In Mitteldeutschland 2021 - Wirtschaftspolitische Positionen
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Den Weg ins „Nach-Corona-Zeitalter“ für die Wirtschaft jetzt ebnen! Nach über einem Jahr Corona-Pandemie wirken die Auswirkungen für viele Unternehmen immer noch schwer. Vor allem die kontaktintensiven Branchen sind von Einschränkungen und Auflagen zur Eindämmung des Infektionsgeschehen immer noch betroffen. Gastronomie, Tourismus- und Veranstaltungswirtschaft, große Teile des Handels und kontaktintensive Dienstleister stehen nach Monaten des Lockdowns damit wirtschaftlich vor einer Zäsur. Mit Beginn der dritten Infektionswelle im Frühjahr und dem Beschluss der sogenannten „Bundesnotbremse“ Mitte April waren die Perspektiven für viele Unternehmen wieder völlig ungewiss. Inzwischen hat sich das Infektionsgeschehen erkennbar abgeschwächt und Erfolge des Impfens stellen sich ein. Das Impftempo muss deshalb weiter erhöht und auf hohem Niveau fortgeführt werden, um einen verlässlichen Öffnungspfad für die Wirtschaft in ihrer gesamten Breite abzusichern. Betriebsärzte können hier einen Beitrag leisten, wo immer dies möglich und Impfstoff ausreichend vorhanden ist. Der Fokus auf Inzidenzwerte als alleinige Steuerungsgröße der Pandemie ist spätestens mit wachsendem Impffortschritt nicht mehr zielführend. Stattdessen sollte sich künftig vor allem an der Zahl der belegten Krankenhaus(intensiv)betten orientiert werden. Zur Abfederung der unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen müssen die vorhandenen Hilfs- und Unterstützungsprogramme weitergeführt werden, bis ein selbsttragender Geschäftsbetrieb wieder möglich ist. Für Unternehmen, die keinen Zugang zu den Überbrückungshilfen haben, sind die Härtefallprogramme von Bund und Ländern schnell und unbürokratisch anzuwenden. Darüber hinaus sind solche Erleichterungen, die nur vorübergehend gelten, zu verlängern. Dies gilt zum Beispiel im steuerlichen Bereich für den erhöhten Verlustrücktrag oder die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung, die nach gegenwärtigem Recht nur für die Veranlagungszeiträume 2020 und 2021 in Anspruch genommen werden können. Es braucht jetzt mit aller Konsequenz und Verlässlichkeit eine Öffnung und Stabilisierung der mitteldeutschen Wirtschaft in allen Bereichen, um Umsätze zu generieren sowie Investitionen und Beschäftigung wieder in Gang zu bringen. 1
Energiewende wirtschaftsfreundlich gestalten! Vor dem Hintergrund der hoch ambitionierten Klimaziele in Deutschland durch das neue Klimaschutzgesetz, dürfen wirtschaftliche Belange nicht außer Acht gelassen werden. Für ein zukünftiges Wachstum wird weiterhin insbesondere eine international wettbewerbsfähige Industrie benötigt. Diese ist in Mitteldeutschland überdurchschnittlich energieintensiv. Rund 75.000 Industriebeschäftigte arbeiten in Mitteldeutschland allein in den besonders stromintensiven Bereichen. Der „doppelte Ausstieg“ aus Kernenergie und Braunkohle wird die Stromkosten deutlich steigen lassen – heute sind die Stromkosten in Deutschland bereits die höchsten aller Industrieländer weltweit. Auf europäischer Ebene sind es vor allem die Nachschärfung des europäischen Emissionshandels mit dem „Green Deal“ sowie die Taxonomie-Verordnung für ein „nachhaltiges Finanzwesen“, welche weitere Belastungen befürchten lassen. Der forcierte Umstieg auf Elektromobilität und grünen Wasserstoff wird die Stromnachfrage in den nächsten Jahren nochmal deutlich steigern. Wenn nicht gleichzeitig spürbar zusätzliche Kapazitäten in der Grundlastversorgung und der Speicherung volatiler Erzeugung geschaffen werden, steigen nicht nur die Preise weiter, sondern es leidet auch die Versorgungssicherheit. Auf der einen Seite muss sich der Strompreis stabilisieren und tendenziell sinken, z. B. durch Senkung der EEG-Umlage und die Absenkung der Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz. Auf der anderen Seite