Innere Kündigung. Modellentwicklung und empirische Befunde aus einer Untersuchung im Bereich der öffentlichen Verwaltung
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Richter: Innere Kündigung (ZfP 2/99) 113 Gregor Richter* Innere Kündigung. Modellentwicklung und empirische Befunde aus einer Untersuchung im Bereich der öffentlichen Verwaltung** Das Phänomen „Innere Kündigung“ wird seit Anfang der 80 er Jahre in der Per- sonalforschung und in der Managementpraxis diskutiert. In diesem Artikel wird ein Modell zur „Inneren Kündigung“ erarbeitet, dass es möglich macht, (1) das Phänomen von ähnlichen Konzepten wie dem Burnout abzugrenzen und (2) im Rahmen empiri- scher Forschung zu operationalisieren. Das theoretische Modell wurde vom Autor in einer schriftlichen Personalbefragung in einer öffentlichen Verwaltung getestet. In dem Beitrag werden Teilergebnisse aus dem Forschungsprojekt referiert: Sie betreffen die quantitative Verbreitung, die Erscheinungsformen und Ursachen des Phänomens. Zent- rale Ergebnisse sind, dass (1) eine verfehlte betriebliche Karrierepolitik eine herausra- gende Rolle als „Verursacher“ für das Problem spielt und dass (2) die betroffene Gruppe von Mitarbeitern sich heterogener darstellt, als in der Literatur angenommen wird. The phenomenon of „Innere Kündigung“ has been under discussion since the early 80’s in the fields of both personnel research and managerial practice. In this article a model of neglect is developed that allows (1) to differentiate the phenomenon from simi- lar concepts like burnout and (2) to operationalize it for empirical research. The theo- retical model was tested by the author in a survey of a civil service administration. The article reports some of the results of the research project. They refer to the extent, forms of manifestation and causes of the phenomenon. Major results are (1) that a wrong in- ternal company career policy has a large influence on the problem and that (2) the group of employees that is affected seems to be more heterogenious as has been assumed in literature so far. ______________________________________________________________________ * Dipl.-Soz. Gregor Richter, Jg. 1969, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität der Bundeswehr München, Institut für Soziologie und Gesellschaftspolitik, D-85577 Neubiberg. E-mail: Gregor.Richter@unibw-muenchen.de Arbeitsgebiete: Organisationssoziologie, Verbändeforschung, Organisationsentwicklung im non-profit-sector. ** Bei dem Artikel handelt es sich um die überarbeitete Fassung eines Vortrags am 15. Oktober 1998 anlässlich des Tags der Fakultäten an der Universität der Bundeswehr München. Der Beitrag im Internet: http://www.unibw-muenchen.de/campus/Paed/we4/sozialpolitik/index.htm Artikel eingegangen: 20.1.99 / revidierte Fassung eingegangen und akzeptiert: 23.3.99.
114 Richter: Innere Kündigung (ZfP 2/99) 1. Problembezug Zentrales Thema der Personalforschung ist seit jeher die Frage nach den Bedin- gungen der Erhaltung und Steigerung der Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter. Insbe- sondere für das Praxisfeld des Personalmanagements sind Erkenntnisse über die wesent- lichen Parameter von Bedeutung, die eine wirksame Beeinflussung der Leistungsmoti- vation und -fähigkeit erlauben. Konventionell wurden und werden solche Parameter in entsprechenden (finanziellen) Anreizen für die Mitarbeiter gesehen, oder es wird auf die Bedeutung sozialer Umgebungsfaktoren für ein leistungsförderliches Klima in betriebli- chen Organisationen hingewiesen. Eine nicht unerhebliche Wirkung wird auch dem Weiterbildungsbereich in Form von Motivationsseminaren zugesprochen. Aus dem Praxisbereich der Unternehmensberatung und dem Personaltraining stammt die Diskussion um ein neuartiges (?) Phänomen der betrieblichen Arbeitswelt: Innere Kündigung. Der Ursprung des Begriffs und somit der Beginn der in den letzten Jahren vor allem in der populären Managementliteratur geführten Diskussion lässt sich relativ exakt auf das Jahr 1982 datieren.1 Zu den Hauptprotagonisten des Konzepts ge- hören Vertreter des „Bad Harzburger Modells“, einer innerhalb der Personalwirtschafts- lehre folgenreichen Konzeption, die sich für eine Neuorientierung des Verhaltens von Führungskräften in Hinblick auf veränderte Arbeitseinstellungen der Mitarbeiter und veränderter betrieblicher Anforderungen an das Management stark gemacht hat (Höhn 1983; 1989; Raidt 1989). Um sich ein erstes Bild von diesem „ebenso häufig verwendeten wie unklaren To- pos personalpolitischer Erörterungen“ (Brosziewski 1994, 104) zu machen, ist es hilf- reich einige Assoziationen zum Begriff Innere Kündigung einzufangen: Höhn vergleicht Innere Kündigung mit „Selbst-Pensionierung“ (1989, 6) im Sinne einer vom Mitarbeiter getroffenen Vorruhestandsregelung. Raidt assoziiert mit dem Phänomen „sattsam be- kannte Zeiterscheinungen wie ‘Dienst nach Vorschrift’, ‘Leistungsverweigerung’ (...) (und) ‘passiver Widerstand’“ (1989, 68). Hilb sieht Selbstpensionierung bzw. Innere Kündigung mit vielfältigen Persönlichkeitsveränderungen verbunden, wie „Stresstole- ranzlosigkeit“, „Desinteresse“, „Leistungsminimalismus“, „Kreativitätsarmut“, „Passi- vität“, „Konformismus“, „Selbstachtungslosigkeit“ und „psychosomatische Krankhei- ten“ (1992b, 18). An anderer Stelle wird Innere Kündigung mit einer angeblich „gras- sierenden Lustlosigkeit“ (Derschka 1988, 5) in Verbindung gebracht. Folgt man der praxisnahen Managementliteratur wie auch wissenschaftlich orientierten Beiträgen (Löhnert 1990, Faller 1991, Krystek et al. 1995), dann können die Entstehungsgründe für Innere Kündigung sowohl in der Person des Mitarbeiters (etwa in persönlichen Prob- lemen), im unmittelbaren (mikro)sozialen Umfeld am Arbeitsplatz (etwa in Konflikten mit Kollegen), in Bedingungen auf der Organisationsebene (etwa in einer verfehlten be- trieblichen Personalpolitik) oder in allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungstrends (etwa im Wandel arbeitsbezogener Einstellungsmuster) liegen. 1 Der Begriff wird erstmals verwendet von Höhn in einem Beitrag in der Frankfurter Zeitung – Blick durch die Wirtschaft vom 18.1.82 mit dem Titel „Die Innere Kündigung – ein schlimmes Thema“.
