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GRUEN GENUSS JULIA PFÄFFLI Heim in die Bauernküche Sie hat in Fünfsternehotels gekocht, doch den wahren Luxus hat Julia Pfäffli zu Hause gefunden – im «Löwen» in Bangerten BE. Text: Elsbeth Hobmeier / Fotos: Martina Meier 74
Julia Pfäffli hat im Frühling 2012 von ihren Eltern das Restaurant Löwen in Bangerten BE übernommen. 75
GRUEN GENUSS Zuzwil, Dieterswil, Rapperswil, Bangerten … Kein Zweifel, wir sind auf dem Land. Bangerten ist ein Dorf wie aus dem Bilder- buch. Bauernhäuser mit Gärten und Feldern, ein altes Schulhaus mit Türmli und Glöggli. Und als Mittelpunkt der «Löwen», ein stattliches, ehrwürdiges Haus mit bemalter «Ründi», wie man im Bernbiet den typischen Dachvorsprung nennt. In der ge- mütlichen Gaststube wirtet die Familie Pfäffli. Bereits in der fünften Generation: Im Frühling 2012 hat Julia, die älteste von fünf Töchtern, den «Löwen» 1 übernommen. Julia Pfäffli sitzt mit ihrem sechsjährigen Töchterchen Jaël am grossen Küchentisch. Beide rüsten eifrig grüne Spargeln. Vater Hans Pfäffli hat soeben „Ich bin eher der bodenständige einen ganzen Berg herein ge- Typ, das ‚Gfätterle‘ mit Lebens- bracht, taufrisch geerntet aus dem eigenen Boden. In der mitteln liegt mir nicht.“ Gaststube schaut derweil Mut- ter Ruth zum Rechten. Der «Lö- wen» ist ein Familienbetrieb John Harpers «Cigogne» in see. «Seine Naturverbundenheit im schönsten Sinn, schon seit Fribourg, dem luxuriösen «Su- hat mich geprägt, der Umgang 110 Jahren. Hier ist Julia Pfäffli vretta House» in St. Moritz. «In mit allem, was in Garten, Feld aufgewachsen. Und hier ist sie all diesen Küchen habe ich viel und Wald wächst, mit Holunder- jetzt auch wieder tätig. Von Fünf- gelernt», schaut Julia Pfäffli blüten, Waldmeister, Bärlauch.» sternehotellerie und Spitzen- zurück, «aber ich spürte immer Deshalb ist Julia Pfäffli heim- gastronomie zurück in die Bau- deutlicher, dass ich eher der bo- gekehrt nach Bangerten. Hier ernküche, heim zu den Wurzeln. denständige Typ bin und mir das will sie ihr Kind aufwachsen se- Es war ein weiter Weg, mit Zwi- ‹Gfätterle› mit Lebensmitteln hen, hier will sie den «Löwen» schenstationen in renommierten nicht liegt.» Heute noch profi- im traditionellen Sinn weiter- Betrieben wie André Jaegers tiere sie von ihrer Kochlehre führen. Mit Überzeugung haben «Fischerzunft» in Schaffhau- bei Chrüter-Oski in der «Moos- ihr die Eltern den Betrieb über- sen (19 GaultMillau-Punkte), pinte» im nahen Münchenbuch- geben, sie sind aber weiterhin Nach Zwischenstationen in renommierten Küchen ist Julia Pfäffli zurück im «Löwen». 76 Der «Löwen» in Bangerten www.loewen-bangerten.ch Er hat Julia Pfäffli geprägt www.chrueteroski.ch www.moospinte.ch Die Stationen
GLACE AUF KOMPOTT Kirschenkompott (für 4 Personen) 800 g Kirschen, entsteint 1 dl Rotwein 1 Prise Lebkuchengewürz 4 2 cm Zimtstange oder 1 Prise gemahlener Zimt 50 g Zucker 1 EL Maizena wenig Rotwein 2 EL Kirschenessig Die Kirschen mit Rotwein, Gewürzen und Zucker aufkochen. Maizena mit wenig Rotwein anrühren, damit den Kompott abbinden, nochmals 2 aufkochen lassen. Am Schluss den Kirschenessig dazugeben. 5 Sauerrahmglace 500 g saurer Halbrahm 1 Die Spargeln und die Kartoffeln 100 g Rahm für die Rösti sind selbst angebaut. 150 g Zucker 2 Kirschenkompott mit Sauerrahm- glace und Berner Bräzeli. 1 Zitrone oder Limette, Saft und 3 «Dem Gemüse kann ich praktisch abgeriebene Schale beim Wachsen zusehen.» Der Bauernhof der Pfäfflis beliefert das Restaurant rund ums Jahr. Alle Zutaten verrühren und in einer 4 Bei Vater Hans Pfäffli kann man Glacemaschine abfrieren. ein Pensionshuhn erwerben und bekommt dafür jährlich 200 Eier. 5 Glückliche Schweine: Die Tradition Berner Bräzeli 3 der Metzgete im «Löwen» führt (ergibt ca. 75 Stück) auch Julia Pfäffli weiter. 