Edgar Schmitz, Bärbel Gayler, Peter Jehle* Gütekriterien und Strukturanalyse zur Inneren Kündigung

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Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 1, 2002                                          39

Edgar Schmitz, Bärbel Gayler, Peter Jehle*
Gütekriterien und Strukturanalyse zur Inneren Kündigung**
      Nach Darstellung des Forschungsstandes zur Inneren Kündigung in Bezug auf
Verbreitung, Bedingungen und Folgen wird ein eigenes regelungstheoretisches Er-
klärungsmodell vorgestellt, das an einer Stichprobe von 115 Lehrern überprüft und
mit Hilfe von zwei weiteren Stichproben validiert wurde. Die Befunde bestätigen die
Annahme, dass Innere Kündigung eine (unter mehreren) mögliche Verhaltensweise
darstellt, mit der ein Mitarbeiter auf ,Inequity’ reagieren kann, die für ihn einen
Bruch des inneren bzw. psychologischen Arbeitsvertrages bedeutet. Die Reaktion ist
darauf ausgerichtet, wahrgenommene Ungerechtigkeit auszugleichen und das
Gleichgewicht wieder herzustellen. Bedingungsvariablen der Inneren Kündigung
sind u.a. ein Mangel an kooperativer Führung, Mitbestimmung und Zuwendung. Ge-
genindikatoren sind u.a. Involvement, Identifikation sowie Loyalität. Als resultieren-
de Dimensionen des kausalen Strukturmodells ergeben sich Inequity, Persönliche Er-
füllung sowie Innere Kündigung. Reliabilitäten und Validitäten sind gut belegt. Eine
Modelltestung konnte das hypothetische, kausale Strukturmodell bestätigen.
Structure analysis of ,inner resignation’
      The article reviews empirical and theoretical research into ,inner resignation”
amongst employees and presents our own control theoretical approach to this
problem. The model was examined in a sample of 115 teachers and validated later by
other samples. ,Inner resignation’ amongst employees was found to be a
reaction to the disregard of the psychological contract between employer and
employee – with the aim of re-establishing lost equity. Variables like lack of
cooperative management, organizational participation and personal feedback
were found to have an important impact. Contraindicated variables of ,inner
resignation’ seem to be involvement, identification, and loyalty. Our model was found
to be a three-dimensional construct, including ,inequity’, ,personal
fulfilment’ and ,inner resignation’. Reliabilities and validities have been proved. The
empirical data were found to fit the hypothetical, causal structure of the model.
____________________________________________________________________
*      Gayler, Bärbel, Diplompsychologin, freie wissenschaftliche Mitarbeiterin beim DIPF. Schloß-
       str. 29, 60486 Frankfurt am Main
       e-mail: gayler@kdt.de
       Dr. Peter Jehle, Leitung Referat Planung und Controlling, Deutsches Institut für Internationa-
       le Pädagogische Forschung. Schloßstr. 29, 60486 Frankfurt am Main.
       e-mail: jehle@dipf.de
       apl. Prof. Dr. Edgar Schmitz, Diplompsychologe, Institut für Psychologie und Erziehungswis-
       senschaften, Technische Universität München, Lothstr. 17, 80335 München.
       e-mail: schmitz@ws.tum.de
**     Artikel eingegangen: 11.5.2001
       revidierte Fassung akzeptiert nach doppelt-blindem Begutachtungsverfahren: 26.10.2001
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1.   Problemstellung
     Der Begriff der ‚Inneren Kündigung’ (synonym ,innere Emigration’) wurde zu
Beginn der 80er Jahre in die Forschung eingeführt (Höhn 1982) und löste seither ei-
nige Aktivitäten, darunter auch empirische Studien, aus (Raidt 1987; 1989; Derschka
1988; Volk 1986; Nuber 1987; Löhnert 1990; Höhn 1989; Jochmann 1989; Rüber
1990; Sieland 1991; Halblützel 1992; Faller 1993; Riedl 1996). Allerdings gibt es
bisher weder eine brauchbare theoretische Systematik noch eine hinreichende empiri-
sche Fundierung; doch immerhin liegen erste wissenschaftliche Analysen vor, u.a.
von Löhnert (1990), Faller (1993), Gestmann (1995), Krystek/Becherer/Deichelmann
(1995a, b) Krenz (1996) und Krenz-Maes (1998), Nachbagauer/Riedl (1999) sowie
Richter (1999).
     Die Brisanz der Inneren Kündigung (IK) liegt nach Meinung der genannten Auto-
ren (a) in der angeblich ‚umfassenden’ Verbreitung in allen Organisationen, sei es in
privaten Unternehmen, sei es in der öffentlichen Verwaltung, sowie (b) in dem Problem
der Abgrenzbarkeit zu anderen ähnlichen Phänomenen wie etwa dem Burnout.
     Das Ziel der vorliegenden Arbeit liegt darin, eine empirische Fundierung der
Diagnose ,Innere Kündigung’ nachzuholen und zu einer theoretischen Systematik
und Ursachenerklärung beizutragen.

