkehr vom reinen Preis- hin zum Qualitätswettbewerb sowie die Integration der Nachhaltigkeit. Die wichtigsten Verträge der KBOB für die Schweizer Infrastrukturbauer werden im folgenden Beitrag genauer analysiert. Die KBOB als Interessenvertreterin der öffentlichen vor dem Hintergrund des Inkrafttretens des neuen Beschaffungsorgane und Herausgeberin deren Beschaffungsrechts aktualisiert und sind auf der Vertragswerke hat im Zusammenhang mit der Um- Website der KBOB verfügbar. Der Werkvertrag und setzung des revidierten Beschaffungsrechts eine der Totalunternehmervertrag Tiefbau spielen für die besondere Verantwortung. Die Unterlagen wurden Schweizer Infrastrukturbauer eine besondere Rolle. 16 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
KBOB: Beschaffungsrecht umsetzen Der Werkvertrag Neu ist die Vorgabe von Massnahmen zur Vermei- Die aktuelle Ausgabe des Werkvertrages ist als dung von Korruption im Kapitel 15, die in einer In- Version 2020 (1.0) gekennzeichnet. Der Aufbau ist tegritätsklausel festgehalten wird. Hier geht es im identisch mit der Vorgängerversion, wobei ein neu Wesentlichen um die Einhaltung des Bundesge- eingesetztes Inhaltsverzeichnis die Orientierung in- setzes über Kartelle und andere Wettbewerbsbe- nerhalb des Vertrags erleichtert. Die Liste der Ver- schränkungen (KG). Die Ausführungen der KBOB tragsbestandteile und deren Reihenfolge bleiben müssen so interpretiert werden, dass ein Verstoss aber unverändert. Die wichtigsten sind: (scheinbar) immer nur durch die Anbieter erfolgt und diese mit 10 Prozent der Vertragssumme, min- - Werkvertragsurkunde destens jedoch 3’000 Franken je Verstoss gebüsst - Angebot des Unternehmers werden sollen. Keine Aussagen sind allerdings zu - Besondere Bestimmungen Leistungsver- unzulässigem Verhalten der marktbeherrschenden zeichnisse neue/sep. Aufzählung Unternehmen zu finden, mit welchem die Auftrag- - Pläne geber gemeint sind. Denn: Das gleiche Gesetz - SIA Normen verbietet auch den Auftraggebern wettbewerbs- widriges Verhalten – hierzu gehören insbesondere Die Nachhaltigkeit wird als zehnter Vertragsbe- die Bauherrschaften im Tief- und Infrastrukturbau, standteil aufgeführt und auf das Dokument der die ihre marktbeherrschende Stellung missbrau- KBOB «Bedingungen für Werkleistungen im Hoch- chen könnten. Das Gesetz führt in Art. 7 Abs. 2 bau» aus dem Jahr 2017 verwiesen. Dies ist für die mögliche unzulässige Verhaltensweisen marktbe- Beschaffung von Infrastrukturleistungen allerdings herrschender Unternehmen auf. ungeeignet. Vielmehr wäre hier die Bezugnahme auf den Standard für nachhaltige Infrastrukturen Der Totalunternehmervertrag (SNBS) viel sinnvoller. Auch der Totalunternehmervertrag (TU-Vertrag) ent- hält nun wie der Werkvertrag ein Inhaltsverzeichnis Die Struktur der Werkpreise bleibt unverändert. und wird ebenfalls als Version 2020 (1.0) benannt. Auch wird für die Regiearbeiten auf die Kalkulati- Auch seine Struktur ist grösstenteils gleichgeblie- onshilfen von IPB und SBV verwiesen. Für eine all- ben, wobei die Vertragsbestandteile und deren fällige Gewährung von Rabatten und Skonti sind im Reihenfolge unverändert bleiben. Die Allgemei- Vertrag noch immer die entsprechenden Passagen nen Bedingungen der SIA Norm 118 zu einzelnen vorgesehen. Es sei aber nochmals erwähnt, dass Werksteilen (beispielsweise SIA 118/267 für geo- Skonti und/oder