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Sterntaucher Engagement von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen – so kann´s gehen! Ein Leitfaden für die Praxis Erfahrungen aus dem Projekt STERNTAUCHER der Freiwilligenagentur Magdeburg
Impressum Freiwilligenagentur Magdeburg e.V. Projekt STERNTAUCHER Jana Schulze Einsteinstraße 9 . 39104 Magdeburg Telefon 0391 / 54 95 841 info@sterntaucher.info www.sterntaucher.info Redaktion: Jana Schulze Fotos: Marcus Lahn, Kevin Lüdemann Layout: rothSTICH l grafik l design Magdeburg, Dezember 2013
Inhalt Engagement von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen 3 – so kann´s gehen! Vorwort Jana Schulze, Projektkoordinatorin STERNTAUCHER 1 Das Projekt STERNTAUCHER Wichtige Bausteine 2 Die Freiwilligen Psychisch krank – Was heißt das eigentlich? Warum engagieren sich psychisch erkrankte Menschen? Wie finden Interessierte in die Freiwilligenagentur? Porträt einer Freiwilligen „Jeder ist so sein eigener (Lebens)Künstler“ 3 Wichtige Partner Zusammenarbeit mit Fachstellen für psychisch kranke Menschen 4 Die Einsatzstellen Zusammenarbeit mit Freiwilligen Beratung und Qualifizierung 5 Beratung und Begleitung der Freiwilligen Terminvereinbarung und Beratung Zum besseren Verständnis Besonderheiten psychischer Erkrankungen Erstgespräch und Begleitung Austausch und Reflexion 6 Freiwillig(e) aktiv Beispielhafte Tätigkeitsfelder Zum Weiterlesen und Informieren Materialien Die Freiwilligenagentur Magdeburg
4 Ein Leitfaden für die Praxis Engagement macht Sinn ... Für Menschen mit psychischen Beein- Dafür wurde die Freiwilligenagentur 2012 mit dem bagfa-Inno- trächtigungen kann ein ehrenamtliches vationspreis „Teilhabe und Vielfalt im Engagement gestalten“ Engagement ein wichtiger Schritt auf ausgezeichnet. Von der Jury wurde besonders gelobt, dass der dem Weg zu mehr Selbständigkeit und praxisorientierte Ansatz aktuellen Herausforderungen folgt und Akzeptanz, zu höherer Lebensqualität deutlich macht, wie Engagement gesellschaftliche Teilhabe von und gesellschaftlicher Teilhabe sein. Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen fördern kann. Sie werden aktiv und übernehmen mehr Verantwortung, für sich und Viele positive Rückmeldungen von Freiwilligen und Organisati- auch für andere. Im Engagement onen bestätigen: Die Begleit- und Unterstützungsangebote ha- werden sie nicht als Hilfesuchende ben sich bewährt. sondern als wertvolle Hilfe wahrge- nommen. Sie bringen ihre Stärken und Erfahrungen ein, knüpfen Der vorliegende Leitfaden fasst die bisherigen Erfahrungen zu- soziale Kontakte und erleben Sinn und Anerkennung. Manche sammen und dient als Orientierung in der Zusammenarbeit mit begleiten ältere Menschen bei Ausflügen mit dem Rollstuhl oder Freiwilligen, die durch psychische Erkrankungen beeinträchtigt helfen Kindern beim Lesenlernen, andere unterstützen Organi- sind. Wir freuen uns, wenn wir dazu motivieren können, Berüh- sationen bei Veranstaltungen oder übernehmen Pflegearbeiten rungsängste im Umgang mit psychisch kranken Menschen abzu- im Garten. bauen, stärker den Blick auf ihre Kompetenzen und Fähigkeiten als auf ihre Defizite zu richten und ihnen Tätigkeitsfelder zu eröff- Um ihnen sinnstiftende Tätigkeitsfelder zu erschließen und nen, die ihnen soziale Kontakte, Integration und Teilhabe an der notwendige Rahmenbedingungen zu schaffen, entwickelte die Gesellschaft ermöglichen. Freiwilligenagentur Magdeburg im Rahmen des Projektes STERN- TAUCHER ein spezielles Beratungs- und Unterstützungskonzept: Interessierte werden beraten, vermittelt und während des Enga- gements begleitet. Gemeinnützige Einrichtungen und Organisa- tionen werden qualifiziert und beraten, Fachstellen mit Angebo- ten für Menschen mit psychischen Erkrankungen als kompetente Partner und Multiplikator/innen einbezogen, und es wurde aktiv Jana Schulze Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Projektkoordinatorin
Engagement von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen 5 – so kann´s gehen! Das Projekt STERNTAUCHER Wichtige Bausteine Um Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zu motivieren, eine ehrenamtliche Tätigkeit aufzunehmen, sie adäquat zu beglei- ten und zu vermitteln sowie günstige Rahmenbedingungen für das Engagement zu schaffen, ist eine Arbeit auf mehreren Ebenen notwendig. Neben der Beratung von Interessierten und der Suche nach geeigneten Tätigkeitsfeldern gehört dazu auch eine intensive Zusammenarbeit mit den Einsatzstellen und Fachstellen für psychisch kranke Menschen. Die im Folgenden aufgeführten Ansätze wurden im Projekt STERNTAUCHER entwickelt und erprobt und sind wichtige Bausteine des Beratungs- und Begleitangebotes für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Engagementberatung und –begleitung Interessierte werden beraten und in geeignete Tätigkeitsfelder vermittelt. Auf Wunsch ist eine Begleitung zum Erstgespräch in der Einsatzstelle möglich. Während des Engagements wird kontinuierlich Kontakt zu den Freiwilligen gehalten, um bei ggf. auftretenden Problemen schneller reagieren zu können. Hier geht es insbesondere auch um Motivation und „Mutmachen“ zur Über windung von Hindernissen im Engagement. Darüber hinaus werden regelmäßige Treffen zum Erfahrungsaustausch für die Freiwilligen angeboten. Beratung und Qualifizierung von Einsatzstellen Mit der Qualifizierungsreihe „Engagement von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen – Herausforderung und Gewinn“ und in individuellen Beratungsgesprächen werden interessierte Einrichtungen über Grundlagen und Besonderheiten in der Zusammenarbeit mit psychisch kranken Freiwilligen informiert. Zusammenarbeit mit Fachstellen Fach- und Beratungsstellen unterstützen mit ihrem Know-How und informieren über das Angebot. Die Freiwilligenagentur Magdeburg ist in der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft Magdeburg (Arbeitsgruppe Er wachsenenpsychiatrie) sowie als Bündnispartner im „Bündnis gegen Depression Sachsen-Anhalt“ vertreten. Öffentlichkeitsarbeit Mit vielfältigen Aktivitäten und Maßnahmen (z.B. Flyer, Homepage, Ausstellung, Plakatkampagne, Fachveranstaltungen) informiert die Freiwilligenagentur zum Thema und macht auf das Problem der Stigmatisierung und Ausgrenzung psychisch kranker Menschen aufmerksam.