2.   Der Forschungsstand
      Eine formale Begriffsbestimmung liefert Elsik (1994): „Im Gegensatz zur offe-
nen Kündigung wird bei der inneren Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst,
sondern die Erbringung jener Leistungen von ArbeitnehmerInnen aufgekündigt, die
über das vorgeschriebene und mittels Sanktionen rechtlich durchsetzbare Mindestmaß
hinausgehen.“ Die Kosten der Option einer formalen Kündigung können hoch sein:
Ein Wechsel des Arbeitgebers kann unter gegebenen Bedingungen des Arbeitsmark-
tes nicht leicht zu bewerkstelligen und für viele nahezu ausgeschlossen sein. Die Au-
toren, die sich dazu geäußert haben, deuten an, dass es sich bei dieser unausgespro-
chenen Aufkündigung um einen eher verdeckten Prozess handelt, womit sie sich auf
psychologisches Terrain begeben, auch wenn es sich für das Individuum um einen
„bewussten Verzicht auf Engagement und Eigeninitiative in der Unternehmung“
(Höhn 1982; Sieland 1991) handeln sollte. So bezeichnet Innere Kündigung mit Ech-
terhoff et al. (1997, 33) einen „persönlichen Zustand, der durch innerliches Abrücken
von der Arbeitsumgebung und durch Verweigerung von Eigeninitiative und Einsatz-
bereitschaft in Unternehmen gekennzeichnet ist.“ Sie „erfolgt nicht offen oder gar
formal, sondern informell und ohne Kenntnis des anderen Vertragspartners“ und
„stellt ein unsichtbares und stilles Sich-Zurückziehen aus Engagement und Verant-
wortung dar.“ Hilb (1992b, 18) assoziiert mit Innerer Kündigung auch Faktoren einer
Persönlichkeitsveränderung, nämlich „Desinteresse“, „Leistungsminimalismus“,
„Kreativitätsarmut“, „Passivität“, „Konformismus“, „Lustlosigkeit“, „Selbstachtungs-
losigkeit“, „Stresstoleranzlosigkeit“ sowie – nicht näher bezeichnete – „psychosoma-
tische Krankheiten“. Bei Lehrern sieht Sieland (1991, 142) eine Rollendistanzierung
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im Vordergrund. Gross (1992, 87) sieht IK als gesellschaftliches Phänomen. „Sie be-
ginnt nicht mit einem geheimen Schwur zur Sabotage, sondern ähnelt am ehesten ei-
ner schleichenden Krankheit, die weder vom Arzt klar diagnostiziert, noch vom Pati-
enten bewusst reflektiert ist. Der Verlauf ist schwer fassbar, ihre Erscheinungsformen
sind bunt und uneinheitlich, ihre Ursachen vielfältig. Die IK ist – kurz gesagt – kom-
plex.“
      Verhaltenstypisch ist nach Echterhoff u.a. (1997, 33), wenn jemand kein Interes-
se mehr an Auseinandersetzungen hat, zum typischen Ja-Sager geworden ist, sich
stets bei der Mehrheit befindet, keine Vorschläge und Kritik mehr einbringt, Ent-
scheidungen von Vorgesetzten kommentarlos akzeptiert, die eigenen Kompetenzen
nicht mehr ausschöpft, Eingriffe in den eigenen Delegationsbereich hinnimmt, doch
äußerlich noch mitspielt und die Grenzen der Auffälligkeit geschickt unterschreitet.
Mitarbeiter halten sich strikt an die Regelarbeitszeit, persönliche Gespräche außer-
halb der Arbeitszeit werden vermieden, Freiräume während der Arbeitszeit für private
Interessen genutzt, jede Gelegenheit zur Krankmeldung wird wahrgenommen und je-
des Engagement vermieden (Höhn 1989, 22-23). Typisch für den sozialen Bereich
sind Merkmale wie ,überangenehm im Umgang’, Unmutsäußerungen sowie man-
gelndes Interesse an Betriebsfeiern und -ausflügen.
      Indikatoren auf Unternehmensebene sind nach Krystek et al. (1995b, 656) u.a.
hohe Fehlzeiten, Ablehnung von Fortbildungen, weiterhin sinkende Produktivitäts-
kennzahlen bzw. steigende Bearbeitungszeiten und steigende Kundenreklamationen,
bei Lehrern Absentismus an Tagen mit viel Unterricht (Sieland 1991, 145). Richter
(1999, 120) unterscheidet mit Löhnert (1990, 32-34) eine aktive und eine passive
Spielart. Bei der aktiven Inneren Kündigung versuche der Arbeitnehmer, der seine
Arbeitssituation als ungerecht empfinde, die Schwächen des Unternehmens zu erken-
nen und sie systematisch auszunutzen, um sie für sich gerechter und zur eigenen Zu-
friedenheit zu gestalten. Diese aktive Spielart beinhaltet eine Handlungsorientierung
(Löhnert 1990). Dem steht die passive Spielart gegenüber, die i.S. der beiden Autoren
einer Lageorientierung entspricht. Aufgrund der damit verbundenen funktionalen und
emotionalen Hilflosigkeit besteht auch eine Tendenz zum Burnout. Für die Innere
Kündigung ist damit bereits eine Definition mit erklärender Funktion angedeutet, die
wir später aufgreifen werden. Echterhoff et al. (1997, 34) verweisen darauf, dass auch
Führungskräfte ihren Mitarbeitern innerlich kündigen können, wenn sie von ihnen
enttäuscht sind. Der ,Gekündigte’ wird übergangen, an wichtigen Aktivitäten nicht
beteiligt oder auch massiv eingeschränkt, meint Leymann (1993). Nachbagauer/ Riedl
(1999) erörtern die Motivationsprobleme auf der Folie normativer Definitionsprozes-
se von betrieblichen Organisationen.
      Zur Verbreitung der Symptomatik der Inneren Kündigung liegen kaum empiri-
sche Daten vor. Kirstges/Grieger (1999) berichten, dass 36,8% von 76 befragten Mit-
arbeitern in 29 Reisebüros zur Inneren Kündigung tendiert haben sollen. Alle übrigen
Zahlen scheinen auf Schätzungen von Personalverantwortlichen verschiedener Un-
ternehmen zu beruhen und schwanken zwischen 2% und 80%. Dabei fielen die
Schätzungen für das eigene Unternehmen geringer aus. In Richters (1999) Gesamter-
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hebung an 397 Personen einer öffentlichen Verwaltung hatten 62,5% noch nie inner-
lich gekündigt; 16,6% hatten aktuell, d.h. zur Zeit der Befragung, innerlich gekün-
digt, die anderen 20,9% berichteten über eine frühere Innere Kündigung. Für 9,3%
hatte sich die Situation von allein gebessert, während 11,6% sie durch eigenes Bemü-
hen hatten bessern können.
      Krenz (1996), auf deren Fragebogen wir zurückgreifen, befragte eine Stichprobe
von insgesamt 205 Personen (48% Frauen), die aus mehreren Berufsgruppen bestand
(z.B. Führungskräfte im staatlichen Forstbereich, Beschäftigungslose in Fortbil-
dungsseminaren, Mitarbeiter aus der Stahlbranche). Auf die direkte Feststellung ‚Ich
habe innerlich gekündigt’ antworteten 108 (52,7%) mit nein; 23,4% mit eher nein;
9,8% bzw. 14,1% mit eher ja bzw. ja. (Der Mittelwert über die Skala von 1 (nein) bis
4 (ja) betrug x = 1,854). Etwas ausgeprägter war der Befund der Inneren Kündigung
anhand der Gesamtskala zur Diagnose Innere Kündigung, bestehend aus 16 Items. 52
Vpn. (26,1%) antworteten mit nein; 42,7% mit eher nein; 21,6% bzw. 9,5% mit eher
ja bzw. ja. (Der Mittelwert betrug bei gleichen Skalenstufen x = 2,146.). Den interes-
santen Versuch, Innere Kündigung in den privaten Bereich von Partnerbeziehungen
zu übertragen, unternimmt Luck (1995) anhand zahlreicher Fallbeispiele.
      Die Diagnose Innere Kündigung: Wie die Innere Kündigung in den o.g. Studien
diagnostiziert wurde, ist nicht immer klar. Richter (1999, 126) stellte lediglich die
Frage, ob bereits irgendwann seit Eintritt in die Organisation eine Situation bestanden
habe, in der die Kündigung ernsthaft erwogen worden sei. Zusätzlich versuchte er das
Phänomen durch die Erfassung weiterer, damit verbundener Variablen abzusichern,
z.B. über die Messung von Arbeitszufriedenheit, Kontrollüberzeugung oder Gesund-
heit. Als Kriterium werden auch Fehlzeiten angeführt. Dagegen hatte Löhnert (1990,
222 f.) versucht, das Phänomen indirekt etwa über Freizeitorientierung, berufliche
Schwierigkeiten und Zukunftsaussichten zu erheben.
      Krenz (1996) setzte einerseits ein einzelnes Item ein, das direkt auf die Frage, ob
sich eine Person in einem Zustand innerlicher Kündigung befinde, gerichtet war, ande-
rerseits prüfte sie das Vorliegen von Innerer Kündigung mit einer Skala mehreren Fra-
gen. Sie kam für die Hauptskala ,Diagnose Innere Kündigung’ mit 16 Items – ausge-
hend von 27 Items – zu einem guten Ergebnis der Testgütekriterien: Interne Konsistenz
Alpha = .897; Split-Half-Reliabilität r = .848; die Validität – gemessen an dem erwähn-
ten Item ,Ich habe innerlich gekündigt’ – betrug r = .782 (Krenz 1996, 96 f.).
      Zu möglichen Bedingungsfaktoren der Inneren Kündigung gibt es einige Anga-
ben, die allerdings selten empirisch gesichert und oft mit Ursachen verwechselt wer-
den. Sie werden gesucht „sowohl in der Person des Mitarbeiters (etwa in persönlichen
Problemen), im unmittelbaren (mikro)sozialen Umfeld am Arbeitsplatz (etwa in Kon-
flikten mit Kollegen), in Bedingungen auf der Organisationsebene (etwa in einer ver-
fehlten betrieblichen Personalpolitik) oder in allgemeinen gesellschaftlichen Entwick-
lungstrends (etwa im Wandel arbeitsbezogener Einstellungsmuster)“ (siehe Richter
1999, 114, der darin Löhnert 1990; Faller 1993; Krystek et al. 1995, folgt; vgl. auch
Krenz 1996). Angegeben wurden von Betroffenen zu 50% geringe Aufstiegsmög-
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lichkeiten. Schon in den ersten Publikationen wurde Innere Kündigung als Auswir-
kung nicht kooperativer Führung diskutiert (Höhn 1989; Raid 1987). Auch Krystek et
al. (1995) fanden bei ihrer Befragung mit 81% hauptsächlich Fehler im Führungsver-
halten. Im Einzelnen waren damit ein ungenügender Informationsaustausch zwischen
Vorgesetzten und Mitarbeitern (97%) gemeint, gefolgt von Entscheidungen über den
Kopf der Mitarbeiter hinweg (95%) und mangelnde Gesprächsbereitschaft der Vorge-
setzten (93%). Diese Angaben könnten anhand der Burnout-Literatur um folgende
Merkmale erweitert werden: durch schlechte Bedingungen und Unzufriedenheit am
Arbeitsplatz, Über- oder Unterforderung bei der Arbeit, Probleme mit Vorgesetzten
oder Kollegen, Belastungen, starre Führungsstrukturen, mangelnde Sinnstiftung usw.
(u.a. Van Dierendonck et al. 1994). Die Abgrenzung zur Burnout-Symptomatik wird
hier später geklärt. Auch das Alter als ein allgemeiner Bedingungsfaktor wurde ins
Spiel gebracht. Doch die Befragung von 75 Beschäftigten zwischen 45 und 55 Jahren
eines großen Unternehmens bestätigten nicht die Annahme, wonach ,ältere Arbeit-
nehmer’ eher ihr berufliches Anspruchsniveau senken und in die Innere Kündigung
eintreten (Maier 1997).
      Die Folgen einer Inneren Kündigung sind nicht nur für das Unternehmen nega-
tiv (siehe Krystek et al. 1995, die erwähnten Indikatoren wie sinkende Produktivitäts-
kennzahlen), sie können auch für die Betroffenen selbst unangenehm sein. So gab in
der Studie von Richter (1999, 130 f.) die Gruppe der aktuell innerlich Gekündigten
bei neun von zehn psychosomatischen Beschwerden statistisch signifikant höhere
Werte an als die Gruppe der innerlich noch nie Gekündigten, z.B. bezüglich Konzent-
rationsproblemen, Abgespanntheit/Erschöpfung, Magen- und Verdauungsproblemen,
Schlafstörungen oder Niedergeschlagenheit. Im Sammelband von Hilb (1992a) fin-
den sich unterschiedliche Perspektiven bezüglich der Folgen Innerer Kündigung. Ei-
ne Betroffene (Kündig 1992, 29) spricht von einem ständig sich verschlechternden
Gesundheitszustand und reduzierter Kommunikationsfähigkeit; Weber (1992, 38) be-
tont aus der Sicht der Arbeitnehmervertreterin, die Symptome von Suchttendenzen,
Fettleibigkeit, schlechter Laune, Überreiztheit, Schlafstörungen oder psychosomati-
schen Störungen.
      Zur Modellkonzeption, d.h. zur wissenschaftlichen Erklärung der Inneren Kün-
digung, haben sich bisher nur wenige Autoren geäußert. Faller (1993) setzt beim
Konzept des ‚Inneren Vertrages’ an, wobei er annimmt, „dass sowohl das Individuum
als auch die Organisation sich gegenseitig mit vielfältigen Erwartungen gegen-
überstehen, die vertraglich nicht fixiert sind und auch rechtlich nicht gesichert werden
können“, und folgert: „Innere Kündigung kann nun ... als eine Reaktion auf den
Bruch von Inneren Verträgen betrachtet werden“ (Faller 1993, 32). Richter (1999,
119 f.) schließt sich dem an und führt aus, dass Innere Verträge seitens der Arbeitge-
ber aus formal-vertraglich nicht festgelegten Erwartungen an den Arbeitnehmer hin-
sichtlich seiner Loyalität und eines über ein gefordertes Minimum hinausgehendes
Engagement bei der Arbeit bestünden. Arbeitnehmer ihrerseits zögen Ansprüche,
Erwartungen und Forderungen hinsichtlich eines akzeptablen Arbeitsumfeldes, einer
angemessenen Aufgabenbelastung, einer berufsadäquaten Verwendung und berufli-
44           Edgar Schmitz, Bärbel Gayler, Peter Jehle: Gütekriterien und Strukturanalyse zur Inneren Kündigung