125 g Butter 125 g Zucker 2 Eier 1 Prise Salz da, wenn sie Hilfe braucht. Der Die Palette ist beeindruckend: Auch der Herd in der Küche 1 Zitrone, abgeriebene Schale grösste Unterschied zu ihren das ganze Jahr frisches Gemüse wird mit Holz aus ihrem Wald 250 g Mehl früheren beruflichen Stationen? und frischen Salat. Im Frühling geheizt. Er steht neben dem Gas- «Wenn ich aus dem Küchen- Spargeln, im Sommer Kirschen. und Elektroherd und kommt vor Butter mit dem Zucker rühren, bis fenster schaue, sehe ich die Tonnenweise Kartoffeln, die von allem im Winter zum Einsatz. die Masse weiss ist. Eier, Salz und ab- Hühner scharren, die Schweine, Hand geschält und zu – weit- Denn dann hängen die Schin- geriebene Zitronenschale dazugeben den Garten – ich sehe all das, was herum berühmten – Pommes fri- ken und Würste von den hof- und schaumig rühren. Mehl unterheben. ich später hier verarbeiten darf. tes und Rösti verarbeitet werden. eigenen Schweinen im Rauch. Teig im Kühlschrank gut durchkühlen Dem Gemüse kann ich prak- Raps- und Sonnenblumenöl sind Solche Traditionen will Julia lassen. Kleine Kugeln (1–2 cm Durch- tisch beim Wachsen zuschauen. Eigenprodukte, genauso wie der Pfäffli weiterhin pflegen. Genau messer) formen und diese im heissen Ich geniesse es, so gute und fri- «Härdöpfeler» und der Graven- wie die Metzgete: «Dafür kom- und gefetteten Bräzelieisen ausbacken. sche Produkte direkt vor der Tür steiner aus Vaters Brennkessel. men die Leute von weit her», Das Eisen gut zusammenpressen, zu haben.» Beruhigend sei auch weiss sie. Das geschlachtete damit die Bräzeli nicht zu dick werden. das Wissen, dass keine Pestizi- Versuchsweise bauen Schwein wird «vom Schnörrli Die Bräzeli können gut auf Vorrat her- de oder andere schädliche Hilfs- die Pfäfflis im Bernbiet bis zum Schwänzli» verzehrt, als gestellt werden und eignen sich auch mittel eingesetzt werden. Sanddorn an Blut- und Leberwurst, Gnagi in zum Tiefkühlen. Hauptlieferant der «Löwen»- der Erbsensuppe, Kotelett und Küche ist denn auch der eigene, Jeden Morgen backt die Mut- Schnitzel. «Einzig die Borsten Kirschenkompott mit Glace, von Vater Hans und Schwester ter das Brot für die Gaststube – und die Knochen bleiben übrig», Schlagrahm und Bräzeli anrichten. Anja geführte Bauernbetrieb. notabene aus eigenem Weizen. lacht sie. von Julia Pfäffli www.fischerzunft.ch www.aubergedelacigogne.ch www.suvrettahouse.ch 77
GRUEN GENUSS 1 2 1 Der stattliche «Löwen» ist der Mittelpunkt in Bangerten. 2 Seit 110 Jahren wirtet die Familie Pfäffli hier, Julia führt das Haus in der fünften Generation. Und was stammt nicht vom Ein innovativer Geist prägt den rund hundert «Huhnbesitzer». 3 Die sechsjährige Jaël soll wie ihre Mutter auf dem Land eigenen Hof? «Wir haben kei- landwirtschaftlichen Betrieb der Und so finden die Pensions- aufwachsen können. ne Milchkühe mehr», sagt Julia Pfäfflis in Bangerten. Da wird hühner in der «Löwen»-Küche Pfäffli. Milch, Butter, Rahm, Jo- versuchsweise Sanddorn ange- ein würdiges Ende in einem ghurt und Käse bezieht sie aus baut, weil Julia so gern Sand- würzigen Coq-au-vin-Gericht. der Käserei im benachbarten dorn-Desserts kreieren möchte. Kaufen oder verschenken kann Dieterswil. Und das nicht zu Da wird aus den Kirschen man bei Pfäfflis sogar Bäume. knapp: «Wir brauchen viel. Das ein dunkler, leicht süsslicher Meist wählen die Interessenten ist gut, denn wenn unser Be- Kirschenessig gemacht, den einen Obstbaum. Aber auch trieb rundläuft, nützt dies der sie statt Balsamico verwendet. eine Fichte oder ein anderer ganzen Region.» Während die Da werden neue Tomaten- und Waldbaum kann zum Geburts- Schweinskoteletts & Co. im Kürbissorten gehätschelt, die tags- oder Hochzeitsgeschenk Stall nebenan heranwachsen, sich in ihrer Küche besser ein- werden. Und was isst Julia Pfäffli sel- ber am liebsten? «Ich liebe die „Wenn ich aus dem Küchenfenster Beilagen, vor allem Gemüse. schaue, dann sehe ich all das, Und dazu ein kleines Stück- chen Fleisch», sagt sie. Sie was ich später verarbeiten darf.“ bevorzuge keine bestimmten Produkte, sondern freue sich an der gerade aktuellen Sai- kauft die junge Köchin das setzen lassen. Doch nicht ge- son. «Zurzeit an den Spargeln. Kalb- und Rindfleisch auswärts. nug: Bei Vater Hans Pfäffli kann Und dann, wenn ich sie nach Noch – ihre Schwester baut zur- man auch ein «Pensionshuhn» sechs Wochen nicht mehr sehen zeit eine Mutterkuhhaltung auf. erwerben. Und hat damit An- kann, freue ich mich auf die «Das erste Kalb dürfte in etwa recht auf jährlich zweihundert Kirschen», lacht sie. Und greift einem halben Jahr schlachtreif Eier – nach dem zweiten Jahr beherzt in den Berg von grünen sein, künftig werden wir einen kann man das Tier holen und als Spargelstangen, die sich vor Teil des Bedarfs selber ab- Suppenhuhn verzehren. Das will ihr auf dem Küchentisch tür- decken können.» allerdings kaum einer der heute men. 3 78 Bangerten www.swiss.de/schweiz/bern/bangerten Der Kanton www.be.ch www.bern.com www.bern-incoming.ch
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