Hinter kolonialer Kulisse

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Hinter kolonialer Kulisse
VOR ORT DEUTSCHLAND

                          Hinter
                          kolonialer
                          Kulisse
                          Hundert Jahre nach dem Ende der deutschen
                          Kolonialzeit wiegt das Erbe schwerer denn je.
                          Hamburg, einst Tor zu einer exotischen Welt,
                          verdankt seinen Wohlstand in weiten Teilen
                          den Verstrickungen in die koloniale
                          Ausbeutung – und ist bis heute ein Zentrum
                          unkommentierter Erinnerungsorte: Straßen
                          sind nach Kolonialverbrechern benannt und
                          Denkmale aus der Nazi-Zeit huldigen einer
                          scheinbar heldenhaften Epoche. Aber die
                          Stimmen nach einer kritischen Auseinan-
                          dersetzung werden immer lauter.
                          TEXT: KRISTINA BALBACH | FOTOS: JÖRG BÖTHLING

 30   | missio   2/2021                                  missio     2/2021 |   31
Hinter kolonialer Kulisse
VOR ORT DEUTSCHLAND

                                                                                                                                                        mal für diese kolonialen Schutztruppen
                                                                                                                                                        und das denkmalgeschützte Ensemble
                                                                                                                                                        aus von der Wehrmacht errichteten Ge-
                                                                                                                                                        bäuden. Eines ist Hermann von Wiss-
                                                                                                                                                        mann gewidmet, der als Befehlshaber der
                                                                                                                                                        ersten Kolonialtruppen in „Deutsch-Ost-
                                                                                                                                                        afrika“ viele Menschen ermorden ließ,
                                                                                                                                                        um Überlebende gefügig zu machen. Ein
                                                                                                                                                        anderes Haus ist benannt nach Lothar
                                                                                                                                                        von Trotha, der im damaligen „Deutsch-
                                                                                                                                                        Südwestafrika“ die Vernichtung der He-
                                                                                                                                                        rero und Nama, die sich ihr Land nicht
                                                                                                                                                        nehmen lassen wollten, befahl und an-
                                                                                                                                                        führte. Heute gehen unter seinem stei-
                                                                                                                                                        nernen Konterfei Studenten ein und aus.
                                                                                                                                                           Im Wettlauf um Macht, Einfluss und
                                                                                                                                                        wirtschaftliche Vorherrschaft, der durch
                                                                                                                                                        die Industrialisierung vorangetrieben
                                                                                                                                                        wurde, nahm das Deutsche Kaiserreich in
                                                                                                                                                        den Jahren zwischen 1880 und 1914 so-
                                                                                                                                                        genannte Schutzgebiete in Afrika und im
                                                                                                                                                        Pazifik an sich. Lange nachdem die ersten
                                                                                                                                                        christlichen Missionare diesen Weg be-
                                                                                                                                                        reitet hatten. Unter diesen Gebieten wa-
Hinter Zäunen liegt der „Tansania-Park“ mit den „Askari-Reliefen“ aus der Zeit des Nationalsozialismus. Links unten: Ombeni Ngonyani.                   ren Regionen entlang der afrikanischen
                                                                                                                                                        Westküste, das Gebiet um Namibia (als
                                                                    „ACHTUNG!“ Dieses Wort hörte          nur spärliche Informationen, Telefon-         „Deutsch-Südwestafrika“) und „Deutsch-
                                                           Ombeni Ngonyani als Kind in Daressa-           nummern führen ins Leere. Stunden der         Ostafrika“, das das heutige Tansania, Bu-
                                                           lam immer wieder einmal, wenn sie mit          Recherche sind nötig, bis der Schlüssel bei   rundi und Ruanda sowie einen Teil von
                                                           ihrem Großvater Lyander zusammen war.          einem ortsansässigen Verein ausfindig ge-     Mosambik umfasste. Zeitweise war
                                                           Es klang hart und fremd in ihren Ohren.        macht ist.                                    Deutschland nach England und Frank-
                                                           Was es bedeutet, sollte sie erst später ler-      Dann stehen sie da, die sogenannten        reich drittgrößte Kolonialmacht der Welt
                                                           nen. Und wie sehr es die ganze, weit ver-      Askari-Reliefe, versteckt hinter Hecken.      – mit Hamburg als blühender Handels-
                                                           streute Familie prägt, das weiß sie heute.     Vereinzelt hat sich Löwenzahn auf den         metropole und Ort expandierender Fa-        Umstritten: Eine Gedenktafel in der Hamburger Kirche St. Michaelis ehrt in Deutsch-Südwestafrika
                                                              Doch zunächst geht es um einen              übergroßen Terrakotta-Figuren breitge-        briken für die Verarbeitung der vielen      Gefallene und vermisste Hamburger Soldaten. Offiziell unkommentiert bleibt, dass die Deutschen
                                                           Schlüssel. Denn wer sich im sogenannten        macht: Ein deutscher Unteroffizier führt      Rohstoffe, die dem Raubbau in den Ko-       damals Völkermord an den Herero und Nama begangen haben.
