Evolution der Mobilität gestalten Impulse des ADAC für 2017-2021

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Evolution der Mobilität gestalten Impulse des ADAC für 2017-2021
Evolution der Mobilität gestalten
Impulse des ADAC für 2017–2021
Evolution der Mobilität gestalten Impulse des ADAC für 2017-2021
Inhalt & Impressum

Inhalt

                       Vorwort ____________________________________________________________________________________ 3
                       Wofür wir uns einsetzen ______________________________________________________________________ 4
                       I.     Neue Mobilität fördern __________________________________________________________________ 8
                       II.    Chancen der Digitalisierung nutzen ______________________________________________________ 11
                       III.   Umwelt- und Gesundheitsschutz erhöhen _________________________________________________ 13
                       IV.    Verkehrsinfrastruktur effizient bereitstellen _______________________________________________ 17
                       V.     Mobilität im ländlichen Raum für alle gestalten ___________________________________________ 20
                       VI.    Tourismus in Deutschland ausbauen _____________________________________________________ 22
                       VII.   Rechte mobiler Verbraucher stärken _____________________________________________________ 24
                       VIII. Verkehrssicherheit weiter verbessern ____________________________________________________ 26

                       Impressum

                       Herausgeber:
                       Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V.
                       Hansastraße 19, 80686 München
                       Internet: www.adac.de/impulse2017-2021

                       Vertrieb:
                       Diese Broschüre kann mit Angabe der Artikelnummer 2830651
                       direkt beim ADAC e.V., Ressort Verkehr, Hansastraße 19, 80686 München,
                       E-Mail: verkehr.team@adac.de, bezogen werden.

                       Bildnachweis:
                       Titel und S.4: Shutterstock/Hilch; Rest: Fotolia

                       Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe, auch auszugsweise,
                       nur mit Genehmigung des ADAC e.V.

                       © 2017 ADAC e.V. München

2      Evolution der Mobilität gestalten: Impulse des ADAC für 2017–2021
Evolution der Mobilität gestalten Impulse des ADAC für 2017-2021
Vorwort

Vorwort

Evolution der Mobilität gestalten – verlässlich, sicher, bezahlbar, nachhaltig

Mobilität ist für soziale und wirtschaftliche Teilhabe unverzichtbar. Menschen wollen und
müssen mobil sein, egal in welchem Alter, an allen Orten und zu jeder Zeit. Persönliche
Mobilität entsteht, wenn Wohnen, Arbeiten, Bildung, Versorgung und Freizeit räumlich
voneinander getrennt sind. Wichtigstes Verkehrsmittel für die persönliche Mobilität bleibt
das Auto. Aber die Mobilität ist im Wandel, getrieben durch veränderte individuelle Mobili-
tätsbedürfnisse der Menschen ebenso wie durch Herausforderungen wie die Digitalisierung
oder die Dekarbonisierung. Der ADAC engagiert sich für den Erhalt der persönlichen, nach-
haltigen Mobilität in allen Formen, mit allen Verkehrsträgern, motorisiert wie nicht motori-
siert, individuell genauso wie mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Nachhaltige Mobilität muss sicher, bedürfnisgerecht, bezahlbar und umweltfreundlich sein.
Ziel ist ein intelligent verknüpftes Miteinander aller Mobilitätsangebote: ein leistungsstar-
ker öffentlicher Personennahverkehr und attraktive Bedingungen für Fuß- und Radverkehr
ebenso wie für den motorisierten Individualverkehr.

Heute den Rahmen setzen für die Mobilität von morgen

In der kommenden 19. Legislaturperiode muss die Verkehrspolitik Antworten auf die gro-
ßen Herausforderungen geben:

•   die Digitalisierung der Mobilität
•   die Luftreinhaltung und den Klimaschutz
•   den demografischen Wandel und seine Folgen gerade für den ländlichen Raum
•   das anhaltende Wachstum in den Ballungsräumen
•   die Finanzierung sowie den Ausbau des öffentlichen Verkehrs
•   den zielgerichteten Ausbau und den Erhalt der Infrastruktur für Güter- und Personenverkehr
•   die Verkehrssicherheit und Unfallprävention

Der 19. Deutsche Bundestag muss dafür die geeigneten Rahmenbedingungen setzen. Aus
Verbraucher- und Nutzersicht kommt es auf vorhersehbare und planungssichere Regelun-
gen und Maßnahmen an. Der ADAC will wichtige Impulse dafür setzen. Deutschland braucht
ein Zielbild und einen Plan für die individualisierte und digitalisierte Welt der Mobilität des
21. Jahrhunderts.

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Evolution der Mobilität gestalten Impulse des ADAC für 2017-2021
Wofür wir uns einsetzen

Wofür wir uns einsetzen

                          I. Neue Mobilität fördern                                 Radverkehr fördern
                                                                                    K Radwege und Radfahrstreifen dem wachsen-
                          Intermodale Personenverkehre neu denken, neue                den Bedarf anpassen und sicher ausbauen
                          Mobilitätsangebote ermöglichen                            K Radschnellwege fördern
                          K Verknüpfung zwischen motorisiertem Indivi-             K Prüfen, wo „Fahrradstraßen“ eine sinnvolle
                             dualverkehr (MIV) und öffentlichem Verkehr                Führungsform des Radverkehrs sein können
                             (ÖV) ausbauen                                          K Radwegebenutzungspflicht aus Sicherheits-
                          K Attraktivität des ÖV erhöhen                              gründen beibehalten
                          K Bezahl- und Tarifsysteme modernisieren und             K Sicherheit der Fußgänger gewährleisten
                             vereinfachen
                          K Finanzierung des ÖV stärken                            Wohnen und Mobilität verbinden – Verkehrs- und
                          K Personenbeförderungsrecht modernisieren                Siedlungsplanung besser verzahnen
                             und Verbraucherschutz wahren                           K Öffentliches Verkehrsangebot der Nachver-
                                                                                       dichtung in Großstädten anpassen
                          Carsharing weiter in die tägliche Mobilität integrieren   K (Nah-)Verkehrskonzepte stärker in Stadtpla-
                          K Carsharinggesetz evaluieren, insbesondere                 nung integrieren
                             seine Wirkungen hinsichtlich öffentlichem
                             Personennahverkehr (ÖPNV) und                          II. Chancen der Digitalisierung nutzen
                             Parkraumsituation für alle
                          K Potenziale des privaten Carsharing durch               Automatisiertes und vernetztes Fahren nutzer-
                             Anpassung des Rechtsrahmens heben                      freundlich und rechtssicher fortentwickeln
                          K Private Carsharing-Projekte sichtbar machen            K Rechtsrahmen für hoch-/vollautomatisierte
                                                                                       Fahrfunktionen ausfüllen

4      Evolution der Mobilität gestalten: Impulse des ADAC für 2017–2021
Evolution der Mobilität gestalten Impulse des ADAC für 2017-2021
Wofür wir uns einsetzen

K Sichere,  nutzerfreundliche und intuitive      K Typgenehmigung   und Marktüberwachung
   Auslegung automatisierter Fahrfunktionen          strikt trennen
   ermöglichen                                    K Manipulationsschutz als Grundlage für die
K Einheitlichen Rechtsrahmen für fahrerlose         Typgenehmigung implementieren
   Fahrzeuge entwickeln                           K Wirksame, verhältnismäßige und abschre-
                                                     ckende Sanktionen einführen
Hohes Datenschutzniveau in der Informations­      K Abgasuntersuchung modernisieren,
gesellschaft sicherstellen                           Endrohrkontrollen nur bei manipulations­
K Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers            verdächtigen Fahrzeugen wieder einführen
   über Erhebung, Verarbeitung, Übertragung       K Möglichkeiten zur Nachrüstung von Be-
   und Verwendung personenbezogener Daten            standsfahrzeugen prüfen
   sicherstellen
K Datenschutzprinzipien in Big-Data-Konzep-      Umfassende Maßnahmenpakete in belasteten
   tionen einbeziehen – Privacy-by-Design-        Innenstädten über das Auto hinaus umsetzen
   Ansatz verfolgen, Pseudonymisierungs-          K „Grüne Wellen“ und adaptive Verkehrs­
   und/oder Anonymisierungsverfahren                 steuerung einsetzen
   implementieren                                 K Alternative Verkehrsmittel ausbauen und
                                                     ertüchtigen
Datensicherheit stärken – Verantwortung der       K Flotten und Fahrzeuge mit hoher inner­
Hersteller gewährleisten                             städtischer Fahrleistung auf alternative
                                                     Antriebe umrüsten
Transparenz sicherstellen – „Auto-Daten-Listen“   K Lokale Emissionsquellen abseits des
öffentlich zugänglich machen                         Verkehrs berücksichtigen

