Hilfe für ALG II-Empfänger

Die Seite wird erstellt Nikolai-Stefan Völker
 
WEITER LESEN
Hilfe für ALG II-Empfänger
     Ein Leitfaden für Betroffene und Berater

      „Der erste Schritt ist sich zu wehren,
       der zweite sich zusammenzufinden
         und der dritte, Veränderungen
                herbeizuführen!“

              von Torsten Koplin, Irina Rimkus und Alexander Schmidt

Torsten Koplin                                     Rechtsanwalt Alexander Schmidt
Mitglied des Landtages                             Sozial-, Miet- und Arbeitsrecht
Fraktion DIE LINKE.                                Feldstraße 3, 17033 Neubrandenburg
Wahlkreisbüro Ueckermünde                          Tel. /Fax: 0395 / 5584141
Goethestraße 6, 17373 Ueckermünde                  E-Mail: rechtsanwalt.schmidt@web.de
Tel. /Fax: 039 771 / 227 26
E-Mail: wkb-koplin@arcor.de
2

Inhalt

Vorwort

A     Umgang mit Hilfesuchenden

      1.    Aufbauen
      2.    Problem herausarbeiten
      3.    Hilfe zur Selbsthilfe

B     Berechnung der Leistung nach dem SGB II

C     Die häufigsten Probleme
      1.    Heiz- und sonstige Betriebskosten werden nicht voll übernommen
      2.    Nachzahlungen auf Heiz- und sonstige Betriebskosten werden nicht
            übernommen
     3.     Kosten der Unterkunft werden gekürzt
     4.     Tilgungsraten sind zu übernehmen
     5.     Antrag nicht abgenommen
     6.     Unterlagen nicht angekommen
     7.     Widerspruch nicht bearbeitet
     8.     Bereinigung des Einkommens ist falsch
     9.     Angebliche Lebensgemeinschaft
     10.    Ausbildungskosten bleiben unberücksichtigt
     11.    Abgrenzung von Einkommen und Vermögen
     12.    Angeblich zu hohes Vermögen
     13.    Mehrbedarfe / Einmalige Bedarfe
     14.    Anrechnung der Krankenhausverpflegung als Einkommen
     15.    Sanktionen
     16.    Ein-Euro-Job
     17.    Ordnungswidrigkeiten
     18.    Schadensersatz
     19.    Auszug von unter 25-Jährigen Kindern aus der Elternwohnung
     20.    Aufrechnung bei Rückforderungen
     21.    Kinder sind nicht immer Mitglied der Bedarfsgemeinschaft
     22.    Kinderzuschlag ist nicht immer sinnvoll
     23.    Weiterzahlung trotz Arbeitsaufnahme

D     Zum Umgang mit der ARGE

E     Prozessuales und Kosten

      1.    Fristen
      2.    Keine Anwaltspflicht
      3.    Kosten
      4.    Aufschiebende Wirkung
      5.    Eilrechtsschutz
      6.    Wirklich fachkundige Hilfe sichern
3

F     Weitere Informationen

G     Nachwort

Vorwort

Mit unserem Leitfaden möchten wir Betroffene ermutigen, selbstbewusst mit ihrem
ALG II-Bescheid und der ARGE und nicht zuletzt auch mit sich und der Gesellschaft
umzugehen.
Niemand hat es nötig, nur weil er Sozialleistungen bezieht, Minderwertigkeitsgefühle
zu haben oder sich erniedrigt zu fühlen. Ganz bestimmt hat es niemand nötig,
hinzunehmen, was veränderbar ist.
In unseren Beratungsgesprächen versuchen wir, Menschen in Notlagen zu helfen.
In vielen Fällen gelingt uns das. Doch es gibt Grenzen, dort, wo politische
Mehrheiten ihre Positionen klar zum Ausdruck bringen und dort, wo es keinen
öffentlichen Druck gibt.
Die ARGEN orientieren sich an ihre oberste geschäftspolitische Zielvorgabe, die
ALG II-Kosten zu senken. Wie die ARGEN agieren müssen, regeln die
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit. Deswegen sagen wir sehr
deutlich, dass nicht die Mitarbeiter der ARGEN, sondern die politischen
Mehrheitsverhältnisse verantwortlich sind für die unsozialen Verhältnisse. Diese
äußern sich nicht nur in der Ausweglosigkeit vieler Betroffener, sondern auch in
Missgunst und Neiddebatten, die zu vielen anonymen Anzeigen bei ARGEN führen;
sie äußern sich im Konkurrenzdenken vieler Vereine und Verbände, in der
Umgangsweise der ARGE-Mitarbeiter mit den Betroffenen und nicht zuletzt in der
Oberflächlichkeit und Ignoranz gegenüber Menschen, die sich am Rand dieser
Gesellschaft befinden.
Erst wenn dies verinnerlicht ist, gibt es eine wirkliche Chance auf Veränderungen.
Unsere Sozialberatung ist darum auch immer politische Arbeit. Wir setzen uns mit
unserer Beratung zugunsten der Hilfesuchenden ganz bewusst in den Gegensatz zu
politischen Kräften, die nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitslosen
bekämpfen.
Umso erfolgreicher und dauerhafter die Beratung ist, umso stärker wird diese in der
Öffentlichkeit wahrgenommen. Dieses hat zur Folge, dass interessierte politische
Kreise und verantwortliche Mitarbeiter der entsprechenden Behörden versuchen
werden, unsere Arbeit öffentlich in Misskredit zu bringen, damit Hilfesuchende von
der weiteren Inanspruchnahme der Beratung abgehalten werden. Dies ist Folge der
politischen Auseinandersetzung und muss ausgehalten werden – umso intensiver
und nachdrücklicher sollte die Beratung sein.
Wir beraten über die aktuelle Rechtssprechung, über Auslegungsmöglichkeiten und
Spielräume des Gesetzes zugunsten der Hilfesuchenden und falsche
Rechtsanwendung durch die Behörden. Wir geben aber keine Ratschläge zur
Umgehung eindeutiger gesetzlicher Bestimmungen oder zum Leistungsmissbrauch.

Unser Leitfaden soll einen allgemeinen Überblick über die Schwerpunkte der Sozialberatung
geben, die leider ganz überwiegend Beratung zum SGB II ist.
4

Wir erheben keinen wissenschaftlichen Anspruch und keinen Anspruch auf Vollständigkeit,
so dass auch zur Verbesserung der Lesbarkeit auf Rechtssprechungs- oder
Literaturnachweise verzichtet wurde.

A    Umgang mit den Hilfesuchenden

1. Aufbauen
Viele Hilfesuchende haben aufgrund der in kurzen Abständen eintreffenden
widersprüchlichen Bescheide oder der nicht verständlichen Begründungen den
Überblick verloren und sind resigniert, weil eigene Schreiben oder Widersprüche an
die ARGE keinen Erfolg gebracht haben. Es soll das Wissen vermittelt werden, dass
es viele Möglichkeiten zur Gegenwehr gibt.

2. Problem herausarbeiten
Gelöst werden können nur konkrete rechtliche Probleme. Manche Hilfesuchende
haben natürlich den Wunsch, ihre persönliche Situation umfangreich zu schildern –
weil ihnen endlich mal jemand zuhört. Das ist notwendig, doch im eigentlichen
Beratungsgespräch muss versucht werden, das Problem herauszuarbeiten und eine
Strategie zur Lösung zu finden. Eine Grundsatzdiskussion zum ALG II sollte im
Rahmen des Beratungsgespräches deshalb auf das eigentliche Problem
zurückgeführt werden. Weitergehende ausführliche Gespräche sollten gesondert
vereinbart werden, bei grundsätzlichen Beschwerden aber an den örtlichen
Bundestags- oder Landtagsabgeordneten von CDU und SPD verwiesen werden -
diese haben das Gesetz beschlossen oder gehören den stützenden Parteien an.