chen Entwicklungsmöglichkeiten in die inneren Vertragserwartungen mit ein. Mit
dem Ausdruck ,Innerer Vertrag’ werden eine eigene Form und Qualität der Bezie-
hung zwischen Mitarbeiter und Arbeitsgeber bzw. zwischen Organisationsmitglied
und Organisation angenommen, die über den formalen Arbeitsvertrag hinausgeht. In-
sofern ist die Wirklichkeit Innerer Verträge eine subjektive Konstruktion. Dies
schließe (so Richter 1999) jedoch nicht aus, dass Innere Verträge sozial vermittelt
sind und sich – auf der Zeitachse – über die berufliche Sozialisation und Organisati-
onszugehörigkeit formen. Offenbar wird jedoch allgemein erwartet, so muss hinzu
gefügt werden, dass Innere Verträge – trotz ihrer subjektiven Konstruktion – wie
formale Verträge einzuhalten bzw. zu erfüllen sind.
     Herriot et al. (1997) untersuchten bei unterschiedlichen Industriezweigen den
Psychologischen Vertrag im Hinblick auf die Verpflichtungen beider Vertragspartner,
nämlich der Leitung und der Arbeitnehmer. Zu den ‚ungeschriebenen’ Verpflichtun-
gen des Arbeitnehmers waren sich beide Vertragspartner einig, dass ein Einhalten der
Arbeitszeit, gute Leistung und Ehrlichkeit die entscheidenden Faktoren seien. Die
Leitung erachtete an ihren eigenen psychologischen Verpflichtungen neben (wohl fi-
nanziellen) Vorteilen vor allem Beziehungsaspekte wie Menschlichkeit, Fairness und
Anerkennung als wichtig, bei den Arbeitnehmern standen dazu Arbeitsumfeld, Be-
zahlung, Sicherheit und Fortbildung – letztlich Herzbergs Basisbedürfnisse – im Mit-
telpunkt. Eine Ausnahme bildete die Fairness. Die Ergebnisse sind u.E. eher typisch
für Wirtschaft und kaum auf Lehrkräfte übertragbar, da diese Ergebnisse vermutlich
von Arbeitsplatzunsicherheit und einem damit verbundenen Mangel an Vertrauen in
die Organisation beeinflusst waren.
     Auch Coyle-Shapiro/Kessler (2000) betrachten beide Seiten des psychologi-
schen Vertrags. Es wird ebenfalls unterschieden zwischen transaktionalen und relati-
onalen Verpflichtungen. Untersuchungskontext sind hier jedoch Gemeindeverwal-
tungen, die für den öffentlichen Dienst, d.h. Erziehung, Gesundheit und Soziales,
Verwaltung und technische Bereiche verantwortlich sind. 25% der Befragten waren
Lehrpersonen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Mehrzahl der Arbeitneh-
mer einen Bruch des psychologischen Vertrags erlebt hat. Diese Ansicht wird auch
von den Vorgesetzten – als Repräsentanten des Arbeitgebers – vertreten, die darüber
hinaus darauf hinweisen, dass die Organisation ihre Verpflichtungen gegenüber den
Arbeitnehmern nicht in dem Maß erfüllt hat, wie sie es könnte. Das führte wiederum
dazu, dass diese die Bereitschaft, sich für die Organisation zu engagieren, reduziert
haben. Nach Ansicht der Autoren sollte die Folgerung für die Organisation darin be-
stehen, den psychologischen Vertrag so zu gestalten, dass die dysfunktionalen Kon-
sequenzen eines Vertragsbruchs reduziert werden. In der Praxis bedeutet das, die In-
halte des psychologischen Vertrags der Arbeitnehmer wahrzunehmen und Unterneh-
menspraktiken wie Fortbildung und Personalentwicklung zu überdenken. Die bishe-
rige ‚Nichterfüllung’ bestimmter Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern
muss von Seiten der Organisation thematisiert werden, um dann einen ,neuen Inneren
Vertrag’ entwickeln zu können.
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      Hinter der Vorstellung vom Inneren Vertrag steht zweifellos das ‚Equity’-
Prinzip (Adams, 1965), das Löhnert (1990) in die Diskussion zur Inneren Kündigung
eingebracht hat, das Faller (1993) und Krenz (1996) genutzt und Van Dierendonck et
al. (1994) im Zusammenhang mit Burnout erörtert haben. Danach erwarten Menschen
für den Aufwand an Arbeit und Kosten, die sie in eine (betriebliche) Beziehung in-
vestiert haben, einen entsprechenden Nutzen für sich. Sie erwarten, dass das, was sie
investiert haben und erhalten, proportional zu dem steht, was die andere Seite inves-
tiert und erhält. Bei Störung des Gleichgewichts wird versucht, dieses wieder herzu-
stellen. Ob ein ‚objektiver’ Bruch des Inneren Vertrags bzw. eine ‚objektive’ Störung
des Gleichgewichts vorliegt oder nicht, ist müßig zu fragen, da es sich um eine indi-
viduelle Wahrnehmungskonstruktion handelt und auch nur diese für den Betroffenen
von Bedeutung ist. Darin könnte sich im Einzelfall eine psychische Abwehr eigener
Probleme, wie etwa eine Rationalisierung, verbergen. Auch diese wäre für den Ein-
zelnen eine Realität, die sich auf das Verhalten auswirkt.
      Krenz (1996) hat in ihrer empirischen Studie zur ‚Diagnose Innerer Kündigung’
festgestellt, dass Mitarbeiter eben dieses „Verhältnis von Geben und Nehmen am Ar-
beitsplatz als unausgeglichen“ erlebten. Wie oben dargestellt weist schon Löhnert
(1990, 32-34) darauf hin, dass innerlich Kündigende dazu tendieren, die Situation zu
ihren Gunsten umzugestalten, um sie für sich wieder gerechter werden zu lassen. Die-
se Wiederherstellung des Gleichgewichts erfolgt nach dem ‚Equity’-Prinzip.