Richter: Innere Kündigung (ZfP 2/99) 115 Um die Notwendigkeit einer (wissenschaflichen) Auseinandersetzung mit der Inne- ren Kündigung zu reklamieren, werden von ihren Protagonisten folgende Argumente ins Feld geführt: 1. Betrachtet man den Problemkomplex Innere Kündigung aus betriebswirtschaftli- cher Sicht, so gilt es eine (getarnte) Leistungszurückhaltung, wie man sie bei inner- lich Gekündigten vorzufinden glaubt, unter Kostengesichtspunkten entschieden zu bekämpfen. In Zeiten von verstärktem Wettbewerbsdruck und verstärkten Rationa- lisierungserfordernissen stellt Innere Kündigung eine weitere Verknappung der oh- nehin schon knappen Humanressourcen in betrieblichen Organisationen dar. Die Erreichung von Unternehmenszielen wird durch innerlich Gekündigte also ernsthaft gefährdet. 2. Zudem bedeutet der Zustand der Inneren Kündigung eine „suboptimale Ausschöp- fung des Potentials einer Person“ (Büchi 1992, 66), die sich nicht nur in Bezug auf die Arbeitsleistung äußert, sondern negative Konsequenzen v.a. auch für das Indi- viduum selbst aufweist. Die Beschreibungen der Auswirkungen von Innerer Kündi- gung reichen von Unlustgefühlen, Resignation, Apathie und Sinnverlust bis hin zu Depressionen. Allein die Frage nach dem subjektiven Erleben von Innerer Kündi- gung eröffnet ein breites Forschungsfeld. 3. Besondere Brisanz besitzt das Phänomen wegen seiner umfassenden Verbreitung: innerlich Gekündigte finden sich angeblich in allen Organisationen, seien es private Unternehmen, die öffentliche Verwaltung, im non-profit-sector, in der Industrie und im Dienstleistungsbereich. Offenbar sind alle Branchen und Wirtschaftszweige davon betroffen. 4. Es wird die Ansicht verbreitet, dass Innere Kündigung ein zeittypisches Phänomen sei, und es wird vor ihrer zunehmenden Ausbreitung gewarnt. Verlässliche Zahlen zu ihrer quantitativen Verbreitung liegen allerdings nicht vor.2 2. Problemstellung Das zentrale Problem, das sich bei einer wissenschaftlichen Bearbeitung des Kom- plexes Innere Kündigung stellt, besteht in der zum jetzigen Zeitpunkt noch ungeklärten Frage, was man denn genau darunter zu verstehen hat, d.h., welchen Ausschnitt organi- sationaler bzw. betrieblicher Wirklichkeit man eigentlich untersucht. Einen interessan- ten Weg zur Klärung der Frage gehen Krystek et al., die bei einer schriftlichen Befra- gung von Personalverantwortlichen aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen zu folgen- dem vorherrschenden Begriffsverständnis in der Praxis kommen: 60% der Befragten verstehen unter Innerer Kündigung „...die stille, mentale Verweigerung engagierter Lei- 2 Vorliegende Zahlen beruhen eher auf Mutmaßungen als auf empirischen Untersuchungen. Raidt (1989, 69) kommt zu der Einschätzung, dass auf 8 Nicht-Innerlich-Gekündigte 7 Fälle von Arbeitnehmern kommen, die Symptome Innerer Kündigung aufweisen sollen (!), ohne jedoch eine Datenquelle hierfür anzugeben. In Bezug auf Datenlage und in der Literatur vor- liegende sog. Schätzungen kann man den Eindruck von Krystek et al. teilen, dass „(...) die Autoren (..) sich (...) an einem Wettstreit (beteiligten), wer wohl mit der höchsten Schätzung über das Ausmaß der Inneren Kündigung aufwartet“ (1995, 21).
116 Richter: Innere Kündigung (ZfP 2/99) stung. Sie vollzieht sich als lautloser Protest und ist deshalb für Vorgesetzte und Unter- nehmungsführung schwer zu erkennen und rechtzeitig einzudämmen“ (1995, 11). Die- ses Verständnis entspricht der Definition von Gross (1992, 87). Interessanterweise stimmen nur 31% der 92 befragten Personalverantwortlichen der Definition von Höhn (1983, 17; vgl. auch 1989, 21) zu, wonach Innere Kündigung „... den bewussten Ver- zicht auf Eigeninititative und Engagement eines Mitarbeiters in der Unternehmung (be- zeichnet). Er will zwar seine Stellung behalten, beabsichtigt aber, sich aufgrund der von ihm als frustrierend empfundenen Arbeitssituation in keiner Weise mehr zu engagieren“ (Krystek et al. 1995, 11).3 Stellt man die beiden Begriffsverständnisse gegenüber, so ergibt sich ein gemein- samer Nenner, wonach Innere Kündigung die Verweigerung bzw. der Verzicht auf en- gagierte Leistung ist. Für die weitere Betrachtung bleibt v.a. festzuhalten, dass es sich offenbar um ein bestimmtes Verhaltensmuster in Organisationen handelt (vgl. auch Fal- ler 1991, 84), d.h., dass Innere Kündigung nicht etwa ein emotionaler oder kognitiver Zustand ist, es sich nicht um einen Komplex von (negativen) Arbeitseinstellungen oder eine besondere Qualität von Arbeits(un)zufriedenheit handelt. Hiermit ist nicht gesagt, dass dieses Verhaltensmuster nicht mit dergleichen systematisch zusammenhängt, d.h. auf solche Faktoren zurückzuführen wäre. Ein über den Verhaltensaspekt hinausgehendes Verständnis von Innerer Kündi- gung wird von wissenschaftlicher Seite vorgeschlagen. Löhnert versteht unter Innerer Kündigung „...eine Einstellung, die sich in Wechselwirkung zwischen Meinungen und Erwartungen der Mitarbeiter herausbildet und zugleich ein auf dieser Einstellung beru- hendes Verhalten (..)“ (1990, 39). Für Innere Kündigung ist nach Faller neben dem Verhaltensaspekt eine spezifische Qualität subjektiven Erlebens von Unzufriedenheit mit der Arbeit charakteristisch. Zentrale Ursache bei der Entstehung von Innerer Kündi- gung ist demnach ein subjektiv erfahrener „Verlust von Situationskontrolle“ und erfah- rene „Autonomieeinbußen“ im Zuge von Bemühungen im Umgang mit einer „andau- ernd frustrierend und aversiv erlebten Arbeitssituation“ (1991, 191). Was den Umgang mit der Inneren Kündigung sowohl für den Sozialwissenschaft- ler als auch den Praktiker betrifft, der nach Lösungsstrategien im eigenen Verantwor- tungsbereich sucht, ist die Behauptung wichtig, das Phänomen würde sich hinter dem Rücken der Beteiligten abspielen. Als „getarnte Leistungsverweigerung“ entzieht sie sich der direkten Wahrnehmung durch den Vorgesetzten, und als „schleichender Pro- zess“ ist sie dem Betroffenen womöglich selbst nicht bewusst – nur so kann man die Rede vom „unbewussten Verzicht auf Engagement am Arbeitsplatz von seiten der Mit- arbeiter“ (Hilb 1992b, 5) oder diejenige von der „stillen, mentalen Verweigerung“ 3 Es ist zu bedauern, dass in dieser Untersuchung nicht mit offenen Frageformulierungen ge- arbeitet wurde, die eine umfassendere und differenziertere Exploration des Verständnisses des Phänomens in der Personalmanagementpraxis erlaubt hätten. Unter den zwei weiteren der insgesamt vier Antwortvorgaben befindet sich zudem die abwegige Vorgabe Innere Kündigung sei „...die – aus Imagegründen – bewußte Geheimhaltung der wahren Fluktuati- onsrate einer Unternehmung (...).“ (Krystek et al. 1995, 11). Prompt stimmen auch 0% der Befragten dieser Aussage zu.