müssen auf dem Energiemarkt mehr Anreize für Investitionen geschaffen werden, auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Die bisherige Entwicklung hat gezeigt, dass dazu dringend Technologieoffenheit herrschen muss. Auch andere Klimaschutzinstrumente wie CO 2-Abscheidung dürfen nicht ausgeschlossen werden. Auch beim durch den Kohleausstieg politisch induzierten Strukturwandel in der Region muss nachjustiert werden, damit er nicht zu einem Strukturbruch wird. Die bisherigen Maßnahmenvorschläge der Bundesregierung setzen zu einem Großteil auf Investitionen der öffentlichen Hand, die zudem aus sinkenden Steuereinnahmen finanziert werden müssen. Dagegen war Teil des Kohlekompromisses auch die Unterstützung privater Investitionen in der Region; Maßnahmen der Unternehmensförderung indes sucht man im Gesetzespaket zur Strukturstärkung und zum Kohleausstieg (bislang) jedoch vergeblich. 2
Extremen Materialpreissteigerungen und -engpässen entgegenwirken! In immer mehr Unternehmen des Handwerks und des produzierenden Gewerbes zeichnen Lieferengpässe und Preissteigerungen von Rohstoffen für Einschnitte in die Betriebsabläufe von Unternehmen verantwortlich. Insbesondere die Bauindustrie und die baunahen Handwerke melden Kostenexplosionen für Material, wie etwa Holz und Dämmstoffe oder Baustahl. Dies gefährdet die Bauwirtschaft als den Konjunkturanker der vergangenen Jahre. Ursachen sind in den Folgen von Produktionseinschränkungen bei Herstellern auf Grund von Corona-Eindämmungsmaßnahmen, in Störungen von Lieferketten und dem fortgesetzten Hoch bei der Baukonjunktur zu finden. Zudem werden diese Materialien zunehmend exportiert, weil sich im Ausland höhere Preise erzielen lassen. Dies führt zu Preissteigerungen, extrem langen Lieferzeiten und der Nichtverfügbarkeit mancher Güter. Resultat sind Produktionsverzögerungen und zurückgezogene Aufträge sowie nicht mehr stimmige Kostenkalkulationen. Erste Handwerksunternehmen zeigen Kurzarbeit trotz ausreichender Auftragslage und vorhandenem Fachpersonal an. Die mitteldeutsche Wirtschaft fordert die Politik auf, dem nach Kräften schnell entgegenzuwirken. Dazu gehören beispielsweise der aktuellen Entwicklung angepasste Preisgleitklauseln bei öffentlichen Vergaben bzw. Rücktrittsrechte. Bei den staatlichen Forstbetrieben sollte ein Einwirken auf deren Absatzpolitik geprüft werden. Auch aus ökologischer Sicht ist es widersinnig, z. B. Holz nach Übersee zu exportieren, um dann zur Deckung des dringendsten Bedarfs Holz aus anderen Ländern zu importieren. 3
Unternehmer als Berufsbild attraktiver machen! Die demografische Entwicklung und das Berufswahlverhalten der jungen Generation führen nicht nur zu einem Mangel an beruflich ausgebildeten Fachkräften, sondern auch zu einem Mangel an potenziellen Nachfolgern für aus Altersgründen ausscheidende Unternehmer. Gerade in den nächsten Jahren ist mit einer Vielzahl an übergabewilligen Unternehmern zu rechnen, denen nur wenige übernahmebereite junge, qualifizierte Leute gegenüberstehen. Somit drohen Betriebsschließungen mangels Nachfolge. Während die demografische Entwicklung erst mittel- und langfristig beeinflusst werden kann, sind Verbesserungen beim Berufswahlverhalten kurzfristiger erreichbar. Die Wirtschaftskammern in Mitteldeutschland fordern deshalb, das Berufsbild „Unternehmer“ in Öffentlichkeit und Ausbildung attraktiver darzustellen und gleichzeitig die Rahmenbedingungen für das unternehmerische Handeln wirtschaftlich Selbständiger zu verbessern. Dazu gehören die Aufnahme entsprechender Inhalte in die Schul- und Hochschul- als auch in die Berufsausbildung, finanzielle Unterstützung für Firmengründungen und -übernahmen, bessere Rahmenbedingungen gerade für Kleinunternehmen z. B. bei den Sozialversicherungen und aktuell bei den Coronahilfen sowie ein konsequenter Abbau der Bürokratie für Kleinunternehmer. 4
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