Wahlfreiheit des Verbrauchers und fairen Wett-    CO2-Grenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge
bewerb sichern – Zugang zu Daten im Fahrzeug      ambitioniert fortschreiben
regeln
                                                  Reduktion von CO2-Emissionen auch im Güter-
Verkehrs- und Reiseinformationen grenzenlos       verkehr angehen
verfügbar machen
K Bereitstellung öffentlicher Daten im Sinne     Erneuerbare Energien für den Verkehrssektor
   von Open Data verbessern                       nutzen – Beitrag zur Energiewende im Interesse
K Fahrplaninformationen und Vertriebsplatt-      der Verbraucher planungssicher und kosten-
   form für den gesamten ÖV flächendeckend        bewusst umsetzen
   zur Verfügung stellen
                                                  Antriebsalternativen technologieneutral unter-
III. Umwelt- und Gesundheitsschutz                stützen
erhöhen                                           K Alle Formen alternativer Antriebe politisch
                                                     weiterverfolgen
Luftqualität verbessern – generelle Mobilitäts-   K Elektromobilität nutzerfreundlicher machen –
beschränkungen vermeiden                             „Tanken“/Laden zu transparenten und
                                                     marktüblichen Preisen ermöglichen, Instal-
Fahrzeugemissionen konsequent senken –               lation privater Ladepunkte für E-Fahrzeuge
strenge Grenzwerte, wirksame Kontrollsysteme         in Neu- und Umbauten erleichtern, Weiter-
und mehr Transparenz durchsetzen                     entwicklung der Batterietechnologie fördern
K Gesetzliche Grundlagen für wirksame Abgas-     K Erdgas weiter unterstützen – Biomethan-
   minderungstechniken am Fahrzeug schaffen          Anteil ausbauen, Preisauszeichnung ver-
K Marktüberwachung mittels Prüfstandtests           braucherfreundlich gestalten
   und Straßenmessungen verstärken

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Evolution der Mobilität gestalten Impulse des ADAC für 2017-2021
Wofür wir uns einsetzen

                          IV. Verkehrsinfrastruktur effizient                  K 5G-Standard   in der Mobilität mittelfristig
                          bereitstellen                                           zur Normalität werden lassen
                                                                               K Erkenntnisse aus dem „Testfeld A9“
                          Investitionen in die Bundesverkehrswege auf             schnellst möglich in die Fläche bringen
                          hohem Niveau verstetigen                             K Leit- und Sicherungstechnik ETCS/ERTMS
                                                                                  auf Korridoren im Schienennetz einsetzen
                          Infrastrukturgesellschaft nutzergerecht etablieren
                          K Ausschluss von Möglichkeiten der Privati-         Verantwortung für kommunale Infrastruktur
                             sierung fest verankern                            wahrnehmen – Kooperationsverbot im Verkehrs-
                          K Entscheidungskompetenz der Politik si-            bereich überprüfen
                             cherstellen                                       K Kommunale Verkehrsinfrastruktur dauer-
                          K Übertragung von Staatsschulden auf die               haft finanziell absichern
                             Gesellschaft und unbeschränkte Kreditfä-          K GVFG-Bundesprogramm am Bedarf orien-
                             higkeit verhindern                                   tieren und dynamisieren
                          K Verbleibende Auftragsverwaltung für die           K PBefG weiter für Wettbewerb und beste
                             übrigen Bundesstraßen optimieren                     Angebote für Verbraucher offenhalten

                          Zuverlässigkeit und Qualität bei allen Verkehrs­     Straßenverkehr nicht durch neue Gebühren­
                          trägern stärken – Verkehrsinfrastruktur umfassend    systeme weiter verteuern
                          sanieren und modernisieren                           K Mehrbelastung der Verbraucher durch Pkw-
                          K Erhaltung des Bestandsnetzes nach dem                Maut auch für die Zukunft ausschließen
                             Lebenszyklusprinzip sicherstellen                 K Negative Effekte des Verkehrs wirksam an
                          K Engpassbeseitigung und Knotenausbau                  der Quelle reduzieren, keine Mobilitätsver-
                             bei Straße und Schiene priorisieren                  teuerungen durch Anrechnung von Umwelt-
                          K An Bundesfernstraßen marode                          und Staukosten
                             Brücken zeitnah ersetzen
                          K Lkw-Stellplätze weiter ausbauen und               V. Mobilität im ländlichen Raum
                             bestehende Kapazitäten durch Telemati-            für alle gestalten
                             sches Lkw-Parken optimal nutzen
                          K Elektrifizierung der Schiene weiter voran-        Nutzergerechte ÖV-Versorgung im ländlichen Raum
                             treiben                                           K Grundversorgung garantieren
                          K Schienenlärmreduzierungsziele 2020                K Finanzierung des ÖV transparent, planbar
                             weiterverfolgen                                      und bedürfnisgerecht gestalten
                          K Mehr Güterverkehr auf die Schiene be-             K Barrierefreien Zugang sicherstellen
                             kommen
                                                                               Flexible Bedienformen und Personenbeförderungs-
                          Digitalisierung der Verkehrsinfrastruktur            recht nutzerorientiert weiterentwickeln
                          voranbringen                                         K Schaffung flexibler Mobilitätsalternativen
                          K Ausbau der Mobilfunknetze mit mindes-                im ländlichen Raum fördern
                             tens 50 Mbit/s entlang Verkehrswegen              K Abbau von Umsetzungshürden im
                             zügig umsetzen                                       Personenbeförderungsrecht prüfen

6      Evolution der Mobilität gestalten: Impulse des ADAC für 2017–2021
Wofür wir uns einsetzen

K Potenziale
            des Radverkehrs heben                   Gewährleistungsrecht modernisieren –
K Infrastruktur
               des ÖPNV besser auf das              Schutz beim Verbrauchsgüterverkauf verbessern
  Fahrrad ausrichten
                                                    Kein Herstellermonopol für Autoersatzteile –
VI. Tourismus in Deutschland                        Designschutz für sichtbare Autoteile lockern
ausbauen
                                                    Verbraucherschutz in der neuen, digitalen,
Wassertourismus sichern                             autonomen und vernetzten Mobilität auf hohem
K Wassertouristische Infrastruktur unter Ein-      Niveau sicherstellen
   schluss der Bundeswasserstraßen sichern
K Wassersport- und Tourismusverbände               VIII. Verkehrssicherheit weiter
   beim Bundesprogramm „Blaues Band“                verbessern
   weiter einbinden
K Wassertourismuskonzept konkretisieren            Mobilitätskompetenz durch lebenslanges Lernen
   und umsetzen                                     unterstützen
                                                    K Schulische Verkehrs- und Mobilitätserzie-
Barrierefreiheit im Reiseverkehr stärken               hung stärken
K Barrierefreiheit auch bei modernen Mobili-       K Fahranfängerausbildung reformieren
   tätsangeboten und touristischen Angebo-          K Diskriminierung von älteren Verkehrsteil-
   ten berücksichtigen                                 nehmern entgegenwirken
K Bundesweite Plattform von hochwertigen
   Angeboten schaffen                               Verkehrsrecht anpassen
                                                    K Ablenkung durch elektronische Geräte und
Qualität touristischer Mobilitätsangebote erhöhen      Kommunikationsmittel verbieten
                                                    K Promillegrenze für Fahrradfahrer – Ord-
Moderne Mobilitätskonzepte und touristische            nungswidrigkeit bei 1,1 ‰ festlegen
Angebote im ländlichen Raum verknüpfen              K Reform der MPU durchsetzen – Akzeptanz
                                                       stärken
VII. Rechte mobiler Verbraucher                     K Ausweitung der Halterhaftung entgegen­
stärken                                                wirken – die Unschuldsvermutung als
                                                       Grundprinzip beibehalten
Durchsetzung von Rechtsansprüchen der Ver-
braucher erleichtern – Musterfeststellungsklage     Gebaute Sicherheit erhöhen
einführen                                           K Grundsatz der „Einheit von Bau und
                                                       Betrieb“ im Sinne der selbsterklärenden
Verbraucherschutz im Automobilsektor                   Straße stärken
stärken – Verbraucherbeirat beim Kraftfahrt-        K Unfallauffällige Abschnitte gezielt untersu-
bundesamt schaffen                                     chen und entschärfen
                                                    K Neu- und Nachpflanzungen von Bäumen
Fluggastrechte mit Augenmaß novellieren –              und Sträuchern nur unter dem Aspekt der
Schutzniveau für Flugreisende nicht senken             Verkehrssicherheit zulassen