6 Ein Leitfaden für die Praxis Die Freiwilligen Psychisch krank – Was heißt das eigentlich? Es gibt nicht DIE psychisch kranken Menschen. Psychische Er- Die wenigsten Mitarbeiter/innen in Freiwilligenagenturen krankungen sind so vielfältig wie die Menschen selbst. Eine oder in den gemeinnützigen Einrichtungen, in denen die psychische Störung bedeutet in der Regel eine Abweichung von Freiwilligen tätig werden, haben eine psychiatrische oder der “Norm”. Das heißt, die Betroffenen leiden darunter, dass psychologische Ausbildung. Und psychische Erkran- sie anders denken, fühlen und handeln als die meisten anderen kungen sind in ihren Erscheinungsbildern vielfältig. In der Menschen. Zusammenarbeit mit Freiwilligen können Kenntnisse von bestimmten Krankheitsbildern und Diagnosen eine „Ar- Es gibt einige Besonderheiten, die verschiedene psychische beitshilfe“ sein, um die bestmögliche Beratung und Unter- Erkrankungen mit sich bringen, die – wenn sie nicht beachtet stützung auf dem Weg in ein passendes Tätigkeitsfeld zu werden – schnell zu Missverständnissen und letztendlich auch ermöglichen und Missverständnisse im Zuge der Zusam- zum Scheitern der Zusammenarbeit mit den Freiwilligen führen menarbeit (z.B. aufgrund bestimmter Verhaltensweisen) können. Deshalb ist es für die Beratung und Begleitung hilfreich, zu vermeiden. grundlegende Kenntnisse über die häufigsten Krankheitsbilder Sie dienen auf keinen Fall dazu, Interessier te in bestimmte zu haben. Bestimmte Bedürfnisse und Ressourcen, die für eine (Defizit-)Kategorien einzuordnen. Im Mittelpunkt sollten Vermittlung wichtig sind, können gezielter erfragt und mit Rah- immer deren Fähigkeiten und Ressourcen stehen. menbedingungen und Anforderungen in den Einsatzstellen ab- geglichen werden. Das Spektrum an psychischen Erkrankungen, das uns in der Freiwilligenagentur im Beratungsalltag begegnet, reicht von leichten bis schweren Depressionen über Angsterkrankungen bis hin zur Borderline-Persönlichkeitsstörung und Schizophrenie. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Beeinträchtigungen der Freiwilligen, die ggf. besondere Rahmenbedingungen im En- gagement erfordern. Eine Vernetzung und Zusammenarbeit mit Fachstellen für psy- chisch kranke Menschen ist hier besonders wichtig. Sie haben das entsprechende Know-How und können ggf. Unterstützung geben.
Engagement von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen 7 – so kann´s gehen! Warum engagieren sich psychisch erkrankte Menschen? Psychische Erkrankungen gehen so gut wie immer mit einer Hinweis: Die konkrete Motivation für ein Engagement der/des Veränderung oder sogar mit dem Verlust von sozialen Positi- Interessierten sollte im Gespräch unbedingt erfragt werden. onen einher. Akute Krankheitsphasen, lange Ausfallzeiten am Sie ist wichtig im Zusammenhang mit der Suche nach einem Arbeitsplatz, Schwierigkeiten beim beruflichen Wiedereinstieg geeigneten Tätigkeitsfeld. Der Erhalt einer „Tagesstruktur“ ist oder auch langjährige Er werbslosigkeit führen zum Verlust von beispielsweise eine wichtige Motivation ein Engagement auf- sozialen Kontakten und erschweren einen geregelten Lebens- zunehmen. Hier macht es keinen Sinn, den Interessierten ein alltag. Tätigkeitsfeld zu eröffnen, in welchem sie lediglich sporadisch und bei Bedarf zum Einsatz kommen. Sondern es sollten konti- Deshalb verbinden Menschen mit psychischen Erkrankungen, nuierliche Aufgaben übertragen werden, die möglichst zu wie- die sich auf der Suche nach einem ehrenamtlichen Tätigkeitsfeld derkehrend fest vereinbarten Tagen und Zeiten erledigt werden. an die Freiwilligenagentur wenden, mit diesem für sie oft schon Das schaf ft für beide Seiten eine gewisse Verlässlichkeit und schweren Schritt große Hoffnungen auf die Verbesserung ihrer gibt den Freiwilligen die erforderliche Verbindlichkeit und Struk- Lebenssituation. Sie versprechen sich insbesondere eine (er- tur für den Alltag. neute) Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Motivationen der Interessierten Sinn-füllung („eine Aufgabe haben“) Tagesstrukturierung „Ich wollte raus aus meiner Krankheit und wollte wie- soziale Kontakte der ein bisschen belastbarer werden. Ich helfe auch Belastbarkeit erproben irgendwie gern, wollte das aber erst mal für mich ma- erste Schritte auf dem Weg zur beruflichen Integration chen.“ Anerkennung und Selbstwertsteigerung „Ich wollte Zuhause rauskommen, da mir sonst die Decke auf den Kopf gefallen wäre. Hier bin ich gut aufgehoben und habe einen regelmäßigen Tagesab- lauf. Sonst hätte ich geschlafen, geschlafen und ge- schlafen und den ganzen Tag vergeudet. So hat man eben eine Aufgabe, die man er füllen kann.“ „Weil man was tut, hat man Kontakt. Man ist unter Menschen, kann reden und hat Ansprechpar tner. Ich kann zudem helfen, wo Hilfe nötig ist – das Gefühl gebraucht zu werden und auch Anerkennung zu be- kommen.“
8 Ein Leitfaden für die Praxis Wie finden Interessierte in die Freiwilligenagentur? Auch schon vor Beginn des Projektes STERNTAUCHER kamen Das Projekt ist ein „Unterstützungsangebot“ für psychisch Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen auf der Suche beeinträchtigte Menschen, um ihnen den Weg ins Engage- nach einem ehrenamtlichen Engagement in die Beratung der ment zu erleichtern. Das bedeutet nicht, dass es zwingend Freiwilligenagentur. Meist haben sie von ihren Ärzt/innen oder von allen Engagementsuchenden mit einer psychischen Therapeut/innen von dieser Möglichkeit erfahren. Erkrankung in Anspruch genommen werden muss. Es gibt Menschen, die nicht of fen mit ihrer Erkrankung umgehen Es ist aber durchaus sinnvoll, direkt Kontakt zur Zielgruppe auf- möchten und auch keine besondere Unterstützung wün- zunehmen. Das kann über Infoveranstaltungen und -flyer in Kli- schen. Sie können wie alle anderen die vorhandenen Bera- niken, Begegnungsstätten, Rehaeinrichtungen, Wohnverbünden tungsangebote der Freiwilligenagentur nutzen. sowie Selbsthilfe- und Angehörigengruppen passieren. Viele potenzielle Freiwillige kommen zum Beispiel über die So- zialen Dienste ortsansässiger psychiatrischer Kliniken, den So- zialpsychiatrischen Dienst oder verschiedene ambulante psychi- „Ich habe mich an das Sterntaucher-Projekt gewen- atrische/psychologische Praxen. det, weil ich dachte, dass dor t jemand ist, der Ahnung von psychischen Erkrankungen hat. Da hatte ich das Hinweis: Das Vorhandensein eines Projektes, das sich an eine Gefühl, dass ich nicht drumherum reden muss.“ bestimmte Zielgruppe – in diesem Fall Menschen mit psychi- schen Erkrankungen richtet – sowie eine konkrete Ansprech- person erleichtern den Interessierten die Kontaktaufnahme. Sie können sich direkt nach dem Projekt erkundigen und müs- sen nicht sofort ihre Situation erklären. Sterntaucher - fotoli a.de Foto: © Docto r Kan Engagement von Me Sterntaucher nschen mit psychischen Be einträchtigungen n en Beeinträchtigunge nschen mit psychisch Kontakt: Engagement von Me Beeintr ächtigunge n chis chen Men sch en mit psy Jana Schulze Das Pro jekt Ste rntaucher erm öglicht enen Ein sat zfelder n. ges Eng age ment in ver schied Mag deb urg Frei willi genagentur 4 Mag deb urg begleitetes frei willi t, im Tie rhe im, in 3910 in der Altenar bei ben Sinn, Einstein straße 9, llige engagieren sichSie knüpfen soziale Kontak te, erleber Telefon & Fax 039 1 / 54 95 841 Interessierte Freiwi Kul turb ereich. nge n ein. Wir ate n, eiw illigenag entu r-ma gdeburg.de en ode r im Stärken und Erfa hru jana.schulze@fr Um wel tpro jekt brin gen ihre rke nnu ng und Spaß und deburg Ane illigenagentur Mag leiten sie. Projekt der Freiw ver mit teln und beg ment von Men sch en mit Sterntaucher ist einzt von Aktion Mensch. willi gen Eng age begleiten sie. und wird unterstüt zst elle n pro fitieren vom frei n, qua lifiz ieren und Ein sat äch tigu ngen. Wir ber ate Bee intr psychis chen en wer den in ein ch kra nke Men sch eboten für psychis agementfelder Fachstellen mit Angwer k eingebunden und für mögliche Eng Koo per atio nsn etz sen sibilisiert.