                                                           Tansania-Park auf dem Gelände der ehe-         vier einheimische Soldaten der „Schutz-       lonien entstammten. Europas wichtigster
                                                           maligen Lettow-Vorbeck-Kaserne in              truppe“ an. Gegenüber spiegelt sich die       Standort der Gummi-Industrie fand sich
                                                           Hamburg-Jenfeld auf die Suche nach             Hierarchie mit vier Trägern wider. Das        damals in der Hansestadt. Ebenso das                                                  aus ihr heraus. „Das ist wie eine zweite
                                                           dem Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmal           Werk aus der Zeit des Nationalsozialis-       weltweit größte Zentrum der Speiseöl-                                                 Demütigung, so versteckt hier draußen.“
                                                           1914-1918 machen möchte, steht vor ver-        mus huldigt der Kolonialzeit Deutsch-         Produktion. In ihrem ersten Jahrzehnt in                                              Die 50-jährige Autorin, Verlagsgründerin
                                                           schlossenen Toren. Das Internet liefert        lands. In der Nachbarschaft: Ein Ehren-       Afrika exportierten die deutschen Kolo-                                               und Umweltaktivistin lebt seit ihrem 15.
                                                                                                                                                        nien rund 848 000 Kilogramm Elfenbein                                                 Lebensjahr in Deutschland. Als Botschaf-
                                                                                                                                                        von Hunderttausenden erschossenen Ele-                                                terin für die „Stiftung Lesen“ liest sie aus
                                                                                                                                                        fanten. Der größte Teil kam über den                                                  ihren Büchern. Lehrer und Pädagogen
                                                                                                                                                        Hamburger Hafen ins Land.                                                             buchen die Referentin für globales Ler-
                                                                                                                                                           Mehr als 100 Jahre nachdem ihr Ur-                                                 nen, um über Alltagsrassismus oder das
                                                                                                                                                        großvater Suleyman und später auch ihr                                                koloniale Erbe zu sprechen, denn: Om-
                                                                                                                                                        Großvater Lyander für die Deutschen zur                                               beni Ngonyani gleicht aus, was Schule oft
                                                                                                                                                        Waffe greifen mussten, steht Ombeni                                                   nicht vermag. „Seit mehr als zehn Jahren
                                                                                                                                                        Ngonyani, eingehüllt in ihren Winter-                                                 fordere ich, dass die deutsche Kolonialge-
                                                                                                                                                        mantel, vor dem tönernen Abbild eines                                                 schichte kritisch in den Lehrplan ab
                                                                                                                                                        Askaris und schweigt lange. „Das muss                                                 Klasse 5 aufgenommen wird. Hier müs-
                                                                                                                                                        doch in die Stadt hinein“, bricht es dann                                             sen wir ansetzen“, sagt sie. „Nur wenn alle

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Hinter kolonialer Kulisse
Wohlstand auf dem Leid Zehntausender: Sylvaina Gerlich vor dem Schimmelmann-Mausoleum.