3. Hilfe zur Selbsthilfe
Es soll nach Möglichkeit immer Hilfe zur Selbsthilfe angeboten werden. Es ist
angesichts der großen Fallzahl nur begrenzt leistbar, Widersprüche selbst zu
schreiben. Es ist aber leistbar, über die bestehenden Rechte aufzuklären und einen
Weg zur Lösung der Probleme aufzuzeigen – gegangen werden muss dieser Weg
jedoch alleine. Falls der Hilfesuchende, wie es immer häufiger der Fall ist, diesen
Weg nicht selber gehen kann, sollte eine Verweisung an eine kompetente
Beratungsstelle oder einen engagierten Anwalt erfolgen. Vermittelt werden kann und
sollte     bei     einem       entsprechenden      Bedarf    (insbesondere       bei
Ermessensangelegenheiten) auch ein Gespräch der/des Landtagsabgeordneten auf
politischer Ebene mit der zuständigen ARGE, um so Druck zu erzeugen.
Es sollte außerdem dringend darum gebeten werden, dass die Hilfesuchenden ihre
Unterlagen sortiert zur Beratung mitbringen. Die Sortierung von Schriftwechsel und
Bescheiden aus mehreren Jahren im zeitlichen Rahmen eines Beratungsgespräches
ist kaum möglich.

B     Berechnung der Leistung nach dem SGB II
5

Die Festlegung der Regelsatzhöhe basiert auf einem               statistischen
Erhebungsverfahren (EVS: Einkommens- und Verbrauchsstichprobe) zur
Einkommens-, Vermögens- und Schuldensituation sowie von Konsumausgaben

privater Haushalte, welches 5-jährlich erfolgt. Nur Wenigen ist bekannt, dass die
Festlegung der Regelsatzhöhe noch vor der Auswertung der EVS im Jahre 2003
stattgefunden hat. Problematisch war auch, eine nachvollziehbare Statistik zu finden,
die den Regelsatz begründet. Die Bundesregierung legte den Regelsatz, ohne eine
wirklich brauchbare Studie durchzuführen, somit völlig willkürlich fest und sparte
obendrein auch noch zusätzliche Kosten. Die befragten Haushalte stammen auch
nicht aus dem gesamten Bundesgebiet, sondern nur aus dem westlichen Teil, also
den alten Bundesländern. Die Strom-Ausgaben basieren nicht auf Angaben eines
Querschnittes aller Haushalte, sondern ausschließlich auf Angaben von
Miterhaushalten. Einzelne Bedarfspositionen des Regelsatzes wurden einfach
gekürzt, da sich die Bedürftigen auch angeblich Luxus leisten, aber nicht sollen. Für
Telefonkosten wurden lediglich Ausgaben für Festnetzanschlüsse berücksichtigt;
usw.
Um es konkret zu formulieren: Nicht die tatsächlichen Grundbedarfe wurden
herangezogen, sondern die Bedarfe wurden passend gerechnet. Enorme
Preissteigerungen der letzten Jahre in allen Bereichen des Lebens sowie die
allmähliche Gesamtverelendung durch das Aufsetzen von Sparzwängen bei den
Bedürftigsten dieser Gesellschaft bleiben bei der realen Anpassung des Regelsatzes
ohne jegliche Berücksichtigung.
Die Hilfesuchenden haben grundsätzlich Anspruch auf Deckung ihres Bedarfes,
bestehend aus der Regelleistung und den Kosten der Unterkunft, so der
Gesetzgeber. Der normale Regelsatz beträgt gegenwärtig 351 € pro Monat. Damit
sind nach Ansicht des Gesetzgebers sämtliche Kosten der Lebensführung
abgegolten. Für Kinder oder Mitglieder von Bedarfsgemeinschaften werden
verringerte Regelsätze angesetzt. Zuschläge zum Regelsatz werden nur in eng
begrenzten Fällen bewilligt, z.B. als ernährungsbedingten Mehrbedarf bei
bestimmten Krankheiten, bei Behinderung oder bei der alleinigen Erziehung von
Kindern. Leben mehrere Hilfesuchende in einer Bedarfsgemeinschaft zusammen,
werden pro Kopf nur 90 % der Regelleistung bewilligt. Kinder unter 15 Jahren
erhalten lediglich 60 %, ab 15 Jahren 80 % der Regelleistung.
Der Regelsatz für Kinder ist allerdings Gegenstand eines Verfahrens vor dem
Bundesverfassungsgericht.
Dem so ermittelten Bedarf wird dann das eigene Einkommen gegenübergestellt.
Dabei gilt grundsätzlich das Zuflussprinzip, es darf also nur das im jeweiligen Monat
tatsächlich vorhandene Einkommen angerechnet werden. Dieses Einkommen ist
zuvor zu bereinigen (S. auch C 8).
Kindergeld und gezahlte Unterhaltsleistungen erhöhen das Einkommen.
Die Differenz zwischen Bedarf und Einkommen ergibt den Zuschuss durch die
ARGE.
Bewilligt wird üblicherweise jeweils für sechs Monate. Oftmals kommt es zur
nachträglichen Berücksichtigung von Änderungen mittels Änderungsbescheiden,
auch eine vorläufige Bewilligung ist denkbar. Seit Januar 2008 ist bei schwankenden
Einkommen auch eine Berücksichtigung eines Einkommensdurchschnittes über 6
6

Monate möglich, um so monatliche Änderungs- und Aufhebungsbescheide zu
vermeiden. Nicht zulässig ist es hingegen, wenn die ARGE zur Vermeidung von
Rückforderungen von einem nur einmalig erzielten hohen Einkommen ausgeht.
Bei einem Zusammenleben mehrerer Menschen in einer Bedarfsgemeinschaft
werden sämtliche Bedarfe und sämtliches Einkommen zusammenaddiert bzw.
untereinander angerechnet. Die dadurch ermittelten Unterstützungen der bedürftigen
Mitglieder durch die nicht bedürftigen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind nicht
auf die „normalen“ gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen nach dem Bürgerlichen
Gesetzbuch (BGB) abgestimmt, sondern gehen weit darüber hinaus.
Die Einkommensbereinigung ist ein kompliziertes und hoch umstrittenes Feld, auf
dem sehr viele Fehler seitens der ARGEN geschehen.

C    Die häufigsten Probleme

Die bei der Beratung zum SGB II auftretenden Probleme sind aufgrund ihrer
Komplexität im Rahmen eines kurzen Leitfadens nicht darstellbar. Trotzdem ist eine
Beratung und Hilfe für die Betroffenen möglich, da in einer Vielzahl von Fällen immer
wieder die gleichen bzw. ähnliche Probleme auftreten. Diese Konstellationen werden
nachfolgend dargestellt.

1.        Heiz- und sonstige Betriebskosten werden nicht voll übernommen
Es ist ständige Praxis, die Heiz- und Betriebskosten nur auf der Basis der von den
Kreisen beschlossenen Richtlinien zu übernehmen. Eine solche Pauschalierung ist
rechtswidrig und vom Gesetz nicht gedeckt. Zu übernehmen sind stattdessen die
tatsächlichen Heiz- und Betriebskosten, für die nach weitgehend einhelliger Meinung
der Sozialgerichte zunächst grundsätzlich eine Vermutung der Angemessenheit
spricht. Die Beweislast für ein unwirtschaftliches Verbrauchsverhalten trägt die
ARGE.
Die Kürzung der Heizkosten um die Warmwasserkosten darf auf Grundlage eines
Urteils des Bundessozialgerichtes nur bis zu einer Höhe von maximal 6,51 € (in
Abhängigkeit der Regelsatzhöhe) pro Person der Bedarfsgemeinschaft erfolgen, da
ein höherer Betrag in der Regelleistung nicht enthalten ist. Darüber hinausgehende
Warmwasserkosten hat die ARGE zu übernehmen. Allerdings dürfen diese 6,51 €
nicht immer, sondern nur dann abgezogen werden, wenn entsprechende
Warmwasserkosten auch angefallen sind. Die Praxis, die Heizkosten immer um
6,51 € fiktive Warmwasserkosten zu kürzen, ist rechtswidrig. Anders ist dies
allerdings, wenn die Warmwasserkosten auf der Basis eines angemessenen
Verbrauches genau zu beziffern sind, dann kann die Regelleistung um die
tatsächlichen Warmwasserkosten gekürzt werden. Zwischen den Sozialgerichten ist
umstritten, ob es sich bei der Ermittlung der Warmwasserkosten nach der
Heizkostenverordnung um gemessene oder errechnete Kosten handelt – von der
Entscheidung hängt die Höhe des jeweiligen Warmwasserabzuges ab.
Warmwasserkosten sind ausschließlich nur dann zu berücksichtigen, wenn diese
auch Bestandteil der Miete bzw. Teil der Heizkosten sind, nicht, wenn die
Warmwasseraufbereitung gesondert erfolgt und in Rechnung gestellt wird.
7