Rabatte von öffentlichen Bauherr- technische Arbeiten oder SIA 118/198 für Unter- schaften nicht vorgegeben werden dürfen, sondern tagbau) sind in der Rangfolge gleich wie die im von den Anbietern gewährt werden können. TU-Vertrag angehängten AGB der KBOB für Total- unternehmer. Die dort aufgeführten 27 Artikel kön- Die Prüf- und Zahlungsfristen sind mit 10 und 30 Ta- nen die etablierten Regelwerke nicht ersetzen und gen korrekt vorgegeben. Hier werden die entspre- auch nicht sinnvoll ergänzen. chenden Verweise auf die SIA Norm 118 zwar ge- macht, jedoch fehlen Hinweise auf die Weisungen Unter dem Punkt Nachhaltigkeit findet man leider des eidgenössischen Finanzdepartementes. Infra keine Neuerungen. Sämtliche Projektphasen und Suisse hat hierzu ein Factsheet erstellt (siehe Bei- die Preisstruktur bleiben ebenfalls unverändert. trag Seite 24). Die Angaben zu Sicherheitsleistun- Die Aussagen im Kapitel 4.5 «Anpassung Werk- gen und Garantien sind unverändert. Gleich bleiben preis» mit den Hinweisen zum Kostendach sind auch die Standardvorgaben für die Befugnisse der nicht neu. Auch Kapitel 4.6 enthält Regelungen für Bauleitung. Die vorgegebenen 5‘000 Franken sind das Unter- und Überschreiten des Kostendaches. für eine effiziente Abwicklung von Infrastrukturpro- Noch immer fehlt, wie in der Vorgängerversion, jekten jedoch ungenügend. Auch die von Art. 84 der eine Definition des Kostendaches. Die Aussagen SIA Norm 118 abweichende Regelung des Ände- zur Abrechnung der Regie sind zweckmässig an- rungsrechts des Bauherrn ist in die neue Vertrags- gewendet. Neu ist die Möglichkeit im Kapitel 4.7.2, version übernommen worden, obwohl die Praxis ge- die Teuerungen auf Regiearbeiten in die Preise zeigt hat, dass hier Verbesserungsbedarf besteht. einrechnen zu lassen. 17 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
KBOB: Beschaffungsrecht umsetzen Die Prüfung- und Zahlungsfristen sind im TU-Ver- Erstes Fazit zur Umsetzung des neuen trag bereits mit 30 Tagen vorgegeben, was im Beschaffungsrechtes Widerspruch zur Weisung des eidgenössischen In der Bauwirtschaft wurden grosse Hoffnungen Finanzdepartementes steht. Ausserdem ist vorge- auf einen fairen Qualitätswettbewerb gesetzt, um sehen, dass die Bauherrschaften bereits für die vor- die von allen Beteiligten beklagten negativen Fol- gegebene übliche Zahlungsfrist einen Skonto erhal- gen eines reinen Preiswettbewerbes zu mildern. ten sollen. Die Kapitel «Sicherheitsleistungen» und Die ersten Dokumente der KBOB liegen nun vor, «Garantien» bleiben unverändert. haben aber noch Luft nach oben. Obwohl rein werkvertraglich nicht viele Anpassungen notwen- Im Kapitel «Anpassung der Termine» sind Konven- dig gewesen wären, hätte mindestens im Bereich tionalstrafen für unterschiedliche Termine vorgese- der Nachhaltigkeit mehr gemacht werden können. hen. Für schnellere Fertigstellungen gibt es in die- In den Leitfäden der KBOB zu den Verträgen sind sem Vertrag keine Anreize. Im Kapitel 15.6 mit der zwar einzelne Hinweise ergänzt worden, aber vor Überschrift «Bonus» fehlen weitere Angaben oder allem die Preisgewichtung, Verlässlichkeit des Prei- Hinweise. ses, Plausibilität des Angebotes, Umgang mit Inno- vation und Nachhaltigkeit scheinen bei der KBOB Im Kapitel 10 sind die weitreichenden Kompetenzen aktuell kaum Gewicht zu haben. Dies genügt somit der Bauherrschaft geregelt, welche