SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT - Beschluss

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Az.:    3 B 81/21

                             SÄCHSISCHES
                       OBERVERWALTUNGSGERICHT

                                       Beschluss

                              In der Verwaltungsrechtssache

       1. der Frau L. A.
       vertreten durch die Betreuer
       I. A. und K. A.,
       xxxstraße 10, 09xxx Cxxxxx

       2. des minderjährigen Kindes N. A.
       vertreten durch die Eltern
       I. A. und K. A.,
       xxxstraße 10, 09xxx Cxxxxx

                                                     - Antragstellerinnen -

       prozessbevollmächtigt:
       Rechtsanwalt Martin Kohlmann
       Brauhausstraße 6, 09111 Chemnitz

                                            gegen

       den Freistaat Sachsen
       vertreten durch das Sächsische Staatsministerium
       für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt
       Albertstraße 10, 01097 Dresden

                                                     - Antragsgegner -
2

    prozessbevollmächtigt:
    Rechtsanwalt Dr. jur. Dr. Jürgen Rühmann
    Ullersdorf
    Prießnitzblick 9, 01454 Radeberg

                                        wegen

    SächsCoronaSchVO vom 5. März 2021
    hier: Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO

    hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden
    Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Freiherr von Welck, die Richter am Oberver-
    waltungsgericht Kober und Heinlein sowie die Richterinnen am Oberverwaltungsge-
    richt Nagel und Schmidt-Rottmann

    am 19. März 2021

                                     beschlossen:

    Der Antrag wird abgelehnt.

    Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.

    Der Streitwert wird auf 10. 000 festgesetzt.

                                       Gründe

                                           I.

1   Die Antragstellerinnen verfolgen mit ihrem Eilantrag gemäß § 47 Abs. 6 VwGO das
    Ziel, § 5a Abs. 5 Satz 1 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Sozia-
    les und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-
    CoV-2 und COVID-19 (Sächsische Corona-Schutz-Verordnung - SächsCoronaSch-
    VO) vom 5. März 2021 (SächsGVBl. S. 287) einstweilen außer Vollzug zu setzen. Die
    Sächsische Corona-Schutz-Verordnung hat - soweit hier streitgegenständlich - nach-
    folgenden Wortlaut:
3

                                               § 5a
            Betriebseinschränkungen für Einrichtungen der Kindertagesbetreuung und
           Schulen ( )

    (5) Ab dem 15. März 2021 ist Personen, mit Ausnahme von Schülerinnen und Schü-
    lern der Primarstufe, der Zutritt zum Gelände von Schulen untersagt, wenn sie nicht
    durch eine ärztliche Bescheinigung oder durch einen Test auf das Coronavirus SARS-
    CoV-2 mit negativem Testergebnis nachweisen, dass keine Infektion mit dem Corona-
    virus SARS-CoV-2 besteht. Die Ausstellung der ärztlichen Bescheinigung und die
    Durchführung des Tests dürfen nicht länger als drei Tage, für Schülerinnen und Schü-
    ler nicht länger als eine Woche zurückliegen. Das Zutrittsverbot nach Satz 1 gilt nicht,
    wenn unmittelbar nach dem Betreten des Geländes der Schule ein Test auf das
    Coronavirus SARS-CoV-2 durchgeführt wird. Das Zutrittsverbot nach Satz 1 gilt nur
    für diejenigen Schulen, in denen Selbsttestkits für schulisches Personal, Hortpersonal
    sowie, mit Ausnahme der Primarstufe, Schülerinnen und Schüler in hinreichender
    Zahl vorliegen. Sofern ein Zutrittsverbot nach Satz 1 gilt, sind im Eingangsbereich des
    Geländes der Schule entsprechende Hinweise anzubringen.

                                        § 12

                           Inkrafttreten, Außerkrafttreten

    (1) Diese Verordnung tritt am 8. März 2021 in Kraft.

    (2) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des 31. März 2021 auer Kraft.

2   Mit ihren Schriftsätzen vom 9. und 17. März 2021 tragen die Antragstellerinnen vor:

3   Der Antrag sei zulässig. Insbesondere seien die Antragstellerinnen antragsbefugt, da
    sie von der angegriffenen Norm unmittelbar betroffen seien. Die Antragstellerin zu 1)
    sei 19 Jahre alt und besuche die Förderschule für geistig und körperlich behinderte
    Menschen in Chemnitz. Die Antragstellerin zu 2) sei 11 Jahre alt und besuche die fünfte
    Klasse in der xxxSchule Chemnitz.

4   Der Antrag sei auch begründet. Es gebe zwei Arten von Tests auf das Coronavirus:
    PCR-Tests und Antigen-Schnelltests. Weder aus dem Normtext der Verordnung noch
    aus der Begründung hierzu ergebe sich, welche Art von Tests vorgesehen sei. Dieser
    Mangel werde auch nicht durch eine FAQ-Seite der Landesregierung geheilt, die Aus-
    führungen zum Ablauf der Tests enthalte. Klar sei, dass es sich bei den in Bezug ge-
4

nommenen     Tests   jedenfalls   nicht       um   Spuktests   handele.   §   5a   Abs.   5
SächsCoronaSchVO verstoße gegen Art. 2 Abs. 2 GG. Die Vornahme eines PCR-
Tests sei ein riskanter Eingriff, der bei den Betroffenen zu Schmerzen führe, die mit-
unter auch extrem stark sein könnten. Oft erfolge die Testung auf das Coronavirus auf
miserable Weise. Mit den Tests sei ein hohes Risiko verbunden, in besonders emp-
findlichen Regionen des menschlichen Körpers verletzt zu werden. Erfolge die Tes-
tung durch nicht hinreichend geschultes Lehrpersonal, sei das Verletzungsrisiko be-
sonders hoch. Es könne nicht angehen, dass der Schulbesuch nur bei Inkaufnahme ei-
nes Verletzungsrisikos möglich sei. Ein Verletzungsrisiko bestehe auch dann, wenn
sich die Betroffenen im Rahmen von Selbsttests einen Teststab in die Nase schieben
müssten. Unbeachtlich sei, dass die Verordnung auf die Möglichkeit des Heimunter-
richts verweise. Denn es bestünde faktisch kaum die Möglichkeit, vom Präsenzunter-
richt fernzubleiben, weil dies für die Schüler mit erheblichen Nachteilen auch im Hin-
blick auf ihre Benotung verbunden wäre. Auch könnten sich nicht alle Schüler vom
Präsensunterricht abmelden. Letztlich bestehe eine faktische Testpflicht.
Die Verordnung leide schon deswegen an einem erheblichen Mangel, da sie eine Re-
gelung zur Haftung bei Verletzungen durch die Tests nicht enthalte. Sie griffe mit der
angegriffenen Regelung auch in das Recht auf Bildung ein, das durch Art. 26 der all-
gemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen geschützt sei, und
verstoße überdies gegen Art. 1 GG. Die Tests seien nicht geeignet, die Verbreitung
von COVID-19 einzudämmen. Hiervon ginge offensichtlich selbst der Verordnungs-
geber aus. Die für Schulen gültigen strengen Hygienevorschriften sollten wohl auch
bei einem Negativtest beibehalten werden. Die Testpflicht könne nicht umgesetzt wer-
den. Es sei nicht erkennbar, wie bei den vorgesehenen Tests auf dem Schulgelände
den Maßgaben des Infektionsschutzes hinreichend Rechnung getragen werden könnte.
Die Anwendung von § 5a Abs. 5 SächsCoronaSchVO könne zur Folge haben, dass bei
nur einem positiven Testergebnis eine Vielzahl von Schülern in Quarantäne gehen
müsste. Soweit diese Vorschrift zum Nachweis, dass keine Infektion mit dem Corona-
virus besteht, auch eine ärztliche Bescheinigung genügen lasse, dürfte es einen An-
sturm auf die Arztpraxen geben, wodurch die Erreichung des Ziels gefährdet werde,
das Gesundheitssystem zu entlasten. Zwar gebe es nach § 5a Abs. 5
SächsCoronaSchVO verschiedene Möglichkeiten zum Nachweis, dass keine Infektion
mit dem Coronavirus bestehe. Tatsächlich werde es aber Aufgabe der Schulen sein,
die Tests vorzunehmen, da es nicht möglich sein werde, wöchentliche Arzttermine
5

