Herausforderungen beim Heizen und Kühlen durch Verbraucherverhalten und Klimawandel - Dr. Johannes Schubert Michael Schönemann
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Herausforderungen beim Heizen und Kühlen durch Verbraucherverhalten und Klimawandel Dr. Johannes Schubert Michael Schönemann 22. Mai 2019 22.05.2019
Ausgangslage und Fragestellung Klimawandel und Energiewende Gängige Praxis der energetischen Gebäudemodernisierung bzw. Quartiersentwicklung: Fokus auf Steigerung der Energieeffizienz während der Wintermonate Prebound- und Rebound-Effekt (Nutzerverhalten) haben häufig zur Folge, dass die berechneten Effizienzgewinne in der Praxis deutlich geringer und wirtschaftliche Amortisationszeiträume deutlicher länger ausfallen Die Wintermonate werden tendenziell milder und die Heizperiode immer kürzer; heißere Sommer Dennoch weitere Verschärfung der EnEV Bewohner beklagen Überwärmung der Wohnräume v.a. im Neubau (Sommer wie Winter) und homogene Temperaturen in allen Räumen Kostensteigerung für Mieter anteilige durch Umlage der Sanierungskosten, Ziel der „warmmiet-neutralen“ Sanierung wird häufig verfehlt 22.05.2019 2
Ausganglage und Fragestellung These: Die gängige Sanierungspraxis mit ihrem starken Fokus auf Steigerung der Energieeffizienz während der Wintermonate … verfehlt häufig ihre ökologischen Ziele, macht Wohnen unnötig teuer, schmälert den Wohnkomfort (Überwärmung) und vernachlässigt das Thema Klimaanpassung (v.a. Hitze). Wir möchten Sie dazu einladen, mit uns eine neue Perspektive auf die Themen energetische Gebäudesanierung und Quartiersentwicklung zu entwickeln, insbesondere vor dem Hintergrund von Nutzerverhalten und Klimawandel. Uns interessiert Ihre Perspektiven auf die von uns skizzierten Probleme. Wir möchten relevante Fragestellungen und Lösungsansätze identifizieren und zusammen mit Ihnen bearbeiten, bspw. im Rahmen des 7. Energieforschungs-programms (BMWi). 22.05.2019 3
Was erwartet Sie in den nächsten 30 Minuten? Informationen zum Thema Nutzerverhalten, v.a. Prebound- und Reboundeffekt und die Diskrepanz zw. tatsächlichem Energieverbrauch und errechnetem Bedarf Blitzlicht zum Thema Wohnkomfort und Überwärmung in München-Riem Gegenwärtige und zu erwartende klimatische Veränderungen in München und die damit verbundenen Herausforderungen für die Bereiche „Gebäudetechnik“ und „(Investitions-) Entscheidungen unter Unsicherheit“ Passt die Anlagentechnik und -dimensionierung zu den klimatischen Veränderungen? Möglicher Lösungsansatz: Kalte Wärmenetze zur Wohnraumklimatisierung (Wärme und Kälte) Kurzer Ausblick auf die aktuelle Forschungsagenda Diskussion und Fragen 22.05.2019 4
Nutzerverhalten: Prebound- und Reboundeffekt Prebound Tatsächlicher Verbrauch von Sanierung liegt durchschnittlich 30% unter dem errechneten Energiekennwert des Gebäudes Effekt tritt umso stärker auf, je schlechter der Energiekennwert ist Erklärung: Aufgrund der schlechten Energieeffizienz wird beim Heizen gespart. Häufige Konsequenzen Es kann zu falschen Erwartungen bei Energieeffizienz-Maßnahmen kommen, da Sanierungen keine Energie einsparen können, die gar nicht verbraucht wird Ökologische Ziele von energetischen Sanierungsmaßnahmen werden verfehlt Mangelnde Wirtschaftlichkeit energetischer Sanierungsmaßnahmen / längere Amortisationszeiträume 22.05.2019 5