Betriebskosten sind auch bei selbstgenutztem Wohneigentum alle üblichen
Nebenkosten. Uneinheitlich ist die Berücksichtigung der Erhaltungsaufwendungen.
Teilweise werden diese als Erhaltungspauschale gewährt, teilweise müssen die
Kosten im Detail nachgewiesen werden. Erhaltungsaufwendungen, die nur der
Erhaltung des bestehenden Zustandes dienen (z.B. Reparatur eines Sturmschadens)
müssen unterschieden werden von Kosten einer Wertverbesserung (z.B. Einbau
wärmedämmender Fenster), die nicht berücksichtigt werden können, da eine
Vermögensmehrung nicht aus Sozialleistungen erfolgen soll. Die Abgrenzung im
Einzelnen ist streitbehaftet. Sofern die Kosten der Reparatur den aus den
monatlichen Erhaltungspauschalen möglichen Ansparbetrag übersteigen, hat die
ARGE die Differenz zu übernehmen, da nach dem Gesetz die tatsächlichen Kosten
der Unterkunft zu übernehmen sind. Es ist daher dringend anzuraten, jede noch so
kleine Quittung dringend aufzubewahren, um im Ernstfall nachweisen zu können,
dass die Pauschale nicht angespart werden konnte.
Interessant ist die Ansicht mehrerer Sozialgerichte, dass auch die Kosten für die
geforderte Errichtung /den Umbau einer Kleinkläranlage bzw. die Beiträge für den
Anschluss an eine zentrale Abwasserentsorgung als Kosten der Unterkunft durch die
ARGE zu gewähren sind, weil es sich bei der Errichtung der Anlage um die
Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes und damit letztlich um
Reparaturkosten handelt.
In seinem Urteil vom 19.01.09 (L 8 B 60/08) entschied das Landessozialgericht M-V,
dass die Kosten für die Errichtung der Anlage mit der anzurechnenden
Eigenheimzulage zu verrechnen sind. Ausschlaggebend war hier aber, dass mit der
Eigenheimzulage zweckbestimmte Einnahmen vorhanden waren und nicht die
direkte Übernahme der Kosten durch die ARGE gefordert war.
Das Sozialgericht Chemnitz hat mit seinem Urteil vom 12.03.09 (S 27 AS 4592/08)
entschieden, dass die Kosten für die Errichtung einer Kleinkläranlage
übernahmefähige Unterkunftskosten im Rahmen einer Reparatur darstellen.
Es würde nicht den Klägern obliegen, über die Errichtung der Anlage zu entscheiden,
da durch den Zweckverband eine Aufforderung zur Anpassung an den Stand der
Technik gemäß den Vorgaben der Kleinkläranlagenverordnung erlassen worden ist
und die Eigentümer zur Einhaltung gesetzlicher Vorgaben verpflichtet sind. Das
Gericht betont, dass der Anschluss der Reinhaltung der Gewässer dient und der
Kläger monatlich geringere Kosten geltend macht als ein Mieter.
Die einzelnen Kammern des Sozialgerichtes Neubrandenburg vertreten
unterschiedliche Auffassungen. In bisher bekannten Verfahren wurden Vergleiche
abgeschlossen, da die ARGE offensichtlich Präzedenzurteile verhindern will.
Da die Rechtslage offen ist und ein Erfolg nicht ausgeschlossen scheint, empfehlen
wir, Widerspruch einzulegen und Klage zu erheben.

2.    Nachzahlungen auf Heiz- und sonstige Betriebskosten werden nicht
      übernommen
Da die tatsächlichen Heiz- und Betriebskosten zu übernehmen sind, gilt dies
natürlich auch für Nachzahlungen. Manchmal versucht die ARGE, die Übernahme
mit dem Hinweis auf eine angeblich verstrichene Antragsfrist abzulehnen. Es gibt
allerdings keine Antragsfrist, die einzuhalten wäre. Belehrungen der ARGE, dass
zukünftig keine Nachzahlungen mehr übernommen werden können, ändern nichts an
dieser Rechtslage und sind unbeachtlich.

3.    Kosten der Unterkunft werden gekürzt
8

Zunehmend wird die von der ARGE übernommene Miete auf das angeblich
angemessene Maß gekürzt. Hier sind verschiedene Punkte zu beachten:
a. Nur die Kaltmiete kann unangemessen sein
Da die Heiz- und Betriebskosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen sind, kann
überhaupt nur die Kaltmiete unangemessen sein.
b. Kein Verweis auf fiktiven Wohnraum
Vergleichsmaßstab ist immer der tatsächlich auf dem örtlichen Wohnungsmarkt
vorhandene anmietbare Wohnraum, Richtwerte der ARGE sind unerheblich. Wenn
es keinen Wohnraum zu dem von der ARGE für angemessen gehaltenen Preis gibt,
dann ist der nächstgünstige Wohnraum angemessen, da auf nur fiktiv anmietbaren
Wohnraum nicht verwiesen werden kann.
c. ARGE muss über angemessene Miethöhe informieren
Der Hilfesuchende muss bei einer (angeblich) zu teuren Wohnung durch die ARGE
nachweisbar darüber informiert worden sein, dass die Kaltmiete unangemessen ist.
Die ARGE muss dabei konkret über die Höhe der für angemessen gehaltenen Miete
informieren.
d. Übergangsfrist ist zu gewähren
Durch die ARGE ist die bisherige Miete innerhalb einer Umzugsfrist weiterhin zu
gewähren, eine sofortige Kürzung ist daher nicht zulässig. Diese Umzugsfrist beträgt
nach § 22 SGB II bis zu sechs Monate, auf jeden Fall aber mindestens 4 Monate, da
dem Hilfesuchenden neben der Kündigungsfrist von üblicherweise 3 Monaten für
seinen bisherigen Mietvertrag auch noch eine Such- und Überlegungsfrist
zuzubilligen ist.
e. ARGE muss Kosten für Umzug übernehmen
Sofern die vorherigen Punkte erfüllt sind und die ARGE grundsätzlich auf
günstigeren Wohnraum verweisen kann, so hat sie auch die dafür entstehenden
Umzugs- sowie Wohnungsbeschaffungskosten (z.B. Transportkosten, die nach dem
Mietvertrag geschuldeten Schönheitsreparaturen, Anzeigen, Telefonate, Fahrtkosten,
Maklerkosten) zu übernehmen. Lehnt die ARGE dies ab, ist ein Umzug praktisch
kaum möglich und nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte dann auch nicht
notwendig.
Wichtig !
In diesem Zusammenhang werden Hilfebedürftigen durch die ARGE oftmals
Erklärungen zur Unterschrift vorgelegt, in denen sich diese zur Übernahme der
Differenz zwischen der für angemessen gehaltenen und der tatsächlichen Miete
verpflichten sollen. Von einer Unterzeichnung dieser Erklärungen ist auf jeden Fall
abzuraten, da die Mietkürzung dann sofort eintritt und die Übergangsfrist nicht mehr
gewährt wird. Stattdessen sollte erklärt werden, dass die Bereitschaft zur Senkung
der Mietkosten besteht und Wohnungsangebote eingeholt werden.
Teilweise wird versucht, die Hilfebedürftigen mit dem Argument zur Unterschrift zu
drängen, sie würden ansonsten eine Sanktion wegen mangelnder Mitwirkung
erhalten oder es würden dann überhaupt keine Mietkosten mehr übernommen.
Dieses Vorgehen ist rechtswidrig und grenzt an eine strafbare Nötigung. Sofern eine
9