    wahrzunehmen. Die angegriffene Regelung sei auch nicht erforderlich. Denn ein An-
    gebot der Schule, freiwillige Tests anzubieten, wäre ein milderes Mittel. Es sei davon
    auszugehen, dass sich ein hoher Prozentsatz der Schüler freiwillig testen lassen würde.
    Im Übrigen sei die flächendeckende Testung nicht notwendig. Insbesondere gebe es
    keine medizinischen oder infektionsverdachtsbestimmenden Gründe für die Testung
    der Schüler ab der 5. Klasse. Auch die in § 5a Abs. 5 SächsCoronaSchVO vorgesehe-
    ne Häufigkeit der Tests sei nicht sinnvoll. Schließlich sei die angegriffene Regelung
    jedenfalls nicht verhältnismäßig. Dies ergebe sich aus dem hier entsprechend anwend-
    baren Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 2. März 2021 (- 20 NE
    21. 353 -), wonach die Verpflichtung einer Krankenschwester, sich an ihrem Arbeits-
    platz auf Corona testen zu lassen, nicht mit höherrangigem Recht vereinbar sei. Im
    Übrigen sei die vorläufige Außervollzugssetzung der angegriffenen Vorschrift im
    Hinblick auf die betroffenen Rechtsgüter der Antragstellerinnen auch notwendig.

5   Die Antragstellerinnen beantragen,

           § 5a Abs. 5 Satz 1 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für
           Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem
           Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 (Sächsische Corona-Schutz-
           Verordnung - SächsCoronaSchVO) vom 5. März 2021 bis zur Entscheidung
           über den Normenkontrollantrag der Antragstellerin außer Vollzug zu setzen.

6   Der Antragsgegner beantragt,

           den Antrag abzulehnen.
7
    Er tritt dem Antrag entgegen und hält die angegriffene Regelung für wirksam. Formel-
    le Fehler seien nicht ersichtlich. Insbesondere sei die streitbefangene Verordnung in
    derselben Weise erlassen worden wie die Corona-Schutzverordnungen, welche der
    Senat schon bislang geprüft und insoweit nicht beanstandet habe. Fehler in materiell-
    rechtlicher Hinsicht lägen auch nicht vor. Die Regelung lasse zum Nachweis, dass
    keine Infektion mit dem Corona-Virus vorliege, auch einen Selbsttest zu. Das Sekret
    werde bei diesen Tests entweder im vorderen Nasenraum gewonnen oder verlange von
    den Betroffenen lediglich ein Gurgeln oder Ausspucken auf den Testkit. Im Hinblick
    darauf sei ein Selbsttest nicht mit einem Eingriff in die grundrechtlich geschützte
    Menschenwürde verbunden. Es liege auch kein Eingriff in die grundrechtlich ge-
    schützte körperliche Unversehrtheit vor. Soweit mit dem Test ein Eingriff in die all-
    gemeine Handlungsfreiheit verbunden sei, sei dieser gerechtfertigt.
6

                                                II.

8    Der Antrag ist nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 24 Abs. 1 SächsJG statthaft.
     Danach entscheidet das Sächsische Oberverwaltungsgericht über die Gültigkeit von im
     Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften. Dazu gehören Verord-
     nungen der Staatsregierung. Der Senat entscheidet gemäß § 24 Abs. 2 SächsJG hier
     über in der Besetzung von fünf Berufsrichtern.

9    Der Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig.

10   Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, wenn ein in der
     Hauptsache gestellter oder noch zu stellender Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1
     VwGO voraussichtlich zulässig ist (vgl. hierzu Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5.
     Aufl. 2018, § 47 Rn. 387) und die für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes
     geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 47 Abs. 6 VwGO vorliegen. Beides ist
     hier der Fall.

11   Die Antragstellerinnen sind auch antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1
     VwGO, da sie geltend machen können, in ihren Rechten verletzt zu sein. Sie können
     sich auf eine mögliche Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 2
     Abs. 2 Satz 2 GG stützen. Die Antragstellerinnen sind als Schülerinnen von dem in
     § 5a Abs. 5 Satz 1 SächsCoronaSchVO normierten Zutrittsverbot betroffen.

12   Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist allerdings nicht begründet.
1

13   Gemäß § 47 Abs. 6 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht die Anwendung der
     Verordnung des Antragsgegners vorübergehend außer Vollzug setzen, wenn dies zur
     Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
     Da sich der Wortlaut der Vorschrift an § 32 BVerfGG anlehnt, sind die vom Bundes-
     verfassungsgericht hierzu entwickelten Grundsätze (BVerfG, Beschl. v. 8. November
     1985 - 1 BvR 1290/85 -, juris Rn. 10, und v. 8. November 1994 - 1 BvR 1814/94 -, ju-
     ris Rn. 21) auch bei § 47 Abs. 6 VwGO heranzuziehen. Als Entscheidungsmaßstab
     dienen die Erfolgsaussichten eines anhängigen oder möglicherweise nachfolgenden
7

     Hauptsacheverfahrens. Ergibt die Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraus-
     sichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen An-
     ordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht geboten. Ist hingegen voraussichtlich von ei-
     nem Erfolg des Normenkontrollantrags auszugehen, wird die angegriffene Norm
     einstweilen außer Vollzug zu setzen sein, wenn der (weitere) Vollzug der angegriffe-
     nen Norm bis zum Ergehen einer Hauptsacheentscheidung Nachteile befürchten lässt,
     die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter
     und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit
     Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen
     Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Erweisen sich die Erfolgsaussichten in
     der Hauptsache als offen, sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweili-
     ge Anordnung nicht erginge, eine Hauptsache aber Erfolg hätte, gegenüber den Nach-
     teilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen
     würde, einem anhängigen oder möglicherweise nachfolgenden Normenkontrollantrag
     aber der Erfolg zu versagen wäre. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung
     sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich über-
     wiegen, also so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz of-
     fener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (SächsOVG, Beschl. v.
     15. April 2020 - 3 B 114/20 -, juris Rn. 11 und Beschl. v. 15. März 2018 - 3 B 82/18 -,
     juris Rn. 16 m. w. N.). Mit diesen Voraussetzungen stellt § 47 Abs. 6 VwGO an die
     Aussetzung des Vollzugs einer untergesetzlichen Norm erheblich strengere Anforde-
     rungen als § 123 VwGO sie sonst an den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt
     (BVerwG, Beschl. v. 18. Mai 1998 - 4 VR 2.98 -, juris Rn. 3).

14   Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Antrag auf vorläufige Außervollzugset-
     zung von § 5a Abs. 5 Satz 1 SächsCoronaSchVO keinen Erfolg, da die angegriffene
     Vorschrift im Normenkontrollverfahren voraussichtlich standhalten wird. Auch eine
     Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerinnen aus.

15   1. Die in Bezug genommene Verordnungsermächtigung genügt voraussichtlich den
     Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 2. Februar 2021
     - 3 B 8/21 -, juris Rn. 28 ff. m. w. N. und Senatsbeschl. v. 4. März 2021 - 3 B 49/21- ).
8

16   2. Die Voraussetzungen der § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie § 28a Abs. 1
     Nr. 16, Abs. 3 und Abs. 6 IfSG für den Erlass der angegriffenen Regelung dürften er-
     füllt sein.