3.     Der Ansatz der Studie: Modellkonzeption
3.1 Strukturdynamische Aspekte der Inneren Kündigung
      Ein theoretisches Modell hat die Funktion einer wissenschaftlichen Erklärung
(Stegmüller 1982; Westermann 2000) anhand (1) empirisch belegter Bedingungen und
(2) der Beschreibung der Prozesse, d.i. hier die Beschreibung des gesetzmäßigen psy-
chischen Ablaufs, der zur Inneren Kündigung führt. Sobald beide Teile geklärt sind,
liegt eine solide wissenschaftliche Erklärung vor. Die Differenzierung von (1) und (2)
wird in den Sozialwissenschaften wie eben auch in der Forschung über die IK gelegent-
lich übersehen, insbesondere wenn Bedingungen mit Ursachen verwechselt werden.
Erst mit der Erklärung von (1) und (2) verfügt man über ein Ursachen-Modell. Zu-
nächst sei der strukturdynamische Aspekt der Ursachenerklärung erläutert.
      Unser theoretisches Konzept der IK knüpft an den Vorstellungen früherer Auto-
ren an (insbesondere Faller 1993; Krenz 1996; Krenz-Maes 1998) und ist am hierar-
chischen Regelungskonzept (Carver/Scheier 1981; 1994; 2001) orientiert. IK wird
von uns als eine Reaktion auf den Bruch von Inneren Verträgen betrachtet. Ein sol-
cher Bruch ist durch die Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen den
Vertragspartnern gekennzeichnet. Ein Bruch des Inneren Vertrages liegt vor, wenn
der Vertrag – genauer: wenn die subjektive Konstruktion des Vertrages – von einer
der beiden Seiten nicht mehr erfüllt wird. Im Sinne des ‚Equity’-Prinzips ist damit
das Gleichgewicht zwischen den Erwartungen der Vertragspartner gestört. Hierauf
gibt es nun unterschiedliche Reaktionen; die Innere Kündigung ist nur eine davon:
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(1) Man steigt aus dem Inneren Vertrag aus und kündigt gleichzeitig den formalen
Vertrag; damit liegt eine äußere Kündigung vor. Theoretisch ist damit der Ausstieg
aus dem System vollzogen. Die weiteren Reaktionen stehen unter der Option der Er-
füllung des äußeren Vertrages. (2) Man strebt an, durch Widerspruch (i.S. einer Reak-
tanz) und durch aktive Veränderung der Situation die eigene Lage zu verbessern, in-
dem etwa versucht wird, den Freiraum des eigenen Handelns zu erweitern. Doch in
der Regel haben Mitarbeiter wenig Einflussmöglichkeiten. (3) Man hält an der sub-
jektiven Konstruktion des Inneren Vertrages und den damit verknüpften Erwartun-
gen, Wünschen und Zielen fest und bemüht sich weiterhin, das Gleichgewicht einzu-
fordern. Dieser Weg kann in den Burnout führen. (4) Man versucht, das Gleichge-
wicht dadurch herzustellen, dass man den eigenen Aufwand an Arbeit und Kosten
senkt oder gar minimiert. Das ist der Tatbestand der Inneren Kündigung.
      Reaktanz (Schwarzer 1981, 176) wie auch Burnout (Schmitz 1996) finden je-
doch nur statt, wenn die subjektive Bedeutung der Ereignisse hoch ist, bei Burnout
gilt das insbesondere vor dem Hintergrund unrealistischer bzw. überhöhter Erwartun-
gen (Schmitz 1998; Schmitz/Leidl 1999). Was die Reaktanz anbetrifft, so siedelt
Schwarzer (1981) sie in einem Entwicklungsmodell der Hilflosigkeit an. Sein Pha-
senmodell geht davon aus, dass ein (anfängliches) geringes Ausmaß an erlebter
Nichtkontrolle mit Reaktanz verbunden ist, ein (späteres) hohes Ausmaß jedoch mit
Effekten der Hilflosigkeit einhergeht. Ist die subjektive Bedeutung der Ereignisse ge-
ring, resultieren Interesselosigkeit, Langeweile und Überdruss.