Unterschrift unter solchen Umständen geleistet wurde, ist sie wegen arglistiger
Täuschung bzw. Ausnutzung einer Zwangslage anfechtbar.
Ist aus Sicht des Hilfebedürftigen ein Umzug notwendig und wird die Notwendigkeit
hinreichend begründet, gelten die gleichen Parameter zur Übernahme der Kosten
durch die ARGE wie ein von ihr veranlasster Umzug.
4.     Tilgungsraten sind zu übernehmen
Bisherige Praxis war nur die Übernahme von Schuldzinsen als Kosten der
Unterkunft. Das Bundessozialgericht entschied mit seinem Urteil vom
18. Juni 2008, dass nun mehr auch Tilgungsraten für ein selbst genutztes Eigenheim
bis zur Höhe der ortsüblichen Miete einer angemessen großen Wohnung
übernommen werden müssen.
Dabei sind allerdings folgende Einschränkungen zu beachten: Es muss
nachgewiesen werden können, dass der Kreditgeber zu keiner Herabsetzung der
Tilgungsraten bereit ist, der Kredit muss überwiegend zurückgezahlt worden sein und
ohne pünktliche Bedienung des Kredites muss ein Verlust des Eigenheimes drohen
(Zwangsversteigerung).
Dies gilt rückwirkend bis zum 1. Januar 2005. Es sind somit auch rückwirkende
Überprüfungsanträge möglich.

5.    Antrag nicht abgenommen
Jede Behörde und damit auch die ARGE hat grundsätzlich die Pflicht, einen Antrag
anzunehmen oder zu Protokoll zu nehmen, mag er auch unzulässig oder
unbegründet sein. Dieses darf nicht an die Benutzung eines bestimmten
Antragsformulars gebunden werden. Ein Antrag auf ALG II ist daher auch dann
anzunehmen, wenn er formlos auf einem Stück Papier abgegeben wurde. Allerdings
kann die ARGE darauf bestehen, dass zur Verwaltungsvereinfachung anschließend
ein Formular mit bundesweit einheitlichen Angaben ausgefüllt wird.

6.    Unterlagen nicht angekommen
Es kommt häufig vor, dass auf dem Postweg verschickte oder persönlich
abgegebene Unterlagen bei der ARGE nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht
angekommen sind. Wie viele dieser Fälle dadurch zu erklären sind, dass die
Unterlagen tatsächlich auf dem Postweg verloren gegangen sind oder in falsche
Akten einsortiert wurden, weiß wohl niemand. Problematisch ist daran, dass
grundsätzlich der Absender die Beweislast für den Eingang seiner Unterlagen bei der
ARGE trägt. Es wird daher empfohlen, Unterlagen grundsätzlich persönlich
abzugeben und sich auf einer Kopie den Eingang bestätigen zu lassen, diese per
Einschreiben mit Rückschein oder parallel zum Brief per Fax mit Sendeprotokoll zu
verschicken. Rein praktisch kann aber, sofern der Beweis des Eingangs nicht geführt
werden kann, nur empfohlen werden, die Unterlagen nochmals abzugeben und sich
nicht auf einen zeitraubenden Streit über die Abgabe oder Nichtabgabe einzulassen.
Umgekehrt trägt die ARGE natürlich genauso die Beweislast, falls ein Bescheid oder
ein Schreiben von ihr beim Hilfesuchenden nicht eingegangen ist, und wird diesen
Beweis angesichts der Massenverwaltung im Regelfall nicht führen können.

7.    Widerspruch nicht bearbeitet
10

Die ARGE hat gemäß § 88 Abs. 2 SGG eine Frist von drei Monaten, innerhalb derer
sie den Widerspruch bearbeiten und der Widerspruchsbescheid beim
Hilfesuchenden eingehen muss. Es reicht nicht aus, wenn die ARGE innerhalb dieser
Frist lediglich mit der Bearbeitung beginnt. Ausnahmsweise darf die ARGE die 3-
Monatsfrist dann überschreiten, wenn sie auf externe Gutachten oder
Stellungnahmen wartet und den Hilfesuchenden auch über die dadurch entstehende
Verzögerung informiert. Dies gilt nicht, wenn die Verzögerung durch die fehlende
Abstimmung verschiedener Abteilungen innerhalb der ARGE verursacht wurde.
Um eine schnelle Bearbeitung des Widerspruches zu erzwingen, sollte nach Ablauf
der 3-Monats-Frist eine Untätigkeitsklage vor dem zuständigen Sozialgericht erhoben
werden. Diese hat als Antrag ausschließlich die ARGE zur Entscheidung über den
Widerspruch zu verurteilen, weil die gesetzliche Bearbeitungsfrist nicht eingehalten
worden ist.
Innerhalb von einem bis zwei Monaten ist dann mit einem Erhalt des
Widerspruchsbescheides zu rechnen.

8.    Bereinigung des Einkommens ist falsch
Die Bereinigung des Einkommens ist ein kompliziertes Verfahren.
Sofern es sich nicht um Arbeitseinkommen (z.B. Unfallrenten oder Krankengeld)
handelt, sind monatlich eine Versicherungspauschale von 30 €, die Beiträge zur Kfz-
Haftpflichtversicherung und die Beiträge zur Riesterrente abzusetzen.
Schwieriger wird dies bei Arbeitseinkommen. Hier gilt der Grundsatz, dass zusätzlich
zu den oben genannten Kosten auch sämtliche arbeitsbedingten Kosten vom
Einkommen abzusetzen sind, z.B. also auch Fahrtkosten, Berufsbekleidung oder
Gewerkschaftsbeiträge. Bei den Fahrtkosten setzt die ARGE auf der Basis der ALG
II-Verordnung fast immer lediglich eine Fahrtkostenpauschale von 0,20 € pro
Entfernungskilometer (einfache Fahrt) an. Dabei wird übersehen, dass der Nachweis
höherer Kosten ausdrücklich möglich ist – die ARGE weist auch nur selten
daraufhin. Da bei 0,20 € pro Entfernungskilometer lediglich 0,10 € auf den tatsächlich
gefahrenen Kilometer entfallen, wird die Pauschale oftmals bereits durch die
Treibstoffkosten erreicht. Zusätzlich können Kfz-Steuer und –Versicherung,
Reparaturen, neue Reifen oder ähnliche Kosten abgesetzt werden. Diese Kosten
müssen allerdings nachgewiesen werden. Außerdem muss zwischen der privaten
und beruflichen Nutzung des Fahrzeuges unterschieden werden, so dass ein
Fahrtenbuch geführt werden sollte. Zusätzlich kann man sich mit der ARGE darüber
streiten, auf welchen Zeitraum diese Kosten verteilt werden, wie lange also z.B. eine
Reparatur reicht. Zur Vermeidung dieser Streitigkeiten sollte hier eine Pauschale von
0,30 € Entfernungskilometer angesetzt werden – dies entspräche dann der
steuerlichen Enfernungspauschale.
Sofern die monatlichen Kosten 100 € nicht übersteigen, wird pauschal der
Grundfreibetrag von 100 € abgezogen.
Höhere Absetzbeträge als 100 € können nur dann geltend gemacht werden, wenn
das Erwerbseinkommen 400 € überschreitet. Übersehen wird aber oft, dass diese
Regelung dann nicht gilt, wenn das Einkommen aus Ausbildung erzielt wird, so dass
hier auch bei einem Einkommen von unter 400 € die tatsächlichen Kosten
(Fahrtkosten, Internatskosten usw.) zu berücksichtigen sind.
11

Außerdem wird ein gestaffelter Erwerbstätigenfreibetrag von 20 % bei einem
Erwerbseinkommen von 100 € bis 800 € und von weiteren 10 % bei 800 € bis 1200 €
errechnet und vom Nettoeinkommen in Abzug gebracht.
Das Einkommen (Erwerbs- und Nichterwerbseinkommen) mindert sich auch um
eventuelle titulierte Unterhaltsverpflichtungen, außerdem evtl. um bei der
Berechnung von BAB oder BAföG eines Kindes bereits berücksichtigte Beträge.
Auszubildende, die zuhause wohnen und daher nur BAföG in Höhe von 192 €
beziehen, können übrigens 20 % als pauschale Ausbildungskosten absetzen lassen.
Dies ist bei der ARGE weitgehend unbekannt.
Eine Eigenheimzulage oder eine sonstige zweckbestimmte Einnahme ist nicht als
Einkommen anzurechnen, sofern die zweckentsprechende Verwendung erfolgt.
Die Sozialgerichte gehen zunehmend davon aus, dass es sich auch bei der bei einer
auswärtigen Tätigkeit gezahlten Auslöse bzw. dem Verpflegungsmehraufwand um
eine zweckbestimmte Einnahme handelt, die nicht als Einnahme angerechnet
werden darf. Sofern die ARGE hier lediglich Pauschalen von 6 € bzw. 12 € pro Tag
abzieht, ist dies rechtswidrig.
Auch die Abwrackprämie ist kein Einkommen.
Gezahlte Aufwandsentschädigungen für Ein-Euro-Jobs oder ehrenamtliche Arbeit
sind kein anzurechnendes Einkommen.
Nur das nach der Bereinigung verbleibende Einkommen kann mit dem Bedarf
verrechnet werden.