Nutzerverhalten: Prebound- und Reboundeffekt Rebound: Bezeichnet den Unterschied zwischen dem berechneten Einsparpotenzial, das durch Energieeffizienz-Maßnahmen entstehen kann, und den tatsächlichen Einsparungen Paradoxerweise kann ein Mehr an Effizienz dazu führen, dass der allgemeine Energieverbrauch steigt Beispiele: Auto - Effizienzgewinne verpuffen durch höhere Fahrleistung oder höhere Motorleistung und/oder Fahrzeuggewicht (direkter Rebound) Effizienzgewinne und damit verbundene finanzielle Ersparnisse fließen in andere Konsumbereiche (indirekter Rebound) 22.05.2019 6
Nutzerverhalten: Prebound- und Reboundeffekt Minna Sunikka-Blank & Ray Galvin (2012): Introducing the prebound effect: the gap between performance and actual energy consumption, Building Research & Information, 40:3, 260-273 22.05.2019 7
Wohnkomfort und Überwärmung in Passivhäusern Entwicklung saisonaler Raumtemperatur-verteilungen von klassischen zu modernen Gebäudestandards In: Bauphysik 3/2018, DOI: 10.1002/bapi.201810017 22.05.2019 8
Wohnkomfort und Überwärmung in Passivhäusern Ergebnisse: Anstieg der mittleren Raumtemperatur um 4K von 18°C auf 22°C (1978 bis heute) Homogenisierung der Innenraumtemperaturen Überwärmung des Wohnraums (Verschärfung durch solaren Eintrag) Folgen für die Bewohner: Komfort-Verlust Fehlendes „Kälte-Erlebnis“ bzw. Bio-Feedback Reaktionen der BewohnerInnen: Lüftungsverhalten - Ablüften der Wärme Dauerhafte Fensteröffnungsraten von 10% oder mehr auch im Hochwinter! 22.05.2019 9
Wohnkomfort und Überwärmung in Passivhäusern Quelle: Auszüge aus Schröder, Franz; Gill, Bernhard; Güth, Martin; Teich, Tobias; Wolff, Anna (2018): Entwicklung saisonaler Raumtemperaturverteilungen von klassischen zu modernen Gebäudestandards – Sind Rebound-Effekte unvermeidbar? Bauphysik 03/2018, DOI: 10.1002/bapi.201810017 22.05.2019 10
Wohnkomfort und Überwärmung in Passivhäusern Überwärmung in den Sommermonaten Quelle: Schröder, Franz; Gill, Bernhard; Güth, Martin; Teich, Tobias; Wolff, Anna (2018): Entwicklung saisonaler Raumtemperaturverteilungen von klassischen zu modernen Gebäudestandards – Sind Rebound-Effekte unvermeidbar? Bauphysik 03/2018, DOI: 10.1002/bapi.201810017 22.05.2019 11
Ed Hawkins Annual temperatures in Germany from 1881-2017 The colour scale goes from 6.6°C (dark blue) to 10.3°C (dark red) Ed Hawkins. www.climate-lab-book.ac.uk/2018/warming-stripes/ (Mai 2019) 22.05.2019 12
Heiße Tage (DWD 2019) 22.05.2019Wetterdienst. www.dwd.de/klimaatlas (Mai 2019) Deutscher 13
Wetterentwicklung, Bayern (1882-2018) 2500 12 Gesamtjahr 10 2000 Sonnenscheindauer 8 (solarer Eintrag) 1500 steigt 6 mittleren 1000 4 Temperaturen steigen 500 2 0 0 1880 1900 1920 1940 1960 1980 2000 2020 Ges Niederschlag Summe Ges Sonnenschein Summe Ges Temperatur Mittel Linear (Ges Niederschlag Summe) Datengrundlage: Wetterkontor. https://www.wetterkontor.de/wetter-rueckblick/gebietsmittel/ Linear (Ges Sonnenschein Summe) Linear (Ges Temperatur Mittel) jahreswerte/deutschland (Mai 2019) 22.05.2019 14