Richter: Innere Kündigung (ZfP 2/99) 117 (Gross 1992, 87) interpretieren. Das es sich bei der Inneren Kündigung u.U. um ein cover- tes Phänomen handelt ist dann von Bedeutung, wenn man sie als einen Gegenstand real- wissenschaftlicher Forschung und nicht nur als eine Perspektive oder „Brille“, mit deren Hil- fe man eine Reihe zeittypischer Probleme mit dem Personal betrachten will, versteht. Vor diesem Hintergrund allgemeiner Unklarheit über Erscheinungsform und Ursa- chen des Phänomens ist es erstaunlich, dass bereits Hilfestellungen für Praktiker im Sinne rezeptbuchartigen Wissens zur Diagnose und Analyse des Problemkomplexes an- geboten werden (etwa zur Vorbeugung das „standardisierte Mitarbeitergespräch“ bei Hilb 1992a). Hinzu kommt, dass man an manchen Stellen der Auseinandersetzung den Eindruck bekommt, das Thema wäre nur „alter Wein in neuen Schläuchen“ (Richter 1997). Der Diskussionsstand um die Innere Kündigung ist zwar in Bezug auf Umfang und Differenziertheit in keinster Weise mit dem um Konzepte wie „Entfremdung“ (Ka- nungo 1982), „Burnout“ (Burisch 1989; s.a. Klemm 1997) oder der Arbeitszufrieden- heitsforschung (Gawellek 1987) zu vergleichen; es bietet sich aber an, nicht nur zu fra- gen, welchen Beitrag diese Forschungstraditionen zur Klärung des Phänomens leisten können (Faller 1991, 125 ff. und 179 ff.), sondern ob sie es nicht weitgehend bereits be- grifflich und methodisch erfasst haben, d.h., es sich bei dem Diskurs um die Innere Kündigung um eine bloße sprachliche Variation von Altbekanntem handeln könnte. Schwierigkeiten hat man, will man einen Fall von Innerer Kündigung von einem Fall von Burnout unterscheiden. Auf der Ebene von Faktoren, die diese Phänomene hervorbringen, besteht in der Literatur eine Vielzahl von Überschneidungen, etwa eine unbefriedigende Arbeitssituation und Konflikte im mikrosozialen Bereich. Auch was die Konsequenzen für das Individuum betrifft, zeigen sich deutlich Parallelen: Nach Raidt leidet der innerlich Gekündigte unter einer „Deformation seiner seelischen Struk- tur“ (1989, 69). Pines et al. betrachten Burnout als „schleichende seelische Auszehrung“ (1990, 13).4 Des weiteren ist womöglich das, was als Innere Kündigung beschrieben wird, nichts anderes als eine bestimmte Ausprägung von Arbeits(un)zufriedenheit ziem- lich am Ende des Spektrums im negativen Bereich, also ein Zustand hoher Unzufrie- denheit mit entsprechendem reduktivem Leistungsverhalten. Greift man auf die klassi- sche Unterscheidung von Herzberg et al. (1967) zwischen Faktoren, die Arbeitszufrie- denheit erzeugen (Motivatoren, „satisfiers“), und Faktoren, die Unzufriedenheit vermei- den helfen (Hygienefaktoren, „dissatisfiers“) zurück, dann wird schnell deutlich, welche Ursachen i.w.S. für Innere Kündigung verantwortlich sind: Das Phänomen als Depriva- tion und Arbeitsunzufriedenheit verstanden, erklärt sich dann aus einer falschen Unter- nehmenspolitik, schlechten Arbeitsbedingungen, niedrigem Einkommen usw., also aus dem Nichtwirken von Hygienefaktoren. 4 Ein schwerpunktartiges Untscheidungskriterium für die beiden Phänomene lässt sich in der Literatur allerdings finden: Während Burnout eine typische Reaktionsform bei helfenden Berufen im Sozial- und Gesundheitssektor darstellt (Pines et al. 1990, 25; vgl. auch Farber 1983), findet sich Innere Kündigung vornehmlich in Industrie, Handel, Verwaltung und bei nicht-sozialen Dienstleistungsberufen. In manchen Organisationen, wie dem Krankenhaus, hat man es schließlich aufgrund der Heterogenität der Berufe mit beiden Problemkomplexen zu tun (Riedl 1996).
118 Richter: Innere Kündigung (ZfP 2/99) Mit diesem Beitrag wird eine zweifache Zielsetzung verfolgt. (1) Es wird ein Ver- ständnis von Innerer Kündigung aufgegriffen und weitergeführt, das diese als Reak- tionsform eines Mitarbeiters auf den Bruch eines Inneren Vertragsverhältnisses (Faller 1991) zwischen Individuum und Organisation begreift. Diese vertragstheoretische Kon- zeptionalisierung von Innerer Kündigung erlaubt die Herausarbeitung der spezifischen Charakteristik des Phänomens – somit wird einer unnötigen Doppelproduktion von konzeptionellen Ansätzen etwa in Hinblick auf das Burnout-Konzept vorgebeugt, – ohne die Vielfalt an Ursachen und Erscheinungsformen des Phänomens von vorneherein im Forschungsprozess auszuklammern. Es wird die These relativiert, Innere Kündigung wäre in erster Linie eine Folge von gravierenden Fehlern im Führungsverhalten (Höhn 1989). Mit dem Modell des Inneren Vertrags als Erklärungsgrundlage wird herausge- stellt, dass Innere Kündigung vielmehr die Konsequenz langfristiger Erfahrungen des Individuums mit der Organisation ist. In Anlehnung an Modellierungsversuche bei Hirschman (1974) und Withey/Cooper (1989) wird ein handlungstheoretisches Ver- ständnis von Innerer Kündigung entwickelt. (2) Aufbauend auf diesem Modell, werden erste Ergebnisse zu Ursachen, Erscheinungsformen und Konsequenzen von Innerer Kündigung präsentiert, die auf einer eigenen empirischen Untersuchung basieren. Es konnten erstmalig einige gängige Hypothesen im Zusammenhang mit der Inneren Kün- digung an einer größeren Empirie überprüft werden.5 Hierzu wird folgender Bogen gespannt: In einem ersten Teil wird das der Untersu- chung zugrundeliegende handlungs- und vertragstheoretische Verständnis von Innerer Kündigung konkretisiert (3.). Daran anschließend wird die methodische Umsetzung des Modells in der empirischen Untersuchung dargestellt (4.). Die Ergebnisse der Befra- gungsstudie betreffen sowohl die Organisationsebene als auch die Konsequenzen für den einzelnen Mitarbeiter. Es werden Erscheinungsformen und Ursachen dargestellt (5.1-5.6). Der Beitrag endet mit einer Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse (5.7) und einer (kritischen) Betrachtung der Reichweite und Erklärungskraft des ver- wendeten Modells (6.). 3. Innere Kündigung in vertragstheoretischer Sicht In der zum jetzigen Zeitpunkt der Diskussion theoretisch am weitesten entwickel- ten Arbeit zur Inneren Kündigung von Faller (1991) wird auf das Konzept eines Inneren Vertrags Bezug genommen, bei dem man davon ausgeht, „...dass sowohl das Indivi- duum als auch die Organisation sich gegenseitig mit vielfältigen Erwartungen gegenü- berstehen, die vertraglich nicht fixiert sind und auch rechtlich nicht gesichert werden können“ (1991, 32). Das Verhältnis zwischen formalem, auch äußerem Vertrag, also den Regelungen, die sich im Arbeitsvertrag finden, und dem Inneren Vertrag kann als komplementär begriffen werden, d.h., ein befriedigendes Arbeitsverhältnis ist nur bei gleichzeitiger Einlösung und Aufrechterhaltung beider Vertragsarten zu erwarten. 5 Der Beitrag referiert Teilergebnisse des Forschungsprojektes „Statuspassagen und Leis- tungskomponenten im öffentlichen Dienst“, das z.Z. am Institut für Soziologie und Gesell- schaftspolitik der Universität der Bundeswehr München (Leitung: Prof. Dr. Hans-Rolf Vet- ter) durchgeführt wird.
