Baden-Württemberg 2020 - Grundlagen und Ziele für Monitoring, Forschung und Maßnahmenbegleitung in Waldschutzgebieten
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Baden-Württemberg 2020 Grundlagen und Ziele für Monitoring, Forschung und Maßnahmenbegleitung in Waldschutzgebieten
Inhalt 3 1 Einleitung 4 2 Waldschutzgebiete: Begriffsdefinition 7 3 Zuständigkeiten 9 4 Bannwälder 10 4.1 Funktionen 10 4.1.1 Ökologische Funktion 10 4.1.2 Wissenschaftliche Funktion 12 4.1.3 Gesellschaftliche Funktion 13 4.2 Bannwaldprogramm 14 4.2.1 Ausweisungskriterien 14 4.2.2 Fokusflächen für Monitoring und Forschung 20 4.2.3 Bannwaldmonitoring 25 4.2.4 Forschungsschwerpunkte 32 5 Schonwälder 35 5.1 Zielsetzung 35 5.1.1 Schutzzweck-Kategorien 35 5.1.2 Seltene Waldgesellschaften 38 5.1.3 Historische Waldnutzungsformen 39 5.1.4 Artenförderung 40 5.2 Schonwaldprogramm 41 5.2.1 Ausweisungskriterien 41 5.2.2 Umsetzungsschwerpunkte 42 5.2.3 Forschungsschwerpunkte 43 6 Regionale Waldschutzgebiete 45 7 Wissenstransfer und Öffentlichkeitsarbeit 46 8 Synthese 48 9 Literatur 50 3
1 Einleitung V or dem Hintergrund der wachsenden die wissenschaftliche Betreuung von Bann- und Anforderungen an den Waldnatur- Schonwäldern sowie Fachkriterien für Umsetzung schutz in Zeiten des Klimawandels und Ausweisung. und gestützt durch nationale und internationale Strategien zum Erhalt der biologi- Rahmenbedingungen schen Vielfalt, stehen Ausweisung, Betreuung und In Baden-Württemberg wurden die Ziele der Beobachtung von Waldschutzgebieten in Baden- nationalen Biodiversitätsstrategie (BMUB, 2007) Württemberg wieder verstärkt im Fokus von For- und die Naturschutzstrategie des Landes (MLR, schung und Gesellschaft. Als im Landeswaldgesetz 2013) in einer Gesamtkonzeption Waldnatur- rechtlich verankerte Instrumente des Waldnatur- schutz (FORSTBW, 2015) konkretisiert und für schutzes tragen Waldschutzgebiete zur Umsetzung den Staatswald zu zehn Zielen zusammengefasst. wesentlicher Naturschutzziele bei. Waldbiodiversi- Obwohl sich diese Ziele auf den Staatswald be- tät wird gefördert, zum einen durch das Zulassen ziehen, liefern die im Rahmen der Gesamtkonzep- natürlicher Waldentwicklung, zum anderen durch tion erarbeiteten Handlungsempfehlungen und aktive Schutz- und Pflegemaßnahmen für speziel- Umsetzungskonzepte auch eine Grundlage für den le Arten und Lebensgemeinschaften Naturschutz in den anderen Waldbesitzarten. Bannwälder entwickeln sich ohne menschliche Diese neue Schwerpunktsetzung des Waldnatur- Zielsetzung oder forstlicher Eingriffe als Ergeb- schutzes lieferte den Anstoß für eine Überarbei- nis der Interaktion biotischer und abiotischer tung der Waldschutzgebietskonzeption. Der Fo- Faktoren. Für die Forschung sind sie wichtige kus der Überarbeitung lag auf einer Optimierung Referenzflächen, um die Auswirkung natürlicher des Waldschutzgebietsprogramms im Hinblick auf Waldentwicklung auf die Waldbiodiversität zu die Bereitstellung wissenschaftlicher und praxis- quantifizieren und daraus Grundlagen für eine na- orientierter Grundlagen für die Umsetzung der in turschutzgerechte Waldbewirtschaftung abzuleiten. den politischen Strategien definierten Ziele. Dies beinhaltet sowohl die Ausrichtung des Monito- Schonwälder bieten die Möglichkeit, Ziele des rings und der Forschung, als auch die Definition Biotop- und Artenschutzes durch gezielte Pflege- fachlicher Kriterien für die Auswahl neuer Ge- und Entwicklungsmaßnahmen aktiv und recht- biete. lich verbindlich umzusetzen und ihre Effizienz zu erforschen. Während die erste Waldschutzgebietskonzeption (DIETERICH, 1979; BÜCKING et al., 1993) vor Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt allem Vorschläge für die Ausweisung kleinerer Baden-Württemberg (FVA) erarbeitet im Rahmen Waldschutzgebiete (bis zu 20 ha) nach standorts- ihres Waldschutzgebietsprogramms wissen- kundlichen (Bannwälder) und nutzungshistori- schaftliche Grundlagen für die Bewertung, Be- schen (Schonwälder) Kriterien enthielt, rückte treuung und Ausweisung von Waldschutzgebieten. eine erste Überarbeitung (BÜCKING et al., 1993) Diese fließen in praktische Umsetzungskonzepte erstmals die Bedeutung von Gebietsgröße und ein und spielen eine Rolle bei der Konkretisie- Landschaftszusammenhang für Naturschutz und rung und Operationalisierung politischer und Ökosystemforschung in den Vordergrund. Durch naturschutzfachlicher Ziele. Die mittelfristige die damals neu empfohlene Mindestgröße von inhaltliche und strategische Ausrichtung des 100 ha sollten Bannwälder ausreichend ungestörte Waldschutzgebietsprogramms ist in der Wald- Kernfläche aufweisen, um ein dynamisches Mo- schutzgebietskonzeption zusammengefasst. saik unterschiedlicher Waldentwicklungsphasen Diese definiert die Schwerpunkte im Hinblick auf entwickeln zu können. Die Einführung Regionaler 4
Waldschutzgebiete, einer Kombination aus Bann- und Schonwäldern, zielte auf eine Arrondierung und Vernetzung wertvoller Teilflächen ab. Zusätz- lich wurde ein Flächenkonzept entwickelt, nach dem standörtlich repräsentativ je 1 % der Landes- waldfläche als Bann- oder Schonwald ausgewiesen werden sollten. Zielsetzung Mit der Waldschutzgebietskonzeption 2020 baut die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) auf der bestehen- den Konzeption (MOOSMAYER, 1993) auf und erweitert und konkretisiert diese im Hinblick auf aktuelle Zielsetzungen, Vorgaben und Frage- stellungen. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionen werden Bann- und Schonwälder dabei getrennt betrachtet. Im überarbeiteten Bannwaldprogramm geht es darum, die Kontinuität der langfristig bestehen- den Datenreihen zu garantieren und gleichzeitig die Integration neuer Methoden und Fragestel- lungen zur Erforschung natürlicher Prozesse und deren Auswirkung auf die Biodiversität zu ermög- lichen. Zudem wurde ein Fachkonzept entwickelt, anhand dessen die bestehende Bannwald-Flächen- kulisse im Rahmen der politischen Ziele möglichst sinnvoll ergänzt werden kann, um sowohl ihre Repräsentativität als auch ihren Naturschutzwert zu steigern. Im Schonwaldprogramm wurden die in den jeweiligen Verordnungen definierten Schutzziele systematisiert um ihre Umsetzung - insbesondere im Hinblick auf die neuen Zielsetzungen – zu verstärken. Der Fokus bei der Ausweisung neuer Schonwälder soll sich künftig an den Zielen der genannten Strategien orientieren. Zudem soll das Potential von Schonwäldern zur Evaluierung von Förder- und Pflegemaßnahmen verstärkt genutzt werden. Durch einen optimierten und kombinierten Ein- satz beider, komplementärer Instrumente soll das Waldschutzgebietsprogramm 2020 zum Erhalt und Förderung der Waldbiodiversität in Baden- Württemberg beitragen und gleichzeitig Rahmen- bedingungen für eine umfassende und langfristige Naturschutzforschung liefern. 5