9.    Angebliche Lebensgemeinschaft
Sehr viele Streitigkeiten entstehen um angebliche oder tatsächliche (nichteheliche)
Lebensgemeinschaften.        Die    ARGE    nimmt     gerne      vorschnell    eine
Bedarfsgemeinschaft an, da das Einkommen des (angeblichen) Partners dann zur
Bedarfsdeckung herangezogen wird und die von der ARGE zu zahlenden Leistungen
entsprechend reduziert werden können.
Seit dem 1. August 2006 hat der Gesetzgeber dazu eine Beweislastumkehr im
Gesetz geregelt. Danach kann die ARGE eine Bedarfsgemeinschaft annehmen,
wenn länger als ein Jahr zusammengewohnt wird, Vermögen gemeinsam genutzt
wird, Angehörige gemeinsam gepflegt werden oder gemeinsame Kinder vorhanden
sind. Diese Vermutung kann durch den Hilfesuchenden widerlegt werden.
Viele Sozialgerichte decken die Praxis der ARGE vorschnell und stellen an diesen
Beweis des Gegenteils hohe Anforderungen. Da es naturgemäß auf große
Schwierigkeiten stößt, eine negative Tatsache zu beweisen, haben mehrere
Landessozialgerichte und das Bundessozialgericht inzwischen allerdings
entschieden, dass diese hohen Anforderungen nicht zu einer praktischen
Unmöglichkeit des Gegenbeweises führen dürfen.
Zu berücksichtigen ist dabei, dass das Bundesverfassungsgericht bereits zum SGB II
entschieden hat, dass eine Bedarfsgemeinschaft tatsächlich nur dann existiert, wenn
der dazu nicht verpflichtete Partner freiwillig den anderen Partner finanziell
unterstützt. Dies ist auch konsequent, weil das Bürgerliche Gesetzbuch keinerlei
Unterhaltspflichten innerhalb einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kennt, die
dann auch zwangsweise durchsetzbar wären. Auch eine sich in gegenseitigen
Besuchen äußernde Freundschaft ist noch keine Lebensgemeinschaft.
12

Auf dieser Linie haben dann auch mehrere Landessozialgerichte unlängst
entschieden, dass die ARGE zur Verhinderung einer existenziellen Notlage
Leistungen zu erbringen hat, wenn in einer angeblichen Bedarfsgemeinschaft keine
freiwillige Unterstützung des einen (angeblichen) Partners durch den anderen
Partner feststellbar ist.
Diese Rechtssprechung scheint sich allerdings zu den ARGEN noch nicht
herumgesprochen zu haben oder wird bewusst ignoriert.
Die genauen Verhältnisse und Hintergründe einer behaupteten Lebensgemeinschaft
sollten genau erfragt werden, da die Bewertung, ob getrennte Wohnungen auch
getrennt bewohnt werden, z.B. von Faktoren, wie dem Strom- oder
Wasserverbrauch, abhängen kann.

10.    Ausbildungskosten bleiben unberücksichtigt
Auszubildende, deren Ausbildung grundsätzlich durch BAB oder Bafög förderfähig
ist, sind im Regelfall von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
Entscheidend ist dabei nicht der tatsächliche Bezug von Ausbildungsförderung,
sondern die abstrakte Förderfähigkeit. Es gibt dazu eine Vielzahl von
Sonderregelungen z.B. bei Behinderten, bei Auszubildenden kurz vor Beendigung
ihres Abschlusses oder bei Auszubildenden, die nur einen Grundbedarf erhalten.
Auszubildende (auch Studenten) sind damit nicht mehr Mitglied der
Bedarfsgemeinschaft, müssen allerdings nach überwiegender Praxis als Mitglied der
Haushaltsgemeinschaft den nach Kopfteilen auf sie entfallenden Teil der
Unterkunftskosten bei den Eltern tragen. Dies gilt auch dann, wenn sie parallel dazu
in einem Wohnheim wohnen und dort die Unterkunftskosten selbst tragen müssen.
Verschiedentlich gehen die Sozialgerichte allerdings dazu über, als Wohnort eines
Auszubildenden tatsächlich den Ausbildungsort anzusehen, sofern dort tatsächlich
eine Wohnung oder ein Zimmer bewohnt wird.
Um diese (doppelten) Kosten aufbringen zu können, haben die Auszubildenden
allerdings einen Anspruch auf Wohngeld sowie auf einen ergänzenden Zuschuss zu
den ungedeckten Kosten der Unterkunft gegenüber der ARGE, auch wenn sie
eigentlich vom Leistungsbezug ausgeschlossen sind. Dieser Zuschuss wurde zum
1. Januar 2007 eingeführt und ist vielen Mitarbeitern der ARGE unbekannt.
Schüler können außerdem die Übernahme der Kosten für eine Klassenfahrt
beantragen. Ein Abzug angeblich ersparter Verpflegungskosten (weil sie zuhause
nicht essen müssen) ist unzulässig.
Auf die Chemnitzer Studie „Man kann auch mit 132 € leben“ haben sich CDU und
SPD im September 2008 darauf geeinigt, dass es keine Änderung bei den
Regelleistungen geben werde. Durch massive politische Proteste wurde die
Bundesregierung gezwungen, für den Sommer diesen Jahres eine einmalige
Zahlung von 100 € für Schulkosten anzukündigen – schließlich ist im Jahr 2009
Bundestagswahl.
Weitere Zuschüsse, z.B. zu Schulbüchern oder Lernmaterialien, sind eigentlich nicht
vorgesehen.
Da diese Kosten weder durch den Regelsatz berücksichtigt werden noch durch den
Zuschuss ausreichend gedeckt sind, ist dieses Problem weiterhin politisch hoch
umstritten.
13

Verschiedene Landessozialgerichte haben inzwischen entschieden, dass
Ausbildungskosten, z.B. Fahrtkosten, aus verfassungsrechtlichen Gründen als
unabdingbarer Bedarf auf Darlehensbasis durch die ARGE bzw. durch das örtliche
Sozialamt zu übernehmen sind, wobei die Rückzahlung des Darlehens zu erlassen
ist. Es sollte daher ein ausdrücklicher Darlehensantrag gestellt werden.
Hier gilt die Vorrangigkeit des Verfassungsrechtes gegenüber dem SGB II. Es bleibt
abzuwarten, wie sich die Rechtssprechung weiter entwickelt.
Ausbildungsvergütungen sind Einkommen. Betriebliche und Außerbetriebliche
Ausbildungen werden auf der Grundlage der Regelungen zu den Freibeträgen und
den Absetzbeträgen genauso wie Erwerbseinkommen bereinigt.