17   2.1 Zur gegenwärtigen Infektionslage liegen folgende Erkenntnisse und Bewertungen
     des Robert-Koch-Instituts (RKI) vor:

18   Es ist nach wie vor eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in
     Deutschland zu beobachten. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der
     Bevölkerung in Deutschland insgesamt weiterhin als sehr hoch ein. Die Inzidenz der
     letzten sieben Tage liegt - Stand 15. März 2021 - deutschlandweit bei 84 Fällen pro
     100.000 Einwohner (EW). In Sachsen liegt diese nunmehr wieder deutlich über der
     Gesamtinzidenz. Aktuell weisen 327 von 412 Kreisen eine hohe Sieben-Tage-Inzidenz
     von mehr als 50 auf. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt in 124 Kreisen bei mehr als 100
     Fällen/100.000 EW, davon in sechs Kreisen bei mehr als 250 Fällen/100.000 EW. Die
     Sieben-Tage-Inzidenz bei Personen zwischen 60-79 Jahren liegt aktuell bei 52 und bei
     Personen, die 80 Jahre oder älter sind, bei 54 Fällen/100.000 EW. Die sieben-Tage-
     Inzidenz nimmt insbesondere in den Altersgruppen
9

     Aktuell kann oft kein konkretes Infektionsumfeld ermittelt werden. Die hohen bun-
     desweiten Fallzahlen werden durch zumeist diffuse Geschehen mit zahlreichen Häu-
     fungen insbesondere in privaten Haushalten, zunehmend auch in Kitas, Schulen und
     im beruflichen Umfeld verursacht.

19   Am 11. März 2021 befanden sich 2.759 COVID-19-Fälle in intensivmedizinischer
     Behandlung. Insgesamt wurden 24.209 Intensivbetten (Low- und High-Care) für Er-
     wachsene als betreibbar gemeldet, wovon 20.564 (85%) belegt waren. 3.645 (15%)
     Erwachsenen-ITS-Betten werden als aktuell frei und betreibbar angegeben. In den
     meisten Bundesländern setzt sich der zuvor kontinuierliche Rückgang der COVID-19-
     Fallzahlen auf Intensivstationen nicht weiter fort, sondern die ITS-Belegung mit CO-
     VID-19-Fällen stagniert aktuell auf einem Plateau. Ein Drittel der Bundesländer ver-
     zeichnet sogar wieder einen leichten Anstieg. Die Belastung des Gesundheitssystems
     hängt maßgeblich von der regionalen Verbreitung der Infektionen, den hauptsächlich
     betroffenen Bevölkerungsgruppen, den vorhandenen Kapazitäten und den eingeleite-
     ten Gegenmaßnahmen (z.B. Isolierung, Quarantäne, physische Distanzierung) ab. Sie
     ist aktuell in weiten Teilen Deutschlands nach wie vor angespannt und kann sehr
     schnell wieder zunehmen, so dass das öffentliche Gesundheitswesen und die Einrich-
     tungen für die stationäre medizinische Versorgung örtlich überlastet werden. Da die
     verfügbaren Impfstoffe einen hohen Schutz vor der Entwicklung einer COVID-19-
     Erkrankung bieten, wird voraussichtlich mit steigenden Impfquoten auch eine Entlas-
     tung des Gesundheitssystems einhergehen.

20   Auch in Deutschland sind seit Dezember 2020 Infektionen mit besorgniserregenden
     Virusvarianten nachgewiesen worden, speziell der Variante B.1.1.7. Die bisher vorlie-
     genden Daten und Analysen zeigen, dass sich der Anteil der Virusvariante B.1.1.7 in
     den letzten Wochen auf inzwischen ca. 72 % (RKI, Bericht zu Virusvarianten von
     SARS-CoV-2 in Deutschland, insbesondere zur Variant of Concern (VOC) B.I.I.7,
     Stand: 17. März 2021) deutlich erhöht hat. Das ist besorgniserregend, weil B.1.1.7
     nach bisherigen Erkenntnissen ansteckender ist und vermutlich etwas schwerere
     Krankheitsverläufe verursacht als andere Varianten.

21   Effektive und sichere Impfstoffe stehen seit Ende 2020 zur Verfügung, aber noch nicht
     in ausreichenden Mengen. Sie werden aktuell vorrangig den besonders gefährdeten
10

     Gruppen angeboten. Es wird erwartet, dass in den nächsten Wochen allen besonders
     gefährdeten Menschen ein Impfangebot gemacht und damit bereits ein Effekt auf die
     Zahl der auf Intensivstationen behandelten Personen und Todesfällen erzielt werden
     kann. Bislang wurden insgesamt 6.712.195 Personen mindestens einmal (Impfquote
     8.1 %) und 2.951.692 zwei Mal (Impfquote 3,5 %) gegen COVID-19 geimpft. Hin-
     weise auf eine substantiell verringerte Wirksamkeit der zugelassenen Impfstoffe gegen
     die Variante B.1.1.7 gibt es bislang nicht. Ob und in welchem Maße die neuen Varian-
     ten B.1.351 und P.1 die Wirksamkeit der verfügbaren Impfstoffe beeinträchtigen, ist
     derzeit noch nicht sicher abzuschätzen.

22   Die Therapie schwerer Krankheitsverläufe ist komplex und erst wenige Therapieansät-
     ze haben sich in klinischen Studien als wirksam erwiesen.

23   Zur Übertragbarkeit von SARS-CoV-2 ist der wissenschaftliche Erkenntnisstand des
     RKI weiterhin der, dass diese Erkrankung grundsätzlich leicht von Mensch zu Mensch
     übertragbar ist. Das Infektionsrisiko ist stark vom individuellen Verhalten (AHA+L-
     Regel: Abstand halten, Hygiene beachten, Alltag mit Masken und regelmäßiges Lüf-
     ten), vom Impfstatus, von der regionalen Verbreitung und von den Lebensbedingun-
     gen (Verhältnissen) abhängig. Hierbei spielen Kontakte in Risikosituationen und deren
     Dauer (wie z.B. langer face-to-face Kontakt) eine besondere Rolle. Dies gilt auch bei
     Kontakten mit Familienangehörigen oder Freunden außerhalb des eigenen Haushalts
     und im beruflichen Umfeld. Die besorgniserregenden Virusvarianten B.1.1.7, B.1.351
     und P1 sind nach Untersuchungen aus dem Vereinigten Königreich und Südafrika und
     gemäß Einschätzung des ECDC noch leichter von Mensch zu Mensch übertragbar.
     Masken stellen einen wichtigen Schutz vor einer Übertragung durch Tröpfchen bei ei-
     nem engen Kontakt dar. Wenn der Mindestabstand von 1,5 m ohne Maske unterschrit-
     ten wird, z. B. wenn Gruppen von Personen an einem Tisch sitzen oder bei größeren
     Menschenansammlungen, besteht auch im Freien ein erhöhtes Übertragungsrisiko. Bei
     SARS-CoV-2 spielt die unbemerkte Übertragung über Aerosole eine besondere Rolle.
     Die Aerosolausscheidung steigt bei lautem Sprechen, Singen oder Lachen stark an. In
     Innenräumen steigt hierdurch das Risiko einer Übertragung deutlich, auch über einen
     größeren Abstand als 1,5 m. Im Alltag können Masken die Freisetzung von Aerosolen
     reduzieren, aber nicht sicher vor einer Ansteckung auf diesem Weg schützen. Regel-
     mäßiges intensives Lüften führt zu einer Reduktion der infektiösen Aerosole und ist
11

     daher ein wichtiger Bestandteil der Schutzmaßnahmen. In welchem Maß die verfügba-
     ren Impfstoffe nicht nur vor der Erkrankung schützen, sondern auch einen Effekt auf
     die Übertragung des Erregers haben, ist noch nicht abschließend geklärt. Es liegen
     aber zunehmend Daten vor, die darauf hinweisen, dass die Impfung auch das Risiko
     einer Übertragung reduziert, diese aber nicht vollständig blockiert (zum Ganzen: Täg-
     licher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 [COVID-19] vom 11.
     und                   vom                 16.                    März                  2021,
     https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/
     Maerz_2021/2021-03-11-de.pdf?__blob=publicationFile                                     und
     https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/
     Maerz_2021/2021-03-16-de.pdf?__blob=publicationFile, und Risikobewertung zu
     COVID-19              vom          26.                Februar           2021,          2021,
     https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.ht
     ml, abgerufen am 12. März 2021).