2 Waldschutzgebiete: Begriffsdefinition Z u den Waldschutzgebieten zählen Neben den Bannwäldern gibt es in Baden-Würt- Bann- und Schonwälder. Diese werden temberg weitere geschützte Wälder mit natürlicher nach Landeswaldgesetz (LWaldG § 32) Entwicklung, welche nach Bundesnaturschutz- durch die zuständige höhere Forst- gesetz ausgewiesen werden. Hierzu zählen die behörde (Regierungspräsidium Freiburg oder Kernzonen von Großschutzgebieten, d.h. der Körperschaftsforstdirektion) per Rechtsver- Biosphärengebiete (nach BNatSchG § 25) und ordnung ausgewiesen. Während Bannwälder der des Nationalparks (nach BNatSchG § 24). Die natürlichen Waldentwicklung überlassen werden, beiden Schutzgebietskategorien Bannwälder ist die waldbauliche Behandlung in Schonwäldern und Kernzonen unterliegen dem Prozessschutz auf ein spezielles Schutzziel ausgerichtet, das in und werden daher unter dem Sammelbegriff der Rechtsverordnung festgehalten ist. Soweit Prozessschutzflächen (PdF – dem Prozess- die Verordnung spezielle Bestimmungen zum schutz dienende Flächen) zusammengefasst Artenschutz enthält, werden diese mit der (Abbildung 1). Die Kernzonen werden hier höheren Naturschutzbehörde abgestimmt. genannt, da auch nach Bundesnaturschutzgesetz ausgewiesene Prozessschutzflächen (z.B. die im Wald liegenden Kernzonen der Biosphärengebiete Baden-Württembergs) im Rahmen des Wald- schutzgebietsprogramms untersucht werden. Bundesnaturschutz- Landeswald- Prozessschutzflächen (PdF) gesetz (BNatSchG) gesetz (LWaldG) § 24 Nationalparks § 32 Waldschutzgebiete • Bannwald (BW) § 25 Biosphärengebiete • Biosphärengebiets-Kernzone (BK) • Bannwald • Nationalpark-Kernzone (NK) • Biosphärengebiets-Kernzone • Schonwald • Nationalpark-Kernzone Abb.1 | Die Waldschutzgebietskonzeption bezieht sich auf Flächen (Prozessschutzflächen und Schonwälder, die nach unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen ausgewiesen werden. Per Rechtsverordnung, nach Landeswaldgesetz (Bannwälder) oder Bundesnaturschutzgesetz (Kernzonen der Großschutzgebiete) ausgewiesene, nicht bewirtschaftete Waldflächen werden unter dem Begriff Prozessschutzflächen zusammengefasst. 7
Bannwälder sind… ⇨ Waldschutzgebiete, die der natürlichen Entwicklung überlassen werden (Prozess- schutz). Forstliche Eingriffe oder Pflegemaß- nahmen sind nicht erlaubt, es soll ein »Urwald von morgen« entstehen. ⇨ Schutzgebiete, deren Entwicklung keiner Ziel- setzung unterliegt. Natürliche Störungen und Zufallsereignisse dürfen ungehindert ablaufen, der Mensch nimmt lediglich eine beobachtende Position ein. ⇨ Referenzgebiete für die Erforschung der natür- lichen Dynamik von Wäldern und ihrer Rolle für die Waldbiodiversität und für den Waldbau. Schonwälder sind… ⇨ bewirtschaftete Waldschutzgebiete, in denen forstliche Eingriffe auf ein definiertes Schutz- ziel ausgerichtet sind. Sie können dem Erhalt oder der Entwicklung besonderer Waldgesell- schaften, landschaftstypischer Waldbestände, historischer Waldnutzungsformen, lichter Strukturen oder der Lebensraumförderung gefährdeter Tier- und Pflanzenarten dienen. ⇨ geeignete Versuchsflächen für die Erforschung der Auswirkung von Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen auf die Waldbiodiversität. 8
3 Zuständigkeiten F ür die Ausweisung und Betreuung Die Forstaufsicht fällt in die Zuständigkeit der Waldschutzgebiete in Baden- der jeweiligen unteren Forstbehörde und Württemberg sind unterschied- wird i.d.R. von den jeweiligen hoheitlich liche Stellen zuständig, die eng zuständigen Revierleitenden ausgeübt. zusammenarbeiten (Abbildung 2). Die wissenschaftliche Betreuung der Wald- Die verwaltungsrechtliche Zuständigkeit liegt schutzgebiete erfolgt durch die Forstliche nach § 36 LWaldG bei der höheren Forstbehörde Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Würt- (Regierungspräsidium Freiburg, Referat 84, temberg (FVA), Abteilung Waldnaturschutz. Sie Waldnaturschutz, Biodiversität und Waldbau ist zuständig für die waldökologische Forschung bzw. bei der Körperschaftsforstdirektion). und das langfristige Monitoring. Sie hat eine Sie ist für das Ausweisungsverfahren gemäß beratende Funktion bei der Ausweisung der VwV Waldschutzgebiete1, für die Schutz- Schutzgebiete, bei Befreiungen von Verboten gebietsverordnungen sowie in der Regel für sowie bei Fragen der forstlichen Praxis. Sondergenehmigungen zuständig. Ihr obliegen alle rechtlichen Entscheidungen im Zusammen- Bei der Gebietsausweisung, der Definition von hang mit den Schutzgebietsverordnungen. Schutzzielen oder der Bewertung von Eingriffen und Ausnahmegenehmigungen pflegen die Die Umsetzung von Maßnahmen vor höhere Forstbehörde (Regierungspräsidium Ort, d.h. die Pflege von Schonwäldern im Freiburg) und die FVA einen intensiven Rahmen der definierten Schutzziele oder die fachlichen Austausch. Bei Fragen, die die Sicherstellung der Flächenstilllegung in Bann- einzelnen Gebiete betreffen, stehen sie in wäldern, obliegt den betroffenen Waldbesitzern direktem Kontakt mit den zuständigen unteren (Forstbetrieben). Die Pflegemaßnahmen Forstbehörden und den Waldbesitzenden. in Schonwäldern erfolgen im öffentlichen Wald auf Grundlage der Forsteinrichtung. MLR BW Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg LFV BW Anträge LandesForstVerwaltung Baden-Württemberg Genehmigungen Höhere Forstbehörde Forstliche Versuchs- Untere Forstbehörden, Regierungspräsidium und Forschungsanstalt Forstaufsicht/Revierleitende (RL) Freiburg Baden-Württemberg Waldbesitzende Rechtliches Fachliches Umsetzung HHHHHHI Beratung Fachlicher • Ausweisungen durch Austausch • Forschung HHHHHHHHI • Maßnahmen JHH H HI Verordnungen • Flächenauswahl- bzw. Stilllegung • Erteilung des und Beurteilung • Information Information Einvernehmens • Beratung Abb.2 | Aufteilung der Zuständigkeiten für Ausweisung, Betreuung und Beforschung von Waldschutzgebieten. 1 Gesamtvorschrift in der Gültigkeit zum 31.12.2017 bis 31.12.2024: Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz über die Ausweisung von Waldschutz- gebieten nach § 32 des Landeswaldgesetzes sowie deren Schutz und Pflege (VwV Waldschutzgebiete) vom 9. Dezember 2010 – Az.: 52-8604.13/8602.50 – Fundstelle: GABl. 2010, S. 568; geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 04.12.2017 (GABl. 2017, S. 721) 9