Engagement von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen 9 – so kann´s gehen! Jeder ist so sein eigener (Lebens)Künstler – Maxi S. engagiert sich im Puppentheater Magdeburg Ein Dienstagnachmittag im noch neuen Jahr. Im Puppentheater ben erfüllen zu können, bekommt Maxi vor allem durch die Kunst, Magdeburg laufen die Vorbereitungen für den Pädagogentreff. denn „Künstler dürfen so sein, wie sie sind. Man kann sie nicht Bei den Vorbereitungen dabei ist Maxi, ehrenamtlich Engagierte in eine Schublade stecken“. Kunst ist ihr Leben. Musste sie sich im Bereich der Theaterpädagogik. Sie sitzt in ihrem Büro im hin- früher oftmals für ihre Erkrankung rechtfertigen, verstellen und teren Teil des Puppentheaters und bereitet noch letzte Sachen verbiegen, kann sie in ihrem Engagement ganz sie selbst sein. für das Treffen vor. Es ist ein kleines aber gemütliches Büro und ist vollgestopft mit Notizzetteln, losen Blättern und einigen Pup- Warum nun das Engagement? Warum dies alles auf sich neh- pen, die sich hier und da tummeln. men? Maxi möchte etwas für sich tun, grübelte bisher einfach zu viel. Sie möchte trotz ihrer Krankheit am Leben teilnehmen: Maxi sitzt an ihrem Rechner und arbeitet letzte Änderungen im „Das Leben besteht aus sozialen Kontakten“. Ihr bedeutet das Handzettel zum Stück „Die Glücksfee“ ein. Sie ist seit einem hal- Engagement Freiheit, Leben – einfach etwas zu tun, was sie ben Jahr freiwillig im Puppentheater engagiert. Hauptsächlich kann. Ungezwungen geht sie an ihre Aufgaben heran, kann krea- unterstützt sie dabei bei Recherchen zu möglichen Partnern und tiv sein und ein Leben fernab der DIN-Norm führen. Eine 40 Stun- Institutionen, die vom Bereich der Theaterpädagogik Gebrauch den Woche kann Maxi auf Grund ihrer Erkrankung bisher nicht machen können. Im Zentrum stehen vor allem Kindertagesstät- leisten. Sie hat für sich gelernt, auf sich zu hören und die Signale ten und Schulen in Magdeburg und Umgebung. Es gibt eine Pre- ihres Körpers und vor allem ihrer Seele zu deuten. Sie achtet da- mierenklasse, bei der die Schüler vom Anfang einer Produktion rauf, was „ihr gut tut und was nicht“. Anfangs war dies auch für sie an dabei sind und sie auch mitgestalten können. Sie sollen ihre nicht leicht, aber mit der Zeit hat sie es gelernt und akzeptiert. Fantasie einbringen. Maxi ist begeistert, dass die Kinder sich ausprobieren und vor allem auch künstlerisch aktiv werden kön- Was Maxi aus ihrer Erfahrung heraus anderen in ähnlicher Lage nen. Ein weiterer Aufgabenschwerpunkt der Freiwilligen ist die rät? Die junge Frau rät Betroffenen auf jeden Fall ein Engage- Koordination von Sonderführungen durch die kürzlich eröffnete ment aufzunehmen und insbesondere das, worin ihr Leben, ihre Figurenspielsammlung. Sie führt Telefonate, plant die Führungen Träume und Wünsche liegen. Durch das Engagement könne und gibt Vorschläge für individuelle Rahmenveranstaltungen. man seinen „Seelenfrieden“ finden und es stärke die Psyche. Aber auch in der Öffentlichkeitsarbeit ist sie aktiv, gestaltet Darüber hinaus bietet so ein Engagement natürlich auch die Texte oder unterstützt bei vielfältigen Kinderangeboten im Pup- Möglichkeit zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Durch ihre pentheater. Tätigkeit im Puppentheater hat Maxi enorm an Selbstver trauen gewonnen. Sie hat gelernt sich Sachen zuzutrauen, die sie sich Dass Maxi an einer psychischen Erkrankung leidet, spielt bei al- bisher nicht getraut hätte. Sie ist glücklich. Auch wenn ihr hin ledem keine Rolle. Dass dies auch bei den Mitarbeitern im städ- und wieder auffällt, dass sie den dritten Schritt vor dem ersten tischen Puppenhaus keine Rolle spielt, merkt man schnell im Um- erledigen möchte, so fühlt sie sich rundum wohl bei dem, was sie gang. Maxi wird als vollwertiges Mitglied des Teams angesehen, tut – erhält viel Zuspruch. wurde nett aufgenommen und im Fokus stehen vor allem ihre Kreativität und ihr kulturelles Interesse. Im Lauf ihres Lebens hat Oft denkt sie über die Zukunft nach. Ihr Traum ist es als Kolum- Maxi da auch schon andere Erfahrungen gemacht. Den Halt und nistin bei einer Zeitung zu arbeiten oder Schriftstellerin zu wer- die Sicherheit, trotz ihrer Erkrankung die ihr gestellten Aufga- den. Sie möchte Geschichten erzählen und diese ähnlich wie die
10 Ein Leitfaden für die Praxis Puppen im Puppentheater zum Leben er wecken – ihnen eine Zum frühen Abend ist unser Gespräch vorüber. Pünktlich zum Seele geben. Um diesen Wiedereinstieg auf den Weg zu bringen, Beginn des Pädagogentreffs geht Maxi voller freudiger Er war- möchte sie die RPK (Rehabilitation psychisch Kranker) nutzen. tung aus ihrem Büro wieder ins Foyer. Sie begrüßt die ankom- Hier möchte sie lernen weiter mit der Krankheit im Berufsleben menden Gäste. Man merkt, dass ihr das Engagement sichtlich umgehen zu können, um auch beruflich wieder Fuß fassen zu Spaß macht, einfach gut tut und sie angekommen ist. können. Ein fester Arbeitsplatz, vielleicht sogar an einem Thea- ter, ist ihr großer Wunsch. (Veröffentlicht am 13. Februar 2013 in der Volksstimme Magdeburg; Autor/Foto: Marcus Lahn)