24   Für den Freistaat Sachsen waren - Stand 17. März 2021 - in den letzten sieben Tagen
     4.441 neue Fälle zu verzeichnen. Der Inzidenzwert für den gesamten Freistaat betrug
     109 Fälle je 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen (RKI, COVID-19: Fall-
     zahlen in Deutschland und weltweit, Fallzahlen in Deutschland, Stand: 17. März 2021,
     https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html).
     Dabei weisen nunmehr wieder alle Landkreise und kreisfreien Städte Inzidenzwerte
     von über 50 je 100.000 Einwohner, hiervon vier Landkreise Inzidenzwerte von über
     100 und ein weiterer Landkreis einen Inzidenzwert von 342 auf (RKI, COVID-19-
     Dashboard, https://www.rki.de/DE/Home/homepage_node.html, Stand: 12. März
     2021). Die Inzidenzwerte in Sachsen zeigen dabei seit Ende Februar wieder eine stetig
     leicht   und     in     den   letzten         Tagen      erheblich   steigende     Tendenz
     (https://www.coronavirus.sachsen.de/infektionsfaelle-in-sachsen-4151.html#a-8996).

25   In Sachsen sind ca. 1.500 Intensivbetten vorhanden. Davon sind derzeit - Stand: 17.
     März 2021 - noch etwa 350 Intensivbetten frei. Der Anteil der COVID-19-Patienten
     an der Gesamtzahl der Intensivbetten beträgt in Sachsen 13,55 %. Von diesen 203 ak-
     tuell intensivmedizinisch behandelten Patienten müssen 110 invasiv beatmet werden
     (https://www.intensivregister.de/#/aktuelle-lage/kartenansichten        Stand:   17.   März
     2021).
12

26   2.2 Angesichts dieser Infektionslage und der weiterhin für die Gesundheit der Bevöl-
     kerung in Deutschland sehr hohen Gefährdungslage sind die zuständigen Behörden
     weiterhin zum Handeln verpflichtet. Es dürfen einerseits weiterhin Maßnahmen ergrif-
     fen werden, um die Infektionszahlen auf ein Maß zu reduzieren, mit dem die personell
     aufgestockten Gesundheitsämter die Kontaktnachverfolgung verlässlich und zeitnah
     durchführen können, sowie andererseits weiterhin Maßnahmen erfolgen, um auch die
     Ausbreitung des Virus und seiner Varianten in Sachsen möglichst so weit zu verzö-
     gern, bis jedem Bürger ein verlässliches Impfangebot gemacht werden kann (vgl. Be-
     schluss vom 2. Februar 2021 - 3 B 8/21 -, juris Rn. 36 ff. m. w. N.).

27   Da nach dem Vorgesagten in allen sächsischen Landkreisen ferner der Schwellenwert
     von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen - teil-
     weise weiterhin massiv - überschritten wird, sind umfassende Schutzmaßnahmen zu
     ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen (§
     28a Abs. 3 Satz 5 IfSG). Weil diese Situation in Landkreisen bundes- und landesweit
     gegeben ist, sind bundes- und landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive
     Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben (§
     28a Abs. 3 Satz 9 und Satz 10 IfSG). Soweit in diesem Zusammenhang vermehrt be-
     zweifelt wird, inwieweit der bundesgesetzlich festgelegte Schwellenwert von 50 Neu-
     infektionen je 100.000 Einwohner weiterhin von Sachgründen getragen ist, vermag der
     Senat im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angesichts der hohen
     Volatilität der aktuellen Pandemieentwicklung und des Fehlens einer verlässlichen und
     eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnislage zur gegenwärtig eingetretenen Situati-
     on nicht zu erkennen, dass der parlamentarische Bundesgesetzgeber die ihm auch im
     Rahmen seiner ihm in tatsächlicher Hinsicht zukommenden Einschätzungsprärogative
     bei der Bewertung der Gefahrenlage (BVerfG, Beschl. vom 13. Mai 2020 - 1 BvR
     1021/20 -, juris Rn. 10; SächsOVG, Beschl. v. 11. November 2020 - 3 B 357/20 -, ju-
     ris Rn. 41) obliegende Pflicht zur Beobachtung, Überprüfung und Nachbesserung (vgl.
     BVerfG, Urt. v. 19. September 2018 - 2 BvF 1/15 -, BVerfGE 150, 1, juris Rn. 174 ff.)
     seiner Regelungen (bereits) verletzt hätte. Die gegenwärtige Lage der Pandemie ist ei-
     nerseits zwar durch die fortschreitende Durchimpfung der besonders vulnerablen
     Gruppen und eine verstärkte Verfügbarkeit von Schnell- und Selbsttests, andererseits
     aber auch durch die schnelle Zunahme der Verbreitung risikoträchtigerer und insbe-
     sondere deutlich infektiöserer Virusvarianten gekennzeichnet, die in Irland und Portu-
13

     gal bekanntermaßen innerhalb sehr kurzer Zeit zu einem rapiden Anstieg der Infekti-
     onszahlen und einer Überlastung des Gesundheitssystems geführt hatten (vgl.
     https://www.leopoldina.org/presse-1/nachrichten/darstellung-der-entwicklung-des-
     infektionsgeschehens-in-irland/      und      https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19-
     Pandemie_in_Portugal). Die Notwendigkeit einer Anpassung der Schwellenwerte des
     § 28a Abs. 3 IfSG kann derzeit angesichts dieser einander gegenläufigen und in den
     sich letztlich ergebenden Auswirkungen nicht sicher prognostizierbaren Tendenzen
     weder hinsichtlich der von einer Seite geforderten Erhöhung noch hinsichtlich der von
     anderer Seite diskutierten Absenkung als evident und völlig unzweifelhaft bezeichnet
     werden. Auch das RKI empfiehlt weiterhin eine Orientierung an den in § 28a (Abs. 3
     IfSG normierten Schwellenwerten bei der Einleitung oder Rücknahme von Öffnungs-
     schritten des Lockdowns, wenngleich nunmehr ergänzt um weitere Indikatoren (vgl.
     ControlCOVID, Strategie und Handreichung zur Entwicklung von Stufenkonzepten
     bis Frühjahr 2021, Stand 18. Februar 2021), wofür § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG (insbe-
     sondere ) zudem bereits in der geltenden Fassung auch ohne Weiteres Raum bietet.
     Besonders schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Schwellenwert-
     regelung des § 28a Abs. 3 IfSG, die diesbezüglich die Gewährung vorläufigen Rechts-
     schutzes allein rechtfertigen könnten (vgl. BayVGH, Beschl. v. 4. April 2007 - 19 CS
     07.396 -, juris Rn. 31), sind danach nicht zu erkennen.