4 Bannwälder 4.1 Funktionen Bannwälder haben drei wesentliche Funktionen: Urwaldreliktarten sind in hohem Maß auf eine Die ökologische Funktion beinhaltet den Schutz lange Habitattradition angewiesen und brauchen natürlicher Prozesse und ihrer Auswirkungen häufig große Mengen an Totholz unterschied- auf die Waldbiodiversität. Die wissenschaft- licher Qualität und Zersetzungsgrade (BÄSSLER liche Funktion liegt in der Erforschung der u. MÜLLER, 2010), wie sie sich nur in Schutz- natürlichen Waldentwicklung ohne den Einfluss gebieten entwickeln können, in denen großflächig des Menschen unter bestehenden oder sich natürliche Dynamik und Störungen zugelassen ändernden Umweltbedingungen. Umweltbildung werden. Will man langfristig überlebensfähige und Naturerlebnis sind Teile der gesellschaft- Populationen solcher hochspezialisierter Arten lichen Funktion von Bannwäldern. Aus erhalten, muss man ihnen ausreichend zusam- diesen Anforderungen an die Bannwälder in menhängenden Lebensraum bieten. Kleine Still- Baden-Württemberg leiten sich unter anderem legungsflächen, wie sie in Baden-Württemberg die Kriterien für Neuausweisungen ab. durch das Alt- und Totholzkonzept (FORSTBW, 2016) entstehen, sollen einen Beitrag zur funktio- 4.1.1 Ökologische Funktion nellen Vernetzung größerer Prozessschutzflächen leisten. Zwar wird in Europa eine naturnahe Waldbe- wirtschaftung praktiziert (BAUHUS et al., 2013), Allerdings profitieren nicht alle Artengruppen dennoch fehlen diesen Wäldern die Strukturmerk- gleichermaßen von der Stilllegung von Waldge- male, wie sie Waldökosysteme besitzen, die durch bieten (PAILLET et al., 2010). Dies liegt teilweise natürliche Sukzession und Dynamik entstanden auch daran, dass die heute bestehenden Bannwäl- sind (PETERKEN, 1996). Insbesondere Alters- der auch nach Stilllegungszeiträumen von bis zu und Zerfallsphasen sind im bewirtschafteten rund 100 Jahren noch relativ jung sind und noch Wald unterrepräsentiert (SPIES u. TURNER, Jahrzehnte benötigen werden, bis sie die Funktion 1999), aber auch Lücken und lichte Strukturen, alter Wälder erfüllen können. die durch natürliche Störungen wie Schneebruch, Sturmwurf, Verbiss oder Insektenbefall entstehen Die Ausweisung bewirtschafteter Waldflächen als (KULAKOWSKI et al., 2017) und ein vielfältiges Bannwald ist zunächst häufig mit einer tem- Strukturmosaik bilden können (KORPEL, 1995; porären »Verdunkelung« verbunden (HEIRI et CADA et al., 2016). al., 2012), die sich insbesondere auf licht- und wärmeliebende Arten negativ auswirken kann Viele der im Wald vorkommenden Arten, die (BRAUNISCH et al., 2019), bis natürliche Zerfalls- an diese Waldstrukturen gebunden sind, sind in und Störungsprozesse zu Auflichtungen führen. ihrem Bestand gefährdet oder vom Aussterben Um diese Entwicklung zu ermöglichen, ist eine bedroht (SCHERZINGER, 1997). Während Licht- langfristige, rechtliche Sicherung von Prozess- waldstrukturen auch durch forstliche Maßnahmen schutzgebieten erforderlich (BOLLMANN, 2011; gefördert werden können, profitieren von Prozess- BOLLMANN u. BRAUNISCH, 2013). schutzgebieten vor allem Arten, die an Alt- und Totholz gebunden sind. Biologisch alte Bestände und Wälder ohne forstliche Nutzung spielen zu- dem eine wichtige Rolle beim Erhalt der begrenz- ten Ressourcen für »Urwaldreliktarten« (MÜLLER et al., 2005) oder »Arten alter Wälder« (HERMY u. VERHEYEN, 2007; BOLLMANN u. MÜLLER, 2012). 10
Dreizehenspecht | Picoides tridactylus Flacher Lackporling | Ganoderma applanatum Rindenschröter | Ceruchus chrysomelinus 11
4.1.2 Wissenschaftliche Funktion Bannwälder stellen einzigartige Referenzflächen Welche Strukturen entwickeln sich in Prozess- für die Forschung dar. Bereits in den 1930er Jah- schutzgebieten? Welche Artengruppen profitieren ren fanden vegetationskundliche, standortskundli- davon? Welche waldstrukturellen Zielgrößen che und bestandesstrukturelle Untersuchungen in lassen sich daraus für eine naturnahe Waldbewirt- den damaligen »Banngebieten« Baden-Württem- schaftung ableiten? Auch die Entwicklung von bergs statt (BÜCKING, 1990). Das Europäische Baumarten und Waldökosystemen im Klimawan- Naturschutzjahr 1970 brachte einen entscheiden- del und die Bedeutung der genetischen Diversität den Anschub für die Forschung in Naturwaldre- sind aktuelle Forschungsthemen. servaten in ganz Europa. In Baden-Württemberg wurden zahlreiche Bannwälder neu ausgewiesen Grundlage für die Naturwaldforschung in Baden- und die FVA mit der Forschung in Bannwäldern Württemberg liefert ein langfristiges Monitoring beauftragt. der Waldentwicklung, basierend auf terrestrischen Inventurverfahren (Waldstrukturaufnahme, WSA), Während in den Anfangsjahren der Naturwaldfor- zunehmend ergänzt durch Fernerkundungsdaten. schung noch überwiegend waldwachstumskundli- Zusammen mit Erhebungen von Fauna und Flora che Fragestellungen zur Bewertung waldbaulicher liefert es Daten für die Beantwortung zahlreicher Verfahren im Vordergrund standen, entwickelte waldökologischer Fragestellungen. sie sich zunehmend in Richtung Waldökologie und Biodiversität, mit dem Ziel, Grundlagen für eine naturnaheWaldbewirtschaftung abzuleiten. 12
4.1.3 Gesellschaftliche Funktion Bannwälder sind entstehende Wildnis. Die Ent- Bannwälder sind beliebte Erholungsräume, bei wicklung der »Urwälder von morgen« ist nicht nur denen die Erholungsfunktion jedoch mit der Ziel- wissenschaftlich interessant, sondern bietet auch setzung einer natürlichen Waldentwicklung im ein besonderes Naturerlebnis. Die Information Einklang stehen sollte. Da nur dringend erforder- von Fachpublikum und Waldbesuchenden unter- liche Forstwege funktionsfähig erhalten werden schiedlichen Alters, sowie eine zielgruppenorien- und keine Verkehrssicherung zum Schutz der tierte Vermittlung ökologischer Zusammenhänge Waldbesuchenden stattfindet, wird auf Erho- im Rahmen von Exkursionen und Vorträgen sind lungs-Infrastruktur wie Bänke, Informationstafeln, daher wichtige Komponenten des Waldschutzge- Schutzhütten oder Picknickstellen innerhalb des bietsprogramms. Ein Teil der Öffentlichkeitsarbeit Bannwalds verzichtet. Diese werden stattdessen erfolgt häufig auch durch die unteren Forstbe- außerhalb des Gebietes oder an Punkten konzen- hörden und Revierleitenden, die naturkundliche triert, die eine gute Aussicht auf das Waldgebiet Führungen anbieten. bieten. 13
