Hinweise zur Erfassung und Bewertung von Auerhuhnvorkommen bei der Genehmigung von Windenergieanlagen

Die Seite wird erstellt Holger Haas
 
WEITER LESEN
Hinweise zur Erfassung und Bewertung von Auerhuhnvorkommen bei der Genehmigung von Windenergieanlagen
Hinweise zur Erfassung und Bewertung
  von Auerhuhnvorkommen bei der
Genehmigung von Windenergieanlagen
Hinweise zur Erfassung und Bewertung von Auerhuhnvorkommen bei der Genehmigung von Windenergieanlagen
IMPRESSUM

HERAUSGEBER   Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft
              Baden-Württemberg
              Kernerplatz 9, 70182 Stuttgart, www.um.baden-wuerttemberg.de

              Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz
              Baden-Württemberg
              Kernerplatz 10, 70182 Stuttgart, www.mlr.baden-wuerttemberg.de

BEARBEITUNG   UM, Referat 72 - Arten- und Habitatschutz, Kompensations-
              und Ökokontomanagement

              MLR, Referat 56 – Jagd und Wildtiermanagement

              Unter Beteiligung der Unterarbeitsgruppe Windenergie und Auerhuhn
              im Rahmen der Taskforce Erneuerbare Energien

STAND         Juli 2022
Hinweise zur Erfassung und Bewertung von Auerhuhnvorkommen bei der Genehmigung von Windenergieanlagen
INHALTSVERZEICHNIS
  1        ANWENDUNGSBEREICH ..................................................................................................... 1

  2      RECHTLICHER RAHMEN .................................................................................................... 2
      2.1 SCHUTZ DES AUERHUHNS INNERHALB VON NATURA 2000-GEBIETEN: § 34 BNATSCHG ..... 2
      2.2 ZUGRIFFSVERBOTE DES § 44 ABS. 1 BNATSCHG.................................................................... 3
        2.2.1 Tötungsverbot § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG .................................................................... 4
        2.2.2 Störungsverbot § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG................................................................... 4
        2.2.3 Verbot der Zerstörung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten § 44 Abs. 1 Nr. 3
       BNatSchG ........................................................................................................................................ 5
      2.3 EINGRIFFSREGELUNG: §§ 13 FF. BNATSCHG .......................................................................... 6
  3      FACHLICHE GRUNDLAGEN ............................................................................................... 8
      3.1 DIE SITUATION DER AUERHUHN-POPULATION DES SCHWARZWALDS ................................... 8
        3.1.1 Aktuelle Auerhuhnverbreitung......................................................................................... 8
        3.1.2 Populationsverbundflächen ............................................................................................. 8
      3.2 AKTIONSPLAN AUERHUHN ...................................................................................................... 9
      3.3 MASSNAHMENPLAN 2022-2027 .............................................................................................. 9
      3.4 WIRKUNG VON WINDENERGIEANLAGEN AUF AUERHUHN-POPULATIONEN ......................... 10
 4    VORGEHEN ZUR BESCHLEUNIGUNG DER INTEGRATION VON
WINDENERGIENUTZUNG UND AUERHUHNSCHUTZ ........................................................... 12
   4.1 KEINE RESTRIKTIONEN.......................................................................................................... 12
   4.2 RESTRIKTIONEN ..................................................................................................................... 12
   4.3 AUSSCHLUSSEMPFEHLUNG.................................................................................................... 12
   4.4 POPULATIONSVERBUNDFLÄCHEN ......................................................................................... 13
  5      REGIONAL- UND BAULEITPLANUNG............................................................................ 15
      5.1 GENERELLE HINWEISE .......................................................................................................... 15
        5.1.1 Natura 2000................................................................................................................... 15
        5.1.2 Artenschutz .................................................................................................................... 15
      5.2 ERFASSUNG ........................................................................................................................... 15
      5.3 BEWERTUNG .......................................................................................................................... 16
  6      IMMISSIONSSCHUTZRECHTLICHES GENEHMIGUNGSVERFAHREN ................ 17
      6.1 NATURA 2000 ........................................................................................................................ 17
        6.1.1 Generelle Hinweise ....................................................................................................... 17
        6.1.2 Hinweise für die Vor- und Verträglichkeitsprüfung ...................................................... 17
        6.1.3 Vermeidung, Schadensbegrenzungsmaßnahmen ........................................................... 18
        6.1.4 Abweichung gem. § 34 Abs. 3 BNatSchG ...................................................................... 20
      6.2 ARTENSCHUTZ ....................................................................................................................... 20
        6.2.1 Generelle Hinweise ....................................................................................................... 20
        6.2.2 Datenrecherche ............................................................................................................. 21
        6.2.3 Erfassung Fortpflanzungsstätten ................................................................................... 24
        6.2.4 Auswertung .................................................................................................................... 27
        6.2.5 Bewertung...................................................................................................................... 27
        6.2.6 Vermeidungs- und Schutzmaßnahmen ........................................................................... 28
        6.2.7 Vermeidungs- und CEF-Maßnahmen bei Beschädigung von Fortpflanzungs- und
       Ruhestätten (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) ................................................................................... 29
        6.2.8 Ausnahme gem. § 45 Abs. 7 BNatSchG ......................................................................... 30
      6.3 EINGRIFFSREGELUNG ............................................................................................................ 31
        6.3.1 Generelle Hinweise ....................................................................................................... 31
ANHANG........................................................................................................................................... 33

  A. VERMEIDUNGS- UND SCHUTZMASSNAHMEN BEIM STÖRUNGSTAT-BESTAND
(§ 44 ABS. 2 NR. 2 BNATSCHG) UND CEF-MASSNAHMEN BEI BESCHÄDIGUNG VON
FORTPFLANZUNGS- UND RUHESTÄTTEN (§ 44 ABS. 1 NR. 3 BNATSCHG) ..................... 33
    A.1 ALLGEMEINE ANFORDERUNGEN AN ERFORDERLICHE MASSNAHMEN .................................... 33
    A.2 PRAXISANLEITUNG ZUR HERLEITUNG DES FLÄCHENAUSGLEICHS .......................................... 33
    A.3 SCHUTZMASSNAHMEN ............................................................................................................. 34
      A.3.1 Lage der Schutzmaßnahmen/Anforderungen an den Maßnahmenstandort................... 34
      A.3.2 Größe der Schutzmaßnahmen........................................................................................ 35
      A.3.3 Maßnahmentypen .......................................................................................................... 35
      A.3.4 Zeitliche Dauer bis zur Wirksamkeit ............................................................................. 37
      A.3.5 Anforderungen an Schutz- und Ausgleichskonzept ........................................................ 37
      A.3.6 Anforderungen an Dokumentation der Maßnahmen nach Maßnahmen- umsetzung .... 38
      A.3.7 Schema zur Auerhuhnhabitatpflege in Jungbeständen .................................................. 38
1

 1 ANWENDUNGSBEREICH

Der Bau und der Betrieb von Windenergieanlagen können im Konflikt mit den Zielen des gesetzlichen
Auerhuhnschutzes stehen. Daher muss bei der Genehmigung von Windenergieanlagen geprüft werden,
ob naturschutzrechtliche Vorschriften entgegenstehen und gegebenenfalls naturschutzfachliche
Maßnahmen festgelegt werden müssen, die einen Verstoß gegen naturschutzrechtliche Vorschriften
ausschließen.

