Grundschrift - auf einen Blick - Die Grundschrift als erste und einzige Ausgangsschrift - Sonnentauschule
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Thema: Grundschrift Grundschrift, damit Kinder besser schreiben lernen – ein Projekt des Grundschulverbandes Grundschrift – auf einen Blick Die Grundschrift Die Grundschrift ist eine Schreibschrift, die mit der gedruckten Leseschrift korrespondiert: Ihre Buchstaben entsprechen der als erste sog. Gemischten Antiqua, sind aber handgeschrieben. und einzige Die Grundschrift erfüllt alle Anforderungen an eine Schreibschrift: – Sie ist besonders formklar und deshalb gut lesbar. Ausgangsschrift – Sie ist funktional für alle Verwendungen der Textproduktion. – Sie ist mit zunehmender Schreibübung geläufig schreibbar. – Sie kann bei weiterem Gebrauch zur individuellen Handschrift weiterentwickelt werden. Eine weitere Schriftform als zweite Ausgangsschrift ist wegen des Bruchs in der Schreibentwicklung schädlich. Die in Deutschland bisher verwendeten Ausgangsschriften: Lateinische, Vereinfachte und Schul-Ausgangsschrift sind damit historisch überholt. Zur Form der ●● Die Buchstabenformen sind nicht gedruckte Buchstaben, sondern Grundschrift handgeschriebene. Sie sind aber nah an den Druckformen, die in den gedruckten Texten für die Kinder üblicherweise verwendet werden. ●● Um beim weiterführenden Schreiben Buchstabenverbindungen leichter zu ermöglichen, erhalten die Kleinbuchstaben mit Abstrich am Ende einen Wendebogen. Zum Bewegungs ●● Vorrang haben bei allen Buchstaben die beiden Prinzipien: ablauf der Schreibbewegung von links nach rechts und von oben nach unten. Grundschrift ●●Wo bei verschiedenen Buchstaben gleiche Bewegungsabläufe möglich sind, werden sie gewählt. ●● Wenn Kinder entgegen den ersten beiden Prinzipien individuell einen anderen Bewegungsablauf wählen, bei dem sie auch bleiben wollen, hat der individuell gewählte Ablauf Vorrang. Voraussetzung ist, dass der Buchstabe formklar und formstabil bleibt. Zur Schreiblineatur ●● Auf Lineatur wird ganz verzichtet oder sie wird auf eine Grundlinie beschränkt. Vorlagen (Blätter zum Unterlegen) gibt es mit unterschied lichen Abständen der Grundlinie, so dass die Kinder die für sie passende Vorlage wählen können. Zur Entwicklung ●● Vom ersten Schreiben mit der Grundschrift aus entwickeln die der individuellen Kinder individuell ihre persönliche Handschrift. Handschrift Dieser Prozess wird durch Betrachten von Schriftproben, Experimentieren mit Schrift und Beratung durch die Lehrkraft unterstützt. Dabei werden auch grafisch sichtbare Verbindungen ausprobiert. Sie sind immer Angebote, nicht Verbindungsvorschrift. GS aktuell 110 • Mai 2010 3
Thema: Grundschrift Horst Bartnitzky Grundschrift – damit Kinder besser schreiben lernen Warum eigentlich schreiben konnten, die Druckschrift. Für das Schreibenlernen galt seit zwei Ausgangsschriften? Warum sollte nun diese erworbene 1951 die Lateinische Ausgangsschrift. Kompetenz nichts mehr gelten, weil eine Sie war weniger unter schreibmotori- »Warum bringen die Grundschulen zweite Schrift an ihre Stelle trat? Eine schen als vielmehr unter ästhetischen den Kindern nicht mehr bei, ordentlich zweite Schrift, die komplizierter war als Gesichtspunkten entwickelt worden: zu schreiben?« An den weiterführen- die bereits erlernte? Nur, um dann im mit geflammten Aufstrichen, mit vie- den Schulen rissen die Klagen über die Weiteren mit dieser zweiten Schrift die len Drehrichtungswechseln und zum schlechten Schriften nicht ab. Betrach- eigene persönliche Handschrift zu ent- Teil komplizierten Buchstabenverbin- tete man Schriften der Viertklässler kri- wickeln? Das war doch wohl ein unsin- dungen. Damit die Kinder sie erlernen tisch, musste man zustimmen: Schriften niger Umweg. konnten, gab es bis zur 4. Klasse wö- zeigten keine formklaren Buchstaben, Didaktisch konsistenter wäre, die chentlich besondere »Schönschreibstun- Buchstaben verschmolzen bisweilen zu Kinder mit der Druckschrift weiter den«, in denen zeilen- und seitenlang unleserlichen Krakeln, die Buchstaben schreiben zu lassen – während der gan- Buchstaben, Buchstabenverbindungen, schwankten mal nach links, mal nach zen Grundschulzeit und darüber hin- kleine Wörter, ganze Sätze geschrieben rechts … aus. Mit Hilfe der Druckschrift könnten wurden – in dieser Reihenfolge. die Kinder ebenso ihre persönliche, in- Ende der sechziger Jahre wurde in den Zurück auf Null – dividuelle Handschrift entwickeln. Ländern der BRD die Grundschule als der didaktische Kunstfehler Die Grundschule entschied, es bei eigenständige Schulform gegründet. Da- der Druckschrift als Ausgangsschrift zu bei gab es neue Stundentafeln und erheb- Die Lehrkräfte einer Grundschule am belassen. Fünf Jahre später lobten auch lich umfangreichere Lehrpläne. Schön- linken Niederrhein vermuteten, dass die weiterführenden Schulen die gut schreib-Stunden waren nun nicht mehr die zweite Ausgangsschrift der didak- lesbaren und ordentlichen Schriften der vorgesehen. Damit war nötig geworden, tische Kunstfehler war. Die Kinder Kinder aus dieser Grundschule. über eine Schrift nachzudenken, die ein- erlasen und erschrieben sich ja zuerst Es gibt eine Reihe von Grundschu- facher zu erlernen war. Die Vereinfachte ihren Weg in die Schrift mit der Druck- len, die einen ähnlichen Weg gehen. Es Ausgangsschrift war für die damalige schrift: Sie lasen Texte in Druckschrift ist ein Weg, der sich didaktisch seit den BRD das Ergebnis, so wie die Schulaus- und schrieben eigene Texte mit eben achtziger Jahren des vorigen Jahrhun- gangsschrift für die damalige DDR. dieser Druckschrift. Die Druckschrift derts einladend geöffnet hat. (Siehe die Der Grundschulverband, damals erfüllte alle Funktionen, die Schrift Beiträge von Bode / Winzen und van der hieß er noch