4.2 Bannwaldprogramm 4.2.1.1 Kriterien für die Auswahl neu 4.2.1 Ausweisung von Bannwäldern auszuweisender Bannwälder Aufbauend auf der nationalen Strategie zur bio- Bei der Bannwaldausweisung stand bisher haupt- logischen Vielfalt (BMUB, 2007) sieht die Natur- sächlich eine repräsentative Verteilung der Bann- schutzstrategie Baden-Württemberg vor, 5 % der wälder auf Naturräume und Waldgesellschaften Gesamtwaldfläche aus der forstlichen Nutzung Baden-Württembergs im Vordergrund. Mit der zu nehmen (MLR, 2013). Die Gesamtkonzeption Waldschutzgebietskonzeption von 1993 kam der Waldnaturschutz des Landesforstbetriebs ForstBW besondere Schutz seltener Waldgesellschaften (Ziel 8: Prozessschutz) trägt zur Umsetzung dieses hinzu (BÜCKING et al., 1993). Die theoretisch Ziels bei, indem 10 % der Staatswaldfläche Baden- definierten Fachkriterien wurden in der Praxis Württembergs der natürlichen Waldentwick- jedoch häufig von forstpraktischen und ökono- lung überlassen werden soll (FORSTBW, 2015). mischen Aspekten überlagert, weswegen sich die Mindestens 3 % davon sollen auf langfristig durch bestehenden Bannwälder überdurchschnittlich Rechtsverordnung gesicherte Flächen (d.h. Bann- häufig in schlecht zugänglichen Steillagen befin- wälder und Großschutzgebiets-Kernzonen) entfal- den (FVA, 2021a). len (MLR, 2013). Dies erfordert ein Fachkonzept für eine gezielte Auswahl neuer Bannwaldflächen. Neue Gebiete sollten daher zum einen die Re- präsentativität der Bannwald-Flächenkulisse Neuausweisungen von Bannwäldern sollten auf verbessern und zum anderen Flächen abbilden, eine Optimierung der beschriebenen Funktionen die im Hinblick auf die ökologische Funktion von Bannwäldern ausgerichtet sein. Während die besonders hochwertig sind. Möglichst alte, natur- wissenschaftliche Funktion eine repräsentative nahe und strukturreiche Wälder sollen in die Verteilung der Flächen auf Waldgesellschaften Kulisse aufgenommen werden, da erwartet wird, und standörtliche Einheiten erfordert, sind für die dass sie schneller »Urwald«-ähnliche Strukturen ökologische Funktion insbesondere Kriterien der entwickeln können (BRAUNISCH et al., 2019). Waldgeschichte (Habitattradition), der ökologi- Zusätzlich sollen, wo sinnvoll, auch ökonomische schen Ausstattung (z.B. strukturelle Ausstattung, Aspekte berücksichtigt werden. In einer Arbeits- Naturnähe, Alter) sowie der Flächengröße und gruppe von Experten wurden dafür ein Kriterien- räumlichen Verteilung (Vernetzung) von Bedeu- katalog und die relevanten Indikatoren für deren tung. Umsetzung erarbeitet (Tabelle 1). 14
Tab.1 | Auswahlkriterien für zukünftige Prozessschutzflächen. Ziele Kriterien Indikatoren Erforschung Klima-Höhenstufen 1. natürlicher natürliche Waldgesellschaften (Definition gemäß der Bundeswaldinventur) Repräsentativität Waldprozesse Topographie (Hangneigung, Exposition) 2. hohe Naturnähebewertung der Baumartenzusammensetzung Habitatqualität lange Habitattradition (Zustand) vielfältige vertikale Struktur hoher Anteil an höheren Altersklassen Schutz des Vorkommen von Urwaldreliktarten/Prozessschutzarten (Pflanzen/Tiere/Pilze/Flechten) naturschutz- 3. Vermeidung naturschutzfachliche Zielkonflikte aufgrund von: fachlichen Artvorkommen Potenzials · pflegebedürftiger Waldbiotope (seltene Waldgesellschaften, Naturgebilde, Sonderstandorte) und Zielkonflikte · pflegebedürftiger Arten (z.B. Lichtwaldarten) geringe Distanz zu bestehenden Wäldern mit natürlicher Entwicklung 4. hohe Kompaktheit1 der Prozessschutzflächen Vernetzung Vermeidung von Randeinflüssen und Zerschneidung durch Infrastruktur und Besiedelung Vermeidung hoher ökonomischen Kosten Ökonomische 5. geringer Bestandeswert Optimierung Umsetzungskosten geringer Anteil an ökonomisch bedeutsamen Waldentwicklungsklassen (LWET: Douglasie, Fichte, Kiefer) 1 hohe Kompaktheit: niedriges Verhältnis Umfang zur Fläche Was ist neu? Die Kriterien für die Auswahl neuer Bannwaldflächen wurden überarbeitet und ergänzt. Folgende Kriterien sollen systematisch berücksichtigt werden: • Repräsentativität: Klimahöhenstufen, Waldgesell- • Vernetzung: Neue Gebiete sollen bevorzugt eine schaften und topografische Bedingungen sollen durch geringe Distanz zu bestehenden Prozessschutz- das Bannwaldprogramm repräsentativ abgebildet flächen haben, oder diese erweitern, um die unbe- werden. einflusste Fläche zu vergrößern. Zusätzlich sollen bei zukünftigen Gebieten Randeinflüsse oder Zerschnei- • Habitatqualität: Besonders alte, naturnahe Flächen dung durch Infrastruktur vermieden werden. mit langer Habitattradition und mit hoher struktu- reller Vielfalt erreichen in kürzerer Zeit die Eigen- • Umsetzungskosten: Bei gleicher Eignung im Hinblick schaften von Naturwäldern und werden bevorzugt. auf die genannten naturschutzfachlichen und Repräsentanz-Kriterien sollen Flächen mit geringeren • Artvorkommen und Zielkonflikte: Gebiete mit Bestandeswerten oder ökonomisch weniger bedeut- Vorkommen seltener Urwaldreliktarten werden samen Waldentwicklungstypen bevorzugt werden. bevorzugt. Flächen, auf denen aktive Maßnahmen zur Erhaltung der Biodiversität notwendig sind, werden ausgeschlossen. 15
4.2.1.2 Fachkonzept: Prioritätsflächen Für die verbleibenden Staatswaldgebiete wurden für Neuausweisungen im Staatswald im zweiten Schritt Flächenmodellierungen mit der Optimierungs-Software MARXAN (BALL et al., Eine gleichzeitige Berücksichtigung und Optimie- 2009) durchgeführt, um Flächen zu identifizieren, rung aller genannten Kriterien und Indikatoren die künftig als prioritäre Flächenkulisse für die über die gesamte Waldfläche Baden-Württem- Ausweisung neuer Prozessschutzflächen dienen bergs hinweg ist allein mit gutachterlichen Metho- sollen. Dabei wurden drei Szenarien verglichen, den nicht möglich. Bei der Herleitung geeigneter bei denen verschiedene Ansprüche an die Opti- Flächen für Schutzgebietsausweisungen können mierung der oben genannten Kriterien gestellt daher mathematische Algorithmen zur »systema- und unterschiedliche politische Flächenziele an- tischen Naturschutzplanung« (Systematic Conser- genommen wurden. vation Planning, SCP) (MARGULES u. PRESSEY, 2000) helfen. Diese Algorithmen identifizieren, Die resultierende Flächenkulisse weist drei Priori- basierend auf räumlich expliziten Daten zu den tätsstufen aus und stellt grobe »Suchräume« bereit, Indikatoren der Kriterien »Repräsentativität« und innerhalb derer für eine genaue Flächenabgren- »Habitatqualität«, die Waldflächen, auf denen die zung weitere Prüfkriterien