Die vorliegenden gemeinsamen Hinweise (im Folgenden „Planungsgrundlage“) des Ministeriums für
Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und des Ministeriums für Umwelt, Klima und
Energiewirtschaft, welche unter Einbeziehung der fachlichen Grundlagen der Forstlichen Versuchs-
und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) erarbeitet wurden, sollen einen landesweit
einheitlichen, an fachlichen Kriterien und dem aktuellen Wissensstand ausgerichteten
Verwaltungsvollzug unterstützen und die Verfahren insgesamt beschleunigen.
Die Planungsgrundlage konkretisiert zum einen die artenschutzrechtliche Prüfung im Sinne der §§
44 f. BNatSchG für das Auerhuhn bei immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für
Windenergieanlagen. Darüber hinaus gibt sie Hinweise zur Berücksichtigung der Auerhuhnbelange
bei einer Betroffenheit von Natura 2000-Gebieten sowie bei der Abarbeitung der Eingriffsregelung.
Sie kann von den Trägern der Bauleitplanung als Hilfestellung herangezogen werden.
Für die Gutachterinnen und Gutachter bietet die Planungsgrundlage im Rahmen der gebotenen
Einzelfallprüfung eine wichtige Orientierungshilfe.
Weiterhin werden Hilfestellungen gegeben, um die naturschutzrechtlichen Anforderungen im Rahmen
von Verträglichkeitsprüfungen in und im Umfeld von Europäischen Vogelschutzgebieten
abzuarbeiten.

Die vorliegende Planungsgrundlage löst die bisherige Planungsgrundlage Windenergie und Auerhuhn
aus dem Jahr 2012 und folgende ab. Folgende Vollzugshilfen finden daher keine Anwendung mehr:
     Planungsgrundlage Windenergie und Auerhuhn (bisher abrufbar unter: http://www.fva-
        bw.de/forschung/bui/windenergie_auerhuhn.html)
     Bewertungshilfe Planungsgrundlage Windkraft und Auerhuhn (abrufbar unter:
        http://www.fva-bw.de/forschung/bui/windenergie_auerhuhn.html)
     Erläuterungen zur Bewertungshilfe Planungsgrundlage Windkraft und Auerhuhn (abrufbar
        unter: http://www.fva-bw.de/forschung/bui/windenergie_auerhuhn.html)
     Erhebungsstandards zum Auerhuhn im Rahmen der speziellen artenschutzrechtlichen
        Prüfung (abrufbar unter: http://www.fva-bw.de/forschung/bui/windenergie_auerhuhn.html)

Vor der Veröffentlichung der neu gefassten Planungsgrundlage begonnene Verfahren (Verfahren
gelten als begonnen, wenn die erforderlichen Abstimmungen mit der zuständigen Naturschutzbehörde
offiziell begonnen worden sind) können auch nach der bisherigen Planungsgrundlage weitergeführt
werden, soweit diese für den Bau und den Betrieb von Windenergieanlagen günstigere Regelungen
vorsieht. Neuen Verfahren ist ausschließlich die vorliegende Planungsgrundlage zugrunde zu legen.
Die Hinweise zur Erfassung und Bewertung von Vogelvorkommen bei der Genehmigung von
Windenergieanlagen (UM & LUBW 2021) bleiben von der vorliegenden Planungsgrundlage
unberührt.

Es ist geplant, die Planungsgrundlage auf der Grundlage neuer Erkenntnisse regelmäßig
fortzuschreiben.
2

 2 RECHTLICHER RAHMEN

Der Bau und der Betrieb von Windenergieanlagen kann zu einer Beeinträchtigung des Auerhuhns
sowohl auf der Individuenebene als auch auf Ebene der Populationen führen. Art und Schwere der
Beeinträchtigungen hängen dabei in besonderem Maße von den Umständen des Einzelfalls ab. Auf
Grundlage der aktuell vorliegenden Erkenntnisse können folgende Beeinträchtigungen auftreten:
       Scheuch-/Störwirkung und damit einhergehende Lebensraumentwertung im Umfeld von
        Windenergieanlagen (Brut- und Balzhabitate, Nahrungshabitate)
       Barrierewirkungen durch Zerschneidung von Verbundkorridoren
       Kollisionen mit Masten von Windenergieanlagen

2.1 SCHUTZ DES AUERHUHNS INNERHALB VON NATURA 2000-GEBIETEN: §
34 BNATSCHG

Projekte in Natura 2000-Gebieten sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung im Rahmen einer sog.
Vorprüfung dahingehend zu überprüfen, ob sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen
Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen. Ist diese grundsätzliche
Eignung zu bejahen, muss eine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden (§ 34 Abs. 1 BNatSchG).
Wenn diese ergibt, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die
Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig (§
34 Abs. 2 BNatSchG).

In Europäischen Vogelschutzgebieten, die (auch) für das Auerhuhn ausgewiesen wurden, kann die
Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen zu einer erheblichen Beeinträchtigung des
betroffenen Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen
Bestandteilen führen. Die Erhaltungsziele der Vogelschutzgebiete (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 BNatSchG)
werden durch die Verordnung des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum zur Festlegung
von Europäischen Vogelschutzgebieten (VSG-VO) vom 5. Februar 2010 (GBl. 2010, S. 37) definiert.
Wichtige Erhaltungsziele für Auerhuhn-Vogelschutzgebiete sind u.a. die Erhaltung der Balzplätze, die
Erhaltung von Biotopverbundkorridoren, von störungsfreien oder zumindest störungsarmer
Fortpflanzungs- und Ruhestätten und von lichten, mehrschichtigen und strukturreichen Nadel- oder
Mischwäldern, insbesondere mit Anteilen von Tanne und Buche sowie einer gut entwickelten,
beerenstrauchreichen Bodenvegetation sowie der Erhalt der genetischen Ausstattung der
angestammten Population, die an die hiesigen Lebensbedingungen angepasst ist. Ferner sind die
Lebensräume ohne Gefahrenquellen, beispielsweise Windenergieanlagen, zu erhalten. In der
Verträglichkeitsprüfung ist zu untersuchen und anhand objektiver Umstände zu ermitteln, ob ein
Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen eines Natura 2000-Gebietes in seinen für die
Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgebenden Bestandteilen führen kann. Eine hinreichende
Wahrscheinlichkeit des Eintretens erheblicher Beeinträchtigungen genügt, um zunächst die
Unzulässigkeit eines Projekts oder Plans auszulösen. Dabei kann es im Einzelfall erforderlich sein,
neben den festgelegten Erhaltungszielen auch weitere Gebietsbestandteile in die
Verträglichkeitsprüfung einzubeziehen, die für die Herstellung eines günstigen Erhaltungszustands
des Auerhuhns als maßgeblich einzustufen sind, auch wenn sie derzeit nicht vom Auerhuhn besiedelt
sind.

Die Erhaltungsziele schließen Windenergieanlagen allerdings nicht generell aus. Auch in
Europäischen Vogelschutzgebieten für das Auerhuhn können Windenergieanlagen im konkreten
Einzelfall zulässig sein, wenn die durch sie verursachten Beeinträchtigungen entweder von vornherein
als unerheblich einzustufen sind oder aber eine Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle durch
geeignete Schadensbegrenzungsmaßnahmen verhindert werden kann.
3

Entscheidendes Beurteilungskriterium für die Erheblichkeit von Beeinträchtigungen von Vogelarten
in Europäischen Vogelschutzgebieten ist der günstige Erhaltungszustand der gemäß den
Erhaltungszielen geschützten Arten. Ein günstiger Erhaltungszustand einer Art muss trotz
Durchführung des Projekts stabil bleiben, ein bestehender schlechter Erhaltungszustand darf nicht
weiter verschlechtert werden. Ist eine Population in der Lage, nach einer Störung wieder zum
ursprünglichen Gleichgewicht zurückzukehren, sei es, dass sie für ihren dauerhaften Bestand in der
bisherigen Qualität und Quantität auf die verlorengehende Fläche nicht angewiesen ist, sei es, dass sie
auf andere Flächen ohne Qualitäts- und Quantitätseinbußen ausweichen kann, so bleibt ein günstiger
Erhaltungszustand erhalten und ist demgemäß eine erhebliche Beeinträchtigung zu verneinen.