                                                        Evolution der Mobilität gestalten: Impulse des ADAC für 2017–2021      7
I. Neue Mobilität fördern

I. Neue Mobilität fördern

                            Die Mobilität ist im Wandel, getrieben durch veränderte, individuelle Mobilitätsbedürfnisse der Menschen
                            ebenso wie durch Entwicklungen wie die Digitalisierung oder die Dekarbonisierung. Die Zukunft gehört
                            integrierten Mobilitätskonzepten. Vernetzung und Kundenfreundlichkeit sind Kernerfordernisse künftiger
                            Mobilitätsmodelle. Menschen müssen emissionsfrei, automatisiert und in einer vernetzten Systemmobilität
                            aus öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV) und Individualverkehr unterwegs sein können. Für das Hier und
                            Jetzt bedeutet dies eine bessere Vernetzung der Verkehrsoptionen und die Stärkung der Vorteile der einzel-
                            nen Verkehrsmittel. Es bedarf eines leistungsstarken ÖVs, attraktiver Bedingungen für Fuß- und Radverkehr
                            und gleichermaßen für den MIV. Moderne Mobilitätsangebote können die Qualität sowohl städtischer Kerne
                            als auch ländlicher Räume sichern und verbessern. Deutschlands Ballungsräume erleben eine zunehmende
                            Verdichtung, dies führt zu erhöhtem Verkehrsaufkommen. Pendlerströme aus der Peripherie verstärken diese
                            Tendenz. Um den Stadtverkehr zu bewältigen und die Mobilität im ländlichen Raum zu sichern, brauchen wir
                            neue Lösungen.

8       Evolution der Mobilität gestalten: Impulse des ADAC für 2017–2021
I. Neue Mobilität fördern

Wofür wir uns einsetzen                         die Wahrung von Sicherheits- und Beförde-
                                                rungsstandards wie z. B. die Zuverlässigkeit
Intermodale Personenverkehre neu denken, neue   und Vertrauenswürdigkeit der Fahrer, die
Mobilitätsangebote ermöglichen                  Verkehrssicherheit der Fahrzeuge oder ein
K Verknüpfung zwischen motorisiertem Indivi-   verlässliches Beförderungsangebot rund um
   dualverkehr (MIV) und öffentlichem Verkehr   die Uhr an allen Tagen der Woche sein. Auch
   (ÖV) ausbauen                                die Verknüpfung mit dem Internet, z. B. via
K Attraktivität des ÖV erhöhen                 Apps für Smartphones, kann Anreize schaf-
K Bezahl- und Tarifsysteme modernisieren und   fen, ÖV, MIV, Fuß- und Radverkehr so sinnvoll
   vereinfachen                                 und nutzerfreundlich zu verknüpfen, dass
K Finanzierung des ÖV stärken                  Umwelt, Gesundheit und Portemonnaie der
In der Zukunft müssen intermodale Verkeh-       Verbraucher geschont werden.
re gestärkt werden. Ziel ist ein intelligent
verknüpftes Miteinander aller Mobilitätsan-     Carsharing weiter in die tägliche Mobilität integrieren
gebote: ein leistungsstarker ÖPNV und           K Carsharinggesetz evaluieren, insbesonde-
attraktive Bedingungen für Fuß- und Radver-        re seine Wirkungen hinsichtlich ÖPNV und
kehr ebenso wie für den MIV. Zusätzlich zu         Parkraumsituation für alle
den heutigen Nutzern wären viele Menschen       Die Nutzerzahlen beim Carsharing sind
bereit, regelmäßig auf den ÖPNV umzu-           kontinuierlich gestiegen. Anfang 2017 gab
steigen, wenn die Verbindungen schneller,       es 455.000 Fahrtberechtigte beim stations-
die Fahrpreise günstiger und die Tarifsys-      basierten Carsharing und 1,26 Mio. Fahrtbe-
teme leichter verständlich würden. Auch         rechtigte beim stationsunabhängigen Car-
Bequemlichkeit ist ein wesentlicher Faktor      sharing. Trotz dieser hohen Zahlen hat das
bei der Verkehrsmittelwahl. Eine optimierte     Carsharing bislang noch geringe verkehrliche
Verknüpfung des ÖPNV mit dem MIV z. B.          und ökologische Effekte. Zu den Gründen
in den Randbereichen der Ballungsräume          zählt, dass die meisten Nutzer Carsharing
kann zu einer verstärkten ÖPNV-Nutzung          selten nutzen und dass die Zahl der Carsha-
und damit zur verkehrlichen Entlastung der      ring-Fahrzeuge mit ca. 17.000 gegenüber
Innenstädte führen. Neben dem Angebot von       einem Pkw-Gesamtbestand von ca. 45 Mio.
z. B. Park&Ride-Parkplätzen gehört hierzu       noch gering ist. Wie stark Carsharing langfris-
auch umfassende Information via moderne         tig zur Reduzierung der Pkw-Fahrleistung und
Kommunikationsmittel. Zugleich sollten die      zur Verminderung des Parkdrucks beiträgt
ÖV-Träger dabei unterstützt werden, den ÖV      oder – gerade in Form des sogenannten Car-
umweltfreundlicher zu gestalten. Die Um-        sharing 2.0 – zu vermehrten Bequemlichkeits-
rüstung großer Flotten kann einen wesentli-     fahrten und damit zur Kannibalisierung des
chen Beitrag zur Reduktion von Stickoxiden,     ÖPNV führt, muss evaluiert werden. Im Fall
Feinstaub und CO2 leisten. Zur Umrüstung        solcher Negativauswirkungen sind Anpassun-
der Flotten können öffentliche Aufgabenträ-     gen im Gesetz erforderlich.
ger und Flotteneigentümer durch zielgenaue      K Potenziale des privaten Carsharing durch
Förderinstrumente unterstützt werden.              Anpassung des Rechtsrahmens heben
Darüber hinaus sollte sich der Bund wei-        K Private Carsharing-Projekte sichtbar machen
ter komplementär an der Finanzierung des        Auch für das private, sogenannte Peer-to-
ÖPNV beteiligen.                                Peer-Carsharing, bei dem ein Fahrzeug durch
K Personenbeförderungsrecht modernisieren      einen kleineren Kreis einander bekannter
   und Verbraucherschutz wahren                 Privatpersonen genutzt wird, sind klare
Um Angebote neuer Mobilitätsdienste zusätz-     Rahmenbedingungen erforderlich: Unter
lich zu bewährten Taxidiensten zu erleich-      anderem stellen sich Fragen bzgl. Haftung
tern, muss das Personenbeförderungsrecht        und Anforderungen an Qualität und Zustand
modernisiert werden. Prämisse hierbei muss      der Fahrzeuge. Der ADAC setzt sich für klare

                                                    Evolution der Mobilität gestalten: Impulse des ADAC für 2017–2021            9
I. Neue Mobilität fördern