bzw. Entscheidungs- genannten Kriterien bestmöglich erfüllt werden hilfen herangezogen werden sollten: Zum einen (BALL et al., 2009). Dabei wird nicht nur auf die müssen potentielle Zielkonflikte mit anderen Optimierung der Kriterien im einzelnen Gebiet Schutzobjekten (z.B. Biotopen oder Lebens- geachtet, sondern auch auf Komplementarität, das räumen hochgradig gefährdeter Arten, für die heißt auf die Optimierung aller Kriterien über die Pflegemaßnahmen erforderlich sind) geprüft und Gesamtkombination aller potentiellen Flächen bewertet werden. Zum anderen sollte die potenti- hinweg. Der Vorteil von SCP-Algorithmen ist die elle Bannwaldfläche im Hinblick auf ihre mögliche transparente und objektive Herangehensweise, die Funktion in einem ökologischen Vernetzungs- eine nachvollziehbare Identifizierung von Gebie- konzept geprüft werden. Als weitere Entschei- ten unter Berücksichtigung definierter Kriterien dungshilfe wurde die ökonomische Wertigkeit der erlaubt. Flächen berechnet. Eine solche, systematische Flächenselektion wurde Das Fachkonzept stellt damit eine großräumige für den Staatswald durchgeführt und liefert eine Planungsgrundlage für die Ausweisung neuer Grundlage, um bei der Planung von Neuauswei- Prozessschutzflächen im Staatswald Baden-Würt- sungen im Rahmen des Ziels, 10 %-des Staatwal- tembergs dar. Die konkrete Flächenabgrenzung des als Prozessschutzflächen auszuweisen, die auf Bestandesebene muss jedoch vor Ort, in vielfältigen Ansprüche an Bannwälder bestmög- Zusammenarbeit mit den Waldbesitzenden, Forst- lich zu erfüllen (FVA, 2021b). Für diese Selektion und ggf. Naturschutzbehörden und unter Berück- wurden im ersten Schritt Waldgebiete mit er- sichtigung der lokalen Gegebenheiten, erfolgen. höhten Randeinflüssen durch Infrastruktur oder Besiedelungen identifiziert und ausgeschlossen. Was ist neu? • Mit Hilfe von Optimierungsalgorithmen wurden • Flächen, auf denen aktive Maßnahmen zur Erhaltung im Staatswald systematisch Prioritätsflächen für der Biodiversität notwendig sind, werden ausge- Neuausweisungen von Bannwäldern identifiziert, schlossen. auf denen die Kriterien bestmöglich erfüllt werden können. • Die Prioritätsflächen stellen »Suchräume« für neue Bannwälder dar, die konkrete Abgrenzung soll unter • Dabei wurden nicht nur die Eigenschaften der Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten erfolgen. jeweiligen Einzelfläche, sondern auch deren Funktion im Bannwaldkollektiv berücksichtigt. 16
17 Bannwald Faulbach
4.2.1.3 Flächengröße In Baden-Württemberg existieren unterschiedli- che Elemente eines Netzwerks von nutzungsfreien Die erforderliche Mindestgröße von Prozess- Waldflächen auf unterschiedlichen Maßstabsebe- schutzgebieten und daraus abzuleitende Zielgrö- nen. Die größten Flächen bilden die Kernzonen ßen für Bannwälder werden kontrovers diskutiert. des Nationalparks Schwarzwald, gefolgt von Da die Bedeutung der Schutzgebietsfläche stark Bannwäldern und den Kernzonen der Biosphä- vom betrachteten Ziel abhängt, ist eine einheit- rengebiete. Kleinere Einheiten bilden die Wald- liche Mindestgröße schwer zu definieren (MEYER refugien (i.d.R. 1-3 ha, maximal 20 ha) sowie die et al., 2011). Die häufig geforderte Mindestfläche Habitatbaumgruppen im Rahmen des Alt- und von 100 ha für Prozessschutzgebiete leitet sich aus Totholzkonzeptes (FORSTBW, 2010). Waldrefu- dem Phasenzyklus für verschiedene Waldtypen gien und Habitatbaumgruppen zusammen sollen unter natürlichen Entwicklungsbedingungen ab flächendeckend Alt- und Totholzstrukturen im (ALBRECHT, 1991): Sie ermöglicht ein mosaik- Wirtschaftswald bereitstellen, werden jedoch nicht artiges Nebeneinander der verschiedenen Sukzes- per Rechtsverordnung ausgewiesen, sondern als sionsstadien. Dies erhöht die Kapazität, das Arten- freiwillige Leistung des Waldbesitzers » gesichert«. und Strukturinventar nach natürlichen Störungen Im öffentlichen Wald erfolgt dies in der Regel im zu regenerieren (PICKETT u. THOMPSON, 1978; Rahmen der Forsteinrichtung oder eines Öko- TURNER et al., 1998), und im Idealfall überle- kontos. bensfähige Populationen seltener oder spezialisier- ter Arten zu beherbergen. Die Flächengrößen der aktuell bestehenden Bann- wälder in Baden-Württemberg fallen sehr unter- Aus Sicht des Biodiversitätsschutzes lässt sich schiedlich aus, von kleinen Gebieten mit weniger keine einheitliche Mindestfläche festlegen, da als 5 ha bis zu sehr großen Gebieten mit mehr als Flächenanforderungen je nach Organismengruppe 400 ha (FVA, 2021a). Bannwälder nehmen somit variieren. Für überlebensfähige Populationen von hinsichtlich ihrer Größe eine Zwischenstellung Arten mit großen Raumansprüchen (z.B. Schwarz- zwischen Nationalpark-Kernzonen und Waldrefu- storch, Dreizehenspecht) sind 100 ha - Flächen gien ein. viel zu klein (JIGUET u. VILLARUBIAS, 2004; PECHACEK u. D’OLEIRE-OLTMANNS, 2004) Um Randeffekte zu verringern und ein Sukzes- während für Arthropoden wie einige Totholz- sionsmosaik zu ermöglichen, sollen neue Bann- käferarten bereits 3 bis 5 ha ausreichen können wälder auch weiterhin eine Mindestgröße von (MÜLLER et al., 2005). Arten mit großen Raum- 100 ha erreichen. Kleinere Bannwälder sollen, wo ansprüchen können in den Wäldern Zentraleuro- es möglich und entsprechend der Ausweisungs- pas meist nur in einem Metapopulationssystem kriterien sinnvoll ist, erweitert werden, um diese erhalten werden, in denen für Reproduktion Mindestgröße zu erreichen. Dabei werden kom- geeignete Kernflächen über Vernetzungselemente pakte Gebietsformen angestrebt. in Verbindung stehen. Die benötigte Größe von Kernflächen und die Distanz zwischen Vernet- Allerdings können in besonderen Fällen auch zungselementen sind dabei von den ökologischen kleinere Flächen sinnvoll als Bannwald ausgewie- Ansprüchen und der Mobilität der Arten abhängig. sen werden. Bei schützenswerten, nur kleinflächig Generell gilt jedoch: Mit zunehmender Flächen- vorkommenden seltenen Waldgesellschaften, bei größe erhöht sich die standörtliche Vielfalt und wissenschaftlich oder ökologisch interessanten ökologische Resilienz. Eine Verzehnfachung der Eigenschaften (z.B. natürliche Störungsflächen Schutzgebietsfläche bewirkt in der Regel eine Ver- wie Sturmwurfflächen, Waldbrandflächen oder doppelung der Artenzahl (CONNOR u. MCCOY, Überschwemmungsgebiete) oder bei besonderer 1979). Neben der reinen Flächengröße ist jedoch Bedeutung als Vernetzungselemente mit Tritt- auch die Kompaktheit der Flächen sowie die steinfunktion für spezialisierte Arten können Qualität der sie umgebenden Waldmatrix von Be- Bannwälder mit Flächen zwischen 20 und 100 ha deutung, insbesondere bei kleineren Flächen, die eingerichtet werden. Hierdurch wird die Flächen- verstärkt unerwünschten Randeffekten (FENGER, größen-bezogene »Lücke« zwischen Waldrefugien 1996) ausgesetzt sind. (bis 20 ha) und dem Standard-Bannwald (ab 100 ha) geschlossen. 18