           Bescheid wissen, können wir das Gesche-     rückkam. Dieses System machte Schim-
           hene verarbeiten. Nur dann haben wir        melmann zum reichsten Mann Europas.
           eine Chance, neokoloniale Strukturen        Dass dieser Wohlstand auf dem Leid
           heute aufzubrechen und dem Rassismus        Zehntausender Menschen gründet, ist ei-
           die Stirn zu bieten.“                       ner Erinnerungstafel am Mausoleum ei-
              Am Mausoleum für Heinrich Carl von       nen Nebensatz wert.
           Schimmelmann, das als eines der klassi-        Sylvaina Gerlich ist eine selbstbewusste
           zistischen Hauptwerke in Norddeutsch-       Frau. Bilder in ihrem Büro erinnern an        Zu Fall gebracht: Hans Dominik, der „Schreckensherr scher von Kamerun“, in der Ausstellung „Grenzenlos“.
           land gilt, blickt Sylvaina Gerlich empor.   ein Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel,      Unten: Millicent Adjei engagiert sich im Arbeitskreis Hamburg Postkolonial. Unten rechts: Das weltgrößte Bismarck-Monument sorgt für Ärger.
           Es steht in einem kleinen Park im Bezirk    an ein Händeschütteln mit dem früheren
           Wandsbek, wenige Gehminuten von ih-         Präsidenten Christian Wulff. Geboren in       engagiert im zivilgesellschaftlichen Bünd-                beitung seiner Kolonialvergangenheit           Denkmäler und Objekte mit kolonialen
           rem Büro entfernt. Als Sklavenhalter und    Ghana, aufgewachsen in England, lebt sie      nis Arbeitskreis Hamburg Postkolonial,                    verpflichtet und 2019 einen Beirat zur         Bezügen sollen dokumentiert und ange-
           Sklavenhändler bestimmte Schimmel-          seit vielen Jahren in Hamburg. 2008 grün-     ist das einer von vielen schmerzhaften                    Dekolonisierung berufen hat. „Wo also          messene Formen des dekolonisierenden
           mann im 18. Jahrhundert weit vor dem        dete sie das Interkulturelle Migranten In-    Punkten im Dekolonisierungsprozess der                    stehen wir und wie ernst kann ich dieses       Erinnerns entwickelt werden.
           Höhepunkt deutscher Kolonialinteressen      tegrations Center (IMIC e.V.) und ist Mit-    Stadt. Die Bilanz ist deutlich: Bis heute ist             Vorhaben einer Dekolonisierung neh-               Bis dahin befeuert die rund zehn Mil-
           den sogenannten atlantischen Dreiecks-      glied im Integrationsbeirat der Stadt. Je-    es nicht gelungen, auch nur eine der weit                 men, wenn die Vereinten Nationen Ver-          lionen teure Sanierung des umstrittenen
           handel, nachdem er sich für wenig Geld      des Jahr organisiert sie den „African Day“,   mehr als 100 kolonial belasteten Straßen                  brechen gegen die Menschlichkeit ein-          weltgrößten Bismarck-Monuments im
                                                       an dem afrikaverbundene Menschen aus          in Hamburg umzuwidmen. Und das, ob-                       deutig definieren, aber Hamburgs Stra-         Zentrum der Stadt die Debatte weiter.
