Helikopter-Kalkungen mit erdfeuchten Materialien in Lebensstätten des Grünen Besenmooses (Dicranum viride, FFH-Art Anhang II)
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1 Helikopter-Kalkungen mit erdfeuchten Materialien in Lebensstätten des Grünen Besenmooses (Dicranum viride, FFH-Art Anhang II) Projekte, die ein FFH-Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine einzelfallweise Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgesetzten Erhaltungszielen (Art. 6 (3) der FFH-Richtlinie). Bodenschutzkalkungen in FFH-Gebieten sind ein Projekt, welches für das Grüne Besenmoos eine mögliche Beeinträchtigung im Sinne der FFH-Richtlinie darstellt (LfU, 2002). Zwischen der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) und der Naturschutzverwaltung wurde 2005 ein Papier zur Bodenschutzkalkung von Wäldern abgestimmt, in welchem kalkungssensitive Waldbiotope, FFH-Lebensräume und Arthabitate festgelegt wurden, die von Bodenschutzkalkungen auszunehmen sind. Hierin wurde vereinbart, bekannte Lebensstätten des Grünen Besenmooses einschließlich Pufferbereichen von einer Bodenschutzkalkung auszuschließen (FVA, 2005), weil über deren Auswirkungen auf das Grüne Besenmoos bislang keine Kenntnisse vorlagen.
Praxishilfe Helikopter-Kalkungen mit erdfeuchten Materialien in Besenmoos-Lebensstätten 2 Projekt „Sensitivitätsanalyse: Der Einfluss der Waldkalkung auf das Grüne Besenmoos (Dicranum viride)“ Um zu klären, wie sich die Kalkausbringung auf das Wachstum bzw. die Vitalität des Grünen Besenmooses auswirkt, führte die Abteilung „Waldnaturschutz“ der FVA im Auftrag des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden- Württemberg (MLR) im Sommer 2012 eine Feldstudie durch. Hierbei wurden über eine Simulation (manueller Auftrag von Kalk) die Auswirkungen verschiedener Kalktypen bei unterschiedlichen Dosierungen und Ausbringungsformen auf das Grüne Besenmoos untersucht. Folgende Varianten/Behandlungseinheiten (BHE) wurden getestet: A1-3: Dolomit-Gesteinsmehl, trocken in den Konzentrationen 50 %, 100 % und 200 % der durchschnittlichen praxisüblichen Dosierung. B1-2: Dolomit-Gesteinsmehl, erdfeucht mit 100 % der durchschnittlichen praxisüblichen Dosierung sowie Simulation der Gassenrandbaum-Situation mit 900 % der durchschnittlichen praxisüblichen Dosierung. C1: Dolomit-Holzasche- Gemisch mit 100 % der durchschnittlichen praxisüblichen Dosierung. D1: Kalkgranulat mit 100 % der Abbildung 1: Simulation der durchschnittlich Gassenrandbaumsituation, Foto V. Tschöpe, ausgebrachten Menge. 22.08.2012 E1: Suspension aus Dolomit-Gesteinsmehl und Wasser: Simulation des Stammablaufes mit darin gelöstem Kalk. F1: Nullfläche, ohne Behandlung. Bei den sich anschließenden Beobachtungen über eine komplette Vegetationsperiode fand zum einen eine photographische Dokumentation statt, zum anderen wurden die Vitalitätsänderungen nach einem zuvor entwickelten Vitalitätsschlüssel beurteilt. Größenveränderungen wurden mittels einer GIS-gestützten Digitalisierung der Moospolster (Vergleich der Ausgangs-, Zwischen- und Endzustände) erfasst.