Arbeitskreis Grundschule, zum Lesen und zum Schreiben haben Donk / Kindler in diesem Heft, S. 17 ff.) propagierte für das Schreibenlernen in muss. Sie war die erste Schreibschrift den siebziger und achtziger Jahren diese der Kinder. Getrennte Wege zum Lesen- Vereinfachte Ausgangsschrift und gab Dann, gegen Ende des 1. Schuljahrs, und zum Schreibenlernen die ersten Schreibübungshefte für diese wurde eine zweite Ausgangsschrift ein- neue Ausgangsschrift heraus (Krich- geführt: eine verbundene Schrift. An Bis in die achtziger Jahre des vorigen baum 1987). dieser Schule war es die Vereinfachte Jahrhunderts hinein galten Lesen- und Ausgangsschrift. Damit hatte die erste Schreibenlernen als zwei verschiedene Eigene Wege der K inder Schrift, die Druckschrift, praktisch aus- Wege in die Schrift: in die Schrift gedient. Die Lust am Schreiben von ei- ●● Lesenlernen in Druckschrift mit ei- genen Texten erhielt einen Rückschlag: ner bestimmten für den Leselernprozess In den achtziger Jahren änderte sich die Zurück auf Null. Allerdings: Für das günstigen Folge der Buchstaben; Sichtweise zum Schreibenlernen grund- Einüben dieser zweiten Ausgangsschrift ●● Schreibenlernen mit einer verbunde- legend. Dies führte auch zu einer neuen stand gar nicht mehr so viel Zeit zur nen Schrift mit einer für das Schreiben- Sicht auf die Schrift. Das Fehlervermei- Verfügung, wie sie eigentlich nötig ge- lernen günstigen Buchstabenfolge, mit dungsprinzip hatte sich, angesichts der wesen wäre, um die Vertracktheiten vorgegebenen Wörtern und kleinen Sät- tatsächlichen Wege von Kindern in die auch dieser Schrift mit jedem Kind zu zen. Dabei galt das Prinzip, dass recht- Schrift, als Verhinderungsprinzip her- üben. schriftlich nichts falsch geschrieben ausgestellt. Das Dogma war ein Brems- Damit stellte sich die Sinnfrage: Die werden sollte. Als »Fehlervermeidungs- klotz für den Entdeckerweg der Kinder Kinder hatten doch eine Schrift gelernt, prinzip« hatte es didaktischen Stellen- in die Schrift. Schreibfreudige Kinder, so mit der sie gut und flott eigene Texte wert mit dogmatischer Bedeutung. die lebenspraktischen wie wissenschaft- 4 GS aktuell 110 • Mai 2010
Thema: Grundschrift lichen Erfahrungen, erwerben das Rich- Wem die Forderung nach Druck- tabellen, die doch ein Werkzeug für tigschreiben über verschiedene Strategi- schrift als erster und einziger Aus- das erste Schreiben darstellen, oder en, angefangen bei Kritzelbriefen über gangsschrift exotisch erscheint, der betrachtet man amtliche Vorlagen mit lautorientierte Schreibungen bis zum sei verwiesen auf zahlreiche Ahnen: den handgeschriebenen Druckbuchsta- Erwerb orthografischer Strategien. angefangen bei Reformpädagogen zu ben, dann fällt eines auf: Die Buchsta- Schriftmotivierte Kinder nehmen Anfang des 20. Jahrhunderts wie Kuhl ben sind samt und sonders gedruckte die Schrift unabhängig von orthografi- mann (1916) oder Brückl (1933) bis zu und nicht geschriebene Buchstaben. Als schen Regelsystemen in Gebrauch. Zum Didaktikern der neueren Zeit wie Wolf- Beispiel sei die Vorlage aus dem bayeri- Schreiben verwenden sie unangeleitet gang Menzel, der 1975 ein entsprechen- schen Lehrplan: »Empfohlene Buchsta- die Druckbuchstaben, vorzugsweise zu- des Konzept vorlegte (Menzel 1975, sie- benformen für die Druckschrift« wie- erst die großen Druckbuchstaben. (Zu- he auch S. 23 ff. in diesem Heft). dergegeben: sammenfassend z. B. in: Bartnitzky u. a. Zudem gibt es wissenschaftliche Er- 2009, S. 454 ff.) kenntnisse, die deutlich machen, dass Zur raschen Verbreitung dieses di- die Einführung einer zweiten, und daktischen Paradigmenwechsels tru- dann verbundenen Ausgangsschrift gen der Spracherfahrungsansatz bei sich hemmend auf die Schriftentwick- (Brügelmann 1983, Spitta 1985) sowie lung auswirkt: das Konzept »Lesen durch Schrei- »… ist es weniger die Druckschrift, ben« (Reichen 1982). Ob »Lesen durch die im Erstschreibunterricht das Schrei- Schreiben« oder »Lesen und Schreiben benlernen erschwert. Es ist vielmehr die im Zusammenspiel«, immer ging es um im Anschluss an die Druckschrift zu das eigene Schreiben der Kinder mit lehrende Ausgangsschrift. Der Wech- Allerdings wird im bayerischen Lehr- Druckschriftbuchstaben. Die handge- sel wird erschwert, je unterschiedlicher plan auch auf bewegungsökonomisch schriebene Druckschrift wurde mithin die beiden Forminventare sind und je mögliche Abweichungen verwiesen: die erste Schreibschrift der Kinder. Die komplexer die Buchstabenformen der »Die handgeschriebene Druckschrift verbundenen Schriften LA, VA, SAS verbundenen Ausgangsschrift, die die weicht aus bewegungsökonomischen erhielten den Rang einer zweiten Aus- Kinder zusätzlich zum Verbinden der Gründen von der gedruckten Vorlage gangsschrift. Buchstaben erwerben müssen« (Mahr- ab. Deshalb gelten die Buchstabenfor- Damit aber stellte sich auch die Frage: hofer 2004, S. 149, siehe auch S. 26 ff. in men als Richtformen. Die Formtreue Welchen Sinn macht eine zweite Aus- diesem Heft). muss beim handschriftlichen Drucken gangsschrift, wenn doch die erste alle nicht absolut eingehalten werden« (aus: Funktionen an eine Schreibschrift be- Die Grundschrift Bayern: Gesamtlehrplan Grundschule, reits erfüllt. Anhang Deutsch). Angesichts dieser Befundlagen führte Die Grundschrift soll eine für die Druckschrift als erste und der Grundschulverband Ende Janu- Hand der Kinder geschriebene Schrift einzige Ausgangsschrift ar 2010 ein Fachgespräch mit Vertre- sein. Dies muss schon in der Vorlage tern aus Schulpraxis und Wissenschaft zum Ausdruck kommen. Im Grundschulverband erschien 1997 durch. Ein Ergebnis war, eine Aus- der erste Artikel, in dem der bisher pro- gangsschrift zur Erprobung in der Pra- Dies führt zum 1. Prinzip für die Buch- pagierten Vereinfachten Ausgangsschrift xis und zur didaktischen Diskussion stabenform: wie auch den anderen verbundenen öffentlich zu machen: Da der Begriff Schriften der Rang als Ausgangsschrift »Druckschrift« gemeinhin mit dem Die Buchstabenformen sind nicht ge- abgesprochen wurde: »Ausgangsschrift Vorgang des Druckens verbunden wird, druckte, sondern handgeschriebene suchten wir einen anderen Begriff für Buchstaben. Sie sind aber nah an den muss die Druckschrift sein!