                                                       allen Bereichen der Gesellschaft zusam-       wohl sich die Stadt seit 2014 zur Aufar-                  ßen nach Verbrechern benannt bleiben“,         Kopf ab, schräg stellen, eine kritische Aus-
                                                       menkommen. „Wir sind als Black Com-                                                                     beklagt die Sozialökonomin, die in ver-        stellung für den Sockel? Ideen und Forde-
                                                       munity stark – das müssen wir zeigen                                                                    schiedene Initiativen der Black Commu-         rungen kursieren in den Medien. Hanni-
                                                       und diese Stärke besonders an die junge                                                                 nity eingebunden ist.                          mari Jokinen vom Arbeitskreis Hamburg
                                                       Generation weitergeben“, sagt sie. „Aber                                                                    So ernst, dass die Antwort des Presse-     Postkolonial beschäftigt sich seit zwei
                                                       dazu gehört auch, nichts weglassen zu                                                                   sprechers der Behörde für Kultur und           Jahrzehnten mit dem postkolonialen Erbe
                                                       müssen. Geschichte steht immer im Kon-                                                                  Medien der Stadt an missio beinahe zwei        der Stadt. Der Vorschlag der Künstlerin:
                                                       text ihrer Zeit. Dem müssen wir uns                                                                     DIN A4-Seiten füllt. Man entwickele zur-       Die Denkmale zu erhalten und schritt-
                                                       stellen.“ Darum wünscht sich Sylvaina                                                                   zeit ein dekolonisierendes Erinnerungs-        weise so zu dekonstruieren, bis sie zu ih-
           Baumwoll- und Zuckerrohrplantagen in        Gerlich auch, die vielen Straßen, die in                                                                konzept, das eine Strategie für die Aufar-     ren eigenen Gegendenkmalen werden. In
           der Karibik angeeignet hatte. Aus seinen    Hamburg nach Personen oder Orten im                                                                     beitung der Geschichte und ihrer Folgen        einem öffentlichen „Park Postkolonial“
           Manufakturen exportierte Schimmel-          Zusammenhang der deutschen Kolonial-                                                                    für Hamburg darlegen solle. Ein erstes         könnten diese zusammengeführt werden,
           mann Waren wie Kattun und Alkohol an        politik benannt sind, nicht einfach um-                                                                 Eckpunktepapier liege vor. Mit im Boot         um dann Kunstschaffende aus den ehe-
           die afrikanische Westküste. Von dort aus    zuwidmen. „Besser wäre es doch, mit ei-                                                                 die Expertinnen und Experten der               mals kolonisierten Ländern und aus der
           ließ er Sklaven nach Amerika verschiffen,   nem Schild auf die Geschichte dahinter                                                                  Schwarzen und der People of Color Com-         Diaspora einzuladen, um diese in einem
           von wo seine Flotte mit neuer Baumwolle     aufmerksam zu machen.“                                                                                  munities. „Hamburg geht das Thema ak-          fortwährenden Prozess zu transformieren,
           und Zuckerrohr für seine Fabriken zu-          Für Millicent Adjei, seit vielen Jahren                                                              tiv an“, betont Enno Isermann. Gebäude,        neue An- und Einsichten zu schaffen.

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Hinter kolonialer Kulisse
stand der Stadt verwo-        men wir der Geschichte einen gebühren-
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                                                                                                                            die Ausstellung verwir-       Rasmus Woermann, Ur-Ur-Urenkel des
                                                                                                                                                                                                        WIDERSTÄNDLER?
                                                                                                                            ren:      Dekonstruktion      Firmengründers, in einer Mail an missio.
                                                                                                                            statt exotische Anleihen.     An der historischen Aufarbeitung betei-
                                                                                                                                                                                                        Als „alles andere als eindeutig“ bezeichnet
                                                                                                                            Fotos, die koloniale Ge-      lige man sich aktiv und auf unterschied-
                                                                                                                                                                                                        der Historiker Wolfgang Reinhard die Rolle
                                                                                                                            walt wie zum Beispiel         liche Weise: Historikern von verschiede-
                                                                                                                                                                                                        der Missionare in der Kolonialgeschichte. In
                                                                                                                            Hinrichtungen zeigen,         nen Universitäten habe man Zugang zu
                                                                                                                                                                                                        seinem Beitrag „Der Missionar“ in „Kein Platz
                                                                                                                            bleiben bis auf die Un-       den wenigen verbliebenen historischen
                                                                                                                                                                                                        an der Sonne“ (Hrsg. Jürgen Zimmerer) stellt
                                                                                                                            tertitel geschwärzt. Erlit-   Dokumenten gewährt. „Ich hege die
                                                                                                                                                                                                        er jedoch klar, dass man diese (mehrheitlich)
                                                                                                           tene Gewalt soll nicht reproduziert wer-       Hoffnung, dass mit Organisationen, die        Männer und Frauen nicht pauschal als „Agen-
                                                                                                           den. Sandra Schürmann: „Wir zeigen,            dazu willens sind, in Zukunft ein engerer     ten des Kolonialimperialismus“ einordnen
                                                                                                           dass die koloniale Industrie ein System        Austausch möglich ist.“                       könne. Weit mehr Missionare als angenommen hätten bewusst Distanz zu den kolo-
                                                                                                           war. Rohstoffe, Hersteller, Produkte und          Ist das postkoloniale Zeitalter da? Om-    nialen Instanzen gehalten – auch wenn sie oft nicht ohne deren Schutz ausgekommen
Falsche Exotik: das Afrikahaus im Zentrum der Hansestadt.