Praxishilfe Helikopter-Kalkungen mit erdfeuchten Materialien in Besenmoos-Lebensstätten 3 Die Aufbereitung der Ergebnisse der Beobachtungen des ersten Halbjahres (August bis Dezember 2012) fand im Rahmen einer Bachelor-Arbeit an der Albert-Ludwigs- Universität statt (Nowak, 2013). Die Ergebnisse wurden außerdem in einem kurzen Projektbericht (Schabel & Tschöpe, 2013) zusammengefasst. Der abschließende Projektenbericht (Laubengaier & Tschöpe, 2013) enthält die Ergebnisse der Vitalitätsaufnahmen innerhalb der gesamten Vegetationsperiode (August 2012 – August 2013) Projekt-Ergebnisse Bei insgesamt neun BHE mit je fünf Trägerbäumen auf zwei Versuchsflächen liegt lediglich eine begrenzte Anzahl an Wiederholungen vor. Hinzu kommt, dass die Wirkung externer Einflüsse wie z.B. des Kronenschlussgrades oder der Witterung nur beschränkt von der Wirkung der Behandlung getrennt werden kann. Insgesamt zeigen die achtzig behandelten Moosvorkommen ein geringe Reaktionsvarianz und -intensität. Im Einzelnen zeichnen sich folgende Ergebnisse ab: • Eine unmittelbare positive oder negative Wirkung durch das Kalksubstrat konnte bei keiner der BHE nachgewiesen werden. Allenfalls bei den erdfeuchten Varianten (insbesondere B2 und C1) zeigten sich vergleichsweise deutlichere Reaktionen auf die Kalkung. • Negative Vitalitätsänderungen werden vornehmlich mit anderen Effekten in Verbindung gebracht z.B. einer eingeschränkten Fotosynthese bzw. einer temporären Strukturschädigung durch abdunkelnden Kalkmantel. • Die anfängliche Vermutung, dass trockene Kalksubstrate aufgrund ihrer hygroskopischen Eigenschaften im Vergleich zu erdfeuchten Materialien eine erhöhte Beeinträchtigung darstellen, kann nicht bestätigt werden. • Die sich beim Zwischenbericht abzeichnenden Regenerationstendenzen setzen sich weiter fort. Das Grüne Besenmoos ist in der Lage, sich kurzzeitig -auch von der Gassenrandbaumsituation- zu regenerieren. • Entsprechend des Projektdesigns (manueller Auftrag von Kalk) sind v.a. die mechanischen Beeinträchtigungen noch nicht abschließend untersucht. • Alle Ergebnisse stehen unter dem Vorbehalt weiterer Untersuchungen. Hierbei sind vor allem Verschiebungen der Größen-/Konkurrenzverhältnisse (ggf. Verdrängungseffekte durch andere kalkliebende Moosarten) sowie Regenerationstendenzen der durch den Kalkungsversuch in ihrer Vitalität eingeschränkten Dicranum-Pflanzen zu untersuchen.
Praxishilfe Helikopter-Kalkungen mit erdfeuchten Materialien in Besenmoos-Lebensstätten 4 Vorläufige Folgerungen für die Kalkungs-Praxis Da der durchgeführte Versuch noch nicht endgültig abgeschlossen ist und ein Versuch unter Echtbedingungen zur terrestrischen Ausbringung und deren Auswirkungen in der Praxis noch aussteht, lassen sich auf der Grundlage der vorliegenden Ergebnisse zum jetzigen Zeitpunkt lediglich vorläufige Empfehlungen ableiten. Mit den Ergebnissen des oben beschriebenen Projekts sind jedoch erste wissenschaftlich belegte Aussagen zur tatsächlichen Kalkungsempfindlichkeit des Grünen Besenmooses möglich, die für eine Überprüfung der bisherigen Kalkungs-Praxis herangezogen werden können. Nachfolgend werden die Folgerungen für die beiden gängigen Ausbringungsarten Helikopter-Kalkung und terrestrische Verblasung dargestellt. 1. Helikopter-Kalkungen mit erdfeuchtem Dolomit Die Ausbringung der Kalksubstrate erfolgte durch eine Simulation der üblichen Ausbringungsmethoden innerhalb kleiner Stammausschnitte. Die Verteilungsmuster konnten jedoch sehr realitätsnah abgebildet werden (s. Abbildungen 2 und 3). Abbildung 2: Resultat direkt nach der Abbildung 3: Resultat direkt nach der Kalkung - Dolomitgesteinsmehl erdfeucht, Kalkung - Dolomitgesteinsmehl trocken, 100 % der praxisüblichen Dosierung; 200 % der praxisüblichen Dosierung; Foto: V. Tschöpe 22.08.2012 Foto: V. Tschöpe 22.08.2012