Engagement von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen 11 – so kann´s gehen! Wichtige Partner Zusammenarbeit mit Fachstellen für psychisch kranke Menschen Der Vernetzung mit Fach- und Beratungsstellen für psychisch Fach- und Beratungsstellen kranke Menschen kommt eine besondere Bedeutung zu. Sie Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie bringen das notwendige Know-How zum Themenfeld psychi- Sozialpsychiatrischer Dienst (Gesundheitsamt) scher Erkrankungen ein. In jeder Stadt gibt es ein Netz von Ver- Einrichtungen der beruflichen und sozialen Rehabilitation sorgungsstrukturen, an das sinnvoller weise Anbindung gesucht Tageskliniken werden sollte. Einerseits kann deren Expertise für Qualifizie- Begegnungsstätten für psychisch kranke Menschen und rungen und Vorbereitungen von haupt- und ehrenamtlichen Mit- deren Angehörige arbeiter/innen der Freiwilligenagentur und in den gemeinnützigen Wohnverbünde für psychisch kranke Menschen Einrichtungen genutzt werden. Andererseits wirken die Fachstel- etc. len selbst als Multiplikatoren und informieren psychisch kranke Menschen über Möglichkeiten eines freiwilligen Engagements. Hinweis: Das besondere Angebot zur Engagementförderung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen ist kein psycho- Darüber hinaus ist es notwendig zu wissen, wo und welche Un- soziales Unterstützungsangebot und stellt keine Konkurrenz zu terstützungsangebote für Betroffene vorgehalten werden, um bestehenden Angeboten der Fach- und Beratungsstellen dar. Es bei Bedarf an die entsprechenden Stellen weitervermitteln zu ist vielmehr eine Ergänzung und kann für psychisch kranke Men- können. schen eine Brücke zur „Normalität“ sein. In persönlichen Gesprächen können sie über die Idee der En- gagementförderung für Menschen mit psychischen Beeinträch- tigungen informiert werden. Eine Mitarbeit in bestehenden Arbeitsgruppen (z.B. Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft) ist durchaus sinnvoll. „Eine Nachbarin, mit der ich guten Kontakt hatte, wurde auf das Problem aufmerksam. Der Sozialpsy- chiatrische Dienst des Gesundheitsamtes half mir zu Nicht bei allen Menschen, die zur Beratung in die Frei- dieser Zeit sehr stark. Im Mai 2011 wurde ich dann willigenagentur kommen, steht das Engagement im Vorder- durch ihn auf das Projekt Sterntaucher aufmerksam.“ grund, sondern z.B. das Bedür fnis nach sozialen Kontak- ten. Oder Menschen befinden sich gerade in einer akuten Krankheitsphase. In diesen Fällen ist es wichtig und sinn- „In das Projekt bin ich gekommen, weil ich in der Ta- voll, den Kontakt zu einer Begegnungsstätte herzustellen gesklinik war. Dor t gab es eine Sozialarbeiterin, die (soziale Kontakte) oder ggf. an andere Unterstützungsan- mir von ehrenamtlichen Tätigkeiten berichtet hat. gebote (zum Beispiel Sozialpsychiatrischer Dienst, Thera- Und dann sind wir zusammen in die Freiwilligenagen- peut/innen) verweisen zu können. tur gefahren.“
12 Ein Leitfaden für die Praxis Die Einsatzstellen Zusammenarbeit mit Freiwilligen Grundsätzlich gelten für eine erfolgreiche Zusammenarbeit In der Regel haben Freiwilligenagenturen einen großen Pool an mit Freiwilligen, die psychisch beeinträchtigt sind, die gleichen Einrichtungen, mit denen sie zusammenarbeiten und die vielfäl- Empfehlungen zum Freiwilligenmanagement wie bei anderen tige Tätigkeitsfelder vorhalten. Grundsätzlich ist davon auszuge- Freiwilligen auch – u.a. muss das Engagement in der Einrichtung hen, dass alle Tätigkeitsfelder für alle Interessierten offen sind. durch die hauptamtlichen Mitarbeiter/innen gewünscht sein, und Erst in der Beratung kann herausgefunden werden, welche Auf- Freiwillige müssen adäquat begleitet werden. Die Erfahrungen gaben tatsächlich die passenden sind. Die konkrete Auswahl er- haben gezeigt: Wenn grundlegende Rahmenbedingungen für folgt in Abhängigkeit von Er wartungen und Möglichkeiten sowie das Engagement in einer Einrichtung gegeben sind, funktioniert den individuellen Bedürfnissen (und ggf. zu berücksichtigenden auch die Zusammenarbeit mit Freiwilligen – ob mit oder ohne Besonderheiten aufgrund der psychischen Erkrankung). psychische Beeinträchtigung. Hinweis: Es kann durchaus vorkommen, dass keines der bishe- Im Anhang dieser Broschüre finden Sie Materialien der Freiwilli- rigen ehrenamtlichen Tätigkeitsfelder für den/die Interessierte/n genagentur Magdeburg mit Allgemeinen Hinweisen zum Freiwil- passt. Dann ist es sinnvoll, neu zu denken und neue Tätigkeits- ligenmanagement sowie Tipps zum Erstgespräch und zur Aner- felder zu erschließen. Nicht immer muss es eine „große“ Aufgabe kennungskultur. Diese treffen generell auf die Zusammenarbeit sein. Auch die Übernahme „kleiner“ Tätigkeiten kann Sinn und mit Freiwilligen zu. Wichtige Elemente sind: Alltagsstruktur bringen und gleichzeitig eine Unterstützung für die Einrichtung sein. klar beschriebene Aufgaben Erstgespräch Beispiel: Jemand mit einer starken Angststörung, der sich nichts Schnupperphase und Einarbeitung mehr zutraute und davon überzeugt war, nirgends eine Hilfe sein Ansprechpartner/in und Begleitung zu können, hat (nachdem herauskam, dass er großes Interesse Auswertung der Zusammenarbeit (Reflexion) an Aquarien hat und auch selbst eines besitzt) einmal wöchent- Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung lich die Pflege des Aquariums in einer Alteneinrichtung übernom- Anerkennung men. Ein Gewinn für beide Seiten: Für ihn bedeutete das Engage- Kostenerstattung ment den ersten Schritt in eine Aktivität in der Öffentlichkeit seit Versicherung vielen Jahren, gibt ihm Struktur und ein Gefühl des Gebraucht- seins. Die Einrichtung ist froh, endlich eine kompetente Person Eine Besonderheit ist ein möglicher weise höherer zeitlicher Auf- zu haben, die sich um die Pflege des Aquariums kümmert – wäre wand zu Beginn der Zusammenarbeit (Erstgespräch, Finden des aber niemals auf die Idee gekommen, für dieses Tätigkeitsfeld passenden Tätigkeitsfeldes und Einarbeitungsphase) aufgrund gezielt Freiwillige zu suchen. von bestehenden Berührungsängsten und Schwellen. Weitere Ausführungen dazu finden Sie unter dem Punkt Beratung und Begleitung von Freiwilligen.