                            Regelungen zur Zulässigkeit des Angebots         der Straße. Bei allen Überlegungen zugunsten
                            und dessen Abgrenzung zum gewerblichen           des umweltfreundlichen und gesundheits-
                            Carsharing bzw. zu klassischen Formen der        fördernden Radverkehrs dürfen die ebenso
                            Selbstfahrvermietung ein. Nur so können          wünschenswerten Fußverkehre nicht außer
                            interessierte Verkehrsteilnehmer abwägen,        Acht gelassen werden. Die Sicherheit und
                            ob privates Carsharing für sie wirtschaftliche   die Bequemlichkeit des Fußverkehrs sollten
                            oder ökologische Vorteile bringt.                von Anbeginn an in Planung und Umsetzung
                            Die vielen dezentralen, oft kommunalen Initia-   miteinbezogen werden.
                            tiven sollten unterstützt und durch verbesser-
                            te zentrale Informationsangebote für Nutzer      Wohnen und Mobilität verbinden – Verkehrs- und
                            gebündelt und sichtbarer gemacht werden.         Siedlungsplanung besser verzahnen
                                                                             K Öffentliches Verkehrsangebot der Nachver-
                            Radverkehr fördern                                  dichtung in Großstädten anpassen
                            K Radwege und Radfahrstreifen dem wachsen-      K (Nah-)Verkehrskonzepte stärker in Stadtpla-
                               den Bedarf anpassen und sicher ausbauen          nung integrieren
                            K Radschnellwege fördern                        In vielen Großstädten findet zurzeit eine Nach-
                            K Prüfen, wo „Fahrradstraßen“ eine sinnvolle    verdichtung und damit eine deutliche Erhöhung
                               Führungsform des Radverkehrs sein können      der Einwohnerzahl pro Quadratkilometer statt.
                            K Radwegebenutzungspflicht aus Sicherheits-     Dies erhöht auch den Druck auf die bestehen-
                               gründen beibehalten                           den Verkehrssysteme. Gleichzeitig verstärken
                            K Sicherheit der Fußgänger gewährleisten        sich Pendlerverkehre, weil viele Menschen in
                            Der Radverkehr ist in den letzten Jahren deut-   den Städten keinen bezahlbaren Wohnraum
                            lich gestiegen und leistet einen wachsenden      mehr finden. Eine „Stadt der kurzen Wege“
                            Beitrag für eine gesunde, umweltfreundliche      mit einer starken Wohnraumverdichtung und
                            Mobilität. Vielerorts erwächst daraus Anpas-     Mischung der Funktionen (Arbeiten, Wohnen,
                            sungsbedarf für mehr und bessere Radver-         Einkaufen und Freizeit) ist geeignet, Nahmobili-
                            kehrsinfrastruktur. Die finanzielle Beteili-     tät (Fuß- und Radverkehr) zu fördern und damit
                            gungsmöglichkeit des Bundes beim Bau von         Wege mit dem Auto zu ersetzen. Die Verknüp-
                            Radschnellwegen begrüßen wir. In hochver-        fung von öffentlichem Verkehr und MIV (z. B.
                            dichteten Innenstädten ist entlang von Haupt-    über Park&Ride-Anlagen) und/oder internetba-
                            verkehrsstraßen oft kein Platz für Radschnell-   sierte Mobilitätsplattformen können beitragen,
                            wege oder Radfahrstreifen. Hier können           die Siedlungskerne vom MIV zu entlasten.
                            „Fahrradstraßen“ durch die Wohngebiete eine      Bei Großstädten sollte dabei auch die Region
                            Alternative sein (ggf. auch als Element von      mitbetrachtet werden, schließlich bestehen in
                            Radschnellwegen in hochverdichteten Gebie-       der Regel enge Verflechtungen zwischen Stadt
                            ten). Generell sollte beim Ausbau der Rad-       und Umland. Dies ist an starken Pendlerströ-
                            verkehrsinfrastruktur die Verkehrssicherheit     men und Wirtschaftsverkehren abzulesen.
                            oberste Priorität haben. Nicht zuletzt deshalb   U. a. muss in den Umlandgemeinden an den
                            setzt sich der ADAC für eine Beibehaltung der    Bahnhöfen ein ausreichendes Angebot an
                            Radwegebenutzungspflicht ein. Diese darf         Park&Ride-Plätzen bereitgesellt werden. Auch
                            ohnehin nur noch dort angeordnet werden, wo      die Errichtung von Parkplätzen im Bereich von
                            es die Verkehrssicherheit zwingend erfordert.    Autobahnanschlussstellen stellt eine sinnvolle
                            Auf stark befahrenen Hauptverkehrsstraßen        Maßnahme dar, mit der die Bildung von Fahr-
                            mit mehreren Fahrspuren, starkem Lkw-Anteil      gemeinschaften gefördert wird. Die Kernstädte
                            und hohen Differenzgeschwindigkeiten stellt      selbst müssen durch integrierte Stadt- und
                            der baulich abgesetzte Radweg meist die bes-     Verkehrsplanung zur Verbesserung der Ver-
                            sere Lösung dar als eine Führungsform auf        kehrssituation beitragen.

10      Evolution der Mobilität gestalten: Impulse des ADAC für 2017–2021
II. Chancen der Digitalisierung nutzen

II. Chancen der Digitalisierung nutzen

Die Digitalisierung hat weitreichende Auswirkungen auf den Mobilitätssektor. Technische Entwicklungen
im Bereich des automatisierten und vernetzten Fahrens sowie neue Online-Dienste werden die Mobilität,
so wie wir sie heute kennen, grundlegend verändern. Bei all diesen Trends spielt die Erhebung, Übertra-
gung sowie Speicherung und damit die Verarbeitung und Nutzung von Daten eine große Rolle.

Wofür wir uns einsetzen                                 und Verwendung personenbezogener Da-
                                                        ten sicherstellen
Automatisiertes und vernetztes Fahren nutzer-        K Datenschutzprinzipien in Big-Data-Konzep-
freundlich und rechtssicher fortentwickeln              tionen einbeziehen – Privacy-by-Design-An-
K Rechtsrahmen für hoch-/vollautomatisierte            satz verfolgen, Pseudonymisierungs- und/
   Fahrfunktionen ausfüllen                             oder Anonymisierungsverfahren implemen-
K Sichere, nutzerfreundliche und intuitive             tieren
   Auslegung automatisierter Fahrfunktionen          Moderne Pkw zeichnen mit ihren Sensoren
   ermöglichen                                       kontinuierlich unzählige Messgrößen auf und
K Einheitlichen Rechtsrahmen für fahrerlose         erzeugen daraus Daten, die für den Fahrzeug-
   Fahrzeuge entwickeln                              hersteller und andere Diensteanbieter einen
Mit der Anpassung des Straßenverkehrs-               wirtschaftlichen Wert haben. Der ADAC tritt
gesetzes in 2017 hat der Bundestag die               für eine sehr weitreichende Auslegung perso-
Voraussetzung geschaffen, dass Fahrzeug-             nenbezogener Daten ein: Daten, die mit einer
führer sich zukünftig in bestimmten Situatio-        Fahrzeugidentifizierungsnummer (VIN) ver-
nen von der Fahraufgabe abwenden dürfen.             knüpft werden, sind personenbeziehbar und
In der kommenden Legislaturperiode muss              unterliegen damit dem Datenschutzrecht.
dieser Rechtsrahmen durch technische                 Nur so erhält der Autofahrer einen Rechtsan-
Bauartvorschriften, Zulassungsverfahren und          spruch, um Dritte an der Nutzung der Daten
Anpassungen der Straßenverkehrsordnung               zu hindern oder ggf. eine angemessene Ge-
ausgefüllt werden. Nutzern automatisierter           genleistung zu erhalten. Der Nutzer muss die
Fahrzeugfunktionen muss intuitiv jederzeit           Entscheidungsfreiheit darüber haben, ob und
bewusst sein, wie viel Aufmerksamkeit ein            wem er seine personenbezogenen Daten zur
konkretes System erfordert. Die Hersteller           Verfügung stellt (Zustimmungsvorbehalt). Zu-
müssen den nicht bestimmungsgemäßen                  gleich muss jederzeit der (zeitweise) Widerruf
Gebrauch durch technische Maßnahmen                  der Einwilligung sichergestellt sein. Weitere
ausschließen. Im industriellen Umfeld oder           Differenzierungen zwischen personenbezo-
als Erprobungsfahrzeug wurde die technische          genen und „unkritischen“ nicht personenbe-
Reife von fahrerlosen Systemen bereits ge-           zogenen Daten sind nicht zielführend. Dies
zeigt. Für spezielle Aufgaben (Betriebsdienst,       würde den Datenschutz als wichtiges Rechts-
Linienverkehr, Hafenverkehr) sind Anwen-             gut untergraben.
dungsfälle im öffentlichen Straßenraum               Big-Data-Lösungen eröffnen vielseitige
bereits kurzfristig denkbar. Dazu muss – auch        Chancen für gesellschaftlichen Fortschritt in
international – ein einheitlicher Rechtsrah-         vielen Bereichen, so auch im Verkehrssektor.
men entwickelt werden.                               Aber auch hier gilt das Recht auf informatio-
                                                     nelle Selbstbestimmung mit den Grundprin-
Hohes Datenschutzniveau in der Informations-         zipien der Datensparsamkeit und Zweckbin-
gesellschaft sicherstellen                           dung. Die Datenschutzprinzipien müssen in
K Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers            die Gesamtkonzeption von Big-Data-Anwen-
   über Erhebung, Verarbeitung, Übertragung          dungen einbezogen werden:

                                                         Evolution der Mobilität gestalten: Impulse des ADAC für 2017–2021       11
II. Chancen der Digitalisierung nutzen

                         Dies beinhaltet die Beachtung des Privacy-by-       der Weitergabe und Verwendung seiner
                         Design-Ansatzes sowie die Implementierung           personenbezogenen Daten ist für einen
                         von Pseudonymisierungs- und Anonymisie-             freien und fairen Wettbewerb unabdingbar.
                         rungsverfahren.                                     Grundlage ist der Zugang zu Fahrzeugda-
                                                                             ten über eine zugangsoffene Plattform für
                         Datensicherheit stärken – Verantwortung der         Automobilhersteller, unabhängige Werkstät-
                         Hersteller gewährleisten                            ten, Versicherer, Automobilclubs und andere
                         Der Nutzer von vernetzten Mobilitätsdiensten        berechtigte Dritte, eine sogenannte offene
                         muss sich mit dem Risiko der Ausspähung             Telematikplattform (OTP). Eine Zwischenlö-
                         persönlicher Daten, der Manipulation techni-        sung zur Vermeidung eines unfairen Wettbe-
                         scher Systeme bis hin zur zufälligen, verse-        werbsvorteils der Automobilhersteller kann
                         hentlichen oder vorsätzlichen Störung von           ein sogenannter Shared Server unter Kontrol-
                         Softwareprozessen auseinandersetzen (z. B.          le einer unabhängigen Stelle bieten.
                         Tachomanipulation, Keyless-Go-Diebstähle).
                         Offene Funkschnittstellen erhöhen das               Verkehrs- und Reiseinformationen grenzenlos
                         Risiko. Die Datenverarbeitung im Auto muss          verfügbar machen
                         zeitgemäß gegen Manipulation und illegale           K Bereitstellung öffentlicher Daten im Sinne
                         Zugriffe geschützt werden. Der Schutz sollte           von Open Data verbessern
                         nach Standards erfolgen, wie sie in anderen         K Fahrplaninformationen und Vertriebsplatt-
                         Branchen (v. a. IT-Branche) üblich sind, und           form für den gesamten ÖV flächendeckend
                         durch neutrale Stellen bestätigt werden, etwa          zur Verfügung stellen
                         per Common-Criteria-Zertifizierung nach ISO/        Die Digitalisierung ermöglicht eine bessere
                         IEC 15408 des Bundesamtes für Sicherheit            Routenplanung und durchgängige Reiseket-
                         in der Informationstechnik (BSI).                   ten. Echtzeitinformationen können nicht nur
                                                                             die Attraktivität und Qualität des ÖV deutlich
                         Transparenz sicherstellen – „Auto-Daten-Listen“     verbessern, sondern die Multimodalität ins-
                         öffentlich zugänglich machen                        gesamt befördern. Um das Potenzial vollstän-
                         Fahrzeughalter bzw. -führer haben einen An-         dig nutzbar zu machen, bedarf es geeigneter
                         spruch darauf zu erfahren, welche Daten im          Rahmenbedingungen. Verkehrsnutzer wollen
                         Fahrzeug erhoben, übertragen, gespeichert           eine Plattform, die Fahrplaninformationen
                         und empfangen werden. Auch wenn einzelne            und den Ticketvertrieb für den gesamten ÖV
                         erfasste Daten für sich genommen primär             – Nah- und Fernverkehr – zugänglich macht.
                         technischer Natur sind, können sie über die         Oftmals herrscht heute in Deutschland in
                         Fahrzeugidentifikationsnummer dem Halter            diesem Bereich „Kleinstaaterei“, so dass
                         bzw. Fahrer zugeordnet werden. Die Auto-            Informationen nur für bestimmte Regionen
                         mobilhersteller sollten sich verpflichten, für      oder Transportmittel und nicht vernetzt zur
                         jedes Modell eine Auflistung aller im Fahr-         Verfügung stehen. Die Verfügbarkeit und
                         zeug erhobenen, verarbeiteten und genutzten         Bereitstellung von Daten der öffentlichen
                         Daten („Auto-Daten-Liste“) öffentlich anzubie-      Hand und ihrer Unternehmen im Sinne von
                         ten. Sie sollte für den Verbraucher kostenlos       Open Data muss verbessert werden. Ein
                         einsehbar sein und eine neutrale Stelle soll-       nutzerfreundliches Beispiel gibt die Verkehrs-
                         te diese Liste auf die Einhaltung der Daten-        auskunft Österreich (VAO), eine verkehrsmit-
                         schutzbestimmungen überprüfen können.               telübergreifende Verkehrsauskunft für ganz
                                                                             Österreich, die das gesamte Verkehrsgesche-
                         Wahlfreiheit des Verbrauchers und fairen Wettbe-    hen abdeckt, wie z. B. Pkw-Routing, ÖV-Rou-
                         werb sichern – Zugang zu Daten im Fahrzeug regeln   ting, Fahrrad-Routing, Bike&Ride, Leihfahrrä-
                         Die Wahlfreiheit des Verbrauchers hinsichtlich      der und Carsharing.

12      Evolution der Mobilität gestalten: Impulse des ADAC für 2017–2021
III. Umwelt- und Gesundheitsschutz erhöhen

III. Umwelt- und Gesundheitsschutz erhöhen

Zu den größten Herausforderungen der kommenden Legislaturperiode zählt die Senkung der Emissionen im
Verkehr. Die geltenden Schadstoffgrenzwerte für die Luftqualität werden in mehreren Innenstädten weiterhin
regelmäßig überschritten. Aus Gründen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes besteht Handlungsbedarf. Der
Druck lastet insbesondere auf den Kommunen: Anwohner fordern ihr Recht auf saubere Luft ein, Gerichtsver-
fahren werden angestrengt, die EU hat Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Auch die
Treibhausgasemissionen des Verkehrs müssen sinken, ohne die Mobilität einzuschränken. Hier bedarf es einer
ganzheitlichen Herangehensweise: Zur Erreichung der Klimaschutzziele sind im Straßenverkehr alternative
Antriebe und Kraftstoffe auf Basis erneuerbarer Energien ebenso unverzichtbar wie eine konsequente Opti-
mierung und Emissionsreduktion bei konventionellen Antrieben, eine intelligente Integration und Vernetzung
unterschiedlicher Verkehrsträger und der Einsatz moderner Mobilitätsdienstleistungen auf der Basis digitaler
Technologien.

Wofür wir uns einsetzen                                zeug. Zuallererst braucht es also wirklich
                                                       saubere Autos, die über alle Betriebszu-
Luftqualität verbessern – generelle Mobilitäts­        stände und vor allem im Realbetrieb die
beschränkungen vermeiden                               Abgasgrenzwerte einhalten. Die Ausweitung
Grundlegende Leitlinie sowohl für die Reduk-           der Umweltzonenregelung in Richtung einer
tion von CO2 als auch von Luftschadstoffen             blauen Plakette ist problematisch. Der ADAC
muss es sein, die Emissionen zu senken,                EcoTest zeigt, dass ein schlechteres Emissi-
ohne die Mobilität zu beschränken. Dafür               onsverhalten von Euro-5-Diesel-Fahrzeugen
müssen die Schadstoffe an der Quelle                   im Vergleich zu Euro 6 nicht durchgehend
gesenkt werden, das heißt direkt am Fahr-              festzustellen ist. Ein pauschaler Ausschluss