Was ist neu? • Bei ökologisch oder wissenschaftlich interessanten • Bei der Neuausweisung von Bannwäldern wird Besonderheiten (kleinflächige, seltene Waldgesell- weiterhin eine Mindestfläche von 100 ha angestrebt. schaften, Störungsflächen, Vernetzungsfunktion) können in Ausnahmefällen auch kleinere Flächen • Kleinere, bestehende Bannwälder sollen, wenn (< 100 ha) ausgewiesen werden. entsprechend der Ausweisungskriterien sinnvoll, auf Flächen > 100 ha erweitert werden. • Kompakte, arrondierte Flächenformen werden angestrebt. 19
4.2.2 Fokusflächen für Monitoring und Forschung Forschung ist eine besondere Aufgabe, die in der Aussagen für die einzelne Fläche treffen zu Rechtsverordnung der Bannwälder verankert können, sollte jede Fokusfläche mit mindestens ist. Nicht alle Prozessschutzflächen sind jedoch 40 Stichprobenpunkten repräsentiert sein. gleichermaßen für die Naturwaldforschung geeignet. Manche sind beispielsweise zu klein Nach den genannten Kriterien wurden 50 von oder aufgrund einer ungünstigen Form zu vielen 157 Prozessschutzflächen als Fokusflächen Randeffekten ausgesetzt. Um die Effizienz der zur (Abbildung 3) für ein regelmäßiges Monitoring Verfügung stehenden Ressourcen zu optimieren, ausgewählt (Tabelle 2). Die übrigen Flächen kön- wurden prioritäre Prozessschutzflächen für Moni- nen gezielt zur Beantwortung spezieller Fragestel- toring und Forschung identifiziert. Diese Fokusflä- lungen zusätzlich aufgenommen werden, dienen chen sollten primär die großen naturräumlichen jedoch prioritär dem Prozessschutz. Neu ausge- Einheiten Baden-Württembergs – Wuchsgebiete wiesene Prozessschutzflächen können gegebenen- (MICHIELS, 2014), z.T. zu Gruppen zusammen- falls in das Kollektiv der Fokusflächen aufgenom- gefasst, repräsentieren, möglichst lange aus der men werden, wenn sie Eigenschaften aufweisen, forstlichen Nutzung genommen sein und bereits die in den derzeit existierenden Prozessschutz- mindestens eine Waldstrukturaufnahme durchlau- flächen unterrepräsentiert sind oder wenn sie aus fen haben. Große und kompakte Flächen wurden anderen Gründen ein hohes Potential aufweisen, bei der Auswahl bevorzugt, um Randeffekte mög- in der Zukunft wertvolle Informationen zur natür- lichst zu vermeiden. Um fundierte strukturelle lichen Waldentwicklung oder zur Waldbiodiversi- tät liefern zu können. Was ist neu? • Aus dem Kollektiv aller Prozessschutzflächen wurden • Die übrigen Bannwälder werden nur in besonderen je Naturraum Fokusflächen selektiert, auf die sich Fällen zur Beantwortung spezieller Fragestellungen das langfristige Monitoring im Rahmen des Wald- untersucht und dienen prioritär dem Prozessschutz. schutzgebietsprogramms künftig konzentriert. • Neu ausgewiesene Bannwälder können • Auswahlkriterien sind Repräsentativität für den in das Kollektiv der Fokusflächen aufge- Naturraum (Wuchsgebiet), Ausweisungsdauer, nommen werden, wenn sie dieses durch Anzahl der Waldstrukturaufnahmen, Größe und ihre Eigenschaften sinnvoll ergänzen. Flächenform. 20
Mannheim Heilbronn Stuttgart Ulm Freiburg Konstanz Abb.3 | Lage der Fokusflächen. Fokusflächen (FF) Fokusflächen (FF)Übrige Prozessschutzflächen (PdF) Prozessschutzflächen (PdF)WuchsgebieteWuchsgebiete < 50 < 50 haha < 50 200 150 - 200 >ha200 ha > 200 ha > 200 ha 21
Tab.2 | Übersicht der Fokusflächen. Wuchs- Fläche Erst- Anzahl gebiet Typ Name [ha] erklärungsjahr Stichproben- punkte NK Wilder See 151 1911 90 NK Hoher Ochsenkopf-Nägleliskopf 98 1970 235 BW Zweribach 76 1970 98 BW Wildseemoor 281 1928 94 BW Waldmoor-Torfstich 66 1970 87 BK Schwarzahalden 282 1970 136 BK Flüh 50 1970 77 BK Faulbach 77 1970 85 BK Napf 175 1970 142 BK Scheibenfelsen 81 1991 54 Schwarzwald BW Teufelsries 39 1992 83 BW Feldseewald 102 1993 56 BW Eiberg 97 1997 71 BW Bärlochkar 102 1997 62 BW Stürmlesloch 100 1998 71 BW Schnepfenmoos 42 1999 67 BW Altlochkar-Rotwasser 106 2000 45 BW Maienberg 121 2001 85 BW Riedis 81 2002 50 BW Siedigkopf 97 2003 71 BK Bosler 41 2008 48 BK Pfannenberg 72 1986 108 BK Donntal-Lange Steige 216 1995 61 BK Kaltental 64 2008 47 BK Nägelesfelsen-Eichhalde 83 2008 81 BK Drackenberg 81 2008 50 Schwäbische BK Föhrenberg 191 2008 66 Alb BK Baldeck 68 2008 55 BK Jörgenbühl - Geichenbuch 100 2008 64 BK Hochberg-Amseltal 96 2008 66 BK Gieselwald-Heumacher 77 2008 59 BK Rabensteig 42 2008 23 BW Untereck 86 1939 60 BW Rabensteig 127 1970 50 BW Weisweiler Rheinwald 78 1970 99 BW Taubergießen 190 1986 146 BW Schwetzinger Hardt 143 2013 248 Oberrheinisches Tiefland BW Schnapsried 100 1970 71 BW Hollmuth 136 1998 100 Neckarland BW Schlierbach 29 1970 68 BW Hofstatt 42 1990 62 Odenwald BW Silbersandgrube 20 1993 52 BW Schüßlersklinge 111 1995 49 BW Altspöck 123 1995 86 BW Schmalegger Tobel 124 1970 83 BW Dornachried 65 1924 78 Südwestliches BW Brunnenholzried 164 1924 71 Alpenvorland BW Allgaier Riedle 50 1924 54 BW Pfrunger-Burgweiler Ried 441 1991 88 BW Bayrischer Schlag 64 1993 53 NK Nationalpark-Kernzone/ehemaliger Bannwald BW Bannwald BK Biosphärengebiets-Kernzone 22
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Grenzbaum r1 Azimuth 5m g un fern Ent r2 Abb.4 | Probekreis für die terrestrische Waldstrukturaufnahme: Die Probekreisfläche (Radius r1=17,84 m) ist grün, die Satelliten- kreise zur Aufnahme der Verjüngung (Radius r2=1,78 m) grau dargestellt. Innerhalb der Probekreisfläche wird jeder Baum ab einem Brusthöhendurchmesser von 7 cm in seiner Lage relativ zum Kreismittelpunkt eingemessen und aufgenommen. 4.2.3 Bannwaldmonitoring Zur Erforschung der natürlichen Waldentwicklung werden in Baden-Württemberg seit Jahrzehn- ten Waldstrukturdaten erhoben. Ergebnis dieses Monitorings sind langfristige Zeitreihen, die als Datengrundlage für die unterschiedlichsten For- schungsprojekte in den Bereichen Walddynamik, Biodiversitäts- und Klimafolgenforschung dienen. Die Ansprüche an ein Monitoring-Programm in Bannwäldern sind dabei hoch: In der Vergangen- heit aufgebaute Zeitreihen dürfen nicht unter- brochen und Aufnahmeparameter nicht verändert werden, so dass die Datenkonsistenz erhalten bleibt. Gleichzeitig muss sich die Aufnahmeme- thodik flexibel an neue Technologien anpassen lassen und ermöglichen, nicht nur Antworten auf aktuelle sondern auch auf mögliche zukünftige Fragestellungen zu geben. 25