« (Bartnitz- Druckformen, die in den gedruckten ky 1997, S. 7). 2005 veröffentlichte der die handgeschriebenen Druckbuchsta- Texten für die Kinder üblicherweise ver- Grundschulverband eine »Empfehlung ben. Er sollte die grundlegende Funk- wendet werden. zu Schrift und Schreiben in der Grund- tion als erste Schreibschrift deutlich schule« mit eindeutigem Votum für die machen, sowie den Charakter als Aus- Druckschrift als erster und einziger gangsschrift für die Entwicklung einer Schreibschrift: individuellen Handschrift. »1. Die Druckschrift als Ausgangsschrift Wir wählten den Begriff Grund- für das Lesen und Schreiben erfüllt alle schrift. Anforderungen an eine funktionale Schreibschrift. Zur Form der Grundschrift 2. Aus ihr entwickeln die Kinder ihre individuelle Handschrift. Schaut man in die Materialien der 3. Eine verbundene Schrift als weitere Schulverlage, mit denen das Schreib- Ausgangsschrift ist deshalb überflüssig.« drucken geübt werden soll, sieht man (Grundschule aktuell H. 91, S. 11) auf die diversen Anlaut- oder Schreib- GS aktuell 110 • Mai 2010 5
Thema: Grundschrift In der Schweiz gibt es ähnliche Bemü- Damit kann ein 2. Prinzip zur Buch- Abwärtsstrichen gebeugt. Beugungs- hungen. Dort wird die handgeschriebe- stabenform formuliert werden: bewegungen sind zielgerichteter aus- ne erste Schrift mit Druckschriftformen zuführen, dies gilt für motorisch noch Basisschrift genannt. Diese Basisschrift Um beim weiterführenden Schreiben weniger geübte Kinder umso mehr. Ein wird in drei Etappen erworben: Buchstabenverbindungen leichter zu Beispiel: Das große M lässt sich auf ver- ermöglichen, erhalten die Kleinbuch- schiedene Weise schreiben. Sehen wir Zuerst werden alle Einzelbuchstaben staben mit Abstrich am Ende einen geübt. nur auf den Anfangsstrich. Er kann von Wendebogen: In einem zweiten Schritt wird an die unten nach oben oder von oben nach Einzelbuchstaben mit Abstrich, wie bei unten geführt werden. Sollen Kinder a, d, h, i, m, unten ein Wendebogen an- ihn senkrecht von unten nach oben, gefügt, der »Basisrundwende« genannt also aufwärts führen, dann haben sie wird und dem Anschluss an den Folge- Zum B ewegungsablauf Schwierigkeiten, die Spur zu halten, viel buchstaben dienen soll. der Grundschrift leichter ist dagegen der Abwärtsstrich. In einem dritten Schritt werden Buchstabenverbindungen in Wörtern Viele Kinder beginnen mit dem Schrei- Damit ergibt sich ein 1. Prinzip zum geübt. (Ausführliche Informationen zur ben schon vor Schuleintritt. Diese Ten- Bewegungsablauf: Schweizer »Basisschrift« finden sich un- denz wird sich in den nächsten Jahren ter www.schulschrift.ch im Internet.) verstärken, je mehr der Elementarbe- Vorrang haben bei allen Buchstaben die Das bedeutet: Die Kinder lernen die reich, die Kitas, sich als Bildungsein- beiden Prinzipien: Schreibbewegung Buchstabenformen in drei Etappen und richtungen verstehen und als solche – von links nach rechts und verändern sie dabei nach Schreibvor- bildungspolitisch auch unterstützt wer- – von oben nach unten. schrift, um dann auf dem Papier Wort den. Kinder können nicht künstlich für Wort eine Buchstaben verbindende dumm gehalten werden. Sie begegnen Schrift zu schreiben. Vermutlich ist dies der Schrift, sie erleben Erwachsene, Der entsprechende Bewegungsablauf ein Zugeständnis der Forderung gegen- die schreiben und lesen, sie erfahren wird auf den Übungskarten wie folgt über, dass im einzelnen Wort die Buch- bedeutsame Funktionen von Schrift markiert: Beginn und Bewegungsrich- staben optisch sichtbar miteinander zu lange, bevor sie in die Schule kommen. tung sind durch Punkt und Pfeil an- verbinden seien. Jeder Einkaufszettel, jeder Parkbon, gegeben. Bei den Kleinbuchstaben mit Auf dem Weg zur individuellen jeder Aufdruck, jede Einladung zu ei- abschließendem Wendebogen wird der Handschrift ist dies aber ein Umweg, nem Geburtstag lehrt sie, dass Schrift Wendebogen farblich auslaufend mar- weil Handschriften geübter Schreiber für die Großen etwas Lebensbedeut- kiert, damit der Abschluss-Schwung nie alle Buchstaben in grafischer Spur sames ist. Wenn Kinder vor der Schu- angezeigt wird. sichtbar miteinander verbinden. In der le beginnen, selber zu schreiben, dann Regel wird auch bei einer verbundenen finden sie eigene Bewegungsabläufe für Schrift nach drei Buchstaben abgesetzt. die Buchstaben. Die sind nicht immer Es gibt dann Luftsprünge im Wort. Die bewegungsgünstig, aber es sind mög- Verbindung zwischen den Buchstaben licherweise schon eingeschliffene und wird dabei nicht unterbrochen, die Spur individuell bevorzugte. erfolgt nur in der Luft und ist nicht als Tatsächlich gibt es einige Anhalts- grafische Spur auf dem Papier sichtbar punkte für günstige Bewegungsabläufe, (siehe in diesem Heft: Mahrhofer-Bernt, die geläufigeres Schreiben begünstigen Verschiedene Buchstaben haben eine S. 27). und auf Dauer die Buchstaben formklar teilweise gleiche Struktur, zum Beispiel Die Grundschrift wird deshalb so an- halten: Unsere Schrift hat die Lese- und R und P oder a und d oder S und s. Es gelegt, dass sie diesen Umweg vermei- Schreibrichtung von links nach rechts. ist bewegungs-ökonomisch, bei diesen det. Die Kinder sollen, mit Unterstüt- Es ist also hilfreich, wo immer es geht, strukturverwandten Buchstaben den zung der Lehrkraft, die Grundschrift die Schreibbewegung von links nach gleichen Bewegungsablauf einzuüben. zu