Richter: Innere Kündigung (ZfP 2/99) 119 Innere Verträge bestehen von Arbeitgeberseite etwa aus formal-vertraglich nicht festgelegten Erwartungen an den Arbeitnehmer in Hinblick auf Loyalität und auf ein über das geforderte Minimum hinausgehendes Engagement bei der Arbeit. Im Gegen- zug sind auf dieser informellen Vertragsebene Ansprüche und Erwartungen auf Seiten des Arbeitnehmers beim Eintritt in ein Arbeitsverhältnis vorhanden oder entwickeln sich im Verlauf der Organisationszugehörigkeit. Sie stellen Forderungen in Bezug auf ein akzeptables soziales Arbeitsumfeld, eine angemessene Aufgabenbelastung, eine be- rufsadäquate Verwendung und die Schaffung von Bedingungen, die kurz-, mittel- wie langfristigen Reproduktionsinteressen weitgehend entgegenkommen und Entwick- lungsmöglichkeiten bieten, die kompatibel mit den berufs- wie erwerbsbiographischen Entwürfen der Mitarbeiter sind. Der Innere Vertrag geht über das bloße „a fair days work for a fair days pay“ sowohl zeitlich als auch was die Anforderungsstruktur an den Vertragspartner betrifft inhaltlich hinaus. In diesem Beitrag wird ein Aspekt dieser sehr komplexen und in hohem Maße individuell geformten Vertragskonstruktion in seiner Wirkungsweise exemplarisch behandelt (vgl. 5.6).6 Innere Kündigung kann nun ausgehend hiervon als eine Reaktion auf den Bruch von Inneren Verträgen betrachtet werden. Eine Verletzung des äußeren Vertrages hat i.d.R. andere Konsequenzen: Gegen sie kann rechtlich vorgegangen werden. Im weite- ren interessieren nur Vertragsbrüche im informellen Bereich, also solche, die die Ver- trauensbeziehung und die nicht-justiziablen Bestandteile von Arbeitsverhältnissen be- treffen (vgl. Fox 1974). Verträge leben bekanntlich von ihrer Verbindlichkeit für die Vertragspartner. Die Verbindlichkeit besteht auf beiden Seiten; von beiden Seiten wird gefordert, dass die vertraglich zugesicherten Leistungen erbracht werden. Wird der Vertrag von einer der beiden Seiten nicht mehr aufrechterhalten, liegt also so etwas wie ein Vertragsbruch vor, dann stellt sich die Situation auch für den Partner als eine gänzlich andere dar, d.h., 6 Es sollte darauf hingewiesen werden, dass mit Inneren Verträgen eine eigene Qualität von Beziehung zwischen Organisationsmitglied und Organisation neben dem Arbeitsvertrag be- zeichnet wird. Nicht gemeint sind mit dem Inneren Vertrag Vorstellungen wie die von den nicht-vertraglichen Grundlagen von Verträgen (vgl. Durkheim 1988), die eine Art informel- les Fundament für formelle Abmachungen bezeichnen, da letztere die Beziehung zwischen den Vertragspartnern nie bis ins letzte Detail regeln können. Eine weitere konzeptionelle Positionsbestimmung des Begriffs Innerer Vertrag ergibt sich über einen Quervergleich zum Konstrukt „Organisationskultur“ (Dülfer 1991; Schein 1985). Während Organisationskultur mehrere Analyseebenen umfasst (Individuum, Subsystem, Organisationssystem), handelt es sich beim Inneren Vertrag um ein individuum-bezogenes Konzept. Die Wirklichkeit Innerer Verträge ist eine subjektive Wirklichkeitskonstruktion. Dies schließt jedoch nicht aus, dass Innere Verträge sozial vermittelt sind und sich über berufliche Sozialisation und Organisati- onszugehörigkeiten formen. Innere Verträge betreffen das Verhältnis von Organisationsmit- glied und Organisation und stellen nicht wie der Aggregatbegriff „Organisationskultur“ im Rahmen der Lösung von Problemen der Umweltanpassung und der Integration entwickelte kulturelle Basisannahmen einer sozialen Gruppe dar (Schein 1985, 9). Es ist aber anzuneh- men, dass insbesondere die Kultur einer Organisation einen Einfluss auf die Herausbildung der subjektiven Inneren Vertragskonstruktionen hat.
120 Richter: Innere Kündigung (ZfP 2/99) das Verhältnis zum Vertragspartner wird entweder grundlegend in Frage gestellt oder aber zumindest in irgendeiner Weise überdacht, reflektiert, und es wird nach Reaktionen gesucht. Einen fruchtbaren Anknüpfungspunkt bei der Lösung des Problems, wie man Vertragsbrüche und die darauf folgenden Reaktionsformen modellieren könnte, liefert die Anreiz-Beitrags-Theorie (March/Simon 1958), die sich mit den Bestimmungsgrün- den für Beitritts- und Austrittsentscheidungen von Organisationsmitgliedern auseinan- dersetzt sowie der Frage nachgeht, unter welchen Bedingungen eine Entscheidung für produktive Betragsleistungen zustande kommt. Dem Ansatz zufolge werden vom Indi- viduum immer wieder Vergleiche angestellt zwischen den von der Organisation offerier- ten Anreizen und den Aufwendungen, d.h. in erster Linie der Arbeitsleistung, die im Ge- genzug von der Organisation eingefordert werden. Übersteigen die eingeforderten Beiträ- ge den Nutzen, so wird nach dem Homöostase-Prinzip eine Reaktion erwartet, die einen Ausgleich für das Organisationsmitglied herzustellen vermag. Je nach Opportunitäten und Reaktionspotentialen sind unterschiedliche Anpassungsreaktionen zu erwarten. Im Folgenden wird eine handlungstheoretische Modellierung der Inneren Kündi- gung vorgeschlagen, die systematisch die Opportunitätsstrukturen analysiert, in denen sich ein Organisationsmitglied befindet, nachdem es aus seiner Sicht zu einem Bruch des Inneren Vertragsverhältnis gekommen ist. Heuristisch wertvolle Anleihen hierzu bieten die bekannten Reaktionstypen, die bei Hirschman (1974) und in Weiterentwick- lungen im Rahmen des EVLN-Modells (Withey/Cooper 1989) konzipiert werden. Eine Handlungsoption besteht darin, den Vertrag zu lösen und die Organisation zu verlassen. Die Option „Abwanderung“ („exit“) als Reaktion auf den Bruch des Inneren Vertrags entspricht der Auflösung des äußeren Vertrags, also einer äußeren, echten Kündigung.7 Eine zweite Handlungsoption besteht in der Artikulation von „Wider- spruch“ („voice“) gegen das Verhalten des Vertragspartners und ist darauf gerichtet, die Situation zu verbessern. Beide Verhaltensweisen können als aktive Reaktionsformen be- trachtet werden. Während erstere das Ende beider Vertragsarten (äußerer und Innerer Vertrag) bedeutet, wäre die Reaktion „voice“ auf eine Wiederherstellung des Inneren Vertrags, d.h. einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses unter einer angepassten „mora- lischen Ökonomie“ gerichtet. Eine Analyse der Opportunitätsstruktur dieser beiden Grundtypen in der Handlungssituation nach einem Bruch des Inneren Vertrags kommt zu folgenden Ergebnissen: Die Kosten der „exit“-Option liegen auf der Hand: Ein Wechsel des Arbeitgebers ist unter den derzeitigen Arbeitsmarktbedingungen nicht einfach zu bewerkstelligen, oder es fallen zumindest Kosten des Wechsels selbst an (Wohnortwechsel usw.). In vie- len Bereichen wird der Verbleib in der Organisation eine individuell-ökonomische Notwendigkeit sein, wenn berufliche Veränderungen infolge eigener Spezialisierung und Ausrichtung auf die Organisation zu hoch sind oder schlichtweg keine Alternativen 7 Zur Unterscheidung von Innerer und äußerer Kündigung siehe die Gegenüberstellung bei Faller (1991, 90). Eine äußere Kündigung kann von beiden Vertragspartnern (im Rahmen der gesetzlichen und (tarif)-vertraglichen Bedingungen) ausgesprochen werden. Demgegen- über macht es nur Sinn, auf Seiten des Arbeitnehmers von einer Inneren Kündigung zu sprechen.