3.2 Der regelungstheoretische Erklärungsansatz der Inneren Kündigung
      Innere Kündigung wird von uns definiert als eine kognitiv-emotionale und be-
haviorale Reaktion von Mitarbeitern bzw. Organisationsmitgliedern auf die subjektiv
wahrgenommenen komplexen Ist-Soll-Diskrepanzen (vgl. Faller 1993), die eine lang-
fristige Verletzung des Inneren Vertrages durch den Arbeitgeber oder die Organisa-
tion ausdrücken. Der Arbeitgeber verhält sich nämlich – aus Sicht des Mitarbeiters –
nicht so, wie er sich verhalten sollte; er hält sich nicht an die Soll-Vorstellungen, die
der Mitarbeiter erwartet. Vertragsbruch bzw. die Ungleichheit und Ungerechtigkeit
bestehen konkret darin, dass der Arbeitgeber nicht so in den Umgang mit dem Mitar-
beiter investiert, wie es dieser für angemessen hält. Im Einzelnen heißt das, dass der
Vorgesetzte sich nicht um kooperative Führung bemüht, um fachliche Einbindung
seiner Mitarbeiter, um freundliche Zuwendung, Rückmeldung und Informationsaus-
tausch, kurz: Der Führungsstil entspricht nicht den Erwartungen, die der Mitarbeiter
mit dem Inneren Vertrag verknüpft.
      Im Fall der beginnenden Inneren Kündigung werden nun seitens des Mitarbei-
ters die eigenen intrapersonalen Soll-Vorstellungen und der damit erforderliche Auf-
wand an Kosten und Arbeit überprüft. Unser regeltheoretisches Prozess-Modell ba-
siert auf der Annahme, dass durch Wahrnehmung einer intrapersonalen Ist-Soll-
Diskrepanz im Selbst-Fokus eine Handlungs-Tendenz angefacht wird, diese Diskre-
panz zwischen dem derzeitigen Zustand und dem Ziel-Zustand zu reduzieren respek-
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tive zu minimieren. Dabei kann es sich um die Diskrepanz von überhöhten, ungenau-
en Erwartungen und der rauen Wirklichkeit ebenso handeln wie um eine Diskrepanz
aufgrund widriger Bedingungen, wie sie bei der Inneren Kündigung genannt wurden.
Wenn dabei keine Schwierigkeiten auftreten, kommt es zur vollständigen und erfolg-
reichen Diskrepanz-Reduktion. Treten jedoch Schwierigkeiten auf, z.B. wegen man-
gelnder persönlicher Ressourcen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, so folgt eine
Unterbrechung und Neubewertung der Ergebnis-Erwartungen. Fällt diese Bewertung
zuversichtlich aus bzw. besteht Hoffnung auf Erfolg, so kommt es zu einem erneuten
Versuch der Diskrepanz-Reduktion. Ist hingegen keine Zuversicht vorhanden, so
folgt der Rückzug vom Versuch. Ist kein offener Rückzug möglich, so kommt es zu
einem mentalen Rückzug. Das bedeutet, dass die eigenen bedeutsamen und ursprüng-
lich verhaltensführenden Soll-Vorstellungen aufgegeben werden. Die Folge ist eine
drastische Reduzierung oder Minimierung des persönlichen Einsatzes und ein Aufge-
ben von Erwartungen, Wünschen und Ansprüchen sowohl an die eigene Person als
auch an den Partner. Dies äußert sich bei unserer Befragung z.B. in Aussagen wie:
,Wenn ich kündigen könnte, würde ich kündigen’ bzw. in der Aussage, eine Kündigung
schon einmal in Erwägung gezogen zu haben. ,Ich mache Dienst nach Vorschrift; habe
mich genug – für den Betrieb, die Organisation – aufreiben lassen’ u.s.w.. Dass es sich
tatsächlich um einen Rückzug handelt, zeigen Äußerungen wie: ,Im Laufe der Zeit ha-
be ich das Interesse ... verloren’, ,Früher war ich viel engagierter’.
      Manche Betroffenen akzeptieren nach meist mehreren Reduktionsversuchen die
misslichen Gegebenheiten und ,erwarten nichts mehr’. Sie hören auf, weiterhin eigene
Anstrengung und Kosten zu investieren. Sie geben die entsprechenden verhaltensfüh-
renden Soll-Werte auf, so dass eine handlungsmotivierende Diskrepanz gar nicht mehr
besteht. Insofern verzichten sie auf das Handeln, wie bereits Faller (1993) beobachtete.
Dieser mentale Rückzug kann sich als Symptomatik äußern, die wir mit dem Begriff
der ,Inneren Kündigung’ kennzeichnen. In diesem psychischen Zustand kann man den
Beruf eine geraume Zeit durchstehen – und emotional überleben (Faller 1993); so kann
Innere Kündigung im Einzelfall subjektiv durchaus eine ‚attraktive’ (Richter 1999,
121) Reaktionsform sein, wenn die Opportunitätskosten der Alternativen zu hoch sind.

3.3 Konstrukt und Bedingungsstruktur der Inneren Kündigung
     Für den schulischen Bereich gilt, dass die Lehrer und Lehrerinnen sich ‚tagtäg-
lich’ (Zitat eines Betroffenen) in ihrer Arbeit über die Institution Schule, über die
Schulleitung, Verordnungen usw. ärgern, weil sie sich im Umgang mit den Schülern
behindert fühlen und weil aus ihrer Sicht die Lehrer-Schüler-Interaktion durch diese
Einmischung gestört wird. Infolgedessen ist auch das Erleben von beruflicher Erfül-
lung zwiespältig, denn die Probleme der Lehrer liegen vorwiegend in der Interaktion
mit dem System Schule bzw. mit der Schulleitung, nicht mit den Schülern (wenn-
gleich sich dort nachfolgend Probleme ergeben können). Interessant ist in diesem Zu-
sammenhang eine Beobachtung von Gross zur Inkohärenz von Lebens- und Arbeits-
wirklichkeit (1992, 87): „Die sogenannte Misstrauenskultur, die Visionslosigkeit und
die Palastorganisation als Ursachen der IK resultieren aus der Inkohärenz zwischen
48           Edgar Schmitz, Bärbel Gayler, Peter Jehle: Gütekriterien und Strukturanalyse zur Inneren Kündigung

Anforderungen drinnen im Betrieb und aus der Blindheit der Führungsebene gegen-
über der Inkohärenz“, eine Aussage, die im schulischen Alltag mindestens genauso
zutrifft wie im Bereich der Wirtschaft. Die Voraussetzung einer Reaktion der Inneren
Kündigung ist die Wahrnehmung von ‚Inequity’. Inequity als Vertragsbruch äußert
sich in Aussagen wie: ,Ich fühle mich ungerecht behandelt’ oder in der Ablehnung
einer Aussage wie: ,Das Verhältnis zwischen Geben und Nehmen am Arbeitsplatz ist
ausgeglichen.’ Das Gegenstück ist die persönliche Erfüllung. Ob ‚Inequity’ wahrge-
nommen wird oder nicht, wird durch die gegebenen Bedingungen bestimmt. Die Be-
stimmungsstücke der Inneren Kündigung werden im Folgenden dargestellt:
      Persönliche Erfüllung und Sinn werden dort erlebt, wo das Gleichgewicht zwi-
schen den Vertragspartnern als gegeben wahrgenommen wird, ausgedrückt in Aussa-
gen wie: ,Ich habe in dieser Arbeit viel lohnenswerte Dinge erreicht’; ,In meiner Ar-
beitstätigkeit fühle ich mich alles in allem wohl und erfüllt’, ,Ich fühle mich tatkräf-
tig’ und Ähnliches. Bei Wahrnehmung von sozialem Gleichgewicht zwischen den
Vertragspartnern ist eine Reaktion wie die Tendenz zur Inneren Kündigung (oder
zum Burnout) unwahrscheinlich. Die Bedeutung des Faktors ,Persönliche Erfüllung’
ist in der Burnout-Forschung belegt (Schmitz 1996; Schmitz/Hauke 1999; Busch-
mann/Gamsjäger 1999).
      Die Bedingungen für die Wahrnehmung von Inequity liegen (a) im Verhalten der
Repräsentanten der Organisation (Vorgesetzte, Vertreter der Geschäftsführung und
im vorliegenden Fall – wohl mit unterschiedlicher Bedeutung – Schulleiter, mögli-
cherweise Kollegen, das Schulamt oder auch das System Schule an sich) und (b)
vermutlich auch in der Art und Weise der subjektiven Konstruktion von Wahrneh-
mungen dieses Verhaltens sowie in der Ursachenzuschreibung der Folgen des eige-
nen Verhaltens. Diese komplexen attributionstheoretischen Aspekte der Inneren
Kündigung wurden bisher wenig erwogen bzw. wegen der methodischen Schwierig-
keiten nicht untersucht. Bisheriger Forschungsgegenstand war hingegen das unmit-
telbar beobachtbare Verhalten der Repräsentanten von Organisationen.
      Sicher kommt im Falle der IK bei Lehrpersonen erschwerend hinzu, dass im jah-
relangen Umgang mit dem System Schule die Erfahrung gemacht wurde, dass von
unten nach oben wenig verändert werden kann. Auf der anderen Seite hat diese Er-
kenntnis jedoch nicht dazu geführt, die Erwartungen ,herunterzuschrauben’. Gerade
diese Unfähigkeit, das Anspruchsniveau der Realität anzupassen, kann in die Innere
Kündigung führen. Umgekehrt wäre eine Anpassung an die Realität eine mögliche
Interventionsmethode.

