Herzinsuffizienz 2. Juni 2015
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Herzinsuffizienz 2. Juni 2015 Univ.-Prof. Dr. med. Johannes Waltenberger Professor für Innere Medizin, Kardiologie und Angiologie Direktor der Klinik für Kardiologie Leiter des Departments für Kardiologie und Angiologie (0251) 83-43201 waltenberger@ukmuenster.de © Waltenberger 2015
Herzinsuffizienz Heute werden Sie lernen: 1) Die häufigste Ursache der Herzinsuffizienz ist eine „komplizierte KHK“. Das gesamte Ursachenspektrum ist sehr groß. 2) Wir unterscheiden eine systolische Herzinsuffizienz von einer diastolischen Herzinsuffizienz. 3) Die Herzinsuffizienz sollte – wenn möglich – kausal therapiert werden 4) Die Therapie der Herzinsuffizienz erfordert - engmaschige Kontrollen - ein Stufenschema (entsprechend der Leitlinien) - eine differenzierte medikamentöse Therapie © Waltenberger 2015
Chronische Herzschwäche ist häufig In Deutschland leben 2 bis 3 Millionen Menschen mit chronischer Herzschwäche. Herzschwäche ist der häufigste Grund für Krankenhauseinweisungen: Jedes Jahr müssen mehr als 370.000 Patienten im Krankenhaus behandelt werden. Fast 50.000 sterben jährlich an Herzschwäche.
Stationäre Morbiditätsziffern nach Geschlecht und Altersgruppe Stationäre Morbiditätsziffer Männer Stationäre Morbiditätsziffer Frauen Deutscher Herzbericht 2011 (erschienen Dezember 2012)
Koronare Herzerkrankung Die KHK im zeitlichen Spektrum Präinfarkt Syndrom – Instable Angina pectoris Entstehung und STEMI - Ischämie Ischämische Progression Reperfusion Kardiomyopathie Postinfarkt Periode yy dd - ww 2-6 h u 1m mm - yy © Waltenberger 2015
Komplikationen des Infarktes Rhythmusstörungen: Kammerflimmern, VTs AV-Block, Bradykardie plötzlicher Herztod Akut, häufig ursächlich für frühe Mortalität Rhythmusüberwachung Hospitalisierung © Waltenberger 2015
Komplikationen des Infarktes Thrombusverschleppung nach peripher „no-reflow“ Myocardial Mikrovaskuläre Obstruktion ST-Strecken- blush grade Resolution Infarktgröße Erholung der Mortalität LV-Funktion Circulation 1998; 97:2302-6 Lancet 1997; 350: 615-9 JACC 2002; 39:591-7 JACC 2004; 44:1215-23 Circulation 2002; 106: 313-8 © Waltenberger 2015
Komplikationen des Infarktes Ruptur, Tamponade, Septumruptur, VSD Subakute Infarkte, aber auch akut Auch als Komplikation der Intervention Schlechte Prognose © Waltenberger 2015
Komplikationen des Infarktes Ruptur, Tamponade, Septumruptur, VSD Subakute Infarkte, aber auch akut Auch als Komplikation der Intervention Schlechte Prognose Akute Mitralinsuffizienz Papillarmuskeldysfunktion, Papillarmuskelabriss Klinisch schwere, akute Herzinsuffizienz A.e. bei Seiten- und Hinterwandinfarkten © Waltenberger 2015
Herzinsuffizienz: Definition 1) Gestörte systolische und/oder 2) Typische Symptome diastolische Funktion plus • Abnahme der Leistungsfähigkeit • Luftnot bei Belastung • Müdigkeit, Abgeschlagenheit • Knöchelödeme ( Nykturie) • oft schleichender Beginn • Myokard • Klappen • Perikard © Waltenberger 2015
Schweregradeinteilung nach Symptomen NYHA (New York Heart Association Klasse) I Herzfunktion eingeschränkt, noch keine Symptome sog. systolische (bzw. diastolische) Dysfunktion NYHA II Herzfunktion eingeschränkt, Symptome bei stärkeren Belastungen (2-3 Etagen Treppen) NYHA III Herzfunktion eingeschränkt, Symptome bei leichteren Belastungen (Hausarbeit) NYHA IV Herzfunktion eingeschränkt, Symptome in Ruhe © Waltenberger 2015