Richter: Innere Kündigung (ZfP 2/99) 121 für einen Wechsel bestehen. Die „voice“-Option ist unter den hier interessierenden Situ- ationsbedingungen mindestens in zweifacher Hinsicht eine wenig attraktive Reak- tionsform. Zum einen dürfte sich eine Artikulation von Widerspruch schwierig gestal- ten, da wegen des informellen Charakters der Vertragsart eine schlagkräftige argumen- tative Plattform auf Seiten des Arbeitnehmers fehlt. Wie sollen Ansprüche angemeldet bzw. eingeklagt werden, die nie explizit bei Eintritt in die Organisation formuliert, d.h. formal-vertraglich festgelegt wurden? Der Innere Vertrag stellt eine subjektive Kon- struktion dar, in der der Vertragspartner (die Organisation) eben nur auf der Ebene die- ser Konstruktion in Erscheinung tritt (vgl. FN 6). Zum anderen besteht das Problem, „... that the lack of alternatives can also reduce the credibility of voice, thereby reducing its efficiacy and, hence, its use. Conversely, having attractive alternatives can increase the use of voice, because employees who are in demand have greater power and are less threatened by the possibility of retaliation“ (Withey/Cooper 1989, 524). Somit beein- flusst die wenig aussichtsreiche Option „Abwanderung“ (äußerlich kündigen kann man immer, aber mit welchen Konsequenzen?) auch die Neigung zur Option „Widerspruch“, deren Glaubwürdigkeit bzw. „Drohpotential“ aufgrund fehlender Alternativen als gering zu veranschlagen ist. Welche Alternativen bestehen aber über die beiden Reaktionsfor- men hinaus? In einer Situation, in der sowohl für Widerspruch als auch Abwanderung die Opportunitätskosten hoch sind bzw. wenig Erfolgsaussichten bestehen, könnte Inne- re Kündigung eine weitere Alternative sein. Im Rahmen des EVLN-Modells (exit- voice-loyalty-neglect) wird diese Alternative als „neglect“ bezeichnet. Der Nutzen die- ser Modellerweiterung besteht darin, dass „(the) addition of neglect may help to cover more adequately the range of responses to dissatisfaction (..)“ (Withey/Cooper 1989, 522), d.h. die Reaktionsmöglichkeiten auf Brüche Innerer Verträge.8 Raidt geht davon aus, dass „...der Zustand der inneren Kündigung in den meisten Fällen einer äußeren Kündigung voran(geht)...“ (1989, 68). In dem hier entwickelten Modell wird im Gegensatz dazu eine andere Funktionalität zwischen den Kündigungs- formen behauptet: Innere Kündigung kann eine „attraktive“ Reaktionsform sein, wenn die Opportunitätskosten der Alternativen „exit“ und „voice“ sehr hoch sind. Somit ist Innere Kündigung (1) eine bewusste Strategie und (2) eine Reaktions- form, die zumindest vor dem Hintergrund einer Alternative, nämlich der äußeren Kün- digung, gewählt wurde. Man könnte sagen, dass bei Innerer Kündigung eine Referenz zur Option, die Organisation tatsächlich zu verlassen, immer besteht und Innere Kündi- 8 Wenig brauchbar in dem hier verfolgten Modellierungsversuch ist die Behandlung von „loyalty“ als weiterer Reaktionsform. Bei Hirschman (1974) wird Loyalität nicht auf einer Ebene zu Abwanderung und Widerspruch als eine dritte Verhaltensoption modelliert, son- dern stellt vielmehr eine Art moderierende Variable bei der Aktivierung von Reaktionsfor- men auf „Leistungsabfall bei Unternehmungen, Organisationen und Staaten“ dar. Ihre Wir- kung besteht etwa darin, dass sie die Tendenz abzuwandern zu neutralisieren vermag (ebd., 67). Im Rahmen des EVLN-Ansatzes wird „loyalty“ als vierte Reaktionsmöglichkeit einge- führt. Withey/Cooper (1989) erkennen zwar, dass kaum Klarheit (bei Hirschman) besteht, was unter „loyalty“ zu verstehen sei (ebd., 522), bieten aber auch kein eigenes, gegenüber den anderen Reaktionsmöglichkeiten abgrenzbares Verständnis von „loyalty“ an. Es scheint v.a. schwierig zu sein, „loyalty“ von „neglect“ zu unterscheiden (ebd. 536).
122 Richter: Innere Kündigung (ZfP 2/99) gung eine bestimmte Situationsdefinition darstellt, die eben als eine Art Kündigung, d.h. Vertragsauflösung, vom Subjekt sinnhaft konstruiert wird und dementsprechend auch Verhaltenswirksamkeit erlangen kann,9 im Sinne des Thomas-Theorems: „When people define situations as real, then they are real in their consequences.“ Hat man sein Ver- hältnis zum Arbeitgeber erst einmal als Innerlich gekündigt definiert, ist die Zurück- nahme von Engagement bei der Arbeit auch leichter zu rechtfertigen i.S.e. Selbstlegiti- mierung von Leistungszurückhaltung. Zusammenfassend könnte man den Prozess hin zur Inneren Kündigung in folgen- den Stufen beschreiben: Beim Eintritt in ein Arbeitsverhältnis kommt es aus der Sicht des Arbeitnehmers zum Inneren Vertrag, der über die Abmachungen des formal- vertraglichen Arbeitsverhältnisses hinausgeht. Im Laufe der Organisationsmitglied- schaft entstehen Situationen, in denen aus der Sicht des Arbeitnehmers ein Vertrags- bruch vorliegt. Dieser Vertragsbruch kann als Verletzung der „inducement-contribution- balance“ gesehen werden. Auf der Suche nach Reaktionsmöglichkeiten in dieser unbe- friedigenden Situation kann sich Innere Kündigung als die im Verhältnis zu anderen Optionen günstigste herausstellen. Es setzt ein Prozess sinnhafter Konstruktion ein, bei dem das Arbeitsverhältnis als „gekündigt“ definiert wird. Die Innere Kündigung stellt dann eine „legitime“ Reaktion auf die aus der Sicht des Arbeitnehmers vorausgegange- ne „illegitime“ Kündigung des Inneren Vertrags durch den Arbeitgeber dar. M.a.W.: „Schlagen Versuche dauerhaft fehl, negativ erlebte Komponenten der Arbeitssituation im Sinne der Mitarbeiter korrigierend zu beeinflussen und fehlt zusätzlich die Möglich- keit, offen zu kündigen, verbleiben die Arbeitnehmer an ihrer Arbeitsstelle und richten sich, quasi unfreiwillig, innerlich in einer bestimmten Weise ein, so dass sie glauben, in der gegebenen Situation aushalten zu können“ (Löhnert 1990, 30 f.). Abb. 1 fasst die Komponenten des gesamten Ansatzes schematisch zusammen. Empirisch stellt sich die Frage, in welcher Art und Weise sich ein solches Sich- Einrichten ausgestaltet, d.h., welche Verhaltensweisen innerlich Gekündigte tatsächlich zeigen. Es besteht ein gewisser Konsens, dass diese Verhaltensstrategie – wenn über- haupt – nur zur Herstellung eines kurzfristigen Gleichgewichts reicht und sich erhebli- 9 Hier ließe sich auch eine Differenz zum Burnout-Phänomen konstruieren: Pines et al. be- zeichnen Burnout als „...das Resultat andauernder oder wiederholter emotionaler Belastung im Zusammenhang mit langfristigem, intensivem Einsatz für andere Menschen. Gefordert wird so intensive Anteilnahme vor allem in den Berufen der Gesundheitserziehung und der öffentlichen Dienste, deren Angehörige sich in vielen Fällen 'berufen' fühlen, sich um die psychischen, sozialen und psychisch-materiellen Probleme anderer Menschen zu kümmern. Ihr Ausbrennen ist die schmerzliche Erkenntnis, dass sie diesen Menschen nicht mehr helfen können, dass sie nichts mehr zu geben und sich völlig verausgabt haben“ (1990, 25, kursiv i. Orig.). An dieser Beschreibung wird deutlich, dass Burnout im Gegensatz zur Inneren Kün- digung dadurch entsteht, dass man seinen ursprünglichen Ansprüchen an sich und seine Ar- beit nicht mehr gerecht wird. Analog zur Inneren Kündigung könnte man Burnout als Reak- tion auf einen Vertragsbruch auffassen, mit einem entscheidenden Unterschied allerdings: Während Innere Kündigung auf den Bruch des Inneren Vertrags zwischen Individuum und Organisation zurückzuführen wäre, stellt sich Burnout als eine Nichtaufrechterhaltung von Ansprüchen an die eigene Person dar.