3.4 Annahmen zum Konstrukt Innere Kündigung
     Die Fragestellung orientiert sich an der Komplexität des Phänomens der IK. In
erster Linie geht es um die Überprüfung der deskriptiven Skala der Diagnose Innere
Kündigung sowie um deren Zusammenhang mit den Subskalen der explikativen Kon-
strukte (Krenz 1996; Krenz-Maes 1998) und den Bedingungsfaktoren Persönliche Er-
füllung (Schmitz 1996) und ,Inequity’.
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 1, 2002                                 49

    Annahmen zum deskriptiven Konstrukt der Inneren Kündigung
    Die Innere Kündigung lässt sich durch die Items der Skala zur Diagnose Innere
Kündigung (Krenz 1996; Jehle et al., in Vorb.) beschreiben (vgl. unten Tabelle 3).
     Hypothesen zu den explikativen Konstrukten
     In der vorliegenden Arbeit postulieren wir folgende Faktoren, die mit der Inne-
ren Kündigung kovariieren: IK korreliert mit einem Mangel an kooperativer Führung,
fachlicher Einbindung, Mitbestimmung, freundlicher Zuwendung, einem Mangel an
Feedback (etwa für konstruktive Kritik) sowie einem Mangel an Equity. IK korreliert
außerdem mit dem Bruch des psychologischen Arbeitsvertrags. IK steht in negativem
Zusammenhang mit Job Involvement sowie mit Commitment und seinen Teilskalen:
Loyalität, Involvement und Identifikation.
      Hypothesen für den Bedingungsfaktor Persönliche Erfüllung
      Bei Abwesenheit von ,Mangel-Faktoren’ ist die Wahrscheinlichkeit für den Be-
dingungsfaktor Persönliche Erfüllung erhöht. Es wird erwartet, dass dieses Merkmal
mit den Variablen der persönlichen Verantwortung (Commitment) wie persönliches
Involviertsein, Identifikation und Loyalität in wechselseitiger Beziehung steht, for-
malisiert in mathematischer Kovariation. Die Annahme von Kovarianz liegt darin be-
gründet, dass Einbindung (Involvement), Identifikation und Loyalität ihrerseits das
Merkmal der Persönlichen Erfüllung verstärken, während umgekehrt diese Merkmale
die Persönliche Erfüllung bedingen. So wird hier eine klassische Wechselbeziehung
erwartet.
      Innere Kündigung im schulischen Bereich war bisher nicht Gegenstand empiri-
scher Untersuchungen. In dieser Studie geht es uns zunächst um einen ersten Schritt
in dieses Untersuchungsfeld. Das Ziel dieser Untersuchung liegt darin, eine Skala zur
Diagnose der Inneren Kündigung, die in anderen beruflichen Feldern eingesetzt wor-
den ist, hinsichtlich ihrer Faktorenstruktur und ihrer Testgütekriterien (Validität, Re-
liabilität) zu überprüfen. Anschließend wird das kausale Strukturmodell der Inneren
Kündigung dargestellt und anhand des Datenmaterials mathematisch geprüft. Eine
umfassendere Berücksichtigung weiterer, differenzierender Variablen wird in diesem
frühen Stadium der Erkundung noch nicht angestrebt.

4.     Die Methode
     Einer Stichprobe von 115 berufstätigen Lehrpersonen verschiedener öffentlicher
Schulen (Grundschulen, Hauptschulen, Gymnasien, Berufsschulen), 36 (31,3%) Leh-
rerinnen, 79 (68,7%) Lehrer mit einem durchschnittlichen Alter von 47 Jahren (min.
27, max. 62) bzw. einem durchschnittlichen Dienstalter von 19 Jahren (min. 2, max.
37) wurde unser Fragebogen zur IK1 vorgelegt. In einer Studie zur entstehenden
Dienstunfähigkeit bei Lehrpersonen, die am Beginn einer stationären Behandlung

1
       Wir bedanken uns bei Frau Dipl. Psych. Anja Krenz-Maes, Krenz-Maes GmbH, Düsseldorf,
       für die Möglichkeit, ihre Skalen in unserer Erhebung zu verwenden.
50            Edgar Schmitz, Bärbel Gayler, Peter Jehle: Gütekriterien und Strukturanalyse zur Inneren Kündigung

standen, war dieser Fragebogen zur Diagnose Innerer Kündigung im Rahmen des
,Priener Lehrerprojekts’ bereits einer Gruppe psychosomatisch erkrankter Lehrperso-
nen vorgelegt worden (Jehle et al., in Vorb.).
     Der Fragebogen enthält neben der Hauptskala ,Diagnose Innere Kündigung’ ei-
ne Anzahl von Skalen zur Erkundung der Unternehmenskultur, die als explikative
Konstrukte vorwiegend Kontrollfunktion haben (vgl. Krenz, 1996). Die Skalen sind
teilweise dem Kontext Schule angepasst worden. Die Aussagen waren durch Ankreu-
zen der Skala: ,1 = ja; 2 = eher ja; 3 = eher nein; 4 = nein’, bzw. umgekehrt zu beant-
worten. Weiterhin wurden in den Fragebogen Skalen zu Burnout (Maslach und Jack-
son 1981) sowie Fragen zu Mangel an Kontrolle im Unterricht und über Persönliche
Erfüllung (Schmitz 1996) aufgenommen. Die inhaltlichen Bereiche und die Herkunft
der Skalen sind in Tabelle 1 mitgeteilt. Nachstehend seien die einzelnen Skalen für
jeden Bereich charakterisiert.

Tab.1: Skalen, Subskalen und Außenkriterien zur Diagnose der Inneren Kündigung
Nr. der Bezeichnung der Skala                             Zahl der Quelle
Skala                                                     Items
IK1     Diagnose von innerer Kündigung                        14      Krenz 1996
IK2     Bruch des psychologischen Arbeitsver-                  1      Krenz 1996
        trags
IK3     Inequity am Arbeitsplatz                               3      Adams 1965, Faller 1993, Löhnert
                                                                      1990, Krenz 1996
IK4     Mangel an kooperativer Führung                         8      Krenz 1996, Echterhoff/Poweleit/
                                                                      Schindler 1994
IK5     Mangel an fachlicher Einbindung in den                 4      Krenz 1996, Echterhoff/Poweleit/
        Schulbetrieb                                                  Schindler 1994
IK6     Mangel an Mitbestimmung und Beteili-                   4      Fittkau-Garthe/Fittkau 1971
        gung
IK7     Mangel an freundlicher Zuwendung                       3      Fittkau-Garthe/Fittkau 1971
IK8     Mangel in gegenseitigem Feedback                       2      Krenz 1996
IK9     Job Involvement                                        8      Kanungo 1982, Krenz 1996
IK10    Identifikation mit der Schule                          2      Cook/Wall 1980, Krenz 1996
IK11    Loyalität zur Schule                                   2      Cook/Wall 1980, Krenz 1996
        Mangel an Kontrolle im Unterricht                      4      Schmitz
        Emotionale Erschöpfung MBI                             5      Maslach/Jackson 1981
        Dehumanisierung MBI                                    5      Maslach/Jackson 1981
        Persönliche Erfüllung MBI                              5      Maslach/Jackson 1981
        Persönliche Erfüllung                                  1      Schmitz 1996

    Die Skala ,Diagnose Innere Kündigung’ wurde anhand von Aussagen, wie sie in
Tabelle 3 (weiter unten) aufgeführt sind, erfasst. Mangel an kooperativer Führung
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 1, 2002                                              51

wird ausgedrückt durch die Zustimmung zu Aussagen wie: ,Mein Vorgesetzter in-
formiert unvollständig; ... befiehlt gern’ u. ä.. Die Items korrelieren r = .11 bis .73.,
der Konsistenzkoeffizient beträgt alpha = .79. Für Mangel an fachlicher Einbindung
(etwa Ablehnung der Aussage: ,Vieles ... stammt von mir’) wurde ein alpha = .57 er-
mittelt; für weitere Skalen: Mangel an Mitbestimmung (fehlende Absprachen,
,einsame’ Entscheidungen des Vorgesetzten), alpha = .84; Mangel an freundlicher
Zuwendung (z.B. kein Interesse am persönlichen Wohlergehen der Mitarbeiter), al-
pha = .85; Mangel an Rückmeldungen (etwa für konstruktive Kritik), alpha = .82. Für
die Skala Identifikation mit der Schule beträgt alpha = .76; für Involvement und Loy-
alität mit der Schule: alpha = .53.