28   Der Senat hat im vorgenannten Beschluss vom 2. Februar 2021 (- 3 B 8/21 -) weiter
     darauf abgestellt, dass dem Verordnungsgeber ein Einschätzungs-, Wertungs- und Ge-
     staltungsspielraum zukommt, welcher durch die Notwendigkeit der Maßnahme im
     Einzelfall begrenzt wird. Wenn - wie hier - die Freiheits- und Schutzbedarfe der ver-
     schiedenen Grundrechtsträger in unterschiedliche Richtung weisen, haben der Gesetz-
     geber und auch die von ihm zum Verordnungserlass ermächtigte Exekutive nach stän-
     diger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von Verfassungs wegen einen
     Spielraum für den Ausgleich dieser widerstreitenden Grundrechte. Die Abwägungs-
     entscheidung des Verordnungsgebers muss dabei erkennbar und plausibel vom Prinzip
     der größtmöglichen Schonung der Grundrechte der von den Freiheits- und Teilhabe-
     einschränkungen Betroffenen geleitet sein; Unsicherheiten über die Ursachen der Aus-
     breitung des Coronavirus dürfen nicht ohne Weiteres im Zweifel zu Lasten der Frei-
     heits- und Teilhaberechte aufgelöst werden. Die Zumutung konkreter Einschränkun-
     gen bedarf umso mehr der grundrechtssensiblen Rechtfertigung, je unklarer der Bei-
14

     trag der untersagten Tätigkeit zur Verbreitung des Coronavirus ist und je länger diese
     Einschränkung dauert (SächsVerfGH, Beschl. v. 11. Februar 2021 - Vf. 14-II-21 [e.A.]
     -, juris Rn. 31; VerfGH NRW, Beschl. v. 29. Januar 2021 - VerfGH 21/21.VB -3-, S.
     9). Der Verordnungsgeber ist aber auch nicht gehalten, die Gefahr einer (neuerlichen)
     signifikanten Gefahrerhöhung hinzunehmen, sondern aus dem Grundrecht auf Leben
     und körperliche Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sogar prinzipiell zu Maß-
     nahmen des Gesundheits- und Lebensschutzes verpflichtet (SächsVerfGH, Beschl. v.
     11. Februar 2021 - Vf. 14-II-21 [e.A.] -, juris Rn. 31; BVerfG, Beschl. v. 11. Novem-
     ber 2020 - 1 BvR 2530/20 -, juris Rn. 16 zu Art. 2 Abs. 2 GG; BayVerfGH, Entsch. v.
     30. Dezember 2020 - Vf. 96-VII-20 -).

29   Auch die speziellen Voraussetzungen des § 28a Abs. 1 und Abs. 3 IfSG für Verord-
     nungsregelungen zu besonderen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung
     von COVID-19 sind erfüllt. Es liegt eine vom         Bundestag festgestellte (BT-PlPr
     19/215, S. 27052C) epidemische Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz
     1 IfSG vor, weil eine dynamische Ausbreitung dieser bedrohlichen übertragbaren
     Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland stattfindet (§ 5
     Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 IfSG).

30   2.3 Der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung liegt die in der Beratung der Minis-
     terpräsidenten mit der Bundeskanzlerin vom 3. März 2021 beschlossene und damit ei-
     ne bundesweit abgestimmte Maßnahmekonzeption zugrunde.

31   Die Konzeption berücksichtigt als neue Faktoren der pandemischen Lage die zuneh-
     mende Menge an Impfstoff und die Verfügbarkeit von Schnell- und Selbsttests in sehr
     großen Mengen. Die Maßnahmekonzeption legt zugrunde, dass das Impfen eine Redu-
     zierung der schweren Verläufe bewirkt und zudem in dem Maße, in dem zunehmend
     auch die Personengruppen und Jahrgänge geimpft werden, die viele Kontakte haben,
     das Impfen auch kontinuierlich immer stärker der Ausbreitung des Virus entgegen
     wirkt. Schnelltests geben tagesaktuell zusätzliche Sicherheit bei Kontakten. Regelmä-
     ßige Testungen können dabei unterstützen, auch Infektionen ohne Krankheitssympto-
     me zu erkennen. Infizierte Personen können so schneller in Quarantäne gebracht und
     ihre Kontakte besser nachvollzogen werden. Der Effekt ist dabei umso größer, je mehr
     Bürgerinnen und Bürger sich konsequent an dem Testprogramm beteiligen.
15

32   Auch wenn die vulnerabelsten Gruppen bald geimpft sein werden, geht die Maßnah-
     mekonzeption weiterhin davon aus, dass keine beliebigen Neuinfektionsraten toleriert
     werden können. Wenn die Infektionszahlen erneut exponentiell ansteigen, kann das
     Gesundheitswesen mit dann jüngeren Patienten schnell wieder an seine Belastungs-
     grenzen stoßen. Zahlreiche Berichte über COVID-19-Langzeitfolgen (long COVID )
     mahnten ebenfalls zur Vorsicht. Bund und Länder sehen aber eine Chance, dass durch
     die deutliche Ausweitung von Tests und ein Testprogramm in Verbindung mit einer
     besseren Nachvollziehbarkeit der Kontakte im Falle einer Infektion Öffnungsschritte
     auch bei höheren sieben-Tage-Inzidenzen mit über 50 Neuinfektionen pro 100.000
     Einwohnerinnen und Einwohner möglich werden.

33   Beschlossen wurde ein gemeinsames Vorgehen von Ländern und Bund bei den Öff-
     nungsschritten nach einheitlichen Maßstäben und ein schnelles und entschiedenes re-
     gionales Gegensteuern, sobald die Zahlen aufgrund der verschiedenen COVID-19-
     Virusvarianten in einer Region wieder hochschnellen, um erneute bundesweit gültige
     Beschränkungen zu vermeiden.

34   In einem Vierklang aus Impfen, Testen, Kontaktnachvollziehung und Öffnungen
     wurde beschlossen, die Möglichkeiten der Einbeziehung niedergelassener Ärztinnen
     und Ärzte bei den Impfungen weiterzuentwickeln und ab Ende März/Anfang April die
     haus- und fachärztlichen Praxen umfassend in die Impfkampagne einzubinden. Auch
     Betriebsärztinnen und Betriebsärzte und die Unternehmen sollen im Laufe des zweiten
     Quartals verstärkt in die Impfkampagne eingebunden werden. Die für die Zweitimp-
     fung zurückgehaltenen Dosen sollen noch weiter deutlich reduziert werden. Für stark
     betroffene Regionen sollen Impfkontingente des jeweiligen Bundeslands prioritär für
     Ringimpfungen genutzt werden können. Testkonzepte sollen über wöchentliche
     Schnelltests einen sicheren Schulbetrieb und eine sichere Kinderbetreuung ermögli-
     chen. Auch die Unternehmen sollen als gesamtgesellschaftlichen Beitrag für einen um-
     fassenden Infektionsschutz ihren in Präsenz Beschäftigten pro Woche das Angebot
     von mindestens einem kostenlosen Schnelltest machen. Allen asymptomatischen Bür-
     gerinnen und Bürgern wird mindestens einmal pro Woche ein kostenloser Schnelltest
     ermöglicht.
16

35   Im Übrigen bleibt der Grundsatz, Kontakte zu vermeiden, das wesentliche Instrument
     im Kampf gegen die Pandemie. Gleichzeitig sollen Planungsperspektiven gegeben
     werden, wie und wann Beschränkungen wieder aufgehoben werden können. Weil die-
     se Perspektive besonders bedeutend für Kinder, Jugendliche und deren Eltern ist, ent-
     scheiden die Länder in Eigenverantwortung über die sukzessive Rückkehr der Schüle-
     rinnen und Schüler in den Präsenzunterricht (unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen
     wie etwa Wechselunterricht und Hygienemaßnahmen). Da der Anteil der Virusvarian-
     ten an den Infektionen in Deutschland schnell ansteigt, wodurch die Zahl der Neuin-
     fektionen wieder zu steigen beginnt, soll ein erneutes Hochfahren des öffentlichen Le-
     bens vorsichtig erfolgen.