Richter: Innere Kündigung (ZfP 2/99) 123 che Folgekosten und -probleme einstellen (Riedl 1994, 61). Für den innerlich Gekün- digten lassen sich mindestens zwei Gruppen von negativen Auswirkungen unterschei- den. Die erste Gruppe bezieht sich direkt auf die Beeinträchtigung der allgemeinen Ar- beits-, Lebenszufriedenheit und Lebensqualität: Sinnverlust, Gefühl der Ausweglosig- keit, „Hinüberschwappen“ der Probleme in den Privatbereich sowie u.U. psychosomati- sche Reaktionen. Eine zweite Gruppe betrifft langfristige Folgekosten. Der allgemein resignativ-depressive Zustand, in dem sich der innerlich Gekündigte in einem fortge- rückten Stadium befindet, hindert ihn an einer aktiven Gestaltung seiner eigenen (beruf- lichen) Zukunft und somit verstärkt sich ggf. der belastende Zustand. Die Innere Kündi- gung kann in einen Teufelskreis münden. Abb. 1: Modellierung der Inneren Kündigung als Reaktionsform auf den Bruch Innerer Verträ- ge. Gestrichelte Pfeile deuten eine geringe Attraktivität von Handlungsoptionen an. Widerspruch Abwanderung Innere Kündigung (exit) "Referenz" (neglect) (voice) Suche nach Anpassungs- Opportunitäts- reaktionen auf den strukturen: Moderatorvariable: Bruch des Loyalität Inneren Vertrags - Kosten der gemäß dem äußeren Kündigung Homöostaseprinzip - Erfolgswahr- scheinlichkeit der "voice"-Option Ausgangspunkt: Bruch des Inneren Vertrags zwischen Individuum und Organisation 4. Methodische Anlage der empirischen Untersuchung Bis jetzt gibt es noch kaum ernstzunehmende empirische Forschungen zum Thema Innere Kündigung. Eine Ausnahme bildet die bereits erwähnte Untersuchung von Kry- stek et al. (1995), die einen Beitrag zur Begriffskonkretisierung, zur Frage der quantita- tiven Verbreitung und nach den Ursachen leistet, aber aufgrund der Anlage (Befragung von Personalverantwortlichen) nichts über das subjektive Erleben und die Konsequen- zen für die Betroffenen aussagen kann. Das subjektive Erleben wird zwar in der Pilot-
124 Richter: Innere Kündigung (ZfP 2/99) studie von Löhnert (1990, 201 ff.) thematisiert, aber die Datengrundlage lässt bei einem Rücklauf von 21 Fragebögen keine statistisch gesicherten Aussagen zu. Das Instrument von Löhnert zur Erfassung von Innerer Kündigung (eine Itembatterie) wurde jüngst in einer Studie zu Formen und Effekten von Karriereplateaus eingesetzt (Eckardstein et al. 1997, 27). Als Untersuchungsmethode stand eine eher qualitativ oder eine eher quantitativ orientierte Vorgehensweise zur Auswahl. Erstere hätte einen differenzierteren, „tiefe- ren“ Einblick in das subjektive Erleben von Innerer Kündigung erlaubt. Zudem wäre ei- ne genauere Rekonstruktion von Prozessverläufen und einzelnen Phasen des Erlebens möglich gewesen, die bei entsprechendem Untersuchungsdesign auch eine biographi- sche Einordnung erlaubt hätte. Demgegenüber spricht für ein quantitatives Vorgehen, dass gezielt Hypothesen über Erscheinungsformen, quantitatives Ausmaß, Ursachen und Wirkungen Innerer Kündigung getestet werden können. Dies kommt auch dem Informa- tionsbedarf der Praxis entgegen, die gezielt nach Organisationsparametern sucht, die ei- ne effektive Vermeidung und Bekämpfung des Phänomens erlauben. Zudem lässt sich – ausgehend vom Diskussionsstand um das Phänomen – ein relativ konkretes Begriffsver- ständnis erarbeiten (s. 3.), das auch ohne exploratives Vorgehen im Rahmen qualitativer Ansätze auskommt. Ein weiterer Grund für die Entscheidung für eine standardisierte Befragung liegt in der anzunehmenden höheren Teilnahmebereitschaft, da hierbei Ano- nymität leichter zuzusichern ist. Unbestreitbar gehört Innere Kündigung zu den sog. heiklen Themen. Dies erfordert eine hohe Kooperationsbereitschaft von der untersuchten Organisation und ihren Mit- gliedern. Aus der Sicht des Befragten ist zu befürchten, dass er als innerlich Gekündig- ter „enttarnt“ und seine Leistungszurückhaltung somit aufgedeckt wird. Zudem werden bei einem hohen Ausmaß von Innerer Kündigung u.U. ausgeprägte organisationale De- fizite, Führungsfehler, geringe Motivationsfähigkeit und allgemein ein schlechtes Per- sonalmanagement in einem Unternehmen oder einer öffentlichen Verwaltung erkenn- bar. Eine solche Decouvrierung der Organisation wird kaum im Interesse der Unter- nehmensführung oder der Behördenleitung liegen.10 Das Projekt, aus dem der verwendete Datensatz stammt, ist anwendungsorientierte Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Personal- und Organisationsentwicklung und der Reproduktionsfähigkeit sozioökonomischer Systeme. Im Zentrum steht die Frage- stellung, wie eine moderne Personalwirtschaft und Organisationspolitik systematisch auf biographische und reproduktive Interessen der Mitarbeiter bezogen und gleichzeitig zentralen funktionalen Erfordernissen der Organisation in Bezug auf ihre interne wie 10 Interessant in diesem Zusammenhang ist der Befund von Krystek et al., wonach offenbar ei- ne Diskrepanz zwischen der Selbst- und Fremdeinschätzung in Bezug auf die Verbreitung des Phänomens besteht: Die Befragung von Personalverantwortlichen ergab, dass die Innere Kündigung in der eigenen Unternehmung durchschnittlich 17% betragen soll, wohingegen für die Verbreitung deutschlandweit immerhin 24% angenommen werden (1995, 24). Nach dieser Selbsteinschätzung wird das Phänomen systematisch im eigenen Bereich als weniger verbreitet (bzw. bedrohlich) eingeschätzt. Dies deutet auf eine Neigung zur Verdrängung der Problematik hin.