Herzinsuffizienz Abklärung bei V.a. Herzinsuffizienz: • Anamnese • Körperliche Untersuchung (Herzgeräusche, Arrhythmien, Stauung, Ödeme…) • EKG (Rhythmus, LSB, abgelaufene Infarkte, …) • Echo • Herzkatheter, ggf. Myokardbiopsie • ggf. Röntgen-Thorax • nT-pro-BNP • Nierenfunktion • Anämie ? • Elektrolyte © Waltenberger 2015
- Chronische Herzinsuffizienz- führt zu hoher Morbidität, Krankenhausaufenthalten und Mortalität (ca 50% Sterblichkeit in 5 Jahren; höher als viele Krebsformen) © Waltenberger 2015
Herzinsuffizienz Einteilung: • Akute vs. Chronische Herzinsuffizienz • Rechts- vs. Links- vs. Global-Herzinsuffizienz • Systolische vs. Diastolische Herzinsuffizienz © Waltenberger 2015
Echokardiographie bei Verdacht auf Herzinsuffizienz Aussagen über Schwergrad und mögliche Ursachen: © Waltenberger 2015
Echokardiographie bei Verdacht auf Herzinsuffizienz Aussagen über Schwergrad und mögliche Ursachen: • Größe der Herzhöhlen: Dilatation ? • Bewegung der Herzwände: Wandbewegungsstörungen ? • Dicke des Herzmuskels: Hypertrophie ? • Vitien ? • linksventrikuläre Auswurffraktion (LVEF) ? • diastolische Funktion ? © Waltenberger 2015
Systolische vs. diastolische Herzinsuffizienz Reduzierte Erhaltene systolische Funktion, systolische Funktion aber reduzierte diastolische Funktion © Waltenberger 2015
Systolische vs. diastolische Herzinsuffizienz Reduzierte Erhaltene systolische Funktion, systolische Funktion aber reduzierte diastolische Funktion © Waltenberger 2015
Systolische vs. diastolische Herzinsuffizienz Reduzierte Erhaltene systolische Funktion, systolische Funktion aber reduzierte diastolische Funktion Ursachen: Ursachen: 1) KHK (abgelaufener Infarkt) 1) häufig: art. Hypertonie 2) Dilatative Kardiomyopathie 2) selten: (genetisch, postmyokardititisch, toxisch, …) - Hypertrophe Kardiomyopathie 3) Vitien - Perikarditis constrictiva (Aorteninsuffizienz, Mitralinsuffizienz) - Restriktive/infiltrative Kardiomyopathien (Amyloidose, Speicherkrankheiten, …) © Waltenberger 2015
„Kompensiert“ vs. „dekompensiert“ kompensiert vs. dekompensiert - Körpergewicht konstant - Körpergewicht steigt - keine Ödeme - zunehmende Ödeme - stabile Belastbarkeit - zunehmende Dyspnoe, RGs - normoton, normofrequent - hypoton/hyperton, tachykard Typische Ursachen: Compliance Progression der Grundkrankheit Arrhythmien (VHF) Hypertensive Krise Akutes Koronarsyndrom Infektionen © Waltenberger 2015
Dekompensation kündigt sich an 1 Monat vor 1 Woche vor Hospitalisation Hospitalisation Herzinsuffizienz ist häufigste Ursache für Krankenhausaufnahmen bei älteren Menschen Chaudhry et al., Circulation (2007) © Waltenberger 2015
Dekompensation vermeiden • Salzkonsum beschränken • Flüssigkeitsmenge beschränken (ca. 1,5 Liter/Tag) • Täglich wiegen • „Herztagebuch“ führen • Gewichtszunahme >2 kg Hausarzt kontaktieren © Waltenberger 2015
Körperliches Training bei Herzinsuffizienz • Stabile Patienten (NYHA I - III) d.h. keine Ischämie, keine Ödeme, keine ventrikulären HRST • Körperliches Training ist sicher in diesen Patienten • erhöht die Leistungsfähigkeit und verbessert die Lebensqualität • hat einen moderat positiven Einfluss auf Überleben © Waltenberger 2015
Therapie der Herzinsuffizienz Kausal: Beseitigung der Ursache der Herzschwäche Medikamentös: Entlastung des Herzens Interventionell: Verbesserung der Herzleistung Präventiv: Vermeidung einer Dekompensation © Waltenberger 2015