11.   Abgrenzung von Einkommen und Vermögen
Alles, was vor der Beantragung von ALG II vorhanden ist, ist Vermögen. Alles, was
während des Bezugs von ALG II hinzukommt, ist Einkommen und zwar auch dann,
wenn die Schonvermögensgrenze noch nicht erreicht ist.
Einkommen sind auch Erstattungen von Lohnsteuer oder Betriebskosten –
unabhängig von dem Zeitraum, aus dem sie stammen. Es ist nach dem
Zuflussprinzip ausschließlich der Zeitpunkt des Zuflusses entscheidend und die
Möglichkeit, davon gegenwärtig seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Die Erstattung von Strom oder Warmwasserkosten (Bestandteil der
Heizkostenabrechnung) ist allerdings kein Einkommen, da diese Kosten aus der
Regelleistung bezahlt werden. Dies wird oftmals nicht berücksichtigt, so dass die
Anrechnung von Betriebskostenguthaben immer kritisch überprüft werden sollte.
Sofern vorhandenes Vermögen von einer Form in eine andere umgewandelt (z.B. ein
Betrag vom Sparbuch auf das Girokonto eingezahlt wird), handelt es sich dabei
natürlich um keine Einnahme. Dies wird deswegen betont, weil die Mitarbeiter der
ARGE beim Filzen der Kontoauszüge der letzten 3 Monate oftmals der Versuchung
erliegen, sämtliche Eingänge, die nicht von der ARGE selbst stammen, als
Einkommen anzurechnen.

12.   Angeblich zu hohes Vermögen
Viele Streitigkeiten gibt es auch um die Berücksichtigung angeblich zu hohen
Vermögens. Zu unterscheiden ist dabei zwischen zweckgebundenem und freiem
Vermögen.
Bei freiem Vermögen ist ein Betrag von 150 € pro Lebensjahr geschützt, zusätzlich
ein Anschaffungsfreibetrag von 750 €, mindestens aber ein Grundfreibetrag von
3.100 €.
Als zweckgebundenes Altersvorsorgevermögen ist ein weiterer Betrag von 250 € pro
Lebensjahr geschützt, sofern auf dieses Vermögen nicht vor Rentenbeginn
zugegriffen werden kann. Dazu muss üblicherweise ein „Verwertungsausschluss“ mit
der Versicherung vereinbart worden sein. Auch über diesen Betrag hinausgehendes
Vermögen kann nicht angerechnet werden, sofern ein Verwertungsausschluss
vorliegt, da dieser Verwertungsausschluss jeden Zugriff vor Rentenbeginn verhindert.
14

Zusätzlich ist ein Kraftfahrzeug für jeden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nicht als
Vermögen zu berücksichtigen, sofern ein Wert von 7.500 € pro Kraftfahrzeug nicht
überschritten wird.
Ebenfalls geschützt ist ein angemessenes selbst bewohntes Hausgrundstück mit
einer Wohnfläche von bis zu 130 m² und einer Grundstücksgröße von bis zu 800 m².
Ein diesen Betrag überschreitender Vermögenswert unterfällt den normalen
Freibeträgen von 150 € pro Lebensjahr.
Über die geschützten Beträge hinausgehendes Vermögen ist grundsätzlich zur
Deckung des Lebensunterhaltes zu verwenden, Leistungen der ARGE können dann
versagt werden. Das überschüssige Vermögen wird auf einen angemessenen
Zeitraum verteilt. Achtung: Hierbei sollte darauf Einfluss genommen werden, dass
abhängig von der Höhe des zu verteilenden Vermögens ein möglichst großer
Zeitraum gewählt werden sollte, um den Leistungsbezug auch weiterhin zu
gewährleisten (Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge). Bei größerem Vermögen
bzw. Einkommenszufluss kann sich der Verteilungszeitraum auf maximal 12 Monate
erstrecken.
Während des Nichtleistungsbezuges besteht jedoch keine Pflicht, auf Hartz IV-
Niveau leben zu müssen!
Wenn das überschüssige Vermögen genutzt werden muss, um Grundbedarfe zu
decken         (Ersatzbeschaffungen           im    Haushalt,     Schuldentilgung,
Renovierungen/Reparaturen etc.) kann bereits nach kurzer Zeit eine erneute
Antragsstellung bei der ARGE erfolgen, wenn dann der Vermögensfreibetrag
unterschritten bzw. das Einkommen aufgebraucht ist. Allerdings darf das Vermögen
natürlich nicht mutwillig „verjubelt“ werden.
Viele Fehler werden dadurch gemacht, dass tatsächlich nicht vorhandenes oder
nicht verwertbares Vermögen angerechnet wird oder von einem zu hohen Vermögen
ausgegangen wird.
Sofern tatsächlich zu hohes Vermögen vorhanden ist, dieses aber aufgrund von
Verfügungsbeschränkungen (z.B. Kündigungsfristen) oder längerer Zeitdauer der
Verwertung gegenwärtig nicht als Einkommen zur Verfügung steht, sind Leistungen
auf Darlehensbasis zu erbringen. Dieses Darlehen muss dann später aus dem zu
Geld gemachten Vermögen zurückgezahlt werden.
Ein Darlehen ist aber dann nicht zulässig, wenn der Zeitpunkt der künftigen
Verwertbarkeit vollkommen unbestimmt ist und nicht durch den Hilfebedürftigen
beeinflussbar ist – in diesem Fall sind Leistungen geregelt als Zuschuss zu
erbringen.
Es darf auch nur der tatsächlich auf den Markt erzielbare Wert des Vermögens
angesetzt und nicht pauschal z.B. von irgendwelchen Bodenrichtwerten
ausgegangen werden.
Wenn Vermögen endgültig nicht verwertet werden kann, dürfen Leistungen nicht nur
auf Darlehensbasis erbracht werden; Beispiel: Das Hausgrundstück im ländlichen
Raum übersteigt 800 m². Aufgrund der fehlenden Teilungsgenehmigung der
Gemeinde ist es aber nicht teilbar und damit auch nicht verkäuflich, analog bei
fehlender Bebaubarkeit mangels Bebauungsplan oder fehlenden Kaufinteressenten.
An den Nachweis der fehlenden Verwertbarkeit werden hohe Anforderungen gestellt
(Bestätigungen von Maklern etc.).
Zu diesem Themenkomplex existiert eine Vielzahl von Spezialregelungen, die hier
nicht näher dargestellt werden sollen.
15

13.   Mehrbedarfe / Einmalige Bedarfe
Die Gewährung von Mehrbedarfen bzw. einmaligen Bedarfen ist zwar gesetzlich
geregelt, jedoch keine Garantie, dass diese auch tatsächlich gezahlt werden.
Bei der entsprechenden Lebenslage sollte daher der Bewilligungsbescheid immer
kritisch überprüft werden.
a. Mehrbedarf bei Schwangerschaft/Geburt
Schwangere erhalten einen Mehrbedarf von 17 % der Regelleistung. Außerdem gibt
es einen Zuschuss zu den Kosten der Schwangerschaftsbekleidung und der
Erstausstattung des Kindes bei Geburt. Diese Mehrbedarfe sind vor der Geburt zu
zahlen.
b. Mehrbedarf bei Alleinerziehung
Alleinerziehende Mütter/Väter erhalten für ihre minderjährigen Kinder einen
Mehrbedarf, dessen Höhe vom Alter und der Anzahl der Kinder abhängig ist. Dieser
Mehrbedarf ist entgegen beobachteter Praxis nicht daran gekoppelt, dass auch
Unterhaltsvorschuss gezahlt wird.
c. Mehrbedarf bei Behinderung
Erwerbsfähige behinderte Hilfesuchende erhalten einen Mehrbedarf von 35 % der
Regelleistung, sofern sie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Maßnahmen,
Umschulungen u.a. nach § 33 SGB IX) erhalten.
Nichterwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen das Merkzeichen G zuerkannt
wurde, erhalten einen Mehrbedarf von 17 % der Regelleistung.
d. Mehrbedarf bei Krankheit
Für bestimmte Krankheiten, die eine besondere Ernährungsform erfordern, gibt es
einen ernährungsbedingten Mehrbedarf.
Dieser Mehrbedarf muss durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen worden
sein, die im Regelfall alle zwölf Monate neu einzureichen ist.
Der Mehrbedarf wird auch nur dann gezahlt, wenn tatsächlich ein durch eine
notwendige andere Ernährung notwendiger finanzieller Mehrbedarf vorhanden ist. Er
ist ausdrücklich nicht vorgesehen als Krankheitszulage oder zur Abdeckung mit der
Krankheit verbundener weiterer Mehrkosten. Krankheitskosten sollen nämlich bereits
im Regelsatz berücksichtigt worden sein, so der Gesetzgeber. Zu beachten ist
allerdings, dass die ARGE den Mehrbedarf ab Kenntnis von der Erkrankung zu
zahlen hat und sich nicht darauf zurückziehen kann, dass notwendige Formulare
nicht eingereicht wurden.
Nach Ansicht des Deutschen Vereines für private und öffentliche Fürsorge ist
aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse seit Oktober 2008 allerdings für eine
Vielzahl von Krankheiten kein ernährungsbedingter Mehrbedarf mehr notwendig, weil
die Kosten für die einzig als Therapie sinnvolle gesunde Ernährung im Regelsatz
enthalten sind, so die Meinung des Gesetzgebers. Dies betrifft z.B. Krankheiten wie
Diabetes, Bluthochdruck, Gicht usw. Die ARGEN stützen sich auf diese
Empfehlungen und die Sozialgerichte decken diese Vorgehensweise.
Sofern diese Praxis angegriffen werden soll, ist dringend zu fundierten Gutachten zu
raten, die jeweils im Einzelfall nachweisen, warum ein ernährungsbedingter
Mehrbedarf doch notwendig ist.
16