ihrer eigenen individuellen Schrift rechts zu wählen. Ein Beispiel: Beim entwickeln können. Zudem wird die kleinen a oder d könnte zuerst rechts der Diese Überlegungen führen zu einem Grundschrift so gestaltet, dass sichtba- Abstrich geschrieben, dann nach links 2. Prinzip für den Bewegungsablauf: re Verbindungen von Buchstaben gut der Bauch ergänzt werden. Der Buch- möglich, aber nicht zwingend sind. Des- stabe wäre klar erkennbar. Dennoch Wo bei verschiedenen Buchstaben halb sollen die Kinder nicht »gestanzte« hindert die Rechts-links-Schreibung gleiche Bewegungsabläufe möglich Buchstabenformen abmalen, sondern sind, werden sie gewählt. Wir fassen die Schreibgeläufigkeit einer Schrift, sie zu Bewegungsgruppen zusam- die Buchstaben flüssig schreiben lernen. die entgegengesetzt geschrieben wird. men (siehe in diesem Heft: Hecker, Die Buchstabenformen müssen deshalb Es werden große Luftsprünge in Gegen- S. 9 ff.). die Bewegung und auch einen mögli- richtung nötig. chen Anschluss an Folgebuchstaben be- Ein anderer Anhaltspunkt ist die günstigen. Muskelbewegung: Bei Aufwärtsstrichen Auf den Buchstabenkarten der Grund- wird der Fingermuskel gestreckt, bei schrift sind die Buchstaben einer Be- 6 GS aktuell 110 • Mai 2010
Thema: Grundschrift wegungsgruppe in jeweils einer Farbe Beim Schreiben wiedergegeben. auf unlinierte Das Material zur Grundschrift gibt Blätter verläuft zwar günstige Bewegungsabläufe vor. der Schriftzug Soweit die Kinder aber einen anderen häufig nicht Ablauf bevorzugen, ist das zu akzeptie- exakt waage- ren. Kriterium ist: dass die Buchstaben recht, hat aber formklar geschrieben sind. Es gibt gute meist eine Argumente für die auf den Karten vor- klare Struktur gesehenen Abläufe. Ein Dogma dürfen und die Kinder sie aber nicht sein, weil auch in diesem beachten die Punkt Kinder individuell zu anderen Proportionen Lösungen kommen können, als sich der Buchsta- die Lehrerweisheit ausmalen mag. Un- ben. terrichtspraktisch könnte man Kinder anhalten, den vorgeschlagenen Weg auszuprobieren. Kehren sie dann aber wieder zu ihrer eigenen Schreibweise Schreibgeläufigkeit der Kinder als sie zu flüssigkeit ihre individuelle Schrift. Das zurück, sollte man es dabei belassen. fördern (Mahrhofer 2004, S. 130 ff.): Sie belegen die Schriftsätze von Kindern mühen sich, die Lineaturvorgaben ge- auch über die Grundschulzeit hinaus Damit wird ein 3. Prinzip für den nau einzuhalten, malen und zirkeln die (siehe den Beitrag von L. Bode und Bewegungsablauf ergänzt: Buchstaben, halten inne, kontrollieren, T. Winzen in diesem Heft, S. 17 ff.). Die radieren, beginnen neu, statt munter zu Lehrkräfte bestätigen, dass sie bei jedem Wenn Kinder entgegen den ersten schreiben. Schriftsatz erkennen, welches Kind ihn beiden Prinzipien individuell einen Lehrerinnen und Lehrer, die Kinder geschrieben hat. anderen Bewegungsablauf wählen, zunächst auf unlinierte Blätter schrei- Diesen Prozess kann die Schule durch bei dem sie auch bleiben wollen, ben lassen, stellen dagegen fest, dass Schreibexperimente und Reflexionen hat der individuell gewählte Ablauf Vorrang. Voraussetzung ist, dass der Kinder die Freiheit gut nutzen: Der unterstützen: Schreibproben von Kin- Buchstabe formklar und formstabil Schriftzug verläuft möglicherweise dern und Erwachsenen werden betrach- bleibt. nicht exakt waagerecht, hat aber eine tet und auf das zentrale Kriterium der klare Struktur und die Kinder beachten guten Lesbarkeit hin beurteilt. Dabei die Proportionen der Buchstaben. Ihre wird unter anderem festgestellt, dass bei Zur Schreiblineatur Schrift hat allerdings eine individuel- Schreibproben geübter Schreiber Buch- le Größe: Die einen Kinder schreiben staben auch miteinander verbunden Schreiblineaturen für die Grundschule die Buchstaben kleiner, andere Kinder werden. Solche Verbindungen können gehen immer noch davon aus, dass Kin- schreiben sie größer. Auch daran ist mit Wörtern ausprobiert werden. Dabei der am Anfang eine genaue Begrenzung erkennbar, wie einengend, uniformie- können alle Buchstaben in einem Wort für die Buchstaben brauchen – mit Mit- rend und unnatürlich differenzierte oder bestimmte Buchstabengruppen in telband, Ober- und Unterlängen. In ei- Lineaturvorgaben sind. das Probieren einbezogen werden. Zum nem zweiten Schritt wird erwartet, dass Beispiel bieten sich die Wendebögen bei die Kinder die richtigen Proportionen Daraus ergibt sich als Prinzip zur den Buchstaben mit abschließendem für Ober- und Unterlängen beachten, Schreiblineatur: Abstrich zur Verbindung an. Vorzugs- und die Lineatur wird auf das Mittel- weise werden auch Buchstabenverbin- band begrenzt. Erst später wird nur Auf Lineatur wird ganz verzichtet oder dungen erprobt, die besonders häufig noch eine Grundlinie vorgegeben. Ent- sie wird auf eine Grundlinie beschränkt. sind (z. B. en, er, ie, ei, au, ch). Vorlagen (Blätter zum Unterlegen) gibt sprechend sind die Lineaturen durch- Allerdings gibt es auch hier keinen es mit unterschiedlichen Abständen der nummeriert, beginnend bei Lineatur 1 für alle Schreiber zutreffenden Verbin- Grundlinien, so dass die Kinder die für für das erste Schuljahr mit der komplet- sie passende Vorlage wählen können. dungsstandard. Auch bei geübten er- ten dreistufigen Lineatur. Von diesem wachsenen Schreibern werden häufige Weg weichen auch die Schulbuchverlage Buchstabenkombinationen von den bei ihren Materialien nicht ab, weil »der Das weiterführende Schreiben einen verbunden, von anderen aber Markt«, sprich: die auswählenden Leh- unverbunden geschrieben. Die Experi- rerinnen und Lehrer es so wollen. Auch Zur Entwicklung der mente sind also Erprobungen und das dies ist ein didaktischer Kunstfehler, individuellen Handschrift Erprobte ist Gegenstand der Reflexion. der von Generation zu Generation wei- Die Kinder probieren aus, ob sie be- tergereicht wird. Kinder, die in der Grundschulzeit nur stimmte Verbindungen übernehmen. Dabei lehren eigene Beobachtung mit Druckschriftformen schreiben, ent- Solches Ausprobieren mit der eigenen sowie wissenschaftliche Befunde: Die wickeln im Zuge der Schreibübung, Au- Schrift kennt übrigens jeder aus seiner differenzierte Lineatur hemmt eher die tomatisierung und vermehrten Schreib- Kindheit und Jugend; es wird in der Re- GS aktuell 110 • Mai 2010 7