Da Populationen in isolierten Lebensräumen insbesondere wegen des notwendigen genetischen
Austauschs, oft aber auch wegen ihrer Lebensgewohnheiten in vielen Fällen nicht auf Dauer erhalten
werden können, ist der Schutz der Austauschbeziehungen zwischen verschiedenen Gebieten und
Gebietsteilen unverzichtbar. Dies ist für das Auerhuhn von sehr hoher Bedeutung. Beeinträchtigungen
dieser Austauschbeziehungen, z.B. durch Unterbrechung von Flugrouten und Wanderkorridoren,
unterfallen mithin dem Schutzregime des Gebietsschutzes.1 In der VSG-VO ist die Erhaltung der
genetischen Ausstattung der angestammten Population, die an die hiesigen Lebensbedingungen
angepasst ist, als Erhaltungsziel für die jeweiligen Vogelschutzgebiete festgelegt. Selbst wenn die
betroffenen Flächen nur zur Gewährleistung eines wirksamen Umgebungsschutzes in das Gebiet
einbezogen wurden, können die Erhaltungsziele bzw. Schutzzwecke doch nachteilig berührt werden,
wenn die ihnen im Interesse der Erhaltung von Lebensraumtypen oder Arten zugedachte
„Pufferfunktion“ entfällt oder diese in ihrer Wirksamkeit gemindert wird.2

Eine Wirkung von außerhalb „in das Gebiet hinein“ und eine Verschlechterung des Gebiets durch
diese Wirkungen sind ebenfalls möglich.3

Bei der Beurteilung von erheblichen Beeinträchtigungen sind Maßnahmen zur Vermeidung von
Beeinträchtigungen sowie Schutz- und Kompensationsmaßnahmen zu berücksichtigen. Sofern über
diese Maßnahmen sichergestellt werden kann, dass der Erhaltungszustand der Art stabil bleibt, liegt
keine erhebliche Beeinträchtigung vor4.

2.2 ZUGRIFFSVERBOTE DES § 44 ABS. 1 BNATSCHG

§ 44 Abs. 1 BNatSchG formuliert verschiedene Zugriffsverbote für besonders bzw. streng geschützte
Tierarten. So ist es unter anderem verboten, wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten zu
verletzen oder zu töten (Tötungsverbot, § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG), wild lebende Tiere der streng
geschützten Arten sowie der europäischen Vogelarten erheblich zu stören (Störungsverbot, § 44 Abs.
1 Nr. 2 BNatSchG) und die Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders
geschützten Arten zu beschädigen oder zu zerstören (Beschädigungsverbot, § 44 Abs. 1 Nr. 3
BNatSchG). Zu den besonders geschützten Tierarten gehören nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 BNatSchG unter
anderem alle europäischen Vogelarten (vgl. Art. 1 Vogelschutz-RL).
Der individuenbezogene Ansatz der artenschutzrechtlichen Vorschrift verlangt der Rechtsprechung
zufolge Ermittlungen, deren Ergebnisse die zuständige Behörde in die Lage versetzen, die
tatbestandlichen Voraussetzungen der Verbotstatbestände zu überprüfen. Hierfür benötigt sie Daten
zur Häufigkeit und Verteilung der geschützten Arten sowie deren Lebensstätten im Eingriffsbereich.
Nur in Kenntnis dieser Fakten kann die Behörde beurteilen, ob Verbotstatbestände erfüllt sind. Diese
Daten verschafft sich die Behörde in der Regel durch vom Antragsteller vorgelegte fachgutachterliche
Bestandsaufnahmen vor Ort und Auswertung bereits vorhandener Erkenntnisse aus Fachkreisen oder

1   BVerwG, NVwZ 2010, 1225, Rn. 33.
2   Landmann/Rohmer, UmweltR / Gellermann, BNatSchG, § 34 Rn. 10.
3   BVerwG, NVwZ 1998, 961.
4   Vgl. BVerwG, Urt. vom 17.Januar 2007, Az. 9 A 20/05, Rn. 43 ff.
4

Literatur. Die Untersuchungstiefe hängt maßgeblich von den naturräumlichen Gegebenheiten im
Einzelfall ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.07.2009, Az.: 4 C 12.07, Rn. 44 m.w.N.).
Im Rahmen einer speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) ist zunächst zu klären, ob und in
welchem Umfang das geplante Vorhaben gegen die Zugriffsverbote nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3
BNatSchG verstößt. Es ist mithin zu prüfen, ob die oben genannten Beeinträchtigungen die
nachfolgenden Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG verwirklichen.

    2.2.1 Tötungsverbot § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG
Grundsätzlich ist zwar jede Tötung von Exemplaren besonders geschützter Arten gemäß § 44 Absatz
1 Nummer 1 BNatSchG verboten. Im Zusammenhang mit der Genehmigung von Windenergieanlagen
ist jedoch das einschränkende Merkmal der vorhabenbedingten, signifikanten Erhöhung des Tötungs-
und Verletzungsrisikos i. S. d. § 44 Absatz 5 Satz 2 Nummer 1 BNatSchG zu beachten.

In der Literatur sind mehrere Fälle dokumentiert, in denen Auerhühner mit dem Turm einer
Windenergieanlage kollidierten. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass für Auerhühner ein
erhöhtes Kollisionsrisiko an Windenergieanlagen besteht. Die Art gehört daher nach aktuellem
wissenschaftlichem Stand nicht zu den kollisionsgefährdeten Arten, so dass ein Verstoß gegen § 44
Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG i. d. R. nicht einschlägig ist.

    2.2.2 Störungsverbot § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG
Diese Vorschrift verbietet erhebliche Störungen während der für die Arterhaltung sensiblen Phasen
(Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten). Eine Störung kann
grundsätzlich durch Beunruhigungen und Scheuchwirkungen, zum Beispiel infolge von Bewegungen,
Lärm oder Licht/Schattenwurf eintreten. Unter das Verbot fallen auch Störungen, die durch
Zerschneidungs- oder optische Wirkungen hervorgerufen werden.5 Das Auerhuhn gehört nach dem
aktuellen Kenntnisstand zu den störungsempfindlichen Vogelarten.

Eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich der Erhaltungszustand der lokalen Population des
Auerhuhns durch die Störung verschlechtert. Eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes der
Population ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Überlebenschancen, der Bruterfolg oder die
Reproduktionsfähigkeit vermindert werden6 und sich als Folge der Störung die Größe oder der
Fortpflanzungserfolg der lokalen Population nachhaltig verringert7. Bei landesweit seltenen Arten mit
geringen Populationsgrößen, wie dem Auerhuhn, kann eine Verschlechterung bereits dann vorliegen,
wenn die Fortpflanzungsfähigkeit, der Bruterfolg oder die Überlebenschancen einzelner Individuen
beeinträchtigt oder gefährdet werden8. Die erhebliche Störung muss im jeweiligen Einzelfall
untersucht und beurteilt werden.
Störungen können nach der Rechtsprechung9 sowie der Rechts- und Fachliteratur10 durch geeignete
Maßnahmen unter die Erheblichkeitsschwelle gesenkt werden. Kann die betroffene Population
bestimmte nachteilige Wirkungen durch Ausweichen auf andere, unbesetzte Lebensräume und/oder
auf eigens dafür hergestellte Habitate (Schadensvermeidungsmaßnahmen) in absehbarer Zeit
auffangen, liegt keine erhebliche Störung vor.11