Engagement von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen 13 – so kann´s gehen! Die entsprechenden Einrichtungen sollten im ersten Schritt über das Vorhaben und die Idee der Engagementförderung von Men- Häufig scheiter t die Zusammenarbeit mit Freiwilligen, schen mit psychischen Beeinträchtigungen informiert werden. Im weil Einrichtungen ein ganz genaues Bild vom passenden nächsten Schritt können vorhandene Erfahrungen mit „besonde- Freiwilligen für ein ganz konkretes Aufgabenfeld im Kopf ren“ Freiwilligen und in Frage kommende Tätigkeitsfelder bespro- haben. Wenn Interessier te dann nicht genau diesen Anfor- chen sowie Absprachen zur Zusammenarbeit getroffen werden. derungen entsprechen, kommen beide Seiten nicht zusam- men und vergeben damit eine große Chance. Für Einrich- Hinweis: Es gibt Einrichtungen, von denen man weiß, dass Frei- tungen ist es wichtig (und gleichzeitig gewinnbringender), willige gut begleitet werden und in die man Freiwillige immer wie- den Blick zu weiten und flexibel auf die Fähigkeiten und der gern vermittelt. Diese wären ein guter Anfang. Kompetenzen der Interessier ten zu reagieren. Meist kön- nen große Aufgabenbereiche in mehrere kleine mit ganz unterschiedlichen Anforderungen unter teilt werden. „Ohne den Einsatz und das Engagement von Ehrenamtlichen würden viele Angebote schwer zu realisieren sein. Ihre Haupttätigkeit liegt in der Kommunikation mit den Bewohnerinnen und Bewohnern. Sie profitieren von der Betreuung und Fürsorge der Ehrenamtlichen. … Für mich ist erst einmal kein Unterschied zu anderen Freiwilligen zu sehen. Sie wollen sich genauso wie andere engagieren und haben den Anspruch auch so wahrgenommen zu werden. Und im täglichen Umgang miteinander haben wir ein sehr of fenes und ver trauensvolles Verhältnis.“ „Das Aquarium ist eine Wucht. Wenn er nicht immer kommen würde, würde es nicht so schön aussehen. Das ist ganz super und für uns ein echter Gewinn.“ „Es hat ein halbes Jahr gedauer t, bis ich mich getraut habe, in der Freiwilligenagentur anzurufen. Ich habe ge- sagt, ich kann so groß nichts machen mit anderen Menschen – so wie andere z.B. ältere Menschen betreuen, mit ihnen Spazierengehen und ähnliches. So etwas kann ich nicht machen. Sie hat dann etwas gesucht und dieses Altenpflegeheim gefunden. …“
14 Ein Leitfaden für die Praxis Beispiel für eine modulare Qualifizierungsreihe für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter/innen in gemeinwohlorientierten Einrichtungen: Beratung und Qualifizierung Ausschreibung Einsatzstellen sollten auf den Einsatz von Menschen mit psychi- Engagement von Menschen mit psychischen Beeinträchtigun- schen Erkrankungen vorbereitet werden, um Unsicherheiten und gen – Herausforderung und Gewinn Berührungsängste abzubauen. Viele gemeinwohlorientierte Organisationen, Vereine und In- Die Vorbereitung kann entweder in Form von Qualifizierungsan- itiativen wünschen sich für verschiedene Aufgabenbereiche geboten oder persönlichen Beratungen erfolgen. Dabei sollten Unterstützung durch freiwillige Helfer/innen. Menschen mit grundlegende Kenntnisse über bestimmte Krankheitsbilder und psychischen Beeinträchtigungen sind dabei bislang eher als damit verbundene Verhaltensweisen sowie deren soziale Folgen Adressat/innen freiwilligen Engagements und nicht als po- vermittelt werden. Hier können gut die Kompetenzen der Partner tenzielle Freiwillige im Blick, denn haupt- und ehrenamtliche aus den Fach- und Beratungsstellen genutzt werden, die als Re- Mitarbeiter/innen fühlen sich häufig unsicher im Umgang ferent/innen bestimmte Inhalte übernehmen können. mit Menschen, die mit psychischen Einschränkungen leben. Vorurteile oder auch Unkenntnis über Formen psychischer Erkrankungen führen daher eher zur Ablehnung dieser Frei- Wichtig ist hier, die „Normalität“ psychischer Erkrankung willigen. und die Potenziale und Ressourcen von Menschen mit psy- chischen Beeinträchtigungen hervorzuheben. Einschrän- Für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen aller- kungen oder „Defizite“ sind eher im Sinne von „Grenzen dings kann ein ehrenamtliches Engagement eine Brücke zur haben“ zu begreifen. „Normalität“ bilden. Gleichzeitig bietet es die Möglichkeit, sich einzubringen und am gesellschaftlichen Leben teilzu- haben. Und auch wenn der Weg zum Engagement nicht ein- fach ist, können Freiwillige mit psychischen Einschränkungen trotzdem wertvolle und wichtige Unterstützungsfunktionen in Einrichtungen übernehmen. Für beide Seiten bedeutet ehrenamtliches Engagement so- wohl Herausforderung als auch Gewinn. Um eine Kooperation zwischen Einrichtung und Freiwilli- gen für beide Seiten gewinnbringend zu gestalten, müs- sen bestimmte Rahmenbedingungen gegeben sein. Mit der Qualifizierungsreihe sollen grundlegende Kenntnisse über psychische Erkrankungen und mögliche Besonderheiten im Umgang mit Betrof fenen vermittelt werden. Im Vordergrund stehen dabei nicht eventuelle Einschränkungen, sondern Möglichkeiten der Beteiligung und Potenziale der Freiwilligen – als Bereicherung der eigenen Arbeit und Angebote.
Engagement von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen 15 – so kann´s gehen! Modul 1 Psychisch krank – was heißt das eigentlich? Im Fortbildungsmodul werden einzelne Elemente und Phasen in Psychische Erkrankungen hindern Betrof fene häufig daran, ihr der Zusammenarbeit mit Freiwilligen vorgestellt und die damit Leben langfristig in geregelten Bahnen zu halten. Lange Zeiten verbundenen Anforderungen und Chancen für Organisationen der Arbeitslosigkeit oder inzwischen Erwerbsunfähigkeit füh- herausgearbeitet. ren zu sozialer Isolierung. Akute Krankheitsphasen können die Darüber hinaus werden insbesondere Möglichkeiten und Po- Bemühungen um „normale“ soziale Netzwerke und Aktivitäten tenziale der Beteiligung von Menschen mit psychischen Be- zunichtemachen. Hinzu kommt die große Unsicherheit hinsicht- einträchtigungen diskutiert und Einsatzmöglichkeiten für die lich der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen. Freiwilligen (weiter)entwickelt. Damit aus einer Zusammenarbeit mit Freiwilligen mit psy- chischen Beeinträchtigungen eine langfristige Kooperation werden kann, braucht es Verständnis, aber auch Wissen über Modul 4 Begleitung von Freiwilligen mögliche Entstehung, Verlauf und Erleben einer solchen Er- Grundsätzlich gilt in der Arbeit mit Freiwilligen, dass hauptamt- krankung. lich und ehrenamtlich Tätige auf Augenhöhe zusammenarbei- Das Fortbildungsmodul dient den Teilnehmenden als Einstieg in ten – in der Praxis ein oftmals unerfüllter Anspruch. Eine Zu- das Thema „Psychische Erkrankungen“. Es vermittelt grundle- sammenarbeit mit psychisch beeinträchtigten Freiwilligen lässt gende Kenntnisse zu den häufigsten Krankheitsbildern und gibt diesen Anspruch auf den ersten Blick in weite Ferne rücken. Hinweise zum Umgang mit Symptomen und Krisen und nimmt Hier gilt es umso mehr, nicht das „Anstrengende“, sondern das insbesondere Ressourcen in den Blick. „Gelingende“ im Blick zu behalten. Dazu bedarf es Know How in der Anleitung, um auch in schwierigen Situationen (z.B. bei Konflikten zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen) sicher han- Modul 2 Engagement macht Sinn deln oder ggf. fachliche Unterstützung einholen zu können. Freiwilliges Engagement steigert das Selbstwertgefühl, bringt Das Fortbildungsmodul vermittelt Kenntnisse zu helfender Struktur und Stabilität in den Tagesablauf und bietet die Möglich- Gesprächsführung und zum Umgang mit schwierigen Alltags- keit, eigene