Thema: Grundschrift gel informell durchgeführt. Hier wird halten oder absetzen, um zu entspan- es als wichtiger Schritt hin zur indivi- nen. Wenn man Kinder beim Schreiben Dr. Horst duellen Handschrift in den Unterricht der LA oder der SAS beobachtet, ist das Bartnitzky geholt. leicht festzustellen. Vorsitzender Ein Irrtum ist im Übrigen, dass nur des Grundschul- die grafisch sichtbare Verbindung die Hieraus folgt als Prinzip zur Entwick- verbandes einzelnen Buchstaben verbindet. Die lung der individuellen Handschrift: Vereinfachte Ausgangsschrift weicht hiervon schon wesentlich ab. Hier wer- Vom ersten Schreiben mit der Grund- den viele Verbindungen von Groß- zu schrift aus entwickeln die Kinder indi- Kleinbuchstaben nicht grafisch sicht- viduell ihre persönliche Handschrift. Dieser Prozess wird durch Betrachten bar, sondern als Luftsprünge realisiert. von Schriftproben, Experimentieren Beim geläufigen Schreiben werden aber Das sollte in den Klassen 3 und 4 mit Schrift und Beratung durch die immer alle Buchstaben miteinander ver- Lehrkraft unterstützt. Dabei werden fortgesetzt werden. Schwerpunkte kön- bunden, nur oft nicht auf der Schreib- auch grafisch sichtbare Verbindungen nen hier sein: unterlage. Verbunden ist die Schrift ausprobiert. Sie sind immer Angebote, –– wie Texte, Überschriften, Gedichte, dennoch, weil die Verbindungen in der nicht Vorschrift. Plakate mit Schrift gestaltet werden Luft vollzogen wird und nur z. T. als können; grafische Spur sichtbar ist. Schreibmo- –– wie Erwachsene, wie Menschen in torisch hat der Luftsprung im übrigen Schrift als Unterrichtsthema anderen Ländern schreiben und in- die wichtige Funktion, die Muskulatur wieweit die Schriften gut lesbar sind; zu entspannen. Gleiches geschieht auch Schon bei den o. a. Vorschlägen zur Ent- –– wie andere Schriftsysteme gestaltet bei Schriften, die jeden Buchstaben im wicklung der individuellen Handschrift sind und wie unsere Buchstaben- Wort miteinander verbinden, weil auch wurde deutlich, dass die Schrift auch schrift sich entwickelt hat. hierbei das ganze Wort nicht »in einem über die Klasse 1 hinaus ein wichtiges Zug« geschrieben wird, sondern die Thema ist, das Experimentieren mit und Schreiber zwischendurch intuitiv inne- Reflektieren über Schrift einschließt. Literatur Bartnitzky, H. u. a. (Hrsg.) (2010): Kursbuch Grundschule. Frankfurt a. M.: Grundschul- verband Bartnitzky, Horst (1997): Ausgangsschrift »Grundschrift: Kartei zum Lernen und Üben« muss die Druckschrift sein! In: Grundschul- verband aktuell, H. 58 April 1997, S. 7 Brückl, Hans (1933): Der Gesamtunterricht – so heißt das Übungsmaterial, das der Teil 2: Schreibvarianten Grundschulverband derzeit erarbeitet. im ersten Schuljahr mit organischem Einbau und Verbindungen des ersten Lesens und Schreibens. München/ Die Grundschrift-Kartei erscheint in zwei Die »Kartei zum Lernen und Üben« für Berlin: Oldenbourg Teilen: das weiterführende Schreiben enthält: Brügelmann, Hans (1983 ff.): Kinder auf dem Weg zur Schrift. Konstanz: Faude, zuerst – Anschauungsmaterial zu möglichen Teil 1: Die Buchstaben Buchstabenverbindungen, zu ver- 1983 Grundschule aktuell: Themenheft »Wie viele Dieses Übungsmaterial zur Grundschrift schiedenen Schriften Schriften brauchen Grundschulkinder?« enthält Karteikarten zu allen Buchsta- – Informations- und Anregungsmateri- H. 91, September 2005 benformen. al zu Schriften verschiedener Schrei- Krichbaum, Gabriele (Hrsg.) (1987): Mehr Die Arbeit mit diesen Lern- und Übungs- ber, zu anderen Schriftsystemen gestalten als verwalten: Einführung der Ver- karten kann ab sofort beginnen: Die – Hinzu kommen kommentierende und einfachten Ausgangsschrift an Grundschulen Karten zu den Buchstabenformen der praxisanregende Lehrerkommentare. – Informationen, Argumente, Strategien und Grundschrift sowie ein ausführlicher Die Veröffentlichung, voraussichtlich Materialien. Frankfurt a. M.: Arbeitskreis Kommentar für Lehrerinnen und Lehrer auch zunächst im Internet, soll im Herbst Grundschule stehen im Internet kostenfrei zum Her- 2010 erfolgen. Kuhlmann, Fritz (1916 ff.): Schreiben im neuen Geiste. Braunschweig/Hamburg: unterladen zur Verfügung: Verlag Georg Müller, zuerst 1916 www.grundschulverband.de, Stichwort: Material für das weiter Mahrhofer, Christina (2004): Schreibenlernen Grundschrift. führende Schreiben mit graphomotorisch vereinfachten Schreib- Lehrkräfte der ersten Klassen des kom- vorgaben. Bad Heilbrunn: Klinkhardt menden Schuljahres können also bereits Die weiteren Materialien werden in den Menzel, Wolfgang (1975): Schreiben als kom- mit diesem Material arbeiten. Wir bitten kommenden Monaten vorgestellt. Zum munikative Handlung. In: Praxis Deutsch, sie, uns ihre Erfahrungen mitzuteilen. Sommer 2011 wird das komplette Mate- H. 12 1975, S. IX – XII Auf Grund der Rückmeldungen wird rial beim Grundschulverband abrufbar Reichen, J. (1982 ff.): Lesen durch Schreiben das Übungsmaterial optimiert und zum bereitliegen. – Wie Kinder selbstgesteuertes Lesen lernen. Sommer 2011 als Kartensatz angeboten. Wir werden in dieser Zeitschrift und auf Zürich: Sabe, zuerst 1982 Beispiele für die Karten befinden sich in der Homepage des Grundschulverban- Spitta, Gudrun (1985 ff.): Kinder schreiben diesem Heft auf S. 13 ff. des darüber informieren. eigene Texte: Klasse 1 und 2. Berlin: Cornel- sen Scriptor, zuerst 1985 8 GS aktuell 110 • Mai 2010