e. Einmalige Bedarfe
Im SGB II sind verschiedene Möglichkeiten zur Übernahme einmaliger Bedarfe
vorgesehen.
Am wichtigsten ist, dass die ARGE bei Erstbezug einer Wohnung die Kosten für eine
übliche Wohnungseinrichtung zu übernehmen hat. Die Deckung des Bedarfes kann
durch Geldzahlung oder Sachleistung (Möbelbörse) erfolgen.
Es ist außerdem nach sofort zu deckenden Bedarfen (z.B. Bett, Schrank,
Kühlschrank, Herd) und nicht so dringenden Bedarfen (z.B. Fernseher, Couch) zu
unterscheiden.
Sofern bestimmte, zur üblichen Ausstattung einer Wohnung zugehörige
Gegenstände, noch nie vorhanden waren, sind sie als einmalige Bedarfe zu
übernehmen.
In der Regelleistung soll ein gewisser Anteil enthalten sein, der für notwendige
Ersatzbeschaffungen (nicht für Erstbeschaffungen!) zurückzulegen ist, z.B. für die
Reparatur einer Waschmaschine oder den Neukauf eines Wintermantels. Sofern
nichts angespart werden konnte oder der angesparte Betrag durch eine andere
dringende Anschaffung verbraucht wurde, hat die ARGE ein Darlehen zu gewähren.
Dieses Darlehen kann dann durch monatliche Aufrechnung bis zu 10 % der
Regelleistung zurückgefordert werden. Sofern mehrere parallele Darlehen gewährt
wurden, kann die ARGE allerdings nicht unbegrenzt aufrechnen, da auch noch ein
Betrag zum Leben übrig bleiben muss. Die Gewährung eines Darlehens ist höchst
unbeliebt bei der ARGE und bietet viel Streitpotential.
Nicht zulässig ist die Gewährung von Umzugs- oder Renovierungskosten als
Darlehen bei einem notwendigen Umzug, da es sich dabei um keinen von der
Regelleistung erfassten Bedarf handelt, sondern um auf Zuschussbasis zu
übernehmende Kosten der Unterkunft.
Dies gilt auch für Aufnahmegebühren bei einer Wohnungsgenossenschaft, nicht aber
für Mietkautionen oder Genossenschaftsanteile, da diese einen Vermögenswert
darstellen.

14.   Anrechnung der Krankenhausverpflegung als Einkommen
Das Bundessozialgericht entschied am 18. Juni 2008, dass die Anrechnung von
Verpflegung als Einkommen bei stationärem Aufenthalt (Krankenhaus, REHA u.a.)
rechtswidrig ist.
Sämtliche    Bewilligungsbescheide   sowie    Rückforderungsbescheide      wegen
Überzahlung können rückwirkend bis zum 31. Dezember 2007 einer Überprüfung
unterzogen werden (mittels Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X).
Die ARGE muss also für den zurückliegenden Zeitraum bis zum 31. Dezember 2007
von der Regelleistung in Abzug gebrachte Kosten für die stationäre Verpflegung in
voller Höhe zurückerstatten.
Ab dem 1. Januar 2008 gilt die neue ALG II-Verordnung, die eine Anrechnung der
Krankenhausverpflegung als Einkommen regelt. Übersehen wurde dabei allerdings,
dass in der ALG II-Verordnung nur geregelt werden kann, wie Einkommen berechnet
wird, nicht aber, was Einkommen ist.
Die entsprechende Anrechnung als Einkommen ist daher auch nach der neuen
Rechtslage ab dem 1. Januar 2008 rechtswidrig.
17

Die bisherigen Argumente haben weiterhin Gültigkeit (bei Anrechnung als
Einkommen müssten auch Zuzahlungen, Bademäntel etc. als Aufwendungen zur
Einkommenserzielung angerechnet werden; es gäbe keine Pflicht, 35 % der
Regelleistung aufzuessen; auch bei Nichtrauchern werde die Regelleistung nicht
gekürzt, obwohl Zigaretten in der Regelleistung enthalten sind u.a.).
Nicht zulässig ist übrigens auch eine Kürzung der Kosten einer Klassenfahrt um
Verpflegungskosten.

15.   Sanktionen
Ein weites Feld ist auch die Überprüfung von Sanktionen, also der Kürzung von
Leistungen aufgrund (angeblichen) Fehlverhaltens.
Häufiges Problem ist die Verhängung einer Sanktion nach Nichtantritt einer
Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung. Der Antritt einer solchen
Maßnahme kann nur verlangt werden, wenn diese einen konkreten Nutzen bei der
Wiedereingliederung des Hilfesuchenden in den Arbeitsmarkt bietet und die ARGE
zuvor     eine    konkrete    Prognoseentscheidung    getroffen     hat.   Eine
Beschäftigungstherapie zur Bereinigung der Statistik ist daher rechtswidrig.
Außerdem müssen Ort und Umfang der Arbeitsgelegenheit konkret beschrieben
worden sein.
Viele Sanktionsbescheide scheitern an zu unklaren Formulierungen. Die
Sozialgerichte verlangen allerdings, dass der Hilfesuchende dem Sanktionsbescheid
ganz konkret entnehmen kann, in welcher Höhe für welchen Zeitraum Leistungen
gekürzt werden, um sich entsprechend einstellen zu können.

16. Ein-Euro-Job
Nach     Ansicht     des    Gesetzgebers     stellen    Arbeitsgelegenheiten  mit
Mehraufwandsentschädigung (besser bekannt als Ein-Euro-Job) nur das letzte Mittel
in einer ganzen Palette von Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den
Arbeitsmarkt dar. Sie sollen vorrangig Hilfebedürftigen angeboten werden, für die
keine andere Maßnahme in Betracht kommt und die langsam wieder an ein
geregeltes Arbeitsleben herangeführt werden müssen.
In der Praxis stellt sich dies ganz anders dar: Es werden massenhaft Ein-Euro-Jobs
vergeben und alle anderen Maßnahmen sind nachrangig.
Sofern man dagegen vorgehen möchte, sind folgende Fragen zu klären:
* Gibt es eine konkrete Prognose, wie die Hilfebedürftigkeit dieses Menschen durch
den konkreten Ein-Euro-Job verringert werden kann und welche notwendigen
Fähigkeiten und Kenntnisse ihm vermittelt werden?
Eine reine Beschäftigungstherapie ist unzulässig.
* Muss überhaupt an den Arbeitsmarkt herangeführt werden?
Wer sich selbst bereits eine Neben- oder Teilzeittätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt
gesucht hat, muss an diesen 2. Arbeitsmarkt nicht mehr herangeführt werden. Wir
übersehen dabei nicht, dass oftmals ein verständliches finanzielles Interesse besteht,
beide     Beschäftigungen      ausüben     zu      können,       da    die   gezahlte
Mehraufwandsentschädigung nicht als Einkommen angerechnet wird und ein
Nebeneinkommen bis 100 € ebenfalls anrechnungsfrei ist.
18

* Sind die zugewiesenen Tätigkeiten zusätzlich und gemeinnützig?
Es ist unzulässig, wenn z.B. Kommunen erst Hausmeisterstellen streichen und dann
die gleichen Arbeiten durch Ein-Euro-Kräfte erledigen lassen.
Um sich der existenziellen Bedrohung durch die sofortige Verhängung einer Sanktion
    bei Ablehnung eines Ein-Euro-Jobs zu entziehen, empfehlen wir, diesen trotz
    aller Bedenken anzutreten und anschließend Klage auf Feststellung der
    Rechtswidrigkeit der Zuweisung des Ein-Euro-Jobs zu erheben. Natürlich kann
    die Zuweisung auch abgelehnt werden, allerdings ist man dann mit hoher
    Wahrscheinlichkeit gezwungen, sich sofort in einem Eilrechtsschutzverfahren mit
    der Sanktion, also der Kürzung der Leistung, auseinanderzusetzen.