36   Die Möglichkeit zu privaten Zusammenkünften mit Freunden, Verwandten und Be-
     kannten wird - in Abhängigkeit von der Entwicklung der Inzidenzen - wieder erwei-
     tert. Im Übrigen werden die bestehenden Beschlüsse der Bundeskanzlerin und der Re-
     gierungschefinnen und Regierungschefs der Länder beibehalten. Nachdem erste Öff-
     nungsschritte insbesondere im Bereich der Schulen und Friseure in den Ländern be-
     reits vollzogen wurden, werden nunmehr in einem zweiten Öffnungsschritt im öffent-
     lichen Bereich Buchhandlungen, Blumengeschäfte und Gartenmärkte zukünftig ein-
     heitlich in allen Bundesländern dem Einzelhandel des täglichen Bedarfs zugerechnet
     und können somit mit entsprechenden Hygienekonzepten wieder öffnen. Darüber hin-
     aus können ebenfalls die bisher noch geschlossenen körpernahen Dienstleistungsbe-
     triebe sowie Fahr- und Flugschulen mit entsprechenden Hygienekonzepten wieder
     öffnen, wobei für die Inanspruchnahme der Dienstleistungen, bei denen nicht dauer-
     haft eine Maske getragen werden kann, ein tagesaktueller COVID-19-Schnell- oder
     Selbsttest der Kundin oder des Kunden und ein Testkonzept für das Personal Voraus-
     setzung ist. In einem dritten Öffnungsschritt kann ein Land in Abhängigkeit vom In-
     fektionsgeschehen den Einzelhandel, Museen, Galerien, zoologische und botanische
     Gärten sowie Gedenkstätten wieder öffnen und kontaktfreien Sport in kleinen Gruppen
     im Außenbereich zulassen, bei sieben-Tage-Inzidenzen von über 50 und unter 100
     Neuinfektionen aber nur mit weiteren Einschränkungen, insbesondere nur für sog.
     Terminshopping-Angebote. Mit den benachbarten Gebieten mit höheren Inzidenzen
     sind gemeinsame Absprachen zu treffen, um eine länderübergreifende Inanspruch-
     nahme der geöffneten Angebote möglichst zu vermeiden. Steigt die sieben-Tage-
     Inzidenz in dem Land oder der Region auf über 100, treten die Regelungen, die bis
17

     zum 7. März 2021 gegolten haben, wieder in Kraft (Notbremse). Ein vierter Öffnungs-
     schritt kann in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen erfolgen, wenn sich die sieben-
     Tage-Inzidenz nach dem dritten Öffnungsschritt in dem Land oder der Region 14 Tage
     lang nicht verschlechtert hat. Dies betrifft die Öffnung der Außengastronomie, die
     Öffnung von Theatern, Konzert- und Opernhäusern sowie Kinos, kontaktfreien Sport
     im Innenbereich, Kontaktsport im Außenbereich, auch insoweit - je nach Inzidenzwert
     - ggf. mit Einschränkungen wie der Anforderung einer Terminbuchung oder eines ta-
     gesaktuellen Selbsttests. Ein weiterer fünfter Öffnungsschritt kann - wiederum in Ab-
     hängigkeit vom Infektionsgeschehen - erfolgen, wenn sich die sieben-Tage-Inzidenz
     nach dem vierten Öffnungsschritt in dem Land oder der Region 14 Tage lang nicht
     verschlechtert hat. Dies betrifft dann - je nach Inzidenz - Freizeitveranstaltungen mit
     bis zu 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Außenbereich, Sport in Innen- und
     Außenräumen sowie den Verzicht auf Beschränkungen für den Einzelhandel.

37   Die Verpflichtung der Arbeitgeber, nach Möglichkeit eine Tätigkeit im Homeoffice
     anzubieten, wird verlängert.

38   Darüber hinaus wurde beschlossen, die existierenden Hilfsprogramme zu verlängern
     und für Unternehmen, die hiervon bislang nicht profitieren konnten, zu erweitern.

39   Nach dieser Maßnahmekonzeption werden damit nun - in Abhängigkeit von einem
     Unterschreiten einer Inzidenz von 100 - von den Öffnungsuntersagungen und sonsti-
     gen Kontaktbeschränkungsmaßnahmen, mittels derer bislang die Reduktion von Kon-
     takten erfolgt ist, sozial und gesellschaftlich besonders gravierende Beschränkungen
     der Freiheits- und Teilhaberechte wie die Schulschließungen für die Sekundarstufe
     und die Begrenzung der privaten Kontakte auf eine haushaltsfremde Person zurückge-
     nommen. Im Übrigen enthält das Konzept eine gestufte Öffnungskonzeption für zahl-
     reiche weitere bislang untersagte Betriebe und Angebote, die Ob und             Wie der
     Öffnung vom Erreichen und der Stabilität zunächst v. a. der Inzidenzwerte 50 bzw.
     100 abhängig macht und ein schnelles Rückfallen auf die Regelungen des Lock-
     down bei einem Überschreiten der Inzidenz von 100 vorsieht. Begleitet wird dies
     durch eine angestrebte sehr breite Infektionsermittlung mittels zum Teil freiwilliger,
     zum Teil verpflichtender (mindestens) wöchentlicher Tests für die gesamte Bevölke-
     rung, insbesondere in den Schulen und Unternehmen.
18

40   Dieses Konzept verfolgt dabei ersichtlich das Ziel einer größtmöglichen Schonung der
     Grundrechte der von den Freiheits- und Teilhabeeinschränkungen Betroffenen, indem
     in der bestehenden volatilen Pandemielage trotz der evidenten Risiken einer Ausbrei-
     tung infektiöserer Virusvarianten deutliche Öffnungsschritte bereits oberhalb einer In-
     zidenz von 50 unter Erprobung der noch unsicheren Realisierbarkeit und Effektivität
     breiter Testungen unternommen werden, obwohl schon die im Februar 2021 unter-
     nommenen ersten Öffnungsschritte aus dem Lockdown" dazu geführt hatten, dass die
     Ausbreitung von SARS-CoV-2 im Bundesgebiet und im Freistaat Sachsen nicht mehr
     abnahm, sondern stagnierte und sodann wieder stieg. Der Verordnungsgeber nimmt
     damit nun erhebliche Unsicherheiten über die tatsächliche Beherrschbarkeit der Aus-
     breitung des Coronavirus mittels breiter Testungen zugunsten einer Aufhebung oder
     Verringerung der Beschränkungen von Freiheits- und Teilhaberechten in Kauf.

41   Dass er ein stufenweises Vorgehen wählt, welches ihm die Möglichkeit gibt, die Aus-
     wirkungen einzelner Öffnungsmaßnahmen zunächst zu beobachten, bevor weitere
     Schritte folgen, ist hierbei angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten bezüglich der
     weiteren Entwicklung der Pandemielage und der nach den Pandemieverläufen in Ir-
     land und Portugal evidenten Gefahren einer überaus schnellen Ausbreitung infektiöse-
     rer Virusvarianten, insbesondere der Virusvariante B.1.1.7, nicht zu beanstanden. Es
     entspricht im Übrigen auch den Empfehlungen des RKI, bei der De-Eskalation vor-
     sichtig und langsam vorzugehen (RKI, ControlCOVID Strategie und Handreichung
     zur Entwicklung von Stufenkonzepten bis Frühjahr 2021, Stand 18. Februar 2021, S.
     3). Es handelt sich daher nicht um eine willkürliche, sondern um eine von sachlichen
     Erwägungen getragene Entscheidung, gestufte, an der Entwicklung der Pandemielage
     ausgerichtete, insgesamt aber noch begrenzte Öffnungsschritte insbesondere für ge-
     sellschaftlich und wirtschaftlich besonders bedeutsame Bereiche vorzusehen, an den
     weitergehenden Beschränkungen für eine Vielzahl der Lebens- und Wirtschaftsberei-
     che zum Zweck der Kontaktreduzierung aber festzuhalten. Diese Regelungskonzeption
     steht auch nach wie vor im Einklang mit den Vorgaben des § 28a Abs. 6 Satz 2 und
     Satz 3 IfSG, wonach bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung
     der Verbreitung von COVID-19 soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswir-
     kungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichti-
     gen sind, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung von
19

     COVID-19 vereinbar ist (vgl. dazu im Einzelnen SächsOVG, Beschl. v. 7. Januar
     2021 - 3 B 424/20 -, juris Rn. 36).