grossen Ein- bei weitem nicht, um den notwendigen Paradig- fluss auf die Subunternehmer und Lieferanten der menwechsel einzuleiten. Dass viel mehr möglich Auftragnehmer haben. In diesem Zusammenhang ist, zeigt beispielsweise die Ausschreibung «Bâti- scheint der Hinweis angebracht, dass Aussagen ment pour les nouvelles centrales d’engagement zu Kosten gemacht werden, jedoch nicht zur Ter- et centre de calculs à Sierre» des Kantons Wallis. minsituation, wenn die Bauherrschaft nachträglich Hier ist die Höhe des Werkpreises mit 40 Pro- Subunternehmer oder Lieferanten bestimmt oder zent gewichtet, die Verlässlichkeit des Preises mit vorgesehene ablehnt. 20 Prozent und der Berechnungsschlüssel gleich transparent mitgeliefert worden. Abschliessend sei darauf hinzuweisen, dass neuer- dings im TU-Vertrag auch dem Thema Korruption ein Kapitel mit dem Titel «Integritätsklausel» gewid- Weitere Informationen met ist (vgl. Kapitel 14). Den Einfluss der Ausgestaltung der Preis- kurve auf den effektiven Preis kann man hier überprüfen: infra-suisse.ch/qualitaet 18 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
Geschäftsleitung gesucht Matthias Forster verlässt Infra Suisse Matthias Forster, Geschäftsführer von Infra Suisse, verlässt die Branchenorganisation der Schweizer Infrastrukturbauer per Ende Juni 2021 auf eigenen Wunsch. Der Vorstand bedauert seinen Entscheid ausserordentlich. Nach über 13 Jahren bei Infra Suisse hat sich Mat- Matthias Forster trat 2008 als Leiter Kommunikation thias Forster entschieden, sich beruflich neu zu ori- und stellvertretender Geschäftsführer in die Organi- entieren. «Der Abschied von meinem Team und dem sation ein. Vor fünf Jahren übernahm er die opera- Vorstand fällt mir nicht leicht. Doch die Zeit für einen tive Führung des Branchenverbands. Wechsel ist für mich gekommen», erklärt Forster. Zusammen mit seinem Team hat er die Aktivitäten «Wir bedauern den Weggang von Matthias Forster von Infra Suisse erfolgreich weiterentwickelt und ausserordentlich, seine Arbeit war in jeder Beziehung ausgebaut sowie den Verband als feste Grösse in exzellent», betont Nationalrat Christian Wasserfallen, der Baubranche etabliert. Matthias Forster bleibt Präsident von Infra Suisse. Er und der gesamte Vor- bis Ende Juni 2021 Geschäftsführer von Infra stand danken ihm für sein grosses Engagement für Suisse. Der Vorstand hat mit der Suche einer Nach- den Schweizer Infrastrukturbau und wünschen ihm folgerin oder eines Nachfolgers begonnen. auf seinem weiteren Weg alles Gute und viel Erfolg. 19 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
SBB-Sicherheitstag Sicherheit auf SBB-Baustellen Ende Januar fand der Sicherheitstag für Lieferanten von SBB Infrastruktur statt. In diesem Jahr natürlich online. Neben den Auswirkungen der Pandemie wurden auch aktuelle Unfallauswertungen, die Weiterentwicklung der Sicherheitskultur und Bildungsthemen präsentiert. 20 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