5 LANA, Hinweise zu zentralen unbestimmten Rechtsbegriffen des Bundesnaturschutzgesetzes, https://www.bfn.de/
fileadmin/MDB/documents/themen/eingriffsregelung/lana_unbestimmte%20Rechtsbegriffe.pdf, S. 5.
6 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zu § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG; vgl. auch LANA, Hinweise zu zentralen
unbestimmten Rechtsbegriffen des Bundesnaturschutzgesetzes, a.a.O., S. 5.
7 LANA, Hinweise zu zentralen unbestimmten Rechtsbegriffen des Bundesnaturschutzgesetzes, a.a.O., S. 6.
8 LANA, Hinweise zu zentralen unbestimmten Rechtsbegriffen des Bundesnaturschutzgesetzes, a.a.O., S. 6.
9 BVerwG, Urt. vom 14.04.2010, 9 A 5.08 und Urt. v. 12.3.2008, 9 A 3.06; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 06.11.2012,
8 B 441/12; OVG Lüneburg, Urt. vom 01.12.2015, Rn. 52.
10 Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG-Kommentar, § 44 Rn. 27; Frenz/Müggenborg, BNatSchG-Kommentar, § 44 Rn. 12;
Louis, NuR 2009, 91, 96; LANA, Hinweise zu zentralen unbestimmten Rechtsbegriffen des Bundesnaturschutzgesetzes,
a.a.O., S. 7.
11 Vgl. Frenz/Müggenborg, BNatSchG-Kommentar, § 44 Rn. 12; vgl. auch: OVG Lüneburg, Urt. vom 1.12.2015, 4 LC 156/14
Rn. 52 mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 12.3.2008, 9 A 3.06; BVerwG, Urt. v. 14.4.2010, 9 A 5.08; vgl. auch Louis, NuR 2009,
91, 96.
5

 2.2.3 Verbot der Zerstörung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten § 44 Abs. 1 Nr. 3
BNatSchG
Der Begriff der Fortpflanzungs- und Ruhestätte ist eng auszulegen, es ist nicht der Lebensraum der
geschützten Art insgesamt umfasst12. Zu den Fortpflanzungsstätten gehören sämtliche Lokalitäten im
Gesamtlebensraum eines Tieres, die im Verlauf des Fortpflanzungsgeschehens benötigt werden.
Ruhestätten sind alle Orte, die ein Tier regelmäßig zum Schlafen oder Ruhen aufsucht. Potenzielle,
d.h. nicht genutzte, sondern lediglich zur Nutzung geeignete, Lebensstätten fallen nicht unter den
Verbotstatbestand, weil es an dem erforderlichen Individuenbezug fehlt13. In zeitlicher Hinsicht erfasst
das Verbot primär die Phase aktueller Nutzung, der Schutz ist aber auszudehnen auf
Abwesenheitszeiten der Tiere, sofern eine regelmäßig wiederkehrende Nutzung zu erwarten ist14 bzw.
fallen unter den Begriff „Ruhestätten“ auch Ruhestätten, die nicht mehr von einer geschützten Tierart
beansprucht werden, sofern eine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Art an diese
Ruhestätten zurückkehrt15.
Da Auerhühner Streifgebiete von mehreren hundert Hektar haben, die Nutzung einzelner
Waldbereiche jahreszeitlich oder von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich und stark von saisonalen
Ansprüchen der Tiere, Störung sowie aktuellen Waldstrukturen abhängig ist, die sich sehr kurzfristig
ändern können (Waldwirtschaft, Sturm, Borkenkäfer, Schnee u.a.), werden im Aktionsplan Auerhuhn
Flächen der aktuellen minimalen Besiedlung und Flächen mit einer zu erwartenden wiederkehrenden
Nutzung verknüpft. Damit sind alle Flächen umfasst, deren Nutzung durch Auerhühner existentiell ist.
Wander-, Flug- und Nahrungskorridore fallen grundsätzlich nicht unter diesen Tatbestand16.
Nahrungsbereiche sowie Wander- bzw. Verbundkorridore sind allerdings dann vom Verbot umfasst,
wenn dadurch die Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten entfällt17. Dies ist beispielsweise der
Fall, wenn durch den Wegfall eines Nahrungshabitats eine erfolgreiche Reproduktion in der
Fortpflanzungsstätte ausgeschlossen ist (sog. „essentielle“ Nahrungshabitate). Verlieren existentielle
Verbundbereiche des Auerhuhns ihre Funktion, kann dies ebenfalls zutreffen.

Die Fortpflanzungsstätten beim Auerhuhn umfassen aktuell genutzte Balzplatzbereiche und Gebiete,
in denen gebrütet wird und / oder Küken aufgezogen werden (Balz-, Brut- und Aufzuchtgebiete).

Ruhestätten des Auerhuhns sind „Schlafbäume“ – dies sind Bäume, auf denen Auerhühner auf einem
Ast nahe am Stamm und relativ „ungeschützt“ die Nacht verbringen. Da Auerhühner aufgrund dieser
Verhaltensweise einem großen Prädationsrisiko ausgesetzt sind, werden Schlafbäume ständig
gewechselt, um dieses Risiko zu minimieren. Dies bedeutet, dass Schlafbäume im gesamten
Streifgebiet vorkommen können. Daher sind die besonders geeigneten Schlafbäume innerhalb des
Streifgebiets, die mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit auch von den Tieren genutzt werden, als
Ruhestätten anzusehen.

Im Hinblick auf das Beschädigungsverbot ist allerdings zu prüfen, ob die ökologische Funktion der
von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen
Zusammenhang weiterhin erfüllt wird; soweit erforderlich können auch vorgezogene
Ausgleichsmaßnahmen (Continuous Ecological Functionality Measures = kontinuierliche ökologische
Funktionalität, funktionserhaltende Maßnahmen, sog. „CEF-Maßnahmen“) festgelegt werden. (§ 44
Abs. 5 S. 2 Nr. 3, S. 3 BNatSchG).

Bei der windkraftempfindlichen Brutvogelart Auerhuhn ist in der Regel nicht davon auszugehen, dass
die ökologische Funktion betroffener Fortpflanzungsstätten im räumlichen Zusammenhang

12 Vgl. BVerwG, Urt. vom 12.08.2009, 9 A 64/07, Rn. 68.
13 Vgl. BVerwG, Urt. vom 12.08.2009, 9 A 64/07, Rn. 68 und 82; BVerwG, Urt. vom 12.03.2008, 9 A 3.06.
14 Vgl. BVerwG, Urt. vom 12.08.2009, 9 A 64/07, Rn. 68.
15 Vgl. EuGH, Urt. vom 02.07.2020, C-477/19, Rn. 36.
16  LANA, Hinweise zu zentralen unbestimmten Rechtsbegriffen des Bundesnaturschutzgesetzes, a.a.O., S. 7;
Landmann/Rohmer, a.a.O., § 44, Rn. 15.
17 LANA, Hinweise zu zentralen unbestimmten Rechtsbegriffen des Bundesnaturschutzgesetzes, a.a.O., S. 7.
6

gewährleistet werden kann. Die Seltenheit, der aktuell sich fortsetzende Rückgang der Population und
die geographische Restriktion legen nahe, dass die spezifischen Ansprüche an Balz-, Brut- und
Aufzuchtgebiete nicht ohne weiteres erfüllt und entsprechend Verluste dieser existenziellen
Habitatbereiche nicht ausgeglichen werden können18. Für die Fortpflanzungsstätten des Auerhuhns gilt
daher eine Ausschlussempfehlung für Windenergieanlagen.
CEF-Maßnahmen zugunsten des Auerhuhns sind folglich grundsätzlich nur bei Eingriffen in
Ruhestätten möglich, sofern diese nicht gleichzeitig Fortpflanzungsstätten sind.