                                                                                                           die koloniale Ausbeutung waren eng mit-        beni Ngonyani steht vor dem Afrikahaus.       oder politisch instrumentalisiert worden seien. Dass Missionare ihren Anteil an der
                                                                                                           einander verwoben, geprägt von rassisti-       Sie weiß, der Weg ist noch lang. Ihren        kulturellen Europäisierung anderer Länder haben, ist unstrittig. Die Verbreitung des
                                                                                                           schen Stereotypen.“                            Großvater, der für die Deutschen kämpfte      Christentums gilt als Bestandteil der europäischen Zivilisierungsmission.
                                                               Doch noch lagert er ein, zunächst für          Bis heute machen deutsche Firmen            und später ein bekannter Bandleader und                                                 Afrika selbst rückte erst spät, im 19. und
                                                            einige Jahre in der Sternwarte, dann im        mit Übersee-Vergangenheit Geschäfte            Komponist in Tansania wurde, hat sie in                                                 20. Jahrhundert, in den Fokus der Missio-
                                                            Hafen: der bronzene Hans Dominik,              in Afrika. Zum Beispiel das Hambur-            Gedanken oft bei sich. Seine Erfahrungen                                                nen – zunächst der evangelischen, wie z.B.
                                                            Schutztruppenoffizier mit dem Beina-           ger Familienunternehmen C. Woermann            prägen sie bis heute mehr als sie möchte.                                               der Basler oder der Rheinischen Mission.
                                                            men „Schreckensherrscher von Kame-             GmbH & Co. mit Niederlassungen ent-            „Meine Schuhe müssen immer sauber                                                       Die Katholiken folgten.
                                                            run“. In den späten 1960er Jahren stießen      lang der afrikanischen Westküste. Unter        und poliert sein, sonst kann ich das Haus                                               Im Gegensatz zu den Kolonialherren betra-
                                                            Studenten ihn vom Sockel. Für die aktu-        anderem vertreibt C. Woermann Forst-           nicht verlassen. Das hat er mir beige-                                                  ten Missionare nicht mit Gewalt die Le-
                                                            elle Ausstellung „Grenzenlos – Kolonia-        und landwirtschaftliche Maschinen,             bracht.“A                                                                               bensräume der Menschen. Sondern mit der
                                                            lismus, Industrie und Widerstand“ wurde        Stromaggregate, Werkzeuge oder Fahr-                                                                                                   Überzeugung und dem Willen, das Evange-
                                                            das zentnerschwere Denkmal nun wieder          zeugteile. „Mit technischem Know-how                                                                                                   lium zu bringen. Aber nicht nur das: Man-
                                                            gehoben. Dominik vertrieb um 1900 die          in Afrika zuhause. Seit 1837“ lautet der                                  „Park              cherorts verfolgten sie das Ziel, Einheimische zu fleißigen Bauern und Handwerkern
                                                                                                                                                                                     Postkolonial“:     zu machen – auch auf eigenen Plantagen. Bis heute gelten gute Schulen und der Bil-
                                                            Menschen in Kamerun aus ihren Dörfern          Slogan auf der Website. Damals legte
                                                                                                                                                                                     Künstlerin         dungsauftrag der Missionare von damals als bleibende Säule einer Entwicklung.