SBB-Sicherheitstag Rangierunfälle auf SBB-Baustellen 35 30 25 20 Anzahl 15 10 5 0 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Total SBB-Mitarbeitende Mitarbeitende von Lieferanten Berufsunfälle auf SBB-Baustellen Bei den 350Rangierunfällen hält der Abwärtstrend Lieferanten geprüft. Bei rund sechs Prozent der weiter an. 2020 wurden 20 Unfälle verzeichnet, so kontrollierten Baustellen wurden Mängel festge- 300 wenig wie seit 13 Jahren nicht mehr. Die SBB füh- stellt, was eine klare Verbesserung von acht Pro- ren den erfreulichen 250 Rückgang unter anderem auf zent gegenüber dem Vorjahr darstellt. Die häufigs- die pandemiebedingten Schliessungen zurück. So ten Mängel waren: stiegen in200 Anzahl der zweiten Jahreshälfte die Fallzahlen nämlich wieder 150 auf das Vorjahresniveau. Die An- - Sicherheitsdispositiv formell nicht korrekt (67) zahl Rangierunfälle von Lieferanten bleibt unverän- - Vorschriften für Gefahrstoffe nicht eingehalten 100 dert bei sieben. Das ist doppelt so hoch wie 2017. (62) Die Rangierunfälle 50 passierten gleich häufig im ge- - Sicherheitsfunktion ohne Legitimation ausgeführt sperrten Gleis wie im Betriebsgleis. (15) 0 - Betriebliche Meldungen nicht korrekt protokolliert 2013 Die Anzahl Berufsunfälle 2014von 2013 nahm 2015bis 2020 2016 2017 (13) 2018 2019 2020 insgesamt leicht ab Total von 282 auf SBB-Mitarbeitende 261. Die Bemü- - Sicherheitsdispositiv Mitarbeitende vonnicht korrekt umgesetzt (12) Lieferanten hungen der SBB, Betriebsunfälle zu vermeiden, - Sicherheitsdispositiv oder Vereinbarung nicht sind gross. So hat die SBB etwa die Ausbildun- vorhanden (11) gen erneuert oder die Zulassungen von Personal und Rollmaterial verschärft. Doch eine signifikante Die SBB hat zudem drei Sicherheitsmanagement- Verbesserung der Arbeitssicherheit konnte bis an- Audits bei Lieferanten durchgeführt und Schwach- hin trotzdem nicht verzeichnet werden. Die Zahlen stellen vor allem bei folgenden Punkten festgestellt: bewegten sich in den letzten acht Jahren stets zwi- schen 260 und gut 300 Unfällen pro Jahr, wobei - Ungenügende Kennzahlen über die Sicherheits- den Lieferanten etwas mehr Unfälle als den Mit- entwicklung arbeitenden von SBB Infrastruktur passierten. - Ungenügende Kontrollkonzepte, Planung, Durch- führung, Überwachung, Auswertung Mängel bei kontrollierten Baustellen - Sicherstellung der verlangten Sprachkompetenzen Informiert wurde auch über die Baustellenkontrol- - Durchgängige Zuteilung der Aufgaben, Verant- len. Im letzten Jahr hat die SBB über 3‘800 sol- wortungen und Kompetenzen bei den für Sicher- cher Kontrollen durchgeführt und dabei 1‘926 mal heit Verantwortlichen 21 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
10 5 SBB-Sicherheitstag 0 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Total SBB-Mitarbeitende Mitarbeitende von Lieferanten Berufsunfälle auf SBB-Baustellen 350 300 250 200 Anzahl 150 100 50 0 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Total SBB-Mitarbeitende Mitarbeitende von Lieferanten Sicherheit bleibt ein ständiges Thema Dänzer als Leiter berufliche Grundbildung und Seit Jahresbeginn sind auf SBB-Baustellen nur Drittmarkt verantwortlich. Die gegenseitige An- noch orange Warnkleider zugelassen, welche die erkennung der Basisausbildungen im Sicherheits- EN ISO 20 471 erfüllen. Die Arbeitssicherheit soll bereich durch die verschiedenen Bahnbetreiber zudem durch digitale Hilfsmittel unterstützt wer- ist noch immer eine unerfüllte Forderung von Infra den, wie das «Sicherheitsdispositiv», eine Selbst- Suisse. Das Projekt wurde leider vom Verband öf- schutz-App oder die bessere Verfügbarkeit von not- fentlicher Verkehr vorerst abgebrochen. wendigen Unterlagen und Vorgaben. Ausbildungsplätze für Sicherheitschefs fehlen In der Praxis