42   Der Verordnungsgeber ist dabei voraussichtlich auch nicht durch höherrangiges Recht
     aufgrund der aktuell nicht mehr unmittelbar drohenden Überlastung des Gesundheits-
     systems darauf verwiesen, nunmehr schnellere und weitere Öffnungsschritte vorzuse-
     hen, die eine Kontrolle des Infektionsgeschehens nicht mehr erwarten und eine expo-
     nentielle Zunahme der Infektionen besorgen lassen, und erst nach einem erneuten er-
     heblichen Anstieg der Auslastung der Krankenhäuser und Intensivstationen zu - dann
     notwendig wieder deutlich tiefgreifenderen - Kontaktbeschränkungsmaßnahmen zu-
     rückzukehren. Mit der Regelung des § 28a Abs. 3 Satz 11 IfSG, der auch nach einer
     Unterschreitung eines in den Sätzen 5 und 6 genannten Schwellenwertes die Aufrecht-
     erhaltung der in Bezug auf den jeweiligen Schwellenwert genannten Schutzmaßnah-
     men erlaubt, soweit und solange dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavi-
     rus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist, macht bereits das Bundesgesetz
     deutlich, dass es mit dem Willen des parlamentarischen Gesetzgebers in Einklang
     steht, keinen solchen Jo-Jo-Effekt von aufeinander folgenden exponentiellen Epide-
     miewellen und massiven Kontaktbeschränkungsmaßnahmen zuzulassen. Ein solches
     Vorgehen ist auch nicht in gleicher Weise zur Pandemiebekämpfung geeignet. Die ge-
     genwärtige volatile Pandemielage ist durch die neuen Faktoren einer fortschreitenden
     Impfung, der zwar einerseits breiter als vormals verfügbaren Tests aber einer anderer-
     seits in ihrer Effektivität noch nicht verlässlich beurteilbaren Teststrategie, sowie deut-
     lich infektiöserer Virusvarianten gekennzeichnet. Für die Auswirkungen von Maß-
     nahmen und Strategien in dieser neuen Situation existieren weder eindeutige wissen-
     schaftliche Erkenntnisse noch Erfahrungswerte. Da Hospitalisierungen und Einwei-
     sungen auf die Intensivstationen (ITS) erst mit einem zeitlichen Verzug nach der In-
     fektion erfolgen und somit der Infektionsentwicklung ohnehin stets hinterherlaufen,
     und da auch Kontaktbeschränkungsmaßnahmen erfahrungsgemäß erst mit einer gewis-
     sen zeitlichen Verzögerung zu wirken beginnen, ist es - allzumal angesichts der in Ir-
     land und Portugal zu verzeichnenden rasanten Pandemieentwicklungen im Rahmen
     der Ausbreitung der Virusvariante B.1.1.7 (vgl. https://www.leopoldina.org/presse-
     1/nachrichten/darstellung-der-entwicklung-des-infektionsgeschehens-in-irland/          und
     https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19-Pandemie_in_Portugal) - nicht evident und
     zweifelsfrei, dass es dem Verordnungsgeber möglich ist, eine exponentielle Ausbrei-
20

     tung des Virus so gesteuert zuzulassen, dass eine Überlastung des Gesundheitssystems
     sicher vermieden wird. Ohnehin liegt der Anteil der COVID-ITS Fälle an der ITS-
     Kapazität im Freistaat Sachsen noch über 12 % und damit über dem Schwellenwert,
     den das RKI für die Einleitung von Lockerungsmaßnahmen empfiehlt (RKI, Control-
     COVID, a. a. O., S. 6). Eine bloße Fokussierung auf eine Vermeidung der Überlastung
     des Gesundheitssystems vernachlässigt zudem zu Unrecht, dass dies nur einer der As-
     pekte ist, unter dem in der gegenwärtigen Pandemielage besondere Gefahren für Le-
     ben und Gesundheit der Bevölkerung drohen. Ein weiterer wesentlicher Gesichtspunkt
     sind hingegen die Folgen der bislang nicht hinreichend behandelbaren Erkrankung
     COVID-19 selbst, die auch jenseits der mittlerweile zu einem hohen Anteil geimpften
     Hochrisikogruppen mit einer zwar geringeren, aber gleichwohl signifikanten statisti-
     schen Häufigkeit zu tödlichen Verläufen und gravierenden gesundheitlichen Folge-
     schäden führt. Allzumal angesichts der in wenigen Monaten in Aussicht stehenden
      Durchimpfung der Bevölkerung stellt es ebenfalls ein legitimes Ziel des Verord-
     nungsgebers dar, hohe Pandemiewellen auch in der nicht zur Hochrisikogruppe zäh-
     lenden Bevölkerung zu verhindern, weil auch dort eine massive Verbreitung des Virus
     letztlich unweigerlich eine entsprechend quantitativ hohe Anzahl von Todesfällen und
     erheblichen gesundheitlichen Folgeschäden nach sich zieht, die bei einer erfolgreichen
     Begrenzung der Pandemie bis zur Durchimpfung wohl vermeidbar wären. Es ist
     schließlich auch nicht evident und eindeutig, dass epidemiologisch verfrühte Öffnun-
     gen mit dem dann absehbar eintretenden Jojo-Effekt milder und grundrechtsscho-
     nender gegenüber einem zeitlich zwar verzögerten, dafür aber prognostisch nachhalti-
     geren Öffnungsschritt sind. Denn auch der Nachvollzug von Öffnungen und Schlie-
     ßungen ist für die Betriebe und Einrichtungen mit einem zum Teil erheblichen Auf-
     wand verbunden, der sich bei nur kurzen Phasen einer Öffnung kaum lohnen dürfte.
     Auch insoweit ist daher dem Verordnungsgeber ein Einschätzungsspielraum eröffnet,
     dessen Grenzen hier nicht überschritten sein dürften und der daher nicht durch die ei-
     gene Wertung des Gerichts ersetzt werden kann.

43   § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG i. V. m. § 33 Nr. 3 IfSG sieht hierbei die Schließung von
     Schulen oder die Erteilung von Auflagen für die Fortführung des Betriebs als mögli-
     che notwendige Schutzmaßnahme i. S. d. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG zur Verhinde-
     rung der Verbreitung von COVID-19 ausdrücklich vor. Bei den in § 5a Satz 1 Säch-
     sCoronaSchVO vorgesehenen Zutrittsverbot in Abhängigkeit von der Durchführung
21

     eines Corona-Tests handelt es sich um eine Auflage im vorgenannten Sinne. Da § 28a
     Abs. 1 Nr. 16 IfSG sogar Schließungen von Schulen vorsieht, bestehen auch keine Be-
     denken, dass die in § 5a Abs. 5 Satz 1 SächsCoronaSchVO getroffene Regelung von
     der genannten Ermächtigungsgrundlage umfasst ist. Die Geltungsdauer der Sächsi-
     schen Corona-Schutzverordnung vom 5. März 2021 beschränkt sich ferner nach ihrem
     § 12 Abs. 1 und 2 auf weniger als vier Wochen und überschreitet den von § 28a Abs. 5
     Satz 2 IfSG vorgegebenen Regelgeltungszeitraum nicht.