Interessen und Fähigkeiten (wieder) zu entdecken. situationen. Darüber hinaus gibt es einen Überblick über be- Das Gelingende in den Blick nehmen – die sog. Ressourcen- stehende Versorgungsstrukturen zur Unterstützung psychisch orientierung – ist eine wichtige Grundlage für ein erfolgreiches kranker Menschen in Magdeburg. Engagement von Menschen mit psychischen Beeinträchtigun- gen. Welche Rahmenbedingungen müssen vorliegen, damit das Engagement für beide Seiten gewinnbringend ist? Warum en- Modul 5 Erfahrungsberichte und Reflexion gagieren sich Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen Das abschließende Fortbildungsmodul dient der Reflexion der und welche Voraussetzungen müssen sie mitbringen? Welche Arbeit in den Einrichtungen, Organisationen und Vereinen, die Kenntnisse über psychische Erkrankungen benötigen Mitar- bereits über Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Freiwilli- beiter/innen vor Ort? gen, die psychisch beeinträchtigt sind, verfügen. Einsatzstellen Diese und andere Fragen rund um das Engagement von Men- und Freiwillige berichten aus dem Alltag und diskutieren Hin- schen mit psychischen Erkrankungen stehen im Mittelpunkt dernisse und Gelingensfaktoren für ein Engagement von Men- des zweiten Fortbildungsmoduls. schen mit psychischen Beeinträchtigungen. Gemeinsam sollen mögliche neue Einsatzfelder entwickelt werden, die eine Betei- ligung in besonderer Weise ermöglichen. Modul 3 Freiwilligenkoordination in Organisationen Einrichtungen, die bisher nicht mit Freiwilligen mit psychischen Gemeinwohlorientierte Einrichtungen, Vereine und Organisati- Beeinträchtigungen zusammenarbeiten, sind herzlich zum Dia- onen suchen für viele Bereiche Unterstützung durch freiwillige log eingeladen. Helfer/innen. Damit Freiwillige gern kommen und langfristig eingebunden werden können, braucht es ein gutes Freiwilligen- management in den Einsatzstellen.
16 Ein Leitfaden für die Praxis Beratung und Begleitung der Freiwilligen Terminvereinbarung und Beratung Zum ersten Kontakt mit den Interessierten kommt es in der Regel zumindest einmal den Weg allein in die Beratung zu schaffen. bei der Terminvereinbarung bzw. im persönlichen Beratungsge- Darüber hinaus gibt es den Interessierten Zeit, sich klar zu wer- spräch. Wichtig für die Beratung ist eine einladende und gleich- den, ob ein Engagement tatsächlich das Richtige für sie ist und zeitig geschützte Atmosphäre, die ein möglichst offenes Ge- welche zu er wartenden Veränderungen es mit sich bringt. Der spräch erlaubt und ggf. bestehende Unsicherheiten und Ängste beratenden Person gibt es die Möglichkeit in Frage kommende berücksichtigt. Sofern es die räumlichen Möglichkeiten zulassen, Tätigkeitsfelder zu überlegen. sollte die Beratung in einem separaten Raum stattfinden. Das ermöglicht eine ruhige und störungsfreie Gesprächssituation. Im ersten Beratungsgespräch geht es darum, gemeinsam mit den Interessierten herauszufinden, welche Er wartungen sie Hinweis: Interessierte Freiwillige können die Öf fnungszeiten selbst an ein Engagement haben, welches Tätigkeitsfeld passen der Freiwilligenagentur ohne Voranmeldung für eine erste Enga- könnte und welche Rahmenbedingungen in der Einsatzstelle ge- gementberatung nutzen. Im Projekt STERNTAUCHER allerdings geben sein müssten. Hier gilt es häufiger auch Fähigkeiten und hat es sich bewährt, feste Termine für die Erstberatung mit den Ressourcen, die – verbunden mit langen Krankheitsphasen, Er- Interessierten zu vereinbaren. Ein fester Termin stellt eine erste werbslosigkeit und sozialem Rückzug – oftmals verschüttet sind, Verbindlichkeit her, deren Einhaltung eine wichtige Vorausset- aufzuspüren. Das gelingt manchmal auch erst in einem zweiten zung für das spätere Engagement ist. oder dritten Gespräch. Grundsätzlich sollten in der Beratung die Ressourcen und Fä- higkeiten der potenziellen Freiwilligen im Vordergrund stehen. Menschen mit einer Depression z.B. leiden oftmals an Dabei kann durchaus auch die Erkrankung selbst die Ressource Schlafstörungen, die dazu führen, dass ein Engagement in sein, durch die die Interessierten ein hohes Maß an Lebenser- den frühen Morgenstunden in der Regel nicht möglich ist. fahrung haben, die ins Engagement eingebracht werden kann. Gleiches gilt für Betrof fene, deren Behandlung mit Medi- kamenten unterstützt wird, die schläfrig machen. Hier hilft Dennoch spielen das Krankheitsbild und der derzeitige gesund- es im Gespräch herauszufinden, welche Auswirkungen heitliche Zustand eine Rolle. die Erkrankung auf den Tagesablauf hat. Ein anderes Bei- spiel sind Menschen mit Burnout-Syndrom. Wird hier an Häufige Begleiterscheinungen von psychischen Erkrankungen die hohe Leistungsbereitschaft der Person angeknüpft, sind Phasen von Antriebslosigkeit und Stimmungswechseln. führ t dies zwangsläufig wieder zu Über forderung und Er- Deshalb ist eine Beratung mit mindestens zwei Gesprächen zu schöpfung. unterschiedlichen Terminen (immer mit Terminvereinbarung vor- ab) empfehlenswert. Für die Aufnahme einer freiwilligen Tätigkeit ist es wichtig, dass der/die Interessierte genügend Motivation und Kraft mitbringt, sich zweimal auf den Weg zu machen und
Engagement von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen 17 – so kann´s gehen! Die Erfahrung hat gezeigt, dass es hilfreich ist, Fragen nach der Ein wichtiges Thema in der Beratung (und Begleitung) sind auch Erkrankung und evtl. Auswirkungen auf den Alltag offen zu stel- die eigenen Grenzen, die nicht nur in den zeitlichen Ressourcen len und diese nicht zu tabuisieren. In der Regel beschreiben die liegen können. Berater/innen und Anleiter/innen in den Einrich- Betroffenen dann auch ganz offen ihre Situation, Wünsche und tungen haben in der Regel keine therapeutische/psychiatrische Fähigkeiten und formulieren ggf. notwendige Unterstützungsbe- Ausbildung. Hier ist die schon er wähnte Kooperation mit entspre- darfe. Sie selbst sind die Expert/innen für ihre Erkrankung und chenden Fachstellen, die an dieser Stelle unterstützen können, sollten auch so wahr- und ernstgenommen werden. Der offene wichtig. Grenzen – ob struktureller oder persönlicher Natur – Umgang mit der Erkrankung sowie eine wertschätzende und re- sollten in jedem Fall offen kommuniziert werden. spektvolle Neugier in Bezug auf das Krankheitsbild stellen ein Stück weit Normalität her und tragen damit auch zur Entstigma- tisierung bei. Häufiger kommen Interessier te zum ersten Gespräch in Begleitung einer Bezugsperson (z.B. Betreuer/in, Angehö- Einen beispielhaften Leitfaden für ein Beratungsgespräch finden rige, Therapeut/in). Das gibt ihnen die zu diesem Zeitpunkt Sie in den Materialien im Anhang. noch notwendige Unterstützung bei der ersten Begeg- nung. Zum zweiten Gespräch sollte der/die Interessier te Folgende ergänzende Fragen können für die Beratung hilfreich allerdings allein kommen. sein: In diesem Zusammenhang spielt auch die Freiwilligkeit der Wie heißt Ihre psychische Erkrankung? Betrof fenen eine große Rolle. Sie selbst müssen motivier t Wie lange haben Sie sie schon? sein ein Engagement aufzunehmen. Wie wirkt sich die Erkrankung auf Ihren Alltag, auf Ihren Tagesablauf aus? Wie würden Sie Ihren derzeitigen Gesundheitszustand beschreiben? Haben Sie gerade eine gute oder eine eher schlechte Phase? Bemerken Sie, wenn es Ihnen wieder schlechter geht? Kön- nen Sie dann noch etwas unternehmen? Haben Sie Strate- gien, damit es nicht schlimmer wird? Haben Sie Wünsche in Bezug auf die Gegebenheiten in der Einsatzstelle?