scheinen nach wie vor Ausbildungs- COVID-Massnahmenverantwortlichen plätze für Sicherheitschefs zu fehlen. Die SBB nicht mehr Pflicht zeigt sich bemüht, das Angebot zu verbessern. Auf SBB-Baustellen sind die COVID-Mass- Sie bittet die Lieferanten, sich bereits ein Jahr vor nahmenverantwortlichen (CMV) ab sofort Ablauf der Bescheinigung um die Anmeldung zu nicht mehr zwingend vorgeschrieben und kümmern und notwendige Vorabklärungen frühzei- werden von der SBB auch nicht mehr ent- tig vorzunehmen. Zudem wurde festgestellt, dass schädigt. Je nach Baustelle kann ein CMV offenbar häufig die notwendigen Bescheinigungen aber weiterhin sinnvoll sein. Der Einsatz des nicht zu Kursbeginn mitgebracht werden und die CMV und die Entschädigung ist unbedingt Online-Zulassungstests für die Wiederholkurse für vorgängig mit der Projektleitung schriftlich zu Sicherheitschef nicht absolviert wurden. vereinbaren. Die Website für die Bildungsangebote wurde um- infra-suisse.ch/sbb gestaltet. Die Nutzenden können so ihre Daten selbst verwalten. Mit einem Ticketsystem soll si- chergestellt werden, dass Anfragen professionell verarbeitet werden. Die SBB will künftig das An- gebot für Lieferanten und die berufliche Grundbil- dung stärken. Dafür ist seit Anfang Jahr Reinhold 22 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
CO2 -Gesetz Infrastrukturbauer für wirksamen Klimaschutz Die Schweizer Infrastrukturbauer tragen viel dazu bei, die natürlichen Ressourcen und das Klima zu schützen. Das totalrevidierte CO2 -Gesetz ist für sie aber der falsche Weg. Es nützt dem Klima zu wenig und kostet die Wirtschaft zu viel. «Wirksamer Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind oder Belagsasphalt vorhanden. Mit dem neuen Ge- wichtiger denn je», betont Christian Wasserfallen, setz über das öffentliche Beschaffungswesen gibt Nationalrat und Präsident von Infra Suisse. «Das es seit Anfang Jahr auf Bundesebene die rechtliche neue CO2 -Gesetz ist aber nicht der richtige Weg.» Grundlage für mehr Umweltschutz und Nachhaltig- Über einen geplanten Klimafonds will der Bund keit bei der Beschaffung von Infrastrukturbauten. jährlich über 1.2 Milliarden Franken umverteilen. Die Kantone passen ihre Gesetze entsprechend an. Das sei weder effizient noch effektiv, aber sehr teu- Öffentliche Beschaffungsstellen haben damit den er, moniert Wasserfallen. klaren Auftrag, nachhaltige und qualitativ bessere Angebote gegenüber billigen Angeboten eine echte Das Gesetz schwächt zudem die Finanzierung des Chance auf einen Zuschlag einzuräumen. Damit Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds werden Innovationen im Infrastrukturbau belohnt (NAF). Zukünftig sollen die Einnahmen aus Sank- und eine nachhaltige Wirtschaft gefördert. tionen der Autoimporteure anstatt in den NAF zur Hälfte in den Klimafonds fliessen. Erst 2017 stimmte Infra Suisse engagiert sich mit dem Standard Nach- eine klare Mehrheit der Schweizer Bevölkerung für haltiges Bauen Schweiz (SNBS) für eine einheitli- den NAF, um eine effiziente Mobilität zwischen den che und umfassende Nachhaltigkeitsbewertung bei Landesteilen und in den Agglomerationen sicherzu- der Beschaffung von Infrastrukturbauten. Mit In- stellen. «Drei Jahre später will das Parlament den fraEco stellt der Verband zudem Bauunternehmen, Volksentscheid wieder umgehen. Das gehört sich Planern und Bauherren ein kostenloses Tool zur nicht!», stellt Wasserfallen fest. Verfügung, um mögliche Umweltrisiken bei Baupro- jekten schnell und unkompliziert zu identifizieren. Nachhaltig Infrastrukturen beschaffen Durch richtiges Planen und Bauen von Infrastruktu- ren können Bauherren sowie Unternehmen viel zum Weitere Informationen Klima- und Umweltschutz beitragen. Grosses Po- infra-suisse.ch/politik tential sind etwa bei Recyclingbaustoffen wie Beton 23 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