2.3 EINGRIFFSREGELUNG: §§ 13 FF. BNATSCHG
Bau und Betrieb von Windenergieanlagen stellen regelmäßig einen Eingriff in Natur und Landschaft
nach § 14 Abs. 1 BNatSchG dar. Als Bestandteil des Naturhaushalts fallen auch Beeinträchtigungen
auf das Auerhuhn hierunter (z.B. durch die Störung oder Beeinträchtigung betroffener Habitate
und/oder Verbundkorridore des Auerhuhns). Die zuständige Behörde, die über die Zulassung des
jeweiligen Eingriffs entscheidet, muss auch darüber befinden, in welcher Weise die Folgen für Natur
und Landschaft zu bewältigen sind.

Nach § 13 i.V.m. § 15 Abs. 1. BNatSchG sind erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und
Landschaft vorrangig zu vermeiden. Daher muss geprüft werden, ob zumutbare Alternativen gegeben
sind, den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne oder mit geringeren
Beeinträchtigungen zu erreichen.

Ein Eingriff liegt insbesondere vor, wenn eine durch das Flächenkonzept des Aktionsplans Auerhuhn
abgegrenzte Fläche betroffen ist. Das Konzept bezieht auch Flächen ein, die zwar aktuell keine
Besiedelung aufweisen, aber deren Besiedelung tatsächlich zu erwarten ist (sog. nicht aktualisierte
Potentiale19). Bloße Entwicklungschancen von Flächen, die irgendwann einmal von Auerhühnern
besiedelt waren und möglicherweise von Auerhühnern wieder besiedelt werden könnten, reichen
jedoch nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass die entsprechenden Flächen im Flächenkonzept des
Aktionsplans enthalten sind, zielgerichtete Maßnahmen bereits umgesetzt oder zumindest eingeleitet
wurden, um die Besiedelung durch das Auerhuhn zu ermöglichen, und eine fachliche Prognose die
Besiedelung des Auerhuhns tatsächlich und absehbar erwarten lässt.

Naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen müssen die durch den Eingriff beeinträchtigten
Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger Weise wiederherstellen (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG)
und in einem räumlichen Zusammenhang zu den durch den Eingriff verursachten Beeinträchtigungen
stehen. Ersetzt ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des
Naturhaushalts im betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind (§ 15 Abs. 2 Satz 3
BNatSchG). Die zuständige Behörde muss diejenigen Kompensationsleistungen festlegen, die den
Zielen der Eingriffsregelung in Ansehung der Gegebenheiten des Einzelfalles und der ihn prägenden
Umstände am besten gerecht werden. Dem Gedanken des § 15 Abs. 2 Satz 5 BNatSchG folgend,
sollten hierbei auch die Ziele des Aktionsplans Auerhuhn berücksichtigt werden.

Dabei ist zu beachten, dass nach § 15 Abs. 2 Satz 4 BNatSchG sogenannte CEF-Maßnahmen (nach §
44 Absatz 5 Satz 3 BNatSchG) der Anerkennung als Ausgleichs- und/oder Ersatzmaßnahmen nicht
entgegenstehen (multifunktionale Kompensation). Entsprechendes gilt für die artenschutzrechtlichen
Schutz- und FCS-Maßnahmen sowie für Vermeidungs- und Schadensbegrenzungsmaßnahmen
innerhalb von Vogelschutzgebieten.

18 Vgl. auch: LUBW, Hinweise zur Bewertung und Vermeidung von Beeinträchtigungen von Vogelarten bei Bauleitplanung
und Genehmigung von Windenergieanlagen, S. 15.
19 Vgl. BVerwG, Urt. vom 16.12.2004, Az. 4 A 11.04, Rn. 21 ff., m.w.N.
7

     3 FACHLICHE GRUNDLAGEN

     3.1 DIE SITUATION DER AUERHUHN-POPULATION DES SCHWARZWALDS

Die aktuellen Vorkommen des Auerhuhns in Baden-Württemberg sind auf den Schwarzwald
beschränkt. Lediglich im baden-württembergischen Teil der Adelegg (Allgäu) gibt es ein mit der
bayerischen Population in Verbindung stehendes Einzelvorkommen. Das Auerhuhn befindet sich
landesweit in einem schlechten Erhaltungszustand. Die Balzplatzzählungen (Erfassung balzender
Auerhähne), ein wichtiger Indikator für die Größe der Auerhuhn-Population, zeigen einen starken
Rückgang der Population. Mit Beginn des Monitorings der jährlichen Balzplatzzählungen im
Schwarzwald schrumpfte die Population von 570 im Jahr 1971 auf 114 balzende Auerhähne im Jahr
2021.

     3.1.1 Aktuelle Auerhuhnverbreitung
Im 5-Jahres Turnus werden alle direkten (Sichtung) und indirekten Nachweise (z.B. Federn, Kot oder
Trittsiegel) ausgewertet, die im Rahmen des Zufallsmonitorings und systematischer Erhebungen in
Teilgebieten oder in Forschungsprojekten zusammengetragen wurden. Auf der Basis dieser Daten wird
dann das minimale Auerhuhn-Verbreitungsgebiet abgegrenzt, wobei Flächen als Auerhuhn-
Verbreitungsgebiet definiert werden, wenn mindestens drei Nachweise aus den zurückliegenden fünf
Jahren vorliegen. Beispielsweise beruht die Verbreitung 2014-2018 auf Nachweisen der Jahre 2014
bis 2018. Einzelne Nachweise, die mehr als 1 km vom nächsten Nachweis entfernt liegen, gehen nicht
in die Verbreitungsgebietskartierung mit ein. Die Abgrenzung eines Verbreitungsgebiets erfolgt
entlang von im Gelände erkennbaren Linien wie Wegen, Wald-Feld-Grenzen oder Fließgewässern.
Mit dieser Methode wurden für die Zeiträume 1989–1993, 1994–1998, 1999–2003, 2004–2008, 2009–
2013 und 2014–2018 genaue Abgrenzungen der Auerhuhn-Verbreitung im Schwarzwald erstellt. Das
aktuelle Verbreitungsgebiet des Auerhuhns liegt größtenteils in Vogelschutzgebieten, die auch für den
Erhalt dieser Art ausgewiesen wurden.

     3.1.2 Populationsverbundflächen
Die Auerhuhnverbreitung ist auf eine große Anzahl an Höhenlagen und -rücken verteilt, weshalb für
die langfristige Überlebensfähigkeit der Population der genetische Austausch zwischen den einzelnen
Verbreitungsgebieten sehr wichtig ist. Genetische Untersuchungen belegen eine Zunahme der
genetischen Differenzierung zwischen den vier Metapopulationen der Auerhuhnpopulation im
Schwarzwald in den letzten 15 Jahren. Dies ist ein Hinweis darauf, dass der Genfluss, der eine
Voraussetzung für eine langfristig überlebensfähige Population im Schwarzwald darstellt, zwischen
den Teilpopulationen gefährdet ist. Eine Beeinträchtigung des Populationsverbunds zwischen den
Vorkommen bzw. Lebensstätten in den u.a. für das Auerhuhn ausgewiesenen Vogelschutzgebieten
beeinträchtigt daher auch die Schutzgebietsziele.
Anhand von genetischen Analysen in Kombination mit einer Landschaftsmodellierung20 konnten die
Flächen und Korridore zwischen den Auerhuhnteilpopulationen identifiziert werden, die die relativ
besten Bedingungen für den Individuenaustausch bieten und daher eine besondere Bedeutung für den
Populationsverbund darstellen. Basierend auf diesem Modell wurde ein 1 km breites Korridornetz
abgegrenzt. Zur Nutzung der modellierten und kartografisch bestimmten Korridore durch Auerhühner
für ihre Migration liegen wenig wissenschaftliche Erkenntnisse vor. Es ist davon auszugehen, dass in
Einzelfällen die Tiere für Migrationsbewegungen auch Routen außerhalb der ausgewiesenen
Populationsverbundflächen nutzen. Auf Grundlage vorliegender Erkenntnisse über das Verhalten des
Auerhuhns kann dennoch geschlossen werden, dass kleinflächig günstige Habitateigenschaften und