Richter: Innere Kündigung (ZfP 2/99) 125 externe Ökonomie gerecht werden kann. Im Rahmen dieser übergreifenden Fragestel- lung bildet Innere Kündigung einen Untersuchungs- und Auswertungsfokus. Der folgenden Auswertung liegen Daten aus einer schriftlichen Personalbefragung in einer größeren Verwaltungsbehörde im Raum München zugrunde. Die Befragung wurde im Frühjahr 1998 als Vollerhebung auf allen Ebenen der Organisation durchge- führt. Bei einem Rücklauf von 47% stehen 408 Fragebögen für eine Analyse zur Verfü- gung. Ein Vergleich des Samples mit aggregierten Personaldaten zeigt eine relativ hohe Strukturgleichheit die Altersverteilung und die Statusgruppen betreffend. Das Sample kann somit als repräsentativ für die gesamte Organisation und alle ihre Abteilungen be- zeichnet werden. Mit der Wahl der standardisierten schriftlichen Befragung fallen Erhebungs- und Untersuchungseinheit zusammen, d.h. Innere Kündigung wird auf der Ebene der Mitar- beiter rekonstruiert und nicht über Fremdbeobachtungen bestimmt (wie bei Krystek et al. 1995). Wie dargestellt wurde, ist Innere Kündigung eine facettenreiche Erscheinung, die sich auf der kognitiven, evaluativen, affektiven und verhaltensintentionalen Ebene zeigt. Allen diesen Facetten in einem (zu) viele Dimensionen umfassenden Untersu- chungsinstrument gerecht zu werden ist praktisch nicht einlösbar und theoretisch auch nicht fruchtbar: Bei der Operationalisierung von Innerer Kündigung besteht die Gefahr einer konzeptionellen Diffusion, d.h., ad hoc-Annahmen über Wirkungszusammenhänge fließen dann bereits mit in die Frageformulierungen und Itemkonstruktionen zur Mes- sung von Innerer Kündigung ein, die bei genauerer Betrachtung eigentlich erst Gegens- tand der Hypothesenprüfung sein sollten.11 Ausgehend von dieser Problematik wird in der hier zugrundeliegenden Personalbe- fragung ein anderer Vorschlag zur Operationalisierung gemacht. Dieser orientiert sich streng am Verständnis von Innerer Kündigung als Situationsdefinition, die aus der Sicht des Arbeitnehmers eine attraktive Alternative zur äußeren Kündigung darstellt. Innere Kündigung wird gemessen über die Frage, ob bereits ernsthaft in Erwägung gezogen wurde zu kündigen. Somit ist es möglich, die Gruppe der innerlich Gekündigten von den übrigen Organisationsmitgliedern eindeutig im Sample abzugrenzen, und es kann ein Vergleich der Gruppen in Bezug auf Arbeitszufriedenheit, Einstellungsmuster und weitere relevante Ursachen- und Wirkzusammenhänge erfolgen. 5. Empirische Ergebnisse 5.1 Innere Kündigung: Verteilung und quantitatives Ausmaß Tab. 1 zeigt das quantitative Ausmaß an Innerer Kündigung für die untersuchte Organisation. Das Ergebnis von 16,6% relativiert Hiobs-Botschaften von bis zu 50% an 11 Dieses Problem zeigt sich bei der Konstruktion des Instruments von Löhnert (1990, 222 ff.): Innere Kündigung wird über die „Dimensionen“ Freizeitorientierung, berufliche Zukunfts- aussichten, ob einen schwierige Probleme reizen usf. gemessen. Dies ist verwunderlich vor dem Hintergrund, dass vorher ein abgrenzbares Begriffsverständnis als „Entscheidung zur ‘inneren Kündigung’“ (ebd., 30) entwickelt wurde und wichtige Situationsparameter wie die Erwägung zur äußeren Kündigung mit erfragt wurden (ebd., 288).
126 Richter: Innere Kündigung (ZfP 2/99) innerlich gekündigten Mitarbeitern (vgl. FN 2). Da keine vergleichbaren Untersuchun- gen (mit ähnlichen Operationalisierungen) zu anderen Behörden oder Unternehmen vor- liegen, besitzt diese absolute Zahl nur bedingte Aussagekraft, kann aber als ernstzu- nehmender Anhaltspunkt für die quantitative Verbreitung dienen. Tab. 1: Quantitatives Ausmaß an Innerer Kündigung (n=397)12 Gruppe 1 Gruppe 2a noch nie innerlich gekündigt aktuell innerlich gekündigt 62,5% 16,6% Gruppe 2b Gruppe 2c Innere Kündigung nicht aktuell Innere Kündigung nicht aktuell Reaktionstyp: passive Verarbeitung Reaktionstyp: aktive Verarbeitung 9,3% 11,6% Folgendes Ergebnis ist hier von größerer Bedeutung: Anhand der Daten zeigt sich, dass Innere Kündigung nicht zwangsläufig eine Sackgasse darstellen muss. Dies wird auch in dem Prozess- bzw. Phasenmodell bei Löhnert (1990, 195) unterstellt. Immerhin 20,9% (Gruppe 2b + 2c) der Mitarbeiter befanden sich nach dieser Untersuchung zu ei- nem früheren Zeitpunkt ihrer Organisationszugehörigkeit im Zustand der Inneren Kün- digung. Die Mitarbeiter, die sich der Gruppe 2b zuordnen lassen, konnten den Zustand der Inneren Kündigung dadurch „passiv verarbeiten“, indem sich die negativ erlebte Arbeitssituation wieder ohne ihre aktive Einflussnahme gebessert hat, d.h., das subjektiv erfahrene Ungleichgewicht im Inneren Vertragsverhältnis ausgeglichen wurde. Von theoretischen Interesse ist auch die Gruppe derjenigen, die aus eigener Anstren- gung heraus den Zustand der Inneren Kündigung verlassen haben (2c). Dieser aktive Ver- arbeitungstyp entspricht weitgehend der Reaktionsform Widerspruch. Ob und in welcher Intensität ein Ausbrechen aus der Inneren Kündigung möglich ist, hängt in hohem Maße von der Persönlichkeit des Mitarbeiters ab. Es wird immer wieder hervorgehoben, dass die subjektiv wahrgenommene Situations- und Handlungskontrolle wesentlich das Potential einer aktiven Verhaltensweise beeinflusst (Faller 1991, 207; Löhnert 1990, 195). Es ist anzunehmen, dass die Gruppen 2b und c hochgradig anfällig sind für einen Wiedereintritt in die Innere Kündigung, wenn wieder eine Verschlechterung der Ar- 12 Im Fragebogen wurden die angegebenen Gruppen wie folgt bestimmt: Gruppe 1, also dieje- nigen, die sich während ihrer Organisationszugehörigkeit noch nie im Zustand der Inneren Kündigung befunden haben, antworteten auf folgende Frage mit „nein“: „Gab es irgend- wann mal seit Ihrem Eintritt in die ‘Organisation XY’ eine Situation, in der Sie ernsthaft in Erwägung gezogen haben, zu kündigen?“ Die Gruppe derjenigen, die mit „ja“ geantwortet hat, wurde gefiltert und gebeten, ihre wesentlichen Gründe hierfür zu nennen (s. Tab. 7). Die Gruppen 2a, b und c haben auf die Frage „Sind die Gründe heute noch akut?“ wie folgt ge- antwortet: Gruppe 2a: „Ja, denn die Situation hat sich eigentlich nicht gebessert.“; Gruppe 2b: „Nein, die Situation hat sich wieder von alleine gebessert“; Gruppe 2c: „Nein, ich habe dagegen etwas unternommen und das Problem ist nicht mehr aktuell.“