Factsheet Preisprüfung Einsicht in die Kalkulation nach dem neuen Beschaffungsrecht des Bundes Dem Staat wird unter gewissen Umständen das Recht eingeräumt, auch nach Vertragsabschluss einen vereinbarten Preis nach unten zu korrigieren. Dieses sogenannte Preisprüfungsrecht ist eigentlich ein Unding. Trotzdem existiert es – leicht abgeschwächt – auch im neuen Beschaffungsrecht. Obwohl gemäss Erläuterung zur Verordnung insbesondere für Rüstungsbeschaffungen gedacht, sollen nach dem Wunsch der öffentlichen Bauherren auch Bauunternehmer ihre Preise überprüfen lassen. 24 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
Factsheet Preisprüfung Das «Einsichtsrecht» der bisherigen Verordnung Ist bei öffentlichen Ausschreibungen oder Einla- über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB) ist dungsverfahren nur ein gültiges Angebot eingetrof- in der aktuellen VöB in Art. 24 als «Preisprüfung» fen oder verbleibt nur eines im Wettbewerb, darf geregelt. Das Eidgenössische Finanzdepartement kein Preisprüfungsverfahren vereinbart werden. (EFD) empfiehlt den Beschaffungsstellen in ihrer Richtlinie vom 18. Dezember 2020 zur «Preis- Das EFD empfiehlt in seiner Richtlinie zudem, bei prüfung bei Beschaffungen des Bundes», wie die Beschaffungen auf eine Preisprüfung zu verzich- Preisprüfung anzuwenden ist. ten, welche für die Auftragnehmerin keine grosse Gewinnmarge enthalten. Die grundlegenden Punkte der Richtlinie Die Preise dürfen entweder von der Eidgenös- Ein Preisprüfungsrecht kann vereinbart werden, sischen Finanzkontrolle oder von der internen wenn Revision geprüft werden. a) der Auftragswert (exkl. MWST) mindestens Eine Prüfung ist ausschliesslich dann zulässig, CHF 1 Mio. (oder auch mindestens CHF 5 wenn im Vertrag rechtmässig ein Preisprüfungs- Mio.) beträgt und recht vereinbart wurde. Die Vereinbarung hat den Gegenstand, den Umfang und die Durchführung b) bei der Vergabe kein ausreichender Wettbe- der Prüfung sowie eine allfällige Preissenkung zu werb herrscht. regeln. Sämtliche Informationen und Unterlagen sind durch die Preisprüfstelle vertraulich zu behan- Das Preisprüfungsrecht kann zwischen Bauherrn deln und sicher aufzubewahren. Der Bauherr erhält und Bauunternehmen vereinbart werden, muss dabei nur die für eine allfällige Preisanpassung er- aber nicht. Ein Preisprüfungsrecht besteht nur forderlichen Informationen. dann, wenn es vertraglich vereinbart wurde. Je nach Ergebnis der Preisprüfung bleiben die Das EFD empfiehlt den öffentlichen Beschaffungs- Preise unverändert oder die Preise werden ge- stellen die Grundsätze auf Stufe Direktion festzu- senkt. legen, ob das Preisprüfungsrecht vereinbart und in welchen Fällen darauf verzichtet werden soll. Überprüft wird, ob der Unternehmer Kosten, Risi- ken und/oder Gewinnmargen einkalkuliert hat, die Ist ein ausreichender Wettbewerb anzunehmen, er bei gleichen oder ähnlichen Leistungen und Wett- darf kein Preisprüfungsrecht vereinbart werden. bewerbsbedingungen nicht realisieren könnte. Bran- chenübliche Gewinne bleiben unangetastet. Eine Wettbewerb fehlt grundsätzlich bei freihändigen Preisanpassung nach oben ist aber nicht möglich. Vergaben. Dann kann das Preisprüfungsrecht ver- einbart werden. Weitere Informationen infra-suisse.ch/preispruefungsrecht 25 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