Tab. 2: Die benutzten Skalen mit Angaben zur Anzahl der Items, Inter-Itemkorrelation, Item-
        korrelationen mit dem Gesamtwert der eigenen Skala und zur Inneren Konsistenz.
                                                       Anzahl Inter-Item-   Korrelation
Skala                                                   der   korrelation   mit Skalen-   alpha   M
                                                       Items                gesamtwert
Diagnose Innere Kündigung                                  10   .11 – .73    .16 – .67      .81   1,970
Bruch des psycholog. Arbeitsvertrags                       1                                      2,035
Inequity am Arbeitsplatz                                   3    .35 – .67    .42 – .66      .74   2,060
Mangel an kooperativer Führung                             8    .11 – .73    .25 – .65      .79   1,913
Mangel an fachlicher Einbindung                            4    .02 – .44    .18 – .46      .57   2,122
Mangel an Mitbestimmung und Beteili-                        4   .47 – .79    .57 – .79      .84   1,873
gung
Mangel an freundlicher Zuwendung                            3   .65 – .67    .71 – .73      .85   1,960
Mangel an gegenseitigem Feedback                           2         .70           .70      .82   1,981
Job Involvement                                            6    .23 – .64    .39 – .68      .81   2,729
Identifikation mit der Schule                              2         .61           .61      .76   2,857
Loyalität zur Schule                                       2         .36           .36      .53   2,891
Mangel an Kontrolle im Unterricht                          3    .58 – .63    .66 – .71      .82   2,020
Emotionale Erschöpfung MBI                                  9   .28 – .73    .39 – .81      .90   2,715
Dehumanisierung MBI                                        7    .04 – .55    .15 – .60      .64   1,977
Persönliche Erfüllung MBI                                  5    .18 – .51    .38 – .66      .78   3,661
Persönliche Erfüllung (Schmitz)                             1                                     3,122

     Zusätzlich wurden die Burnout-Skala von Maslach und eine weitere Aussage zur
Persönlichen Erfüllung vorgelegt. Die Reliabilitätswerte betragen für die Emotionale
Erschöpfung alpha = .90 (im Vergleich: bei Enzmann/Kleiber, 1989: alpha = .82; bei
Gusy, 1995: alpha = .86); Dehumanisierung alpha = .64 und für die Skala persönliche
Erfüllung alpha = .78; Bruch des psychologischen Arbeitsvertrages (1 Item); Inequity
am Arbeitsplatz, alpha = .74; Bindung an die Arbeit (Job Involvement), alpha = .80.
Die Einzelheiten sind in Tabelle 2 dargestellt.
52            Edgar Schmitz, Bärbel Gayler, Peter Jehle: Gütekriterien und Strukturanalyse zur Inneren Kündigung

     Die Inneren Konsistenzen der Skalen sind insgesamt sehr befriedigend. Die
Aussagen zur Loyalität und zur fachlichen Einbindung haben zu niedrige Alpha-
Werte, auch die Korrelationen sind zu gering. Doch insgesamt liegt ein recht brauch-
bares Frageninventar vor.

5.   Die Ergebnisse
5.1 Zur Qualität der eingesetzten Skalen
     Von den ursprünglich 14 Items wurden 10 Kernitems als Grundlage der Diagno-
se IK in die vorliegende Analyse aufgenommen. Eine Faktorenanalyse (Varimaxrota-
tion mit Kaiser Normalisierung, 5 Iterationen, ohne Voreinstellung) hatte drei Fakto-
ren ergeben, die die Beibehaltung von 10 Items, die mit SIK1 bis SIK10 bezeichnet
werden, rechtfertigten (vgl. Tab. 3).

Tab. 3: Faktorenstruktur der Skala ,Diagnose Innere Kündigung’. Grundlage: 10 Items mit Trenn-
        schärfekoeffizienten  .40 und Faktorladungen  .60 sowie Zweitladungen  .30.

                                                                                       Faktor
Bezeichnung und Wortlaut der Items                                                 I     II        III
SIK5 Ich habe mich genug für die Schule aufreiben lassen                         .82
SIK1 Im Laufe der Zeit habe ich das Interesse an Auseinander-
      Setzungen in der Schule verloren                                           .78
SIk4 Ich mache oft Dienst nach Vorschrift                                        .75
SIK6 Früher war ich viel engagierter                                             .70
SIK3 Wenn ich kündigen könnte, würde ich kündigen                                .61
SIK9 Im Kollegium unterhalten wir uns oft über die Macken des
      Schulleiters                                                                        .86
SIK7 In der Schule mangelt es an Humor und Gelassenheit                          .33      .68
SIK2 Es ist einfacher, ja zu sagen, als immer wieder mit
      meinen Ideen vor die Wand zu laufen                                        .49      .65
SIK8 Ich freue mich auf die Pausen                                                                .83
SIK10 Ich bin froh, wenn ich nach der Arbeit...nach Hause
      gehen kann                                                                 .30              .73
Eigenvalue                                                                       3.93 1.33 1.06
Aufgeklärte Varianz                                                              39,2% 13.3% 10.6%
Aufgeklärte Varianz insgesamt:                                                   63.1 %
     Anmerkung: zur besseren Übersicht sind die höchsten Ladungen kursiv gesetzt.

      Zweifellos repräsentiert der Faktor I sowohl inhaltlich als auch statistisch die
Kernaussagen der Inneren Kündigung. Faktor II deutet mit den drei Aussagen, insbe-
sondere mit: ,Im Kollegium unterhalten wir uns oft über die Macken des Schullei-
ters’, den eher aktiven Aspekt der Inneren Kündigung an, nämlich den Versuch, mit
Hilfe von Humor und Witz bzw. ,ja sagen’ die unangenehmen Situationen zu bewäl-
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 1, 2002                              53

tigen. Die beiden Aussagen des Faktors III können dagegen auch von Personen bejaht
werden, die im Prozess der Inneren Kündigung nicht weit vorangeschritten sind.
      Der Anteil der aufgeklärten Varianz des Faktor I beträgt 39,2%, insgesamt wer-
den über 63% der Varianz aufgeklärt. Zum Vergleich seien die Daten des in der For-
schung sehr viel häufiger verwendeten MBI-D (deutsche Fassung des Maslach Bur-
nout Inventory) mitgeteilt: Die Faktorenladungen betragen dort maximal .44 (Dehu-
manisierung), .63 (Persönliche Erfüllung) und .76 (Emotionale Erschöpfung) (vgl.
Neubach/Schmidt, 2000). Die Anteile der aufgeklärten Varianz – in derselben Rei-
henfolge – waren 5,16%, 10,22%, 16,98%, insgesamt 32,14%.
      Die statistischen Parameter der gesamten Skala Innere Kündigung SIK haben
die Werte: Mittelwert = 1,97 (min 1,0; max 3,75), Standardabweichung = 0.61, Schie-
fe (skewness) = ,67 und alpha = .81, Guttman split-half für je fünf Items alpha = .81
und .63.
      Reliabilitätsanalyse: Die Korrelationskoeffizienten der Items des Faktors I der
SIK liegen zwischen r = .30 bis .60; die Reliabilitätsanalyse ergab für diesen Faktor
eine innere Konsistenz von Cronbachs alpha = .82. Wenn die Faktoren I und II, ins-
gesamt 8 Items, zu einer Skala mit 2 Dimensionen zusammengefasst werden, ergibt
sich eine innere Konsistenz von alpha = .83; bei allen drei Faktoren beträgt alpha =
.81; wir tendieren jedoch dazu, den 3. Faktor aus inhaltlichen Erwägungen nicht so
hoch zu bewerten wie die anderen beiden Faktoren – die statistischen Werte wären
durchaus befriedigend –, da die Aussagen ,Ich freue mich auf die Pausen’ und ,Ich
bin froh, wenn ich nach der Arbeit ... nach Hause gehen kann’ durchaus auch ohne
Tendenz zur Inneren Kündigung bejaht werden könnten. Die split-half-Werte nach
Guttman der ganzen Skala sind .71; alpha = .81 für Teil 1 (5 Items), .63 für Teil 2 (5
Items). Die besten Reliabilitätswerte ergeben sich, wenn die Faktoren I und II mit
insgesamt acht Aussagen berücksichtigt werden.
      Validitätsanalyse: Die Konstruktvalidität der SIK wird bereits dadurch gestützt,
dass die Inhalte von Aussagen, wie ,Wenn ich kündigen könnte, würde ich kündigen’,
nach Meinung verschiedener, oben zitierter, Autoren eine Operationalisierung des zu
erfassenden Kernstücks der Inneren Kündigung darstellen. Doch diese Feststellung
allein genügt nicht. Als Hauptbestandteile der Konstruktvalidierung gelten die kon-
vergente und divergente Validität (Westermann 2000, 217; 302 f.). Unseren theoreti-
schen Annahmen entsprechend müssten mit der Inneren Kündigung die Skala ,Bruch
des psychologischen Arbeitsvertrages’ (IK2) und ,Inequity am Arbeitsplatz’ (IK3)
positiv korrelieren. Tatsächlich bestätigt die empirische Prüfung diese theoretische An-
nahme durch Korrelationen in drei Stichproben zwischen .52 und .74, alle für sozial-
wissenschaftliche Zusammenhänge hoch und statistisch sehr signifikant (Tab. 4). Ähn-
liches gilt für die Skalen der Mangel-Faktoren, während umgekehrt die Commitment-
Faktoren und die Skalen ,Persönliche Erfüllung’ negativ korrelieren müssten.
      Für die konvergente Validität ergibt die Validitätsprüfung tatsächlich positive
Korrelationen mit den Skalen der Mangelfaktoren (Mangel an kooperativer Führung,
Mangel an Mitbestimmung usw.). Die Korrelationen fallen naturgemäß bei den grö-
54            Edgar Schmitz, Bärbel Gayler, Peter Jehle: Gütekriterien und Strukturanalyse zur Inneren Kündigung