Sommerliche Anpassung Bau und Sanierung Dach- und Außenfassadendämmung nach Maß - Vermeidet übermäßigen Wärmestau im Sommer - Vermeidet übermäßigen Wärmeabfluss im Winter Ziel: Gutes Fließgleichgewicht Wärmeschutzmaßnahmen - Vordächer (Sonnenschutz-Verglasung) - Außenrollos, Fensterläden - Dach- und Fassadenbegrünung - Baumbestandspflege Kühlen 22.05.2019 15
KLIWA (2016) 22.05.2019 KLIWA. Monitoringbericht 2016. Lufttemperatur - zusätzliche Auswertungen für KLIWA-Regionen. Abb3. S.8. (2017) 16
Wärmere Winter 22.05.2019Wetterdienst. www.dwd.de/klimaatlas (Mai 2019) Deutscher 17
Frosttage nehmen ab 22.05.2019Wetterdienst. www.dwd.de/klimaatlas (Mai 2019) Deutscher 18
Bandbreite der Außentemperaturen (2000-2018) 25,0 20 20,0 18 15,0 16 10,0 14 5,0 12 0,0 10 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez -5,0 8 -10,0 6 -15,0 4 -20,0 2 -25,0 0 halbe Spannweite Standartabweichung Mittelwert min max Datenbasis: IWU Außentemperaturen/Gradtagszahlen (Mai 2019) 22.05.2019 19
Verschobene Vegetationsphasen – kürzere Winter Deutscher Wetterdienst. www.dwd.de/klimaatlas (Mai 2019) 22.05.2019 20
Gradtagszahl G20/15 (2000-2018) 800 Gradtagszahl G20/15 700 600 500 400 300 200 2,208 0,783 100 1,088 1,157 0,077 0 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez -1,378 -0,461 -1,258 -1,330 -1,352 -100 RGP 2018 Mittelwert min max -3,438 -4,045 -200 Datenbasis: IWU Außentemperaturen/Gradtagszahlen (Mai 2019) 22.05.2019 21
Lösungssuche und Fokuswechsel Die Winter werden kürzer und im Trend wärmer, dennoch bleibt die Temperaturspreizung hoch Fokus: Wohnraumkomfort Wohlfühlklima Raumklimatisierung - Temperierung – Luft – Oberflächen (Außenwand) - Luftwechsel – Feuchtigkeitsregulierung – CO2, CO und Gerüche entfernen – Sauerstoff anreichern 22.05.2019 22
Lösungsansatz Heizwärme + Klimatisierung über Flächenheizungen Grundwasserwärmepumpe/ Erdsondenbohrung Kaltwassernetz (zentrale Brunnen: geteilte Wasserrechte) Niedertemperaturnetz im saisonalen Wechselbetrieb Sommer (solare) Warmwassererzeugung über Wärmepumpe + Kühlung mit „Flächenheizungen“ (natural cooling) Keine Investition in weitere Anlagentechnik Winter Wärmepumpe leistungsregulierbar (frequenzmodulierte Fahrweise) Einsparung von vorgehaltener Leistung 22.05.2019 23
Wärmepumpentechnik und Infrastruktur Individuallösung Erdsondenbohrung + Sole-Wasser-Wärmepumpe Grundwasserbrunnen + Wasser-Wasserwärmepumpe Kaltwassernetz Ganzjährig: Wärmepumpe für Heizung und Trinkwarmwasser Strom: (PV+) Netzstrom Niedertemperaturnetz mit saisonalem Wechselbetrieb Sommer: Kaltwasserbetriebe zur Gebäudekühlung Winter: 45°C Vorlauf über Zentralwärmequelle für Heizkreisläufe Ganzjährig: Wärmepumpe für Trinkwarmwasser BAFA-Förderungen nutzbar: Wärmepumpen / Gesamtvorhaben WN4.0 22.05.2019 24
Ausblick 7. Energieforschungsprogramm (BMWi) Energiewende im Quartier, Schwerpunkt Wärmenetze Bisherige Partner: bifa, Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit (gemeinnützige GmbH), co2online (gemeinnützige Beratungsgesellschaft mbH) Ziel: Entwicklung einer integralen Planungshilfe für Wärmenetze in Quartieren unter Einbeziehung von Wohnungs- und Gebäudeautomation (Raum-Gebäude-Quartier), Stichwort „Digitalisierung“ 22.05.2019 25
bifa Umweltinstitut GmbH Am Mittleren Moos 46 86167 Augsburg Tel.: +49 821 7000-0 Fax: +49 821 7000-100 www.bifa.de
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