Traditionell wurden die Waldstrukturen in Bann- aufgenommen, wobei zwischen drei Höhenklas- wäldern terrestrisch erhoben. Diese zeit- und sen unterschieden wird. Um seltene Baumarten kostenintensive Methode liefert sehr genaue besser zu erfassen und einen Eindruck über die Waldstrukturdaten. Seit einiger Zeit kommen zu- Gehölzverjüngung der gesamten Probekreisfläche nehmend auch fernerkundungsbasierte Metho- zu erhalten, wird zudem der Deckungsgrad der den der Strukturerkennung zum Einsatz. Durch einzelnen Baumarten in der Verjüngung im Ge- ergänzende floristische und faunistische Erhebun- samtkreis eingeschätzt. Auf diese Weise entsteht gen können die Auswirkungen einer natürlichen ein sehr detailliertes Bild des Baum- und Strauch- Waldentwicklung auf verschiedene Biodiversi- bestandes auf den Stichprobenflächen. tätskomponenten quantifiziert und artspezifische Ansprüche an Waldstrukturen abgeleitet werden. Auf die Bannwaldfläche hochgerechnet wird so die strukturelle Situation des Gebietes beschrieben. 4.2.3.1 Terrestrische Eine detaillierte Beschreibung der Methodik der Waldstrukturaufnahme Waldstrukturaufnahme findet sich in FVA u. ANF (2016a). Für das langfristige Monitoring in Bannwäldern und Biosphärengebiets- Kernzonen in Baden- Das heute angewendete Verfahren wurde seit Württemberg wurde an der FVA die Methode der 1990 periodisch aktualisiert und an sich ändernde Waldstrukturaufnahme (WSA) entwickelt. Das technische Möglichkeiten und inhaltliche Anfor- heutige Verfahren der Waldstrukturaufnahme, derungen angepasst. In die Aufnahmemethodik ehemals »Forstliche Grundaufnahme (FGA)« wurden weitere Strukturparameter, insbesondere (FVA, 1997) genannt, besteht seit den 1990er Jah- potentielle Habitatstrukturen, integriert. Eine ren und wurde seither sukzessive weiterentwickelt. individuelle Identifikation von Baumindividuen ermöglicht seit 2014 die Entwicklung einzelner In den Untersuchungsgebieten wird ein gleichmä- Bäume zu dokumentieren und so Daten über ßiges Raster von dauerhaft markierten Stichpro- dynamische Größen wie Zuwachs, Mortalität und benkreisen angelegt, die in der Regel eine Fläche Einwuchs zu erhalten. von 0,1 ha umfassen (Abbildung 4). In Ausnah- mefällen, wie bei sehr steilem Gelände oder einer Die Daten werden im Wald digital mit einer dafür großen Anzahl einzumessender Bäume, kann die angepassten Aufnahmesoftware (FVA u. ANF, Fläche auf 0,05 ha verkleinert werden. Eine Puffer- 2016a,b) erhoben und nach Plausibilitätsprü- zone von 30 m Breite entlang der zugänglichen fungen in ein speziell für die WSA entwickeltes Wege sowie der Außengrenzen bleibt von Stich- Auswerteprogramm (FVA u. ANF, 2017) über- probenflächen ausgespart, um den Einfluss von nommen. Neben den Berechnungen von wald- Störungen und Randeffekten zu vermeiden. kundlichen Messgrößen auf Stichprobenkreisebe- ne und für die jeweilige Gesamtfläche liefert das In jedem Stichprobenkreis (Abbildung 4) werden Programm eine Vielzahl standardisierter Berichte, allgemeine Informationen zur Probefläche erho- Tabellen, Grafiken und ermöglicht den Export ben. An allen lebenden und abgestorbenen und an von Geodaten für die Nutzung in geographischen allen stehenden und liegenden Bäumen ab einem Informationssystemen (GIS). Es dient zusätzlich Brusthöhendurchmesser (BHD) von 7 cm werden als zentrales Archiv für die Waldstrukturdaten. verschiedene Strukturparameter aufgenommen Weiterhin ermöglicht eine Exportfunktion die (Tabelle 3). Die Gehölzverjüngung (BHD < 7 cm) Auswertung der Daten mit Hilfe von anderen wird in zwei je 0,001 ha großen »Satellitenkreisen« Statistikprogrammen. Was ist neu? • Die bisher weitgehend forstlich geprägten Parameter • Die Kombination eines automatisierten Aufnahme- der Waldstrukturaufnahme wurden durch biodiversi- und Auswerteprogramms bietet eine kompatible tätsrelevante Strukturparameter (z.B. Baum-Mikro- Lösung für individuelle und standardisierte Auswer- habitate) ergänzt. tungen. • Eine Einzelbaumzuordnung bei der Wiederholungsauf- • Der Export berechneter Daten erlaubt nahme erlaubt die Beobachtung einzelner Baumindivi- gebietsübergreifende Auswertungen mit duen und die Ableitung der dynamischen Kenngrößen gängiger GIS und Statistik-Software. Zuwachs, Mortalität und Einwuchs. 26
Tab.3 | Vereinfachte Übersicht über die Aufnahmeparameter der terrestrischen Waldstrukturaufnahme. Aufnahmeparameter Hangneigung Exposition Aufnahme- Besondere Geländestrukturen fläche Schichtigkeit (vertikaler Bestandesaufbau) Schlussgrad Koordinaten des Baumes stehende Baumart Bäume Volumen (BHD* und Höhe) (BHD > 7 cm Zersetzungsgrad und Mikrohabitate (Bruch, Dürre, Höhle, Pilz, Insekten, Rin- Höhe > 130 cm) denmerkmale, Stockausschlag, Zwiesel, Schälschäden) Schicht, Vitalität und Tendenz liegende Koordinaten der Messpunkte: Zopf (dünnes Ende Bäume ≥ 7 cm) und "BHD" (130 cm Abstand vom dicken Ende) (Durchmesser Baumart in 1.3 m Durchmesser von Zopf und "BHD" Messpunkt Abstand vom dickeren Ende Zersetzungsgrad ≥ 10 cm) Gesamtkreis Baumart Deckung (%) Verbiss (%) Satellitenkreise (Ost und West) Jung- wuchs Höhenklasse (HK1: < 11 cm, HK2: 11-150 cm, HK3: > 150 cm, BHD < 7 cm) Baumart Anzahl Deckung (%) Verbiss (%) 27 *BHD: Brusthoehendurchmesser, Durchmesser des Stammes bei 1.30m
4.2.3.2 Fernerkundungsbasierte Waldstrukturaufnahmen Terrestrische Waldstrukturaufnahmen liefern sehr sowie den daraus abgeleiteten Orthophotos und genaue Daten, diese sind jedoch auf die Fläche Höheninformationen in Form von digitalen Ober- des Stichprobenkreises beschränkt. Um flächige flächen- und Vegetationshöhenmodellen (DOM, Strukturinformationen sowie Daten zur räum- VHM). Diese Daten entsprechen aufgrund ihres lichen Anordnung ausgewählter Strukturen zu regelmäßigen Befliegungsturnus, ihrer geprüften erhalten, kommen zusätzlich fernerkundungs- Qualität sowie ihrer hohen Auflösung und großen basierte Methoden zum Einsatz. Während dies in räumlichen Abdeckung den Anforderungen eines der Vergangenheit mittels visueller Luftbildinter- flächigen und fortlaufenden Waldstrukturmonito- pretation erfolgte, liegt der Schwerpunkt nun auf rings. der Automatisierung der Datenprozessierung und Strukturerkennung. Hierdurch wird im Vergleich Neben den Luftbildern wird je nach Fragestellung zur visuellen Interpretation (AHRENS