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III. Umwelt- und Gesundheitsschutz erhöhen

                       von Euro-5-Dieselfahrzeugen durch eine              empfiehlt daher die Aufnahme einer interna-
                       blaue Plakette wäre nicht verhältnismäßig.          tionalen Regelung zur Sicherstellung, dass
                       Die Einführung einer blauen Plakette als Ba-        nur manipulationssichere Systeme, Bauteile
                       sis für generalisierende Fahrverbote lehnen         und selbstständige technische Einheiten
                       wir ab.                                             für Fahrzeuge typgenehmigt werden. Dafür
                                                                           setzen wir uns auf EU-Ebene ein und fordern
                       Fahrzeugemissionen konsequent senken – strenge      dafür Unterstützung von der Bundespolitik.
                       Grenzwerte, wirksame Kontrollsysteme und mehr       K Abgasuntersuchung modernisieren,
                       Transparenz durchsetzen                                Endrohrkontrollen nur bei manipulations-
                       K Gesetzliche Grundlagen für wirksame                 verdächtigen Fahrzeugen wieder einführen
                          Abgasminderungstechniken am Fahrzeug             Die Abgasuntersuchung muss so moder-
                          schaffen                                         nisiert und dem aktuellen Stand der Fahr-
                       Die Verbraucher erwarten zu Recht, dass             zeugtechnik angepasst werden, dass die
                       ihre Fahrzeuge mit sauberer Technik aus-            Onboard-Diagnose und Onboard-Abgas-Sen-
                       gestattet werden. Die Automobilindustrie            sorik der Fahrzeuge genutzt wird. Hierzu ist
                       sollte Abgasminderungstechniken einset-             es erforderlich, die Zuverlässigkeit der OBD
                       zen, die wirksam Emissionen verringern und          im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens
                       über alle Betriebszustände die Abgasgrenz-          sicherzustellen. Hingegen ist eine generel-
                       werte einhalten. Die dafür nötigen Tech-            le Wiedereinführung der Endrohrmessung
                       niken sind bereits verfügbar und können             für alle Pkw nicht geeignet, die Luftqualität
                       von den Automobilherstellern mit geringem           wesentlich zu verbessern; die entstehen-
                       Mehraufwand eingebaut werden. Damit das             den Mehrkosten für alle Fahrzeughalter
                       geschieht, ist der Gesetzgeber gefordert,           wären ungerechtfertigt. Zielführend wäre
                       den Herstellern entsprechend strenge Vor-           stattdessen, bei manipulationsverdächtigen
                       gaben zu setzen, die fortlaufend wirksam            Einzelfahrzeugen bei relevanten Auffälligkei-
                       überwacht werden.                                   ten im Rahmen der AU anlassbezogen eine
                       K Marktüberwachung mittels Prüfstandtests          Endrohrmessung als vertiefte Untersuchung
                          und Straßenmessungen verstärken                  durchzuführen.
                       K Typgenehmigung und Marktüberwachung              K Möglichkeiten zur Nachrüstung von Be-
                          strikt trennen                                      standsfahrzeugen prüfen
                       K Manipulationsschutz als Grundlage für die        Um die Stickoxidemissionen nicht nur von
                          Typgenehmigung implementieren                    Neufahrzeugen, sondern auch von Fahrzeu-
                       K Wirksame, verhältnismäßige und abschre-          gen im Bestand zu reduzieren, sollte die In-
                          ckende Sanktionen einführen                      dustrie den Autofahrern wirkungsvolle Nach-
                       Der Abgasskandal hat gezeigt, dass mehr             rüstmöglichkeiten zu vertretbaren Kosten
                       Unabhängigkeit und Transparenz bei den              anbieten. Des Weiteren ist es notwendig,
                       Fahrzeugprüfungen und eine verstärkte               die Möglichkeit von Software-Updates zur
                       Überwachung bereits zugelassener Autos              Verbesserung der Emissionen heranzuzie-
                       dringend benötigt werden. Die Marktüberwa-          hen und diese auch in ihrer Wirksamkeit zu
                       chung sollte künftig von einer vom Wettbe-          überprüfen. Wesentlich ist in diesem Zusam-
                       werb um die Typzulassungen unabhängigen             menhang insbesondere auch, dass durch
                       Stelle durchgeführt werden. Erforderlich ist        eine Nachrüstung der Garantieanspruch
                       auch eine für den Verbraucher kostenfreie           der Autokäufer gegenüber dem jeweiligen
                       Veröffentlichung der Ergebnisse. Die einzig         Fahrzeughersteller nicht erlischt. Für den
                       nachhaltige Lösung gegen Manipulationen             Verbraucher dürfen dabei keine unange-
                       an Fahrzeugen – sei es durch Hersteller             messenen Nachteile wie etwa ein höherer
                       oder Halter – ist eine hinreichende Manipu-         Verbrauch entstehen.
                       lationssicherheit der Fahrzeuge. Der ADAC

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III. Umwelt- und Gesundheitsschutz erhöhen

Umfassende Maßnahmenpakete in belasteten           Einführung einer Well-to-Wheel-Betrachtung
Innenstädten über das Auto hinaus umsetzen         bei der Weiterentwicklung der CO2-Grenzwer-
K „Grüne Wellen“ und adaptive Verkehrs-           te für den Zeitraum ab 2030 für sinnvoll.
   steuerung einsetzen                             Damit kann eine Berücksichtigung aller CO2-
K Alternative Verkehrsmittel ausbauen und         Emissionen von der Quelle bis zum Rad und
   ertüchtigen                                     die Vermeidung der Emissionsverlagerung
K Flotten und Fahrzeuge mit hoher inner-          zum Energiesektor erfolgen.
   städtischer Fahrleistung auf alternative
   Antriebe umrüsten                               Reduktion von CO2-Emissionen auch im Güter­
K Lokale Emissionsquellen abseits des Ver-        verkehr angehen
   kehrs berücksichtigen                           Der Güterverkehr trägt zu einem Drittel zu
Es gibt viele Maßnahmen abseits von Fahr-          den Emissionen des Straßenverkehrs bei.
verboten, deren Potenzial auf kommunaler           Die Anstrengungen für mehr Klimaschutz im
Ebene noch nicht ausgeschöpft wurde.               Straßenverkehr sind nur dann erfolgverspre-
Durch Verkehrsverflüssigung in Innenstädten        chend, wenn sie nicht nur den Personen-,
kann etwa der NOx-Ausstoß um rund 35 bis           sondern auch den Güterverkehr umfassen.
50 % verringert werden und so ein signifi-         Neben der Festschreibung weiterer CO2-
kanter Beitrag zur lokalen Verbesserung der        Grenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeu-
Luftqualität geleistet werden. Eine optimier-      ge müssen Technologien zur Reduzierung
te Verknüpfung des ÖPNV mit dem MIV, z. B.         der CO2-Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge
in den Randbereichen der Ballungsräume,            entwickelt und zur Anwendung gebracht
kann zu einer verstärkten ÖPNV-Nutzung und         werden. Neben technischen Maßnahmen
damit zur Entlastung der Innenstädte führen.       am Fahrzeug können hierzu Biokraftstoffe
Neben dem Angebot von z. B. Park&Ride-             beitragen, sofern diese den Kriterien der
Parkplätzen gehört hierzu auch umfassende          Nachhaltigkeit entsprechen und nicht in
Information via moderner Kommunikations-           Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion
mittel. Zugleich sollten die Träger des ÖV da-     stehen. Auch abfallstämmiges Biomethan,
bei unterstützt werden, diesen umweltfreund-       Erdgas aus Windkraft (Power-to-Gas), aber
licher zu gestalten. Die Umrüstung großer          ebenso Wasserstoff und Strom aus erneuer-
Flotten kann einen wesentlichen Beitrag zur        barer Energie müssen für den Güterverkehr
Reduktion von Stickoxiden, Feinstaub und           nutzbar gemacht werden.
CO2 leisten.
                                                   Erneuerbare Energien für den Verkehrssektor
CO2-Grenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge   nutzen – Beitrag zur Energiewende im Interesse
ambitioniert fortschreiben                         der Verbraucher planungssicher und kosten­
Wir setzen uns auf EU-Ebene für den am-            bewusst umsetzen
bitionierten CO2-Grenzwert von 70 g/km             Für einen klimafreundlichen Verkehr be-
(NEFZ-Basis) für Neufahrzeuge ab 2025 ein.         darf es zusätzlicher, regenerativ erzeugter
Mehrfachanrechnungen von Personenkraft-            Energie. Elektromobilität und strombasierte
wagen mit besonders niedrigen spezifischen         Kraftstoffe bieten künftig die Chance, emis-
CO2-Emissionen bei der Berechnung des              sionsarm mobil zu sein, wenn Strom aus zu-
Flottendurchschnitts (Supercredits) sind           sätzlichen erneuerbaren Quellen eingesetzt
dabei nicht erforderlich. Begünstigungen die-      wird. Andernfalls werden die Emissionen ins
ser Art führen zu einer „Beschönigung“ der         Kraftwerk verlagert – so ergibt zum Beispiel
durchschnittlichen CO2-Emissionen der Fahr-        Elektromobilität mit herkömmlichem Strom
zeugflotte eines Herstellers und verhindern        in Bezug auf den CO2-Ausstoß keinen Vorteil
eine CO2-Reduzierung über die komplette            gegenüber der Dieseltechnologie.
Modellpalette. Darüber hinaus halten wir die