17.   Ordnungswidrigkeiten
Als Empfänger von ALG II ist man nach dem Gesetz verpflichtet, mitzuwirken, also
Veränderungen an der persönlichen oder finanziellen Situation mitzuteilen,
Unterlagen vorzulegen, zu Terminen zu erscheinen und noch so einiges mehr.
Zunehmend werden Verstöße dagegen nicht nur mit Sanktionen belegt, sondern als
Ordnungswidrigkeit geahndet, insbesondere dann, wenn Änderungen am
Einkommen nicht oder nicht rechtzeitig mitgeteilt wurden und es zu Überzahlungen
gekommen ist.
Intern gewährt die ARGE eine 2-Wochen-Frist zur Einreichung von Unterlagen nach
eigener Kenntnis von Einkommensveränderungen (über die unserer Kenntnis nach
aber nicht informiert wird), z.B. nach Erhalt einer Betriebskostenabrechnung vom
Vermieter. Wird diese Frist überschritten, leitet die ARGE ein Verfahren zur Prüfung
des Verdachtes einer Ordnungswidrigkeit ein. Sofern in der vorgeschriebenen
Anhörung nicht aus Sicht der ARGE schlagende Argumente vorgebracht werden
können, wird im Regelfall eine Geldbuße verhängt, die schnell 1/3 der monatlichen
Regelleistung erreichen kann.
Sofern ein solcher Fall in der Beratung auftaucht, sollten folgende Schritte geprüft
werden: Hat der Verstoß, so wie er von der ARGE behauptet wird, stattgefunden?
Gibt es Zeugen oder Unterlagen, die das Gegenteil beweisen? Trägt die ARGE eine
Mitschuld, kann Vertrauensschutz geltend gemacht werden? Hat die ARGE die
Jahresfrist zur Ahndung von Verstößen eingehalten? Ist das Bußgeld tat- und
schuldangemessen?
Bestehen Zweifel, sollte Einspruch eingelegt werden.
Der Einspruch muss zwingend innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des
Bußgeldbescheides eingelegt werden, wobei der Eingang des Einspruches bei der
ARGE entscheidend ist, nicht die Absendung.
Da innerhalb dieser kurzen Frist kaum eine vernünftige Sachaufklärung möglich ist,
sollte im Regelfall bei jedem Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bußgeldbescheides
Einspruch eingelegt werden, um so zunächst eine Hemmung der Rechtskraft zu
erreichen.
Nach dem Einspruch hat die ARGE die Möglichkeit, den Bußgeldbescheid
aufzuheben oder das Verfahren über die Staatsanwaltschaft an das zuständige
Amtsgericht abzugeben, wo dann ein Richter über die Rechtmäßigkeit entscheidet.
Der Richter kann den Bußgeldbescheid aufheben, das Bußgeld herabsetzen, aber
auch erhöhen. Bevor dies geschieht, wird der Richter aber darauf hinweisen und
empfehlen, den Einspruch zurückzunehmen.
Nach unserer Erfahrung wird aber in sehr vielen Bußgeldverfahren, die nach
Einspruch vor dem Amtsgericht entschieden werden, eine Verbesserung erreicht,
19

also entweder das Bußgeld herabgesetzt, der Bußgeldbescheid in eine Verwarnung
umgewandelt oder auch ganz aufgehoben. Dies gilt zumindest dann, wenn es sich
um einen Erstverstoß handelt, sich die eigene Aussage und die Aussage der ARGE
(z.B. bei verschwundenen Unterlagen) gegenüberstehen oder das Bußgeld für einen
unbedeutenden Verstoß verhängt wurde, durch den kein Schaden für die ARGE
entstanden ist. Die Amtsrichter folgen hier offenbar dem Grundsatz, dass nicht mit
Kanonen auf Spatzen geschossen und unbescholtene Bürger kriminalisiert werden
sollen.
Abraten möchten wir allerdings vor dem unbegründeten Einlegen eines Einspruches
bei tat- und schuldangemessenen Bußgeldbescheiden und einem nicht zu
bestreitenden Vorwurf, da nach einem Einspruch das Bußgeld auch höher ausfallen
kann und außerdem beträchtliche zusätzliche Verfahrenskosten entstehen können.

18.   Schadensersatz
Sofern die ARGE einen Fehler macht (z.B. zu späte Überweisung einer bewilligten
Leistung, zu späte Erstellung eines Bescheides) und dadurch ein Schaden entsteht,
ist dieser Schaden durch die ARGE zu ersetzen.
Dies können z.B. Kosten für Bankrücklastschriften, Zinsen oder GEZ-Gebühren sein.
Die Anspruchsgrundlage ergibt sich aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch
und/oder aus der Amtshaftung. In solchen Fällen sollte spätestens bei Ablehnung der
Kostenübernahme durch die ARGE ein spezialisierter Anwalt oder Berater
hinzugezogen werden.

19.   Auszug von unter 25-Jährigen Kindern aus der Elternwohnung
Niemand kann auch einem Hilfesuchenden verbieten, aus der bisher bewohnten
Wohnung auszuziehen; es gibt daher keine „Umzugsgenehmigung“ der ARGE.
Verständlich ist es auch, wenn ein junger Hilfesuchender – endlich volljährig
geworden – in seine eigene Bude ziehen will. Vorsicht - mitzureden hat die ARGE
allerdings immer dann, wenn es um die Kosten geht. Erhöhen sich nach einem
Umzug daher die Kosten der Unterkunft (weil z.B. statt einem bisherigen Drittel der
Miete für eine gemeinsam mit den Eltern bewohnte Wohnung nun die volle Miete für
eine allein bewohnte Wohnung zu zahlen ist), so werden nur die bisherigen Kosten
(also ein Drittel der bisherigen Miete) übernommen; es sei denn, der Umzug ist von
der ARGE veranlasst oder aus schwerwiegenden sozialen Gründen erforderlich.
Schwerwiegende soziale Gründe können z.B. ständige ernsthafte Streitereien mit
den Eltern oder Geschwistern, eine unzumutbar kleine Wohnung oder Tätlichkeiten
sein. Die ARGE prüft dies allerdings sehr genau. Können diese Gründe nicht
nachgewiesen werden, wird die ARGE der Übernahme der Kosten nicht zustimmen
und ein Auszug kann nicht vorgenommen werden.
Von diesen harten Regelungen gibt es zwei Ausnahmen:
* Entgegen oft anzutreffender Behauptung der ARGE gibt es keine Pflicht, wieder zu
den Eltern zurückziehen, sofern man bereits eine eigene Wohnung bewohnt hat und
diese selbst finanziert hat, dies nunmehr jedoch aufgrund von Arbeitslosigkeit nicht
mehr kann.
* Es gibt auch keine Pflicht, mit den Eltern mitzuziehen und keine „Kindermitnahme-
Pflicht“ der Eltern. Entschließen sich diese, die bisherige Wohnung zu kündigen und
in eine kleinere Wohnung umzuziehen oder den Wohnort komplett zu wechseln, gibt
Sie können auch lesen