20 Braunisch, V., Segelbacher, G., Hirzel, A. 2010: Modelling functional landscape connectivity from genetic population
structure - a new spatially explicit approach. Mol. Ecol. 19: 3664-3678.
8

ein Minimum an beeinträchtigenden Faktoren                        auf    den    Populationsverbundflächen          die
Wanderbewegungen der Tiere deutlich begünstigen.
Die Herleitung von Trittsteinen basiert auf einem Modell, das sich aus den wichtigsten unkorrelierten
Variablen des „Landschaftsökologischen Lebensraumpotentials“21 errechnet. Dieses gibt generell die
Potentialeignung von Fläche als Lebensraum an. Flächen mit einem hohem Lebensraumpotential,
jedoch mit einer Gesamtfläche kleiner als 100 ha in Kombination mit der Lage auf oder angrenzend
an einen 1 km breiten Korridor, werden als Trittsteine ausgewiesen.

     3.2 AKTIONSPLAN AUERHUHN

Um den Populationsrückgang zu stoppen, hat das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und
Verbraucherschutz im Jahr 2008 den Aktionsplan Auerhuhn (APA) erarbeitet. Bestehend aus einem
wissenschaftlichen Fachkonzept und einem handlungsorientierten Maßnahmenplan, der die
notwendige fachliche Unterstützung der Handelnden vor Ort sicherstellt. Auf Basis eines
Flächenkonzepts für die flächenbezogene Umsetzung von Maßnahmen werden Waldgebiete
lokalisiert, die für die Schwarzwälder Auerhuhn-Population langfristig überlebensnotwendig sind.
2019 wurde die Umsetzung des Maßnahmenplans 2008-2018 sowie die Zielerreichung des
Fachkonzepts evaluiert. Der Rückgang der Art konnte bislang nicht gestoppt werden. Hauptursachen
für den Rückgang sind vermutlich der kontinuierliche Verlust geeigneter Lebensräume, eine Zunahme
an Fressfeinden und eine erhebliche Zunahme von Störungen. Trotz zahlreicher Aktivitäten zeigt die
Analyse des Umsetzungsstands, dass viele Maßnahmen großflächig nicht ausreichend, den
Planungsvorgaben nicht konsequent folgend oder gar nicht umgesetzt wurden.
Handlungsfeldübergreifend wurden zentrale Aktivitäten nicht eingefordert und dadurch gegenüber
anderen Verpflichtungen hintenangestellt.

Der bisherige Ausbau der Windenergie stellt keine Ursache für den Rückgang des Auerhuhns dar, da
die Belange bei der Planung entsprechend den Empfehlungen des Aktionsplan Auerhuhn
berücksichtigt wurden.

Auf Basis der unabhängigen Evaluation wurden die künftigen erforderlichen
Unterstützungsmaßnahmen umfassend überarbeitet und in einen Maßnahmenplan 2022-2027
zusammengefasst.

     3.3 MASSNAHMENPLAN 2022-2027

Der Maßnahmenplan 2022-2027 im Aktionsplan Auerhuhn enthält u.a. viele notwendige
Sofortmaßnahmen zur Habitatpflege und Reduzierung der Störungen während der kritischen
Wintermonate und der Balz-, Brut- und Aufzuchtzeit durch Waldarbeit, Jagd und Freizeitnutzung.
Weiterhin wurde auch das Flächenkonzept auf den Populationszustand 2021 angepasst und für eine
effektivere Implementierung der Maßnahmen optimiert. Das Flächenkonzept 2022 basiert auf dem
minimalen      Auerhuhn-Verbreitungsgebiet    im     Zeitraum     2014-2018      sowie    dem
Landschaftsökologischen Lebensraumpotential, das zur Herleitung der Wiederbesiedlungsgebiete
herangezogen wurde. Daraus ergeben sich folgende Flächenkategorien, die für den Maßnahmenplan
2022-2027 definiert und neu benannt werden, um eine Verwechslung mit den Bezeichnungen im
Flächenkonzept 2008 auszuschließen.

21Braunisch, V., Suchant, R.2007: A model for evaluating the ‘habitat potential’ of a landscape for capercaillie Tetrao
urogallus: a tool for conservation planning. Wildl. Biol. 13: 21-33.
9

Flächenkonzept 2022 im Maßnahmenplan 2022-2027:
           Vorrangflächen bestehend 1. aus der aktuellen Auerhuhnverbreitung (FVA-
            Datengrundlage 2014-2018) mit ca. 34.000 ha Waldflächen, in denen zwischen 2014 und
            2018 mehrfach Auerhühner gesichert nachgewiesen wurden und 2. Den
            Wiederbesiedlungsflächen mit ca. 25.000 ha Waldfläche, die das höchste
            Lebensraumpotenzial umfasst. Bei geeigneten Habitatstrukturen ist eine schnelle und
            dauerhafte Wiederbesiedlung der Potentialflächen zu erwarten. Sie liegen in unmittelbarer
            Nähe zur aktuellen Auerhuhn-Verbreitung und sind in den vergangenen Jahrzehnten von
            Auerhühnern besiedelt gewesen.
           Ergänzungsflächen: ca. 57.000 ha Waldflächen mit mittlerem Lebensraumpotenzial ohne
            Auerhuhn-Verbreitung, die als Ausweich- oder Ausgleichflächen in Betracht kommen.
           Korridore: 1 km breite Verbundkorridore, die die Auerhuhnverbreitung untereinander
            vernetzen.
           Trittsteine: Flächen mit Lebensraumpotenzial, die im Bereich der Korridore liegen und eine
            Größe zwischen 5 ha und 100 ha aufweisen.

 3.4 WIRKUNG VON WINDENERGIEANLAGEN AUF AUERHUHN-
POPULATIONEN

Wesentliche Kerninformationen zur Wirkung von Windenergieanlagen hat das Forschungsprojekt
„Auerhuhn und Windenergie22“ (2014-2019) geliefert. Ziel der Untersuchungen war es, festzustellen,
ob und welche Einflüsse Windenergieanlagen auf Auerhühner haben.
Im Rahmen der Studie wurde aus einer Literaturrecherche deutlich, dass mehrere Kollisionen von
Auerhühnern mit Türmen von Windenergieanlagen dokumentiert sind. Bei allen Funden handelt es
sich um nicht systematisch erhobene Einzelfunde von Kollisionsopfern, wodurch Aussagen zu
Nettoeffekten tödlicher Kollisionen auf Populationsebene nicht möglich sind. Dementsprechend bleibt
ungewiss, unter welchen Bedingungen und wie häufig Kollisionen von Auerhühnern mit Türmen von
Windenergieanlagen auftreten. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass für Auerhühner ein erhöhtes
Kollisionsrisiko an Windenergieanlagen besteht. Die Art gehört daher nach aktuellem
wissenschaftlichem Stand nicht zu den kollisionsgefährdeten Arten.
Die Ergebnisse des mehrjährigen und in mehreren Untersuchungsgebieten durchgeführten
Forschungsprojektes zeigen, dass Auerhühner durch Windenergieanlagen in der Lebensraumnutzung
beeinflusst werden. Die Lebensraumnutzung durch die Tiere nahm mit zunehmender Nähe zu den
Windenergieanlagen statistisch signifikant ab. Dieser Effekt war bis zu einer Entfernung von 650 m
bzw. 850 m nachweisbar. Daraus kann abgeleitet werden, dass die Lebensräume um
Windenergieanlagen den Auerhühnern nicht mehr unbeeinträchtigt zur Verfügung stehen, auch wenn
sie optimale Habitatstrukturen aufweisen. Zudem wurde nachgewiesen, dass Lebensräume weniger
durch Auerhühner genutzt werden, je näher sie an Wegen liegen. Das gilt auch für die Zufahrtswege
zu Windenergieanlagen, sofern diese zusätzlich angelegt werden. Diese Beeinträchtigungen der
Lebensraumnutzung durch Windenergieanlagen wurde auch in Untersuchungsgebieten gefunden, in
denen die Windenergieanlagen schon seit längerer Zeit stehen. Daher ist davon auszugehen, dass die
Beeinträchtigung nicht nur kurzfristig (z.B. durch Störung während oder direkt nach der Bauphase),
sondern auch langfristig wirkt. Die Tiere scheinen sich über Jahre hinweg nur eingeschränkt an die
Präsenz der Windenergieanlagen zu gewöhnen.
Durch genetische Untersuchungen von Kotproben konnte nachgewiesen werden, dass Auerhühner im
Schwarzwald deutlich mobiler sind als angenommen. Die Tiere können z.T. große Strecken
zurücklegen und einzelne Individuen wandern aktuell noch zwischen den Teilgebieten. Dies erhöht
die Chancen für eine erfolgreiche Wiederbesiedlung von wieder hergestellten Lebensräumen. Es