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III. Umwelt- und Gesundheitsschutz erhöhen

                       Intelligent vernetzt und in das Energiesystem       Grundgebühr entrichtet werden. Preise für
                       integriert können die Batterien von E-Fahr-         eine Tankladung sind häufig unterschiedlich.
                       zeugen die natürlichen Schwankungen bei             Dies trägt nicht dazu bei, dass Nutzer die
                       der Erzeugung von Wind- und Sonnenstrom             E-Mobilität als eine einfache und verlässliche
                       ausgleichen und so Stromnetze und damit             Mobilitätsoption wahrnehmen. Die Politik
                       die Versorgungssicherheit insgesamt stabil          sollte hier verbraucherfreundliche Rahmen-
                       halten. Wir brauchen regulatorische Rahmen-         bedingungen setzen. Ein echtes Hindernis
                       bedingungen, die die Versorgung mit zusätzli-       bei der Entscheidung für ein Elektrofahrzeug
                       chen erneuerbaren Energien für den Verkehr          ist darüber hinaus die Installation privater
                       sicherstellen, so dass sauberer Strom für die       Ladepunkte für E-Fahrzeuge in Sammelga-
                       Mobilität auch wirklich zur Verfügung steht.        ragen: E-Fahrzeug-Käufer in spe werden von
                                                                           ihrem Vorhaben abgebracht, weil sie etwa in
                       Antriebsalternativen technologieneutral             ihrer Tiefgarage keine Steckdosen anbringen
                       unterstützen                                        dürfen. Denn bei baulichen Veränderungen
                       K Alle Formen alternativer Antriebe politisch      am Gemeinschaftseigentum, zu denen Tief-
                          weiterverfolgen                                  garagen gehören, müssen die Miteigentümer
                       Ob batterieelektrisch, Wasserstoff, Power-to-X      zustimmen. Diese Zustimmung wird selten
                       oder Biokraftstoffe der 3. Generation: Ziel ist     gegeben, noch weniger, wenn es sich um
                       es, Treibhausgas- und Schadstoffemissionen          eine gemietete Garage handelt. Miet-, Wohn-
                       sowie die Abhängigkeit von begrenzten Res-          und Baurecht müssen geändert und die
                       sourcen zu verringern. Die Politik sollte nicht     Landesbauvorschriften so angepasst werden,
                       auf einzelne Technologien setzen, sondern           dass privates Laden wesentlich erleichtert
                       den Rahmen für einen fairen Wettbewerb der          wird.
                       verschiedenen technischen Ansätze vorgeben.         K Erdgas weiter unterstützen – Biomethan-
                       Aus Sicht der Verbraucher sind verlässliche            Anteil ausbauen, Preisauszeichnung verbrau-
                       Rahmenbedingungen und ein planbarer Über-              cherfreundlich gestalten
                       gang von der fossilen zur postfossilen, CO2-        Erdgas ist ein wichtiges Element zur Errei-
                       freien Mobilität wichtig.                           chung der Klimaziele im Verkehrsbereich.
                       K Elektromobilität nutzerfreundlicher machen –     Der ADAC unterstützt die Fortsetzung der
                          „Tanken“/Laden zu transparenten und              Steuerermäßigung für Erdgas als Kraftstoff
                          marktüblichen Preisen ermöglichen, Instal-       (CNG). CNG hat das Potenzial, zu 100 %
                          lation privater Ladepunkte für E-Fahrzeuge       regenerativ erzeugt werden zu können.
                          in Neu- und Umbauten erleichtern, Weiter-        Bereits heute hat Erdgas als Kraftstoff
                          entwicklung der Batterietechnologie fördern      einen rund 20-prozentigen Biomethan-Anteil.
                       Für mehr Alltagstauglichkeit der Elektro-           Die Bundesregierung sollte weiter Erdgas
                       mobilität müssen Batterietechnik und                als klimafreundlichen Kraftstoff unterstüt-
                       Ladeinfrastruktur weiterentwickelt werden           zen und speziell Anreize zum Ausbau des
                       und Bezahlsysteme an Elektrotankstellen             Biomethan-Anteils setzen. Die einheitliche
                       verbrauchergerecht ausgestaltet werden.             Preisauszeichnung an der Tankstelle in Liter-
                       E-Fahrzeug-Nutzer brauchen heute zahlreiche         äquivalent ist ein Schritt in Richtung einer
                       Ladekarten und Verträge mit verschiedenen           einfacheren Vergleichbarkeit der Preise zwi-
                       Anbietern, wenn sie die Ladesäulen frei wie         schen herkömmlichem Kraftstoff und Erdgas
                       bei herkömmlichen Tankstellen für Benzin            und damit einer transparenten Verbraucher-
                       und Diesel nutzen wollen. Bei vielen Anbie-         information über die Vorteile von Erdgas als
                       tern von Ladesäulen muss eine monatliche            alternativem Kraftstoff.

16     Evolution der Mobilität gestalten: Impulse des ADAC für 2017–2021
IV. Verkehrsinfrastruktur effizient bereitstellen

IV. Verkehrsinfrastruktur effizient bereitstellen

Eine zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur ist ein wichtiger Bereich staatlicher Daseinsvorsorge. Sie bildet das
Rückgrat eines zuverlässigen, sicheren und bedürfnisgerechten Verkehrssystems. Die Straßen-, Schienen- und
Wasserstraßeninfrastruktur muss den sich wandelnden Anforderungen der Nutzer genauso gerecht werden
wie den technischen Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung und Automatisierung. Planbare Reisezei-
ten, passende Umsteigebeziehungen, alternative Routen und Vernetzung sind Kennzeichen einer attraktiven
Verkehrsinfrastruktur. Die Anforderungen sind hoch: Staus sollten weitestgehend reduziert, Kapazitäten
gezielt erweitert und Potenziale der Digitalisierung genutzt werden. Nicht zuletzt muss die Infrastrukturnut-
zung für die Menschen bezahlbar bleiben. Mit dem Investitionshochlauf, der Neukonzeption des Bundesver-
kehrswegeplans, der Weiterentwicklung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung bei der Schiene und
Verankerung der „Überjährigkeit“ im Verkehrshaushalt wurden wichtige Ziele der Infrastrukturpolitik in der
ablaufenden Legislaturperiode umgesetzt. Die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen wird sowohl
grundlegende Auswirkungen auf die Reform der Bundesfernstraßenverwaltung als auch auf die kommunale
Verkehrsinfrastruktur haben, und damit die politische Diskussion in der 19. Legislaturperiode prägen.

Wofür wir uns einsetzen                                  vierungsbedürftig. Für Investitionen in Erhalt,
                                                         Aus- und Neubau der Bundesverkehrswege
Investitionen in die Bundesverkehrswege auf hohem        werden in der kommenden Legislaturperiode
Niveau verstetigen                                       mehrjährig planbar mindestens 15 Mrd. Euro
Trotz insgesamt deutlich erhöhter Investiti-             pro Jahr benötigt. Das Investitionsniveau
onen in der 18. Legislaturperiode bleiben                muss dauerhaft abgesichert sein.
viele Verkehrswege erweiterungs- und reno-

                                                             Evolution der Mobilität gestalten: Impulse des ADAC für 2017–2021            17
IV. Verkehrsinfrastruktur effizient bereitstellen