18 Ein Leitfaden für die Praxis Zum besseren Verständnis Besonderheiten psychischer Erkrankungen Im Folgenden finden Sie einen kurzen Überblick über die häu- Depression figsten psychischen Erkrankungen, die uns im Beratungsalltag begegnen sowie einige Hinweise für die Beratung und Beglei- Die Depression ist eine der häufigsten und auch bekanntesten tung. psychischen Erkrankungen. Insgesamt leiden in Deutschland derzeit ca. vier Millionen Menschen an einer behandlungsbe- Dieser Überblick dient lediglich als erste kurze Information zu dürftigen Depression. Eine Depression ist nicht nur eine vorü- verschiedenen psychischen Erkrankungen und kann im Zusam- bergehende Phase von Bedrücktheit oder Trauer, wie sie jeder menhang mit den Hinweisen zu einem ersten besseren Verständ- Mensch im Laufe seines Lebens schon einmal durchlebt hat. nis beitragen. Mehr kann und soll damit nicht geleistet werden. Eine Depression ist eine tiefgreifende Störung der Stimmung und Ausführlichere Informationen und Wissen können in Weiterbil- des Gemütes und damit eine ernst zu nehmende Erkrankung. dungen und/oder entsprechender Fachliteratur er worben wer- den. Zu den typischen Symptomen gehören: Freudlosigkeit, innere Leere („Gefühl der Gefühllosigkeit“), Eine ausführliche Klassifikation psychischer Erkrankungen er- Interesselosigkeit, Ängstlichkeit folgt durch die WHO (Weltgesundheitsorganisation) nach der Antriebslosigkeit, Handlungsunfähigkeit ICD-10 Notation und ist in den Klassen F(00-99) zu finden. Konzentrationsstörungen, innere Unruhe, Grübeln, Gedan- kenkreisen um Angst, Versagen, Perspektivlosigkeit, Schuld Körperliche Symptome: Schlafstörungen, Schwindel, Kopf-, Rücken-, Brust- oder Magenbeschwerden Das größte Problem der Depression ist die Gefahr der Selbst- tötung. Mehr als 10 % der schwer an Depressionen erkrankten Menschen begehen Suizid. Hinweis: Wichtig ist es, den Zustand der Betroffenen nicht herun- ter zu spielen und gut gemeinte Ratschläge zu vermeiden. Aus- sagen wie: „Das wird schon wieder, alles nicht so schlimm“ oder „Denk doch mal an deine Familie, die machen sich Sorgen“ oder „Heute scheint doch die Sonne so schön“ verstärken die Schuld- gefühle, u.a. weil er/sie das „Schöne“ nicht teilen oder kein Mitge- fühl für andere entwickeln kann. In einer akuten Phase macht es keinen Sinn zu Ablenkung und Zerstreuung zu raten. Besondere Beachtung gilt der Suizidgefahr. >> Aufgrund der Symptome ist ein Engagement häufig eher am Nachmittag und in einem geschützten Rahmen möglich.
Engagement von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen 19 – so kann´s gehen! Angststörung Bipolare Störung (Manisch-Depressive Erkrankung) Ängste sind ein natürlicher Schutzmechanismus des menschli- Die bipolaren Störungen zählen wie die Depression zu den affek- chen Körpers. Doch Angst kann auch krank machen – nämlich tiven Störungen. Das heißt, dass hier auch das Gefühlsleben der dann, wenn Menschen in Situationen, die eigentlich nicht gefähr- Betroffenen „auf den Kopf gestellt“ ist. Bipolar erkrankte Men- lich sind, übertriebene Ängste entwickeln. Es gibt verschiedene schen erleben sowohl depressive Phasen, als auch manische Arten von Angststörungen, wie die generalisierte Angststörung, Phasen, die sich in Größenwahn („ich kann alles schaffen“), die Panikstörung oder spezifische Phobien. einem intensiven Hochgefühl und risikofreudigem Verhalten äu- ßern können. Dabei erleben die Betroffenen eine ganze Bandbreite von kör- perlichen Reaktionen (Mundtrockenheit, Schweißausbruch, Typische Symptome einer Manie: Herzrasen, Schwindel usw.), die entweder generalisiert, also un- Aktivitätssteigerung und vermindertes Schlafbedürfnis abhängig von bestimmten Situationen in einem relativ beliebigen Gedankenrasen und Rededrang Zusammenhang auftreten oder an einen bestimmten Auslöser Übersteigertes Selbstwertgefühl oder „Größenwahn“ gekoppelt sind. Beispiele für Phobien sind die Agoraphobie, die Eingeschränktes Urteilsvermögen sich in einer Angst vor großen Plätzen oder Menschenansamm- lungen äußert oder soziale Phobien, die sich in Ängsten im Um- Betroffene durchleben einen kräftezehrenden Krankheitsver- gang mit anderen Menschen zeigen. lauf, der zwischen emotionalen Extremzuständen und symptom- freien Phasen schwankt und damit ihren Alltag sehr beeinträch- Um Orte und Situationen, die Angst auslösen, zu vermeiden, tigt. Bis zu 5 % der Bevölkerung erkranken im Laufe ihres Lebens ziehen sich Betroffene oftmals aus dem Alltag zurück. Soziale an einer bipolaren Störung. Isolation ist die Folge. Angststörungen sind noch vor Depressionen die häufigsten psy- chischen Erkrankungen. Hinweis: Im Zusammenhang mit bestehenden Ängsten ist es wichtig herauszufinden, welche konkreten Situationen und Um- stände diese ggf. auslösen, um sie bei der Suche nach einem geeigneten Tätigkeitsfeld und einer Einrichtung berücksichtigen zu können. Das können z.B. Ängste vor größeren Menschengrup- pen, vor Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, o.ä. sein.