22FVA Ergebnisse Forschungsprojektes unter
https://www.fva-bw.de/fileadmin/user_upload/Abteilungen/Wald_und_Gesellschaft/Wildtieroekologie/Waldvoegel/
Projektabschlussbericht_Auerhuhn_Windenergie__3_.pdf
10

belegt allerdings auch die hohe Bedeutung des Lebensraumverbunds durch die notwendigen
Populationsverbundflächen für den Erhalt einer überlebensfähigen Auerhuhn-Population im
Schwarzwald.
Ein Einfluss von Windenergieanalgen auf den direkten Reproduktionserfolg von Auerhühnern konnte
nicht nachgewiesen werden, weil die Datengrundlage zu gering war. Daraus lässt sich allerdings nicht
ableiten, dass ein solcher Einfluss ausgeschlossen werden kann. Ein sicherer Ausschluss würde eine
vertiefte Untersuchung dieses Zusammenhangs erfordern. Auch die Analyse von
Stresshormonabbauprodukten im Auerhuhnkot ergab keine Hinweise auf eine Erhöhung des
Stresshormonlevels bei Auerhühnern als Folge der Windenergieanlagen. Im Gegensatz dazu wurde im
Forschungsprojekt nachgewiesen, dass neben den Windenergieanlagen als solche auch die Zuwegung
die Lebensraumnutzung der Auerhühner beeinflusst. Lebensräume werden durch Auerhühner weniger
genutzt, je näher sie an den Zufahrtswegen zu Windenergieanlagen liegen (bzw. Wegen allgemein).
Dies weist auf eine weitere, indirekte Beeinträchtigung der Vögel hin, die durch die begleitende
Infrastruktur verursacht wird. Die geringere Nutzung des Lebensraumes könnte durch höhere
menschliche Anwesenheit auf den Zufahrtswegen verursacht werden. Neben der Verwendung der
Wege zur Durchführung von Wartungsarbeiten bei den Windenergieanlagen, dürfte die erhöhte
Nutzung durch den Menschen im Rahmen von Freizeitaktivitäten (wandern, Mountainbike fahren etc.)
der ausschlaggebende Faktor für die Meidung sein. Negative Einflüsse von Wegen und touristische
Infrastruktur auf die Lebensraumnutzung wurden bereits für Auerhühner nachgewiesen.
11

 4 VORGEHEN ZUR BESCHLEUNIGUNG DER INTEGRATION
VON WINDENERGIENUTZUNG UND AUERHUHNSCHUTZ

Basierend auf den fachlichen und rechtlichen Grundlagen sind Empfehlungen formuliert, die einerseits
sicherstellen, dass der Ausbau der Windenergienutzung im Schwarzwald den langfristigen Erhalt einer
überlebensfähigen Population nicht gefährdet und andererseits genügend Standorte für potenzielle
Windenergieanlagen zur Verfügung gestellt werden. Ziel ist, Standorte aufzuzeigen, an denen mit
einem beschleunigten Genehmigungsverfahren gerechnet werden kann.

Aus Sicht des Auerhuhnschutzes werden vier Empfehlungen abgeleitet: Flächen, die mit keinen
Restriktionen belegt sind, Flächen mit Restriktionen, Flächen mit Ausschlussempfehlungen und
Populationsverbundflächen. Diese spiegeln auch die unterschiedlichen rechtlichen Hürden bei einem
geplanten Vorhaben und die voraussichtliche Verfahrensdauer wider.

 4.1 KEINE RESTRIKTIONEN

Flächen, in denen keine Belange des Auerhuhns betroffen sind und aus Sicht des Auerhuhnschutzes
unproblematisch sind, unterliegen keinen Restriktionen, weshalb aus Sicht des Auerhuhnschutzes mit
einfacheren und schnellen Genehmigungsverfahren zu rechnen ist.

 4.2 RESTRIKTIONEN

Flächen, in denen Belange des Auerhuhns betroffen sind, werden mit einer Restriktion verknüpft.
Daraus resultiert für Vorhabenträger, dass mit Hürden zu rechnen ist und für Verfahren ein längerer
Zeithorizont veranschlagt werden muss. Obwohl nicht auszuschließen ist, dass in diesen Bereichen
das Auerhuhn einen Hinderungsgrund für die Genehmigung von Windenergieanlagen ist, wird die
Errichtung von Windenergieanlagen auf diesen Flächen voraussichtlich genehmigungsfähig sein,
wenn auch mit erheblichen Aufwand in Form von zusätzlichen Erfassungen von Auerhuhnnachweisen
sowie aus dem Vorhaben resultierenden Ausgleichsmaßnahmen.

Flächen mit Restriktionen werden wie folgt definiert:
      Lage innerhalb einer Entfernung von 650 m zur aktuellen Auerhuhnverbreitung
         (Abgrenzung 2014-2018) außerhalb von Vogelschutzgebieten. Reproduktionsbereiche
         dürfen nicht betroffen sein.
         Der zusätzliche Aufwand besteht darin, dass naturschutzrechtliche Vermeidungs-, Schutz-
         und/oder Ausgleichsmaßnahmen erforderlich sind (siehe Kapitel 6.2.6, 6.2.7, 6.2.8).
      Lage innerhalb einer Entfernung von 650 m zu Habitatpflegemaßnahmen zur Verbesserung
         der Lebensraumstrukturen für das Auerhuhn, die in den vorangegangenen fünf Jahren
         durchgeführt worden sind. Für diese Flächen sind ebenfalls naturschutzrechtliche
         Ausgleichsmaßnahmen erforderlich (siehe Kapitel A.3 Schutzmassnahmen und Anhang
         A.3).