Herzinsuffizienz: Kausale Therapien ausschöpfen ! Herzinsuffizienz ist immer Ausdruck einer zugrundeliegenden Erkrankung, die zu diagnostizeren und - wenn möglich - kausal zu therapieren ist KHK PCI oder ACB PCI/Stent Vitium OP oder TAVI z. B. Mitralklappenersatz / -rekonstruktion z. B. Aortenklappenersatz © Waltenberger 2015
Pharmakologische und interventionelle Therapie der systolischen Herzinsuffizienz • Medikamentös - Diuretika (I B) - Herzglykoside (IIa B) - ACE-Hemmer, AT1-R-Blocker (I A) - Beta-Blocker (I A) - Aldosteron-Antagonisten (I B) - Ivabradin (IIA) • Interventionell - Biventrikuläres Pacing (CRT) - Cardioverter/Defibrillator (ICD) - Innovative Entwicklungen
Diuretika • Diuretika sind bei Herzinsuffizienz mit Flüssigkeitsretention oder Z.n. Flüssigkeitsretention (Ödeme, Lungenstauung) indiziert • Diuretika verbessern die Symptome schnelle symptomatische Besserung • milde Ödeme: Thiazide • schwere Ödeme oder Krea-Clearance
Neuroendokrine Aktivierung und Mortalität Sechsmonatsmortalität (%) bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz in Abhängigkeit der Neurohormonspiegel im Blut (hier Daten aus CONSENSUS I Studie) 70 60 50 40 Noradrenalin Angiotensin II 30 Aldosteron 20 10 0 1 2 3 4 Quartile Swedberg et al., Circulation (1990)
Neuroendokrine Aktivierung: - Adaptive Kurzzeiteffekte - Kurzzeiteffekte Langzeiteffekte Sympathikusaktivierung Herzfrequenzanstieg, Down-Regulation von Adreno- gesteigerte Kontraktilität rezeptoren, O2-Verbrauch erhöht, Arrhythmieneigung Aktivierung des RAAS Vasokonstriktion bedingt Erhöhung der Nachlast, Aufrechterhaltung eines Erhöhung des O2-Verbrauchs ausreichenden arteriellen Mitteldrucks Salz-Wasser-Retention; da- Lungenstauung, periphere Ödeme durch Erhöhung der Vorlast mit günstiger Druck/Volu- men-Relation (Frank-Starling) © Waltenberger 2015
Neuroendokrine Aktivierung: - Maladaptive Langzeiteffekte - Kurzzeiteffekte Langzeiteffekte Sympathikusaktivierung Herzfrequenzanstieg, Vasokonstriktion, Hypertrophie gesteigerte Kontraktilität O2-Verbrauch erhöht, Arrhythmieneigung Aktivierung des RAAS Vasokonstriktion bedingt Erhöhung der Nachlast, Hypertrophie Aufrechterhaltung eines Erhöhung des O2-Verbrauchs ausreichenden arteriellen Mitteldrucks Salz-Wasser-Retention; da- Lungenstauung, periphere Ödeme durch Erhöhung der Vorlast mit günstiger Druck/Volu- men-Relation (Frank-Starling) © Waltenberger 2015
ESC-Leitlinie 2012 Herzinsuffizienz © Waltenberger 2015
ACE-Hemmer / ARB (AT1-R-Blocker) • Bei eingeschränkter systolischer Funktion (NYHA I-IV) • Verbessern die Symptome und die Prognose • „Einschleichend“, d.h. niedrig dosiert beginnen • Dosis langsam steigern (alle 2 Wochen verdoppeln) • Bei ACE-Hemmer-Unverträglichkeit (Husten): AT-Blocker •Nebenwirkungen von ACE-Hemmern und ARB - Hypotonie, Schwindel - Nierenfunktionseinschränkung - Hyperkaliämie - Husten (nur ACE Hemmer – 10%) - Angioödem (nur ACE Hemmer – sehr selten) © Waltenberger 2015
Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Aldosteron Systems (RAAS) Aldosteron- antagonisten Renin- Hemmer (?) AT-Blocker ACE-Hemmer Weber et al., NEJM (2001)