20 Quellen und weiterführende Informationen: Ein Leitfaden für die Praxis Hammer, Matthias / Plößl, Irmgard: Irre verständlich. Menschen mit psychischer Erkrankung wirksam unterstützen. 1. Aufl. Bonn: Psychiatrie Verlag, 2012 Trost, Alexander / Schwarzer, Wolfgang (Hrsg.): Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie für psycho-soziale und pädagogische Berufe. 4., durchges. Aufl. Dortmund: Verlag Modernes Lernen, 2009 Wittchen, Hans-Ulrich / Hoyer, Jürgen (Hrsg.): Klinische Psychologie & Psychotherapie. 2., vollst. überarb. und aktual. Aufl. Berlin: Springer Verlag, 2011 www.psychiatriegespraech.de Borderline die meist in Phasen verläuft. Akute Phasen wechseln sich ab mit weitgehend symptomfreien Zeiten. Eine Schizophrenie ist Die Borderline-Störung zählt zu den emotional-instabilen Per- durch sog. Plus- und Minus-Symptome (auch Positiv- und Nega- sönlichkeitsstörungen. Charakteristisch für Borderline-Betrof- tivsymptome) geprägt. Plus-Symptome sind Symptome, die das fene sind intensive, aber instabile Beziehungen, eine hohe Im- Erleben der Betroffenen ergänzen und übersteigern, das heißt, pulsivität, starke Stimmungsschwankungen (unkontrollierbare im „normalen Erleben“ eines Menschen nicht vorkommen (u.a. Gefühlsstürme) und ein gestörtes Selbstbild. Die außergewöhn- Stimmen hören, Verfolgungswahn, Halluzinationen). liche Instabilität und regelmäßige emotionale Krisen hindern die Betroffenen häufig an einer tragfähigen Lebensgestaltung, was Minus-Symptome sind Einschränkungen im Erleben, wie Unfä- einen großen Leidensdruck für sie nach sich zieht. Insbesondere higkeit Freude zu empfinden und innere Leere, Kontaktmangel, junge Menschen sind immer häufiger von der Borderline-Störung Apathie, verminderte Aufmerksamkeit oder eine Verlangsa- betroffen und scheitern damit an einer realistischen Lebens- mung der Denkprozesse. Sie sind auf den ersten Blick nicht so planung (wie Gestaltung einer stabilen Partnerschaft und schu- offensichtlich, beeinträchtigen die Betroffenen jedoch schwer in lischer sowie beruflicher Perspektiven). ihrem Alltag. Sie verunsichern so sehr, dass sie schließlich zu Rückzug, Vereinsamung und Isolation der Erkrankten führen. Meist wird die Borderline-Störung noch von weiteren Be- lastungen, wie z.B. selbstverletzendes Verhalten, begleitet. Das Am häufigsten beginnt die Krankheit zwischen dem 18. und 35. Risiko an einer Borderline-Störung zu erkranken, wird auf ca. 2 Lebensjahr. Bis es zum ersten Ausbruch der Krankheit kommt, bis 5 % geschätzt. kann sich das Vorstadium lange Jahre unerkannt hinziehen. Bei etwa einem Drittel der Betroffenen verläuft die Erkrankung chro- Hinweis: Instabilität und ein extremer Wechsel von Nähe und Di- nisch (dauerhaft). Das Risiko an einer Schizophrenie zu erkran- stanz spielen eine große Rolle bei den Betroffenen. Deshalb ist ken, liegt über die gesamte Lebensspanne bei ca. 1 %. es wichtig, ein transparentes und gut strukturiertes Tätigkeits- feld zu finden und ganz klare Absprachen zu treffen. Hinweis: Eine Schizophrenie ist in der Regel gut medikamentös behandelbar. Allerdings haben auch die Medikamente wieder Nebenwirkungen und damit Einfluss auf die Gestaltung des Ta- gesablaufs. Zu starke Emotionen, mit denen die Betroffenen in der Regel nicht umgehen können, eine unklare oder auch widersprüchliche Kommunikation und Reizüberflutungen können einen Rückfall Schizophrenie fördern. In der Begleitung ist ein klares und eindeutiges Verhal- ten wichtig. Die Schizophrenie gehört zur Gruppe der Psychosen, welche Aufgrund von Schwierigkeiten in der Konzentration und im Den- erheblichen Einfluss auf das Denken und Fühlen sowie die Wahr- ken sollten ggf. jeweils mehrere kurze (Beratungs-)Gespräche nehmung und das Erleben der Betroffenen haben. „Stimmen geführt und klare Fragestellungen und kurze Sätze formuliert hören“ ist z.B. ein typisches Symptom für diese Erkrankung, werden.
Engagement von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen 21 – so kann´s gehen! Erstgespräch und Begleitung Austausch und Reflexion Bevor nach der Beratung ein Kontakt zur ausgewählten Einrich- Die Freiwilligen sollten – wie alle Freiwilligen – Möglichkeiten zum tung hergestellt wird, sollten mit den Interessierten auf jeden regelmäßigen Austausch erhalten. Das kann entweder in der Ein- Fall Absprachen zum Umgang mit der Erkrankung gegenüber richtung (wenn dort noch andere Ehrenamtlich aktiv sind) oder der Einsatzstelle getroffen werden. Es ist durchaus ratsam, über die Freiwilligenagentur passieren. offen(siv) mit der Erkrankung umzugehen – das beugt späteren Spekulationen und Irritationen vor und nimmt den Mitarbeiter/ Hinweis: Neben dem Austausch von Erfahrungen im Engage- innen der Einrichtung gleichzeitig evtl. bestehende Unsicher- ment spielte bei den Freiwilligen im Projekt STERNTAUCHER heiten. Auch das stellt wiederum Normalität her und trägt zur immer auch der Austausch zum Leben mit der psychischen Entstigmatisierung bei. Beeinträchtigung, zur Über windung von Krisen sowie zum Um- gang mit Hindernissen und Vorurteilen im Alltag eine wichtige Hinweis: Die meisten potenziellen Freiwilligen im Sterntaucher- Rolle. Vor diesem Hintergrund war es durchaus sinnvoll spezi- Projekt hatten entweder den ausdrücklichen Wunsch, die Ein- elle STERNTAUCHER-Austauschrunden anzubieten. richtung über die psychische Beeinträchtigung zu informieren Dennoch war und ist es genauso wichtig, die Freiwilligen in die- oder wollten zumindest of fen damit umgehen. Es gab aber auch selben Austauschangebote wie alle anderen einzubinden. Interessierte, die auf keinen Fall wollten, dass die Einrichtung davon erfährt. Die Entscheidung dafür oder dagegen trif ft der/ die Engagementsuchende selbst. Um Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung auf dem „Frau Schulze fragt immer, was los ist, wie es geht Weg ins Engagement zu unterstützen, ist es hilfreich, ihnen eine und so weiter. Wenn ich irgendwie ein Problem hat- Begleitung zum ersten Gespräch in der Einrichtung anzubieten. te, dann bin ich zu ihr gegangen. Es gab schon Pro- Aufgrund von verstärkten Unsicherheiten im Umgang mit neuen bleme mit den Mitarbeitern hier. Jetzt hat sich das unbekannten Situationen nehmen das viele der Interessierten aber eingespielt.“ gern in Anspruch. „Was ich ganz besonders toll fand, dass ich kommen Nach der Vermittlung in eine Einsatzstelle sollte zumindest noch konnte, wenn es mir nicht gut ging oder im Engage- einmal telefonisch Kontakt aufgenommen werden, um sich zu er- ment nicht so lief, wie es laufen sollte. Ich wusste, da kundigen, ob der/die Freiwillige mit der Einrichtung zufrieden ist. ist jemand und ich bin nicht allein.“ Hinweis: Im Projekt STERNTAUCHER wird der Kontakt zu den Freiwilligen auch während des Engagements kontinuierlich gehalten, auch um bei ggf. auftretenden Problemen schneller reagieren zu können. Hier geht es insbesondere auch um Moti- vation und „Mutmachen“ zur Über windung von Hindernissen im Engagement.
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