Praxis: Grundschrift Ulrich Hecker Kinder – Hand – Schrift »Schrift ist Spur eines Werkzeugs auf einer Unterlage, hervorgerufen und nach falls vernachlässigt werden darf, wenn überlieferten Zeichen zu Zwecken der Dokumentation und der Kommunikation wir Kinder auf ihrem Weg zur indivi- in Bewegung gestaltet von menschlicher Hand«, so definierte der Wuppertaler duellen Handschrift begleiten wollen. Pädagoge Fritz Bärmann. 1) Schreiben ist Bewegung – und natürli- Schreiben ist zudem auch Ausdruck persönlicher Eigenart – des Denkens, Wol- che Bewegung beruht auf dem rhyth- lens und Fühlens der ganzen Person. mischen Wechsel von Spannung und S Entspannung. chreiben lernen ist seit langem –– sorgfältig und übersichtlich arbeiten Elf ursprüngliche »Bewegungsgrund- schon nicht mehr auf den schreib- können. formen« für das Schreiben von Druck- motorischen Aspekt zu reduzieren, Zwei Kriterien sollte die geschriebene buchstaben mit der Hand hat Horst also auf das inhaltsleere Kopieren von Schrift der Kinder immer erfüllen: Sie Bartnitzky zusammengestellt (siehe Buchstabenformen. Schreiben lernen soll formklar und bewegungsökono- Abb. 1). 2) ist heute eingebettet in einen aktiven, misch sein. Mit ihnen können Kinder alle Buch- handelnden Schriftspracherwerb und staben schreiben – und diese Bewe- insofern ungleich anspruchsvoller als in Schreiben ist Bewegung gungsgrundformen behalten ihre Gül- früheren Jahrzehnten. Die Bedeutung tigkeit auch beim weiterführenden des Lernens und Übens von Schreib- Mit der Grundschrift und den dazuge- Schreiben mit der Grundschrift. fertigkeiten darf allerdings auch heute hörigen Materialien können Lehrerin- Jede Handschrift ist das Ergebnis nicht gering geschätzt werden – auch nen und Lehrer eine förderliche Lern- von bewusster, gesteuerter Bewegung. nicht durch eine Art »Pfingstwunder- umgebung gestalten, die den Kindern Somit konzentriert sich das Schreiben- didaktik«, die davon ausgeht, Schreiben einerseits viel Freiraum lässt und viele lernen auf die Entwicklung und die lernten Kinder sozusagen »von allein«. Anregungen bereit hält, die Kinder aber Vervollkommnung von Bewegungsab- Seit Jahren klagen Lehrerinnen und andererseits nicht allein lässt bei der läufen. Die Schreibmotorik kann durch Lehrer über die Handschriften von Kin- Bewältigung der anspruchsvollen Auf- den gezielten Einsatz von Bewegungs-, dern, sie beobachten schon früh eine gabe, eine eigene Handschrift zu entwi- Gestaltungs- und Lockerungsübungen unzureichend entwickelte Feinmoto- ckeln. gefördert werden. rik, die sich negativ auf die sich entwi- Die Devise »Schreiben mit Schwung« Das Ziel des Schreibunterrichts ist es, ckelnde Schreibmotorik auswirkt. Dies beschreibt ein lockeres und zügiges Kindern das Schreibenlernen auf viel- erschwert den Anfangsunterricht im Schreiben, bei dem die Schreibbewe- fältige Art zu erleichtern. Für das flüs- Schreiben, weil Kinder ihre Schreibtä- gungen der Kinder in Schwung kom- sige Schreiben und für die Beachtung tigkeiten allzu oft angestrengt und un- men und sich ein Schreibrhythmus von Inhalt und Rechtschreibung ist es effektiv ausüben. Sie benötigen mehr entwickelt. Das von Kindern gern auf- wichtig, dass Kinder möglichst schnell Zeit, sind motorisch verkrampft und gegriffene Motto betont, dass Schreiben mit automatisierten Bewegungsabläu- daher oft schneller erschöpft. Bewegung ist – ein Aspekt der keines- fen schreiben. So werden Kapazitäten Es ist wichtig und möglich, dass das Schreibenlernen für alle Kinder ein erfolgreicher Prozess wird, so dass am Ende ihrer Grundschulzeit alle Kinder –– über eine gut funktionierende Schreibmotorik verfügen, –– eine gut lesbare, geläufige Hand- schrift gebrauchen können, –– mit verschiedenen Schreibgeräten und -materialien umgehen können, –– Schrift und andere grafische Gestal- tungsmittel als Ausdrucksmöglich- keit wahrnehmen und für sich an- wenden können, –– Freude am Schreiben, an der Schrift und am Gestalten mit Schrift erfah- ren haben, Abb. 1: –– auch beim Schreiben Ausdauer ent- Bewegungs- wickeln und grundformen GS aktuell 110 • Mai 2010 9
Praxis: Grundschrift der Konzentration frei für die inhaltli- Schreibübungen können auch mit Bewegungsabläufe auf und ermöglicht, che Seite der Sprache. der jeweils »anderen« Hand ausgeführt sie durch konsequentes Üben zu auto- Es ist ein didaktischer Kunstfeh- werden. matisieren. Die Grundschrift-Buchsta- ler, Kinder früh zu einer verbundenen Buchstaben können mit dem Fuß auf ben können im weiteren Schreiblern- Schrift zu zwingen oder den sich entwi- den Boden gezeichnet werden, links prozess miteinander verbunden werden, ckelnden Schreibfluss durch eine wei- und rechts. ohne dass neue Bewegungsformen und tere, »verbundene« Ausgangsschrift zu Kinder verwenden verschiedene -folgen gelernt werden müssen. unterbrechen. Dies führt zu fortwäh- Schreibgeräte. Sie experimentieren »Die Buchstaben« ist eine alphabe- rendem Druck und bewirkt eine erneute damit: einmal fest aufdrücken beim tisch geordnete Buchstabenkartei. Verlangsamung des Schreibens, oft auch Schreiben, einmal mit dem Schreibgerät Sie orientiert sich an keinem Erstlese- eine nachhaltige Verunsicherung von das Blatt nur ganz leicht berühren. lehrgang. Die Reihenfolge der Buchsta- Kindern. Zu viele Kinder verkrampfen All das dient dem Bewusstwerden ben kann einen in der Klasse verwende- und ihre Schrift wird unsicher und un- und der Speicherung der zu lernenden ten Leselehrgang berücksichtigen. gelenk. Buchstabenform und ihres Bewegungs- Die Übung der Buchstaben kann – Immer wenn Kinder Buchstaben zu ablaufs. gleich am Anfang oder später – aber Wörtern zusammenfügen, schreiben Kinder können erfahren und erleben, auch entlang der Bewegungsgruppen sie »verbunden«, verbinden sie Buch- was der Lesbarkeit einer Schrift dient erfolgen, die jeweils farblich unterschie- staben: entweder als Schreibspur auf und was sie beeinträchtigen kann. den sind. dem Papier oder in der Luft. Durch das Die Grundschrift will die Fertigkei- Die Kinder können die Buchstaben- Unterbrechen der sichtbaren Schreib- ten der Hand trainieren und gleichzei- karten einzeln oder in ihrer jeweiligen spur (Luftsprünge des Stiftes) ergeben tig die Grundlagen einer dauerhaft gül- Bewegungsgruppe für ihr individuelles sich weniger Verkrampfungen, was sich tigen Schrift nachhaltig vermitteln. Schreibtraining verwenden. positiv auf die Qualität der Handschrift Für jeden Buchstaben des gesamten auswirkt. Die Grundschrift-Kartei Grundschrift-Abc gibt es jeweils eine Großformatige Übungen auf Ma- Karteikarte. Der Aufbau der Karteikar- kulaturbögen, auf Zeitungspapier, an »Kartei zum Lernen und Üben« ist der ten wird in Abb. 2 auf Seite 11 erläutert. der Wandtafel – mit Wachsmalstiften, Titel des Lern- und Übungsmaterials Es ist sehr zu empfehlen, die Kar- Kreide, Pinseln, feuchten Schwämmen zur Grundschrift, sein 1. Teil heißt: ten farbig (eigener Drucker oder im – und das Einbeziehen aller Sinne sind »Die Buchstaben«. Copyshop) auszudrucken und einzeln als Ergänzung des Schreibenlernens Druckbuchstaben, wie sie in gängigen zu laminieren. So sind sie nahezu un- sinnvoll und förderlich. Schreiblehrgängen Kindern vorbildhaft verwüstlich und können lange für das Wenn das Kind beim Nachfahren der angeboten werden, erscheinen endgül- Trainieren des Bewegungsablaufs mit Buchstabenform mit dem Finger oder tig und unverrückbar, starr und steif. dem Finger verwendet werden. beim Schreiben seine Augen geschlos- Die Buchstaben der Grundschrift Zwei bis drei dieser so aufbereiteten sen hält, prägt sich der Bewegungsab- sind organischer und ausgewogener, Karteien sollten den Kindern in einer lauf durch den Tastsinn ein. Um ein sie sind mit der Hand geschrieben und Klasse oder Lerngruppe zur Verfügung »bewegtes Schreibenlernen und -üben« nehmen schon dadurch mehr Rücksicht gestellt werden. geht es, darum, Kinder möglichst ab- auf das Schreiben mit der Hand, auf den Das Nachfahren der Buchstabenfor- wechslungsreich üben zu lassen und den motorischen Ablauf der Bewegung und men mit dem Finger, auch Übungen mit Druck von den Kindern wegzunehmen, auf das sinnvolle Führen des Schreib- einem weißen Stift und mit geschlosse- die allzu krampfhaft nach der richtigen werkzeugs. Bei den Grundschrift- nen Augen lenken die Kinder von der vi- Form suchen. Buchstaben wird deutlich, wie strenge suellen Kontrolle des Bewegungsablaufs Geometrie einer leichten, bewegten ab. Dadurch fördern sie den Aufbau von Dynamik weicht. Dabei wird der Le- Automatismen, welche letztlich die Ge- bendigkeit aber nicht die Prägnanz der läufigkeit der Handschrift bestimmen. Form geopfert, die Buchstaben verlieren Auf den Karteikarten wird bewusst nichts von ihrer Klarheit. auf Lineaturen verzichtet. Die Buchsta- Die Grundschrift ist eine für die ben stehen auf einer Grundlinie. Das Hand der Kinder geschriebene Schrift. freie Üben und die Entwicklung von Dies kommt schon in den Schreib-Vor- Automatismen sind beim Schreiben- lagen auf den Buchstabenkarten zum lernen weitaus wichtiger, als die Kinder Ausdruck: Alle Buchstaben sind mit der bereits bei ihren ersten Schreibversu- Hand geschrieben. chen auf bestimmte Größen und Grö- Die Kinder sollen, mit Unterstützung ßenverhältnisse verpflichten zu wollen. Ulrich Hecker der Lehrkraft und im Schreib-Gespräch Die Buchstaben auf der Karteikarte ist Grundschulrektor in Moers (NRW), miteinander, die Grundschrift zu ihrer sollen möglichst oft mit dem Zeigefin- er ist Redakteur von »Grundschule eigenen individuellen Schrift entwickeln. ger nachgefahren werden, damit sich die aktuell«. Die Grundschrift greift die Erkennt- Form und die Bewegungsfolge nachhal- nisse aus der Erforschung ökonomischer tig einprägen kann. 10 GS aktuell 110 • Mai 2010
Praxis: Grundschrift Lehrerinnen und Lehrer erleich- tern den Kindern das Schreibenlernen, Im Zentrum ein groß geschriebener Buch- wenn sie ihnen dabei helfen, ökonomi- Jede Bewegungsgruppe hat stabe auf der Grundlinie. sche Bewegungsabläufe möglichst bald eine eigene Farbe. Der günstige Bewegungsverlauf ist mit automatisieren zu können. So können Buchstaben mit einem Ausgangspunkt und Pfeilen im Mit der Grundschrift eignen sich ähnlichem Bewegungsablauf Buchstaben markiert. Kinder Bewegungsmuster an und prä- gemeinsam geübt werden. Die Buchstabenform wird mit dem Finger nachgefahren. gen sie sich ein, die in ihrer weiteren Schreibentwicklung auch tatsächlich Bestand haben. Die Karteikarten bieten Kindern kor- rekte und verständliche Form- und Be- Anlautbilder zu den wegungsvorbilder. Großbuchstaben. Kinder sollen keine »gestanzten« Es werden gängige Buchstabenformen »abmalen«, sondern Anlautbilder verwen- det, um die Arbeit die Buchstaben flüssig schreiben lernen. mit unterschiedlichen Die Buchstabenformen müssen deshalb Medien koordinieren die Bewegung und auch einen mögli- zu können. chen Anschluss an Folgebuchstaben begünstigen. Dem dient der »Wendebo- gen« bei den Kleinbuchstaben. Wo bei verschiedenen Buchstaben Kleiner geschriebene gleiche Bewegungsabläufe möglich Zu jedem Anlautbild erscheint das Buchstaben zum Nach- sind, werden sie gewählt. Wir fassen sie entsprechende Wort gedruckt. fahren mit dem Finger. zu Bewegungsgruppen zusammen. Der betreffende Buchstabe ist farblich hervorgehoben. So wird die Auf den Karten sind die Buchstaben Verwendung des Buchstabens im einer Bewegungsgruppe in jeweils ei- Die Grundlinie wird jeweils Wort dokumentiert und die Korres- ner Farbe wiedergegeben (siehe Abb. 3: pondenz zum handgeschriebenen angezeigt, um den Stand und Bewegungsgruppen auf S. 12). die Proportionen des Buchsta- Buchstaben verdeutlicht. Die Tabelle listet die einzelnen Bewe- bens deutlich zu machen. gungsgruppen mit den zugeordneten Buchstaben auf. Die rechte Spalte skiz- ziert kurz zu jeder Bewegungsgruppe die Besonderheiten der Schreibbewegung. Aufbau der Karteikarten Die Reihenfolge der Bewegungsgruppen in der Tabelle folgt der Komplexität der »Die Buchstaben« auszuführenden Schreibbewegungen. 