Neuigkeiten Digitale Mitgliederversammlung Bühne frei für IngenieurInnen Die ordentliche Mitgliederversammlung von Infra Am 17. Juni 2021 wird der Building-Award zum vier- Suisse findet am 29. April 2021, von 10 bis 11 Uhr ten Mal von einer hochkarätigen Jury im KKL Luzern digital statt. Die Einladungen und Wahlunterlagen für herausragende und innovative Ingenieursleistun- werden Anfang April versendet. gen verliehen. bilding – die Schweizerische Stiftung zur Förderung des Ingenieurnachwuchses im Bau- wesen – steht zusammen mit Infra Suisse und wei- teren Trägerverbänden hinter dem Award. infra-suisse.ch/veranstaltungen building-award.ch RTVG-Doppelbelastung fällt weg CAS Grund- und Spezialtiefbau Die Mehrfachbelastung von Arbeitsgemeinschaften Der CAS Grund- und Spezialtiefbau von Infra ARGE auf dem Bau durch die Mediensteuer wurde Suisse geht im Oktober 2021 in die nächste Runde. Anfang 2021 abgeschafft. Für Infra Suisse Präsi- Die Teilnehmenden erwartet Know-how aus den Be- dent Christian Wasserfallen, der sich im Nationalrat reichen Baugrund und Tragwerkskonzepte, Ausfüh- für die Abschaffung einsetzte, ist es gerade wäh- rung und Überwachung sowie Vertragswesen und rend der Corona-Krise wichtig, dass ungerechtfer- Sicherheit. Praxisnah und kompakt vermittelt. tigte und sinnlose Belastungen für die Infrastruktur- bauer wegfallen. infra-suisse.ch/cas 26 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
Veranstaltungen und Impressum Veranstaltungen von Infra Suisse Fr 16.04.21 Frühjahrs-Fachkonferenz Untertagbau Online Do 29.04.21 Mitgliederversammlung Online Mo – Do 13. – 16.09.21 Hochschulkurs Untertagbau Sursee Mo – Di 20. – 21.09.21 Eidg. Berufsprüfung Strassenbau-Polier/in Sursee Mi 20.10.21 Fachkonferenz Grund- und Spezialtiefbau Do – Fr 21. – 22.10.21 Herbst-Fachkonferenz Untertagbau Do 20.01.22 Infra-Tagung Luzern Do 10.02.22 Journée Infra Lausanne Aktuelle Informationen: infra-suisse.ch/veranstaltungen Neu auf der Geschäftsstelle Nils Sommer verstärkt seit Januar das Team von Infra Suisse. Als Leiter Markt berät und unterstützt er in den Bereichen Beschaffungs- recht, Submissionen und Werkverträgen. Dank seinen Erfahrungen als Jurist für Beschaffungs- und Vertragswesen beim Bundesamt für Strassen verfügt er über ausgezeichnetes Fachwissen. Nils Sommer ist zudem Ansprechpartner für alle Belange der Romandie: 058 360 77 74, n.sommer@infra-suisse.ch Impressum Infra Suisse Redaktion Weinbergstrasse 49 Tina Grob, Infra Suisse 8042 Zürich Konzept und Gestaltung 058 360 77 77 Nicole Aregger, Reto Gratwohl, filter.ch info@infra-suisse.ch infra-suisse.ch Fotos Die Post (12), die textwerkstatt (Cover, 10), Markus Lamprecht (11), Markus Senn (2, 4, 16, 19), InfraSuisse Pexels (8, 26), SBB (20) Druckerei infra-suisse.ch Baldegger, Winterthur infrasuisse Erscheint viermal jährlich. 27 Infra Suisse Bulletin N° 57 | März 2021
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