Praxishilfe Helikopter-Kalkungen mit erdfeuchten Materialien in Besenmoos-Lebensstätten 5 Die Ergebnisse des Versuches geben keine Hinweise darauf, dass Helikopter- Kalkungen, welche bei geringer mechanischer Beanspruchung eine homogene Ausbringung der Kalke ermöglichen, das Grüne Besenmoos negativ beeinflussen. Kalkungen aus der Luft werden aufgrund geringerer Abdrift dabei lediglich mit erdfeuchten Materialien durchgeführt. Diese Entwicklung ist unter anderem auf den vermehrten Einsatz von Dolomit-Holzaschegemischen zurückzuführen, deren Ausbringung nur in erdfeuchter Form empfohlen wird. Nach den bisherigen Erkenntnissen stellen Helikopter-Kalkungen mit erdfeuchtem Dolomit keine erhebliche Beeinträchtigung dar, so dass eine technisch und zeitlich aufwändige Aussparung der Lebensstätten nicht erforderlich ist. 2. Terrestrische Verblasung/Gebläseausbringung Potentielle negative Vitalitätsänderungen sind bei der terrestrischen Ausbringung vornehmlich durch mechanische (mechanische Verletzungen des Mooses) bzw. sonstige Auswirkungen (eingeschränkte Fotosynthese/Nährstoffaufnahme bzw. temporäre Strukturschädigungen durch abdunkelnden Kalkmantel) zu befürchten. Vor allem Moose am Stammfuß von Gassenrandbäumen sind in der Folgezeit durch am Stamm herablaufendes Wasser längere Zeit dem Kalk ausgesetzt. Dies kann Auswirkungen auf die vorherrschenden Konkurrenzverhältnisse der Moosgemeinschaften haben. Im Vergleich zum terrestrischen Verblasen erdfeuchter Gesteinsmehle ist bei der Ausbringung fein aufgemahlener, trockener Gesteinsmehle eine geringere Anhaftung des Ausbringungsmaterials sowie eine geringere mechanische Beanspruchung der Moospolster zu erwarten. Die tatsächliche Wirkung der Gebläseausbringung auf das Grüne Besenmoos, insbesondere die abrasive Wirkung des Kalkstrahls, soll in einem Echtbetriebsversuch im Jahr 2014 untersucht werden. Bis dahin bleiben die Besenmoos-Lebensstätten bei terrestrischer Verblasung gemäß dem zwischen der FVA und der Naturschutzverwaltung abgestimmten Papier (FVA, 2005) ausgespart.
Praxishilfe Helikopter-Kalkungen mit erdfeuchten Materialien in Besenmoos-Lebensstätten 6 Quellen FVA (FORSTLICHE VERSUCHS- UND FORSCHUNGSANSTALT BADEN-W ÜRTTEMBERG) (2005): Bodenschutzkalkung von Wäldern in Baden-Württemberg, Berücksichtigung der Waldbiotope, FFH-Lebensraumtypen und Auerhuhnhabitate LAUBENGAIER, S. & TSCHÖPE, V. (2013): Sensitivitätsanalyse: Der Einfluss der Waldkalkung auf das Grüne Besenmoos (Dicranum viride), FVA-Projektendbericht LFU (LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ IN BADEN-W ÜRTTEMBERG) (2002): Beeinträchtigungen von FFH-Gebieten. Natura 2000 – Beeinträchtigungen, Erhaltungs-, und Entwicklungsmaßnahmen von Lebensraumtypen und Lebensstätten von Arten zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in Baden-Württemberg NOWAK, L. (2013): Sensitivitätsanalyse: Der Einfluss der Waldkalkung auf das Grüne Besenmoos (Dicranum viride), Bachelor-Arbeit, 120 Seiten SCHABEL, A. & TSCHÖPE, V. (2013): Sensitivitätsanalyse: Der Einfluss der Waldkalkung auf das Grüne Besenmoos (Dicranum viride), FVA-Projektbericht
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