ßeren Stichproben deutlicher aus. Eine weitere Bestätigung bringen die Skalen ,Emo-
tionale Erschöpfung’ und ,Dehumanisierung’ des MBI (Tab. 4).
      Für die divergente Validität ergibt die Validitätsprüfung, wie theoretisch erwar-
tet, negative Korrelationen mit den Skalen des Commitment-Faktors ,job involve-
ment’, Identifikation mit der Schule und Loyalität zur Schule. Beide Skalen zur
,Persönlichen Erfüllung’ ergänzen diese Bestätigung (Tab. 4).
      Diese empirischen und mathematischen Befunde stammen aus unserer vorlie-
genden Erhebung, aus der ursprünglichen Erhebung von Krenz (1996) mit Personen
ausserhalb des Schulbereichs und aus der erwähnten Erhebung mit psychosomatisch
erkrankten Lehrpersonen von Jehle et al. (in Vorb.). Mit durchweg hoch signifikanten
und sehr zufrieden stellenden Korrelationen darf die Validität der Skala Innere Kün-
digung als gegeben betrachtet werden.

Tab. 4: Korrelationen der Skala Diagnose Innere Kündigung (SIK) mit den Skalen zur Erkundung
        der Schulkultur (** = p < .001).

Nr. der Diagnose innere Kündigung (IK1) korreliert                       Prien         Krenz   München
Skala   mit                                                             (N = 29)        1996   (N = 115)
                                                                                      (N= 205)
IK2     Bruch des psychologischen Arbeitsvertrags                           .74**         .55**        .54**
IK3     Inequity am Arbeitsplatz                                            .52**         .58**        .65**
IK4     Mangel an kooperativer Führung                                    .25 n.s.        .68**        .56**
IK5     Mangel an fachl. Einbindung in den Schulbetrieb                     .59**         .46**        .44**
IK6     Mangel an Mitbestimmung und Beteiligung                          .22 n. s.        .69**        .64**
IK7     Mangel an freundlicher Zuwendung                                 .26 n. s.        .63**        .65**
IK8     Mangel an gegenseitigem Feedback                                 .30 n. s.        .60**        .57**
IK9     Job Involvement                                                – .21 n. s.     – .41**        -.66**
IK10    Identifikation mit der Schule/dem Unternehmen                     – .43**      – .48**        -.54**
IK11    Loyalität zur Schule/zum Unternehmen                              – .51**       – .63**       -.63**
        Mangel an Kontrolle im Unterricht                                                              .51**
        Emotionale Erschöpfung MBI                                                                     .67**
        Dehumanisierung MBI                                                                            .59**
        Persönliche Erfüllung MBI                                                                     -.47**
        Persönliche Erfüllung (Schmitz)                                                               -.51**
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 1, 2002                           55

5.2 Das Strukturmodell
      Sinn und Zweck einer kausalen Strukturanalyse liegen in der Darstellung und
mathematischen Prüfung der kausalen Abhängigkeiten zwischen Variablen. Auf der
Basis eines theoretisch fundierten Hypothesensystems wird mit Hilfe der kausalen
Strukturanalyse überprüft, ob die theoretisch aufgestellten Beziehungen mit dem em-
pirisch gewonnenen Datenmaterial übereinstimmen (Backhaus et al. 2000). Es wird
angenommen, dass das Merkmal ,Innere Kündigung’ von der Wahrnehmung von
,Inequity’ direkt abhängig ist und durch die Mangelfaktoren (Mangel an kooperativer
Führung, an fachlicher Einbindung, an Mitbestimmung und an Zuwendung) direkt
oder indirekt ,gefördert’ wird, während die Commitment-Faktoren (Loyalität, Identi-
fikation, Involvement), vermittelt durch die Variable Persönliche Erfüllung, mindernd
auf das Ausmaß von Innerer Kündigung wirken. Da über die Unterschiede der Stärke
der direkten und der vermittelten Beziehungen im gesamten Variablensystem nicht
von vornherein Klarheit herrscht, hat die mathematische Kausalanalyse hier sowohl
hypothesenprüfende als auch strukturgenerierende Ziele. Ein Sonderstatus kommt der
Variablen Persönliche Erfüllung zu. Sie kann sowohl Bedingung als auch Folge von
Commitment-Faktoren sein. Deshalb wird in unserem Modell eine Wechselbeziehung
dieser Variablen dargestellt. Damit ist jedoch keineswegs eine Rückmeldungsschleife
i.S. eines feedback angenommen. Das wäre ein völlig anderer Fall; unser Modell ist
ein rekursives Modell. Darin wird lediglich angenommen, dass beide Bedingungs-
möglichkeiten gegeben sind.
      Das mathematische Struktur-Modell ist in Abbildung 1 graphisch dargestellt. Es
enthält insgesamt 10 Variablen. Eine mathematische Unabhängigkeit der sieben be-
obachtbaren exogenen Variablen untereinander wird als unwahrscheinlich betrachtet,
vielmehr werden einerseits für die vier ,Mangel-Faktoren’ und andererseits für die
Variablen Identifikation, Loyalität und Involvement des Bereichs Commitment je-
weils Kovarianzen vermutet. Dagegen dürften die Mangelfaktoren und die Commit-
ment-Faktoren jeweils zusammengefasst miteinander, falls überhaupt, eher negativ
kovariieren. Gezielte Annahmen dazu erscheinen nicht notwendig. Die zwei beob-
achtbaren endogenen Variablen ,Inequity’ und ,Persönliche Erfüllung’ werden im
Modell als teilweise vermittelnde Zwischenvariable verortet. Darüber hinaus wird für
die ,Persönliche Erfüllung’, wie im Theorieteil begründet, eine Wechselwirkung zu
den Commitment-Variablen angenommen, ungeachtet der Einzelheiten. Die ,Diagno-
se Innere Kündigung’ ist als kausaler Endpunkt des Modells eine beobachtbare, en-
dogene Variable. Das Modell wurde mit der Maximum-Likelihood-Methode, dem am
häufigsten angewandten Verfahren zur Schätzung von Modellstrukturen (Rechenpro-
gramm AMOS für kausale Strukturanalysen, Arbuckle 1997) getestet. Die Vorausset-
zungen der ML-Methode (Stichprobenumfang, multivariate Normalverteilung der be-
obachtbaren Variablen, Kontinuität der faktorenbasierten Skalen und deren Validitä-
ten) sind gegeben.
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