-Blocker • Verbessern die Symptome und die Prognose • bei eingeschränkter systolischer Funktion, NYHA I/II-IV • „Einschleichend“, d.h. niedrig dosiert beginnen • Dosis langsam steigern (alle 2 Wochen verdoppeln) • Kontraindikationen beachten: - Asthma bronchiale - nicht therapierte Bradykardie (ggf. erst Schrittmacher) - dekompensiere Herzinsuffizienz: Ödeme erst diuretisch Symptomatik im Verlauf unter ß-Blockern ausschwemmen besser Katecholamine absetzen schlechter 1.5 3 6 9 12 Monate
ESC-Leitlinie 2012 - Herzinsuffizienz © Waltenberger 2015
Anzahl Herzaktionen pro Lebenszeit bei 15 verschiedenen Säuger-Spezies H.J. Levine, Rest heart rate and life expectancy, J. Am. Coll. Cardiol. 30: 1104-6, 1997
Ruhe-Herzfrequenz und Lebenserwartung bei Säugern H.J. Levine, Rest heart rate and life expectancy, J. Am. Coll. Cardiol. 30: 1104-6, 1997
Ruhe-Herzfrequenz und Lebenserwartung bei Säugern H.J. Levine, Rest heart rate and life expectancy, J. Am. Coll. Cardiol. 30: 1104-6, 1997
Ivabradin: Reversible Hemmung des offenen If-Kanals geschlossen offen gehemmt extrazellulär Na+ K+ Na+ K+ K+ intrazellulär Na+ RR exklusive 0 mV Herzfrequenz - -40 mV reduktion -70 mV Ivabradin Nach: DiFrancesco D., Camm A.J., Drugs. 2004; 64:1757-1765.
Primärer kombinierter Endpunkt § Kardiovaskulärer Tod § Krankenhauseinweisung wegen Verschlechterung der Herzinsuffizienz Kumulative Häufigkeit (%) 40 Ivabradin HR = 0.82 p
Krankenhauseinweisung / Tod wegen Herzinsuffizienz Krankenhauseinweisung Tod wegen Herzinsuffizienz wegen Herzinsuffizienz - 26% - 26% HR = 0.74 p
ESC-Leitlinie 2012 Herzinsuffizienz Glitazon Calcium-Antagonisten NSAID und COX-2-Hemmer ARB + ACEH + MRA © Waltenberger 2015
Herzinsuffizienz: Etablierte und Innovative Interventionsmöglichkeiten Biventrikuläres Pacing (Resynchronisations-Therapie) Vagus-Stimulation Interventionelle Ventrikelplastik (Revivent, BioVentrix) LVAD Herztransplantation © Waltenberger 2015
Herzinsuffizienz Cardiale Resynchronisations-Therapie (CRT) bei dilatativer Cardiomyopathie © Waltenberger 2015
LV-Dilatation, Asynchronie © Waltenberger 2014
LV-Dilatation, Synchronie I II III V1 V4 V6 © Waltenberger 2015
„Biventrikuläre Stimulation“ (CRT): Kardiale Resynchronisations-Therapie (CRT) des vergrößerten LV © Waltenberger 2015
ESC-Leitlinie 2012 Herzinsuffizienz Prävention des plötzlichen Herztodes Eventuell in Kombination mit Kardialer Resynchronisations Therapie (CRT) © Waltenberger 2015
Neue Therapien innovativeinInterventionen Erprobung: Bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz Interventionelle Ventrikelplastik © Waltenberger 2015
Neue Therapien innovativeinInterventionen Erprobung: Bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz Interventionelle Ventrikelplastik © Waltenberger 2015
„Assist-Device“ (Kunstherz) LVAD bei dilatativer Kardiomyopathie © Waltenberger 2015
„Assist-Device“ (Kunstherz) LVAD bei dilatativer Kardiomyopathie © Waltenberger 2015
Herzinsuffizienz Heute haben Sie gelernt: 1) Die häufigste Ursache der Herzinsuffizienz ist eine „komplizierte KHK“. Das gesamte Ursachenspektrum ist sehr groß. 2) Wir unterscheiden eine systolische Herzinsuffizienz von einer diastolischen Herzinsuffizienz. 3) Die Herzinsuffizienz sollte – wenn möglich – kausal therapiert werden 4) Die Therapie der Herzinsuffizienz erfordert - engmaschige Kontrollen - ein Stufenschema (entsprechend der Leitlinien) - eine differenzierte medikamentöse Therapie © Waltenberger 2015
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