et al., 2004) und räumlicher Maßstabsebene das Potential eine größere Objektivität und Wiederholbarkeit anderer Sensoren getestet und genutzt. Hierzu der Auswertungen gewährleistet. Die räumliche zählen: Kontinuität und große Ausdehnung der Ferner- kundungsdaten ermöglichen zudem eine nahtlose, • Luftgestützte und terrestrische Laserscanning- flächendeckende Analyse von Waldstrukturen daten (LiDAR) zur Erfassung von vertikalen unabhängig von administrativen Einheiten oder Waldstrukturen auch unterhalb des Kronen- Bestandesgrenzen und über die Waldschutzge- daches, bietsgrenzen hinaus. Allerdings ist ihre Aussage- kraft hinsichtlich kleinstruktureller Eigenschaften • Satellitenaufnahmen für die großflächigen (z.B. Baum-Mikrohabitate), Strukturen unter Auswertungen der Waldstrukturen, Schirm (z.B. Unterstand, liegendes Totholz, Bo- denvegetation) und qualitativer Eigenschaften (z.B. • Drohnenaufnahmen (Fotos oder LiDAR) für Erkennung von Baumarten) noch sehr begrenzt, hochaufgelöste kleinflächige Analysen beson- weshalb derzeit die terrestrischen Aufnahmen er- derer Strukturen, Einzelbäume oder Bestände. gänzt, aber nicht ersetzt werden können. Doch auch die historischen Luftbilddaten sind Die aktuellen methodischen Schwerpunkte im weiterhin eine wichtige Informationsquelle für Bereich der Fernerkundung liegen in der Erarbei- retrospektive Zeitreihenanalysen der natürlichen tung und Evaluierung von Indices zur Beschrei- Walddynamik. Es bleibt eine Aufgabe, das Poten- bung der horizontalen und vertikalen Bestandes- tial der alten Luftbilder für automatisierte Auswer- struktur, der automatisierten Erfassung einzelner tungsverfahren zu evaluieren und mit aktuellen Strukturelemente wie zum Beispiel Waldlücken Daten vergleichbar zu machen. und stehendem Totholz (Abbildung 5) sowie in der Analyse dynamischer Prozesse (z.B. Störungs- Die Waldstrukturparameter aus der Fernerkun- oder Verjüngungsdynamik) durch Auswertung dung liefern nicht nur in Bannwäldern Eingangs- von Zeitreihen. daten für räumlich explizite Habitat- oder Suk- zessionsmodelle. Auch in Schonwäldern können Die Grundlagendaten bestehen aus den digitalen sie die flächige Planung von Maßnahmen zur überlappenden Luftbildern des Landesamts für Biotoppflege oder zur Lebensraumförderung für Geoinformation und Landentwicklung (LGL) seltene Arten unterstützen. 28
3427880 3427920 5304160 Geobasisdaten @ LGL, www.lgl-bw.de, Az.: 2851.9-1/19 | Projektdaten FVA 2020 3427880 3427920 5304160 Geobasisdaten @ LGL, www.lgl-bw.de, Az.: 2851.9-1/19 | Projektdaten FVA 2020 3427880 3427880 3427920 3427920 5304120 5304160 5304160 Geobasisdaten @ LGL, www.lgl-bw.de, Az.: 2851.9-1/19 | Projektdaten FVA 2020 Geobasisdaten @ LGL, www.lgl-bw.de, Az.: 2851.9-1/19 | Projektdaten FVA 2020 5304120 5304120 5304120 Referenzdaten (1): Klassfizierung (2): Lebende Bäume Lebend Absterbende Bäume Absterbend Referenzdaten (1): Totholz Klassfizierung Klassfizierung (2): Tot Klassfizierung (2): (2): 20 10 0 20 Meter Referenzdaten (1): Referenzdaten (1): Lebende LebendeBäume Bäume Lebende Bäume Lebend Lebend Lebend Absterbende Bäume Absterbende Bäume Absterbend Absterbend Absterbend Absterbende Bäume 20 10 0 20 10 20 Meter 0 20 Meter Totholz Totholz Tot Tot 20 10 0 20 Meter Totholz Tot Abb.5 | Automatisierte Klassifizierung von stehendem Totholz; (1) Trainingsbäume im Waldbestand für die auto- matisierte Klassifizierung von stehendem Totholz (lebend, absterbend und tot), (2) finale Klassifizierung des Bestandes (lebend, absterbend und tot) (ZIELEWSKA-BÜTTNER et al., 2020). Was ist neu? • Luftbilddaten werden durch weitere Datenquellen • In der Fernerkundung wird die visuelle Luftbild- (Satellitendaten, Laserscanning, Aufnahmen aus interpretation zunehmend durch automatisierte Drohnenbefliegungen) ergänzt. Verfahren ersetzt. • Methoden zur großflächigen Erfassung und Quanti- • Ein Schwerpunkt liegt auf der Nutzung regelmäßig fizierung ausgewählter Waldstrukturparameter erhobener und öffentlich verfügbarer digitaler ermöglichen flächendeckende Analysen auch Luftbilder. über die Waldschutzgebietsgrenzen hinaus. 29
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4.2.3.3 Floristische und Die Aufnahmen der Artengruppen erfolgen faunistische Aufnahmen in ausgewählten Fokusflächen, zeitnah zu den Waldstrukturaufnahmen und auf repräsentativen Ein langfristiges Ziel der Waldschutzgebietsfor- Flächen der jeweiligen Prozessschutzgebiete. Der schung ist es, die Entwicklung nicht bewirtschaf- Standort der Aufnahmegeräte bzw. Fallen wird teter Wälder im Hinblick auf die Lebensraumeig- an den Stichprobenpunkten der Waldstrukturauf- nung für Tier- und Pflanzenarten zu untersuchen nahme orientiert, um Zusammenhänge zwischen und diese mit bewirtschafteten Wäldern zu Waldstrukturen und Artvorkommen abbilden vergleichen. Dafür bedarf es systematischer und zu können. Wenn Vergleichsflächen im bewirt- umfangreicher faunistischer und floristischer Er- schafteten Wald untersucht werden, sollten diese fassungen. im Hinblick auf Standort und Waldgesellschaft ähnliche Verhältnisse aufweisen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Artengruppen, die verschiedene Anspruchstypen in Bezug auf Der Aufbau des floristischen und faunistischen Waldlebensräume und Waldstrukturen reprä- Monitorings in Bannwäldern erfolgt in enger sentieren und aus denen die Waldzielarten der Kooperation mit bestehenden und derzeit ent- Gesamtkonzeption Waldnaturschutz ausgewählt wickelten, landesweiten Monitoringprogrammen wurden (BRAUNISCH et al., 2020). Hierzu zählen für einzelne Artengruppen im Wald. Damit soll Gefäßpflanzen, Moose, Pilze, Flechten, holz- eine Vergleichbarkeit der Daten erreicht werden, bewohnende Käfer, Tagfalter und Widderchen, die es ermöglicht, Veränderungen von Klima oder Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere, mit Waldnutzung auf die Waldbiodiversität zu quanti- einem Schwerpunkt auf Fledermäuse. fizieren. Was ist neu? • Das Waldschutzgebietsmonitoring wird in ausge- • Es werden Vergleichsdaten aus bewirtschafteten wählten Fokusflächen durch floristische und Vergleichsflächen erhoben. faunistische Aufnahmen ergänzt. • Langfristig sollen ausgewählte Prozessschutz- • Ein Schwerpunkt liegt auf den Artengruppen flächen als Stichprobenflächen in ein umfassendes des Waldzielartenkonzeptes der Gesamt- Biodiversitätsmonitoring aufgenommen werden. konzeption Waldnaturschutz von ForstBW. 31
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