                          Infrastrukturgesellschaft nutzergerecht etablieren   Fernstraßennetz muss bei der Umsetzung
                          K Ausschluss von Möglichkeiten der Privati-         durchgehalten werden. Fehlende Lkw-Stell-
                             sierung fest verankern                            plätze sind ein Sicherheitsrisiko. Es bedarf
                          K Entscheidungskompetenz der Politik                weiterhin großer Anstrengungen, um neue
                             sicherstellen                                     Parkstände an den hochbelasteten Strecken
                          K Übertragung von Staatsschulden auf die            zu schaffen. Daneben muss die Nutzung der
                             Gesellschaft und unbeschränkte Kredit-            bestehenden Parkstände durch technische
                             fähigkeit verhindern                              Einrichtungen optimiert werden. Auch bei
                          K Verbleibende Auftragsverwaltung für die           der Schiene müssen sich Investitionen auf
                             übrigen Bundesstraßen optimieren                  die prioritären Projekte des BVWP 2030 zur
                          Die Reform der Auftragsverwaltung bietet             Engpassbeseitigung, die Stärkung bestehen-
                          eine große Chance, die Bereitstellung der            der Knoten und die zügige Elektrifizierung
                          Bundesfernstraßen dauerhaft effizienter zu           der verbleibenden rund 40 % der Bahnstre-
                          gestalten. Aus Nutzersicht muss Kerngedan-           cken konzentrieren. Wichtigste Maßnahmen
                          ke der Errichtung der Gesellschaft die bes-          zur Erreichung des Halbierungsziels 2020
                          sere Bereitstellung der Straßen sein. Ange-          zur Lärmreduzierung bleiben die Umrüstung
                          sichts ihrer hohen Abgabenbelastung haben            bzw. entsprechende Neuanschaffung von
                          die Autofahrer ein berechtigtes Interesse,           Güterwagen. Ziele einer neuen Schienenpoli-
                          dass effiziente Organisations- und Finanzie-         tik müssen Verlässlichkeit in der Leistungs-
                          rungsstrukturen den Zustand von Straßen              erbringung und Steigerung der Nutzung von
                          und Brücken dauerhaft verbessern und                 Schienenangeboten durch die Kunden des
                          sichern, ohne die Nutzer mehr zu belasten.           Güter- und Personenverkehrs sein. Um die
                                                                               Straße weiter zu entlasten, ist insbesondere
                          Zuverlässigkeit und Qualität bei allen Verkehrs­     das Ziel besonders bedeutsam, mehr Güter-
                          trägern stärken – Verkehrsinfrastruktur umfassend    verkehr auf die Schiene zu bekommen.
                          sanieren und modernisieren
                          K Erhaltung des Bestandsnetzes nach dem             Digitalisierung der Verkehrsinfrastruktur
                             Lebenszyklusprinzip sicherstellen                 voranbringen
                          K Engpassbeseitigung und Knotenausbau               K Ausbau der Mobilfunknetze mit mindes-
                             bei Straße und Schiene priorisieren                  tens 50 Mbit/s entlang Verkehrswegen
                          K An Bundesfernstraßen marode                          zügig umsetzen
                             Brücken zeitnah ersetzen                          K 5G-Standard in die Mobilität mittelfristig
                          K Lkw-Stellplätze weiter ausbauen und                  zur Normalität werden lassen
                             bestehende Kapazitäten durch Telemati-            K Erkenntnisse aus dem „Testfeld A9“
                             sches Lkw-Parken optimal nutzen                      schnellstmöglich in die Fläche bringen
                          K Elektrifizierung der Schiene weiter voran-        K Leit- und Sicherungstechnik ETCS/ERTMS
                             treiben                                              auf Korridoren im Schienennetz einsetzen
                          K Schienenlärmreduzierungsziele 2020                Die Digitalisierung braucht eine „intelli-
                             weiterverfolgen                                   gente“ Gestaltung der Infrastruktur. Die
                          K Mehr Güterverkehr auf die Schiene be-             Modernisierung der Infrastruktur muss mit
                             kommen                                            dem zunehmenden Automatisierungs- und
                          Bei Neu- und Ausbau der Bundesfernstraßen            Vernetzungsgrad von Fahrzeugen und auf
                          ist der Fokus auf die wirksame Staubekämp-           Seiten der Nutzer Schritt halten. Andern-
                          fung insbesondere im Autobahnnetz zu legen.          falls drohen Innovationen und Informationen
                          Die Schwerpunktsetzung im Bundesverkehrs-            stecken zu bleiben.
                          wegeplan (BVWP) 2030 auf die Engpass-
                          beseitigung im überregional bedeutsamen

18      Evolution der Mobilität gestalten: Impulse des ADAC für 2017–2021
IV. Verkehrsinfrastruktur effizient bereitstellen

Verantwortung für kommunale Infrastruktur wahr-   Verkehrsgebiet und den Kundenbedürfnis-
nehmen – Kooperationsverbot im Verkehrsbereich    sen. Möglichkeiten wie Carsharing und ande-
überprüfen                                        res sind in einem reformierten Vergaberecht
K Kommunale Verkehrsinfrastruktur dauer-         ebenfalls zu ermöglichen. Weiterhin ist die
   haft finanziell absichern                      Wirtschaftlichkeit der Verkehre zu beachten.
K GVFG-Bundesprogramm am Bedarf orien-
   tieren und dynamisieren                        Straßenverkehr nicht durch neue Gebühren­
K PBefG weiter für Wettbewerb und beste          systeme weiter verteuern
   Angebote für Verbraucher offenhalten           K Mehrbelastung der Verbraucher durch Pkw-
Der Bund hat u. a. mit der Förderung finanz-         Maut auch für die Zukunft ausschließen
schwacher Kommunen einen Schritt zur              K Negative Effekte des Verkehrs wirksam
Stärkung der kommunalen Investitionskraft            an der Quelle reduzieren, keine Mobili-
getan. Die Bundesebene wird auch künftig             tätsverteuerungen durch Anrechnung von
gefordert sein, Verantwortung für die kom-           Umwelt- und Staukosten
munale Infrastruktur zu übernehmen. Die           Auch nach Entscheidung für eine Pkw-
Fortsetzung des GVFG-Bundesprogramms              Vignette in Deutschland wird die Diskussion
ist zu begrüßen. Angesichts der bestehen-         um die Nutzerfinanzierung nicht enden: Das
den Herausforderungen ist darüber hinaus          anstehende Gesetzespaket der EU zum Stra-
eine Anpassung der Mittel am tatsächlichen        ßenverkehr (EU Road Package) beinhaltet
Bedarf und ihre Dynamisierung notwendig.          eine Ausweitung der Anrechnung sogenann-
Vielen Kommunen fehlen bereits heute die          ter externer Kosten des Straßenverkehrs,
Mittel zur Sicherung ihrer Verkehrsverhält-       wie z. B. von Klimaschäden, Unfällen und
nisse, wobei der Wegfall der Entflechtungs-       Staus, auf die Nutzerfinanzierung. Dazu will
mittel diese Probleme verstärken wird. So         die EU-Kommission den Rahmen für eine
besteht weiterhin großer Nachholbedarf            kilometerabhängige Berechnung der Mautge-
beim Erhalt und Ausbau der kommunalen             bühren europaweit einführen. Für den Nutzer
Straßeninfrastruktur sowie bei deren Moder-       bedeutet ein solches Gebührensystem eine
nisierung. Investitions- und Innovationskraft     weitere Verteuerung des Autofahrens, insbe-
der Kommunen im Bereich der Mobilität             sondere für die Bewohner ländlicher Räume,
(z. B. Elektromobilität im MIV und ÖV) drohen     die in der Regel weite Fahrtstrecken und
am Kooperationsverbot zu scheitern, so            kaum Alternativen zum Auto haben. Denn
dass hierüber eine Diskussion in der kom-         die externen Kosten kommen als Zusatzbe-
menden Legislaturperiode geführt werden           standteil der Mautgebühr hinzu, sozusagen
sollte.                                           „on top“ zu den bestehenden Steuern und
Die Mobilität der Zukunft braucht einen at-       Gebührenbestandteilen. Negative Effekte
traktiven ÖV auf dem Land und in der Stadt;       des Verkehrs können wesentlich effizienter
dafür ist eine Überarbeitung der rechtlichen      an der Quelle reduziert werden, wie z. B.
Rahmenbedingungen unerlässlich. Bei der           durch strengere gesetzliche Grenzwerte für
Erbringung von ÖV-Dienstleistungen müssen         Fahrzeugemissionen und die Schaffung neu-
Verbraucher von einem funktionierenden            er Mobilitätsangebote.
Wettbewerb und dem bestmöglichen Ange-
bot profitieren können. Insgesamt gehört
dazu auch, das Vergaberecht so zu gestal-
ten, dass künftig Verkehrsräume nicht diffe-
renziert nach den unterschiedlichen
Verkehrsmitteln geplant und vergeben wer-
den (SPNV, ÖSPV), sondern nach dem

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