44   3. Die angegriffene Regelung dürfte auch im Übrigen mit höherrangigem Recht ver-
     einbar sein.

45   3.1 § 5a Abs. 5 IfSG verstößt voraussichtlich nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz
     aus Art 20 Abs. 3 GG.

46   Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen gesetzliche Rege-
     lungen so gefasst sein, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechts-
     lage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag.
     Die Anforderungen an die Bestimmtheit erhöhen sich mit der Intensität, mit der auf
     der Grundlage der betreffenden Regelung in grundrechtlich geschützte Bereiche ein-
     gegriffen werden kann. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die Norm dann überhaupt
     keine Auslegungsprobleme aufwerfen darf. Dem Bestimmtheitserfordernis ist viel-
     mehr genügt, wenn diese mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden
     können (BVerfG, Beschl. v. 27. November 1990 - 1 BvR 402.87 -, juris Rn. 45). Es ist
     auf die Sicht des durchschnittlichen Normadressaten abzustellen, wobei ein objektiver
     Maßstab anzulegen ist (SächsOVG, Beschl. v. 12. Mai 2020 - 3 B 177/20 -, juris Rn.
     10).

47   (a) Hiervon ausgehend ist die Norm zunächst nicht deshalb unbestimmt, weil das Zu-
     trittsverbot nach § 5a Abs. 5 Satz 1 SächsCoronaSchVO nach Satz 4
     SächsCoronaSchVO nur für diejenigen Schulen gilt, in denen Selbsttestkits für schuli-
     sches Personal, Hortpersonal sowie, mit Ausnahme der Primarstufe, Schülerinnen und
     Schüler in hinreichender Zahl vorliegen. Zwar dürften die Normadressaten sich ohne
     entsprechende Information kaum Klarheit über Geltung des Zutrittsverbots verschaf-
     fen können. Aber dies gibt die Norm ihnen auch nicht auf. Sie lässt sich vielmehr so
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     auslegen, dass das Zutrittsverbot erst dann gelten soll, wenn von der Schule, der
     Schulträger oder einer anderen staatlichen Stelle in geeigneter Art und Weise bekannt
     gemacht worden ist, dass Selbsttestkits in ausreichender Zahl in der betroffenen Schu-
     le vorliegen. Das lässt sich bereits aus § 5a Abs. 5 Satz 6 SächsCoronaSchV entneh-
     men, wonach im Eingangsbereich des Geländes der Schule entsprechende Hinweise
     anzubringen sind, sofern ein Zutrittsverbot nach Satz 1 gilt. Eine andere Auslegung
     wäre fernliegend.

48   (b) Die angegriffene Norm ist auch nicht deswegen zu unbestimmt, weil sie den Nor-
     madressaten im Unklaren darüber lässt, welche Art von Tests in der Schule bereitge-
     stellt werden sollen. Nach § 5a Abs. 5 Satz 4 SächsCoronaSchVO können die Betrof-
     fen den Nachweis, dass sie nicht mit dem Coronavirus infiziert sind, auch mit soge-
     nannten Selbsttestkits erbringen. Hierbei kann es sich um Tests handeln, bei denen ein
     Abstrich direkt im vorderen Nasenbereich erfolgt, oder um vergleichbare Tests, die
     nicht mit beachtlichen Schmerzen einhergehen können. Zu einer näheren Konkretisie-
     rung war der Verordnungsgeber im Hinblick auf die Verwendung von          Selbsttest im
     öffentlichen Diskurs nicht verpflichtet.

49   (c) § 5a Abs. 5a SächsCoronaSchVO ist auch nicht deswegen zu unbestimmt, weil sie
     die Häufigkeit der Testpflicht für Schüler nicht hinreichend bestimmt. Nach § 5a Abs.
     5 Satz 2 SächsCoronaSchVO dürfen die ärztliche Bescheinigung und die Durchfüh-
     rung der Tests nicht länger als drei Tage, für Schülerinnen und Schüler nicht länger als
     eine Woche zurückliegen. Hieraus folgt, dass sich Schüler nur einmal pro Woche tes-
     ten lassen müssen. Die Norm ist dahingehend auszulegen, dass dieser Turnus auch für
     die in § 5a Abs. 5 Satz 4 SächsCoronaSchVO angesprochenen Selbsttests gilt.

50   (d) Schließlich ist § 5a Abs. 5a SächsCoronaSchVO auch nicht unbestimmt, soweit
     § 5a Abs. 5 Satz 3 SächsCoronaSchVO bestimmt, dass das Zutrittsverbot nach Satz 1
     nicht gilt, wenn unmittelbar nach dem Betreten des Geländes ein Test durchgeführt
     wird. Hieraus wird hinreichend deutlich, dass die betroffene Schule geeignete organi-
     satorische Maßnahmen treffen muss, um das Risiko einer Ausbreitung des Coronavi-
     rus durch infizierte Personen zu minimieren. Dabei muss der Schule im Hinblick auf
     unterschiedliche Gegebenheiten vor Ort ein organisatorischer Spielraum verbleiben.
     Zu einer näheren Konkretisierung war der Verordnungsgeber nicht verpflichtet.
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51   3.2 Die angegriffene Vorschrift ist auch nicht deswegen unwirksam, weil sie mit ei-
     nem Eingriff in das die körperliche Unversehrtheit schützende Grundrecht aus Art. 2
     Abs. 2 Satz 1 GG verbunden ist, der nicht von der in Rede stehenden Verordnungser-
     mächtigung gedeckt ist.

52   Nach § 32 Satz 1 IfSG werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraus-
     setzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch
     durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung über-
     tragbarer Krankheiten zu erlassen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung
     nach Satz 2 der Vorschrift durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. § 32
     Abs. 3 IfSG bestimmt, dass die Grundrechte der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2
     Satz 2 GG), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG), der Versammlungsfreiheit (Art. 8
     GG), der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz) und des Brief-
     und Postgeheimnisses (Art. 10 GG) insoweit eingeschränkt werden können.

53   Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (körperliche Unversehrtheit) gehört nicht
     zu den in § 32 Satz 3 IfSG ausdrücklich aufgeführten einschränkbaren Grundrechten.
     Dies ist hier aber schon deswegen unschädlich, weil der Schutzbereich dieses Grund-
     rechts bereits nicht eröffnet ist.

54   Das Recht auf körperliche Unversehrtheit gewährleistet zum einen die Gesundheit im
     biologisch-physiologischen Sinne, einschließlich der Integrität der Körpersphäre. Über
     den Wortlaut hinaus garantiert das Recht auf körperliche Unversehrtheit auch
     das psychisch-seelische Wohlbefinden. Dieses erweiterte Verständnis ergibt sich aus
     dem Zusammenhang des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG mit der Menschenwürde, die den
     Schutz der Identität und der Integrität ebenfalls nicht auf den körperlichen Bereich be-
     schränkt, und aus der Entstehungsgeschichte des Grundrechtsartikels, denn Psychoter-
     ror, seelische Folterungen und entsprechende Verhörmethoden, die im Dritten Reich
     zu den Verbrechen jener Zeit gehörten, sollten unter der Geltung des Grundgesetzes
     geächtet werden. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit schützt damit jedenfalls
     vor solchen psychischen Beeinträchtigungen, die in ihren Wirkungen körperlichen
     Schmerzen gleichkommen. Dazu gehören z.B. psychische Folterungen und seelische
     Quälereien. Die Gesundheit umfasst auch die Freiheit von Schmerz (vgl. hierzu King-
     reen/Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, 33. Aufl., 2017, Rn. 472). Die materielle
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