Richter: Innere Kündigung (ZfP 2/99) 127 beitssituation auftritt. Das Innere Vertragsverhältnis wurde bei diesen Gruppen in der Vergangenheit bereits (nachhaltig) geschädigt, was eine geringere Toleranz gegenüber zukünftigen Vertragsverletzungen erwarten lässt. Ein an einer niedrigen Rate von inner- lich Gekündigten interessiertes Personalmanagement steht v.a. vor der schwierigen Aufgabe, die Gruppen 2b und c von einem „Rückfall“ in die Innere Kündigung durch entsprechende Maßnahmen abzuhalten. 5.2 Innere Kündigung und Organisationshierarchie Auf den ersten Blick ist die These einsichtig, dass sich Innere Kündigung verstärkt auf den unteren Ebenen einer Unternehmens- oder Behördenhierarchie findet und mit zunehmendem Status des Mitarbeiters bis in das obere Management abnimmt. Wenn Innere Kündigung mit dem (subjektiv erfahrenen) Handlungs-, Kontroll- und Entschei- dungsspielraum bei der Arbeit in Zusammenhang steht, dann müsste „...die Innere Kün- digung innerhalb der Pyramide betrieblicher Hierarchien nach unten hin (zunehmen)...“ (Krystek et al. 1995, 23).13 Zudem ist anzunehmen, dass – ausgehend von dem hier ent- wickelten Modell – die Option äußere Kündigung bei einem Bruch des Inneren Ver- tragsverhältnisses für Angehörige der oberen Hierarchieebenen eher eine gegenüber der Inneren Kündigung weniger unattraktive Alternative darstellt, da ein beruflicher Wech- sel wegen der generell höheren Qualifikation auch unter allgemein ungünstigen Ar- beitsmarktchancen weniger Opportunitätskosten beinhalten dürfte. Die These konnte für den Fall der untersuchten Verwaltungsbehörde nur einge- schränkt bestätigt werden. Das vorliegende Sample besteht etwa zur Hälfte aus Beam- ten und zur anderen Hälfte aus Angestellten. Die folgenden Ergebnisse beziehen sich der Übersichtlichkeit wegen nur auf die Gruppe der Beamten. Für Angestellte zeigte sich ein ähnliches Bild. Die Gruppe derjenigen, die sich während ihrer Organisationszugehörigkeit – über vorausgehende Arbeitsverhältnisse kann hierzu keine Aussage getroffen werden – noch nie im Zustand der Inneren Kündigung befunden hat, verteilt sich nahezu gleichmäßig über die Statusgruppen (s. Tab. 2). Tab. 2: Anteile der Beamten, die während ihrer Organisationszugehörigkeit noch nie innerlich gekündigt haben, aufgeteilt nach Laufbahngruppen (n=199) Gruppe 1 Laufbahngruppe ‘noch nie’ mittlerer Dienst 67,3% gehobener Dienst 69,0% höherer Dienst 64,5% 13 Krystek et al. kommen zu folgenden Anteilen von innerlich Gekündigten im Unternehmens- bereich Management/Verwaltung: Topmanagement: 4%; Mittleres Management: 11%; Un- teres Management: 14%; Hilfskräfte der Verwaltung: 17% (1995, 25).
128 Richter: Innere Kündigung (ZfP 2/99) Es zeigt sich sogar eine geringe Tendenz zur Inneren Kündigung beim höheren Dienst (s. Tab. 2). Sehr aufschlussreich in Bezug auf die vorausgehende These ist eine differenziertere Betrachtung der Gruppen 2a, b und c. Hier sind deutliche Unterschiede in Bezug auf die Statusgruppenzugehörigkeit zu verzeichnen (s. Tab. 3). Tab. 3: Verteilung der Gruppen 2a, b und c in den Laufbahngruppen (n=64) Gruppe 2a Gruppe 2b Gruppe 2c Laufbahnbruppe ‘aktuell’ ‘passiv verarb.’ ‘aktiv verarb.’ mittlerer Dienst 66,7% 16,7% 16,7% 100% gehobener Dienst 40,0% 31,4% 28,6% 100% höherer Dienst 9,1% 45,5% 45,5% 100% An den Zahlen in Tab. 3 zeigt sich eine relativ höhere aktuelle „Betroffenheit“ von Innerer Kündigung mit abnehmendem Status. Während nur 9,1% des höheren Dienstes zum Zeitpunkt der Erhebung innerlich Gekündigt sind, also über 90% den Zustand ent- weder durch eigenes Zutun oder infolge einer sich gebesserten Arbeitssituation – d.h., das Vertragsgleichgewicht hat sich wieder von alleine eingestellt – verlassen haben, sind 66,7% der Angehörigen des mittleren Dienstes und immerhin noch 40,0% des ge- hobenen Dienstes dieser Gruppe zuzuordnen.14 Dies lässt den Schluss zu, dass sich das Phänomen zwar auf allen Ebenen der Organisationshierarchie gleichermaßen finden lässt, es aber für die höheren Statusgruppen offenbar leichter ist, den Zustand zu überwin- den und somit die Phasen der Inneren Kündigung in diesen Gruppen kürzer ausfallen. Was den Weg aus der Inneren Kündigung betrifft, ist noch eine weitere Interpreta- tion des Datenmaterials möglich: Es ist offenbar auf allen Hierachieebenen kein Unter- schied in Bezug auf die Art der Überwindung festzustellen. Auf allen Hierarchieebenen finden sich etwa gleich viele Fälle des aktiven wie des passiven Verarbeitungstyps (vgl. die Zeilen in den Gruppen 2b und c in Tab. 3). Demnach überwiegt auf der oberen Ma- nagementebene nicht – wie anzunehmen wäre – der Typus aktiver gegenüber passiver Verarbeitung. Es lässt sich also die These vertreten, dass der (subjektiv wahrgenomme- ne) Handlungs-, Kontroll-, und Entscheidungsspielraum, der unzweifelhaft mit dem Status zunimmt, weniger als eine (mit)auslösende Ursache für Innere Kündigung zu se- hen ist, sondern vielmehr eine entscheidende Größe bei ihrer (aktiven) Verarbeitung darstellt. 5.3 Innere Kündigung und Arbeitszufriedenheit Zur Messung der Arbeitszufriedenheit wurde auf den Arbeitsbeschreibungsbogen (Neuberger/Allersbeck 1978) zurückgegriffen. Das Instrument wurde leicht modifi- 14 Es konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen Laufbahngruppe und Aktualität der Inneren Kündigung ja/nein nachgewiesen werden (Cramer V=0,37; Chi2-Test: p
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