                                                            und machte sie zu Zwangsarbeitern auf          Carl Woermann den Grundstein, auf
                                                                                                                                                                                     Hannimari          Missionare bekämpften den kolonialen Schnapshandel und kritisierten die Gewalt. Im
                                                            den Plantagen. In seinem Buch „Brannt-         dem sein Sohn Adolph Woermann als
                                                                                                                                                                                     Jokinen fordert,   Krieg gegen die Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwestafrika erhöhte der
                                                            wein, Bibeln und Bananen“ beschreibt           Besitzer der ersten Afrika-Dampfschiffs-                                  Denkmale zu        deutsche Reichskanzler selbst den Druck zur Parteinahme. Vorher war den Missiona-
                                                            Autor Heiko Möhle, wie er sich „die            linie und mit dem Tausch von Schnaps                                      dekonstruieren.    ren unterstellt worden, Einheimischen durch die Lehren von Gleichheit und Brüder-
                                                            Köpfe seiner Gegner in Säcken zu Füßen         oder Waffen gegen Palmöl und Kaut-                                        Unten: In die
                                                                                                                                                                                                        lichkeit „die Köpfe zu verdrehen“. Aus den Missionen sind längst einheimische Kirchen
                                                            legen“ und „kleine Kinder in einen rei-        schuk zu einem der reichsten Hambur-                                      Kritik geraten:
                                                                                                                                                                                                        geworden. Europäische Missions- und kirchlich getragene Hilfswerke setzen heute bei
                                                            ßenden Fluss werfen“ ließ. Im Museum           ger werden sollte. Wie in einer Ausgabe                                   Reichskanzler
                                                                                                                                                                                                        ihren Partnerschaften im Globalen Süden auf (interreligiösen) Dialog und schätzen die
                                                            der Arbeit – konsequenterweise in den          des Magazins „Der Spiegel“ zu lesen ist,                                  Otto von
                                                                                                                                                                                     Bismarck.
                                                                                                                                                                                                        gegenseitige Inkulturation.
                                                            Gebäuden, in denen früher eine Gummi-          war Woermann 1884 eng in die Verträge
                                                            Fabrik Kautschuk aus Übersee verarbei-         für das „Schutzgebiet Kamerun“ einbe-
Bronzestatue eines afrikanischen Wahehe-Kriegers,           tete – liegt er nun auf dem Rücken. Über       zogen. Und er saß bei der sogenannten
„Respektlos, sexistisch und rassistisch“: Ombeni            ihm an der Wand erheben sich die illus-        Kongokonferenz mit am Tisch, bei der
Ngonyani fordert einen kritischen Erinnerungsort
                                                            trierten Abbilder mutiger Frauen und           die Großmächte Afrika unter sich auf-
für den bronzenen Wahehe-Krieger.
                                                            Männer, die sich gegen Ungerechtigkeit         teilten und willkürlich Grenzen zogen,
                                                            und Rassismus erhoben haben. Erzählt           die bis heute Konflikte nach sich ziehen.
                                                            wird auch von Widerstand und Sabotage          Heute gilt das denkmalgeschützte „Afri-
                                                            an kolonisierten Orten. „Hamburg steht         kahaus“ in der Altstadt, Firmensitz von
                                                            am Beginn der Auseinandersetzung“, sagt        C. Woermann, vielen als exotische Se-
                                                            Christopher Nixon, der die Ausstellung         henswürdigkeit. Das Treppenhaus zieren
                                                            zusammen mit Sandra Schürmann kura-            Erinnerungsfotos und eine Replik der
                                                            tiert hat. Diese bescheinigt vielen Ham-       Frühstückskarte eines der Liniendamp-
                                                            burgern bis heute einen „neutralen wenn        fer nach Westafrika. Für postkolonial En-
                                                            nicht gar positiven Blick“, sei doch die ko-   gagierte ist das Afrikahaus ein Symbol
                                                            loniale Vergangenheit eng mit dem Wohl-        für Ausbeutung. „Unserer Ansicht räu-

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