3) Kinder üben, allein und mit der Lehr- kraft, sie erproben Schreibbewegungen und Schreibmaterialien, sie sprechen miteinander über Schrift und Schrei- ben: Schreiben als ständige Arbeitsspur im Grundschulunterricht. Werkstatt Schreiben Zu jedem Lautbild erscheint das ent- In vielfältigen Schreibgesprächen soll- sprechende Wort ten Kinder immer wieder zu produkti- gedruckt. vem Handeln und zum gemeinsamen Der betreffende Nachdenken über Schrift und Schrei- Buchstabe ist farblich ben angeregt werden. Handeln und Re- hervorgehoben. So wird flektieren ist ein wesentliches Prinzip Zu jedem Kleinbuchstaben gibt die Verwendung des der Arbeit mit der Grundschrift. Dies es Lautbilder mit je eigenen Buchstabens im Wort Illustrationen. dokumentiert und die entbindet keinesfalls von der Anstren- Der jeweilige Laut ist im Wort zu Korrespondenz zum gung des Übens. Im Unterricht muss hören. handgeschriebenen es darum gehen, Kindern die Freude an Buchstaben verdeutlicht. ihrer Schrift zu vermitteln, das Gefühl, damit etwas Einzigartiges gestalten zu können, eine Möglichkeit zu besitzen, Abb. 2: Kartei zum Lernen und Üben, Teil 1 GS aktuell 110 • Mai 2010 11
Praxis: Grundschrift Bewegungsgruppe Buchstaben Besonderheiten I: Einfacher Abstrich/ • u / U: Kombination aus Abstrich und Aufstrich mit Richtungswechsel. Einfacher Abstrich mit Aufstrich II: Einfacher Abstrich mit • Die Reihenfolge von Abstrich und Querstrichen ist im Unterricht in anschließendem Querstrich Schriftgesprächen zu thematisieren. • Abwandlungen der Reihenfolge sind beim H möglich. III: Linksoval / • Ein sorgfältiges Anbinden des Abstrichs an das Linksoval ist wichtig Drehrichtung gegen Uhrzeigersinn für die Formklarheit. • e / G sind sind in formklaren Ausführung anspruchsvoller, da die Kreisform abgewandelt wird. IV: Abstrich mit nachfolgender • Achtung: Luftsprung bei Verbindung nach Rechtsoval nötig. Arkadenbewegung / Rechtsoval • R: Komplexität der Form durch Kombination von Rechtsoval und (Drehrichtung im Uhrzeigersinn) anschließendem Drehrichtungswechsel im Abstrich. V: Zickzacklinie • Der Richtungswechsel wird durch den Haltepunkt an der Spitze (Richtungswechsel mit Haltepunkt) erleichtert. • Eine sorgfältige Ausführung ist für die Formklarheit wesentlich. • A: Verbindung über den Mittelstrich möglich. VI: Einzelformen • Abstrich mit Verbindungshäkchen nach links. • Die Formproportion ist schwierig einhaltbar. • Überkreuzung in der Mitte, Reihenfolge der Abstriche. • Formproportion schwierig einhaltbar. • Kombination von Bewegung im Uhrzeigersinn von unten nach oben und doppeltem Rechtsoval. • Richtungswechsel mit Haltepunkt. • Schwierigste Bewegung, da Drehrichtungswechsel ohne Haltepunkt. Abb. 3: Bewegungsgruppen zum Üben (aus: Christina Mahrhofer-Bernt, Lehrerkommentar zu »Grundschrift: Kartei zum Lernen und Üben«, www.grundschulverband.de > Grundschrift) die Gedanken eines Augenblicks immer Zu jeder einzelnen Buchstaben-Kar- Wie bei jedem Handwerk – und festhalten zu können. So erhält das un- teikarte gibt es einen Kommentar, der Schreiben ist ein Hand-Werk! – fin- umgängliche Üben seinen Ort und sei- stets die folgenden Elemente enthält: det ein stummes »Gespräch« zwischen nen Sinn. –– Formwahrnehmung dem Handwerker (Schreiber), seinem Vom ersten Schreiben mit der Grund- –– Bewegungsverlauf (Schreib-)Werkzeug und dem zu bear- schrift aus entwickeln die Kinder indi- –– mögliche Schwierigkeiten und Hilfe- beitenden (Schreib-)Material statt. Die- viduell ihre persönliche Handschrift. stellungen ses Gespräch muss man fördern – auch Dieser Prozess wird durch Betrachten –– Reflexionen der Kinder durch die gemeinsamen Gespräche in von Schriftproben, Experimentieren Vier Seiten aus dem Lehrerkommen- der Lerngruppe. mit Schrift und Beratung durch die tar sind auf den Seiten 13 – 16 im Origi- Lehrkraft unterstützt. Dabei werden nalformat dokumentiert. Anmerkungen auch grafisch sichtbare Verbindungen Reflexionen der Kinder werden in (1) Bärmann, Fritz (1979): Lernbereich: der Buchstaben ausprobiert. Sie sind »Schrift- und Schreibgesprächen« an- Schrift und Schreiben, Braunschweig: Westermann, S. 43 immer Angebote, nicht Vorschrift. geregt. Solche Gespräche dienen der (2) Bartnitzky, Horst (2005): Welche Schreib- Der Lehrerkommentar zur Grund- Selbsteinschätzung und der Reflexion schrift passt am besten zum Grundschul schrift (Teil 1: Die Buchstaben) ordnet der eigenen Schreibleistung. Sie finden unterricht heute? In: Grundschule aktuell, die Buchstaben in einer anderen Rei- im Dialog mit der Lehrerin, zwischen H. 91 (September 2005), S. 3 – 12, hier: S. 9 henfolge als die Buchstabenkartei für zwei oder drei Schülern oder im Klas- (3) Mahrhofer-Bernt, Christina (2010): die Kinder: senkreis statt. Die Lehrkraft begleitet Grundschrift: Kommentar für Lehrerinnen Im Lehrerkommentar werden Buch- die Schriftgespräche zwischen Kindern und Lehrer. Frankfurt a. M.: Grundschulver- band (veröffentlicht im Internet unter www. staben mit gleichen bzw. ähnlichem Be- anfangs moderierend. Die Überlegun- grundschulverband.de > Grundschrift > wegungsablauf in Bewegungsgruppen gen, Entdeckungen und Erfahrungen Lehrerkommentar zu Teil 1: Die Buchstaben) zusammengefasst. der Kinder stehen dabei im Mittel- punkt. 12 GS aktuell 110 • Mai 2010
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