 4.3 AUSSCHLUSSEMPFEHLUNG

Flächen, in denen Belange des Auerhuhns sehr stark betroffen sind und mit hohen rechtlichen Hürden
zu rechnen ist, werden mit einer Ausschlussempfehlung verknüpft. Geplante Verfahren werden
voraussichtlich lange und aufwändige Verwaltungsprozesse erzeugen und zusätzlich mit einem sehr
12

hohen Aufwand verbunden sein. Vorhaben, die in Flächen mit Ausschlussempfehlungen geplant
werden, sind mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht genehmigungsfähig.
 Flächen mit einer Ausschlussempfehlung werden wie folgt definiert:
        Lage innerhalb einer Entfernung von 650 m zu Lebensstätten des Auerhuhns innerhalb von
         Vogelschutzgebieten mit Schutzzweck Auerhuhn
        Lage innerhalb von Reproduktionsbereichen, in denen aus den vorangegangenen fünf Jahren
         mindestens ein Reproduktionsnachweis vorliegt. Als Reproduktionsbereiche gelten Flächen,
         die sich innerhalb eines 1000 m Radius um Nachweise von Balz, Brut oder Aufzucht von
         Küken befinden.

 4.4 POPULATIONSVERBUNDFLÄCHEN

Populationsverbundflächen sind insbesondere mit Blick auf den Schutz des Auerhuhns in
Europäischen Vogelschutzgebieten als Bestandteil des Natura-2000-Schutzgebietsnetzwerks relevant.
Da Populationen in isolierten Lebensräumen insbesondere wegen des notwendigen genetischen
Austauschs, in vielen Fällen nicht auf Dauer erhalten werden können, ist der Schutz der
Austauschbeziehungen zwischen verschiedenen Gebieten und Gebietsteilen unverzichtbar. Die
Funktionalität der Populationsverbundflächen für das Auerhuhn muss gewährleistet werden.
Beeinträchtigungen dieser Austauschbeziehungen, z.B. durch Unterbrechung von Flugrouten und
Wanderkorridoren, unterfallen mithin dem Schutzregime des Gebietsschutzes. Als wichtiges
Erhaltungsziel für Vogelschutzgebiete mit Erhaltungsziel Auerhuhn ist, neben anderen Zielen, die
Erhaltung von Biotopverbundkorridoren für das Auerhuhn genannt. Projekte im Bereich der
Populationsverbundflächen können daher zu erheblichen Beeinträchtigungen eines Natura 2000-
Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgebenden Bestandteilen führen.
Allerdings unterscheiden sich Teilbereiche eines Korridors einschließlich zugehöriger Trittsteine im
Hinblick auf deren Bedeutung für die Funktionalität des Populationsverbunds erheblich. Die genaue
Lage eines Projekts hat im Einzelfall erheblichen Einfluss auf die Frage, ob tatsächlich eine
Beeinträchtigung zu erwarten ist und ob diese ggf. durch Vermeidungs- bzw.
Schadensbegrenzungsmaßnahmen aufgefangen werden kann. Beispielsweise sind die Tallagen für
Funktionalität eines Korridors in aller Regel ohne Relevanz. Dies erfordert im
Genehmigungsverfahren eine vertiefte Betrachtung, die, gleich wie auf Flächen mit
Ausschlussempfehlung, voraussichtlich ein langes und aufwändiges Verwaltungsverfahren bedingt.

Populationsverbundflächen sind wie folgt definiert:
      Lage innerhalb 1000 m breiter Korridore, die Auerhuhnverbreitungsgebiete innerhalb der
         Vogelschutzgebiete miteinander verbinden
      Flächen als Trittsteine, die auf Korridoren liegen bzw. an diese angrenzen
13

Abb. 1: Ergebnis der Planungsgrundlage mit Flächen ohne Restriktionen (keine Markierung), Restriktionen
        (orange), Ausschlussempfehlungen (helles Blau) sowie Ausschlussempfehlungen Populationsverbund
        (dunkles Blau). Vogelschutzgebiete sind grau hinterlegt.
14

 5 REGIONAL- UND BAULEITPLANUNG

 5.1 GENERELLE HINWEISE

 5.1.1 Natura 2000
Die Festlegung von Vorranggebieten für die Windenergienutzung in der Regionalplanung und die
Darstellung von Flächen für die Windenergienutzung in der Bauleitplanung kommt in Europäischen
Vogelschutzgebieten mit Vorkommen windenergieempfindlicher Vogelarten (insbesondere solche
Arten, für die Windenergieanlagen gemäß der Verordnung des Ministeriums für Ernährung und
Ländlichen Raum zur Festlegung von Europäischen Vogelschutzgebieten (VSG-VO vom 05.02.2010
(GBl. S. 37) eine Gefahrenquellen darstellen) wegen deren besonderer Schutzbedürftigkeit i. d. R.
nicht in Betracht, es sei denn, eine erhebliche Beeinträchtigung des Schutzzwecks und der
Erhaltungsziele des Gebiets kann auf Grund einer Vorprüfung oder Verträglichkeitsprüfung nach § 7
Abs. 6 ROG bzw. nach § 1a Abs.4 BauGB jeweils i.V.m. § 34 BNatSchG im Rahmen der Regional-
bzw. Bauleitplanung ausgeschlossen werden (z.B. wenn nachgewiesen wird, dass der Teilbereich des
Gebiets für die Erhaltung der geschützten Art nicht relevant ist).

 5.1.2 Artenschutz
Die artenschutzrechtlichen Verbote der §§ 44 f. BNatSchG gelten in der Regional- und Bauleitplanung
nicht unmittelbar. Eine regional- oder bauleitplanerische Festlegung/Darstellung, die wegen
entgegenstehender artenschutzrechtlicher Verbote nicht vollzugsfähig ist, wäre jedoch eine rechtlich
nicht "erforderliche Planung" und somit unwirksam (zur fehlenden Erforderlichkeit von
Regionalplänen vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 09.06.2005, 3 S 1545/04, NuR 2006, S. 371,
zur Bauleitplanung vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.08.1997, 4 NB 12.97, NuR 1998,135). Daher ist
bei diesen Planungen eine Prüfung der artenschutzrechtlichen Bestimmungen der §§ 44 f. BNatSchG
erforderlich. Prüfungsrelevant sind insbesondere die windenergieempfindlichen Arten des Anhangs
IV der FFH-Richtlinie und die Europäischen Vogelarten. Die artenschutzrechtlichen Verbote stehen
einer Planung nicht entgegen, wenn Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie und die Europäischen
Vogelarten im Umfeld der Planung nicht betroffen sind oder bei einer Beeinträchtigung der von dem
Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten die ökologische Funktion dieser
Lebensstätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird (§ 44 Abs. 5 S. 2 BNatSchG). Dies
gilt auch, wenn die Verletzung des Verbotstatbestands vermieden werden kann, z. B. durch
Nebenbestimmungen in künftigen Genehmigungsverfahren oder vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen
nach § 44 Abs. 5 S. 3 BNatSchG (sog. CEF Maßnahmen), oder bei einem nicht vermeidbaren
Verbotsverstoß eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG oder eine Befreiung nach § 67 BNatSchG
erteilt werden kann. Die Aufstellung von Bauleitplänen lässt die artenschutzrechtlichen Regelungen
unberührt, sodass diese Verbote auch bei der Zulassung von Windkraftanlagen im Einzelfall (auch im
Geltungsbereich von Bebauungsplänen) gelten.

 5.2 ERFASSUNG

Die artenschutzrechtliche Prüfung setzt eine ausreichende Ermittlung und Bestandsaufnahme der im
Planbereich vorhandenen Vogelarten und ihrer Lebensräume voraus. Die Bestandsaufnahme muss den
Planungsträger in die Lage versetzen, die tatbestandlichen Voraussetzungen der
Verbotsbestimmungen und mögliche Ausnahme- und Befreiungslagen zu überprüfen. Hierfür benötigt
er jedenfalls Daten, denen sich in Bezug auf das Plangebiet die Häufigkeit und Verteilung der
geschützten Arten sowie deren Lebensstätten entnehmen lassen. Die FVA verfügt über einen sehr
guten Kenntnisstand hinsichtlich Auerhuhnvorkommen. Diese Daten sind auf Ebene der
Sie können auch lesen